Parker und die Rauschgifthändler Butler-Parker-Krimi mit Hochspannung und Humor von Günter Dönges
Josuah Parker wirkte...
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Parker und die Rauschgifthändler Butler-Parker-Krimi mit Hochspannung und Humor von Günter Dönges
Josuah Parker wirkte ein wenig ge hemmt und schüchtern. Vielleicht lag es an der Umgebung, in der er sich befand. Die Kneipe in der Nahe der West India Docks sah bedrük kend schmutzig und verkommen aus. Es roch nach saurem, verschüttetem Bier, nach schlechtem Tabak und nach schar fem Schweiß. Die Dockarbeiter an der Theke waren laut. Sie bewegten sich mit einer hemdsärmeligen Rauheit, die -auf den Butler schon peinlich wirkte. achteten kaum auf den korrekt geklei deten Mann, der sich beeilte, in einer halbdunklen Nische zu verschwinden. Parker legte seinen Universal-Re genschirm ab, verstaute seine schwarze, steife Melone und zog sich die schwar zen Zwirnhandschuhe aus. Seine Hände spielten nervös mit einer kleinen Leder tasche. Unnötig zu sagen, daß sie von schwarzer Farbe war. Es dauerte lange Minuten, bis sich der Barkeeper dazu herabließ, vor Parker zu erscheinen. Brummig erkundigte er sich nach seinen Wünschen. „Wenn es recht ist, hätte ich gern ein Glas Ale", antwortete Josuah Parker höflich. „Kostet hier am Tisch aber Bedie
nung", meinte der Barkeeper. Er trock nete sich seine nassen Hände an der schmuddeligen Schürze ab. „Natürlich, natürlich", gab Parker höflich zurück. „Würden Sie mir übri gens über die Bedienung hinaus mit einem Rat zur Verfügung stehen? Selbstverständlich gegen Bezahlung." „Sie wissen, worauf es ankommt." Der Barkeeper grinste. „Was haben Sie denn auf dem Herzen?" „Ich weiß nicht recht, wie ich begin nen soll." Parker seufzte elegisch auf und sah verschämt zu Boden. Der Bar keeper glaubte verstanden zu haben. Sein Grinsen wurde anzüglich. „Wollen Sie 'ne Dame kennenler nen?" fragte er rundheraus. „Aber nein, ganz gewiß nicht." Par ker schüttelte fast entrüstet den Kopf. „Ich fürchte, ich bin gründlich mißver standen worden. Nein, es handelt sich um gewisse Geschäftsverbindungen. Mit anderen Worten, ich besitze eine Ware, die ich allein wohl kaum zu Geld ma chen kann." „Ach so, Sie wollen was verscheuern." Der Barkeeper hatte endlich richtig ver standen. Er sah den Butler abschätzend und interessiert an. Dann glitten seine
Augen auf die schwarze Ledermappe. „Was wollen Sie denn an den Mann bringen?" „Darf ich offen zu Ihnen reden?" „Versuchen Sie's doch." „Es geht um Dinge, die vom Gesetz nicht zugelassen sind." „Machen Sie's nicht so spannend." Der Barkeeper grinste amüsiert. „Hier bei uns brauchen Sie nichts zu befürchten. Wir können den Mund halten." „Gestatten Sie, daß ich etwas aus hole", begann Parker. „Ich bin Butler, was meinen Beruf angeht. Bis vor zwei Tagen arbeitete ich für einen Chemiker. Wegen einiger Mißverständnisse mußte ich meinen Dienst quittieren." „Hat man Sie beim Klauen erwischt?" Der Barkeeper war für klare Feststel lungen. Von vornehmen Umschreibun gen hielt er nichts. „Ich bin natürlich zu Unrecht verdäch tigt worden", meinte der Butler entrü stet. „Eine Durchsuchung meines Ge päcks verlief ergebnislos." „Dann waren Sie eben gerissen. Rük ken Sie endlich mit der Sprache heraus, Mann. Was wollen Sie loswerden?" „Ich deutete schon an, daß ich bei einem Chemiker arbeitete", erklärte Josuah Parker würdevoll. „Da man mir den mir zustehenden Jahreslohn vor enthielt, sah ich mich gezwungen, mich anderweitig schadlos zu halten." „Mann, Sie gehen mir auf die Nerven. Sagen Sie schon, was Sie verscheuern wollen." „Methylester des Benzoinekgonins."
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„Wie bitte? Was is' denn das?" „Sie würden Kokain dazu sagen." „Koks?" „So lautet tatsächlich der Vulgäraus druck." Parker nickte und zog die schwarze Ledertasche unwillkürlich an sich. „Kennen Sie eine Adresse, die sich für meine, sagen wir Ware interessie ren könnte?" „Mein lieber Mann!" Der Barkeeper grinste nicht mehr. Ja, er sah sich sogar unwillkürlich zur Theke um, als be fürchte er, belauscht zu werden. „War um handeln Sie nicht gleich mit 'ner Wasserstoffbombe?" „Die war leider nicht zu bekommen", erwiderte Parker ernsthaft. „Zudem be faßte sich mein Dienstherr nicht damit. Ich deutete wohl schon an, daß er Che miker ist." „Wieso kommen Sie mit dem Koks ausgerechnet hierher?" Der Barkeeper war und blieb mißtrauisch. Er hatte sei ne Stimme zu einem Flüstern ge dämpft. „Das hier ist das vierte Lokal seiner Art, das ich besuche. Und zum ersten Male begegne ich endlich einem Men schen, der mit dem Begriff Kokain etwas anzufangen weiß." „Sie sind mit dem Zeug hausieren ge gangen?" „Ich möchte es, unkompliziert ausge drückt, zu Geld machen. Ich befinde mich in einer gewissen momentanen Ver legenheit." „Sie glauben, ich könnte Ihnen hel fen?"
„Ich hoffe es. Sollten Sie einen Ver kauf der Ware ermöglichen, werde ich mich selbstverständlich erkenntlich zei gen." „Was Sie da anbieten, ist verdammt heiß." Der Barkeeper blieb vorsichtig, „Sagen Sie mal, welche Kneipen haben Sie denn bisher besucht?" „Oh, ich verstehe." Parker gestattete sich ein diskretes Schmunzeln. „Sie wol len nachforschen, ob ich die von mir genannten Lokale auch tatsächlich auf gesucht habe, nicht wahr?" „Klar, ich lasse mich nicht gern aufs Glatteis führen." Parker hatte vollstes Verständnis für diese Vorsicht. Er nannte die Namen der vier betreffenden Lokale. Der Barkeeper schien sie alle zu kennen. Und er wollte den Dingen auf den Grund gehen. „Ich werd' Ihnen jetzt erst mal das Ale bringen", sagte er. „Kann sein, daß ich einen Kunden für Sie herbeischaf fen kann. Kann sein, ist aber noch längst nicht sicher." „Nehmen Sie sich nur Zeit", meinte Parker freundlich. „Ich deutete ja schon an, daß ich zur Zeit beschäftigungslos bin. Daher kann ich über meine Freizeit verfügen." „Noch etwas." Der Barkeeper schien sich für dieses Geschäft inzwischen er wärmt zu haben. „Bei welchem Mann waren Sie beschäftigt? Und wie heißen Sie eigentlich?" „Mein Name ist Parker, Josuah Par ker. Und mein Dienstherr ist ein gewis ser Doktor Basil Snyder." „Schön, und wann kommt er dahin ter, daß Sie ihm das Kokain weggenom men haben?" „Meiner Schätzung nach erst in vier zehn Tagen. Doktor Snyder ist zur Zeit in Frankreich. Er besucht dort einen wichtigen Kongreß."
„Na schön, warten wir's ab." Der Bar keeper verließ die Nische und ging zu rück zur Theke. Er beeilte sich, einige Biergläser zu füllen, servierte Parkers Ale und verschwand dann hinter einer Schiebetür. Parker richtete sich auf eine längere Wartezeit ein. Er wußte nur zu gut, wie vorsichtig Rauschgiftgangster waren. Bevor sie sich mit ihm in Verbindung setzen würden, prüften sie bestimmt al le Angaben. Der Butler gratulierte sich nachträg lich zu seinen intensiven Vorbereitun gen. Seine Angaben stimmten bis aufs Haar. Sie hielten allen Nachprüfungen stand. Nun kam es darauf an, daß er interessant genug erschien... * „Anruf für Sie." Der Barkeeper winkte den Butler zur Theke und deutete auf den Wandappa rat. Er schien das Geschäft also schon eingefädelt zu haben. Josuah Parker er hob sich. Würdevoll schritt er durch die Kneipe und langte nach dem Telefon hörer. Er meldete sich mit seinem Na men. „Sie haben Ware?" fragte eine kalte, unpersönliche Stimme. „Mit wem habe ich die Ehre zu spre chen?" „Lassen Sie die Mätzchen, Parker. Haben Sie Ware oder nicht?" „Ich bin ganz gewiß nicht zu meinem Vergnügen hier." „Hoffentlich versuchen Sie keine fau len Tricks, Parker." „Sie werden beleidigend." „Na gut, ich bin an dem Zeug interes siert. Haben Sie eine Probe bei sich?" „Eine Probe? Ich nahm mir die Frei heit, die gesamte Ware gleich mitzu bringen. Ich möchte nicht in Raten ver 3
handeln und verkaufen." „Wieviel Gramm?" „Genau 580,6 Gramm. Aber nun möch te ich wissen, mit wem ich spreche." „Sagten Sie gerade 580 Gramm?" „Nein, 580,6 Gramm." „Spalten Sie keine Haare, Parker. Ich werde das Zeug aufkaufen. Über den Preis werden wir uns schon einigen." „Ich will es sehr hoffen. Ich brauche Geld, um den Staub dieser Insel von meinen Schuhen schütteln zu können. Ich brauche das Geld umgehend." „In Ordnung, wir werden uns treffen. Sagen wir, in einer Stunde." „Und wo, wenn ich fragen darf?" „Lassen Sie sich vom Barkeeper er klären, wo Sie das Lokal ,The Coin' finden können. Erwarten Sie mich dort!" „Wie werde ich Sie erkennen?" „Ich werde mich zu Ihnen an den Tisch setzen, Parker." „Wissen Sie denn, wie ich aussehe?" „Natürlich. Ein Mann wie Sie fällt auf! Machen Sie sich sofort auf den Weg! Wir wollen keine Zeit verlieren." „Ich hoffe, Sie stellen mir keine Fal le." „Dieses Risiko müssen Sie eingehen." „Sie auch, das ist nur zu natürlich." Parker verzichtete auf ein weiteres Ge spräch und legte auf. Er winkte den Barkeeper zu sich heran und ließ sich den Weg beschreiben. „Das ist 'ne finster aussehende Ge gend", schloß der Barkeeper seinen ein gehenden Vortrag. „Stören Sie sich nur nicht daran. Ihnen wird nichts passie ren." „Ich will es sehr hoffen", erwiderte Parker. „Sie ahnen nicht, wie nervös ich werde, falls man mir Unannehmlich keiten bereitet." „Sie sehen ganz danach aus", spottete 4
der Barkeeper und lachte wie über einen guten Witz. Er hielt den Butler für einen ausgemachten Trottel und wußte; daß er übers Ohr gehauen wer den sollte... » Der Butler hielt sich genau an die Beschreibung, die der Barkeeper ihm gegeben hatte. Er wußte längst, daß er sich in einer bösen und finsteren Ge gend befand. Sein Weg führte ihn durch schmale Gassen, vorbei an schmutzigen Lagerschuppen und an einsamen Dock anlagen, wo es nach verfaultem Fisch, nach Salz und nach Brackwasser roch. Parker hatte keine Angst. Er war sich seiner Fähigkeiten durchaus bewußt. Er hielt sich selbstverständlich nicht für einen Übermenschen. Dazu war seine Selbstkritik viel zu sehr ausgebildet. Er wußte aber, daß seine Trickkiste gut ge füllt war. Zu oft schon hatte er sich in der Vergangenheit mit ausgekochten und gerissenen Gangstern herumge schlagen. Er kannte ihr Denken und Handeln. Er konnte sich auf ihre Metho den einstellen. Ihm war klar, daß er ausgenommen werden sollte. Man hielt ihn für einen Gimpel, glaubte gewiß, leichtes Spiel mit ihm zu haben. Nun, Parker war ge willt, es auf einen Versuch ankommen zu lassen. Nach knapp zehn Minuten war es so weit. Er befand sich in einer schmalen Gas se, die von nackten Ziegelmauern einer Fabrik und eines Lagerschuppens flan kiert wurde. Die Straßenbeleuchtung war hier mehr als spärlich. Seine Schrit te hallten wider. Es herrschte eine un heimliche und unheilschwangere Atmo sphäre, wie sie in Kriminalfilmen bevor zugt wird. Gewalt und Verbrechen lagen in der Luft. Nebelschwaden, die von der
Themse her kamen, unterstrichen diesen Eindruck... P a r k e r h a t t e die Hälfte der Gasse b e reits hinter sich gebracht, als er Kon takt mit den Gangstern bekam. Zwei stark angetrunkene Seeleute k a men ihm entgegen. Sie sangen schlecht und laut. Sie torkelten auf ihn zu, schie nen ihn ü b e r h a u p t nicht zu bemerken und blieben plötzlich stehen, um sich Zigaretten anzuzünden. P a r k e r sah sich als guterzogener Mensch gezwungen, ihnen sein F e u e r zeug anzubieten. Er ging ihnen direkt entgegen. Höflich lüftete er seine steife, schwarze Melone. „Bedienen Sie sich", sagte er freund lich. „Ich sehe, daß Sie mit den Streich hölzern nicht zurechtkommen." Einer der Seeleute beging den Fehler, nach dem Feuerzeug zu greifen. Er weitete seinen Fehler noch aus, indem er das Feuerzeug in Tätigkeit setzte und zur Zigarette hochhob. Der Verschluß sprang auf. Der F u n k e zündete. Und er brachte im gleichen Augenblick damit ein kleines Gasge misch zur Explosion. Es gab einen bösen Knall. Eine mittelprächtige Stichflamme schoß hoch und veranlaßte den Gangster, einen Schrei des Entsetzens auszusto ßen. Der zweite Seemann handelte augen blicklich. Er versuchte zu retten, was noch zu retten war. Er holte zu einem mächtigen Hieb aus. Er schlug auch ge konnt zu, doch sein Schwinger verpuffte in der Luft. P a r k e r hatte es aus takti schen Gründen vorgezogen, zur Seite zu weichen. Bevor der Schläger sich fassen und neu aufbauen konnte, verspürte er ei nen unangenehmen, harten Griff am Knöchel. Ein kurzer Ruck, dann verlor der Mann sein Gleichgewicht. Er stürzte
zu Boden und blieb überrascht und leicht groggy auf dem nebelnassen Pflaster liegen. P a r k e r hakte den Griff seines Univer sal-Regenschirms vom Knöchel des Mannes los. Damit hatte er den Schläger nämlich aus dem Gleichgewicht ge bracht. Dann warf der Butler ein klei nes Glasfläschchen auf das Pflaster und w a r im gleichen Moment verschwunden. Nun, er h a t t e sich nicht in der Luft aufgelöst. Das brachte auch ein Josuah P a r k e r nicht fertig. Doch er verschwand in einer dichten Nebelwolke, die aus dem zertrümmerten Glasfläschchen hoch stieg. Diese Nebelwolke verbreitete sich mit größter Schnelligkeit. Innerhalb we niger Sekunden w a r e n selbst die nack ten Ziegelmauern nicht m e h r zu sehen. Hustend, spuckend, nach Luft ringend, ergriffen die beiden angeblich betrun kenen Seeleute die Flucht. Sie torkelten plötzlich nicht mehr herum. Sie konnten sehr -schnell laufen und machten einen durchaus sportlichen und durchtrainier ten, Eindruck. Sie waren derart durcheinander, daß sie den Butler vollkommen vergaßen. Sie k ü m m e r t e n sich nicht mehr um ihn. Sie hatten n u r den einen Wunsch, so schnell wie möglich zurück zu ihrem wartenden Wagen zu gelangen. Es handelte sich um einen Morris Ox ford. Der Wagen stand in einer Seiten straße. Die beiden Gangster sprangen in ihn hinein und wollten sofort losfahren. Dann aber merkten sie, daß die Luft in den Hinterreifen fehlte. Sie waren mit Recht böse und peinlich berührt. Mit dieser Verzögerung hatten Sie nicht gerechnet. Der Beifahrer sprang aus dem Wagen. Er wollte sich den Schaden ganz aus der Nähe ansehen. Als er um das Wagen heck herumkam, blieb er wie angewur 5
zeit stehen. Er kam nicht mehr dazu, nach seiner Schußwaffe zu greifen. Sein Kinn rammte nämlich einen har ten Gegenstand. Der angebliche See mann stieß einen gurgelnden Laut aus. Dann machte er sich gehorsam auf die Reise hinunter zum Pflaster. Er blieb regungslos neben dem platten Reifen liegen. „Was ist?" rief der Fahrer des Morris Oxford. Er wartete auf einen Lagebe richt. Als er keine Antwort erhielt, stieg auch er aus. Er wollte seinem Begleiter helfen. Er kam nicht weit. Ein Finger tippte auf seine Schulter. Der Mann drehte sich erstaunt um. Im Rücken hätte er seinen Partner nicht vermutet. Es war nicht sein Partner, es war der Butler. „Ich bedaure diese Kraftakte und ver urteile sie im Grunde meines friedlichen Wesens", entschuldigte sich Parker. Dann schlug er noch mal zu. Sein Schlag kam kurz und trocken. Ein Profi hätte nicht präziser zulangen können. Der zweite Seemann verdrehte die Augen. Er produzierte einen wehmüti gen Seufzer und suchte dann das Pfla ster auf. Er schien sich darauf sehr wohl zu fühlen, denn er blieb liegen und hielt innigen Kontakt mit den groben Stei nen. Er stand nicht mehr auf. Josuah Parker hatte nun Zeit, sich den Morris Oxford etwas genauer anzu sehen. Vorn auf dem Beifahrersitz ent deckte er ein kleines Funksprechgerät, ein Walkie-Talkie, wie es bei der Ar mee verwendet wird. Die beiden angeb lichen Seeleute hatten sich also sehr modern ausgerüstet. Ob sie sich als reine Funkamateure auf solch eine kostspie lige Sache eingelassen hatten, bezwei 6
felte der Butler. Er vermutete realere Hintergründe. Um den Dingen auf den Grund zu ge hen, holte Parker das Funksprechgerät aus dem Wagen, zog die Teleskopanten ne heraus und drückte den Sendeknopf. Mit etwas verstellter Stimme sagte er ei nige Male „Hallo" in das eingebaute Mikrofon hinein. Er war gespannt, ob die Gegenstelle sich meldete. Sie meldete sich. Eine kühle, unpersönliche Stimme fragte zurück. Sie wollte wissen, ob al les glatt verlaufen war. „Habt ihr die Ware bekommen?" wollte die Stimme schließlich wissen. „Ich muß Sie enttäuschen", antworte te Josuah Parker in seiner höflichen Art: „Hier spricht Josuah Parker. Ich muß in aller Form gegen Ihre unfairen Methoden protestieren. Ich wollte die Ware verkaufen, nicht aber verschen ken!" „Parker, Sie?" Ein nervöses Hüsteln folgte. „Ich bin so frei", gab Parker zurück. „Ich möchte Sie darauf hinweisen, daß zwei angebliche Seeleute dringend der Hilfe und Behandlung bedürfen. Sie ha ben das erlitten, was Sie wahrscheinlich in Ihrer Branche einen Betriebsunfall nennen werden." „Hören Sie, Parker, ein Mißverständ nis." Die kalte, unpersönliche Stimme war deutlich und ohne Verzerrung zu hören. Das Funksprechgerät arbeitete erstklassig. Die Gegenstelle mußte sich irgendwo in der Nähe der Docks befin den, sonst wäre wegen der hohen Bau ten eine solch gute Verständigung gar nicht möglich gewesen. „Ob Mißverständnis oder nicht, ich werde mir die Freiheit nehmen, die Wa re anderweitig anzubieten."
„Sie werden keinen Kunden finden. Vergessen Sie den Zwischenfall. Wir werden uns bestimmt noch einigen." „Besser nicht", meinte der Butler. „Ich bin sicher, daß es hier in London auch noch ehrliche Geschäftsfreunde geben wird. Ich empfehle mich." Parker ließ die Sende- und Emp fangstaste los. Der Funksprechverkehr war damit beendet. Der Butler klemmte sich das Gerät unter den Arm und ver schwand in der Dunkelheit. Vorher ver gaß er allerdings nicht, die beiden Hin terreifen des Morris Oxford anzubohren. Er war nicht daran interessiert, daß die beiden angeblichen Seeleute allzu schnell wegfuhren. Er brauchte sie noch.
Fluchend und schwitzend mühten sich die angeblichen Seeleute ab, die beiden Hinterreifen zu wechseln. Sie waren übrigens vorsichtig geworden und hat ten sich den Wagen samt Kofferraum sehr genau angesehen. Möglicherweise hatten sie befürchtet, Josuah Parker könnte sich als blinder Passagier einge schlichen haben. Nun, der Butler hatte davon Abstand genommen. Er wußte längst, daß er es mit Routiniers zu tun hatte. Und sol chen Leuten konnte man nicht mit den üblichen Tricks beikommen. Um sie außer Gefecht zu setzen, mußte man sich schon etwas einfallen lassen. Es dauerte übrigens nicht lange, bis die beiden sogenannten Seeleute Ver stärkung erhielten. Eine 58er Jaguar Limousine kam aus einer Seitenstraße und hielt genau hinter dem Morris Ox ford an. Zwei Männer verließen den Wagen und halfen ihren Freunden beim Reifenwechsel. Josuah Parker, der in Deckung gegan gen war, konnte alles sehr genau über
blicken. Er stand hinter der nur spalt breit geöffneten Tür einer Mauerpforte. Mit seinem Universalschlüssel hatte er sich Zutritt verschafft. Parker merkte sich nicht nur die Nummer des Jaguar, er überlegte auch, welchen Streich er der Besatzung des Wagens spielen konnte. Schnell fand er eine ansprechende Lö sung. Parker holte aus einer der unergründ lichen Taschen seines schwarzen Cover coats eine zusammenlegbare Gabel schleuder eigener Konstruktion. Innerhalb weniger Sekunden war sie betriebsbereit. Prüfend strammte er die starken Gummistränge, die an den Ga-. beienden befestigt waren. Als Spezial munition verwendete er grobe Schrot körner. Diesmal begnügte er sich nicht mit einem einzigen Schrotkorn. Ihm kam es auf einen lautstarken Effekt an. Parker packte die Lederschlaufe der Gabel schleuder also voll mit Schrotkörnern. Dann spannte er die beiden Gummisträn ge, visierte den Morris an und schickte seine Munition auf die Reise. Natürlich traf er haargenau. Wie hät ,te es auch anders sein sollen. Was Par ker tat, besorgte er richtig. Prasselnd landeten die Schrotkörner auf dem Blech des Kofferraums. Ein Theatergewitter hätte nicht lauter sein können. Die abprallenden Bleikörner verwandelten sich in winzig kleine Querschläger und pfiffen den vier See leuten um die Nasen. Die Wirkung war einzigartig. Die Gauner verwandelten sich in er schreckte Veitstänzer. Sie schienen von einem halben Dutzend Taranteln gesto chen worden zu sein; Die Männer fühl ten sich angegriffen, warfen sich blitz schnell in Deckung und hielten Aus schau nach ihrem Feind. 7
Damit hatten sie allerdings Pech. Parker befand sich nämlich längst wieder in Deckung. Und da seine Gabel schleuder beim Abschuß keinen Lärm verübt hatte, konnten die vier Männer nicht herausbekommen, wo der Schütze sich befand. Es dauerte einige lange Sekunden, bis die vier angeblichen Seeleute sich vor sichtig erhoben. Zwei von ihnen hatten längst ihre Schußwaffen gezogen. Sie warteten nur darauf, einen Schuß an bringen zu können. Parker beobachtete die Männer; Zwei von ihnen schirmten die beiden Männer ab, die sich noch immer mit den platten Reifen abmühten. Um etwas Leben in die Szene zu brin gen, spannte der Butler erneut die Ga belschleuder. In der Lederschlaufe be fand sich diesmal ein kleiner Federbol zen, dessen Spitze nadelscharf geschlif fen war. Der Butler öffnete die Pforte so weit, daß er den Morris erneut anvisieren konnte. Genauer gesagt, ihn interessierte das Gesäß eines der Männer. Es präsen tierte sich gefällig und gestrammt, da der Mann sich gerade bückte. Unhörbar sirrte der Federbolzen durch die Luft. Daran erreichte er das Gesäß. Die scharfe Spitze durchschlug den Anzug stoff und bohrte sich in die Gesäßmus keln. Der Gauner richtete sich blitzartig auf. Dann schrie er kurz und entsetzt auf. Er faßte nach der schmerzenden Stelle und improvisierte einen neuen Tanz, der an Schnelligkeit und Artistik nichts zu wünschen übrig ließ. Der zweite Reifenwechsler hatte sich hastig aufgerichtet. Er schrie seinem Partner einige Fragen zu, die der aber infolge seines Tanzes nicht beantworten 8
konnte. Um diesem fragenden Mann zu zeigen, mit welchen Problemen sein Partner zu tun hatte, schickte der Butler einen zweiten Federbolzen auf die Reise. Er traf genau. Der zweite Reifenwechsler brüllte auf, faßte nach seinem Gesäß und startete zu einem rasanten Sprint. Innerhalb weni ger Sekunden war er in der Dunkelheit verschwunden. Die beiden Waffenträger verloren die Übersicht. Mit einem unsichtbaren Geg ner hatten sie es noch niemals zu tun gehabt. Sie wollten sicherheitshalber erst mal hinter dem Jaguar in Deckung gehen. Einer schaffte es. Der zweite Revolverbesitzer wurde von einem dritten Federbolzen erwischt. Auch in diesem Fall wurde das Gesäß getroffen. Der Mann sprang aus dem Stand etwa dreißig Zentimeter in die Höhe, schnappte nach Luft und verlor die Selbstkontrolle. Er riß den Abzug seines Revolvers durch und löste einen Schuß aus. Sein Freund, der bereits hinter dem Jaguar stand, fühlte sich angegriffen. Er schoß seinerseits. Er begnügte sich nicht mit einem einzigen Schuß. Er war der art nervös geworden, daß er die Trom mel leerte. Schuß auf Schuß dröhnte aus dem kurzen Lauf. Die nächtliche Stille nahm jene Lautstärke an, wie sie bei einer mittleren Gefechtstätigkeit auf dem Manöverfeld zu hören ist. Josuah Parker war ausgesprochen zu frieden. Mehr konnte er wirklich nicht erwarten. Er war nicht der Mensch, der alles auf die Spitze treibt. Er schloß die kleine Mauerpforte, verstaute seine zu sammenlegbare Gabelschleuder und dann hakte er sich seinen Univer sal-Regenschirm über den linken Un terarm.
Würdevoll und gemessen schritt er über den weiten} leeren Fabrikhof. Er verließ den Tatort. Und Parker war sich vollkommen klar darüber, daß dieser Zwischenfall Wirbel und Bewegung aus lösen würde. Er hatte den Kontakt zu den Rauschgiftgangstern gesucht und gefunden. Sie würden diese Schmach be stimmt nicht auf sich sitzen lassen, son dern alle Anstrengungen machen, um Rache zu nehmen. Genau das bezweckte der Butler. Er liebte es, seine Gegner zu reizen, heraus zufordern und sie zu Unbesonnenheiten zu verleiten. Auf diese ungewöhnliche Art und Weise ließen sich Gangster be kämpfen, denen auch jedes Mittel recht war. Im Gegensatz zu solchen Machenschaf ten begnügte Parker sich aber stets mit jenen Albernheiten, die ihn auszeichne ten. Daß sie sinnvoll waren, hatte er ge rade erst wieder bewiesen. Seine Tak tik der Nadelstiche war wirkungsvoller als der massierte Einsatz, irgendeiner Gangsterbande. Mit traumwandlerischer Sicherheit fand Parker natürlich den Weg in eine Seitenstraße. Der ganze Zwischenfall hatte noch nicht mal zwanzig Minuten gedauert. Innerhalb dieser kurzen Zeit war es ihm gelungen, sich in das Blick feld dieser Rauschgiftgangster zu schie ben... » Das" Haus des Doktor Basil Snyder stand in der Saville Street in der Nähe des Victoria Park. Es handelte sich um einen dreistöckigen, villenartigen Bau im Stil der Jahrhundertwende. Es gab schmale, hohe Fenster, viele Erker und
Türmchen und noch mehr Schornsteine. In den beiden unteren Etagen befan den sich die Labors des Chemikers. In der dritten Etage hatte sich Doktor Basil Snyder seine Wohnräume eingerichtet. Der Chemiker war freiberuflich tätig. Er arbeitete an der Grundlagenfor schung für die Kunststoffindustrie. Um diese kostspieligen Forschungen finan zieren zu können, hatte er seinen La bors eine Großhandlung für chemische und pharmazeutische Artikel angeglie dert. Normalerweise arbeiteten zwölf An gestellte für den Chemiker. Seit vier Ta gen aber war das Haus praktisch leer. Doktor Snyder hatte seine Angestell ten in Urlaub geschickt und eine Art Be triebsferien angeordnet. Er selbst befand sich in Frankreich. Er hatte nur seinen Butler zurückgelassen. Die Saville Street war menschenleer, als Josuah Parker vor dem Haus eintraf. Nach seinen neckischen Spielereien mit den Gangstern war er sofort nach Hause gegangen. Er hätte ein Taxi benutzen können, denn der Weg von den IndiaDocks bis zum Victoria Park war kein kleiner Spaziergang. Der Butler hatte bewußt darauf verzichtet. Er wollte den Gangstern Zeit und Gelegenheit geben, sich um dieses Haus zu kümmern. Daß sie versuchen würden, ihn hier abzufan gen, war Parker klar. Parker benutzte den Seiteneingang. Von hier aus führte ein schmuckloses Treppenhaus hinauf in die Wohnetage. Dieses Treppenhaus diente zusätzlich als Feuertreppe. Im Erdgeschoß und in der ersten Eta ge führte je eine Treppe in die Räume der Labors und Großhandlung. Zur Straße hin waren diese beiden Etagen durch starke Scherengitter gegen Ein
bruch abgesichert. Der Haupteingang und die Fenster hätten n u r von erstklas sigen Spezialisten ü b e r w u n d e n werden können. Doktor Basil Snyder w a r ein vorsichtiger Mann, der ungebetenen, nächtlichen Besuch absolut nicht schätz te. Scheinbar arglos sperrte der Butler die T ü r des Seiteneingangs auf und stieg d a n n durch das n u r spärlich erleuchtete Treppenhaus hinauf in die dritte Etage. Er w u ß t e aber längst, daß diese T ü r vor ihm geöffnet worden war. Ein kleiner, schwarzer Zwirnsfaden, den er zwischen Schwelle und Tür an geklebt und befestigt hatte, w a r n ä m lich zerrissen worden. Aller Wahrschein lichkeit nach hatten die Rauschgiftgang ster ihren Zeitvorsprung genutzt und sich in das Haus eingeschlichen. In der dritten Etage angekommen, öffnete der Butler die Wohnungstür. Er erwartete von n u n an jede Sekunde den Überfall. Angst hatte er nicht. Er wußte, daß er viel zu wertvoll war, als daß die Gangster ihn niederschießen würden. Sie wollten schließlich nicht sein Leben, sondern sie wollten Rauschgift besitzen. Nach P a r k e r s Prognose witterten sie ein tolles Geschäft. Als er in der Küche das Licht ein schaltete, standen plötzlich zwei Männer vor ihm. Sie w a r e n nicht allein. Sie wurden begleitet von zwei Trommelre volvern, deren Mündungen auf P a r k e r s Leib gerichtet waren. „Welch eine Überraschung", schwin delte Josuah P a r k e r , ohne allerdings Erschrecken zu zeigen. „Was kann ich für Sie t u n ? " „Keine falsche Bewegung!" Scharf klang die Stimme des Mannes, der eine blau eingefärbte Brille trug. Er w a r schlank, mittelgroß und hatte stark be 10
h a a r t e Hände. Sein schütteres H a a r w a r aschblond. Der Mann trug einen elegan ten Zweireiher und schien aus soge nannten besseren Kreisen zu stammen. Sein Begleiter w a r aus wesentlich grö berem Holz geschnitzt. Es handelte sich um einen Bilderbuch-Gauner. Er hatte ein grobes Gesicht, dichtes, schwarzes Haar und in der oberen Reihe eine Zahnlücke. Er trug eine Tweedjacke, die sich über seinen Oberarmmuskeln und über seinem schwammigen Leib spann te. Dieser Gauner mit der Zahnlücke löste sich von der gekachelten Küchen wand und baute sich schräg hinter dem Butler auf. Daraufhin steckte der Ele gante seinen Trommelrevolver weg. „Ist Ihnen an einem guten schwarzen Tee gelegen?" erkundigte sich Josuah Parker. „Reden Sie keinen Unsinn! Sie wissen genau, was ich haben will." Der Elegan te wies auf Parkers kleine Ledertasche. „Sie können froh sein, wenn wir uns da mit begnügen." „Oh, ich verstehe." „Endlich geht Ihnen ein Licht auf, Parker. Haben Sie im T r a u m daran ge dacht, uns abschütteln zu können?" „Mit solch einer Schnelligkeit h a t t e ich in der Tat k a u m gerechnet", r ä u m t e der Butler höflich ein. „Wenn ich recht verstanden habe, wünschen Sie die W a re zu holen." „Erraten." Der Elegante lächelte iro nisch. „Darf ich fragen, ob Sie auch das ver einbarte Geld mitgebracht haben?'' „Sie sind verrückt. Wir bezahlen doch nicht für etwas, was wir auch umsonst haben können. Auf welchem Stern le ben Sie eigenlich?" „Ich bin ein Kind meines J a h r h u n derts", stellte P a r k e r richtig. „Deshalb
glaube ich auch, daß Sie sich nicht mit einem Teilgeschäft zufrieden geben wer den. Sind Sie der Gentleman, mit dem ich per Sprechfunk gesprochen habe?" „Wo haben Sie den Apparat?" „Er wurde mir ausgesprochen lästig. Deshalb beförderte ich ihn in die Them se." „Pas Gerät werden Sie uns ersetzen." Der Elegante sah den Butler spöttisch an. „Was meinten Sie gerade mit einem Teilgeschäft, he? Drücken Sie sich deut licher aus." „In dieser Ledertasche befinden sich 580,6 Gramm Kokain", antwortete Par ker gelassen. „Hoffentlich", sagte der Gangster. Sein Partner stand inzwischen endgültig hin ter dem Butler. Er konnte jede seiner Bewegungen überblicken und kontrol lieren. „Wenn ich meine Lage richtig beur teile, sind Sie durchaus in der Lage, mir diese Ware abzujagen." „Gut, daß Sie das einsehen." Der Ele gante nickte spöttisch. „Diese Wegnahme wäre das Teilge schäft, von dem ich spreche." „Soll das heißen, daß Sie noch mehr von dem Zeug haben?" „Ich deutete es bereits diskret an." Josuah Parker nickte. „Sehr schön." Der Gangster strich sich über das schüttere Haar. „Dann werden Sie. auch mit dem anderen Zeug 'raus rücken." „Dazu sind weder Sie noch ich in der Lage." „Denken Sie, Parker! Wir kennen Mittel und Wege, um Sie schnell dazu zu bringen." „Die neue Ware müßte erst von mir chemisch dargestellt werden." „Sie können Koks zusammenbauen?" Der Elegante spielte nachdenklich mit
seinem rechten Ohrläppchen. „Ich möchte Ihre Frage in aller Be scheidenheit positiv beantworten." „Woher haben Sie denn das gelernt?" „Ich habe längere Zeit als Labortech niker gearbeitet. Legen Sie Wert darauf, meine Zeugnisse zu sehen?" „Zum Teufel mit Ihren Papieren! Hauptsache, Sie haben mich nicht belo gen." „Natürlich nicht. Über den Ernst mei ner Lage bin ich mir vollkommen klar." „Daran sollten Sie tatsächlich den ken, Parker." „Ich kenne allerdings auch den Wert, den meine Fähigkeiten darstellen." „Worauf wollen Sie hinaus?" „Haben Sie Prokura, um verbindliche Abmachungen mit mir zu treffen?" „Nun ja, was schlagen Sie denn vor, he?" Der Elegante war etwas unsicher geworden. „Sie bezahlen mir die 580,6 Gramm. Sie bezahlen alle weiteren Sendungen, die ich für Sie und Ihre Freunde zusam menstellen werde. Ein ehrliches Ge schäft, das Zug um Zug abgewickelt werden müßte." „Klingt nicht schlecht", meinte der Gangster. „Is' 'ne Gaunerei dahinter", ließ der andere Gauner sich vernehmen. Er sprach lässig und mit sehr viel Slang. „Wir sollten ihm eins auf den Schädel geben und mit dem Zeug verduften." „Reden Sie nicht über Dinge, die Ihre Hirnwindungen nicht verarbeiten kön nen", sagte Josuah Parker würdevoll. „Beschränken Sie sich bitte auf das, was Ihnen von der Mutter Natur mitgege ben wurde, nämlich auf Ihre Muskeln." „Wie war das? Is' das 'ne Beleidi gung?" Der Gangster mit dem grob ge schnittenen Gesicht schnaufte ärgerlich. Er hatte den Eindruck, daß es eine Be ll
leidigung war. „Es ist die kühle und sachliche Fest stellung von Tatsachen", erwiderte Par ker. Dann wandte er sich wieder dem Eleganten zu. „Haben Sie meinen Vor schlag schon überdacht? Falls Sie Rück sprache mit dem Chef Ihrer Vereinigung nehmen müssen, steht das Telefon in der Diele Ihnen zur Verfügung." „Sie scheinen verdammt gerissen zu sein, wie?" „Ich bin es, Sir", erklärte Parker mit Nachdruck. „Sie werden in mir einen wertvollen Geschäftspartner finden." „Eingebildet sind Sie wohl gar nicht, was?" „Kaum, ich schätze es, mich an Tat sachen und Erfahrungswerte zu halten. Wollen Sie nun anrufen? In der Zwi schenzeit würde ich gern den Wasch raum aufsuchen. Oh, keine Sorge, aus dem dritten Stock werde ich nicht hin unter in den Hof springen." „Tun Sie's nicht, Strickton", warnte der Gangster mit dem groben Gesicht. „Half den Mund, Stan." Der Elegante wurde ärgerlich, weil er bereits unsicher geworden war. Er sah Parker scharf und abschätzend an. „Schön, gehen Sie zur Toilette. Aber keine Mätzchen!" „Sie werden zufrieden mit mir sein." Parker verbeugte sich andeutungsweise und wollte die Küche verlassen. „Moment, ich muß auch mal", sagte der Gangster mit dem groben Gesicht. „Mich legst du nicht aufs Kreuz, mein Junge!" „Sie sind herzlichst eingeladen, mit zukommen", antwortete Josuah Parker. „Natürlich habe ich Verständnis für Ihr Mißtrauen." Parker und der ihn begleitende Gang ster verließen die Küche. Keiner seiner beiden Besucher merkte, daß der Butler seine kleine Ledertasche mitnahm. Es 12
lag wohl an seiner ruhigen Selbstver ständlichkeit, mit der er auftrat. Der Gangster mit dem groben Gesicht war ungemein vorsichtig. Er preßte den Lauf seines Trommelrevolvers gegen den Rücken des Butlers. Er gehörte zu der Sorte von Gangstern, die nur darauf warten, endlich schießen zu können. Parker ließ sich nicht beeindrucken. Sein Plan stand längst fest. Er wußte wieder mal genau, was zu tun w a r . . .
Der Elegante wartete, bis Parker und sein Begleiter im Waschraum ver schwunden waren. Dann erst wandte er sich dem Telefon in der Diele zu. Es stand auf einem kleinen Wandtisch. Der bebrillte Gangster wählte eine Nummer, wartete auf das Freizeichen und nickte, als sich auf der Gegenseite eine Stimme meldete. „Hier ist Strickton", sagte er. „Ben, du mußt dich sofort mit dem Chef in Verbindung setzen." „Warum? Was ist denn los? Wieder was mit diesem verdammten Parker schiefgegangen? " „Unsinn, doch nicht bei mir. Nein, die ser Parker könnte uns noch mehr von dem Zeug besorgen. Er weiß, wie man die Ware herstellt." „Donnerwetter, hört sich gut an." Ben ließ einen abschließenden, anerkennen den Pfiff hören. „Wir müssen natürlich vorerst regulär zahlen. Der Bursche muß in Sicherheit gewiegt werden." „Hast du dir die Ware schon angese hen? Geht die in Ordnung?" „Wie? Nein, mach ich gleich. Aber ich zweifle nicht daran, daß alles in Ord nung ist." „Gut, ich werde den Chef anfunken. Inzwischen kannst du dir die Ware ja
mal ansehen, klar? Ich rufe in ein p a a r Minuten zurück. Falls ich den Chef er reichen kann." „Versuche es. Ich warte auf den A n ruf." Strickton legte auf, massierte sich das Kinn und sah zur Toilettentür hinüber. Parker und Stan mußten jeden Augen blick wieder erscheinen. Da öffnete sich auch schon die Tür. Josuah P a r k e r tauchte auf. Er w a r allein. „Kümmern Sie sich bitte um Ihren Partner Stan", sagte er höflich. „Mir scheint, ihm ist plötzlich schlecht gewor den." Strickton schöpfte Verdacht. Blitz schnell zog er seinen Trommelrevolver. „Bleiben Sie dort an der Wand ste hen", rief er dem Butler scharf zu. „Kei ne Bewegung! Mätzchen können Sie mit mir nicht machen!" „Ich erinnere mich, Sie sagten es schon mal", gab P a r k e r gelassen zurück. „Haben Sie besondere Wünsche, wie ich mich hinstellen soll?" Strickton schnaufte gereizt.. Mit schnellen Schritten ging er auf die Toi lettentür zu. Er übersah in seinem Eifer, daß die T ü r nach außen, zur Diele hin, geöffnet worden war. Er wollte eigentlich n u r einen vor sichtigen Blick in den Raum riskieren. Ihm k a m es darauf an, den Butler nicht aus den Augen zu lassen. Insgeheim rechnete er wohl mit einer bösen Über raschung. Da Strickton aber nicht in der Lage war, schielen zu können, m u ß t e er mit beiden Augen in den Raum hineinse hen. Dadurch w a r er gezwungen, P a r k e r für wenige Bruchteile von Sekunden aus der Sichtkontrolle zu entlassen. Diese kurze Zeit genügte dem Butler. Er warf sich gegen die halb geöffnete
Tür. Sie bewegte sich in den gut geöl ten Angeln und schmetterte gegen Stricktons Rücken. Der Gangster erhielt einen wuchtigen Stoß, verlor prompt das Gleichgewicht und wurde in die Tiefe des Waschraums hineinkatapultiert Er stolperte über den am Boden liegenden Stan und schlug mit der Stirn gegen das Waschbecken. Strickton w a r zwar benommen, doch nicht besinnungslos. In der ersten Aufwallung wollte er unbedingt schießen. Da er aber kein Ziel vor Augen hatte, verzichtete er auf diese geräuschvolle Betätigung. Schnell stand er auf. Er hörte, daß yon der Diele aus die Tür abgeschlossen w u r d e . P a r k e r hatte ihn eingesperrt. Glaubte Mr. Tony Strickton. In W i r k lichkeit aber h a t t e P a r k e r dieses ge räuschvolle Zuschließen n u r vorge täuscht. Er versprach sich davon einen neuen, zusätzlichen Effekt. Strickton ging in die Falle. Im Glauben, die Tür sei verschlossen, n a h m er einen Anlauf. Dabei übersah er, daß P a r k e r die bewußte T ü r sogar auf geklinkt hatte. Ein feiner Lufthauch h ä t t e sie bestimmt schon bewegt. Ein schwerer Körper aber mußte sie explo sionsartig aufwerfen. Es kam, wie es kommen mußte. Mit der Geschwindigkeit eines heran brausenden Stiers in der Arena rauschte Strickton auf die T ü r zu. Er wollte sie mit seiner Schulter in Fetzen und Split ter auflösen. Er wollte P a r k e r auf den Fersen bleiben und sich für den Trick böse revanchieren. U n t e r der Gewalt des in Schwung ge ratenen Körpers flog die n u r angelehnte Tür blitzartig auf. Der Widerstand fehl te, mit dem Strickton fest gerechnet h a t te. P r o m p t verlor er noch mal das 13
Gleichgewicht. Er schoß, fast waagrecht in der Luft liegend, in die Diele. Sein Hinterkopf bot sich freundlich an. Par ker brauchte nur noch mit dem bleige fütterten Griff seines Universal-Regen schirms zuzulangen. Fast bedauernd legte er diesen Griff auf den Hinterkopf Stricktons. Er über redete ihn mit dieser Berührung, schleu nigst den Boden aufzusuchen und ohn mächtig liegen zu bleiben. Parker entwaffnete nun auch Strick ton, wie er es mit Stan bereits vorher getan hatte, verstaute die beiden Trom melrevolver in einem kleinen Wand schrank in der Diele und kümmerte sich dann um den weiteren Verbleib der bei den ungebetenen Gäste. Er wollte sie so sicher wie möglich unterbringen, sich dabei aber wenig anstrengen. Natürlich fand er eine ansprechende Lösung. Neben dem Treppenhaus befand sich der Schacht eines Lastenaufzugs. Er führte vom Kellergeschoß bis hinauf zur Wohnetage im dritten Stock. Auf dem Treppenabsatz vor der Wohnungstür gab es einen Ausstieg, der normalerwei se kaum benutzt wurde. Parker betätigte die Schaltknöpfe. Der Lastenaufzug surrte gehorsam hin auf in den dritten Stock. Parker öffnete die" Schutzgitter und holte seine beiden Gäste herbei. Nacheinander verstaute er die immer noch ohnmächtigen Gangster im Fahrstuhlkorb. Dann schloß er das Schutzgitter und ließ den belasteten Korb wieder nach unten absinken. In genauer Höhe zwischen dem drit ten und zweiten Stock hielt er den Auf zug an. Dazu genügte ein kurzer Druck auf den Alarmknopf, wie er für Lasten aufzüge verwendet wird. Vom Korb aus war der Aufzug nicht in Bewegung zu setzen. Er diente ja Lasten, keiner Per 14
sonenbeförderung. Nach wenigen Sekunden schwebten die beiden Gangster zwischen der zwei ten und dritten Etage. Viel Platz hatten sie in dem niedrigen Lastenkorb zwar nicht, auf der anderen Seite brauchten sie sich auch nicht unnötig herumzu quälen. Sicherer konnten sie gar nicht aus dem Verkehr gezogen werden. Eine Selbst befreiung war so gut wie ausgeschlos sen. Josuah Parker ging zurück in die Wohnung und gestattete sich den Luxus, eine seiner spezial angefertigten, ge fürchteten Zigarren zu rauchen. Dann widmete er sich dem Tonbandgerät, das an den Telefonapparat angeschlos sen war. Er war sicher, die elektromagnetisch festgehaltenen Wählgeräusche von Stricktons Anruf in echte Nummern um setzen zu können. Schließlich wollte er ja wissen, wen Strickton angerufen hat te... * Strickton spuckte Gift und Galle. „Ich bringe den Kerl um", schwor er laut. „Vier Stunden lang hat er Stan und mich in dem Lastenaufzug einge sperrt. Ich bring' ihn um. So ist noch keiner mit mir umgesprungen!" Ben Turpins sah ihn verständnislos an. Er schüttelte den Kopf. „Diesen Wunderknaben Parker möch te ich direkt mal kennenlernen", meinte er dann. „Erst legt er zwei Wagenbe satzungen lahm, und dann seid ihr an der Reihe. Kann ich mir gar nicht vor stellen. Wir sind doch keine Schießbu denfiguren." „Genauso hat er Stan und mich aber behandelt." „Wieso denn?" Ben Turpins sah Strickton erwartungsvoll an. „Als wir eine gute Stunde in dem
engen Lastenaufzug staken, fing Stan an zu randalieren. Er bekam so was wie einen Koller." „Und was passierte?" „Parker behandelte uns mit kaltem Wasser", erklärte Strickton und mußte explosionsartig niesen. „Er muß einen Wasserschlauch in den Fahrstuhlschacht gehängt haben. Wir kamen uns vor; als hätte er den Niagara umgeleitet." „Und Stan Bigels?" „Der wurde sehr schnell wieder ruhig. Ben, ich sage es noch mal, mit diesem Parker dürfen wir keine Geschäfte ma chen. Der Kerl hat es faustdick hinter den Ohren. So was muß man schnell stens aus dem Weg räumen." „Der Chef ist anderer Meinung." Ben Turpins grinste, als Strickton erneut nieste. Turpins war ein mittelgroßer, kompakt aussehender Mann von etwa 38 Jahren. Er hatte das Gesicht und die neugierigen Augen eines jungen See hundes. Turpins trug einen modisch ge schnittenen Einreiher. Dennoch wirkte seine Eleganz irgendwie billig. Auf zwanzig Schritte war ihm anzusehen, aus welchem Londoner Stadtteil er kam. Seine Heimat war die Gegend der Docks. Hier hatte er sich im Laufe der Jahre heraufgedient und war zum Vormann einer Rauschgiftbande geworden. Im Gegensatz zu seinem melancholischen Aussehen war Ben Turpins brutal und kalt wie ein Stück Eisen. Wer sich ihm in den Weg stellte, mußte damit rech nen, mit einem Messer begrüßt zu wer den. Daß auch er einzustecken verstand, bewiesen zwei wulstige Narben am Hals. Sie wurden vom Kragen nur schlecht verdeckt. Es handelte sich um Spuren wilder Messerstechereien. „Du hast mit dem Chef gesprochen?" Strickten trocknete sich seine fließende
Erkältungsnase ab. „Genauso, wie du es gewünscht hast. Der Chef wird diesen Parker an die Ket te legen." „Der Chef kennt Parker nicht." Stricktons Stimme klang warnend. „Na, wenn schon. Parker ist ein Ein zelgänger. Wir aber sind ein kompletter Verein, Strickton! Kleinigkeit, diesen Butler aufs Kreuz zu legen!" „Wenn ihr euch nur nicht täuscht", meinte Strickton ahnungsvoll. „Der steckt uns alle in die Tasche." „Hast du Angst?" Turpins Stimme klang spöttisch. „Nicht direkt, Ben. Aber ich wittere Unheil. Dieser Parker wird uns noch Kopfschmerzen bereiten. Vielleicht ist er ein Polizeispitzel?" „Er ist Butler und tatsächlich bei Dok tor Snyder angestellt", gab Ben Turpins zurück. „Ich habe mich bereits erkun digt. Die Angaben stimmen. Snyder ist wirklich in Frankreich. Und Parker kommt aus den Staaten." „Könnte er nicht zu unserer Konkur renz gehören?" „Nein, unsere Spitzel haben nichts darüber gemeldet. Parker ist ein Einzel gänger. Und er ist interessant. Er hat immerhin sechs Leute von unserem Ver ein hereingelegt. Das ist 'ne Strecke, die sich sehen lassen kann." „Er hat eben Glück gehabt." „Möglich, aber er weiß, was gespielt wird. Er ist genau der Mann, der uns Ware im großen Stil verschaffen kann." „Soll er Mitglied unseres Vereins wer den? Das fehlte noch!" „Er soll Ware liefern. Wenn seine Quelle versiegt ist, kann er in der Them se baden gehen. Genügt dir das?" „Nur dann, wenn ich sein Bademeister sein kann." „Den Spaß sollst du gern haben." 15
„Und was soll nun geschehen?" „Wir beide werden zu ihm fahren und mit ihm verhandeln. Wir werden ihn mit Geld ködern." „Schön, ködern wir ihn. In vierzehn Tagen kann ich sowieso den Schlußstrich ziehen, oder nicht?" „Wahrscheinlich nicht, Strickton. Wir werden diesem Burschen ein Labor ein richten." „Wie war das?" Strickton nieste ver halten. „Wir werden ihm ein Labor einrich ten. Aber erst müssen wir genau wis sen, ob er sich in chemischen Dingen auskennt." „Wollen wir 'n>e eigene Giftpro duktion aufnehmen?" Strickton sah sei nen Vormann entgeistert an. „Natürlich. Solch eine günstige Gele genheit bietet sich nicht alle Tage." „Wieso nicht? Parker ist doch nicht der einzige Mann in London, der sich in Chemie auskennt." " „Er ist im Moment derjenige, der mit Gift Geld verdienen will. Das erspart uns viele Schwierigkeiten. Zudem kann uns sein Chef das Zeug liefern, das wir für die eigene Produktion benötigen." „Verstehe ich nicht." Strickten stopfte sich die Taschentuchenden in die trop fenden Nasenlöcher und nieste diskret. „Liegt doch auf der Hand, Strickton. Wir brauchen doch nur Doc Snyders Laden auszuräumen und uns irgendwo neu einzurichten. Der Chef ist draufge kommen." „Donnerwetter", sagte Strickton ehr fürchtig, „das ist raffiniert. Damit kön nen wir Geld scheffeln." „Das schwebt dem Chef auch vor, Strickton." „Haben wir schon die passenden Räu me für unsere Giftfabrik?" „Haben wir. Laß dich überraschend 16
„Wann fahren wir zu Parker?" „Sobald er zu erreichen ist. Im Mo ment ist er unterwegs. Ich habe schon ein paarmal versucht, ihn anzurufen. Er antwortet nicht." „Hoffentlich hat er sich nicht abge setzt?" „Nicht sehr wahrscheinlich. Wo sollte er den Koks denn sonst loswerden?" „Vielleicht bei Lefty Candels?" „Glaube ich nicht. Woher sollte er ihn kennen?" Ben Turpins wurde trotz sei ner Behauptung nachdenklich. „Woher hat er von uns gewußt?" frag te Strickton. „Wieso hat er ausgerechnet im .Dragoon' seine Ware angeboten? Das kann kein Zufall gewesen sein." „Also schön, schicken wir ein paar Leute zu Candels." Ben Turpins griff nach dem Telefon. „Sollte Candels uns in die Quere kommen wollen, kann er sich auf was gefaßt machen. Ich warte nur darauf, ihm ein Bein stellen zu kön nen." * Lefty Candels hatte sehr aufmerksam zugehört. Er nippte an seinem unver dünnten Whisky und sah zu den Billard tischen hinüber, die im Obergeschoß sei nes Etablissements standen. Candels war der Inhaber dieses alten Gebäudes, in dem sich im Erdgeschoß eine Bar und ein kleines Variete befanden. Neben dem Eingang befand sich eine breite Treppe, die hinauf in den Billard saal und zu den Büro- und Privaträu men des Unternehmers führte. Lefty Candels war der ungekrönte König die ses Hafenviertels. Doch das genügte ihm nicht. Nach Verbüßung einer längeren Haftstrafe war sein Appetit gewaltig gewachsen. Er wollte seinen Einflußbe reich weiter ausdehnen und in das ganz große Geschäft vorstoßen.
Lefty Candels war schmal und klein. Rein äußerlich glich er einem Italiener. Seine Manieren konnten sich sehen las sen. Hinter Gittern hatte er an einem Fernkurs für gutes Benehmen teilge nommen. Das zahlte sich jetzt aus. Nichts an ihm erinnerte mehr an den ausgekochten und harten Gangster. Candels trug mit Vorliebe dunkle An züge und diskret gemusterte Krawatten. Sein dunkelbraunes Gesicht war glatt und gepflegt. Seine noch dunkleren Au gen drückten eine milde Unterwürfig keit aus. Im Grunde seines Wesens aber war Candels ein reißender und gefähr licher Wolf geblieben. „Lassen Sie die Ware mal sehen", sagte er plötzlich und wandte sich sei nem Besucher zu. Daß es sich um Josuah Parker handelte, versteht sich am Ran de. Der Butler fuhr zweigleisig. Er sorg te für echte Konkurrenz. Er wollte nicht nur die Koksgangster der India Docks, sondern auch deren Konkurrenz in ei nem großen Aufwaschen hinter Schloß und Riegel bringen. Aber noch war es nicht soweit, Par ker war damit beschäftigt, die Leimru ten auszulegen. Er griff in seine Westentasche und holte ein kleines Glasröhrchen hervor. Candels griff blitzschnell danach, ent korkte es und schnupperte am weiß grauen Inhalt. Zufrieden nickte er. „Scheint zu stimmen", sagte er dann. Nach der Geschmacksprobe nickte er noch mal. „Wieviel davon können Sie besorgen?" „Das kommt auf Ihr Angebot an." „Irrtum, Parker. Das kommt darauf an, wieviel ich haben will!" „Sie setzen mich in Erstaunen." „Sie werden sich gleich noch mehr wundern." Candels Lippen wurden schmal wie Messerrücken. „Wir werden
uns die Ware holen, verstanden?" „Wie darf ich das verstehen, Mr. Can dels?« „Trottel wie Sie muß man hochneh men", argumentierte Candels selbstzu frieden. „Sie haben Ihre Karten zu schnell auf den Tisch gelegt." „Sie wollen einen alten, gebrechlichen Mann betrügen?" „Ich will Sie nur vor Ärger bewahren, Parker. Halten Sie sich in Zukunft aus solchen Geschäften heraus. Davon ver stehen Sie nichts. Sie werden so lange mein Gast bleiben, bis meine Jungens die Ware geholt haben!" "Und mein Geld?" „Sie sind schon bezahlt." „Ich fürchte, ich habe Sie nicht recht verstanden." „Mann, Sie leben noch! Das ist mehr wert als Geld! Geht Ihnen jetzt ein Licht auf?" „Aber ich könnte Ihnen doch noch sehr viel mehr Ware besorgen", erklärte Parker. Er sah plötzlich wirklich alt und verbraucht aus. „Lieber nicht", sagte Candels. „Ein einziger fetter Fischzug ist mehr wert als alle Versprechungen. Und Ihnen ge be ich den guten Rat, so schnell wie möglich zu verschwinden." „Kann es nicht schon jetzt sein?" Par ker griff nach seiner schwarzen, steifen Melone und wollte gehen. Candels grin ste. Er nickte in die Dämmerung, des Billardsaales hinein. Wie aus dem Bo den gewachsen, standen plötzlich drei kräftig aussehende Männer vor Parker. „Erst die Ware, Parker, dann können Sie abschwirren! Gehen wir in mein Büro. Dann können Sie mir sagen, wo Sie das Zeug versteckt halten. Ich wette, daß Sie ganz schnell reden werden!" Parker senkte den Kopf. Er sah wohl ein, daß er in die Falle gegangen war. 17
Hatte er diesen Lefty Candels unter schätzt? Hatte Parker nun doch zu hoch gespielt? Ohne Protest ließ er sich förmlich ab führen. Was hätte er auch gegen seine drei muskelstarken Bewacher ausrichten können? Es sah so aus, als sei er von Lefty Candels überspielt worden . . .
Josuah P a r k e r saß steif und w ü r d e voll in dem harten Bürosessel. Zwei Männer bewachten ihn. Sie machten es sich leicht, zumal sie ja keine A h n u n g hatten, w e r P a r k e r eigentlich war. Sie sahen in ihm n u r einen alten, müden Mann. Gefahr konnte von ihm bestimmt nicht ausgehen. Solch einen Greis erle digte m a n i h r e r Meinung nach mit der linken Hand. Die beiden Bewacher litten unter Lan geweile. Sie spielten, konnten diesem Spiel aber n u r wenig Reiz abgewinnen, da sie sich beide zu gut kannten. P a r k e r ergriff die Initiative. „Ist es gestattet", fragte er höflich, „sich an diesem netten Unterhaltungs spiel zu beteiligen?" „Unterhaltungsspiel?" Einer der bei den Bewacher lachte auf. „Mann, hier können Sie die Hosen verlieren. Haben Sie's noch nie gespielt?" „Nur davon gehört", r ä u m t e P a r k e r ein. „Es w ü r d e mich reizen, mein Glück zu versuchen." Die beiden Gauner sahen sich schnell an. Sie verstanden sich auf Anhieb. Sie witterten eine echte Chance, nicht n u r ihr Barvermögen aufzubessern, sondern auch die Zeit totzuschlagen. „Erklär ihm die Spielregeln, Mac", sagte der Gauner, der sich Butch nannte. „Wir werden mit harten Bandagen spie len. Mindesteinsatz fünf Shilling." 18
Mac befaßte sich mit dem Butler. Er setzte ihm die Regeln auseinander. Er tat es n u r sehr oberflächlich. Er w a r nicht d a r a n interessiert, daß P a r k e r die Finessen kennenlernte. Dann begannen sie zu spielen. P a r k e r m e r k t e sehr schnell, daß sie ihn zuerst absichtlich gewinnen ließen. Sie wollten ihm Appetit machen. Sie schoben ihm Geldscheine zu, w a r e n a n geblich fassungslos über so viel Glück und zogen d a n n die Spielschraube an. P a r k e r blieb in seiner angeblichen Glückssträhne. Er k a n n t e dieses Spiel sehr gut. Er w a r darin sogar, bescheiden ausgedrückt, ein w a h r e r Meister. Er merkte, daß die K a r t e n manipuliert u n d falsch gemischt wurden. Er ließ sich nichts anmerken, aber er parierte die Gaunereien seiner beiden Partner. P a r k e r n a h m sich die Freiheit, nun ebenfalls zu mogeln. Er konnte es besser als die beiden Gauner . . . Zuerst nahm er sich Mac vor. Er zog ihm Schein auf Schein aus d e r Tasche. Und P a r k e r vergaß nicht, einige davon schleunigst an Butch zu verlie ren, um ihn bei guter Laune zu halten. Nach knapp 15 Minuten schwitzte Mac. Er w u r d e mürrisch und h a t t e plötz lich keine Lust mehr, mitzumachen. „Von mir aus können wir natürlich sofort aufhören", sagte P a r k e r höflich. „Sie scheinen sich in einer Pechsträhne zu befinden." „Ausgeschlossen. Wir machen weiter." Butch witterte Geld. Er gönnte seinem P a r t n e r diesen Verlust. Er freute sich viel zu sehr an dem Geld, um zu mer ken, daß er genau das tat, was P a r k e r von ihm erwartete. Das Spiel ging weiter. Josuah P a r k e r plünderte den Gauner Mac nach allen Regeln der Kunst aus. Nach einer knappen halben Stunde
mußte Mac die große Pleite anmelden. Er pfiff aus dem letzten Loch und maß Parker mit bitterbösen Blicken. Bevor sein Freund Butch schadenfroh grinsen konnte, geriet er ebenfalls in eine ausgesprochene Pechsträhne. Jo suah Parker machte sich daran, nun auch Butch wie eine fette Gans auszunehmen. Zuerst glaubte Butch nur an einen dummen Zufall. Er hielt sich für viel gerissener als Parker. Doch er verlor Spiel auf Spiel. Und als er protestieren und aussteigen wollte, da hatte er aus gerechnet in seinem Partner Mac einen Gegner gefunden. „Aussteigen gilt nicht", sagte Mac ge hässig. „Ich hab's ja auch nicht gekonnt. Los, spiel weiter! Du wirst dich doch von diesem komischen Vogel nicht hochneh men lassen, oder?" Parker überhörte die Anzüglichkeiten. Er hielt die Bank, "mischte und manipu lierte die Karten und verkaufte sie an Butch. Parker zog Pott auf Pott ein. Vor ihm häuften sich die Geldscheine und Münzen. Innerhalb von fünfundvierzig Minuten hatte er den beiden Gaunern vierundvierzig Pfund abgeknöpft. „Ich bedauere den Verlauf dieses un terhaltenden Spielchens", sagte Parker höflich. „Selbstverständlich bin ich be reit, Ihnen Revanche zu geben." „Meine Uhr gegen fünf Pfund, Par ker, daß Sie diesmal nicht durchkom men", meinte Mac, der sich von seiner Enttäuschung erholt hatte. „Selbstverständlich nehme ich auch Naturalien an", antwortete Parker. Er wandte sich an Butch. „Sie besitzen eine sehr nette Krawattennadel. Wie wäre es damit als Spieleinsatz?" „Wollen Sie uns die Hosen auszie hen?" fragte Butch grimmig. Doch er nestelte bereits an der Nadel herum und
löste sie. Er war bereit, sein Glück noch mal zu versuchen. Butch und Mac schauten dem Butler scharf auf die Finger. Sie ahnten, daß der Butler falsch spielte. Doch sie konn ten ihm nichts beweisen. Mit der Ge schmeidigkeit eines bühnenreifen Kar tenkünstlers mischte er die Karten und sorgte dafür, daß er nicht zu kurz kam. Als eine Stunde verstrichen war, hat ten die beiden Gangster ihre Jacketts und Hemden geopfert. Und verloren weiter... Nach weiteren fünfzehn Minuten be saßen sie keinen Schmuck mehr. Zehn Minuten später boten sie tat sächlich ihre Hosen als Einsatz an. Sie waren vom Spielteufel erfaßt worden. Sie waren nicht mehr zu bremsen. Sie wollten das Glück zwingen. Sie verga ßen, daß Parker sich eigentlich in ihrer Gewalt befand. Sie vergaßen ihre Auf gabe, ihn zu bewachen. Parker blieb ruhig und höflich. Er gab kaum noch ein Spiel ab. Hinter seinem Stuhl häuften sich die Kleidungsstücke der beiden Gauner. Nach genau andert halb Stunden trugen die beiden Gang ster nur noch ihre Unterhosen und Schulterholster mit den Trommelrevol vern. Parker, der angebliche Gimpel, hatte sie gründlich aufs Kreuz gelegt. Er hatte die beiden Männer aber auch gründlich verärgert. Sie waren äußerst schlechte Verlierer. Sie wollten sich jetzt an dem Butler schadlos halten. Ihre Griffe nach den Schulterholstern waren unmißverständlich.. Parker tat so, als verstünde er nicht den tieferen Sinn dieser Bewegungen. „Sie wollen Ihre Waffen setzen?" er kundigte er sich zerstreut. „Welchen Einsatz sollen sie repräsentieren?" Bevor die beiden Männer aber ant worten oder gar schießen konnten, hob 19
P a r k e r den Tisch hoch. Das heißt, er b e sorgte das mit einer blitzartigen Ge schwindigkeit. Und er vergaß auch nicht, den beiden Bewachern eine Handvoll Kleingeld ins Gesicht zu werfen. Die beiden Gangster wurden ver ständlicherweise irritiert und abgelenkt. Einer von ihnen w u r d e von dem u m k i p penden Tisch gegen die Wand gedrückt u n d dort festgenagelt. Der zweite Bewacher w a r nicht viel glücklicher. Er wischte sich Shillingnoten und Pennymünzen aus dem Gesicht. Bevor er wieder klare Sicht gewann, w a r er seine Waffe los. P a r k e r w a r immer sehr gründlich, wenn er etwas anpackte. „Ich hoffe nicht, daß Sie mich in Ver legenheit bringen werden", meinte er höflich. „Es w ä r e mir ungemein pein lich, wenn Sie mich zwingen würden, einen Schuß zu lösen. Bei meiner ver ständlichen Nervosität ist es durchaus denkbar, daß ich sogar treffe." „Legen Sie die Kanone weg", sagte Butch, der nun wieder richtig sehen konnte. „Darf ich höflich fragen, w a r u m ich das tun sollte?" fragte Parker. „Käme ich I h r e m Wunsche nach, so m ü ß t e ich doch damit rechnen, von Ihnen weiter hin festgehalten und belästigt zu w e r den." „Sie Idiot", schimpfte Mac, der den Tisch weggedrückt hatte. „Glauben Sie, hier herauszukommen? Sie sitzen in der Falle. Ein Pfiff von uns, u n d der ganze Laden stürzt sich auf Sie. Los, legen Sie die Waffe weg, sonst passiert noch ein Unglück!" „Wenn Sie erlauben, möchte ich mei ne Lage überdenken", w a r P a r k e r s be dächtige Antwort. Er stand auf und hantierte dabei derart ungeschickt mit seinem Universal-Regenschirm herum,
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daß die beiden Gangster unglücklich ge troffen wurden. Sie sahen ihn für kurze Augenblicke ungemein erstaunt an. Dann verspürten sie ununterdrückbare Schlafgelüste und machten es sich auf dem harten Boden bequem. P a r k e r s Regenschirm hatte das Problem der neuen Machtverteilung ele gant und unauffällig gelöst. Jeder andere Mensch hätte nach dieser Wendung der Dinge schnellstens die Flucht ergriffen und sich abgesetzt. P a r ker aber dachte nicht daran. Er fühlte sich in diesem Büro recht heimisch. Es galt n u r das Problem zu lösen, die bei den Bewacher sicher unterzubringen. Der Butler sah sich in dem engen B ü r o um. Der hohe Rollschrank zog ihn m a gnetisch an. Er schien ein gutes und pas sables Verlies für die beiden Männer zu sein. Mit Routine und Schnelligkeit machte sich der Butler an die Arbeit. Er r ä u m t e einige Aktenordner aus, entfernte einige Zwischenböden und verstaute dann die beiden Männer im Schrank. Er stellte sie wie Mumien in den Schrank und ließ anschließend den soliden Rolladen h e r unter. Klickend schnappte der Verschluß ein. Die beiden spielwütigen Gangster waren aus dem Verkehr gezogen. P a r k e r ging zur Bürotür und öffnete sie vorsichtig. Der kleine Korridor w a r leer. Wann würden Lefty Candels und seine Männer vom Ausflug zurückkeh ren? P a r k e r hatte sie in die Saville Street geschickt. Er hatte ihnen gesagt, wo 580,6 Gramm reines Kokain zu holen waren. Es w a r allerdings fraglich, ob sie es gefunden hatten. Im Umgang mit Koks w a r P a r k e r stets vorsichtig. Er wußte ja, wie gefährlich dieses Rauschgift war. Bevor der Butler die Tür wieder schließen konnte, nahmen die Dinge
eine neue, überraschende Wendung. Parker hörte lautes Stimmengewirr. Es k a m vom Billardsaal her. Eini ge Spieler schienen sich in die Haare ge raten zu sein. Als dann aber einige schallgedämpfte Schüsse fielen, k a m Parker zu der Feststellung, daß es sich keineswegs n u r um einen kleinen Streit handeln konnte. Wegen einer verpatz ten oder mißgedeuteten Billardpartie wechselte m a n schließlich keine Ge schosse. Josuah P a r k e r entschloß sich, diese ungastliche Stätte n u n doch zu verlas sen. Er wollte nicht zwischen die Fron ten zweier streitenden und schießenden Parteien geraten. Er ging zurück in das Büro, öffnete eines der beiden Fenster und nickte an erkennend, als er an der Außenwand eine Feuerleiter ausmachte. Sie bot sich ihm direkt an, lud ihn freundlichst ein, nach unten zu steigen. P a r k e r konnte und wollte nicht wider stehen. Vom Fensterbrett aus stieg er über und kletterte dann würdevoll u n d ohne Hast nach unten in den Hof. Alles klappte wie am Schnürchen, wie das bei P a r k e r eigentlich auch nicht anders zu erwarten war. Es gab n u r eine kleine, fast unbedeutende Panne. Sie ereignete sich genau in dem Augenblick, als P a r kers schwarze Melone von einem harten Gegenstand getroffen wurde. Unter der Wucht dieses Aufpralls w u r d e die mit Stahlblech ausgefütterte Melone tief in Parkers Stirn getrieben. Selbst seine Ohren verschwanden u n t e r der Kopfbe deckung. Josuah P a r k e r konnte es nicht verhin dern, daß er für wenige Minuten die Be sinnung und den Überblick verlor . . .
„Wenn mich nicht alles täuscht, m u ß ich Sie schon m a l gesehen haben", stell te Josuah P a r k e r fest. Seinem glatten Pokergesicht w a r nicht anzumerken, daß er n u n schon seit fast drei Stunden in einem lichtlosen R a u m festgehalten w u r d e . Er schien diese Ein zel- und Dunkelhaft ohne Schaden überstanden zu haben. Er h a t t e sich übrigens nicht getäuscht. Er k a n n t e die beiden Männer, die ihn jetzt besuchten. Es w a r e n die beiden Gangster Tony Strickton u n d Stan Bi gels. Es w a r e n jene beiden Männer, die er in den Lastenaufzug eingesperrt und mit kaltem Wasser berieselt hatte. „Sie haben uns gesehen, aber noch nicht richtig kennengelernt", antwortete Strickton gereizt. „Das haben Sie wohl nicht erwartet, was?" „Worauf spielen Sie an, wenn ich in aller Form danach fragen darf?" „Daß w i r Sie doch wieder erwischt haben." Strickton lachte auf. „Hatte ich mir doch gleich gedacht, daß Sie zu Can dels gehen w ü r d e n . " „Verfügen Sie über telepathische Kenntnisse?" erkundigte sich der Butler. „Ihnen wird das Spotten noch verge hen, P a r k e r . Bei u n s w e h t ein anderer Wind als bei Candels." „Wie recht Sie haben." P a r k e r faßte nach den immer noch leicht brennenden Ohren. „Sie haben einem alten und m ü den Mann arg mitgespielt." „Die Tour können Sie aufstecken. Uns legen Sie nicht noch m a l 'rein, P a r k e r . Sie haben es faustdick hinter den Ohren. Und darauf stellen wir uns ein." „Darf ich höflichst anfragen, welche Pläne Sie mit mir haben?" „Sie w e r d e n für uns arbeiten, wenn Sie überleben wollen."
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„ich gestehe, daß ich noch nicht recht begriffen habe." Strickton genoß seinen Triumph. Er zog an seiner Zigarette. Er ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Sein Begleiter Bi geis, der Mann mit der häßlichen Zahn lücke, spielte derweil mit einem h a n d lichen Stück Kabel, das ihm wahrschein lich als Gummiknüppel diente. Er ließ den Butler nicht aus den Augen. Und in diesen Augen glomm der nackte Haß. Stan Bigels, der übrigens ebenfalls wie Strickton noch immer an starkem Schnupfen litt, konnte nicht darüber hinwegkommen, daß der Butler ihn mit eiskaltem Wasser behandelt hatte. „Nun passen Sie mal gut auf, P a r k e r " , begann Strickton endlich. „Wir w e r d e n Ihnen ein Labor einrichten. Sie werden für uns Koks herstellen. Koks in jeder Menge. Ist das k l a r ? " „Keineswegs", erwiderte Josuah P a r ker mit leiser Stimme. „Falls Sie es noch nicht wissen sollten, Kokain läßt sich nicht auf einem Küchenherd und in Stahltöpfen herstellen. Dazu bedarf es einer Laboreinrichtung." „Bekommen Sie alles geliefert. Sie brauchen uns n u r Ihre Wünsche zu n e n nen." „Ich fürchte, Sie überschätzen meine Kenntnisse", meinte Parker. „Ich bin kein gelernter Chemiker." „Schade für Sie, P a r k e r . " „Ich bedaure das auch." „Wenn Sie uns keinen Koks herstellen können, sind Sie wertlos für uns. Was wir mit solchen Leutchen machen, kön nen Sie sich ja wohl ausmalen, oder?" „Meine Phantasie ist leider sehr gut entwickelt. Mit anderen Worten, Sie wollen mich töten?" „Sehr nett ausgedrückt." Strickton nickte nachdrücklich. „Strengen Sie also
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Ihren Schädel an. Es liegt bei Ihnen, wie lange Sie noch leben werden." „Ich fürchte, ich befinde mich in einer bösen Zwangslage." „Wie schnell Sie das gemerkt haben", Strickton lächelte spöttisch. „Bigeis wird Ihnen gleich Papier und einen Kugel schreiber bringen. Schreiben Sie dann auf, was Sie brauchen." „Ich beuge mich der Gewalt", verkün dete der Butler. „Darf ich mich am R a n de erkundigen, was aus Mr. Candels und seinen Leuten geworden ist? Wenn mich nicht alles täuscht, hörte ich einige Schüsse im Billardsaal." „Wir haben Candels' Laden a u s geräumt, wenn Sie das meinen, P a r k e r . Sein Glück, daß wir ihn nicht erwischen konnten." „Oh, hätten Sie mich rechtzeitig ge fragt, hätte ich Ihnen einen Hinweis ge ben können." „Sie wissen, wo er steckt?" Strickton beugte sich unwillkürlich vor. „Mr. Candels w a r auf dem Weg zu Doktor Snyders Labor. Sollte das Ihrer Aufmerksamkeit entgangen sein?" "Verdammt!" Mehr sagte Strickton nicht. Er stieß seinen Begleiter Stan B i geis an. Ohne noch ein Wort zu verlie ren, verließen die beiden Gangster den Raum. Sie hatten es derart eilig, daß sie vergaßen, von außen das Licht zu lö schen. Sie waren allerdings so vorsichtig, den Raum gründlich zu versperren und zu verschließen. Josuah Parker sollte schließlich Rauschgift für die Bande h e r stellen. P a r k e r w a r damit sein Gewicht i n Platin w e r t . . .
Lefty Candels starrte fassungslos auf die rauchenden T r ü m m e r seines Etablis sements. Die Feuerwehr hatte n u r noch
eine Brandwache zurückgelassen. Das Haus w a r bis auf die G r u n d m a u e r n aus gebrannt. Candels Existenzgrundlage war gründlich vernichtet worden. Er konnte sich vorstellen, wer ihm diesen Streich gespielt hatte. Die Kon kurrenz h a t t e zugeschlagen. Und dieser Parker mußte dazu die Initialzündung geliefert haben. Candels fluchte ausgiebig auf den B u t ler. Nachträglich hätte er sich ohrfeigen können, daß er sich mit diesem s k u r r i len Mann eingelassen hatte. N u r durch Parkers Auftauchen w a r die Konkurrenz aufmerksam geworden. Nur wegen P a r kers Kokain konnte sein Haus ange zündet worden sein. Candels dachte an all das, doch er hütete sich, es laut werden zu lassen. Er schüttelte n u r den Kopf, als Inspektor Madler von Scotland Yard neugierige Fragen stellte. Candels wußte von nichts. Er hielt sich selbst in dieser Si tuation an die Ganovenehre und lieferte keine Hinweise. Inspektor Madler, ein müde und zer streut wirkender Mann von etwa fünf zig J a h r e n , zog an einer billigen Zi garre. Es schien ihm Mühe zu kosten, weitere F r a g e n zu stellen. „Zeugen haben ausgesagt, daß hier Schüsse gefallen sind. Haben Sie Streit mit lieben Freunden gehabt?" „Ich w a r ü b e r h a u p t nicht hier", ant wortete Lefty Candels wahrheitsgemäß. „Und wo hielten Sie sich auf?" „Ich w a r unterwegs, in der Stadt." „Sie wollen sicher nicht sagen, wo Sie gewesen sind, wie?" „Erraten", gab Candels spöttisch zu rück. „Nehmen wir an, ich sei in einem Kino gewesen." „Haben Sie sich dort vor Ben Turpins versteckt?" Inspektor Madler sagte es in einem Ton, als spräche er über das Wet
ter. Candels horchte allerdings auf. Der N a m e Ben Turpins erschien schließlich nicht in Zeitungen. Er w a r n u r Einge weihten bekannt. Woher wußte der I n spektor von Turpins? „Wer ist Turpins?" fragte er erstaunt zurück. „Oh, irgendein Mann, der das Rausch giftgeschäft in London aufzieht und ein Monopol aufbaut." „Nie von gehört", sagte Candels und t a t ahnungslos. „Was sollte ich mit solch einem Mann zu tun haben?" „Waren Sie nicht bis zum Brand hier Sein K o n k u r r e n t ? " „Ich soll mit Rauschgift gehandelt haben?" fragte Candels empört zurück. „Hören Sie, Inspektor, ich brauche mich nicht grundlos anschuldigen zu lassen." „Schon gut, schon gut", beschwichtigte der Yard-Beamte mit m ü d e r u n d des interessierter Stimme. „War n u r so eine Idee von mir." „Dann sind Sie aber v e r d a m m t schlecht informiert worden, Inspektor. Mit Rauschgift habe ich nichts zu tun, darauf können Sie Gift, ich meine, dar auf können Sie einen Eid haben." „Meineide ziehen bei m i r nicht, Can dels. Was w e r d e n Sie n u n machen? Ich glaube nicht, daß Sie noch mal neu an fangen können." „Lassen Sie das meine Sorge sein." „Das ist nicht I h r e Sorge, sondern das geht Ben Turpins an. Aber den kennen Sie ja nicht. W a r u m sollten Sie sich also damit beschweren, wie?" „Ich kenne keinen Turpins", wieder holte Candels noch mal. „Sagen Sie m i r lieber, wieso der Brand entstanden ist. Meine Versicherung wird zahlen müs sen." „Halten Sie sich an den Brandfach mann. Der kennt sich in Feuersachen besser aus als ich. Aber vielleicht kön
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nen Ihre Angestellten wertvolle Hinwei heit, um sich gründlich zu entspannen. Er dachte nicht im Traum daran, nervös se geben." oder ängstlich zu werden. Strickton „Klar, daß ich die fragen werde." , „Falls Sie noch einen von ihnen fin hatte ihm recht wertvolle Hinweise ge den können." liefert. Diese Tips garantierten ihm vor erst ein gesundes Leben. Er war für die „Was soll das heißen?" Rauschgiftgangster viel zu wertvoll, als „Ihre Angestellten müssen sich in daß sie ihn umbrachten* Er sollte ja Luft aufgelöst haben, Candels. Wir ha schließlich Kokain herstellen. ben nach ihnen gesucht. Sie waren nicht Daß Lefty Candels in die Zange ge zu finden. Sollten die sich alle ganz nommen worden war, freute ihn. Par plötzlich Urlaub genommen haben?" ker war bekannt, daß auch dieser Lefty „Weiß der Teufel", sagte Candels ah Candels mit Rauschgift handelte. Bisher nungsvoll. hatten aber die Polizei und er nicht ge „Oder sollten sie von Ben Turpins ab wußt, daß Candels eine Art selbständi geworben sein?" Inspektor Madler lä ger Unternehmer gewesen war. Um das chelte dünn. „Es könnte aber auch sein, herauszubekommen, war Josuah Parker daß sie entführt worden sind. In Ihren schließlich zu Candels gefahren und Kreisen, Candels, ist ja alles möglich." hatte sich mit Scotland Yard in Ver „Zerbrechen Sie sich nicht meinen bindung gesetzt. Und von dorther hatte Kopf. Und lassen Sie mich zufrieden mit er auch die wichtigen Informationen er diesem Turpins. Ich kenne ihn nicht. halten, ohne die er niemals an die Koks Sie sind auf der falschen Fährte." händler geraten wäre. „Sollte mich für Sie freuen, Candels. Mit offiziellen Mitteln war es bisher Gangster, wie Sie einer sind, kann ich nicht gelungen, den Rauschgiftgangstern zwar nicht ausstehen, doch ich habe et das scheußliche Handwerk zu legen. Par was dagegen, falls man sie ermorden ker war nur zu gern eingesprungen, zu will." mal ein gewisser Inspektor Madler ein Candels wurde bleich. Inspektor Mad guter Freund aus früheren Jahren war. ler sagte genau das, was er, Candels, ge Parker und Madler hatten sich erst rade dachte. vor wenigen Wochen hier in London „Der beste Schutz gegen einen Mord wiedergesehen. Sie hatten sich auf An ist natürlich eine Aussage", redete In hieb verstanden und gemeinsam diesen spektor Madler wie beiläufig weiter. Einsatz ausgeheckt. Parker konnte es „Falls Sie uns einen Hinweis auf Tur sich als Privatmann leisten, sich den pins liefern könnten, würden Sie länger und gesünder leben. Überlegen Sie sich Methoden der Gangster anzupassen. Er mal meinen Vorschlag. Sie wissen ja, wo wurde nicht durch viele Vorschriften ge hemmt. ich zu erreichen bin." Die augenblickliche Wendung der Inspektor Madler tippte an die Krem Dinge gefiel ihm ausnehmend gut. Mit pe seines zerbeulten Hutes und schritt der Möglichkeit, als Hersteller von Ko davon. Er ließ einen sehr nachdenklich kain zwangsweise engagiert zu werden, gewordenen Lefty Candels zurück, der hatte er nicht gerechnet. Sie bot sehr plötzlich sehr lebhaft um sein Leben viele neue Möglichkeiten. Parker war fürchtete. Butler Parker nutzte die Dunkel genau der Mann dazu, solche Möglich 24
keiten nicht nur zu erkennen, sondern sie auch restlos auszuschöpfen. Von Inspektor Madler hatte er erfah ren, daß sich in London eine Rauschgift gang etabliert hatte. Die Polizei wußte nur von wenigen, kleinen Händlern und konnte nicht herausbekommen, wie die se Gang organisiert war und wer sie lei tete. Eines hatte sich leider sehr schnell herausgestellt. Diese Giftgang war vorzüglich organi siert. Das Gift in Form von Kokain, He roin, Opium oder Marihuana war gute Qualität. Die Süchtigen wurden nicht unnötig betrogen, sondern bekamen für ihr Geld einen echten Gegenwert. So et was sprach sich herum. Die Süchtigen animierten ihre Mitmenschen ebenfalls Rauschgift zu nehmen. Es bestand die große Gefahr, daß die Zahl der Süchti gen rasend schnell anstieg. Die ersten Anzeichen dafür waren bereits festge stellt worden. Wer diese Gang leitete, war nicht be kannt. Inspektor Madler hatte nur von einem Ben Turpins erfahren, einem ehe maligen Bäcker, der sich vor Jahren selbständig gemacht hatte und nun eine Brotfabrik betrieb. Dieser Ben Turpins galt als der Orga nisator der Giftgang. Bisher hatte man ihm allerdings nichts nachweisen kön nen. Die Brote und das Backwerk aus seinem Betrieb waren völlig in Ordnung. Inspektor Madler hatte das diskret fest stellen lassen. Man mußte Turpins un geschoren lassen, zumal noch nicht mal feststand, ob die Informationen über Turpins auch stimmten. Turpins war nicht der Alleininhaber der Brotfabrik. An dieser GmbH waren einige Gesellschafter beteiligt, die von Madlers Leuten natürlich auch diskret
beschattet wurden. Auch diese Nachfor schungen waren im Sand verlaufen. Entweder verfolgte Inspektor Madler eine falsche Fährte, oder aber die Ge sellschafter der Fabrik samt Turpins waren ungemein vorsichtig und geris sen. Um hier Klarheit zu schaffen, hatte sich Parker selbstlos wie immer zur Ver fügung gestellt. Er hatte Kokain ange boten und sich in das Blickfeld gescho ben. Er hatte erfolgreich Interesse ge weckt und war nun tatsächlich einge fangen worden. Ihm war zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt, daß Turpins tatsächlich die Fäden in der Hand hielt. Vorerst kannte der Butler nur Strickton und einige andere Gangster, die er aber für unwichtig hielt. Nun witterte er endlich eine Möglich keit, mehr erfahren zu können. Wenn er Rauschgift herstellen sollte, hatte er es bestimmt nicht mehr mit unwichtigen Gangstern zu tun. Dann wurde er sicher mit Männern bekannt, die eine Rolle in der Gang spielten. Parker entspannte sich also und über legte. Er ordnete seine Gedanken, regi strierte sie und legte sie in den Schub laden seines Gehirns ab. Einen Teil erfolg hatte er immerhin schon zu ver zeichnen. Er wußte, daß Candels mit den Koksgangstern nichts zu tun hatte, sondern daß er von ihnen sogar ausge schaltet worden war. Hoffentlich findet Inspektor Madler die richtigen Worte, überlegte der But ler. Er könnte Candels vielleicht dazu bringen, einige Hinweise zu liefern. Candels ist den Großhändlern in Gift entkommen. Er dürfte von ihnen stark geschädigt worden sein. Er kommt si cherlich in die richtige Stimmung, sich dafür rächen zu wollen. 25
Parker kannte seinen alten Freund Inspektor Madler wollte gerade den Madler. Er wußte, daß hinter der Maske Yard verlassen, als er von seinem Assi von Müdigkeit und Zerstreutheit ein stenten angerufen wurde. Sergeant Wil wacher und schneller Geist regierte. bert, ein etwas dandyhaft herausgeputz Madler war zäh und ein guter Psycho ter Mann von 35 Jahren, kam ihm eilig loge. Er wußte, wie man mit Gangstern entgegen. aller Branchen umzugehen hatte. „Eine wichtige Nachricht, Sir", sagte Parker wollte sich nach dieser Denk er respektvoll. „Vor Doc Snyders Labor anstrengung ein kleines Schläfchen lei ist ein Lastwagen aufgetaucht." sten. In diesem fensterlosen Raum gab „Na und?" es nämlich eine einfache Pritsche, die „Der Wagen ist auf der Rückseite des dazu einlud. Er hatte es sich gerade be Hauses verschwunden. Sieht so aus, als quem gemacht, als er ein seltsames Ge sollten ein paar schwere Gegenstände räusch über und neben sich wahrnahm. abgeholt werden." Er spitzte die Ohren, versuchte, dieses „Sehr schön", meinte Inspektor Mad Geräusch einzuordnen. Es hörte sich an ler. „Fahren wir hinüber in die Saville wie das Stampfen einer Schiffsmaschine. Street. Sehen wir uns den Transport aus Im ersten Moment hatte der Butler den der Nähe an. Hat Mr. Parker sich in Verdacht, sich auf einem großen Schiff zwischen schon gemeldet?" zu befinden. „Leider nicht, Sir. Hoffentlich ist ihm Er verwarf diese Vorstellung. Die nichts passiert." Wände seiner Zelle bestanden aus soli „Da kennen Sie meinen alten Freund dem Beton. Der Boden ebenfalls. Aber woher kamen diese stampfenden und Parker schlecht." Inspektor Madler lachte auf. „So leicht passiert ihm nichts. scharrenden Geräusche? Josuah Parker stand auf, legte sein Wenn ich es richtig sehe, könnte dieser Ohr gegen die Wand neben der Tür und Lastwagen bereits ein Lebenszeichen von ihm sein." lauschte. „Wieso Sir?" Sergeant Wilbert sah sei Schwere Maschinen schienen zu arbei ten. Doch was mochten sie bewegen oder nen Chef neugierig an. antreiben? Der Butler kam nicht darauf, „Wann werden Sie endlich ein guter bis er nach fast einer halben Stunde die Kriminalist? Wann werden Sie lernen, Lösung des Rätsels fand. schnell und richtig zu kombinieren, Wil Der sympathische Geruch frisch ge bert." backenen Brotes kroch durch die Tür „Ah, ich verstehe, Sir." Wilbert strahl ritzen und durch das Schlüsselloch. Die te Inspektor Madler an. ser Geruch war derart ansprechend, daß , „Endlich, wenn auch mit Verspätung. dem Butler das Wasser im Mund zu Parkers Stelle bei Doktor Snyder ist die sammenlief. Er sehnte sich förmlich Rangierstelle. Dort wohnt er, dort arbei nach einer frisch gebackenen, knuspri tet er, dort vermuten die Rauschgift gen Brotkruste. Womit er natürlich auch gangster Gift. Wenn dort ein Wagen gleichzeitig wußte, wo er sich befand. auftaucht, dann hängt es mit meinem Es mußte die Brotfabrik dieses ver Freund zusammen." dächtigen Mr. Ben Turpins sein . . . „Wer ist eigentlich dieser Mr. Josuah Parker, Sir?" 26
„Sie werden ihn bald sehen, Wilbert." „Er ist Butler, nicht wahr?" Wilberts Stimme klang ein wenig abfällig. „Richtig, er ist Butler, aber diesen Job hat er sich nur freiwillig zugelegt. Er arbeitet für einen amerikanischen An walt. In Wirklichkeit ist mein alter Freund ein erstklassiger Kriminalist. Durch seine Arbeit bei diesem Anwalt kommt er an dicke Fälle heran." „Ein Amateurkriminalist also", mein te Wilbert. „Haben Sie eine Ahnung." Inspektor Madler schüttelte verweisend den Kopf. „Parker würde die Mehrzahl der Yard beamten mit Leichtigkeit in die Tasche stecken. Na ja, Sie können ja nicht wis sen, was man ihm alles schon angeboten hat." „Etwa eine offizielle Stelle, Sir?" „Er hätte für den Yard und für MI 5 arbeiten können. Man wollte ihn drüben in den Staaten für das FBI interessieren und einstellen. Parker wollte aber un abhängig bleiben." ,,Hört sich ja sagenhaft an, Sir." „Entspricht aber genau den Tatsachen, Wilbert. Wenn einer es schafft, die Rauschgiftgang auffliegen zu lassen, so Parker. Er steckt bis zum Hals voller Tricks und Raffinessen." „So begeistert habe ich Sie kaum er lebt, Sir." Wilbert wunderte sich, daß Madlers scheinbare Müdigkeit verflogen war. „Kommen Sie, Wilbert, der Lastwa gen darf uns nicht entwischen. Vielleicht bringt er uns auf Parkers Spur. Er hätte tatsächlich längst von sich hören lassen können." Die beiden Männer verließen den Yard, stiegen in einen wartenden Dienstwagen und fuhren hinaus nach Victoria Park. Es war gerade dunkel ge worden. Nach dem Schließen der Büros
und Geschäfte war der sonst starke Ver kehr etwas abgeflaut. Sie kamen gut voran. In der Nähe der Saville Street verließ Inspektor Madler den Wagen. „Warten Sie hier auf mich, Wilbert", sagte er. „Kann sein, daß wir sehr schnell losfahren müssen." „Soll ich nicht besser mitkommen, Sir?" „Halten Sie mich für einen alten Mann, Wilbert? Sie werden warten!" Inspektor Madler verschwand in der Dunkelheit. Nach wenigen Minuten er reichte er das Haus des Chemikers. Von dem Lastwagen war nichts zu sehen. Er mußte noch auf der Rückseite des La bors stehen. Inspektor Madler sah sich nach sei nem Außenmann um, der von dem Last wagen berichtet hatte. Wo mochte der Beamte sich versteckt halten? Hatte er bereits Kontakt mit dem Wagen aufge nommen? Madler hörte plötzlich ein leises Hü steln. Es kam aus einem Torweg. Madler hustete zurück. Dann hielt er auf den Torweg zu. Vor ihm erschien ein mittelgroßer Mann, der sich den Kragen seines Mantels hochgeschlagen hatte. „Was gibt es, Pemwick?" fragte Mad ler knapp. „Der Wagen ist noch immer auf dem Grundstück, Sir." „Sehr schön, Pemwick. Warten Sie hier! Gibt es noch eine andere Ausfährt vom Grundstück?" „Meines Wissens nicht, Sir." „Wieso, haben Sie sich das Grund stück nicht angesehen?" „Dazu hatte ich keine Zeit mehr, Sir." „Hoffentlich gibt es keine bösen Über raschungen", murmelte der Inspektor. Er sah müde und abgekämpft aus. Lang 27
sam überquerte er die Straße. Nichts an ihm erinnerte an einen Yard-Beamten. Er konnte einer jener Angestellten sein, die zu Tausenden ihren Wohnungen zu streben. Madler beobachtete scharf. Die Einfahrt zum Grundstück schien unbewacht zu sein. Eine gute Gelegen heit, sich auf die Rückseite des Hauses zu stehlen und einen Blick in den Last wagen zu werfen. Madler wollte gerade einbiegen, als er lautes Motorengeräusch hörte. Sekun den später durchschnitten Scheinwerfer die Dunkelheit. Der Lastwagen befand sich bereits auf der Auffahrt und fuhr mit großer Geschwindigkeit auf die Straße zu. Madler sprang blitzschnell hinter einen Torpfeiler und verbarg sich. We nig später rauschte der Lastwagen b e reits an ihm vorbei, stoppte kurz ab und schwenkte auf die Straße. Dann w u r d e der Motor wieder auf Touren gebracht. Der Lastwagen verschwand in der Dun kelheit der Straße. Inspektor Fluch.
Madler
zerkaute
einen
Damit hatte er nicht gerechnet. Der Lastwagen w a r schneller davongefah ren, als er es vermutet hatte. N u r gut, daß er sich wenigstens das Kennzeichen hatte merken können. Damit ließ sich schon etwas anfangen. Falls der Lastwagen nicht gestohlen worden war . . . ! Josuah P a r k e r sichtete die Bestände und w a r äußerst zufrieden. Die Gang ster hatten sich genau an seine Bestell liste gehalten und aus Doktor Snyders Labor alles das mitgebracht, was er ge wünscht und aufgeschrieben hatte. Als Labor stand dem Butler ein gro 28
ßer, aber niedriger Kellerraum zur Ver fügung. Da die Fenster fehlten, gab es hier eine Luftabsaugevorrichtung, die prächtig funktionierte. „Zufrieden?" erkundigte sich Strick ton voller Stolz. Der Gangster-Vor m a n n stand neben P a r k e r und sah zu, wie der Butler die ersten Handreichun gen tat. „In der Tat, wir sind vollkommen komplett", antwortete der Butler. „Wann können Sie mit der Arbeit be-. ginnen?" „Ich denke, in zwei Tagen", redete P a r k e r sich heraus. Er kannte sich zwar in vielen Dingen aus, doch ein ausgebil deter Chemiker w a r er nicht. „In zwei Tagen? Sie sind verrückt! Der Chef will schon morgen die ersten Proben sehen. Halten Sie sich 'ran, P a r ker!" „Sie unterschätzen die Schwierigkei ten des Verfahrens", protestierte der Butler. „Die sind Ihre Sache. Noch etwas. Sie werden n u r tagsüber arbeiten können." „Ich hatte nichts anderes vor. Das heißt, es gibt ja Arbeitsphasen, die ich nur..." „Nur tagsüber", wiederholte Strick ton hoch mal. P a r k e r verstand. Während oben in der Brotfabrik gearbeitet wurde, sollte er hier unten in den Kellerräumen Kokain herstellen. Die Gangster wollten kein Risiko eingehen und verdächtige Ar beitsgeräusche während der Nacht ver meiden. „Ich werde mir Ihre Arbeit übrigens ansehen", redete Strickton weiter. „Be trachten Sie mich als Ihren Assisten ten." „Ich soll Sie anlernen?" „Erraten, Parker! Ich will das. Ver fahren studieren!"
.Josuah Parker schaltete noch mal. Die Absicht der Gangster war klar. Sobald Strickton wußte, wie das Rauschgift hergestellt wurde, hatte er, Parker, aus gespielt. Dann mußte er von der Bühne abtreten und sollte sicher in der Themse verschwinden. Der Butler ließ sich nichts anmerken. Er war mit allen Vorschlägen einver standen. Er wußte, was er produzieren würde. Nachträglich beglückwünschte er sich dazu, sich bei Doktor Snyder so ein gehend erkundigt zu haben. Und zudem standen auf einem Arbeitstisch einige Handbücher der Chemie. Parker als ge witzter Mann, versehen mit einigen Grundkenntnissen, traute sich durchaus zu, einen Stoff herzustellen, der dem Kokain verblüffend ähnlich sah. „Worauf Warten wir noch?" Strickton zog sich die Jacke aus und sah sehr un ternehmungslustig aus. „Machen wir uns an die Arbeit, Parker! Ich bin ge spannt, wie Sie das Giftzeug zusammen brauen werden." „Und ich erst", murmelte der Butler. „Was sagten Sie?" wollte Strickton wissen, der nicht genau hingehört hatte. „Oh, nichts", entschuldigte sich Josuah Parker höflich. „Nichts ...!"
„Haben Sie den Lastwagen endlich aufgespürt?" fragte Inspektor Madler gereizt. Seit Standen wartete er darauf, daß die Außenbeamten Erfolg hatten. „Leider ist es so, Sir, wie Sie's vermu tet hatten", antwortete Sergeant Wilbert. „Der Wagen ist gestohlen worden. Er wurde in einer kleinen Gasse der Lon don-Docks gefunden. Leer natürlich." „Ist er auf Spuren untersucht wor den?" „Die Laborleute sind noch bei der Arbeit, Sir. Sieht aber schon jetzt so aus,
als hätten die Gangster mit Handschu hen gearbeitet." „Wie in Doc Snyders Labor", meinte Inspektor Madler brummig. „Alles ist ausgeräumt worden, Arbeitstische, An lagen und dieses undefinierbare Glas zeug, wie es die Chemiker benützen." „Ich möchte nur wissen, wozu die Gangster diese Sachen brauchen, Sir." „Sie sind noch nicht dahinter gekom men, Wilbert?" „Nicht direkt, Sir", entschuldigte sich Wilbert. „Dann will ich Ihnen auf die Sprünge helfen. Die Gangster wollen wahr scheinlich Rauschgift in eigener Regie herstellen. Und wissen Sie auch, warum Parker verschwunden ist?" „Weil er von den Gangstern gekid nappt worden ist, Sir?" „Richtig. Aber weshalb kidnappten sie ihn?" „Oh, Sir, jetzt begreife ich." Sergeant Wilbert strahlte. „Mr. Parker soll wahr scheinlich als Chemiker eingesetzt wer den." „Sie treffen den Nagel auf den Kopf, Wilbert." „Kann er das denn, Sir? Ich meine, Sie kennen ihn doch sehr gut." „Ob Parker sich schon mal als Chemi ker betätigt bat, weiß ich nun wirklich nicht. Aber wie ich ihn kenne, wird er sich schon aus der Affäre ziehen." „Sir, ich möchte nicht unken. Aber die Gangster werden sehr schnell herausbe kommen, ob Ihr Freund nun tatsächlich Rauschgift herstellen kann oder nicht." „Leider, Wilbert." Inspektor Madler wurde nachdenklich, sah gar nicht mehr so optimistisch aus. „Kommen die Gangster dahinter, daß Mr. Parker sie täuscht, werden sie ihn umbringen." 29
„Verdammt, das stimmt. Wir dürfen ist es nicht schon zu spät für Parker...!" ihn nicht in der Patsche sitzen lassen. Butler Parker zog eine Show ab, die Daß die Dinge sich derart entwickeln würden, konnten wir natürlich nicht sich wirklich gewaschen hatte. Er hatte sich behelfsmäßig eingerichtet und ar vorausberechnen." beitete als Chemiker. Auf zwei Bunsen „Sollte man nicht Ben Turpins' Brot brennern gurgelten und kochten große fabrik unter die Lupe nehmen, Sir? Glaskolben. Undefinierbare Flüssigkei Vielleicht wird er dort festgehalten." ten, die giftgrün und tiefblau gefärbt „Auf einen Verdacht hin werden wir waren, verbreiteten üble Düfte. keinen Durchsuchungsbefehl bekom Parker stand vor einem Arbeitstisch men, Wilbert. Und falls Parker dort und hantierte mit Reagenzgläsern her festgehalten wird, dann so, daß wir ihn um. Er maß ab, schüttete wieder weg, nicht finden können. Ich glaube kaum, murmelte geheimnisvolle Worte, die an daß er dort festgehalten wird." die Beschwörungen indianischer Medi „Wo sonst, Sir?" zinmänner erinnerten und hielt seinen „Für den richtigen Tip würde ich ein Assistenten Strickton in dauernder Be Vermögen hergeben, Wilbert. Viel Zeit wegung. wird mein alter Freund Parker be Der Gangster war fasziniert. Er Keß stimmt nicht haben. In ein oder zwei Ta sich vorerst noch täuschen. Er spitzte die gen werden die Gangster dahinterkom Öhren und strengte seinen Kopf an. Er men, daß er für sie wertlos ist." machte sich Notizen und stellte immer „Könnte man nicht ohne Durchsu wieder neue Fragen. Er wollte so schnell chungsbefehl, Sir, ich meine, könnte wie möglich in die Geheimnisse der man nicht als Privatmann in der Brot Rauschgiftherstellung eingeweiht wer fabrik erscheinen?" Wilbert wirkte den. etwas unsicher, als er diesen Vorschlag Parker verzapfte einen horrenden Un machte. Er wußte nur zu gut, wie kor •sinn. Er erfand Formeln und Zusam rekt sein Inspektor war. menstellungen, die nicht nur neu waren, Doch diesmal schien er die richtigen sondern auch jeden Chemiker zu dicken Worte gefunden zu haben. Madler über Lachtränen gereizt hätten. legte kurz. Dann zwinkerte er Wilbert Was er da zusammenbraute, hätte er zu. „Keine schlechte Idee, Wilbert. Sie selbst nicht sagen können. Ihm kam es machen sich. Sie werden es noch zu et vorerst darauf an, Strickton in Bewe gung zu halten und dessen Neugier zu was bringen." befriedigen. Parker spielte ein Theater, „Demnach darf ich mitkommen, Sir?" „Sie sind verrückt. Wenn ich schon in dem es um sein Leben ging. Er mach illegal erscheine, dann allein. Es genügt, te sich keine Illusionen. Kamen die wenn ich aus dem Yard 'rausgeschmis Gangster dahinter, daß er sie hinters Licht führte, würden sie ihn sofort erle sen werde." . „Darf ich wenigstens wissen, wann digen und in die Themse werfen. Sie zur Brotfabrik fahren werden?" Er hatte seine altertümliche Zwiebel „Noch in der kommenden Nacht, Wil uhr befragen müssen, um herauszube bert. Ich habe das dumpfe Gefühl, daß kommen, wie spät es war. Nun, über ich keine Zeit verlieren darf. Hoffentlich ihm mußten die riesigen Teigkneter 30
bereits auf Hochtouren arbeiten. Zu hö ren waren sie jetzt nicht. Dafür brodel ten und kochten die giftig gefärbten Flüssigkeiten viel zu laut. „Wann werden wir die erste Probe haben?" fragte Strickton, als der Butler eine kurze Verschnaufpause einlegte. „Bald, sehr bald schon", gab Parker zurück. „Um einen sogenannten analyti schen Massenvergleich anstellen zu kön nen, Mr. Strickton, benötige ich echtes Rauschgift. Verfügen Sie darüber?" „Das können Sie haben, Parker. Jede Menge. Wir sind gut eingedeckt." „Dann darf ich um eine Probe bitten", meinte Parker. Strickton ging zur Tür, pochte dage gen und wartete, bis von außen geöffnet wurde. Die beiden Gorillas, die dort Wa che hielten, ließen sich vorsichtig sehen. Einer von ihnen war Stan Bigels, der Gangster mit der Zahnlücke. Er konnte den Butler noch immer nicht ausstehen. Das hing wahrscheinlich mit der Kalt wasserbehandlung zusammen, die Par ker ihm hatte angedeihen lassen. Strickton gab seine Wünsche durch. Dann schloß sich wieder die Tür. „Sie haben ungewöhnliche Sicher heitsvorkehrungen getroffen", sagte Parker zu Strickton. „Ich müßte mich fast geschmeichelt fühlen. Immerhin bin ich doch nur ein alter und verbrauchter Mann." „Uns können Sie nicht mehr täuschen" gab Strickton grinsend zurück. „Machen Sie sich keine Hoffnungen, Parker, uns legen Sie nicht noch mal aufs Kreuz! Wir sind gewarnt!" „Überprüfen Sie die Alkaloidmi schung", ordnete Parker ablenkend an. Er deutete auf die tiefblaue Flüssigkeit, die fast verkocht war. Als Strickton sich abwandte, langte der Butler nach einer
Glasflasche, die mit einem weißen Pul ver gefüllt war. Der Butler füllte ein Reagenzglas da von ab und steckte es in seine Westen tasche. Als Stan Bigels und sein Beglei ter wieder in der Tür erschienen, um das echte Kokain abzuliefern, wandte Parker schnell einen Taschenspielertrick an. Er vertauschte die eingekochte und eingedickte, tiefblaue Flüssigkeit mit dem weißen Pulver im Reagenzglas. Das ging schnell und gekonnt über die Büh ne. Strickton konnte keinen Verdacht schöpfen. „Hier ist das Kokain", meinte Strick ton, der zum Arbeitstisch zurückgekehrt war. Er sah das weiße Pulver im Glas kolben über der abgedrehten Flamme und musterte Parker erstaunt. Fragend wies er auf den Kolben. „Sie haben den entscheidenden Mo ment leider verpaßt, Mr. Strickton", be dauerte der Butler. „Ich denke, mir ist die erste Probe gelungen. Wir sollten nun einen Vergleichstest vornehmen. Ich möchte annehmen, daß eine kurze Riech- und Geschmacksprobe, reichen wird." „Hoffentlich haben Sie nicht daneben gehauen", sagte Strickton mißtrauisch. „Ich bin mir meiner Sache vollkom men sicher." Parker blieb ruhig und konzentriert. Er glich einem erfahrenen Fachmann, für den es keine Pannen gibt. Er nahm den Glaskolben vorsichtig herunter und schüttete etwas von dem weißen Pulver auf ein Blatt Filterpa pier. Er reichte es Strickton hin. „Riechen Sie", befahl er. „Sie werden entzückt sein, hoffe ich." Strickton war sehr neugierig. Die Selbstverständlichkeit, mit der Parker redete, überzeugte ihn. Strickton 31
sah sich bereits in naher Zukunft als Rauschgifthersteller. Was der Butler schaffte, konnte auch für ihn nicht schwer sein. Tief beugte er sich über das rauhe Filterpapier. Er brachte seine Nase dicht an das weiße Pulver heran. Dann schnüffelte er ausgiebig und glich in die sem Moment einem Fuchs, der die Spur einer fetten Gans gewittert hat. Plötzlich richtete er sich auf. ' Seine Oberlippe kräuselte sich, warf sich wulstartig auf. Er nahm den Kopf in den Nacken und sah zur niedrigen Kellerdecke hoch. Seine Augen vereng ten sich zu schmalen Schlitzen. Er schien weinen zu wollen. Seine Nase vibrierte. Der Unterkiefer zitterte. Dann zuckte der Gangster zusammen. Explosionsartig mußte er niesen. Es schüttelte ihn derart durch, daß er fast das Gleichgewicht verlor. „Ich nehme mir die Freiheit, Ihnen Gesundheit zu wünschen", meinte Par ker. Dann nahm er das Filterpapier hoch und hielt es Strickton unter die Nase. Der Gangster schüttelte sich. Er stieß unartikulierte Laute aus. Erneut warf er seinen Kopf in den Nacken, erneut mußte er explosionsartig niesen. Diesmal war die Erschütterung so groß, daß es ihm die Beine unter dem Körper wegriß. „Auf die Gefahr hin, mich zu wieder holen, ich wünsche Ihnen erneut eine gute Gesundheit", murmelte Parker. „Mir scheint, die Mischung ist ge lungen." Strickton aber war nicht in der Lage, sich für die segensreichen Wünsche zu bedanken. 32
Seine Nase und sein Rachen produ zierten ein Dauerfeuer von Niesexplosi onen. Strickton wankte hilflos durch den Kellerraum und schnappte stöhnend nach Luft. Tränen schossen ihm aus den. Augen. Er hielt sich an der Kante des Arbeitstisches fest und ließ die don nernden Niesanfälle wehrlos über sich ergehen. Parker griff nach seinem UniversalRegenschirm. Er fürchtete nicht den fei nen Sprühregen aus Stricktons Nase, sondern wollte die Qualen des Gangsters hilfreich beenden. Er wartete eine günstige Gelegenheit ab. Sie kam sehr schnell. Strickton riß wieder den Kopf in den Nacken und wartete auf die Entladung der nächsten Explosion. Ein Zittern ging durch seinen Körper. Donnernd nieste er. Sein Kopf wurde auf die Brust geschleudert. Sein Kinn knallte dabei auf den bleigefütterten Griff von Parkers Regenschirm, den der Butler in die günstige und entsprechen de Lage gebracht hatte. Der Knockout war vollkommen. Strickton ging in die Knie und betei ligte sich nicht mehr weiter an den che mischen Versuchen... Im Gegensatz zum Yard wußte Can dels sehr gut, wo sich das Hauptquartier der Rauschgift-Gang befand. Ihm war bekannt, daß Ben Turpins Brotfabrik der Dreh- und Angelpunkt der Gang war. Nach dem Niederbrennen seines Eta blissements und nach seiner Unterhal tung mit Inspektor Madler hatte er vor gehabt, London so schnell wie möglich
zu verlassen. Es gab in England schließ lich gesündere Gegenden. Nachdem seine Nerven sich aber wie der beruhigt hatten, war er zu einem anderen Entschluß gekommen. Lefty Candels hatte sich entschlossen, blutige Rache zu nehmen. Turpins mochte stark sein und viele Leute um sich haben, doch das zählte nicht. Ihm war ja nicht be kannt, was er, Lefty Candels, plante. Und Candels hatte sich allerlei in den Kopf gesetzt. Auge um Auge, Zahn um Zahn, das war seine Devise. Turpins sollte ihn noch kennenlernen. Natürlich kam der im wahrsten Sinne des Wortes abgebrannte Gangster nicht auf die Wahnsinnsidee, ganz allein in die Brotfabrik zu stürmen. Er sah an dere, bessere Möglichkeiten. So wußte er zum Beispiel, wo Ben Turpins wohnte. So war ihm bekannt, wer Turpins Teilhaber waren und wo auch sie wohnten. Mit diesem Wissen ließ sich sehr viel anfangen. Wenn man dazu noch verstand, mit Benzin und Zeitzündern umzugehen, so ergaben sich wirkungsvolle Möglichkeiten. Außer Ben Turpins gab es noch drei Männer, denen er ein helles Licht auf setzen wollte. Es waren die Gesellschafter Ben Tur pins. Sie hießen Harold Load, Selvyn Powell und Reginald Crofting. Auch sie wohnten in London und waren schnell und gut zu erreichen. Ob sie mit Tur pins unter einer Decke steckten, war Lefty Candels nicht bekannt. Ob sie vom Rauschgift wußten, interessierte Candels in diesem Moment nicht mehr. Haupt sache, er brachte die Brotfabrik durch einander und schadete Turpins. Ob es auf Umwegen geschah oder nicht, war unerheblich.
Candels war nicht leichtsinnig. Nach dem Niederbrennen seines Hau ses tauchte er unter. Immerhin hatte er hier in der riesigen Stadt einige Freun de, auf die er sich verlassen konnte. Sie verbargen ihn nicht nur, sondern ver schafften ihm auch die Dinge, die er für seinen Rachefeldzug benötigte. Im Verlauf dieses späten Nachmittags nahm Candels Maß. Er hatte sich einen unscheinbaren Wagen ausgeborgt und fuhr die Adres sen seiner Opfer ab. Zuerst kam das Haus Ben Turpins an die Reihe. Es lag in der Nähe der Docks. Bis zur Brotfabrik war es nicht weit. Turpins wohnte in einem stattlichen, säulenge schmückten Haus. Dahinter gab es einen kleinen, ummauerten Garten, in den sich gut eindringen ließ. Harold Load hatte sich in einem mo dernen Apartment in Poplar eingerich tet. Auch hier sah der Gangster keine Schwierigkeiten. Der Verkehr in diesem Haus war rege. Es konnte nicht auffal len, wenn er hier kurz auftauchte. Der Gesellschafter Selvyn Powell wohnte in Eastend, genauer gesagt, im Stadtteil Bethnal Green. Hier hatte er sich ein schmalbrüstiges Haus gemietet, dessen zwei untere Etagen von Büroräu men eingenommen wurden. Im dritten Stock befand sich die Privatwohnung. Reginald Crofting, der dritte Gesell schafter, bevorzugte Whitechapel als Wohnsitz. Auf Äußerlichkeiten schien er keinen Wert zu legen. Er hauste im An bau eines rauchgeschwärzten, verkom men aussehenden Hauses. Crofting war geschäftlich sehr aktiv. Er besaß nicht nur einige Teestuben, sondern auch ei 33
nige Garagenbetriebe und eine Schrott verwertung. Nachdem Lefty Candels Maß genom men hatte, entschloß er sich, zuerst mal Harold Load auf die Zehen zu treten . . . • Josuah Parker hatte den Gangster Strickton gerade auf einen Stuhl ge hievt, als er Besuch erhielt. Die gut gesicherte Tür öffnete sich. Die beiden Gorillas traten ein. Ihnen folgte ein Mann, den Parker noch nicht gese hen hatte. Dieser Mann hatte treuherzig aussehende Seehundaugen und besaß zwei wulstige Narben am Hals. Es han delte sich um den Chef der Brotfabrik Ben Turpins. „Was ist mit Strickton los?" fragte Turpins sofort mit scharfer Stimme. Sei ne beiden Leibwächter nahmen ihre Waffen schußbereit hoch. Es war vor al len Dingen Stan Bigels, der endlich eine Möglichkeit witterte, sich an dem Butler rächen zu können. „Mit wem habe ich die Ehre?" erkun digte sich Josuah Parker, ohne sich auch nur im geringsten aus der Ruhe bringen zu lassen. „Das werden Sie gleich merken", schnauzte Turpins gereizt. „Darf ich unterstellen, daß Sie Mr. Ben Turpins sind?" „Was ist mit Strickton?" fragte Tur pins noch mal, ohne Parkers Frage zu beantworten. „Ich fürchte, Ihr Vertrauensmann hat zuviel Kokain geschnupft", erläuterte Parker. „Ich muß gestehen, daß selbst ich von dem Wirkungsgrad meines Ko kains überrascht bin." „Sie haben es neu hergestellt?" Tur pins Gereiztheit verschwand. Er sah den 34
Butler fast wohlwollend an. „Die Versuche gelangen ausgezeich net", meinte Parker und deutete auf Strickton. „Sie als Fachman in Giften, Mr. Turpins, werden mir zustimmen müssen; Darf ich Sie bitten, eine kleine Kostprobe zu nehmen?" „Los, Jungens, versucht das Zeug", be fahl Turpins. Stan Bigels und sein Partner blieben vor Parker stehen, der sein Spezialpul ver auf ein Blatt Filterpapier streute. Parker war nicht sparsam. Er ging mit seinem Pulver sehr großzügig um. „Sie werden überrascht sein", ver sprach er, Turpins ansehend. „Ich glau be, daß die Versuche gelungen sind." „Los, worauf wartet ihr noch?" Tur pins blieb ahnungslos. Auch seine beiden Gorillas, Stan Bigels und sein Partner beugten sich gemeinsam über das Filter papier und schnüffelten das Pulver in die Nase. Was nun folgte, war' enorm. Der niedrige Kellerraum hallte wider von geräuschvollen Detonationen. Hatte Strickton schon bewiesen, wozu eine menschliche Nase fähig ist, so stell ten. Bigeis und dessen Partner alles in den Schatten. Sie verzogen ihre Gesich ter, sie kämpften mit Tränen und schos sen dann wahre Salven von Niesexplo sionen ab. Es schüttelte sie derart durch, daß sie sich aneinander festhalten muß ten. Ben Turpins wußte im ersten Moment nicht, was er von dieser Reaktion halten sollte. Bevor er aber Lunte roch, roch er bereits Niespulver. Parker blies dem Gangster eine ordentliche Prise in die Nasenlöcher und trat diskret zur Seite. Ben Turpins röchelte, verdrehte die Augen, schnappte nach Luft, kämpfte
mit Tränen und fiel in das Duett seiner beiden Leibwächter ein. Da er eine Ok tave tiefer nieste, konnte sich das Ter zett sehen und hören lassen. Die drei Gangster w a r e n d e r a r t b e schäftigt, daß sie ü b e r h a u p t nicht b e merkten, daß P a r k e r sich diskret a b setzte. Der Butler nutzte die Gelegen heit, das provisorisch eingerichtete L a bor zu verlassen. Er wollte die Dinge nicht auf die Spitze treiben.
ersten Schüsse pfiffen ihm um die O h ren. Seine Flucht w a r von anderen Gangstern entdeckt worden. Sie setzten alles daran, ihn zu stoppen.
Er h a t t e die T ü r fast erreicht, als er mit erstickter Stimme angerufen w u r d e .
Seine Chancen w a r e n alles andere als rosig.
Es w a r Turpins, der sich als erster w i e der gefaßt hatte. Da P a r k e r diesen A n ruf überhörte u n d weiterging, schoß Turpins. Als er jedoch abdrückte, m u ß t e er gerade wieder niesen. Der Schuß verfehlte sein Ziel und jaulte gegen die Kellerdecke.
„Sperrt den Tiefkeller a b " , schrie Ben Turpins aufgebracht. „Parker darf uns nicht entwischen! Sofort abschießen, wenn er sich sehen läßt! Los, worauf w a r t e t ihr noch?"
P a r k e r warf die T ü r hinter sich ins Schloß u n d drehte den Schlüssel herum. Er entdeckte zwei zusätzliche Riegel, die er als vorsichtiger und korrekter Mensch ebenfalls vorlegte. Dann schritt er w ü r devoll davon. Er wollte sein Gastspiel in der Brotfabrik beenden. Er handelte durchaus richtig. Sein Aufenthalt im Keller h a t t e ihm gezeigt, daß hier in der Brotfabrik Gang ster ihr Hauptquartier eingerichtet h a t ten. Hier in den Kellerräumen mußte sich das Rauschgiftlager befinden. Wo her hätten es die beiden Gorillas sonst so schnell besorgen können? Nach P a r k e r s Ansicht w a r nun die Polizei an der Reihe, um dieses Nest auszuheben. Er wollte seinen alten Freund, den Inspektor Madler, benach richtigen. P a r k e r h a t t e jedoch die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Schon nach wenigen Schritten w u r d e der Butler zu einem gehetzten Wild. Die
P a r k e r sah sich zu seinem Bedauern gezwungen, die Gangart zu beschleu nigen. Er m u ß t e flüchten, w e n n er nicht wieder eingefangen w e r d e n wollte. Zu seinem Pech k a n n t e er sich in die sem Labyrinth nicht aus.
Er u n d seine Leute w a r e n aus dem Labor befreit worden. Richtig eingrei fen u n d mitmachen konnten sie noch nicht. Niesanfälle hinderten sie daran, sich an der Kesseljagd zu beteiligen. Die beiden Gangster, die Turpins mit in den Tiefkeller gebracht hatte, spritz ten auseinander. Sie wurden behelfs mäßig v e r s t ä r k t von Strickton u n d den beiden Gorillas. Sie k a n n t e n sich hier unten gut aus. Sie wußten, welche Aus gänge u n d Schlupflöcher gesperrt w e r den mußten. Es handelte sich um einen Luftschutz stollen aus dem zweiten Weltkrieg. Er besaß zwei Zu- und Ausgänge. Steile Treppen führten hinauf in den eigent lichen Keller der Brotfabrik. Diese Zu gänge w a r e n selbstverständlich sehr gut getarnt u n d kaschiert worden. Ein Nicht eingeweihter h ä t t e sie bestimmt nicht entdecken können. Um diese beiden Ausgänge und T r e p pen ging es. Wurden sie gesperrt, hatte 35
P a r k e r keine Möglichkeit mehr, e n t w i schen zu können. Die Gangster spritzen auseinander und machten sich an die Arbeit. Sie gierten danach, ihr Mütchen an dem Butler k ü h len zu können.
Sie m u ß t e n den Butler erwischt h a ben. Turpins verließ das behelfsmäßige Labor u n d lief in den Stollen hinein. Er prallte mit einem Mann zusam men, der aus der Dunkelheit auf ihn zukam.
Ben Turpins w a r nervös, als er sich ei ne Zigarette anzündete. Dies w a r das erste Mal, daß einer seiner Gegner sich hier unten im ehemaligen Luftschutz stollen herumtrieb, daß einer seiner Gegner bis in das Allerheiligste vorge drungen war. Entwischte der Butler u n d wandte er sich an die Polizei, d a n n konnte Turpins einpacken. Dann lagen endlich Beweise gegen ihn und seine verbrecherische Tätigkeit vor.
„Nicht schießen", keuchte Strickton. Um ihn handelte es sich nämlich.
Natürlich glaubte er nicht daran, daß P a r k e r bereits einen der Ausgänge er reicht hatte. Dazu w a r es hier tief unter der Erde viel zu unübersichtlich. Der große Stollen, der in viele Einzelräume abgeteilt war, erinnerte tatsächlich an ein Labyrinth. Zudem w a r es dunkel hier unten. Wie sollte ein Ortsfremder seinen Weg finden?
Turpins verlor den mühsam erworbe nen Schliff, den er sich als Hersteller von Brot und Gebäck zugelegt hatte. Er w u r de wieder zum Gangster. Ohne weiter auf Strickton zu achten, r a n n t e er los.
Ben Turpins Mann.
„'rauf in den Keller", brüllte Turpins mit lauter Stimme. „Alles 'rauf in den Keller. H u n d e r t Pfund für den, der P a r k e r erwischt! Er darf uns nicht entkom men!"
war
ein
vorsichtiger
Er beteiligte sich nicht an der Hetz jagd nach dem Butler. Schließlich wollte er keine Kugel riskieren. Er blieb in dem erleuchteten Kellerraum zurück, der als Labor eingerichtet war. Hier w a r t e t e er auf gute Nachrichten, w a r t e t e auf die ersten Schüsse, die ihm anzeigen sollten, daß der Butler erwischt worden war. Die Sekunden w u r d e n zu Minuten, und die verwandelten sich in kleine Ewigkeiten. Turpins rauchte bereits die zweite Zigarette, als er endlich erfreut zusammenzucken konnte. Ein Schuß w a r gefallen! 36
„Wo steckt P a r k e r ? " fragte Turpins. „Entwischt, Chef! Er ist 'rausgekom men!" „Ausgeschlossen!" „Er hat Bigeis überfallen", berichtete Strickton gehetzt. „Er m u ß schon im Fabrikkeller sein." „Los, ihm nach!"
Noch bestand eine Chance, P a r k e r zu stoppen. Seit einer Viertelstunde w a r die Fabrik leer. Die Hetze nach dem Butler konnte ungestört weitergehen.
Die Gangster im großen Luftschutz stollen hörten dieses tolle Angebot. Hundert Pfund waren nicht zu verach ten. Sie nahmen die Beine in die Hand und folgten ihrem Vormann. Der Stollen w u r d e innerhalb weniger Sekunden geräumt. Die Gangster ver schwanden nach oben. N u r einer blieb zurück. Es w a r Strickton, der seinen Chef Turpins alarmiert hatte. Genauer gesagt,
es war Josuah Parker, der sich für Strickton ausgegeben hatte! Parker wollte nämlich in aller Ruhe nach dem Rauschgift suchen. Für Tricks und Listen hatte er schon immer etwas übrig gehabt. Es war später Nachmittag. Lefty Candels fuhr mit einem Taxi vor. Als er den Wagen verließ, nachdem er den Fahrer entlohnt hatte, nahm er zwei prall gefüllte Aktentaschen in die Hand und betrat die Halle des Apart ment-Hauses. Er wollte der Wohnung des ehrenwerten Mr. Harold Load einen Besuch abstatten. Alles klappte wie am Schnürchen. Er kam ungehindert zum Lift, fuhr in die zweite Etage und klingelte an der Wohnungstür. Es war ihm gleich, ob Load zu Hause war oder nicht. Er hatte alles einkalkuliert. Schritte näherten sich der Tür. Dann wurde sie geöffnet. Ein schlanker Offi zierstyp, Schnurrbart und stocksteife Haltung, sah Candels fragend an., „Mr. Load?" erkundigte sich Candels mit heuchlerischer Freundlichkeit. „Richtig. Was wollen Sie?" Loads Stimme klang schnarrend. „Mr. Turpins schickt mich", behaup tete Lefty Candels. „Ich soll. Ihnen die neuen Proben bringen, Sir." Ohne Loads Antwort abzuwarten, trat Candels ein. Er stellte die beiden Taschen ab u n d . . . schickte einen rech ten Haken auf die Reise. Er traf sehr genau Load sah ihn einen Moment ver blüfft an, seufzte wehmütig und sank zu Boden. Lefty Candels machte sich schnell und 37
geschickt an die Arbeit. Er öffnete die beiden Taschen, holte zwei kleine Ben zinkanister hervor und verschüttete die Flüssigkeit nach einem genauen Plan. Er sorgte dafür, daß alle Teppiche und Polstermöbel gut durchtränkt wurden. . Einen Moment lang spielte er mit dem Gedanken, Load einfach einzuschließen und ihn dem Feuer zu überlassen. Da er jedoch die Gesetze fürchtete und einer eventuellen Anklage wegen Mordes aus dem Wege gehen wollte, schleifte er den Gesellschafter von Turpins Brot fabrik aus der Wohnung, schloß die Tür bis auf einen schmalen Spalt und riß ein Streichholz an. Er warf es in die Wohnung. Die noch nicht mal laute Detonation drückte die Tür ins Schloß. Im Apart ment aber brach die Hölle los. Das Ben zin entzündete sich und setzte das Mo biliar in Brand. „Das wär's, Mr. Load", murmelte Can dels. „Jetzt ist Powell an der Reihe. Die Burschen sollen mich noch kennenler nen!" Lefty Candels fuhr mit dem Lift nach unten in die Halle und betrat die Straße. Als er sie überquerte, zersprangen die ersten Fensterscheiben unter der Ein wirkung der Hitze. Dichte, schwarze Rauchwolken trie ben ins Freie. Die ersten Alarm- und Entsetzensschreie wurden hörbar. Can dels war sicher, daß die Feuerwehren bald auftauchten. Es wurde Zeit, sich eine ruhigere Gegend zu suchen. • Josuah Parker hatte gefunden, wo nach er gesucht hatte. Er stand in einem kleinen Raum, des sen Wände aus Beton bestanden. An 38
den Wänden befanden sich Wasserlei tungen. Sie führten zu Brauseköpfen, die an der Decke hingen. Auf dem Bo den lag ein brandtrockener Holzrost. Zu Kriegszeiten mochte dieser Raum als Dusche gedient haben. Jetzt aber war er in ein Rauschgiftlager verwandelt worden. Auf den Lattenrosten standen die Kartons mit dem teuflischen Gift. Hier herrschte Ordnung. Ben Turpins wußte schließlich, welch ein Vermögen an Rauschgift hier lagerte. Parker hatte keine Zeit, eine genaue Bestandsaufnahme vorzunehmen. Er begnügte sich damit festzustellen, daß Turpins nicht nur mit Kokain, sondern auch mit Rohopium, Heroin und Mari huanazigaretten handelte. Sein Sor timent konnte sich wahrlich sehen las sen. Der Butler mußte blitzschnell ein« Entscheidung treffen. Es war eine Frage von Minuten, bis Turpins hinter den Schwindel kam, bis er merkte, daß Strickton fehlte. Er würde dann natürlich zurück in den Stollen kommen und hier nach Strick ton und nach ihm, Josuah Parker, su chen. Der Butler spielte mit dem Gedanken, das Rauschgift zu vernichten. Gewiß, er vernichtete damit zwar wichtige Be weismittel, die Turpins das Genick bre chen konnten. Aber doch nur, falls es ihm gelang, mit heiler Haut aus dem Stollen zu kommen. Diese Wahrscheinlichkeit sah nicht be rauschend aus. Da war es schon besser, erst mal diese teuflischen Vorräte zu vernichten. Tur pins und seine Rauschgift-Gang wur den damit entscheidend getroffen. Sie konnten ihre Verteiler und Kunden
nicht mehr beliefern und mußten Nach schub abwarten. Darüber konnten Wo chen vergehen. Parker hatte seinen Entschluß gefaßt. Er kippte die Kartons um, zerriß die Plastikbeutel und ließ das Rauschgift zu Boden rieseln. Es häufte sich auf dem Beton. Garniert wurde das Giftpulver von Marihuanazigaretten und dem Rohopium. Der Butler begab sich zu den einzel nen Duschhähnen und drehte sie voll auf. Einen Moment lang war er verwirrt, als das erwartete Wasser ausblieb. Die Brauseköpfe blieben trocken wie die Sahara. Dann fand er aber den Haupt hahn. Als er ihn voll aufdrehte, rauschte es in den einzelnen Leitungen. Und Sekun den später schoß das Wasser aus den Duschen. Ein wahrer Platzregen stürzte sich auf das Rauschgift und löste es auf. Ein Strom von Gift schwemmte hinüber zum viereckigen Abflußgully. Parker sah diesen Wasserspielen wohlgefällig zu. In der Tiefe seines Herzens war er zufrieden. Diese Opera tion bewahrte Menschen davor, süchtig oder verrückt zu werden. Das leichtere Pulver bot dem Wasser keine Schwierigkeiten. Das' in kleine Portionen aufgeteilte Rohopium zwäng te sich allerdings mühsam durch die Git ter des Gully. Zu langsam für den But ler. Josuah Parker half freundlichst nach. Er spannte seinen Universal-Regen schirm auf, schritt unter den Wasserflu ten einher und entfernte das Schutzgit ter. Gurgelnd spülten die Opium-Portio nen in den Kanal. Aufgelöste Marihua
nazigaretten folgten wie kleine, lecke Schiffchen. Kurz, Parker war recht an getan von seinem Werk. Er trat zurück ins Trockene, faltete den Schirm zusam men und beobachtete das Spiel. Fast hätte er darüber die Gangster vergessen. Sie brachten sich durch einige Schüs se und wilde Rufe in Erinnerung. Parker mußte sich ungewöhnlich schnell ab ducken. Die Schüsse zischten dicht an ihm vorbei und veranlaßten ihn, sich den Stollen etwas genauer anzu sehen . . . * Ben Turpins war fassungslos. Er stand am Eingang zum Duschraum und starrte auf die traurigen Reste sei ner Vorratshaltung. Von Kokain und Heroin war nichts mehr zu sehen. Es schwamm bereits in den Abwässern. Ein paar Einzelexemplare von Mari huanazigaretten segelten dem Gully entgegen. Sie wurden gerammt von kleinen Kügelchen aus Rohopium. Auch sie strebten dem Abfluß zu. Es war nichts mehr zu retten. Die Wassermas sen aus den Brauseköpfen hatten Rauschgift im Wert von fast 38 000 Pfund hinweggeschwemmt. Turpins brauchte einige Sekunden, bis er diese Tatsache verarbeitet hatte. Doch dann schäumte er auf wie Kreide. Er spuckte Gift und Galle. Seine Stimme überschlug sich, als er nach seinen Leu ten rief. Turpins hatte tatsächlich im eigentli chen Keller der Fabrik entdeckt, daß sein Vertrauter Strickton nicht anwe send war. Ihm war ein schrecklicher Ver dacht gekommen, daß er von Butler Parker hinters Licht geführt und ge 39
täuscht worden war. Obwohl er sehr schnell geschaltet hatte, w a r es doch zu spät gewesen. Ben Turpins dachte n u r noch an Mord. Er wollte den Butler so schnell wie mög lich umbringen lassen. In seiner Wut aber beging er einen neuen Fehler. Er rief seine Leute h i n u n t e r in den Stollen. Damit aber wurden die beiden Stollen eingänge wieder frei. P a r k e r konnte, wenn er aufpaßte, eine Etage höher stei gen und sich diskret absetzen. Das tat er auch. Josuah P a r k e r w a r t e t e hinter einer Stahltür, bis die Gangster an ihm vor beimarschiert waren. Dann schritt er steif und würdevoll hinauf in den näch sten Keller. Er h a t t e seine Arbeit getan u n d w a r m i t sich äußerst zufrieden. Vielleicht ging er eine Spur zu l a n g sam. Nachdem es i h m schon m a l gelungen war, die Gangster in die Irre zu führen u n d den Duschraum zu verlassen, w u r d e er n u n wieder entdeckt und mit Schüs sen belegt. P a r k e r schritt etwas schneller voraus. Als die Schüsse ihm zu a r g zusetzten, mußte er sogar so etwas wie einen a n gedeuteten Dauerlauf produzieren, eine Tatsache, die ihm gar nicht gefiel. Er haßte unnötige Schnelligkeit. Ben Turpins Stimme d r a n g bis zu ihm. Der Gangster-Vormanm dirigierte seine Leute um. Er hetzte sie hinter P a r ker her. Diesmal beteiligte er sich sofort an der Jagd. Assistiert w u r d e er von Strickton, den m a n inzwischen entdeckt und befreit hatte. P a r k e r h a t t e ihn wie einen Rollschinken verschnürt und hin ter einigen leeren Kisten abgelegt. Auch Strickton gierte danach, sich an dem Butler zu rächen. Er wünschte ihm schon jetzt die Pest an den Hals. 40
Der Butler h a t t e den Treppenaufgang hinter sich gebracht und stand n u n im eigentlichen Fabrikkeller. Auch hier k a n n t e er sich natürlich nicht aus. Er stolperte über Gerümpel aller Art, r a n n te in Sackgassen hinein und fand endlich ein weit entferntes Licht, an das er sich hielt. Dort witterte er die Freiheit u n d die Rettung. Um es seinen Verfolgern aber nicht zu leicht zu machen, legte P a r k e r einige Fußangeln u n d Hindernisse aus. Er b e diente sich leerer Kisten, die er in den Weg stellte. Er kippte einen Lattenrost um und prallte dann völlig über raschend gegen einen Öltank, der gut gefüllt zu sein schien. P a r k e r zögerte nicht lange. I h m w a r die Schmierfähigkeit von Heizöl sattsam bekannt. Als Mann von Phantasie w u ß t e er diese Tatsache umzumünzen. Er durfte zudem eine kleine Ver schnaufpause einlegen. Die Gangster lu den wahrscheinlich ihre Schußwaf fen nach und formierten sich zu einem neuen Angriff. P a r k e r benutzte eine der erbeuteten Schußwaffen von Strickton und schoß zwei Löcher in die Tankwand, die aus dünnem Blech bestand. Das Heizöl, froh darüber, endlich ei nen Ausweg zu finden, setzte sich sofort in Bewegung und sprudelte ins Freie. Es ergoß sich rauschend auf den Betonbo den und breitete sich einladend aus. P a r k e r achtete streng darauf, seine schwarze Kleidung nicht zu beschmut zen. Im übrigen schritt er schnell davon. Seine Geruchsnerven wurden vom Ge stank des Heizöls böse beleidigt. Das Heizöl plätscherte in Richtung Luftschutzstollen. Es ergoß sich über die stellen Betonstufen des Niedergangs und verwandelte sie in schlüpfrige Fallen.
Die Gangster rochen zwar das Heizöl, sie patschten auch durch die penetrant duftende Flüssigkeit, doch sie konnten nicht ausweichen. Um an den Butler heranzukommen, mußten sie diesen Weg benutzen. Es kam, wie es kommen mußte. Die Gummisohlen unter ihren Schu hen verloren jeden Halt auf dem Boden. Die Gangster rutschten aus, fielen aufund durcheinander und rutschten wie auf Schmierseife ab. Sie fanden sich in nerhalb weniger Sekunden auf dem Bo den des Stollens wieder. Flüche, Rufe des Schmerzes u n d des Erstaunens begleiteten diese Rutschpar tie. Kurz, es herrschte jener Zustand, den P a r k e r als Tohuwabohu bezeichnet hätte. Der Butler h a t t e inzwischen die Halle erreicht, in der gebacken wurde. Da gab es die großen Backautomaten mit den Transportbändern, die Teigmischma schinen u n d die großen Bottiche, in de nen der Teig eingesäuert oder gemixt wurde. Es roch angenehm nach warmem Brot und nach knusprigem Gebäck. P a r k e r hätte n u r zu gern eine kleine Pause eingelegt und sich näher u m g e sehen. Die Gangster im Stollen und Kel ler waren ohnedies keine echte Gefahr mehr, doch dann überschlugen sich wie der die Ereignisse und ließen es geraten erscheinen, die Absetzbewegung konse quent fortzusetzen. P a r k e r stieß nämlich auf Gangster, die bisher noch nicht eingegriffen hatten. Sie waren durch den mittelschweren Ge fechtslärm unten im Keller und Stollen alarmiert worden. Sie sahen P a r k e r und handelten au genblicklich. Es waren drei Männer, die
sich einige Chancen ausrechneten, P a r ker überbacken zu können. Sie schwärmten aus, n a h m e n ihre Schuß waffen in den Anschlag und kesselten den Butler ein. Unverdrossen traf der Butler seine Gegenmaßnahmen. Zuerst ging er in Deckung u n d sondierte die Lage. Dann baute er sich neben einem der großen Backautomaten auf u n d w a r t e t e gedul dig auf seinen ersten Gegner. Ahnungslos k a m dieser Mann in P a r kers Schußrichtung. Der Butler h ä t t e ihn niederschießen können. Doch wie schon an anderer Stelle gesagt, haßte P a r k e r es, unnötig Blut zu vergießen. Er wartete, bis er mit einem halb verkohl ten Brot zuschlagen konnte. Er h a t t e es in einem Transportkarren gefunden. Der Gangster ging sofort zu Boden, als er das Brot auf seinem Kopf ver spürte. Da P a r k e r sich mit diesem Gang ster nicht belasten wollte u n d konnte, verstaute der Butler ihn im fahrbaren Transportkarren. Wenig später pirschte sich der zweite Gegner an den Backofen heran. Noch wußte er nicht, wo der Butler sich be fand. Er blieb abwartend an der K r e u zung zweier Arbeitsgassen stehen. P a r k e r versetzte dem Transportkarren einen derben Stoß und setzte ihn in Be wegung. Der K a r r e n rollte auf Gummi rädern. Er w a r gar nicht zu hören, zumal gerade in diesem Augenblick ein ande rer Gangster einen Schuß abfeuerte. Der K a r r e n sirrte über den Beton und traf genau sein Ziel. Er r a m m t e den a b wartenden Gangster, traf ihn genau im Kreuz u n d brachte ihn aus dem Gleich gewicht. Der Mann kippte förmlich aus den Schuhen und flog in hohem Bogen in einen Trog, der mit Teig gefüllt war. 41
Der Schrei des entsetzten Mannes er stickte im Sauerteig. Mit dem Kopf zu erst landete er in der zähen Masse. Er verlor verständlicherweise die Sicht, b e k a m keine Luft und arbeitete verzwei felt mit den Händen, um sich wieder zu befreien. Es gelang ihm. Doch der Gangster w a r vollkommen erschöpft, als er den Sauer teig verlassen konnte. Er hockte sich am Boden nieder u n d w a r fest entschlossen, nicht mehr mitzuspielen. Sein Bedarf w a r gedeckt. P a r k e r hingegen fühlte sich in seinem Element. Er h a t t e Zeit gehabt, sich die Werks einrichtung etwas näher anzusehen. Als die ölgetränkten und stinkenden Gangster aus dem Keller auftauchten und die Fabrikhalle stürmten, sorgte er für weitere Überraschungen. P a r k e r öffnete nacheinander drei Mehlzufuhrschläuche, die eigentlich in große Kneter mündeten. Aus wohlerwo genen und taktischen Gründen hatte er die Schlauchzuführungen aus den Bot tichen gezerrt und auf den Boden gelei tet. Das Mehl ergoß sich in w a h r e n Sturz fluten auf den Boden. Es wallte hoch wie Gipsstaub, wirbelte zur Fabrikdecke hinauf und schuf eine Nebelwand, die selbst mit einem ausgezeichneten Radar gerät nicht mehr zu durchdringen war. Die Gangster verloren die Orientie rung. Sie rannten kreuz und quer durch einander, rempelten sich gegenseitig an und verwandelten sich im Mehlstaub zu vorweggenommenen Schneemännern. Parker; bereits am Ausgang zum Hof stehend, genoß ein p a a r Sekunden lang diese Szene. Dann hielt er es für ange raten, die Stätte seiner Betätigung doch zu verlassen. Er wollte die Gangster nicht noch mehr verärgern. 42
Lefty Candels hatte währenddessen auch die Wohnung des Turpins-Gesell schafters Selvyn Powell in Brand ge steckt. Auch Candels w a r sehr zufrie den. Sein Rachefeldzug gegen die T u r pins-Gesellschafter verlief planmäßig. Nun stand der dritte und letzte Teil haber an der Brotfabrik auf seiner Liste. Es handelte sich um Mr. Reginald Crofting, wohnhaft in Whitechapel. Es w a r bereits dunkel, als Lefty Can dels in Whitechapel eintraf. Wieder b e nutzte er ein Taxi. Wieder trug er zwei wohlgefüllte Aktentaschen, die Benzin kanister enthielten. Da Candels nach jedem Brand einen ausgiebigen Schluck genommen hatte., befand er sich in gehobener Stimmung. Er hatte sogar einen in der Krone, wie es im Slang geheißen hätte. Er sah keine Schwierigkeiten mehr. Bisher w a r alles glatt verlaufen. Warum sollte es aus gerechnet hier bei Crofting schiefgehen? Etwa hundert Meter vor dem rauch geschwärzten Haus verließ Lefty Can dels das Taxi. Langsam ging er auf den Torbogen zu, hinter dem Reginald Crof ting wohnte. Die Straße machte einen verlassenen Eindruck. Candels dachte nicht im Traum daran, daß es eine P a n ne geben könnte. Er sollte sich böse täuschen. Er hatte den Torweg noch nicht ganz hinter sich gebracht, als er plötzlich hin ter und neben sich Geräusche hörte. Be vor er richtig schalten konnte, wurde er bereits von zwei Gummikabeln erwischt. Candels ging sofort zu Boden. Er war benommen, doch noch nicht besinnungs los. Innerhalb von Sekundenbruchteilen w u r d e er wieder nüchtern. Es ging um
sein Leben. Blitzschnell Seite.
rollte
er
sich
auf
die
Dadurch entging er weiteren Hieben. Candels faßte nach seiner Schußwaffe. Im weiteren Abrollen gelang es ihm, einen Schuß zu lösen. Dumpf und dröhnend rollte das Echo im Torweg wider. Die beiden Angreifer stutzten. Mit dieser Gegenwehr hatten sie nicht gerechnet. Sie warfen ihre Gummikabel weg u n d griffen ihrerseits nach den Schußwaffen. Gandels feuerte bereits den nächsten Schuß ab. Er h a t t e Glück und traf. Er hörte einen Aufschrei, der in ein w i m merndes Stöhnen überging. Im gleichen Moment aber w u r d e auch Candels von einem Schuß erwischt. Er spürte einen harten, schmerzhaften Schlag an der linken Schulter. Die Ge walt dieses Treffers ließ ihn auf die Seite fallen. Doch Candels hatte gesehen, wo sein Gegner in der Dunkelheit stand. Mit der gesunden, rechten Hand feuerte er wei ter. Dabei traf er eine der beiden Akten taschen, die er aus den Händen verloren hatte. Das Geschoß bohrte sich in den kleinen Blechkanister. Das Benzin ent zündete sich explosionsartig. Es gab eine orangerote Stichflamme. Die Druckwelle schleuderte Candels in den Hinterhof. Er raffte sich auf. Hinter Mülltonnen nahm er Deckung. Er legte eine kleine Verschnaufpause ein. Er lauerte auf sei ne Gegner. Das auslaufende, brennende Benzin mußte sie aus dem Torweg trei ben. Doch sie ließen sich nicht sehen. Sie schienen sich für einen anderen Flucht weg entschieden zu haben. Candels löste
sich vorsichtig aus dem Versteck u n d versuchte, aus der Mausefalle des Hin terhofes zu entkommen. Noch w a r er nicht in Sicherheit. Überall konnten Gegner auf ihn lauern. Wie eine gehetzte Ratte wieselte er zur hinteren Schlußmauer des Hofes, entdeckte einige abgestellte Kisten und kletterte über sie auf die Mauer hinauf. Als er sich auf der anderen Seite h e r unterlassen wollte, r a t t e r t e plötzlich ei ne Maschinenpistole auf. Die giftig a u s sehenden Flammenzungen des M ü n dungsfeuers leckten aus einem Fenster des Anbaues. Dicht u n t e r h a l b von Candels schlugen die Geschosse in die Mauer ein. Kalku n d Steinsplitter sirrten durch die Luft. Candels quiekte erschreckt, ließ sich schleunigst auf der anderen Seite h e r u n t e r und befand sich in einer schmalen Gasse. Er n a h m die Beine in die Hand. Er vergaß die bohrenden Schmerzen in sei ner linken Schulter. Er rannte mit k e u chenden Lungen durch die Gasse, er reichte eine Querstraße und steuerte ei nen Parkplatz an. Hier konnte er endlich für ein p a a r Minuten verschnaufen. Er sah den Wi derschein des großen Feuers am dunk len Himmel. Das brennende Benzin tat seine Wirkung und hatte inzwischen den Hauptbau u n d wahrscheinlich auch den Anbau, in dem Crofting wohnte, in Brand gesetzt. Um den Preis einer Schußverletzung in der Schulter hatte Lefty Candels sei nen persönlichen Rachefeldzug durchge führt. Er knackte einen parkenden Wagen, setzte sich ans Steuer und fuhr los. Jetzt w u r d e es Zeit für ihn, London zu ver 43
lassen u n d sich nach einem neuen B e tätigungsfeld umzusehen. Nach diesem dreifachen Anschlag auf die Konkur renz w ü r d e Turpins seine Gauner auf ihn hetzen. Candels k a m übrigens nicht besonders weit, wie am Rande v e r m e r k t werden kann. Das hing mit einem Lastwagen zu sammen, der die Vorfahrt nicht beach tete. Aber davon wußte Candels zu die sem Zeitpunkt noch nichts. •
kompliziert." „Kaum, P a r k e r . Sie sollten sich keine grauen Haare wachsen lassen. Turpins weiß nun, daß er sich nicht m e h r frei b e wegen kann. Ich glaube nicht, daß er so schnell wieder als Rauschgifthändler a r beiten wird. Er m u ß damit rechnen, daß w i r ihm scharf auf die Finger sehen." „Ich m u ß sagen, Mr. Madler, daß m i r diese Lösung nicht sonderlich paßt." „Was schwebt Ihnen denn vor, P a r ker?"
„Mann, P a r k e r , Sie h a b e n m i r einen Stein von der Seele genommen."
„Ein Gangster wie Mr. Ben Turpins gehört einfach hinter Schloß u n d Rie gel."
Inspektor Madler griff nach seinem Glas und prostete dem Butler zu. „Ich wollte gerade auf den Kriegspfad gehen, um mich um Sie zu k ü m m e r n . "
„Selbst w e n n Sie ihn anzeigen, P a r ker, wird für u n s nichts herausspringen. Aussage w ü r d e gegen Aussage stehen. Turpins weiß das."
„Ich bedaure es, Mr. Madler, falls ich Ihnen unnötige Sorgen gemacht haben sollte", antwortete P a r k e r höflich u n d steif wie immer. „Ich m u ß allerdings ge stehen, daß die Dinge nicht so glatt ver liefen, wie ich es angenommen hatte. Es irrt der Mensch, solange er lebt."
„Man m ü ß t e Mr. Turpins herausfor dern."
„Sie haben es Turpins immerhin ge geben." „Gewiß, doch um den Preis, daß ich alle Beweismittel gegen ihn vernichte te!" „Hauptsache, Sie leben." Inspektor Madler u n d Josuah P a r k e r saßen in einer kleinen B a r in der Nähe der London Docks. Nach seiner gelun genen Flucht hatte P a r k e r den Yard a n gerufen und Madler gerade noch abfan gen können. „Aber wie wollen Sie gegen Ben T u r pins vorgehen?" erkundigte sich P a r k e r . „Er wird sich neues Rauschgift verschaf fen und seine Verteiler neu beliefern. Ich fürchte, ich habe die Dinge unnötig
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„Noch m e h r als bisher? Er wird Sie hassen, P a r k e r ! Machen Sie sich auf ein p a a r unruhige Tage gefaßt, falls Sie in London bleiben wollen. Er wird seine Leute auf Sie hetzen. Er ist nicht der Mann, der eine Niederlage schweigend einsteckt." „Darauf setze ich meinen Plan." „Sie wollen in London bleiben?" Mad ler sah den Butler entgeistert an. „Selbstverständlich", gab der Butler zurück. „Um es vorwegzunehmen, Parker, wir vom Yard können für Ihre Sicher heit nicht garantieren. Das sage ich ganz offen." „Ich glaube, daß ich mir allein helfen kann. Um aber auf meinen Plan zu kommen, Mr. Madler. Mr. Turpins wird mich hetzen lassen. Damit rechne ich sogar. Ich hoffe sehr, daß Turpins mich nicht enttäuschen wird."
„Und was versprechen Sie sich von dieser Hetze?"
abgesetzt haben. Ich wette, daß er schon längst nicht mehr in London ist."
„Ich möchte Turpins in eine Situation treiben, die zu einer offiziellen Anklage reicht." „Halten Sie Turpins nur nicht für dumm, Parker." „Ganz sicher nicht. Doch auch er wird seine weiche Stelle haben. Ich werde mir erlauben, sie zu finden." „Ich weiß, daß ich Ihnen diesen Plan nicht ausreden kann, Parker. Selbstver ständlich werde ich Ihnen helfen, soweit ich kann. Was haben Sie denn im Mo ment vor?" „Ich werde meine neue Unterkunft beziehen." „Sie haben sich bereits eine neue Wohnung besorgt?" „Ich war so frei. Sie erreichen mich ab sofort in der Delgate Street im Stadtteil Whitechapel." „Dort kann es verflixt finster sein, Parker." „Oh, ich weiß, Inspektor. Aber auf diesem Boden wird Ben Turpins sich be sonders sicher fühlen. Darf ich höflich anfragen, was aus der Überwachung der Turpins-Gesellschafter geworden ist. Ließen sich bereits Anhaltspunkte für deren verbrecherische Tätigkeit finden?" „Im Moment sind alle drei Leute ab gebrannt", antwortete Madler. „Ich neh me an, daß Lefty Candels die verschie denen Feuer gelegt hat. Er hat sich für das Niederbrennen seines Ladens ge rächt." „Dieser Mr. Candels interessiert mich aus vielerlei Gründen", sagte Parker. „Können Sie mir sagen, wo ich ihn er reichen kann?" „Zur Zeit verschwunden", bedauerte Inspektor Madler. „Nach den diversen Brandstiftungen wird er sich schleunigst
„Dann will ich mich damit begnügen zu erfahren, wo die abgebrannten Ge sellschafter zur Zeit logieren", meinte Parker. „Ich beabsichtige, mich mit ih nen in Verbindung zu setzen. Sie wissen, Inspektor, noch gelte ich als halber Wis senschaftler, der Rauschgift herstellen kann. Nach dem Wegschwemmen der Giftvorräte dürfte ich für die Rauschgift gangster zu einer besonders wertvollen Person geworden sein." *
Es dauerte bis zum frühen Morgen, bis Ben Turpins sich endlich wieder mit sei nem Chef in Verbindung setzen konnte. Er benutzte dazu wie in allen früheren Fällen ein tragbares Funksprechgerät vom Typ Walkie-Talkie. „Endlich, Chef", sagte er erleichtert. „Ich habe die ganze Nacht versucht, Sie zu erreichen." „Kunststück", antwortete die verzerrt klingende Stimme des Gangsterchefs. „Meine Wohnung ist niedergebrannt worden." „Wie bitte?" Turpins schluckte. „Ich nehme an, daß Candels seine Hand im Spiel gehabt hat", gab der Gangsterchef zurück. „War eine ver dammt schlechte Idee, ihm den Laden über dem Kopf angezündet zu haben. Er hat sich böse gerächt." „Dafür darf er in der Themse schwim men, Chef." „Warten Sie damit, Turpins. Es muß ja nicht sofort sein. Weshalb wollten Sie mich denn sprechen? Hat die Herstel lung der Ware bereits geklappt." „Leider nicht." „Was soll das heißen?" „Der Hersteller ist uns entwischt", be 45
richtete Turpins schnell. „Der Kerl muß mit dem Teufel im Bunde sein." „Wie konnte das passieren?" Die Stimme des Chefs nahm einen ungnädi gen Ton an. „Er hat uns mit Niespulver 'reinge legt", gestand Ben Turpins. „Und an schließend hat er das Warenlager ge funden und alles in den Kanal ge schwemmt." „Soll das heißen, daß wir ohne Ware sind, Turpins?" „Genau, Chef." Auf der Gegenseite blieb es einen Mo ment ruhig. Auch der Gangsterchef mußte diese traurige Nachricht erst ver dauen. Es ging immerhin um ein enor mes Vermögen. „Wo steckt der Mann jetzt?" fragte der Gangsterchef endlich. „Hat sich abgesetzt. Ich habe alle un sere Freunde alarmiert. Sie suchen be reits nach ihm." „Glauben Sie wirklich, daß er in Lon don bleibt?" „Wir werden ihn aufspüren, Chef, dafür verbürge ich mich. Ich habe mit ihm eine ganz persönliche Rechnung zu begleichen." „Das kommt von Ihren verdammten Vorschlägen" regte sich der geheimnis volle Gangsterchef auf. ,,Wer hat mich denn überredet, diesen Burschen für uns arbeiten zu lassen, he?" „Ich weiß, Chef, das war mein Feh ler." „Und wie stellen Sie sich die Waren verteilung vor? Haben wir noch Vor räte?" „Nichts mehr, Chef. Der Bursche war verdammt gründlich." „Jetzt will ich Ihnen mal was sagen, 46
Turpins. Sie haften mir dafür, daß der Mann so schnell wie möglich wieder ein gefangen wird. Er muß die Lücke aus füllen und neue Ware herstellen. Wie, das ist seine und das ist Ihre Sache. Haben Sie mich verstanden?" „Natürlich, Chef. Ich sagte ja schon, unsere Leute sind hinter ihm her." „Hoffentlich haben sie Glück. Falls nicht, sehe ich verdammt schwarz für Sie, Turpins. Sie haben mir die Suppe eingebrockt. Und Sie werden sie auch auslöffeln? Denken Sie daran!" „Wie kann ich Sie erreichen, Chef?" „Auf der üblichen Frequenz, Turpins. Wo ich mich aufhalte, braucht Sie nicht zu interessieren. Bis gegen Abend er warte ich Ergebnisse, ist das klar?" Bevor Turpins antworten konnte, wurde die Funkbrücke unterbrochen. Turpins legte das Walkie-Talkie aus der Hand und zündete sich mit langsa men Bewegungen eine Zigarette an. Daß der Chef sauer auf ihn war, konnte er verstehen. Daß er aber ge droht hatte, paßte Turpins nicht. Immer hin hielt er sich für einen wichtigen Mann innerhalb der Gang. Drohungen konnte er nicht ausstehen. Schon gar nicht von einem Mann, den er persönlich nicht kannte und der sich hinter einem Funksprechgerät versteckte. Gewiß, es gab eigentlich nur drei Leu te, die als Gangsterchef in Betracht ka men. Das waren Turpins Gesellschafter. Bisher hatten sie ihn nur als Geldgeber interessiert. Nun aber wurde einer die ser drei Gesellschafter zu einer tödlichen Gefahr. Ben Turpins war nicht der Mann, der darauf wartete, bis seine Henker vor der Haustür erschienen. Wenn es schon sein mußte, dann wollte er derjenige sein, der zuerst zuschlug.
Wer von den Gesellschaftern aber w a r der Chef? Harold Load? Selvyn Powell? Oder gar Reginald Crofting? Turpins lächelte grimmig. Der Chef hatte sich immerhin verraten. Er hatte davon gesprochen, daß Candels ihm das Dach über dem Kopf angezündet hatte. Ich werde mir die Wohnungen meiner Gesellschafter mal aus der Nähe anse hen, sagte sich Turpins. Derjenige, der abgebrannt ist, m u ß der Chef sein. Das ist so sicher wie das Einmaleins. Ich hätte mich schon viel früher um den Chef k ü m m e r n sollen, überlegte er weiter. Bin ich überhaupt auf der rich tigen Fährte? Oder ist der Chef unserer Gang ganz woanders zu suchen?
Leute engagiert, die ihn umbringen soll ten? Als Gangster-Vormann durfte m a n keine Fehler machen. Beging man sie aber dennoch, dann drohte der Tod. * Turpins h a t t e den Dachgarten verlas sen. Von hier aus h a t t e er seinen Chef per F u n k angerufen. Es w a r e n n u r w e nige Schritte bis in sein Fabrikbüro. Er h a t t e den Schreibtisch noch nicht ganz erreicht, als das Telefon schrillte. „Turpins", meldete er sich. „Erfreut, I h r e Stimme zu hören", sag te eine beherrschte und höfliche Stimme. „Hier spricht Josuah Parker. Ich hoffe, Ihren L e u t e n u n d Ihnen ist nicht viel passiert." „Verdammt, Sie?"
Je mehr er über die Person des Gang sterchefs nachdachte, desto unsicherer w u r d e Turpins. Es gab eben zu viele Möglichkeiten. Die gute T a r n u n g und die Funkbrücke hatten dessen Identität bisher sehr gut verschleiert.
„Ich möchte mich für mein ausgelas senes Benehmen entschuldigen", redete P a r k e r höflich weiter. „Ich m u ß geste hen, Mr. Turpins, daß ich die Dinge wohl etwas zu sehr auf die Spitze ge trieben habe."
Nun, zuerstmal wollte Turpins sich an die drei Gesellschafter halten. Er wußte, wo sie wohnten. Er nahm sich vor, sich sofort in einen Wagen zu setzen und die Adressen abzuklappern.
„Sie wollen sich doch bestimmt nicht n u r entschuldigen?" sagte Turpins, Er riß sich mächtig zusammen und u n t e r drückte seine Wut.
Turpins hatte natürlich keine Ahnung, daß alle drei Gesellschafter abgebrannt waren. Das m e r k t e er erst, als es Mittag geworden war. Seine Stimmung w a r dementsprechend schlecht. Hinzu kam nämlich, daß Load, Powell und Crofting ihn bisher nicht offiziell angerufen und ihm Mitteilung von den Bränden ge macht hatten. Er wußte nicht, wo sie im Moment wohnten. Er kam sich vor, als hätte man ihm bewußt nichts mitgeteilt. Er dachte noch weiter. Hatte der Chef bereits einige
„Richtig. Sie kommen auf den Kern der Dinge zu sprechen, w e n n ich so sa gen darf. Ich bin Ihnen nicht gram, daß Ihre Leute mich in den Stollen u n t e r Ihrer Fabrik einsperrten." „Wovon reden Sie eigentlich?" gab Turpins sehr vorsichtig zurück. Zugeben wollte er nichts. Er wußte ja nicht, ob dieses Telefongespräch auf Tonband mitgeschnitten wurde. „Gut, ich habe verstanden", meinte er aber. „Sie wollen einen Schlußstrich ziehen. Nun, das ist auch meine beschei dene Meinung. Mit anderen Worten, Mr.
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Turpins, ich möchte Ihnen meine Dien ste erneut anbieten. N u r u n t e r anderen Vorzeichen, wie Sie verstehen werden." „Mann, Sie machen mir Spaß." T u r pins schnappte erneut nach Luft. Soviel Frechheit w a r ihm noch nie begegnet. „Ich bin erfreut, daß Sie sich gut u n terhalten", redete der Butler weiter. „Demnach scheinen Sie den Verlust Ih rer Ware nicht besonders tragisch zu finden." „Deswegen reden w i r noch miteinan der", antwortete Turpins grimmig. „Deswegen rufe ich ja gerade an." P a r k e r s Stimme blieb freundlich und verbindlich. „Wie Ihnen b e k a n n t ist, bin ich in der Lage, neue W a r e herzustellen. Diesmal ohne Nies-Effekt." „Glauben Sie wirklich, ich w ü r d e Ih nen noch trauen, P a r k e r ? " „Wie gut ich Sie verstehen kann, Mr. Turpins. Sie sind an einem Arbeitsan gebot also nicht interessiert?" . „Wer sagt denn das? Verdammt, ich brauche Sie, Parker!" „Ihre Worte schmeicheln meinen Oh ren", erwiderte der Butler. „Sie sind al so damit einverstanden, daß wir uns unterhalten?" „Wann und wo?" „Ich schlage vor, auf neutralem Bo den." „Sagen Sie schon, wo." „Auf dem Dachgarten des Winderme re-Warenhauses. Pünktlich um 13.00 Uhr." „Gut, ich werde aufkreuzen, P a r k e r . Ist auch besser, daß Sie einlenken." „Warum, wenn ich in aller Beschei denheit fragen darf?" „Meine Leute und Freunde suchen nach Ihnen. Wir würden Sie früher oder später doch finden."
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„Sie werden doch allein zum Dachgar ten kommen, nicht w a h r ? " P a r k e r s Stimme klang erstaunlicherweise etwas beunruhigt. „Natürlich komme ich allein. Bringen Sie gute Vorschläge mit, P a r k e r ! K a n n sein, daß wir uns doch noch bestens v e r stehen werden!" P a r k e r legte auf. Ben Turpins dachte einen Moment nach. Dieses Gespräch mit P a r k e r h a t t e ihn natürlich überrascht. Wieder m a l staunte er über die Unverfrorenheit des Butlers. Entweder w a r dieser Mann naiv und ahnungslos, oder gerissen wie ein alter Fuchs. Turpins spielte einen Moment lang mit dem Gedanken, seinen Chef anzu rufen. Doch w a r u m sollte er seine K a r ten vorzeitig auf den Tisch legen? Es genügte, daß er P a r k e r wieder einfing. Befand er sich wieder in seiner Gewalt, d a n n h a t t e er die Pannen in der F a b r i k restlos ausgebügelt. Dann konnte er wie der ein Wort mitreden. Turpins w a r diesmal besonders vor sichtig. Er glaubte fest daran, daß der Butler auf dem Dachgarten des Win dermere-Warenhauses erschien. Hier konnte der Mann unauffällig und dis kret gekidnappt werden. Preßte m a n ihm die Mündung einer Schußwaffe in den Rücken, w ü r d e P a r k e r schon auf stecken und mitkommen. Daß P a r k e r nicht mit der Polizei zu sammenarbeitete, glaubte Turpins n a türlich genau zu wissen. Es sprachen auch einige andere Dinge dafür. Bisher w a r die Polizei nicht in seinem Büro er schienen und hatte Fragen gestellt. Bis her waren die Brotfabrik und der Luft schutzstollen darunter nicht durchsucht
worden. Nein, Parker mußte ein verrückter Einzelgänger sein. Eine andere Deutung gab es gar nicht. Turpins griff nach seinem Telefon und gab Befehle durch. Er knüpfte an einer Schlinge, die er Parker um den Hals legen w o l l t e . . . * Auch Parker telefonierte um diese Zeit. Er sprach von einer kleinen, un auffälligen Teestube aus und unterhielt sich in Stichworten mit Inspektor Mad ler. Parker hatte einige spezielle Wünsche. Inspektor Madler hörte aufmerksam zu. Er hatte zuerst einige Bedenken, doch als Parker in die Details ging, mußte Madler wiederholt laut auflachen. Von Minute zu Minute freundete er sich mit den Vorschlägen des Butlers immer mehr an. Nach diesem Gespräch suchte der Butler im Branchen-Adreßbuch nach einer ganz bestimmten Firma. Als er sie gefunden hatte, verließ Parker die kleine Teestube, besorgte sich ein Taxi und ließ sich nach Eastend bringen. Sein Ziel war ein Frack- und Kostüm verleih. Er verhandelte ausgiebig mit dem In haber dieser wohl sortierten Firma, sah sich einige Kostüme an und kam dann auf den Kern der Sache zu sprechen. Er ging an den langen Reihen der aufgehängten Kleider und Kostüme vor bei und suchte die Dinge aus, die ihm vorschwebten. Parker gab sich wie im mer große Mühe. Sorgfältig wählte er und stellte zusammen. Er hielt sich et wa fünfundvierzig Minuten in diesem Kostüm-Verleih auf. Dann hatte er alles beisammen. Parker zahlte im vor
aus und ordnete an, wohin die Klei dungsstücke und Ausrüstungsgegenstän de zu schicken waren. Er war in fast ausgelassener Stim mung, als er wieder auf der Straße stand. Parker leistete sich nämlich den Luxus, ein wenig zu schmunzeln. Es war ein sicheres Zeichen dafür, daß ihm mal wieder etwas eingefallen war . . . * Ben Turpins hielt eine Art Truppen parade ab. Die mehr oder weniger leicht lädier ten Männer seiner Gang hatten sich in seinem Büro versammelt. Darunter be fanden sich auch Stan Bigeis, der Mann mit der Zahnlücke, und Strickton. Turpins faßte seine Befehle noch mal zusammen. „Sobald Parker auftaucht, wird er vorsichtig eingekesselt. Strickton, Sie werden ihm sagen, daß er umgelegt wird, falls er abhauen will. Bigeis, Sie werden ihm den Lauf einer Kanone in den Rücken drücken. Ich wette, dieser Parker wird kuschen und widerstands los mitkommen." „Und wenn er wirklich Schwierigkei ten macht?" Strickton wollte es genau wissen. „Dann schieß ich", meinte Bigeis sehr eifrig. „Einen Dreck wirst du tun", schnauzte Turpins aufgebracht. „Dann gibst du ihm eins über den Schädel. Ich will Par ker lebend sehen, ist das klar?" „Und wenn die Leute im DachgartenRestaurant verrückt spielen?" Stricktön meldete seine Bedenken an. „Wir sind sechs Stockwerke über der Straße." „Ein paar Warnschüsse werden aus reichen. Dann rühren die Leutchen im Restaurant keinen Finger für Parker. 49
Zum Teufel, seit wann seid ihr so ner vös? Ihr werdet mit insgesamt sechs Personen aufkreuzen. Damit kann man das Parlament ausräumen. Ihr seid doch keine Anfänger . . . ! " „Und wohin sollen wir P a r k e r nun bringen? Darüber ist noch nicht gespro chen worden." „Hierher in die Fabrik natürlich." „Und wenn der Bursche sich mit den Bullen in Verbindung gesetzt hat?" Strickton h a t t e echte Bedenken. „Hat er nicht u n d wird er auch nicht. Sonst wären die Bullen schon längst hiergewesen, Strickton. No, dieser P a r ker kocht seine eigene Suppe. Hier w e r den wir ihn weich machen." „Und wenn er nicht mitspielen will, Chef, weift ich, was wir mit ihm m a chen", meldete sich der rachsüchtige Bigeis zu Wort. „Wir werden ihn durch den großen Back-Automaten rollen lassen. Dann kommt er auf der anderen Seite wie ein geröstetes Spanferkel wieder 'raus." „Keine schlechte Idee", antwortete Türpins versonnen. „Wirklich, nicht schlecht, Bigels. Das ist die Behandlung, die dieser schwarze Rabe braucht." Er sah auf seine A r m b a n d u h r und scheuchte seine Leute aus den Sesseln. „Los, in einer halben Stunde wird der Butler auf dem Dachgarten sein. Macht eure Sache gut. Ihr wißt ja, wie er aus sieht. Eine Verwechslung k a n n es gar nicht g e b e n . . . ! " * Das Restaurant auf dem Dachgarten des Windermere-Warenhauses w a r den ganzen Tag über immer gut besucht. Die Kunden des riesigen Hauses fuhren hier hinauf, um die schmerzenden und ge 50
schwollenen Beine zu entlasten. Hier tranken sie ihren obligaten Tee, aßen ein p a a r Biskuits oder speisten ausgie big zu Mittag. Die Sicht auf die London Docks w a r ausgezeichnet. Sogar ein Stück der Themse w a r zu sehen. Darauf die Frach ter aller Größenklassen, die stromauf und stromabwärts fuhren. Das große Lokal w a r an den drei Wandseiten in viele kleine Nischen auf geteilt. Diesen Nischen galt Stricktons Aufmerksamkeit als er zusammen mit Bigels und den übrigen vier Männern der Rauschgiftgang hereinkam. Sie w a r e n gut bürgerlich gekleidet. Selbst ein mißtrauischer Oberkellner hätte die sechs Männer nicht für Gau ner oder Gangster gehalten. Hinzu kam, daß sie natürlich nacheinander in das Lokal tröpfelten. Sie wollten nicht als Gruppe erscheinen und so vielleicht u n nötiges Aufsehen erregen. Unten vor dem Warenhaus stand ein starker Wolseley, in dem Josuah P a r k e r nach gelungenem Kidnapping wegge schafft werden sollte. Strickton h a t t e die Einzelheiten genau festgelegt u n d die Entführung des Butlers bis ins Detail organisiert. Mit P a n n e n rechnete er n a türlich nicht, wenngleich tief in seinem Innern ein böser Rest von Mißtrauen und Unsicherheit zurückgeblieben w a r . Gleich nach dem Betreten des Dach restaurants schickte Strickton einen p r ü fenden, umfassenden Blick auf die Rei se. Er wollte feststellen, wo P a r k e r sich niedergelassen hatte. Es w a r genau 13.00 Uhr. Er mußte also bereits hier oben sein. Die vielen kleinen Nischen v e r w e h r ten ihm allerdings den genauen Ü b e r blick.
„Los, verteilen, wie wir's besprochen haben", sagte er zu Stan Bigels, der neben ihm stand. „Und keine Dummhei ten." Bigeis flüsterte die Anweisungen an seine Partner weiter. Sie verteilten sich und machten sich daran, die einzelnen Nischen genau und unauffällig zu kon trollieren. Bigeis und Strickten blieben zusam men. Strickton, der sich der zweiten Nische rechts an der Stirnwand näherte, zuckte plötzlich zusammen. Er hatte den Butler gesehen. Parker saß in gewohnt steifer Haltung hinter einem Tisch. Er trug den bereits sattsam bekannten, dunklen An zug. Neben ihm stand der Regenschirm, den Strickton bereits wie die Pest haßte. Strickton schob sich an die Nische heran. „Mr. Parker?" fragte er höflich und korrekt. „Oh, Mr. Strickton." Parker grüßte gelassen. „Ich freue mich über Ihre Pünktlichkeit." „Können wir gehen?" „Mitnichten", antwortete Parker. „Ich hatte mich mit Mr. Turpins verabredet, wenn ich mich nicht sehr täusche." „Turpins ist verhindert. Er erwartet Sie in seinem Büro." „Das dürfte gegen die getroffenen Ab machungen verstoßen", bemerkte der Butler. „Ob Abmachung oder nicht, ver dammt, Sie kommen jetzt mit!" Stan Bigels verzichtete auf höfliche Floskeln. Er stand bereits neben dem Butler und preßte ihm die solide Mündung eines 45ers gegen die Rippen. „Ihre Manieren enttäuschen mich",
stellte P a r k e r fest. „Sie sollten etwas dafür tun." ' „Los, aufstehen Parker, sonst werde ich ungemütlich!" Bigels kochte bereits vor Zorn. „Muß ich mich tatsächlich wieder mal der Gewalt beugen?" „Machen Sie keinen Ärger, Parker", schaltete sich Strickton ein. „Wenn Sie freiwillig mitkommen, wird Ihnen nichts passieren." „Nun gut, ich füge mich in mein Schicksal." P a r k e r stand langsam auf. Er schien diesmal wirklich keine D u m m heiten im Kopf zu haben. Strickton t r a t etwas zurück. Bigels steckte die Schuß waffe schnell wieder ein, damit sie von den Gästen des Restaurants nicht gese hen werden konnte. Weder Strickton noch Bigeis aber b e merkten, was sich vor der anderen Ni sche a b s p i e l t e . Es gab immerhin noch vier Gangster, die nach P a r k e r Ausschau hielten u n d die feste Order hatten, ihn hochzunehmen... * J e d e r dieser Vier Gangster h a t t e n ä m lich seinen eigenen u n d ganz speziellen P a r k e r entdeckt u n d festgenommen. Man konnte den Leuten wirklich kei nen Vorwurf machen. J e d e r von ihnen h a t t e in einer Nische einen Mann ent deckt, der einen dunklen Anzug trug, mit einem altväterlichen Regenschirm spielte u n d in dessen Besitz sich ein schwarzer Bowler befand. Jeder dieser vier Gangster h a t t e eifrig zugeschnappt u n d den betreffenen B u t ler P a r k e r mit der Mündung einer Waffe gekitzelt. Erst als die betreffenden P a r k e r zur T ü r dirigiert wurden, w u r d e der offensichtliche Massenirrtum ruchbar. Strickton zuckte als erster zusammen. 51
Er starrte auf die übrigen vier Butler P a r k e r und rieb sich ungläubig die Augen. Die vier Gangster starrten auf die Doppelgänger ihrer P a r t n e r und waren ebenfalls einigermaßen überrascht und verwirrt. Stan Bigels, der zwar schnell schoß und zuschlug, aber n u r sehr lang sam zu denken vermochte, stöhnte leicht auf. Das Bild, das sich seinen Augen bot, w a r für seine Hirnzellen doch zu über wältigend. Diese allgemeine Verwirrung w u r d e von den diversen Butler P a r k e r ge schickt genutzt. Mit anderen Worten, es dauerte n u r einige Sekunden, bis sechs Gangster, an i h r e r Spitze Strickton, leicht verdutzt auf Handschellen starr ten, die ihre Gelenke zierten. Stan Bigels w a r natürlich wieder mal der Leidtragende. Nachdem sein Geist diesen Anblick einigermaßen verdaut hatte, spielte er verrückt. Er wollte um jeden Preis schie ßen. Er riß sich von einem Yardbeamten los — denn sie w a r e n in die Masken P a r k e r s geschlüpft — und wollte flüch ten. Bigeis kam in die Nähe Parkers, der seinerseits in der Höhe des Küchenbü fetts stand. Da Josuah P a r k e r unnötig h a r t e Me thoden verabscheute, selbst wenn er es mit abgebrühten Gangstern zu tun hatte, entschied er sich für weichere Mittel. Kurz entschlossen griff er nach einer Sahnetorte, die zufälligerweise in sei ner Reichweite stand. Blitzschnell hatte P a r k e r sie in der Hand. Ein kurzer Ruck, ein kurzer, ge zielter Wurf, und schon war Stan Bigels gebremst. Er konnte plötzlich nichts mehr sehen. Das lag an der Sahnetorte, 52
die P a r k e r als Geheimwaffe abgeschos sen hatte. Diese Torte nämlich klebte in Bigeis Gesicht und verschloß ihm die Augen. Bigeis brüllte auf. Er wischte sich die Genußmittel aus dem Gesicht und stellte dabei überrascht fest, daß die weiche Masse besonders gut schmeckte. Nun, er leckte sich zwar nicht die Finger ab. Das zu behaupten w ä r e reine Übertreibung gewesen. Doch Bigeis blieb stehen und horchte in sich h i n e i n . ' Er w a r t e t e auf seine innere Stimme, die ihm die Verhaltungsmaßregeln für die sen Angriff mitteilen sollte. Bevor sie aber sprach u n d ihn auf klärte, k a m Bigeis nicht m e h r weiter. Zwei Gäste, die sich ebenfalls als Yard beamte entpuppten, n a h m e n ihn liebe voll in ihre Obhut u n d machten den schußfreudigen Gangster unschädlich. P a r k e r nickte Sergeant Wilbert zu, der die Aktion geleitet hatte. „Meine Anerkennung", sagte P a r k e r . „Der Maskentrick dürfte sein Ziel und seinen Zweck erreicht haben. Inspektor Madler wird mit Ihnen zufrieden sein." „Die haben wir hier in der Tasche", antwortete Wilbert stolz und zufrieden. „Wir werden ihnen eine Anklage wegen Bedrohung mittels einer Schußwaffe und wegen Menschenraub anhängen können. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun, Sir?" „Doch ja", gab P a r k e r zurück. „Be zahlen Sie die Torte, die ich in Notwehr zu meiner Selbstverteidigung benutzen mußte! Ich bin ein sparsamer Mensch." „Die Torte bezahle ich aus meiner eigenen Tasche", sagte Wilbert begei stert. „Das ging ja alles wie geschmiert. Nicht ein einziger Schuß ist gefallen. Solche Gangsterjagden lasse ich mir ge fallen."
„Wie steht es mit dem Wagen der Gangster?" „Ist bereits aus dem Verkehr gezogen, Mr. Parker. Gleich, nachdem er ange kommen ist. Was werden Sie nun tun?" „Mich mit Mr. Turpins unterhalten", erklärte Parker. „Ich bin nicht nur spar sam, sondern auch korrekt. Ich möchte nicht als wortbrüchig gelten. Teilen Sie Inspektor Madler mit, wo ich zu errei chen bin." „Sie wollen allein zu Turpins?" „Warum nicht? Er wird doch schon auf mich warten." Ohne sich um die erstaunten, über raschten und erregt miteinander disku tierenden Restaurantgäste zu kümmern, verließ der Butler den Dachgarten. Noch war seine Arbeit nicht getan . . . Turpins wußte, was die Glocke ge schlagen hatte. Von der Einmündung einer Seiten straße aus hatte er den Seiteneingang des Warenhauses beobachtet. Er hatte gesehen, daß der Wolseley, mit dem sei ne Leute gekommen waren, von Zivil beamten hochgenommen worden war. Den Rest hatte Turpins sich schnell zu sammengereimt. Es bedurfte keiner großen Phantasie, um zu wissen, daß auch oben im Restaurant Beamte dar auf warteten, seine Leute festzuneh men. Turpins drehte sofort ab. Er wußte, daß sein Spiel verloren war. Wem er das zu verdanken hatte, lag auf der Hand. Seitdem er sich mit dem Butler einge lassen hatte, war er in eine böse Pech strähne geraten. Nun, mit ihm würde er noch abrechnen. Doch im Moment gab es wichtigere Dinge zu tun. Er setzte sich in seinen Jaguar und
fuhr zurück zur Fabrik. Dort wollte er natürlich nicht mehr die Arbeit auf nehmen und die Geschicke der Brotfa brik leiten. Er wollte nur das Bargeld aus dem Bürosafe holen und einige Papiere verbrennen. Er mußte vor allen Dingen schneller sein als die Polizei. Strickton und den übrigen Leuten traute er nicht allzu viel Verschwiegenheit zu. Wurden sie von den Yardbeamten erst mal in ein strenges Verhör genommen, dann wür den sie bestimmt reden. Und nicht zu knapp. Wegen seiner schnellen Rückfahrt entging ihm allerdings eine wichtige Tatsache. Turpins sah nicht, daß Josuah Parker den Seiteneingang des Waren hauses verließ. Hätte er den Butler ge sehen, vielleicht wäre alles ganz anders gekommen. Nun aber hastete er mit dem stark pferdigen Jaguar durch die Straßen und preschte zurück zur Fabrik. Er war der festen Überzeugung, einen ziemlichen Vorsprung zu haben. Der mußte reichen, um selbst noch eine Linienmaschine nach Paris erreichen zu können. Zuerst klappte alles wie am Schnür chen. Kein Mensch hinderte den GangsterVormann daran, hinauf in sein Büro zu fahren. Turpins hatte zuerst vor, seinen eigentlichen Chef per Sprechfunk zu in formieren. Doch er steckte diesen Ge danken schnell wieder auf. Jetzt ging es erst mal um seine eigene Haut. Der Chef hatte Zeit. , Turpins öffnete den schweren und gut gesicherten Tresor. Er stopfte Bank notenbündel in die teure Schweinsleder aktentasche und garnierte sie mit wich tigen Papieren, die der Polizei nicht in die Hände fallen durften. 53
Ohne sich von seinen treuen und ah nungslosen Mitarbeitern zu verabschie den, verließ Turpins sein Büro. Der Lift brachte ihn hinunter in die ErdgeschoßHalle. Wenige Minuten später saß Tur pins wieder in seinem Jaguar. Jetzt stand die Filiale der Bank of England auf seiner Liste. Dort besaß er ein fettes Konto. Auch das mußte noch schnell geplündert werden. Anschließend wollte er nach Hause fahren, den dorti tigen Barbestand einpacken und dann nach Croydon fahren. Von Minute zu Minute beruhigte er sich etwas mehr. Pannen schieben sich nicht einzustellen. Die Polizei war ihm noch nicht auf der Spur: Noch hielten wohl Strickton und die anderen ihren Mund... * „Liegt es im Bereich Ihrer Möglich keiten, etwas schneller zu fahren?" frag te Josuah Parker den Taxifahrer. „Noch schneller?" maulte der brum mige Fahrer. „Wie gut Sie mich doch verstanden haben. Bei einigem Entgegenkommen Ihrerseits käme es mir auf eine Sonder prämie nicht an." „Zum Henker, setzen Sie sich doch ans Steuer, wenn Sie schneller fahren können", brummte der Mann verärgert zurück. „Sehen Sie sich doch den Ver kehr an! Schneller geht's nicht!" „Ihr Vorschlag schmeichelt meinem Sportsgeist", antwortete Parker. Er drückte dem Fahrer eine Pfundnote in die Hand. „Wenn Sie gestatten, würde ich tatsächlich gern mal das Steuer über nehmen." Der Mann ließ sich auf diesen unge wöhnlichen Handel ein. Die Pfundnote hatte es ihm angetan. Er hielt kurz an 54
und ließ den Butler ans Steuer. Der Mann konnte ja nicht wissen, wie leicht sinnig er war. Parker setzte sich steif und aufrecht zurecht. Er ließ den Wagen anfahren, übrigens ein uraltes Modell, das in allen Schweißnähten und Nieten ächzte. Und dann erlebte der Taxifahrer et was, an das er sich zeit seines Lebens immer erinnern würde. Parker hauchte diesem traurigen Vierrad ein neues Leben ein. Er schmei chelte dem Motor, kitzelte ihn hoch und verwandelte die belebte Straße in eine Slalomstrecke. Parker schwenkte den müden Schlit ten durch enge Verkehrslücken, brachte das Kunststück fertig, ihn teilweise auf nur zwei Rädern fahren zu lassen und betätigte zwischendurch immer wieder die mißtönende Hupe, die an das Kräch zen eines heiseren Frosches erinnerte. Schon nach wenigen hundert Metern schloß der entsetzte Taxifahrer die Au gen. Er klammerte sich am seitlichen Haltegriff fest und hatte nur die eine ' Angst, aus dem Wagen fallen zu kön nen. Parker aber schien von alledem nichts zu bemerken. Steif, als habe er einen Ladestock ver schluckt, saß er am Steuer und lenkte das Taxi durch den Verkehr. Er ließ wütende und schimpfende Fahrer hin ter sich, er hörte nicht die schrillen Pfiffe der Verkehrspolizisten und das wütende Hupkonzert zurückschrecken der Verkehrsteilnehmer. Es ging alles sehr schnell. Nach knapp zehn Minuten brachte Parker das Taxi an den Straßenrand und hielt an. „Es war mir ein Vergnügen", sagte er zu dem fassungslosen Fahrer. „Etwaige Strafmandate wegen Überschreitens der Höchstgeschwindigkeit bitte ich an In
spektor Madler vom Yard zu richten." Parker lüftete höflich seine schwarze, steife Melone, umfaßte den UniversalRegenschirm und verschwand in einer stillen Seitenstraße. Er ließ einen nach Luft ringenden, immer noch verschreck ten Taxifahrer zurück, der sich schließ lich ins Bein kniff, nur um festzustellen, ob er auch bestimmt nicht träume. Josuah Parker aber strebte inzwi schen seinem Ziel zu. Er wollte den An schluß auf keinen Fall verpassen . . .
Inspektor Madler hatte sein Büro seit Stunden nicht verlassen. Er wartete auf bestimmte Nachrichten aus der Funk zentrale des Yard. Spezialisten bemüh ten sich darum herauszubekommen, wo sich die Gegenstelle befand, mit der Turpins per Sprechfunk gesprochen hat teJosuah Parker hatte das seinerzeit erbeutete Walkie-Talkie natürlich an Inspektor Madler weitergeleitet. Spezia listen hatten die Frequenz dieses Geräts festgestellt und sie Tag und Nacht über wacht. Im Yard wußte man genau, was Turpins zu seinem geheimnisvollen Chef gesagt hatte. Funkpeiler hatten die jeweils recht kurzen Funksprech-Unterhaltungen ab gehört und angepeilt. Sie hatten her ausbekommen, daß die Gegenstelle sich im Stadtteil Whitechapel befand. Das aber hatte sich plötzlich entschei dend geändert. Nach der neuen Peilung am Vormittag war die Gegenstelle aus der Peilung gewandert. Sie befand sich nun irgendwo in der unmittelbaren Nähe des West Ham Park. Madler wußte warum. Für ihn stand es fest, daß ein gewis ser Reginald Crofting der , Boß der Rauschgiftgang war. Und Crofting war
schließlich in Whitechapel ausgeräuchert und niedergebrannt worden. Wahr scheinlich hatte er sich ein neues Haupt quartier ausgesucht und sich von dort aus mit seinem Vormann Turpins un terhalten. Aber wo genau hatte sich Crof ting eingenistet? Die Gegend um West Ham Park war dicht bebaut. Madler hätte Kompanien von Beamten einsetzen müssen, um alle Wohnungen nach einem Funkgerät durchsuchen zu lassen. Ganz abgesehen davon, daß er die richterliche Erlaubnis dazu bestimmt nicht erhalten hätte. Madler und die Funkpeiler in der Funkzentrale warteten ungeduldig dar auf, daß der Funksprechverkehr wieder aufgenommen wurde. Bisher war die Frequenz aber leider stumm geblieben. Als Madler schließlich noch erfuhr, daß Turpins Leute im Dachgarten-Re staurant festgenommen worden waren, da schwanden seine letzten Hoffnungen. Es war klar, daß Turpins und sein Chef schleunigst das Weite suchten und die Stadt verließen. Oder würden sie sich in einem letz ten Gespräch per Sprechfunk verständi gen? Inspektor Madler wußte es nicht. Ungeduldig wartete er darauf, daß er von der Funkstelle des Yard aus benach richtigt wurde. Um alle Möglichkeiten aber auszu schöpfen, schickte er einige Yardbeamte zum West Ham Park. Sie sollten Aus schau nach Mr. Reginald Crofting hal ten. Darüber hinaus ließ Madler die Bahn höfe von London und die Flugplätze verständigen. Falls Crofting dort auf tauchte, sollte er sofort zu einem Ge spräch in den Yard eingeladen werden. Madler faßte sich in Geduld. Und im 55
mer wieder irrten seine Gedanken ab. Sie beschäftigten sich mit seinem alten Freund Josuah Parker. Ob der Butler inzwischen auf einer heißen Spur war? Zuzutrauen war ihm das schon. Für Gangster hatte er ja eine besonders fei ne N a s e . . .
sich ab. Dann erst rückte er sein brei tes, französisches Bett zur Seite. Er kniete nieder, tastete über die Boden leiste und fand den elektrischen Kon takt. Ein kurzer Druck, und schon senk te sich ein viereckiger Ausschnitt aus dem Fußboden und gab den Blick auf die Tür eines in den Boden eingelasse nen Safes frei.
Ben Turpins steuerte seinen Jaguar auf die Rückseite des Hauses und stieg eilig aus. Die Zeit brannte ihm mehr denn je auf den Nägeln. In einer knappen Stun de ging eine Maschine von Croydon nach Paris. Von einer Telefonzelle aus hatte er bereits einen Platz gebucht. Hier im Haus wollte er den Rest seines Barver mögens und wichtige Aktienpapiere ab holen. Dann stand seiner Flucht aus England nichts mehr im Wege. Er hatte es derart eilig, daß er die prall gefüllte Ledertasche auf dem Bei fahrersitz liegen ließ. Sie enthielt die Banknotenbündel, die er bisher einge sammelt hatte. Turpins schloß die Hoftür auf, schritt durch die leere Küche und eilte über die geschwungene Treppe in der großen Halle hinauf in sein Schlafzimmer. Dort befand sich ebenfalls ein Safe, der noch . geleert werden mußte. Turpins, obwohl vermögend durch seinen Rauschgifthandel, hielt sich kein Dienstpersonal. Er hatte eigentlich im mer Verrat und Spionage gefürchtet. Das zahlte sich nun aus. Er brauchte keine Fragen zu beantworten, er wurde nicht von neugierigen Blicken beobach tet. Er konnte sich frei und ungehindert in seinem säulenverzierten Haus bewe gen.
Turpins stellte das komplizierte Kom binationsschloß ein. Dann öffnete er den Safe und griff in die Öffnung hinein. Er zog ein Banknotenbündel nach dem anderen ans Tageslicht. Aktien papiere folgten. Und wieder wichtige Geschäftsunterlagen. Und erst jetzt fiel
Obwohl in Zeitnot, vergaß er die Vor sicht nicht. Er schloß die Schlafzimmertür hinter 55
ihm ein, daß er ohne Tasche war. Die Taschen reichten nicht aus, um all die Bündel zu fassen. Schnell stand der Gangster-Vormann auf. In der Kofferkammer stand eine Rei setasche. Das war genau das, was er brauchte. Er entriegelte die Schlafzimmertür und trat auf die kleine Galerie hinaus. Als er weitergehen wollte, hörte er plötzlich seinen Namen. Wie angewur zelt blieb er stehen. Seine Nackenhaare
sträubten sich. Er wußte, wer seinen Namen gerufen hatte. Langsam drehte er sich um. „Wohin so eilig?" sagte der jäh auf getauchte Besucher zu Turpins. „Chef, Sie...?!" „Ich wußte doch, daß Sie mein Ge heimnis längst kannten", antwortete Reginald Crofting, ein magerer Typ von etwa fünfzig Jahren. Sein Gesicht sah böse und verkniffen aus. Crofting trug einen abgeschabten, billigen Anzug. Seine lederartigen Gesichtszüge ver zogen sich zu einem dünnen Lächeln. Die Nase sprang kantenartig vor. „Chef, ich w o l l t e . . . ich meine,
habe Sie angerufen." Turpins redete schnell und unzusammenhängend. Er war nervös und spürte, daß sein Chef nicht als Freund gekommen war. „Und ich habe hier auf Sie gewartet, Turpins. Sie wollen Verreisen?" „Ja, wir sind aufgeflogen", berichtete Turpins hastig. „Strickton und die an deren Männer sind vom Yard hochge nommen worden. Dieser Parker hat uns eine Falle gestellt." „In die Sie mal wieder prompt hinein gelaufen sind, nicht wahr?" „Dieser Parker muß mit dem Teufel im Bunde sein." „Unsinn, Turpins. Sie sind ihm nur nicht gewachsen. Sie sind ein Versager!" „Chef, wir können hier nicht blei ben", sagte Turpins hastig. „Vielleicht weiß die Polizei inzwischen schon Be scheid. Strickten und die anderen wer den bestimmt reden." „Na und . . . ? " Crofting lächelte säu erlich. „Man wird mich verhaften, Chef." „Na u n d . . . ? " „Und Sie hier antreffen. Begreifen Sie doch. Wir müssen schleunigst verschwin den!" „Was habe ich mit Ihren Machenschaf ten zu tun?" erkundigte sich Reginald Crofting. „Ich bin nur ein harmloser Ge werbetreibender. Mir kann man nichts, aber auch gar nichts nachweisen!" „Aber Chef, Sie haben doch das Geld für die Fabrik gegeben! Sie gehört doch Ihnen!" „Wo steht das? Im Firmenregister ist nur Ihr Name vertreten." „Aber Sie haben doch die RauschgiftGang aufgezogen und geleitet." „Wie wollen Sie das beweisen, Tur pins? Wir beide haben uns doch nur per Funksprechverkehr unterhalten. Ich ha 57
be meine Spuren gründlich verwischt!" „Was . . . was wollen Sie denn jetzt von mir?" „Mein Geld, Turpins, was sonst?" „Ich habe n u r meine Anteile, Chef. Ich habe die ganzen Gewinne an Sie abge führt." „Zur Zeit befinde ich mich aber in ei ner gewissen Verlegenheit. Dank Ihrer tollen Einfälle bin ich von Candels nie dergebrannt worden. Leider ist mein Barvermögen dabei in den Flammen aufgegangen. Sie werden mir das Geld ersetzen!" Turpins nickte automatisch. Seine Ge danken irrten wie aufgeschreckte Ratten durcheinander. Er h a t t e längst begriffen. Crofting wollte nicht n u r das Geld, er wollte ihn auch umbringen. Crofting, der wirkliche Chef der Rauschgifthänd ler wollte alle Spuren beseitigen. „Wieviel brauchen Sie?" fragte Tur pins vorsichtig. Er hatte sich gefaßt. Er w a r fest entschlossen, sich seiner Haut zu wehren. In der Schulterhalfter stak sein 38er. Diese Waffe brauchte n u r ge zogen zu werden . . . „Wieviel ich brauche?" Crofting lach te trocken auf. „Alles brauche ich, T u r pins, alles!" Turpins warf sich zur Seite. Er griff blitzschnell nach seiner Waffe. Er wollte Crofting niederschießen. Doch zu spät. Der wirkliche Bandenchef w a r schnel ler. Er hielt plötzlich eine 7.65er Automa tic in der Hand. Aus der Mündung kräuselte Rauch hoch. Der Widerhall des Schusses verlor sich in der hohen Halle. Turpins schrie auf. Er fiel gegen das Geländer, rutschte an einer Seitenstrebe h e r u n t e r und blieb dann regungslos liegen. Crofting beugte sich über sein Opfer. 58
Er sah den Blutfleck in Brusthöhe des Hemdes. Dieser Fleck breitete sich sehr schnell aus. Crofting hob noch mal die Waffe. Wollte er aus Sicherheitsgründen einen zweiten Schuß anbringen? Nein, er unterließ es. Mit der Schuhspitze drehte er den schlaffen Körper seines Opfers auf die Seite. Dann wandte er sich ab und be trat das Schlafzimmer. Als er die Bank notenbündel und Papiere auf dem F u ß boden neben dem weggerückten Bett sah. wurden seine Lippen schmal und hart. Seine Augen nahmen einen gieri gen Schein an. Das dort war das. was er wollte . . . Und unten in Turpins J a g u a r befand sich eine Aktentasche, die den Rest des Geldes enthielt. Er hatte sie vom Fen ster aus genau gesehen. Geld und Auto boten sich zur schnellen Flucht an . . . • Während Crofting gierig die B a n k notenbündel an sich raffte, k a m Ben Turpins wieder zu sich. Zuerst begriff er überhaupt nicht, was mit ihm geschehen war. Die Schmerz wellen in seinem Körper hinderten ihn daran, klar zu denken. Mühsam wälzte er sich auf die Seite. Er h a t t e das G e fühl, als sei ihm die Brust gespalten worden. Wie durch dichte Schleier sah er durch die geöffnete T ü r in das benachbarte Schlafzimmer hinein. Und plötzlich kehrte die Erinnerung zurück. Er w u ß t e wieder, daß er von seinem Chef, Regi nald Crofting, niedergeschossen worden war. Er hörte das hastige A t m e n des M a n nes, hörte seine Bewegungen u n d das Rascheln von Papier.
Haß erfüllte seinen sterbenden Kör per. Er wollte Crofting daran hindern, das Haus zu verlassen. In seiner Schul terhalfter befand sich noch der 38er. Sein Arm schien aus Blei zu bestehen. Mühsam zog er ihn an den Körper her an. Er biß die Zähne zusammen, mobili sierte seine letzten Kräfte und schaffte es tatsächlich, die Hand zur Halfter hochzubringen. Crofting hatte inzwischen alles einge sammelt, was er neben dem im Boden eingelassenen Safe angetroffen hatte. Seine Taschen beulten sich dick aus. Er hatte allein hier oben in Turpins Schlaf zimmer ein kleines Vermögen erbeutet. Crofting erhob sich. Seine Rechnung war aufgegangen. Er hatte richtig vorausberechnet, daß Turpins die Flucht ergreifen wollte. Crofting hatte seinen Vormann nicht umsonst seit einigen Stunden beschat tet. Diese Arbeit hatte sich nun gelohnt. Ahnungslos schritt der Gangsterboß auf die Tür zu, hinter der die Galerie war. Als er durch die Tür ging, blieb er wie gebannt stehen. Er starrte auf Tur pins, der sich mit dem Oberkörper auf gerichtet hatte. In seiner Hand befand sich der 38er. Crofting war nicht ängstlich. Schnell und geübt griff er nach seiner Automatic. Doch diesmal wurde seine Bewegung gestoppt. Seine geöffneten Finger stießen gegen die Banknotenbündel, die der Gangster boß in die Tasche gestopft hatte. Er kam nicht an die Waffe heran. Das Geld, der Grund für diesen Mord, hinderte ihn daran. Fluchend wollte Crofting schnell zur Seite springen. Die halb geöffnete Tür
bot sich als Deckung an. Dazu kam es nicht mehr. Ben Turpins drückte ab. Peitschend verließ der Schuß den Lauf. Crofting erhielt einen Schlag in Höhe der Hüfte. Er taumelte, wurde von der Gewalt des Einschlages gegen die Tür geworfen. Sie gab nach und ließ seinen Körper haltlos gegen die Wand fallen. Das war Croftings Rettung. Dadurch entging er den weiteren Schüssen, die der sterbende Turpins ihm zugedacht hatte. Mit hastigen Bewegungen riß Crof ting die hindernden Banknotenbündel aus der Tasche. Endlich kam seine Hand an die Automatic. Der Gangsterboß zog die Waffe und feuerte noch mal auf den sterbenden Turpins. Doch der merkte nichts mehr davon. Er war bereits in sich zusammenge sunken, und dann ging ein Zucken durch seinen Körper. Er lebte nicht m e h r . . . • Crofting hielt sich die Wunde. Er ver biß einen Fluch, untersuchte die Ver letzung und schleppte sich mit steif wer dendem, linken Bein in das ans Schlaf zimmer angrenzende Badezimmer. Er fand in einem kleinen Wand schrank Verbandzeug und legte sich mühsam und ungeschickt einen Notver band an. Dann beeilte er sich,' hinunter zum Jaguar Ben Turpins zu kommen. Er fürchtete, daß die Schüsse in der Nachbarschaft gehört worden waren. Er wollte nicht noch im letzten Augenblick von der Polizei gestellt werden. Es dauerte lange Minuten, bis er die Treppe hinter sich gebracht hatte. Schmerzen wühlten in der Hüfte. Hin kend, mit nachschleppendem Bein, er reichte er die Küche, dann den Hof. 59
Nicht weit von ihm entfernt stand der rettende Jaguar. Der Gangsterboß t a u melte auf den Wagen zu, der ihn in Si cherheit bringen sollte. Crofting riß den Wagenschlag auf. Trotz der brennenden Schmerzen w a r er neugierig genug, nach der prall gefüllten Ledertasche auf dem Beifahrersitz zu sehen. Ja, sie w a r noch vorhanden. Sie barg Geld. Das schmerzverzerrte Gesicht Croftings zeigte ein mühsames Grinsen. Der J a g u a r besaß ein automatisches Getriebe. Crofting brauchte mit dem verletzten steifen Bein nicht zu kuppeln. Er brachte den J a g u a r in Gang, steuerte ihn hinaus auf die Straße u n d warf ei nen gewohnheitsmäßigen Blick in die Runde. Alles in Ordnung. Die Polizei schien noch nicht alarmiert worden zu sein. Crofting fuhr in schneller F a h r t in Richtung Liverpool Street, kreuzte sie und lenkte den J a g u a r in Richtung West Harn Park. Von Minute zu Minute stei gerte sich seine innere Sicherheit. Er h a t t e alle Spuren verwischt. T u r pins konnte nicht mehr gegen ihn aus sagen. Und die übrigen Bandenmitglie der wußten nicht, wer der w a h r e Chef der Gang gewesen w a r . . . ! Die Mordwaffe trug er mit sich. Er wußte schon, wo er sie loswerden konn te. Solche Kleinigkeiten konnten ihn nicht beunruhigen. Da w a r auch schon der West Harn Park. Crofting steuerte den geöffnetes Parktor zu. schwand der schwere schützenden Hecken. Er vor einem Seiteneingang 60
J a g u a r auf ein Schnell ver Wagen hinter hielt ihn dicht des Hauses an,
stieg langsam und schwerfällig aus und hinkte auf die Tür zu. „Mr. Crofting, die Tasche . . . ! " Der Gangsterboß blieb wie erstarrt stehen. Er w a r angerufen worden. „Wie 'ausgesprochen leichtsinnig von Ihnen, Mr. Crofting, die Tasche im W a gen liegen zu lassen", redete die u n p e r sönliche, kühle Stimme weiter. „Wenn Sie gestatten, werde ich Ihnen gerne helfen." Crofting hörte Schritte hinter u n d n e ben sich. Mühsam w a n d t e er sich um. Er sah sich einem mittelgroßen, schlanken Mann gegenüber, der schwarz gekleidet war. Dieser Mann trug eine schwarze, steife Melone und einen Regenschirm. Da wußte Crofting sofort, mit wem er es zu tun hatte. Turpins h a t t e ihm den Butler genau geschildert. „Parker", stöhnte Crofting auf. „In der Tat", antwortete der Butler. Er hielt die Ledertasche in der Hand. „Hören Sie", sagte Crofting drängend. „Verlangen Sie, was Sie wollen, aber helfen Sie mir jetzt." „Was haben Sie zu bieten, wenn ich höflich fragen darf?" „Geld, Parker. Geld in jeder Menge." „Ich verlange eine andere Münze, Mr. Crofting." „Gut, sagen Sie, was Sie haben wol len! Ich werde es Ihnen geben." „Sie werden mit Ihrem Leben bezah len müssen", gab P a r k e r kühl zurück, „doch das ist bereits ein Gesprächsge genstand, für den der Richter zuständig ist." „Sie wollen m i c h . . . " „Ich werde Sie der Polizei übergeben", sagte Parker. „Hatten Sie etwas anderes erwartet?" „Dann eben n i c h t . . . ! " Crofting raffte sich auf. Noch m a l griff
er nach seiner Waffe. Als er die Hand aus der Tasche zog, war sie gefüllt mit Geldscheinen. Die Waffe blieb in der Tiefe der Tasche unerreichbar für ihn. Da brach der Gangsterboß in sich zu sammen. Er verlor die Nerven. Er hatte eingesehen, daß es für ihn kein Entrin nen mehr gab. Widerstandslos ließ er zu, daß Parker ihm chromblitzende Handschellen anlegte. Ihm war klar, daß man ihn nun wegen Mordes anklagen — und hängen w ü r d e . . .
„Ich nehme mit Freude zur Kenntnis, daß die Rauschgift-Gang nicht mehr exi stiert", sagte Parker eine knappe Stunde später zu Inspektor Madler. „Damit dürften dann alle Unklarheiten besei tigt sein, denke ich." „Stimmt genau, Parker. Strickton und die übrigen Gangster reden bereits wie Staubsaugervertreter. Sie belasten sich gegenseitig." „Ich hoffe, daß Mr. Lefty Candels zu diesen Aussagen noch einiges beisteuern wird." „Und wie, Parker! Nach dem Auto unfall, den er gehabt hat, ist er sehr red selig geworden. Er ist allerdings nur am Rande interessant. Seine Brandstif tungen werden ihn für einige Jahre in« Zuchthaus bringen." „Es war mir ein Vergnügen, Ihnen helfen zu können", verabschiedete sich Parker von seinem alten Freund Madler.
„Sie haben wirklich keine Zeit mehr?" „Mr. Rander erwartet mich in Brigh ton", bedauerte Parker ehrlich. „Moment, bevor Sie losfahren, möchte ich aber noch wissen, wieso Sie Crofting so schnell stellen konnten, Parker." „Das war recht leicht", erklärte der Butler freundlich. „Ich wurde Ohren zeuge der Schießerei in Mr. Turpins' Haus. Eingreifen konnte ich nicht. Ich benutzte die Schießerei, mich im Fond des Jaguar zu verstecken. Crofting war so freundlich, mich in sein Versteck am West Ham Park zu fahren. Ich muß er klärend nachtragen, daß ich vom Wa renhaus zu Mr. Turpins Wohnung ge fahren bin. In diesem Zusammenhang werden Sie mit größter Wahrscheinlich keit noch einige Strafmandate bearbei ten müssen, die dem unschuldigen Fah rer eines Taxi gelten. Ich möchte meiner Zuversicht Ausdruck verleihen und hof fen, daß Sie den betreffenden Taxifah rer schonen werden. Der wahre Schuldi ge wäre in diesem Falle ich." Parker lüftete höflich die schwarze Melone, deutete eine Art Kratzfuß an und verließ Madlers Büro. Der Inspektor sah ihm nachdenklich und lächelnd nach. Er wußte, daß But ler Josuah Parker nicht zu stoppen war. In Brighton wartete wahrscheinlich ein neuer Fall auf ihn. Und wenn Parker so etwas witterte, dann reagierte er wie ein in Ehren ergrauter Zirkusgaul, der die Trompete hört, dann war er einfach nicht mehr an die Kette zu legen . . .
ENDE
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