PARKER und die kleinen grünen Männchen Günter Dönges »Ich verbitte mir Ihren mitleidigen Blick, Mister Parker«, grollte ...
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PARKER und die kleinen grünen Männchen Günter Dönges »Ich verbitte mir Ihren mitleidigen Blick, Mister Parker«, grollte Lady Simpson leicht gereizt. »Sie haben es nicht mit einer Irren zu tun.« »Sehr wohl, Mylady«, antwortete Parker in seiner höflichen Art. »Sollte mein bescheidener Blick sich vergessen haben, so bitte ich das entschuldigen zu wollen.« »Das möchte ich Ihnen auch geraten haben«, warnte die stets ein wenig streitbare Dame. Sie befand sich in ihrer Stadtwohnung in London und sichtete nach einem ausgiebigen Frühstück gerade die Morgenzeitung. »Haben Mylady noch Wünsche?« Parker war bereit, sich wieder zurückzuziehen. »Sie bleiben«, entschied Lady Simpson, eine stattliche Erscheinung von annähernd sechzig Jahren. Sie erinnerte an eine Walküre aus einer Wagner-Oper. Man konnte sich die resolute Dame sehr gut mit Jagdspeer und Schild vorstellen. Sie trug ein wallendes Hauskleid und saß vor ihrem Schreibtisch. Agatha Simpson war wieder mal dabei, ihren ersten Roman anzufangen. Die Hauptpersonen: Peter B. Morgan jagt nach grünen Männchen. Professor Leslie Toycraft erfindet seltsame Automaten und Geräte. Herrn Dunkers vertritt ein Gangster-Syndikat und erlebt Pannen. 2 Liliputaner scheinen möglicherweise real zu sein. Kathy Porter legt sich mit Killern an. Lady Agatha Simpson findet viele Dinge sehr albern. Josuah Parker sieht seltsame Schemen und ist verblüfft. Dazu seltsame Wesen, die vom Mars stammen könnten. Oder auch nicht. Das tat sie schon seit einigen Monaten, doch sie wurde zu ihrer inneren Freude immer wieder abgelenkt. Das hinderte sie jedoch nicht daran, an ihren Bestseller fest zu glauben. Sie hatte sich
vorgenommen, eine gewisse Agatha Christie in Grund und Boden zu schreiben, denn sie kannte in ihrem Leben keine Minderwertigkeitskomplexe. Lady Agatha besaß ein volles Gesicht mit einem energischen Kinn und einer ausgeprägten Adlernase. Ihre dunklen Augen funkelten stets unternehmungslustig. Ihr weißes Haar lag in vielen kleinen Locken auf dem Kopf. Sie verfügte über sehr große Hände, die einen recht zupackenden Eindruck machten. Diese Hände fuhrwerkten mit den Morgenzeitungen herum und fegten sie kurzerhand vom Arbeitstisch. »Nun sagen Sie schon endlich etwas«, fuhr sie ihren Butler an und stand auf. »Was halten Sie von diesen Meldungen?« »Ich möchte Mylady nicht vorgreifen.« »Papperlapapp, Sie wollen sich nur um eine Stellungnahme herumdrücken, Mr. Parker!« »Diese Zeitungsmeldungen entbehren meiner bescheidenen Ansicht nach nicht einer gewissen Komik, Mylady.« »Sie glauben also nicht an Marsmenschen?« »Nicht direkt, Mylady.« Parker war äußerst vorsichtig. Ihm war das grimmige Funkeln in den Augen der alten Dame nicht entgangen. »Sie halten das alles für reinen Unsinn?« »Für Mißverständnisse«, redete der Butler sich heraus. Er sah korrekt und steif wie immer aus, ein Butler, wie er eigentlich nur noch in englischen Gesellschaftsfilmen und Boulevardkomödien vorkam. Josuah Parker war etwa fünfzig Jahre alt. Vielleicht auch älter. Doch das sah man ihm nicht an. Er schien von zeitlosem Alter zu sein. Er war mittelgroß, schlank und zeichnete sich durch eine schon fast penetrante Höflichkeit aus. Selbst in den verrücktesten Situationen verlor er nie seine Selbstbeherrschung. Gemessenheit und Würde zeichneten sein Tun aus. Man sah es diesem stets in Schwarz gekleideten Mann nicht an, wie phantasievoll und fuchsschlau er war. Parker verfügte in übertragenem Sinn über eine riesige Trickkiste, die bis zum Rand gefüllt war. Gekonnte Improvisation verblüffte seine zahlreichen Gegner immer wieder. Und er hatte Gegner! Parker war Amateurdetektiv aus Leidenschaft. Er stand seit geraumer Zeit in den Diensten der Lady Agatha Simpson, einer
immens reichen Frau, die mit dem Blut- und Geldadel der Insel verschwistert und verschwägert war. Da auch Mylady eine unstillbare Sehnsucht besaß, sich als weiblicher Detektiv auszuzeichnen, hätte Parker sich kein idealeres Dienstverhältnis wünschen können. »Sie halten die Beobachtungen also für Mißverständnisse?« Lady Agatha Simpson sah ihren Butler fast verächtlich an. »Haben Sie überlesen, daß die Bewohner so etwas wie eine fliegende Untertasse< gesehen haben?« »Das, Mylady, geschieht immer wieder«, bemerkte Parker höflich und gemessen. »Luftspiegelungen, Wetterballons oder reine Erfindungskraft dürften dafür verantwortlich sein.« »Wir werden nach Schottland reisen«, ordnete Agatha Simpson an. »Ich werde mir diese Mißverständnisse aus der Nähe ansehen.« »Ich war bereits so frei, Mylady, das Reisegepäck zu richten«, antwortete der Butler. »Sie haben bereits gepackt?« Agatha Simpson sah ihren Butler verblüfft an. »In der Tat, Mylady«, meinte der Butler, »mir war in aller Bescheidenheit bewußt, daß Mylady nach der Lektüre der Notizen Schottland einen sofortigen Besuch abzustatten wünscht.« * Ben Melness war ein gestandener Mann von fünfzig Jahren, der als Lastwagenfahrer sein Brot verdiente. An diesem Nachmittag saß er am Steuer seines Wagens und befand sich auf der Fahrt von Thurso nach Bettyhill. Er kannte diese Küstenstraße im äußersten Norden von Schottland in- und auswendig. Es machte ihm nichts aus, daß leichter Nebel aufgekommen war. Er hatte das Radio eingeschaltet und hörte Musik. Ben Melness rauchte eine Zigarre und war mit sich und der Welt zufrieden. Er verlor auch dann noch nicht seine Gelassenheit, als der Nebel plötzlich dichter und irgendwie zäher wurde. Eine träge Suppe schien die Fahrbahn zu verschlucken. Ben schaltete herunter und fuhr sicherheitshalber langsamer weiter. Hier oben an der Küste war solch ein Wetter nicht
ungewöhnlich, man verstand sich darauf einzustellen und ging kein unnötiges Risiko ein. Plötzlich wurde diese träge Suppe allerdings derart breiig, daß Ben Melness unwillkürlich auf das Bremspedal trat und erst mal hielt. Er hatte jede Orientierung verloren und wußte nicht mal genau, auf welcher Straßenseite er sich befand. Er schaltete das Radio ab, öffnete die Wagentür und kletterte aus dem Fahrerhaus. Er trat nur wenige, zögernde Schritte, als er den Wagen bereits nicht mehr sah. So etwas wie Angst packte ihn. Er ging zurück zu dem Fahrzeug, um wenigstens einen Bezugspunkt zu haben, doch er konnte den Laster nicht mehr finden. Aus der leisen Panik wurde echte Bestürzung. Er war schon längst nicht mehr mit sich und der Welt zufrieden. Ben Melness fluchte, versuchte sich zu erinnern, wo der Laster sein mußte, und tastete sich erneut durch den weißgrauen Dunst Nichts! Der Laster blieb verschwunden. Er war gewiß kein Spielzeug und leicht zu übersehen. Es handelte sich immerhin um einen ansehnlichen Sattelschlepper, dessen Umrisse der Fahrer zumindest bald ausmachen mußte. Diese Umrisse tauchten jedoch nicht auf. Ben Melness versuchte es erneut, ging jetzt systematisch vor und bekämpfte seine Angst. Er baute sich erneut auf und suchte erst mal einen der beiden Straßenränder. Als er das Bankett erreicht hatte, blieb er mit seinen Schuhen auf dem weichen Untergrund und ging genau fünfzehn Schritte weiter. Als er den Lastwagen immer noch nicht entdeckte, überquerte er die Straße und suchte die andere Seite auf. Dann marschierte er zwanzig Schritte zurück, blieb kopfschüttelnd stehen und verstand die Welt nicht mehr. Sein Lastwagen war einfach nicht zu finden. Er schien sich im Nebel aufgelöst zu haben. Selbst die Nebelscheinwerfer, die er eingeschaltet hatte, ließen sich nicht ausmachen. Ben Melness zuckte zusammen, als er dazu noch ganz in der Nähe ein Glucksen hörte. »Ist da wer?« rief er in den Nebel hinein. Irgend etwas kicherte, dann war wieder Ruhe. »Hallo, ist da jemand?« rief er erneut, diesmal bereits ein wenig gereizt. Er fühlte sich kräftig auf den Arm genommen. »Ist da wer?«
Ben Melness hätte jetzt liebend gern zumindest ein Kichern gehört, doch es blieb aus. Der weißgraue Brei wurde noch dichter und zäher. Melness schluckte und kam auf eine blendende Idee. Es war sinnlos, weiter herumzuirren, obwohl sein Laster nicht weit sein konnte. Er versuchte es mit einem Schotterstein. Er bückte sich, hob einen handlichen Brocken auf und warf ihn mit ziemlicher Kraft in den Nebel. Er hoffte, seinen Wagen zu treffen. Nichts… Ben Melness versuchte es wieder. Diesmal wählte er eine andere Richtung. Irgendwann mußte es ja mal scheppern. Wie gesagt, weit konnte der Sattelschlepper wirklich nicht sein. Der Stein verschwand im Brei und… kam postwendend wieder zurück. Ben Melness sah ihn nicht, doch er spürte ihn an der linken Schulter. Er war derart verdutzt, daß er sogar vergaß, einen Schmerzensschrei auszustoßen. »Was soll denn der verdammte Blödsinn?« rief er. Statt einer Antwort hörte er wieder ein Kichern und Glucksen. Irgend jemand im Nebel schien sich erstklassig zu amüsieren. Ben Melness bemühte einen dritten Stein, schleuderte ihn fort und bückte sich sicherheitshalber, um nicht erneut erwischt zu werden. Er erlebte eine herbe Überraschung. Zuerst tat sich überhaupt nichts. Diesmal schien der Stein nicht zurückzukehren. Er blieb im dichten Nebel stecken. Nach etwa fünfzehn Sekunden richtete Ben sich zögernd wieder auf und… fuhr entsetzt zusammen, als der bewußte Stein genau zwischen seinen Schulterblättern landete. Er kam aus einer Richtung, in die der Mann gar nicht geworfen hatte! Ben Melness brüllte mit einiger Verspätung auf, rannte in die Richtung, aus der der Stein gekommen war, und landete prompt im Straßengraben. Er klatschte in mooriges Wasser, schlug um sich und hörte dann den Motor seines Lasters. Sekunden später rollte die Silhouette des Sattelschleppers an ihm vorüber und verschwand im weißgrauen Nebel. Ben Melness war derart verblüfft, daß er noch nicht mal fluchen konnte. *
Owen Carn war ein zuverlässiger Mann von fünfundvierzig Jahren, der seit drei Jahren die Bankfiliale in Melvoy leitete. Es war gewiß kein aufregender Job, den er hatte. Die Bankkunden waren ohne Ausnahme solide. Es handelte sich um Schafzüchter, Fischer, kleine Gewerbetreibende und Farmer. An diesem späten Nachmittag langweilte sich Owen Carn. Der immer stärker werdende Nebel ließ erwarten, daß kaum noch Kunden erschienen. Carn beschloß, schon mit der Tagesabrechnung zu beginnen, um pünktlich nach Hause zu kommen. Er wohnte in Melvoy, einem kleinen Fischerstädtchen. Als er sich am Kassentisch niederlassen wollte, schaute er irritiert hoch. Ein kalter Luftzug hatte sein Gesicht getroffen. Er sah sofort zur Tür hinüber, doch sie war geschlossen. Er schüttelte ein wenig den Kopf, vergaß diesen Zwischenfall jedoch wieder und griff nach den Kassenbelegen, um sie erst mal zu sortieren. Fast dankbar schaute er hoch, als sich die Tür öffnete und Mr. Shepherd eintrat, ein Kaufmann, der mit Fischereiausrüstungen handelte. »Ich bringe die Tageseinnahme«, sagte Shepherd, »mager genug.« »Das heute ist kein Tag«, meinte Carn mitfühlend, »die ganze Küste ertrinkt langsam im Nebel.« »Heute ist er besonders dick«, erwiderte Shepherd, »man braucht ja fast ‘ne Radaranlage, um über den Platz zu kommen. So, das hier wär’s!« Er stellte eine kleine Stahlkassette auf das Zahlbrett und wollte den im Schloß steckenden Schlüssel umdrehen, doch er rührte sich nicht. »Moment«, sagte er zu Carn, um es dann noch mal zu versuchen. Der Schlüssel rührte sich nicht. »Das verstehe ich nicht.« Shepherd bekam einen roten Kopf vor Anstrengung, als er erneut probierte. Doch der Schlüssel rührte sich nicht. Er schien aus unerfindlichen Gründen mit dem Schloß verschweißt zu sein. »Lassen Sie mich mal versuchen«, sagte Carn. Shepherd schob ihm die Kassette hin und verfolgte den Versuch, der prompt mißlang.
»Das verstehe wer will«, meinte Carn und hob den Behälter an, um das Schloß genau zu inspizieren. »Eben hat das noch geklappt«, sagte Shepherd, »ich weiß genau, daß ich abgeschlossen habe.« Carn wollte den Schlüssel herausziehen, doch er rührte sich nicht. Und genau in diesem Augenblick war irgendwo im Raum ein Kichern zu vernehmen. Carn und Shepherd schauten sich betroffen an, nehmen dann fast gleichzeitig den Kopf herum und versuchten herauszufinden, wer da gelacht haben könnte. »Sie sind nicht allein, Carn?« fragte Shepherd. »Natürlich bin ich allein«, entgegnete Carn. »Aber da hat doch jemand gekichert.« »Habe ich auch gehört, aber ich bin allein.« »Wie Sie meinen, Carn.« Shepherd sah den Bankfilialleiter etwas mißtrauisch an und nahm dann die Kassette wieder an sich. Dabei fiel sein Blick ungewollt auf den Kassentisch. Shepherds Mund öffnete sich, seine Augen weiteten sich. Er wollte mit Sicherheit etwas sagen, doch er brachte keinen Laut hervor. »Ist was?« erkundigte sich Carn arglos. »Da… da… da!« gurgelte Shepherd endlich. Carn fuhr herum und beeilte sich, ebenfalls Mund und Augen aufzureißen. Fassungslos starrte er auf die Kassenbelege des Tages. Sie schienen von einem lokalen Miniaturwirbelsturm erfaßt worden zu sein, stiegen hoch, wirbelten durcheinander, stiegen immer weiter hoch und erreichten schließlich die Decke der Bankfiliale. Dort klebten sie fest und dachten nicht daran, dem Gesetz der Schwerkraft gehorchend, herunterzuflattern. »Nein«, flüsterte Carn beeindruckt. Shepherd blieb stumm. Er kümmerte sich auch nicht weiter um dieses Phänomen, rannte bereits zur Tür und war wenige Sekunden später draußen im Nebel verschwunden. Carn aber stand noch immer am Kassenschalter und schaute zu seinen Belegen hoch. Er zweifelte ernsthaft an seinem Verstand. * Von Glasgow aus hatten sie einen Hubschrauber genommen.
An Bord des Helikopters befanden sich unter anderem Lady Agatha Simpson, Butler Parker und Kathy Porter, eine tizianrote, schlanke Schönheit, die ein wenig an ein scheues Reh erinnerte. Kathy Porter war die Sekretärin und Gesellschafterin der älteren Dame. Doch sie war gleichzeitig auch so etwas wie die erwachsene Tochter der exaltierten Lady. Geduldig und auch ein wenig amüsiert ertrug sie die Launen ihrer Herrin. Kathy Porter wirkte nur nach außen hin scheu und schüchtern. Wenn es sein mußte, verwandelte sie sich blitzschnell in eine Pantherkatze. In der Kunst der geschmeidigen und wirkungsvollen Verteidigung war sie eine Meisterin, wie schon mancher Ganove am eigenen Leib erfuhr. Butler Parker hatte sein hochbeiniges Monstrum in London zurückgelassen, da die Anfahrt per Auto doch ein wenig zu kompliziert war. Zudem hatte Agatha Simpson darauf bestanden, sofort nach Schottland abzureisen. Sie konnte es nicht erwarten, sich an Ort und Stelle zu informieren. An Bord des großen Hubschraubers befanden sich zusätzlich noch einige Herren, die zum Atom-Forschungszentrum in Dounreay gehörten, das sich an der Nordküste Schottlands, in der Nähe der reizenden Stadt Thurso befand. Der Vormittag war strahlend schön. Vom dichten Nebel des Vortages war nichts mehr zu sehen. Lady Simpson hatte jedoch kein Auge für Schottlands wild zerklüftete Küste. Ihre Gedanken beschäftigten sich mit einem Thema: Unerklärbare Vorfälle! Die Detektivin war jetzt felsenfest davon überzeugt, den richtigen Stoff für ihren geplanten Bestseller gefunden zu haben. »Ist Ihnen nichts aufgefallen?« erkundigte sie sich bei ihrem Butler, der vor ihr saß. »Mylady?« Parker wandte sich gemessen zu Agatha Simpson um, die erstaunlich leise sprach. »Sie sind ein blinder Maulwurf, Mr. Parker«, tadelte sie ihn streng. »Haben Sie nicht mitbekommen, wer diese Männer sind?« »Wissenschaftler und Techniker der Atom-Versuchsanstalt, Mylady, falls meine Informationen zutreffen.« »Und da klingelt es nicht bei Ihnen?« Agatha Simpson sah Parker fast schon mitleidig an. »Im Moment muß ich außerordentlich bedauern, Mylady.« »Es geht um diese Versuchsanstalt«, flüsterte die Lady mit
tragischem Unterton in der Stimme. »Ein groß angelegtes Komplott, wenn Sie mich fragen. Wo haben diese rätselhaften Vorfälle sich zugetragen? Erinnern Sie sich wenigstens daran?« »An der Nordküste, Mylady, zwischen Thurso und Durness, wenn ich das pauschal definieren darf.« »Eben«, gab Lady Simpson zufrieden zurück, »und in diesem Küstenstrich befindet sich die Atom-Versuchsanstalt. Haben Sie jetzt endlich begriffen?« »Ich bin so frei, Mylady, erstaunt zu sein.« »Hoffentlich«, knurrte Agatha Simpson zurück, »aber Sie muß man ja erst mit der Nase draufstoßen, bevor Ihnen ein Licht aufgeht.« »Sehr wohl, Mylady«, erwiderte Parker schuldbewußt. »Haben Mylady sonst noch Wünsche?« »Für mich ist dieser geheimnisvolle Fall bereits gelöst«, gab sie in einem fast schon enttäuschten Ton zurück. »Wünschen Mylady nach Hause zu fliegen?« »Seien Sie nicht so albern«, knurrte sie gereizt. »Sie glauben doch nicht im Ernst, daß ich… Was war das?« Ihre Überraschung war verständlich, denn der Helikopter taumelte ein wenig, als sei er leicht angetrunken. Dann sackte er durch und wurde sofort wieder hochgerissen. »Eine Luftturbulenz, Mylady«, erklärte Parker. »Sind Sie sicher?« Agatha Simpson sah sehr mißtrauisch durch das Seitenfenster hinunter aufs Land. Die Felsen und Weiden kamen für ihr Gefühl erstaunlich schnell näher. Der Hubschrauber war nach vorn gekippt und schien die feste Absicht zu haben, sich in den Grund zu bohren. Unruhe entstand. Auch den übrigen Passagieren an Bord des Helikopters war nicht entgangen, daß die Fluglage irregulär war. Diese Unruhe hielt sich allerdings in Grenzen. Mit mehr oder weniger britischem Gleichmut, ließ man die Dinge auf sich zukommen. Josuah Parker war überhaupt nichts anzumerken. Sein glattes Gesicht besaß den Ausdruck eines erfahrenen Pokerspielers. Kathy Porter beobachtete Agatha Simpson, die sehr empört wirkte. Wenige Minuten später war bereits alles vorbei. Der Hubschrauber hatte weich auf einer weiten Wiese aufgesetzt, die von Hügeln und Steinmauern eingegrenzt wurde.
Josuah Parker bemühte sich nach vorn und traf auf zwei Piloten, die von einer seltsamen Heiterkeit erfaßt waren. Sie strahlten sich an, entdeckten den Butler und bekamen dann einen Lachkrampf. Sie schlugen sich auf ihre Oberschenkel und waren nicht ansprechbar… * »Ich muß mich doch sehr wundern.« Agatha Simpson maß die beiden Hubschrauberpiloten mit einem strengen Blick. Sie starrten sie einen Moment an und brachen dann wieder in dröhnendes Gelächter aus. Sie zeigten mit ihren Zeigefingern auf die erboste Lady und krümmten sich vor Lachen. »Sie sind äußerst albern«, meinte Agatha Simpson und sah sich hilfesuchend nach Parker um, der steif und gemessen um den Hubschrauber schritt. »Sie scheinen nicht zu wissen, was sie tun«, sagte Kathy Porter zu Agatha Simpson. »Ich glaube, ich sollte sie mit meinem >Glücksbringer< zur Ordnung rufen«, gab die Lady grimmig zurück. Sie ließ ihren perlenbestickten Pompadour am Handgelenk pendeln. In diesem befand sich immerhin ein echtes Hufeisen, das nur leicht mit Schaumgummi umwickelt war. Die übrigen Passagiere diskutierten miteinander und entwickelten mit wissenschaftlicher Gründlichkeit einige recht interessant klingende Theorien zu dieser Überraschungslandung. Da dieses Gespräch in einen wissenschaftlichen Streit auszuarten drohte, machte Parker einen weiten Bogen um die Männer. »Ist möglicherweise damit zu rechnen, daß der Flug im Lauf des Vormittags noch fortgesetzt wird?« fragte Parker bei den beiden Piloten an. Er lüftete dazu höflich seine schwarze Melone und sorgte für den korrekten Sitz seines Universal-Regenschirms, der über seinem linken Unterarm hing. Die beiden Piloten schienen überhaupt nichts gehört zu haben. Sie hatten sich ins Gras gesetzt und zupften Halme. »Sind diese Lümmel wahnsinnig geworden?« fauchte Agatha Simpson und wandte sich an Parker. »Sie dürften außerhalb ihres Ich stehen«, gab der Butler höflich zurück.
»Aha. Und was bedeutet das?« »Falls mich nicht alles täuscht, Mylady, dürften die beiden Piloten unter fremdem Einfluß stehen.« »Hypnose?« Agatha Simpsons Augen funkelten schon wieder. Sie witterte einen erfreulichen Zwischenfall, denn das, was bisher passiert war, reichte ihr bei weitem noch nicht. »Ob es sich konkret um Hypnose. handelt, Mylady, vermag ich nicht mit letzter Sicherheit zu vermelden«, antwortete Parker, »dies könnte wohl nur ein Facharzt entscheiden.« »Ob Hypnose oder nicht, ich will weiter nach Thurso.« »Von einem Fußmarsch, Mylady, möchte ich entschieden abraten. Nach meinen bescheidenen Erkenntnissen dürften noch etwa fünf Meilen vor Mylady liegen.« »Glauben Sie, daß diese Lümmel wieder zur Vernunft kommen werden?« Sie drehte sich um und musterte erneut die beiden Piloten, die jetzt offensichtlich nach vierblättrigen Kleeblättern suchten. »Eine Antwort darauf wage ich nicht zu geben, Mylady.« »Dann tun Sie gefälligst etwas!« »Wie Mylady befehlen. Falls es gestattet ist, werde ich dort hinüber zur Farm gehen und das Telefon bemühen.« »Worauf warten Sie noch?« »Mylady sehen meine bescheidene Wenigkeit bereits unterwegs.« Parker lüftete seine schwarze Melone und machte sich auf den Weg. Die Farm, von der er gesprochen hatte, lag in einem Talkessel. Bis dorthin waren es gut und gern anderthalb Meilen. Erstaunlicherweise hatte sich dort noch kein neugieriger Mensch sehen lassen. Der Butler stieg über einige Steinwälle, über Zäune und Mauern. Er zerbrach sich natürlich den Kopf darüber, was die beiden Piloten veranlaßt haben mochte, diese Zwischenlandung vorzunehmen. Daß dies nicht freiwillig geschehen war, lag auf der Hand. Welche Kraft mochte diese beiden sicher recht erfahrenen Männer dazu gebracht haben, so etwas zu tun? Parker hatte inzwischen die Farm erreicht… ein ärmlich aussehendes Anwesen! Er ging auf die Haustür zu und pochte mit seinem bleigefütterten Bambusgriff des Universal-Regenschirms gegen das Holz. Als keine Antwort kam, versuchte Parker es erneut. Diesmal sehr viel entschiedener. Jetzt schwang die einfache Tür auf und
gab den Blick frei auf die Wohnküche, die spartanisch eingerichtet war. Doch das war es nicht, was ihn verwunderte. Um den Küchentisch herum saßen vier Personen in einfacher Arbeitskleidung. Sie rührten sich nicht und reagierten auch dann noch nicht, als Parker diskret hüstelte. Sie blieben regungslos sitzen und glichen Statuen. Parker schritt vorsichtig näher und merkte, daß die Augen der vier Personen – es handelte sich um eine Frau und drei Männer – leer und ohne jeden Ausdruck waren. * Als Josuah Parker zum Telefonapparat gehen wollte, der an der Wand befestigt war, merkte er, daß er beobachtet wurde. Er ließ sich natürlich nichts anmerken und bewegte sich nach wie vor mit jener Gemessenheit, die ihn stets und in allen Lebenslagen auszeichnete. Ihm war eine kleine Unregelmäßigkeit auf dem Abtropfbrett des Spülbeckens aufgefallen. Dort hatte sich seiner Ansicht nach gerade ein Teller bewegt. Diese Tatsache war schockierend für ihn. Wie hatte der Teller sich bewegen können? Wer hatte das getan? Wie war das bewerkstelligt worden? Parker stand inzwischen vor dem Wandapparat, und hob die Hörmuschel vom Haken. Und dann, ohne jede Vorwarnung und sehr schnell, hatte er bereits seine schwarze Melone in der Hand und schleuderte sie wie einen Diskus aus dem Gelenk zum Spülbecken. Das Resultat war frappierend. Er hörte so etwas wie einen Kiekser und sah, wie die Teller sich erneut bewegten und dann Kurs auf ihn nahmen. Sie lösten sich der Reihe nach von dem Abtropfbrett und segelten direkt auf ihn zu, einer nach dem anderen. Josuah Parker empfand das als einen Angriff auf seine Person, konnte im Moment allerdings nichts dagegen unternehmen. Er ging erst mal in die Knie und ließ die Teller über sich an der Wand zerschellen. Er war ehrlich bestürzt, konnte sich diese fliegenden Untertassen aber physikalisch nicht erklären. Es handelte sich nämlich inzwischen durchaus um Untertassen, da die Teller ausgegangen waren. Ein wenig außer Atem erreichte Parker das Freie.
Das hing nicht mit einer körperlichen Anstrengung, sondern mit seiner seelischen Erschütterung zusammen. Er starrte auf die Tür, die er sicherheitshalber höflich hinter sich geschlossen hatte, hörte noch einige Untertassen, die an der Wand landeten, und dann herrschte Stille. Josuah Parker war noch immer sehr beeindruckt. Er tat darum etwas, was er seit langer Zeit nicht mehr getan hatte. Er zündete sich eine seiner schwarzen Torpedos an. Es handelte sich dabei um handgefertigte Zigarren, die er bevorzugte. Sie bestanden aus einem delikaten Tabak, wenigstens war das seine persönliche Meinung. Seine Mitmenschen dachten anders darüber und nannten diese Zigarren ein Kraut, mit dem man Insekten vertilgte. Parker hatte gerade solch einen schwarzen Torpedo entflammt, als sich die Tür des Farmhauses öffnete. Parker wunderte sich schon nicht mehr darüber, keinen Menschen zu sehen. Doch genau in diesem Augenblick zeigte sich seine Klasse und erwies sich seine Überlegenheit. Er blies den Rauch der Zigarre in die Richtung, in der er seine unsichtbaren Tellerwerfer vermutete und hoffte auf ein Resultat. Es zeigte sich spontan. Aus dem Nichts heraus war plötzlich ein mittelschwerer Hustenanfall zu vernehmen, der in ein würgendes Krächzen überging. Der schwere Rauch schien zumindest so etwas wie menschliche Lungen getroffen zu haben. In der nächsten Sekunde erfolgte ein asthmatisches Keuchen, und dann ereignete sich etwas sehr Eigenartiges. Für einen Moment sah Parker so etwas wie zwei Schemen vor sich, fließende Linien und Konturen, die sich materialisierten, dann wieder verschwanden und neu auszumachen waren. Dieser Vorgang dauerte nur wenige Sekunden, doch die Zeit reichte aus, um zwei menschenähnliche Gestalten zu erkennen. Dann war dieser seltsame und unheimliche Spuk auch schon vorüber. Das Husten entfernte sich, wurde schwächer und war bald nicht mehr zu hören. Parker wartete noch einen Moment, blies zusätzlich und sicherheitshalber einige Rauchportionen in die Luft und näherte sich dann wieder der Tür. Als er in die Wohnküche schaute, waren die vier Personen dabei, ihre Teepause fortzusetzen. Sie sahen den eintretenden Butler gelassen und erwartungsvoll an.
»Ich erlaube mir, einen besonders schönen Tag zu wünschen«, grüßte der Butler, als sei überhaupt nichts geschehen. Sie grüßten zurück und fanden auch, daß der Tag recht schön sei. Sie waren wieder Geschöpfe aus Fleisch und Blut, die sich ein wenig über ihr zerschmettertes Porzellan und Geschirr wunderten. * »Ich will genau wissen, was Sie gesehen haben«, sagte Agatha Simpson, während ihre kleinen Augen vor Neugier funkelten. Man saß wieder im Hubschrauber und flog weiter nach Thurso. Die beiden kleeblattsuchenden Piloten hatten zu ihrer gewohnten Aktivität zurückgefunden, als sei überhaupt nichts passiert. Der Helikopter befand sich seit einigen Minuten in der Luft. Einen Zwischenaufenthalt auf der Wiese schien es nie gegeben zu haben. »Mylady werden meine bescheidene Wenigkeit für ein wenig verwirrt halten«, beugte Parker vor. »Das sowieso«, bekam er zur Antwort. »Zieren Sie sich nicht länger! Wie haben diese Wesen ausgesehen?« »Schemenhaft«, erinnerte sich Parker vorsichtig. »Und weiter? Wie groß waren sie?« »Möglicherweise hundert Zentimeter, Mylady, vielleicht aber auch ein wenig größer.« »Und wie waren sie gekleidet?« »Das ließ sich leider nicht feststellen, Mylady, darf ich daran erinnern, daß ich nur einige Konturen zu erkennen vermochte.« »Und welche Gesichter hatten diese Wesen?« »Auch in dieser Hinsicht muß ich leider bedauern, Mylady.« »Auf Sie kann man sich aber auch gar nicht verlassen«, ärgerte sich Agatha Simpson, »aber diese Männchen waren vorher nicht zu sehen?« »Durchaus nicht, Mylady.« »Sie waren unsichtbar?« »Das würde ich wahrscheinlich sogar auf einen Eid nehmen, Mylady.« »Und was sagen Sie nun dazu, Mr. Parker? Ich verlange eine Erklärung!« »Mylady sehen mich außerstande, dazu Stellung zu nehmen.«
»Dann weiß ich Bescheid.« Agatha Simpson nickte nachdrücklich und stieß Kathy Porter erregt und freudig mit ihrem Ellbogen in die Seite. »Ahnen Sie es schon, Kindchen?« »Nein, Mylady«, bedauerte Kathy Porter zurückhaltend wie immer. »Sie haben überhaupt keine Phantasie«, beschwerte sich die resolute Dame. »Wir haben es mit Marsmännchen zu tun!« »Wie, bitte?« Parker schluckte und sah seine Herrin aus leicht geweiteten Augen vorsichtig an. »Mit Marsmännchen«, wiederholte Agatha Simpson nachdrücklich, »das liegt doch auf der Hand. Und ich werde Ihnen noch etwas sagen. Diese kleinen Männchen werden grün sein, wenn wir sie erst mal richtig beobachten können. Sie werden grün sein!« »Die Natur ist voller Geheimnisse, Mylady.« Mehr wagte Parker dazu nicht zu sagen. »Wir haben es mit den kleinen grünen Männchen vom Mars zu tun«, faßte die Detektivin noch mal gründlich zusammen, »kommen Sie mir nur ja nicht mit der Behauptung, so etwas könne es gar nicht geben. Das Gegenteil ist zumindest noch nicht bewiesen worden, nicht wahr?« »Allerdings, Mylady.« »Dann kann sie es auch geben«, schlußfolgerte die ältere Dame triumphierend. »Ahnen Sie überhaupt, auf was wir da gestoßen sind?« »Auf kleine grüne Männchen vom Mars?« Kathy Porter war so leichtsinnig, den Kopf zu schütteln. »Natürlich«, erwiderte die Lady gereizt, »die ganze Sciencefiction-Literatur ist voll davon. Warum sollen diese Männchen nicht herunter auf die Erde gekommen sein?« »Um Porzellanwaren zu zerschmeißen, Mylady?« Kathy Porter gluckste leichtsinnigerweise vor Lachen auf. »Sie benehmen sich sehr unreif«, tadelte Agatha Simpson prompt. »Natürlich wollen sie nicht nur Geschirr mißhandeln, Kindchen. Sie wollen sich die Atom-Versuchsstation ansehen. Für mich liegt das klar auf der Hand.« Nach diesem Statement räkelte die Detektivin sich bequem in ihrem Sitz zurecht und erinnerte an eine majestätische Glucke. Für sie war hiermit alles geklärt. Parker und Kathy Porter tauschten einen Blick. Für sie reichte diese pauschale Erklärung
keineswegs. Um sich jedoch nicht den Unwillen der Herrin zuzuziehen, schwiegen sie bis zur Landung in Thurso. Der Helikopter setzte in einiger Entfernung vom Abfertigungsgebäude auf. Über Sprechfunk waren bereits die zuständigen Behörden informiert worden. Zwei Streifenwagen der Polizei jagten auf den Hubschrauber zu. »Ich werde Ihnen einen guten Rat geben«, sagte Agatha Simpson zu ihrem Butler. »Von den kleinen, grünen Männchen würde ich an Ihrer Stelle nichts sagen, Mr. Parker. Unter Umständen könnten Sie in einer Gummizelle landen.« * »Peter B. Morgan«, stellte sich der unauffällig aussehende Mann vor der von Josuah Parker angemeldet worden war. »Darf ich Mylady unter vier Augen sprechen?« »Unter acht«, sagte die ältere Dame. »Stehen Sie nicht so herum, setzen Sie sich schon!« »Peter B. Morgan«, wiederholte der Mann noch mal und drehte seinen Hut nervös in den Händen. »Ich komme vom Innenministerium, Mylady.« »Dafür können Sie ja nichts«, meinte Agatha Simpson aufgeräumt. »Wollen Sie Wurzeln schlagen?« Man befand sich im »Nordmeer«, einem sehr netten, nicht zu großen Seehotel hart an der Küste, in der Nähe des Fischereihafens. Parker hatte hier bereits telefonisch Quartier gemacht. Lady Simpson bewohnte zwei Räume mit Blick auf die See. Parker und Kathy Porter hatten Zimmer auf der gegenüberliegenden Seite des schmalen Korridors. Im Moment hielten sie sich in Agatha Simpsons Räumen auf, was Peter B. Morgan sichtlich irritierte. »Ich bin nicht befugt, Mylady, über den mir gesteckten Rahmen hinaus…« »Papperlapapp«, schnauzte die Sechzigjährige ihren Besucher an. »Reden Sie wie ein vernünftiger Mensch! Kopieren Sie nicht ungewollt meinen Butler! Was haben Sie mir zu sagen?« »Mylady«, wandte sich Peter B. Morgan an seine Gesprächspartnerin. »Kommen Sie in zehn Minuten noch mal wieder«, entschied
Agatha Simpson grimmig und schnitt ihm das Wort ab. »Telefonieren Sie mit Ihrem Innenministerium und verlangen Sie Sir Gerald zu sprechen! Teilen Sie ihm mit, daß ich diese Unterredung nur in Anwesenheit von Mr. Parker und Miß Porter führen werde! Worauf warten Sie noch, junger Mann?« »Mylady haben bei Sir Gerald die gegenwärtige Adresse hinterlassen?« Parker sah seine Herrin an. Peter B. Morgan sauste inzwischen bereits aus dem Zimmer und warf Agatha Simpson von der Tür her einen fast ängstlichen Blick zu. »Natürlich«, beantwortete Agatha Simpson Parkers Frage, »ich wußte doch schon in London, daß wir es mit Außerirdischen zu tun haben würden.« Sie sagte das mit solch einer Selbstverständlichkeit, daß sowohl Parker als auch Kathy Porter verstohlen schluckten. »Sie sehen, daß ich recht habe«, redete die Detektivin sichtlich zufrieden weiter. »Sir Gerald scheint meiner Ansicht zu sein, sonst hätte er mir diesen jungen Mann nicht auf den Hals geschickt. Scheint übrigens ein ziemlicher Tölpel zu sein.« Der Tölpel kam schon nach wenigen Minuten zurück, pochte sehr höflich an und wurde von Agatha Simpson in Gnaden aufgenommen. »Ich wußte nicht, daß Mr. Parker und Miß Porter…« »Entschuldigen Sie sich später«, drängte Lady Simpson, »was haben Sie uns zu berichten, junger Mann? Sie dürfen sich immer noch setzen.« Peter B. Morgan entpuppte sich schon nach wenigen Minuten als ein gut informierter Beamter. Er berichtete von einem Lastwagenfahrer namens Melness, von einem Bankfilialleiter Owen Carn und einem Kaufmann Shepherd. Er hatte noch mehr zu bieten. Er wußte zu erzählen von völlig irritierten Fischkutterkapitänen, deren Kompasse nicht mehr funktioniert hatten, und von plötzlich auftretenden Nebelbänken, die dicht und dick wie Brei waren. »Und was folgert das Innenministerium daraus?« fragte Agatha Simpson. »Es steht vor einem Rätsel, Mylady.« »Donnerwetter, das also hat man schon herausgefunden«, höhnte die Sechzigjährige. »Man bemüht sich behördlicherseits, diese erstaunlichen Dinge zu klären. Dazu gehört ja jetzt auch diese eigenartige
Zwischenlandung des Hubschraubers, nicht wahr?« »Hat Ihre Behörde wenigstens eine brauchbare Theorie?« »Experten arbeiten zur Zeit daran«, sagte Peter B. Morgan, »aber die Meinungen gehen auseinander.« »Nämlich, junger Mann?« Lady Simpsons ausgeprägtes AdeleSandrock-Organ vibrierte vor Spannung. »Sie reichen vom Ulk bis hin zum Auftauchen gegnerischer Agenten. Mylady.« »Seit wann weiß man von diesen Dingen?« schaltete sich jetzt Butler Parker gemessen ein. »Seit gut anderthalb Wochen, Sir«, lautete die Antwort Peter B. Morgans. »Diese eigenartigen Beobachtungen wurden hier entlang der Nordküste gemacht. Sie reichen von Thurso bis nach Durness. Wenn ich in diesem Zusammenhang vielleicht auf Professor Leslie Toycraft hinweisen darf, Mylady. Professor Toycraft gilt als ein exzentrischer Erfinder, der angeblich mit Wunderstrahlen experimentiert. Sir Gerald bittet Mylady, diesem Professor einen Besuch abzustatten. Sir Gerald ist der Ansicht, daß Mylady es vielleicht gelingt, vorgelassen zu werden.« * »Ich brauche jetzt einen Kreislaufbeschleuniger«, sagte Agatha Simpson, nachdem Peter B. Morgan gegangen war. Josuah Parker wußte aus Erfahrung wonach Mylady gelüstete. Er öffnete die Reisetasche, holte einen lederumkleideten Krug hervor und füllte daraus einen silbernen Reisebecher mit altem französischen Kognak. »Nach diesem hanebüchenen Unsinn leide ich stets unter der gerade herrschenden Witterung«, beklagte sich die Detektivin grimmig und kippte äußerst gekonnt den Kreislaufbeschleuniger hinunter. Danach wirkte sie wesentlich friedlicher und schaute ihren Butler erwartungsvoll an. »Was sagen denn Sie dazu? Ich bitte um Ihre Stellungnahme, Mr. Parker!« »Der Hinweis auf besagte Wunderstrahlen hört sich zumindest interessant an«, räumte Parker ein. »Horrender Blödsinn«, entschied Agatha Simpson. »Warum wollen diese Schwachköpfe im Innenministerium nicht einsehen, daß wir es mit Wesen vom Mars zu tun haben?«
»Diese ungewöhnliche Vorstellung müßte sich vielleicht erst noch durchsetzen, Mylady.« »Wunderstrahlen, wenn ich das nur höre!« Agatha Simpson verlangte nach einem zweiten Kreislaufbeschleuniger. »Wenn sie einer besitzt, dann die kleinen, grünen Männchen vom Mars.« »Sehr wohl, Mylady.« »Die Vorfälle, die uns dieser Schwachkopf erzählt hat, sind doch unerklärbar, oder?« »Im Augenblick sieht es so aus, Mylady.« »Sie glauben nicht an die Marsmenschen, Mr. Parker?« Agatha Simpson sah ihn streng an. »Nicht unmittelbar und direkt, wenn ich es so ausdrücken darf, Mylady.« »Sie werden sich noch wundern, Mr. Parker. Und wie sieht Ihre Theorie aus? Ich darf doch wohl sehr hoffen, daß Sie eine vorzuweisen haben, oder?« »Wie die berichteten Dinge geschehen, vermag ich im Moment nicht zu sagen, Mylady, doch möchte ich davon ausgehen, daß sie das Vorspiel zu einem besonders raffinierten Gangsterstück sein dürften.« »Aha! Und was wollen diese Gangster hier oben erbeuten? Eine lächerliche Bankfiliale ausnehmen? Oder Seefische rauben?« »Man sollte sich wohl in der Tat ein wenig um die AtomVersuchsstation kümmern.« »Soweit pflichten Sie mir also bei?« »Ich bin so kühn, Mylady.« »Wenigstens etwas«, stellte die resolute Dame zufrieden fest. »Und an die Marsmenschen werden Sie auch noch glauben, verlassen Sie sich darauf. Was werden wir also unternehmen?« »Falls Mylady einverstanden sind, werde ich einen Mietwagen besorgen, um ein wenig unabhängiger zu sein.« »Einen Jeep und eine Limousine«, entschied die ältere Dame. »Ich werde mich jetzt aufs Ohr legen. Der Flug hat mich angestrengt. Kindchen, Sie können sich auch ein wenig die Füße vertreten. Vergessen Sie dabei aber nicht, die Augen offenzuhalten!« Agatha Simpson stieg aus ihrem derben Tweedkostüm, streifte sich einen bequemen Ankleidemantel über und legte sich aufs Bett. Natürlich hatte der Flug sie überhaupt nicht angestrengt. Sie wollte nur allein sein, um sich die Dinge noch mal in aller Ruhe
durch den Kopf gehen zu lassen. Sie war sicher, einer echten Sensation auf der Spur zu sein. Diese Tatsachen waren fast zu einmalig und zu gut für einen Bestseller. Die Erde wurde also doch von Außerirdischen besucht, daran zweifelte sie nicht länger. Behauptungen dieser Art waren im Lauf der Jahre immer wieder laut geworden, die Propheten dieser Meinung aber waren stets verlacht worden. So sollte es zum Beispiel keine Ufos geben. Lady Agatha war da allerdings erheblich anderer Meinung. Schon wegen der unvorstellbaren Entfernungen im All sollte es Außerirdischen unmöglich sein, der Erde einen Besuch abzustatten. Agatha Simpson fand diese Behauptung ihrerseits lächerlich. Die Menschen dachten eben nur in Begriffen, die ihnen selbstverständlich waren. Sie konnten sich wohl überhaupt nicht vorstellen, daß es Techniken und Möglichkeiten gab, die mit dieser irdischen Welt nichts zu tun hatten. Agatha Simpson besaß Phantasie und Optimismus. Sie hoffte, schon recht bald Kontakt mit den kleinen, grünen Männchen herstellen zu können. Sie war bereit, sie vorurteilslos zu empfangen, an ihr sollte es nicht liegen. Sie nickte ein wenig ein und versäumte so, ihre Vorurteilslosigkeit beweisen zu können. Von der Veranda her betrat nämlich ein seltsam anzuschauendes Wesen ihr Zimmer und ließ sich am Fußende des Bettes nieder. * Kathy Porter hatte ihre Badesachen mitgenommen und war zum Strand gegangen. Nicht weit vom Fischereihafen entfernt hatte sie ein ruhiges und beschauliches Fleckchen Erde entdeckt, das von der Kleinstadt aus nicht eingesehen werden konnte. Baden konnte sie hier allerdings nicht, dazu war die Brandung doch zu heftig. Aber sie lag im warmen Sand der Vorklippen auf dem Bauch und genoß die Wärme der spätsommerlichen Sonne. Kathy zuckte unwillkürlich zusammen, als plötzlich ein kleiner Gegenstand – auf ihrem Rücken landete, wahrscheinlich ein Stein, den irgend jemand nach ihr geworfen hatte. Sie richtete sich auf, schaute sich nach allen Seiten um und ließ
sich wieder nieder. Eigenartigerweise dachte sie sofort an die Männchen, von denen Lady Agatha gesprochen hatte. Die Bemerkungen der älteren Dame hatten sich ihr eingeprägt. Sofort richtete sie sich wieder auf und fühlte sich zwischen den Klippen unbehaglich. Sie kam sich einsam und verloren vor. Wenn hier etwas passierte, würde man weit und breit nichts hören. Sie griff nach ihren Jeans und ihrer Bluse, wollte sich ankleiden und sah sich dann zwei Männern gegenüber, die eindeutig nicht vom Mars stammten. Sie machten bereits auf den ersten Blick hin einen recht unangenehmen Eindruck, waren von durchschnittlicher Größe, vielleicht fünfundzwanzig Jahre alt und hatten freche Augen in rohen Gesichtern. Sie hatten sich ziemlich nahe an sie herangepirscht und aufgestellt. Sie benutzten ihre Blicke, um Kathy den knapp sitzenden Bikini auszuziehen. Agatha Simpsons Gesellschafterin hatte sich inzwischen wieder beruhigt. Da sie es nicht mit kleinen grünen Männchen zu tun hatte, brauchte sie kaum Angst zu haben. »Hallo, Süße«, grüßte der kompaktere der beiden Männer vertraulich und grinste. »Wie wär’s denn mit ‘nem kleinen Picknick?« fragte der zweite Mann. Er stieg über einen abgeschliffenen Felsen und kam langsam auf Kathy zu. Sie machte keineswegs einen mutigen Eindruck und erinnerte an ein sehr scheues und ängstliches Reh. Als sie zurückwich, fühlten die beiden Helden sich ermuntert und rückten Kathy noch näher auf den Leib. »So jung kommen wir doch nie wieder zusammen«, meinte der erste Mann jetzt. »Hier sind wir doch ganz unter uns«, erinnerte der zweite Mann, »kein Mensch kann uns sehen oder hören.« »Was wollen Sie von mir?« Kathy Porter konnte nicht mehr weiter zurück. Ihr Rücken berührte bereits einen riesigen Steinwürfel. »Wirst du gleich sehen«, lautete die Antwort des ersten Mannes. »Kommst du in der Verpackung nicht um vor Hitze?« erkundigte sich der zweite Mann grinsend, »mach’s dir doch bequem, und zwar schnell!« Zur Unterstreichung seiner Worte zog er plötzlich ein Messer
und fuhr damit gespielt auf Kathy los, die einen leisen Schrei ausstieß. Sie starrte entsetzt auf die Klinge und schien vor Angst umzukommen. »Mach’ schon«, redete der Mann weiter, »oder hast du etwa Angst vor uns?« Nein, Angst hatte Kathy gewiß nicht. Und das sollten die beiden Rowdys bald erfahren. Ohne jede Vorankündigung riß Kathy plötzlich ihr rechtes Bein hoch und traf mit der Fußkante das Handgelenk des überraschten Mannes. Das Messer flog ihm aus der Hand, segelte ein gutes Stück durch die Luft und landete scheppernd auf einem Felsen. Bevor der Mann sich von seiner Überraschung erholte, fing er sich einen gekonnten Handkantenschlag ein. Er verdrehte die Augen, schnappte nach Luft und setzte sich dann in den Sand. Er massierte den Hals und hatte offensichtlich keine Lust mehr, sich mit der jungen Frau zu befassen. »So ist das also!« Der Kompakte hatte schnell begriffen und wich einen Schritt zurück. Er schielte auf seinen Partner hinunter, der immer noch mit Luftschwierigkeiten zu kämpfen hatte und… warf sich dann auf Kathy. Er wollte sie mit einem Fausthieb in den Magen außer Gefecht setzen. Doch er erlebte eine herbe Überraschung. Seine Faust knallte gegen den mächtigen Steinwürfel, was den Fingerknöcheln überhaupt nicht bekam. Der Mann brüllte auf, warf sich herum, ahnte wohl, was jetzt kommen würde, und täuschte sich nicht. Kathy Porters Handkante war bereits unterwegs und fegte den Mann ebenfalls in den Sand. Agatha Simpsons Sekretärin sah auf die beiden Helden hinunter und fragte sich, mit wem sie es da wohl zu tun hatte. Sekunden später geschah etwas, was sie sehr verwirrte. Von irgendwoher war nämlich ein Lachen und Kichern zu hören, nicht besonders laut, aber irgendwie fremd und unheimlich. Kathy wirbelte herum und hielt Ausschau nach der Person, die diese Laute produzierte, doch sie entdeckte nichts. Befand sich noch ein dritter Rowdy in der Nähe? Während sie mit dieser Möglichkeit spielte, wußte sie eigentlich ganz genau, daß das nicht der Fall war. Kathy dachte an Lady Simpsons Behauptung, wonach Außerirdische in der Nähe sein mußten, die vom Mars stammten. Hastig kleidete sie sich an. Als sie eilig wegging, machte sie
noch eine zusätzliche Beobachtung, die sie nicht vergaß. Die beiden am Boden liegenden Männer wurden nämlich plötzlich mit Sand beworfen, der aus dem Nichts kam. Unsichtbare Hände schienen das zu besorgen. * Josuah Parker fühlte sich ein wenig belästigt. Er hatte pflichtgemäß einen Jeep und eine Rover-Limousine gemietet und verabredet, daß die beiden Wagen zum Hotel gebracht wurden. Zu Fuß durchschritt er die kleine Stadt und sah sich die alten Bauten an. Hin und wieder betrat er ein Geschäft und tätigte kleinere Einkäufe. Parker ergänzte damit die Vorräte in seinem Spezialkoffer. Er war der Ansicht, daß ungewöhnliche Gegner nur mit ungewöhnlichen Mitteln bekämpft werden konnten. Natürlich dachte er über Lady Simpsons Theorie nach. Es war schon mehr als rätselhaft, was sich da bisher ereignet hatte. Parker sah sich jedoch außerstande, Lady Simpsons Vorstellungen zu folgen. Butler Parker hielt sich immerhin für aufgeklärt und war mit mehr als nur laienhaften Kenntnissen in der Physik vertraut. Für seine Begriffe war es so gut wie ausgeschlossen, daß Außerirdische sich auf diesem Planeten eingefunden haben sollten. So etwas konnte er sich einfach nicht vorstellen! Vom Mars konnten diese von Lady Agatha angenommenen kleinen und grünen Männchen schon gar nicht stammen. Dieser Planet barg, wenn überhaupt, nur sehr wenig organisches Leben in Form von vielleicht Moosen, Flechten und Algen. Daß dort intelligente Wesen leben sollten, hielt der Butler für ausgeschlossen. Und dennoch, hier an der Nordküste Schottlands hatte man es seit anderthalb Wochen mit übernatürlichen Phänomenen zu tun, wie Peter B. Morgan ausführlich berichtete. Normale Erklärungen für diese geheimnisvollen Zwischenfälle gab es nicht. Sollte es irgend einem Bastler oder Wissenschaftler gelungen sein, neue Tore aufzustoßen? Experimentierte dieser Professor Leslie Toycraft mit Kräften, die noch unbekannt waren? Parker hielt es für durchaus angebracht, diesem Wissenschaftler einen Besuch abzustatten.
Parker fühlte sich immer noch belästigt. Er hatte das sichere Gefühl, beobachtet und verfolgt zu werden. Er blieb also wieder mal vor einem Schaufenster stehen und sah sich die Auslage an. Dabei beobachtete er verstohlen die Passanten, die an ihm vorüberschritten. Sie alle machten einen unverdächtigen Eindruck und schienen sich für ihn überhaupt nicht zu interessieren. Als Parker weitergehen wollte, rutschte ihm plötzlich die Melone in die Stirn. Sie schien von hinten nach vorn gekippt worden zu sein – und zwar durch eine Hand. Parker drehte sich etwas schneller als gewöhnlich um, doch er bemerkte nichts. Er setzte sich also die Melone wieder zurecht und schritt gemessen weiter. Schon nach wenigen Metern rutschte ihm die Melone erneut in die Stirn. Das war albern und unheimlich zugleich. Irgend jemand schien sich einen Spaß mit ihm zu machen. Waren das die vagen Schemen, die er vor dem Farmhaus draußen im Gelände gesehen zu haben glaubte? Revanchierten sie sich damit für den Zigarrenqualm? Ein anderer Mensch als Parker wäre wahrscheinlich in Panik geraten, nicht aber er. Der Butler akzeptierte diese Vorgänge, als seien sie selbstverständlich. Fest stand für ihn jetzt, daß diese Vorgänge von Wesen ausgelöst wurden, die sich offenbar unsichtbar machen konnten. Das war eine echte Sensation! Butler Parker ließ sich auch ein drittes Mal die Melone in die Stirn drücken, ohne darauf zu reagieren. Er schritt aber listigerweise auf eine schmale Gasse zu, in der man unter sich sein würde. Er hatte nicht die Absicht, sich weiterhin belästigen zu lassen. Parker war ein wehrhafter Mann, wenn es sein mußte. Zudem besaß er einen Regenschirm, der es im wahrsten Sinn des Wortes in sich hatte! * Agatha Simpson war plötzlich hellwach. Sie schlug die Augen auf und entdeckte auf dem Fußende ihres Bettes so etwas wie eine Gestalt, die aber nur in vagen Umrissen zu erkennen war. Diese Gestalt mochte zwischen hundert und
hundertzwanzig Zentimeter groß sein. Wie sie gekleidet war, wie sie im einzelnen aussah, war leider nicht auszumachen. Sie bestand nur aus Konturen, die eine Art Körper andeuteten. Lady Simpson hatte so etwas in ihrem Leben noch nie gesehen. Es schien sich um eine Art Riesenamöbe zu handeln, oder gar um eine Birne, oben schmal und sich verjüngend, unten breit und sackartig. Diese Amöbe hatte natürlich mitbekommen, daß Lady Simpson erwacht war. Die Konturen verblaßten sofort und liefen ineinander über. »Was soll denn das?« fragte Agatha Simpson gereizt. »Sie benehmen sich sehr albern.« Die Konturen pulsierten und wurden wieder stärker. Die Lady richtete sich auf und nickte zufrieden. »Und nun möchte ich wissen, was Sie wollen«, redete sie weiter, als sei diese Erscheinung die selbstverständlichste Sache der Welt. »Nehmen Sie übrigens gefälligst Gestalt an, wenn Sie mit einer älteren Dame reden.« Die Konturen wurden wieder fließend und zogen sich zusammen. Die Amöbe wurde zu einer Art zylindrischen Röhre, womit Agatha Simpson allerdings auch nicht zufrieden war. »Entscheiden Sie sich gefälligst«, herrschte sie das Wesen an, ohne auch nur die Spur von Angst oder Entsetzen zu zeigen. Sie war schon eine sehr ungewöhnliche Frau. Um ihren Kreislauf in Ordnung zu halten, gestattete sie sich einen doppelten Kognak und stand dann auf. Als sie sich dem Bettende näherte, wurde die zylindrische Röhre wieder zu einer Art Riesenbirne, die schleunigst zur Seite glitt. Das fremde Wesen schien von der imposanten Gestalt der Dame sehr beeindruckt zu sein. »Ich habe Sie etwas gefragt«, raunzte Lady Simpson ihren Gast an, »kommen Sie gefälligst zur Sache, wir wollen die Zeit nicht mit Mätzchen vertrödeln.« Die Riesenbirne floß wieder auseinander und wurde undeutlich. Agatha Simpson schaute verärgert zu. Erstaunlicherweise bezwang sie jedoch ihren Unmut, was an sich schon sehr viel zu bedeuten hatte. Sie wollte diese Riesenamöbe nicht erschrecken und verschwinden lassen. Noch hatte sie ja überhaupt nichts erfahren. »Kommen Sie vom Mars?« Die Amöbe pulsierte mit ihren Konturen, aber Lady Agatha konnte dem nicht entnehmen, ob das als zustimmende oder
verneinende Antwort zu gelten hatte, »Ihre Möglichkeiten scheinen beschränkt zu sein«, stellte sie grimmig und ein wenig verächtlich fest, »einigen wir uns erst mal auf gewisse Spielregeln. Falls Sie zustimmen, könnten Sie sich deutlicher machen, falls nicht, schwächer. Haben Sie das endlich begriffen? Du lieber Himmel, von welchem Stern kommen Sie eigentlich? Wie verständigen Sie sich untereinander?« Das seltsame Wesen war restlos überfordert. Es verstärkte seine Konturen, die dann sofort wieder schwächer wurden. Für Bruchteile von Sekunden war von dem Wesen sogar überhaupt nichts mehr zu sehen. »Stammen Sie vom Mars?« fragte Lady Simpson noch mal. »Wenn Sie zustimmen, dann werden Sie gefälligst erkennbar!« Ihre rauhe Stimme wirkte auf das Wesen stimulierend. Es wurde in seinen Konturen schwächer. »Also nicht vom Mars?« Die Konturen verstärkten sich augenblicklich. »Na, also«, sagte die Detektivin zufrieden. »Sie scheinen endlich kapiert zu haben. Sind Sie ein außerirdisches Wesen?« Die Konturen waren jetzt wie dicke Tuschestriche zu erkennen. Der Eindruck einer Amöbe verstärkte sich dadurch zusätzlich. »Können Sie nicht sprechen?« Die Amöbe produzierte plötzlich eine Art Kichern, das schadenfroh klang. Die Umrisse des Wesens wurden wieder schwächer und waren nur noch in Andeutungen und mit viel Phantasie zu erkennen. Agatha Simpson wollte gerade ein wenig heftiger reagieren, als angeklopft wurde. »Wer ist da?« fragte sie gereizt. »Kathy Porter, Mylady.« »Warten Sie, ich öffne.« Die Sechzigjährige rauschte in wehendem Mantel zur Tür, schloß auf und ließ Kathy eintreten. Sie sah ihre Sekretärin und Gesellschafterin bedeutungsvoll an. »Es ist hier«, flüsterte sie dann, »es sitzt auf dem Bettende.« »Wer sitzt dort, Mylady?« Kathy sah schleunigst in die angegebene Richtung. »Es«, erwiderte Lady Simpson ungeduldig. »Sehen Sie denn nicht die Konturen?« Kathy sah überhaupt nichts und roch nur sehr deutlich, daß Agatha Simpson sich einen weiteren Kreislaufbeschleuniger
genehmigt hatte. »Jetzt ist es weg«, bedauerte die Lady. »Warum mußten Sie auch ausgerechnet jetzt kommen, Kindchen? Sie haben meinen Gast vertrieben.« »Tut mir leid, Mylady«, erwiderte Kathy. »Haben Sie erkennen können, wie es aussah?« »Wie eine Birne. Oder wie eine riesige Amöbe«, antwortete Lady Simpson. »Und ich verbitte mir diesen Blick, Kindchen. Sie glauben doch nicht etwa, daß ich beschwipst bin, oder?« * Butler Parker war fest entschlossen, sich nicht länger belästigen zu lassen. Ihm war vollkommen klar, daß dieses Etwas schon recht bald wieder seine schwarze Melone kippen würde. Da er dieses Etwas weder sehen noch hören konnte, mußte er es auf einen Versuch ankommen lassen. Vielleicht hatte er dabei Glück und konnte dieses geheimnisvolle Etwas sogar demaskieren. Er befand sich inzwischen in der schmalen Gasse, die links von der Mauer einer Fischkonservenfabrik und rechts von einem hohen Zaun begrenzt wurde. Passanten waren im Moment nicht zu entdecken. Josuah Parker spürte plötzlich eine leichte Bewegung am hinteren Rand seiner Melone. Er beugte sich überraschend schnell nach vorn und stach gleichzeitig mit der Zwinge seines UniversalRegenschirms nach hinten. Wer immer sich auch dort befand, er mußte von der Schirmspitze nachdrücklich gekitzelt werden. Der Erfolg war frappierend. Parker hörte hinter sich ein Quieken, zwar spitz und schrill, aber nicht besonders laut. Er war sicher, daß sein Regenschirm keine Materie berührt oder durchbohrt hatte. Dennoch war dieses eigenartige Quieken zu hören gewesen. Sekunden später erhielt er eine nachdrückliche Quittung für seinen Überraschungsangriff. Etwas Schweres legte sich kraftvoll auf die Wölbung seiner Melone, die ihm tief in die Stirn getrieben wurde. Parker verlor die Sicht und kam sich recht hilflos vor. Er hatte seine liebe Mühe und Not, die Melone wieder nach oben zu
schieben. Er mußte sich dazu gehörig anstrengen. Als er es geschafft hatte, war er ein wenig beschämt. Er hatte sich lächerlich gemacht. Noch steifer und gemessener als sonst schritt Parker weiter. Er hatte jedoch keineswegs aufgesteckt. Ein Mann wie er war nicht auf Anhieb außer Gefecht zu setzen. Der Butler fingierte nach einem seiner zahlreichen Kugelschreiber, verdrehte die beiden Hälften gegeneinander und wartete auf seine Minute. Durch das Verdrehen der Kugelschreiberhälften hatte er das Gerät aktiviert. Es handelte sich selbstverständlich nicht um einen echten Kugelschreiber, es war eine nur geschickt getarnte Verteidigungswaffe. Nach ein paar Sekunden schmetterte der Butler diese Verteidigungswaffe aufs Pflaster und beeilte sich, aus dem Dunstkreis der hochschießenden Rauchwolke zu kommen. Das hatte seinen guten Grund, denn die Rauchwolke enthielt eine Chemikalie, die die Schleimhäute der Atemwege nachdrücklich reizte. Bruchteile von Sekunden später war eine Art bellendes Husten zu hören, das aus der sich ausbreitenden Rauchwolke kam. Der Wind stand günstig, Parker brauchte sich nicht weiter in Sicherheit zu bringen. Er beobachtete die leider undurchsichtige Nebelwolke und wartete darauf, daß der Hustende sich endlich zeigte. Das war aber leider nicht der Fall. Parker mußte schließlich aufgeben. Dennoch erfüllte ihn ein sanftes Glücksgefühl. Es war ihm immerhin gelungen, sich für den derben Scherz zu revanchieren. Er war diesem Etwas nichts schuldig geblieben. Es dauerte nicht lange, bis die Rauchwolke sich verzogen hatte, doch zu sehen war auf den ersten Blick nichts. Parker ging noch mal zurück und untersuchte das Pflaster. Er wollte sich bereits enttäuscht abwenden, als er in der Gosse einen kleinen Gegenstand ausmachte, der ihn größenmäßig an eine Streichholzschachtel erinnerte. Er beugte sich vor, um ihn näher in Augenschein zu nehmen. Diese kleine Schachtel bestand offensichtlich aus einem glänzenden Metall, das in der Farbe an Aluminium erinnerte. Parker berührte sie mit der Zwinge seines Universal-Regenschirms und wendete sie vorsichtig um. Auch hier war sie auf der Oberseite glatt poliert. Um was mochte es sich handeln?
Parker war sicher, daß dieser Gegenstand eben noch nicht in der Gosse lag. Dieses hustende Etwas mußte ihn verloren haben. Der Butler hob ihn auf und wog ihn in der Hand. Der Gegenstand war nicht besonders schwer und schien ungefährlich zu sein. Während seiner Beschäftigung mit diesem Gegenstand waren einige Passanten näher gekommen. Sie blieben plötzlich stehen, fuhren überrascht zurück und rannten weg, als säße ihnen der Teufel im Nacken. »Sehr ungewöhnlich«, murmelte der Butler irritiert. »Ich scheine neuerdings Entsetzen auszulösen.« Er beeilte sich, die Gasse zu verlassen. Er hatte die Verbindungsstraße noch nicht ganz erreicht, als seine Hand plötzlich hochgeschlagen wurde. Der glänzende Gegenstand flog ein gutes Stück durch die Luft und… war dann plötzlich nicht mehr zu sehen. Parker war überzeugt, daß unbekannte Wesen ihm diesen Gegenstand wieder abgenommen hatten. Er mußte für sie wichtig genug sein. Zu sehen war allerdings nichts. Parker schüttelte den Kopf und verzichtete darauf, einen weiteren Kugelschreiber zu öffnen. Noch mal würde es ihm sicher nicht gelingen, solch einen Gegenstand zu erbeuten. An der Straßenecke prallte er mit einem Polizisten zusammen, der ihn mißtrauisch und auch irgendwie streng anschaute. Hinter diesem Beamten hatten sich einige furchtsam aussehende Passanten versammelt. Einer von ihnen deutete auf den Butler. »Das ist er«, sagte er vorsichtig, »das ist er, Officer.« »Was kann ich für Sie tun?« erkundigte sich Josuah Parker und lüftete höflich seine Melone. Er konnte sich nicht vorstellen, weshalb er die Aufmerksamkeit des Polizeibeamten erregt hatte. Der Beamte schien es nicht genau zu wissen. Er wandte sich an die hinter ihm stehenden und sehr aufgeregten Passanten. »Ich sehe nichts«, meinte er dann ratlos. »Ja, jetzt nicht«, sagte einer der Männer hinter ihm, »aber eben, da hätten Sie überhaupt nichts gesehen.« »Doch, etwas schon«, widersprach eifrig eine Frau mittleren Alters, während sie den Butler mißtrauisch musterte, »da konnte man von ihm nur den Oberkörper sehen.« »Sollte ich mich möglicherweise verhört haben?« erkundigte sich Butler Parker, der automatisch an die kleine Schachtel dachte, die er in der Gosse gefunden hatte.
»Er kann sich unsichtbar machen«, behauptete der Mann. »Nur halb«, widersprach die Frau erneut, womit sie ihren kritischen Sinn bewies, »nur halb.« »Aber nur sonntags«, sagte Parker gemessen und höflich. »Ich denke, Sie werden kaum etwas dagegen haben, daß ich mich entferne, nicht wahr?« Der Polizist hatte tatsächlich nichts dagegen. Josuah Parker lüftete höflich seine schwarze Melone und schritt nachdenklich zum Hotel zurück. * »Und so etwas lassen Sie sich so einfach aus der Hand nehmen?« Agatha Simpson sah ihren Butler, der gerade seine Geschichte erzählt hatte, vorwurfsvoll und empört zugleich an. »Es wurde mir aus der Hand geschlagen«, korrigierte Parker würdevoll. »Papperlapapp«, ärgerte Lady Agatha Simpson sich weiter. »Konnten Sie denn nicht besser aufpassen? Wissen Sie, was Sie da in der Hand hatten?« »Ein Schächtelchen aus Metall. Mylady, wenn ich mich recht erinnere.« »Das Geheimnis der Unsichtbarkeit«, erwiderte die Detektivin empört. Ihr gewaltiger Busen wogte. »Möglicherweise, Mylady«, gab Parker zurück, »mit letzter Sicherheit ist das nicht zu sagen.« »Und warum waren Sie nur halb zu sehen?« »Es muß sich um eine Sinnestäuschung der Passanten gehandelt haben, wenn ich das so interpretieren darf.« »Sie waren unsichtbar«, stellte Agatha Simpson fest. »Wenigstens bis zur Taille. Die Leute können sich doch unmöglich geirrt haben.« »Eine Art Massensuggestion vielleicht, Mylady.« »Und welcher Massensuggestion unterlag ich, Mr. Parker?« »Mylady sahen eine Art Riesenamöbe, wenn ich richtig verstanden habe.« »Oder eine riesige Birne, die dauernd ihre Form änderte. Aber das habe ich Ihnen doch schon alles erzählt. Glauben Sie jetzt
endlich, daß wir es mit Außerirdischen zu tun haben?« »Bevor man sich endgültig festlegt, Mylady, sollte Professor Toycraft vielleicht ein Besuch abgestattet werden.« »Das hat Kathy bereits arrangiert. Er erwartet uns in zwei Stunden. Ich bin gespannt, was er zu diesen Dingen sagen wird.« Parker empfahl sich, da seine Herrin noch gründlich nachdenken wollte. Parker verließ ihr Zimmer und ging hinaus in den Korridor, wo Kathy Porter ihn bereits erwartete. »Nun?« fragte sie, »welchen Eindruck hatten Sie, Mr. Parker?« »Mylady machte einen völlig normalen Eindruck, Miß Porter.« »Aber sie hat doch ein wenig zuviel getrunken, oder?« »Das, Miß Porter, möchte ich doch sehr lebhaft bezweifeln«, gab der Butler zurück. »Mylady zeichnet sich durch ein immer wieder staunenswertes Stehvermögen aus, wenn ich es so umschreiben darf.« »Was soll man nun glauben, Mr. Parker? Kommen Sie für einen Moment mit in mein Zimmer?« »Nur, wenn ich nicht inkommodiere, Miß Porter.« »Glauben Sie an außerirdische Wesen, Mr. Parker?« fragte sie ihn rundheraus, als sie zu zweit ihr Zimmer betraten. »Es mag sie durchaus geben, Miß Porter. Nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit befinden sich allein in unserer Galaxis…« »Ich meine, gibt es sie hier bei uns?« »Ich würde diese Frage verneinen, Miß Porter, um völlig ehrlich zu sein.« »Aber was war dann das mit Ihnen? Wieso waren Sie bis zur Hälfte unsichtbar?« »Ein hypnotischer Trick, eine Massensuggestion.« »Und warum das ausgerechnet in dieser völlig unwichtigen Stadt? Wer könnte ein Interesse daran haben?« »Das, Miß Porter, sollte so schnell wie möglich herausgefunden werden.« »Und wen habe ich draußen am Strand kichern hören? Ich weiß, daß es nicht von einem Menschen stammte.« »Eine Täuschung Ihrer wahrscheinlich erregten Sinne, Miß Porter.« »Nein, nein, Mr. Parker, das ist es nicht gewesen. Es war ja nicht nur das Kichern. Die beiden Rowdys wurden ja auch noch mit Sand beworfen, so aus dem Nichts heraus. Es müssen unsichtbare Hände getan haben. Ich weiß genau, daß ich mich
nicht getäuscht habe.« »Sie sehen einen ratlosen, alten, müden und relativ verbrauchten Mann vor sich«, gestand Josuah Parker offen. »Ich fürchte, daß ich eines Tages mein sehr persönliches Weltbild revidieren muß.« * Der Arbeitsort des Professors war recht beeindruckend. Es handelte sich um das Castle Libstair, ein sehr altes Gemäuer in den Loyal Bergen. Josuah Parker saß am Steuer des Jeep, Lady Simpson neben ihm und Kathy Porter auf dem Rücksitz. Sie hatten die Küstenstraße, eine Landstraße und einen noch recht befahrbaren Feldweg längst hinter sich und schaukelten über eine Art Saumpfad auf das Castle zu. Das alte Gemäuer lag auf einem kleinen Plateau, das sich inmitten eines kleineren Sees befand. Eine Steinbrücke führte zum Schloßeingang. Die Zugbrücke war einladend heruntergelassen worden. Der Jeep hatte sich der Steinbrücke noch nicht ganz genähert, als plötzlich ein helles Sirren zu vernehmen, war. Ein zumindest ungewöhnlich großes Insekt schien es zu verursachen. Es klang nach einer Hornisse, wenn Parker nicht alles täuschte. Er hatte sich nicht getäuscht. Es handelte sich tatsächlich um ein Insekt. Es kam um den Schloßturm herum und nahm direkt Kurs auf den Jeep. Es besaß die Größe einer ausgewachsenen Wildgans und war von schwarzgelber Farbe. »Was hat denn das zu bedeuten?« fragte Agatha Simpson beeindruckt. Parker verzichtete auf eine Antwort, da er es schließlich auch nicht wußte. Sicherheitshalber aber minderte er die Geschwindigkeit des Wagens und ließ das >Insekt< nicht aus den Augen. Es war schon recht nahe heran und wollte ganz eindeutig den Jeep und seine Insassen angreifen. Sekunden später war es bereits soweit. Das »Insekt«, dessen schwirrende Flügel zu sehen waren, kippte nach links ab und sirrte im Sturzflug auf den Jeep herunter. Parker bremste und griff nach seinem Regenschirm. Er war bereit, diesem unqualifizierten Angriff energisch zu begegnen. »Guten Tag, die Herrschaften.« quäkte das >Insekt< in diesem
Augenblick und zog gleichzeitig wieder steil hoch gen Himmel. »Sehr albern«, stellte Agatha Simpson erleichtert fest. »Ein ferngesteuertes Fluggerät«, erklärte Parker, der nicht weniger erleichtert war, es jedoch nicht zeigte, »es dürfte sich wahrscheinlich um einen mechanischen Scherz Professor Toycrafts handeln.« Das >Insekt< schwirrte bereits wieder zurück zum Schloß und verschwand hinter dem Turm. Parker setzte den Jeep in Bewegung und rollte über die Steinbrücke auf den Eingang zu. »Schon wieder ein Spielzeug?« Agatha Simpson deutete mit dem Stiel ihrer Lorgnette auf das unheimliche Wesen, das aus dem Torbogen schritt, roboterhaft, schier unaufhaltsam und bedrohend. Es handelte sich tatsächlich um einen Roboter. Er mochte gut und gern zweieinhalb Meter groß sein, bewegte sich auf röhrenartigen Beinen mit Kniescharnieren und auf Füßen, die an kleine Kähne erinnerten. Dieser Roboter breitete seine langen und massigen Arme schrankenartig aus und baute sich knapp vor der Fallbrücke auf. Signallampen, die ihm wohl als »Augen« dienten, glühten abwechselnd auf und verloschen wieder. Auf dem Kopf drehte sich eine Art Miniatur-Radarantenne. »Professor Toycraft entbietet Ihnen seine herzlichen Grüße«, posaunte das Monstrum blechern. »Wenn Sie mir bitte folgen wollen.« »Haben Sie Dynamit mitgenommen?« erkundigte sich Agatha Simpson leise bei ihrem Butler. »Haben wir es mit einem Verrückten zu tun?« »In jedem Fall mit einem äußerst begabten Bastler und Mechaniker«, antwortete Parker, der sich nicht gern festlegen wollte, was den Geisteszustand des Professors anbetraf. »Man sollte der Einladung wahrscheinlich Folge leisten.« Agatha Simpson machte einen leicht grimmigen Eindruck. Es war ihr anzusehen, daß sie Spielereien dieser Art nicht schätzte, wenigstens nicht jetzt, heute und hier. Parker übernahm die Führung und folgte dem Roboter, der bereits zurück in den Torbogen stampfte. Kathy Porter und Lady Simpson folgten wiederum dem Butler. Die Prozession erreichte ohne weitere Überraschungen den engen Hof des Castle. »Was für eine Freude«, war plötzlich eine etwas zu helle
Männerstimme zu vernehmen. »Mit Ihrem Besuch, Lady Simpson, hatte ich allerdings nicht gerechnet.« »Wo stecken Sie, Professor?« fragte die resolute Dame mit ihrer dunkelsten Stimme, die ihr zur Verfügung stand. »Hier, Lady Simpson.« Die Detektivin fuhr herum und sah sich einem ungewöhnlich kleinen Mann gegenüber, der vielleicht sechzig Jahre alt war. Er trug einen passenden Laborkittel und amüsierte sich über die Überraschung, die er ausgelöst hatte. »Professor Toycraft?« Agatha Simpson musterte ihr Gegenüber streng. »Zu Ihren Diensten, Mylady«, antwortete der kleine Mann, der einen schwarzen Spitzbart trug, was ihm fast schon so etwas wie ein magisches Aussehen verlieh. Hinzu kamen seine schwarzen Augen, von denen eine zwingende Wirkung ausging. »Miß Porter, Mr. Parker«, stellte Agatha Simpson ihre beiden Begleiter vor. »Sie beschäftigen sich mit Spielzeug, Professor?« »Unter anderem, Mylady, der Mensch braucht seine Entspannung, ohne die Kreativität unmöglich ist.« »Und Sie sind kreativ?« fragte die Sechzigjährige sehr ungeniert weiter. Wenn es sein mußte, konnte sie mit einigen Türen zugleich ins Haus fallen und stellte sogar den sprichwörtlichen Elefanten im Porzellanladen in den Schatten. »Mit anderen Worten, Sie wollen wissen, ob ich über Wunderstrahlen verfüge?« Professor Toycraft sah seine Besucherin listig an. »Haben Sie sie?« Agatha Simpson war für Direktheit. Auf höfliche Floskeln verzichtete sie. »Darf ich Sie erst einmal ins Haus bitten?« Professor Toycraft wartete nicht ab, ob man ihm auch folgte. Mit kleinen, schnellen Schritten trippelte er voraus und hielt auf eine eisenbeschlagene Tür zu, die sich am Fuß des alten Wehrturms befand. »Er wirkt ein wenig exzentrisch«, flüsterte Kathy Porter dem Butler zu. »Genies können sich das wohl leisten«, gab der Butler zurück. Er mußte sich beeilen, wenn er den Anschluß nicht verlieren wollte. Lady Simpson blieb dem kleinen Professor nämlich dicht auf den Fersen und bemühte ihre strammen Waden. Professor Toycraft blieb im Erdgeschoß des Turms stehen und wartete, bis seine Gäste neben ihm waren. Dann klatschte er
leicht in die Hände, worauf sich die Tür schloß. Sekunden später – der Professor hatte sich betont geräuspert – senkte sich der Steinboden, auf dem sie standen, sehr schnell nach unten ab. »Ein Fahrstuhl«, erläuterte Professor Toycraft. »Ich möchte meinen Gästen unnötiges Treppensteigen ersparen.« »Ihre Hexenküche befindet sich im Keller?« fragte Lady Simpson grimmig. Ihr schien die ganze Richtung nicht zu passen. Sie schickte ihrem Butler einen warnenden Blick zu. Sie war wohl der Überzeugung, daß Professor Toycraft nicht ganz richtig im Kopf war. Die Hexenküche entpuppte sich auch zu Parkers Überraschung als ein sehr modernes Labor, wie er es hier unten nie erwartet hätte. Gewiß, es handelte sich zwar um sicher sehr alte Gewölbe, doch sie waren mit großem Aufwand hergerichtet worden. »Das beruhigt mich wieder«, sagte Agatha Simpson zu Professor Toycraft. »Sie halten mich für verrückt?« Toycraft lächelte verschmitzt. »Nicht direkt«, antwortete die ältere Dame burschikos. »Ist das eine Art Elektrolabor?« »So darf ein Laie es ausdrücken«, entgegnete Toycraft. »Ich experimentiere mit Laser, also durchaus mit Strahlen, wenn Sie so wollen. Das erfordert natürlich einigen Aufwand.« Kathy Porter schaute sich neugierig um wie Parker, der mit einigen Geräten durchaus etwas anzufangen wußte. Sie zuckte zusammen, als sie dann für einen Augenblick hinter eine Säule jene beiden Männer zu entdeckten glaubte, die sie am Strand in den Sand geschickt hatte. * »Wunderstrahlen gibt es natürlich nicht«, meinte Professor Leslie Toycraft eine halbe Stunde später, als sie mit dem Fahrstuhl wieder hinauf ins eigentliche Schloß gefahren waren. Er hatte seinen Besuchern ausgiebig sein reichhaltig ausgestattetes Labor gezeigt und führte sie dann in einen riesigen Wohnraum, der im Gegensatz dazu recht spärlich eingerichtet war. »Es gibt nur Strahlen auf der Basis bekannter naturwissenschaftlicher Gesetze«, führte der Professor mit seiner etwas zu hohen Stimme weiter aus. »Nehmen wir doch vor dem
Kamin Platz. Kann ich Ihnen etwas anbieten?« »Warum haben Sie uns empfangen?« erkundigte sich Agatha Simpson. »So etwas sollen Sie doch schon seit gut einem Jahr nicht mehr getan haben?« »Ich wollte die Frau kennenlernen, die mir seinerzeit die Forschungsgelder strich«, lautete die amüsierte Antwort des Professors. »Sie bekamen Geld aus meinem Wissenschafts-Fonds?« Agatha Simpson versuchte sich zu erinnern. Ein großer Teil ihrer Einkünfte floß tatsächlich in einen Fonds, aus dem wissenschaftliche Projekte finanziell unterstützt wurden. Sie selbst beteiligte sich an der Verteilung der Zuwendungen nur in seltenen Fällen. An einen Professor Toycraft konnte sie sich nicht erinnern. Oder doch? Es schlug plötzlich bei ihr ein wie ein Blitz. »Wollten Sie nicht so etwas wie diese albernen Todesstrahlen herstellen?« fragte sie. »Ob es alberne Strahlen sind, wird sich noch erweisen.« Professor Toycrafts Gesicht nahm einen leicht ärgerlichen Ausdruck an. »Wollten Sie nicht eine Art Tarnkappe erfinden?« »Wissen Sie denn, ob ich es nicht geschafft habe?« »Wollten Sie nicht Kampfroboter herstellen?« »Sie dürften inzwischen eines meiner Geschöpfe gesehen haben, Lady Simpson.« »Und ging es Ihnen nicht auch noch um sogenannte HypnoStrahlen?« Agatha Simpson hatte wieder alles sehr genau vor sich. Für sie war es damals klar gewesen, daß man es mit einem harmlosen Verrückten zu tun hatte. Die finanzielle Unterstützung war dem Institut des Professors gestrichen worden. Sie selbst hatte seinerzeit darauf bestanden. Es war ihr wichtiger gewesen, medizinische Forschungen zu unterstützen. »Sie sind dennoch erfolgreich geworden, Professor?« schaltete sich Josuah Parker ein, der den kleinen Mann sorgfältig beobachtet hatte. »Ich fand andere Geldgeber und bin erfolgreich«, gab Professor Toycraft zurück. »Ist es nun ein Zufall oder Absicht, daß man mich aufsuchte?« »Absicht«, erklärte Agatha Simpson. »Wissen Sie überhaupt, was sich außerhalb dieses Gemäuers draußen abspielt?«
»Ich verlasse mein Schloß nur selten. Was geht draußen vor?« »Außerirdische sind gelandet«, platzte die resolute Dame heraus mit ihrer Ansicht der Dinge. »Und Ihnen ist das wirklich entgangen?« Professor Toycraft sah Agatha Simpson ein wenig irritiert an und räusperte sich dann nachhaltig. »Außerirdische?« wiederholte er vorsichtig. »Menschen von einem anderen Planeten?« »Natürlich, woher denn sonst? Sie waren noch nicht hier bei Ihnen, Professor?« »Bis jetzt noch nicht«, bedauerte Toycraft in einem Ton, als habe er es mit einer an sich harmlosen Irren zu tun, »aber sie werden sicher noch kommen.« »Ich verbitte mir diesen vertraulichen Tonfall«, raunzte Agatha Simpson sofort. »Ich weiß, wovon ich spreche.« »Außerirdische Wesen?« Professor Toycraft ließ diese beiden Worte förmlich auf der Zunge zergehen und schaute dabei den Butler an. »Gewisse Vorfälle lassen zumindest auch diesen Schluß zu«, erwiderte Parker vorsichtig. »Darf ich fragen, ob Ihre Experimente hinsichtlich einer sogenannten Tarnkappe von Erfolg gekrönt waren?« »Kein Kommentar«, lautete die Antwort. »Darf ich mich weiter nach Ihren sogenannten Hypno-Strahlen erkundigen?« »Kein Kommentar.« Professor Toycraft lächelte andeutungsweise und vielleicht auch ein wenig triumphierend. »Darf ich abschließend fragen, warum Sie Mylady empfangen haben?« »Das hat einen sehr einfachen Grund«, erwiderte der Professor und wandte sich seiner Besucherin zu, »ich wollte einer gewissen Lady mal zeigen, daß ich es auch ohne ihr Geld geschafft habe! Sie wird es noch bereuen, in meine Forschungsprojekte nicht eingestiegen zu sein… So, und nun habe ich zu arbeiten.« Es war ein glatter Hinauswurf, und Lady Simpson stand unter Dampf. Sie bemühte sich, nicht zu explodieren. *
»Ich glaube, es war seinerzeit vollkommen richtig, daß diesem Widerling die Forschungsmittel gestrichen wurden.« Agatha Simpson saß grimmig im Jeep und drehte sich jetzt noch mal zum Schloß des Professors um. »Sein Labor ist ungewöhnlich reichhaltig ausgestattet, Mylady«, bemerkte der Butler. »Womit beschäftigt er sich nun wirklich?« wollte Agatha Simpson wissen. »Eindeutig mit Laserstrahlen«, erklärte Parker. »Und was kann man damit bewirken?« »Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig«, erläuterte Parker in seiner gemessenen Art und Weise. »Diese scharf gebündelten Lichtstrahlen, die, um es einfach auszudrücken, durch die ungewöhnlich schnellen Schwingungen eines Kristalls erzeugt werden, sind frappierend energiereich.« »Aha, ich habe kein Wort verstanden.« »Mittels Laser, Mylady, sind sowohl nachrichtentechnische als auch schweißtechnische Spezialprobleme zu lösen.« »Schweißtechnische Probleme?« Agatha Simpson spitzte sichtlich die Ohren. »Feinstbohrungen in Metall, um nur ein Beispiel zu nennen, Mylady.« »Kann man damit auch einen Panzerschrank aufschweißen?« schaltete Kathy Porter sich plötzlich in die Unterhaltung ein. Sie hatte bisher geschwiegen und war sehr nachdenklich gewesen. »In der Tat«, erwiderte der Butler. »Laserstrahlen fressen sich durch Stahl wie durch die sprichwörtliche Butter.« »Die beiden Männer, die mich am Strand belästigten, Mr. Parker, machten auf mich den Eindruck, als stammten sie aus der Unterwelt.« »Lenken Sie nicht vom Thema ab, Kindchen«, meinte die Detektivin. »Diese beiden Männer habe ich in Professor Toycrafts Labor gesehen«, redete Kathy Porter weiter. »Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?« Die resolute Dame strahlte ihre Gesellschafterin wohlwollend an. »Zwei Galgenvögel in Toycrafts nächster Umgebung. Daraus lassen sich Schlüsse ziehen!« »Mylady haben eine Theorie entwickelt?« erkundigte sich der Butler.
»Theorie? Für mich ist das bereits eine Tatsache. Sie brauchen doch nur gewisse Fakten zu addieren, Mr. Parker, aber dazu bedarf es eben der Kombination.« »Wie Mylady meinen.« »Toycraft beschäftigt sich mit Kampfrobotern, Laser und HypnoStrahlen«, faßte die Detektivin begeistert zusammen, »richtig, hinzu kommt doch diese Tarnkappe, die er entwickeln wollte. Für mich sind die Zusammenhänge vollkommen klar.« »Darf ich so kühn sein, Mylady, nach diesen klaren Zusammenhängen zu fragen?« »Toycraft arbeitet für Gangster«, erklärte Agatha Simpson mit Nachdruck, »oder vielleicht auch für eine fremde Macht.« Parker war wieder mal irritiert. Seine Herrin bemerkte das und schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. »Begreifen Sie denn nicht, Mr. Parker? Ob Gangster oder eine fremde Macht, das ist doch in diesem Fall deckungsgleich. Er hat sich kaufen lassen.« »Demnach rechnen Mylady nun nicht mehr mit Außerirdischen?« »Die gibt es selbstverständlich nach wie vor. Könnten sie nicht mit Toycraft unter einer Decke stecken? Haben Sie daran schon mal gedacht? Was Ihnen fehlt, Mr. Parker, ist Phantasie! Toycraft und sein Schloß sind der Anlaufpunkt der Außerirdischen hier auf unsere Erde. Besser und logischer könnten die Dinge sich doch überhaupt nicht zusammenfügen. Geht Ihnen endlich ein Licht auf?« Das. war zwar nicht der Fall, doch Parker konnte noch nicht mal eine höfliche und ausweichende Antwort geben. Plötzlich war wieder die bereits bekannte, helle und schrille Sirene zu vernehmen. Der Butler nahm den Kopf herum und beobachtete das »Insekt«, das da in schneller Fahrt herankam. Wenn ihn nicht alles täuschte, transportierte es unter dem Metalleib einen Gegenstand, der ihn an eine Bombe erinnerte. Im Gegensatz zu Agatha Simpsons Bemerkung hatte Parker durchaus Phantasie. *
»Was haben Sie denn?« wollte die Detektivin wissen. Sie war der richtigen Ansicht, daß ihr Butler nicht mehr konzentriert zuhörte. »Es liegt meiner bescheidenen Wenigkeit fern, als Pessimist erscheinen zu wollen«, erwiderte Parker würdevoll, »aber möglicherweise ist mit einem Angriff aus der Luft zu rechnen. Darf ich Myladys Aufmerksamkeit auf das bereits bekannte >Insekt< lenken?« Die resolute Dame drehte sich um und kniff die Augen zusammen. Nun sah auch sie das Metallinsekt, das bereits gefährlich nahe war. »Halten Sie an!« Parker folgte Lady Agathas energischem Wunsch und bremste. Die ältere Dame erhob sich, hielt sich mit der linken Hand an der oberen Kante der Windschutzscheibe fest und löste den Pompadour von ihrem Handgelenk. Sie nahm die festen Schnüre in die Hand, die die Falten des perlenbestickten Handbeutels zusammenschnürten und ließ den Pompadour in der Luft rotieren. Das entengroße Metallinsekt war noch näher herangekommen. Die giftig klingende Sirene ließ die Trommelfelle vibrieren. Unwirklich und bedrohlich zugleich wirkte die Situation. Man spürte es förmlich, daß dieses Kunstinsekt lebensgefährlich sein mußte. In diesem Moment ließ Agatha Simpson ihren Pompadour los, der samt dem darin befindlichen »Glücksbringer« durch die Luft wirbelte und auf das angreifende Insekt zuhielt. Myladys Treffsicherheit war frappierend. Der Pompadour beschrieb eine steile ballistische Kurve und krachte gegen das Metallinsekt. Das Fluggerät kam prompt aus dem Kurs, sirrte noch giftiger und schien dann so etwas wie einen Hustenanfall zu erleiden. Aus dem Sirren wurde ein dunkler Summton. Das Insekt kippte aus seiner Fluglage, stieg steil hoch und trudelte dann ab. Es verschwand hinter einer kleinen Bodenwelle und damit aus dem Gesichtsfeld der drei Beobachter im Jeep. Bruchteile von Sekunden später war eine reißende Detonation zu vernehmen. »Ich möchte keineswegs versäumen, Myladys Treffsicherheit zu rühmen«, sagte Parker. Er war derart beeindruckt, daß er seine Melone lüftete. »Dieses Individuum!« Es war klar, daß die empörte Stimme der
älteren Dame Professor Toycraft galt. »Wenn Mylady gestatten, werde ich nach der Aufschlagstelle sehen.« »Täuschen Sie einen Volltreffer vor«, verlangte Lady Simpson, deren Wangen nun sehr animiert glühten. »Vielleicht kommen diese Lümmel, um nach Leichen Ausschau zu halten.« Parker kam dem Wunsch seiner Herrin sofort nach. In Deckung des Hügels, hinter dem sie sich befanden, fuhr er mit dem Jeep durch eine Talsenke und erreichte von hier aus die Bodenwelle. Beeindruckt trat er auf das Bremspedal. Nicht weit vom Jeep entfernt war der flache, brandige und gezackte Aufschlagtrichter der Bombe zu sehen. Parker hörte das erregte Schnaufen der Lady, holte einen seiner Patent-Kugelschreiber aus der Westentasche, verdrehte die Hälften gegeneinander und warf das »Schreibgerät« dann zu Boden. Sekunden später erhob sich eine Nebelwolke, die den Jeep und den Aufschlagtrichter einhüllte. Parker stieg aus dem Jeep und legte sich den Regenschirm über den linken Unterarm. Dann schritt er durch den Nebel, der diesmal nicht mit Reizstoffen durchsetzt war, und blieb oben am Rand der Bodenwelle stehen. Agatha Simpsons Vermutung erwies sich als richtig. Vom Schloß her jagte ein Mini-Cooper auf die Aufschlagstelle zu. Parker machte seinen Universal-Regenschirm feuerbereit. Er schlug die untere Zwinge leicht gegen den Boden und ließ sie zur Seite kippen. Damit wurde die Mündung des Blasrohrs frei durch das er seine Spezialpfeile verschießen konnte. Angetrieben wurden diese Geschosse mittels komprimierter Kohlensäure, ein Treibmittel, für das Parker sich jetzt endgültig entschieden hatte. Er besaß zudem neue Pfeile, die nur noch stecknadeldünn waren und vielleicht zehn Zentimeter lang. Ihre Spitzen waren mit einem Gift versehen, das eine sofortige Lähmung verursachte. Der Mini-Cooper hatte die ersten abtreibenden Nebenschwaden erreicht und wurde angehalten. Zwei etwa fünfundzwanzigjährige Männer fielen förmlich aus dem Wagen und liefen auf den dichten Kern des Nebels zu. Daß sie nicht gerade in rettender Absicht kamen, war deutlich zu sehen. Jeder von ihnen hielt eine schallgedämpfte Pistole in der Hand. Josuah Parker hob die Spitze seines Universal-Regenschirms hoch und feuerte zwei lautlose Schüsse ab.
* Einer der jungen Männer vollführte einen einfachen, der zweite einen doppelten Salto vorwärts. Anschließend blieben die beiden, im Heidekraut liegen, zappelten noch mit den Beinen und gaben dann Ruhe. »Wir wollen sie im See ersäufen«, schlug Agatha Simpson lustvoll vor. »Vielleicht später, Mylady«, antwortete Parker würdevoll. »Vorher sollte man die Burschen ein wenig aushorchen.« »Auch gut.« Agatha Simpson nickte gewährend. Sie schaute auf die beiden Männer hinunter und wog ihren Pompadour, den Kathy ihr zurückgeholt hatte, in der Hand. Ihr war anzusehen, daß sie gern mit dem darin befindlichen »Glücksbringer« zugelangt hätte. Parker verlud die beiden Männer im Jeep und half seiner Herrin in den Sitz. Kathy Porter, die neben den jungen Männern saß, überwachte deren Schlaf. Parker setzte sich ans Steuer und fuhr aus der Nebelwolke. Wenig später – sie hatten die Bodenwelle gerade verlassen – ereignete sich etwas Überraschendes. Links vom nicht schnell dahinfahrenden Jeep zischte es plötzlich. Büschel von Heidekraut flammten auf, im Boden war eine brennende, sehr schmale Spur zu erkennen. Diese Spur schwenkte auf den Jeep ein und fingerte förmlich nach ihm. Parker wußte sofort, daß er es mit Laser zu tun hatte. Vom Schloß her wurde der Jeep unter Beschuß genommen. Es war nur noch eine Frage von wenigen Sekunden, bis der Jeep getroffen wurde. Parker hatte einfach keine Zeit mehr, Lady Simpson oder Kathy Porter zu verständigen. Er bremste scharf ab, hielt den Jeep an und stieg unter Verzicht von Würde und Gemessenheit aus dem Wagen. Er zerrte die beiden jungen Männer aus dem Wagen und lehnte sie gegen das Heck des Wagens. »Was soll denn das?« raunzte die Detektivin. »Ein Schutzschild gegen Laserstrahlen, Mylady.« Jetzt endlich konnte Josuah Parker eine erste Erklärung abgeben. »Professor Toycraft scheint Mylady unter Beschuß nehmen zu wollen.« »Das ist doch eine Frechheit!« Agatha Simpsons Stimme klang
entrüstet. Parker reagierte nicht darauf. Er beobachtete den scharf gebündelten, tiefroten Lichtstrahl, dessen Spitze sich auf den Jeep zutastete. Würde Toycraft, der die Strahlen schließlich steuerte, seine beiden Mitarbeiter umbringen? Er mußte sie ja inzwischen in seiner Zieloptik ausgemacht haben. Der Strahl zuckte plötzlich zur Seite. Genau in diesem Moment ereignete sich etwas, womit Parker nie gerechnet hätte. Der Laserstrahl irrte durch die Luft und erfaßte etwas, was nicht zu sehen war. Wenigstens hatte es diesen Eindruck. Irgend etwas zischte. Kaltes Wasser schien auf eine heiße Herdplatte geraten zu sein. Einen Augenblick glaubte Parker so etwas wie die Umrisse einer Birne zu sehen, dann nahm er einen stechenden, scharfen Geruch wahr. Dort, wo er eben noch die Riesenbirne gesehen zu haben glaubte, schoß ein grünes Flammenbündel aus einem niedrigen Strauch, der sich sofort danach in graue Asche auflöste. »Haben Sie das gesehen?« hörte er Lady Simpsons aufgeregte Stimme, »jetzt müssen Sie diese Riesenamöbe aber gesehen haben.« »Ich habe nichts bemerkt«, bedauerte Kathy Porter. »Und Sie, Mr. Parker?« fragte die ältere Dame scharf. »Nun, Mylady, eine Art Riesenbirne könnte ich unter Umständen wahrgenommen haben.« »Das war eines dieser Wesen aus dem All!« »Es riecht scheußlich«, warf Kathy Porter ein. »Haben Sie sich nicht so, Kindchen! Mir wird ja auch fast schlecht. Mr. Parker, worauf warten Sie noch?« Parker schaute zum Castle hinüber, dessen Turmspitze gerade über der Bodenwelle zu erkennen war. Dann sammelte er die beiden Männer wieder ein und verstaute sie im Jeep. Wenig später preschte Parker mit verwegener Geschwindigkeit zurück zur Straße. Hier hielt Parker erneut an. Leider war von dem Schloß nichts mehr zu sehen, es lag ja in einer Talsenke. »Sie sind noch betäubt«, meldete Kathy Porter und deutete auf die beiden Männer. »Sie sind sehr hinderlich«, stellte Lady Simpson grimmig fest. »Wir hätten sie wohl doch ersäufen sollen, Mr. Parker.«
»Mich würde das Schicksal Professor Toycrafts interessieren«, sagte der Butler nachdenklich, »hoffentlich hat er nicht zu leichtsinnig mit seinem Laserstrahl gespielt, wenn ich es mal so banal ausdrücken darf.« »Sie glauben auch, daß er damit einen Außerirdischen erwischt hat?« Lady Simpson sah ihren Butler ironisch an. »Man könnte immer noch das Opfer von Hypno-Strahlen geworden sein«, antwortete Parker, der sich nach wie vor weigerte, an Wesen aus dem All zu glauben. * Die nächste Überraschung ließ nicht lange auf sich warten. Als sie zurück nach Thurso fuhren, kam leichter Nebel auf, der so gar nicht zur allgemeinen Wetterlage paßte. Der Nachmittag war strahlend hell und klar. Und dennoch! Von See her trieben Nebelschwaden zur Straße, die hinunter zur eigentlichen Küstenstraße führte. Diese Schwaden verdichteten sich ungewöhnlich schnell. Josuah Parker sah sich schon bald gezwungen, im zweiten Gang zu fahren und das Tempo erheblich zu drosseln. »Ist es diesem Lastwagenfahrer nicht auch so ergangen?« ließ Lady Simpson sich mißtrauisch vernehmen. Sie wußte von Peter B. Morgan, was diesem Mann passiert war. »Der Nebel ist in der Tat ein wenig ungewöhnlich«, räumte der Butler ein. »So etwas schaffen nur die kleinen Männchen vom Mars«, behauptete die ältere Dame, die hartnäckig an ihrer Vorstellung festhielt. Parker wäre gern aus der Haut gefahren, doch das war ihm unmöglich. Seine Erziehung war einfach zu perfekt. Er ließ sich nichts anmerken und reagierte nicht auf die Bemerkung der Lady Agatha. Zudem mußte er jetzt sogar anhalten. Dichter konnte ein Nebel eigentlich nicht mehr sein. Parker hatte das Gefühl, mit dem Jeep in einem steifen Brei zu stecken. Er wußte wirklich nicht mehr, auf welcher Straßenseite er sich befand. »Wie bei dem Lastwagenfahrer«, hörte er Lady Simpsons
Stimme, die von irgendwoher aus dem Brei kam, dumpf und wie erstickt. Er selbst konnte seine Herrin nicht mehr sehen, obwohl sie doch nach wie vor neben ihm sitzen mußte… »Wenn Mylady erlauben, möchte ich erst mal die Lage sondieren«, sagte er lauter als gewöhnlich und schwang sich vorsichtig aus dem Jeep. Doch er hatte plötzlich das sichere Gefühl, den Wagen nicht verlassen zu dürfen. Er wußte mit letzter Gewißheit, daß er sich dann in diesem Brei verirrte. Natürlich dachte auch er jetzt an eine Manipulation. Dieser Nebel war unnatürlich. Er konnte eigentlich nur mit chemischen Mitteln hergestellt worden sein. Die Natur war einfach nicht in der Lage, solch einen unheimlich zähen Brei zu fabrizieren. Sollte es wirklich Außerirdische geben, wie Agatha Simpson steif und fest behauptete? Parker war ein wenig unsicher geworden. Doch alles in ihm sträubte sich einfach dagegen, solch eine Meinung zu akzeptieren. Es gab doch schließlich eine Naturwissenschaft mit unumstößlichen Gesetzen. »Mr. Parker, schnell!« Das war Kathy Porters Stimme. Sie klang ebenfalls dumpf und wie durch Watte kommend, aber sie besaß auch einen Unterton der Angst und des Entsetzens. Parker tastete sich mit seiner schwarz behandschuhten Hand am Wagen entlang, bis er den rückwärtigen Teil des Jeeps erreicht hatte. Dabei glaubte er fast, in Milch zu schwimmen. Um ihn herum war nichts als Nebel. Er wußte, daß die beiden jungen Männer auf seiner Seite verstaut worden waren. Er tastete hinüber auf den Rücksitz, doch von den beiden Körpern war nichts zu spüren. »Miß Porter?« Er hob seine Stimme bewußt an, um besser verstanden zu werden. »Hier, Mr. Parker. Bitte, kommen Sie schnell!« Parker stieg auf den rechten leeren Rücksitz und wunderte sich schon gar nicht mehr, daß die beiden Männer nicht zu spüren waren. Er stieß endlich mit einem Körper zusammen, den er schon recht bald als den Kathy Porters identifizierte. Seine vorsichtig tastende Hand hatte gewisse Attribute der Weiblichkeit erkannt. »Die beiden Männer sind verschwunden«, sagte Kathy Porter nervös und ängstlich. Parker konnte jetzt die vagen Umrisse ihres Gesichtes ausmachen. »Haben Sie etwas feststellen können, Miß Porter?«
»Sie waren plötzlich nicht mehr da, Mr. Parker. Aber ich fühlte etwas auf meiner Brust.« »Ich weiß nicht recht«, erwiderte Kathy zögernd, »es kroch irgendwie ganz weich und dicht über meine Brust. Als ich danach greifen wollte, war es plötzlich weg.« »Könnte es die Hand eines der beiden Männer gewesen sein?« »Ausgeschlossen, Mr. Parker.« »Welchen Eindruck hatten Sie, Miß Porter?« »Einen fremden«, gab Kathy Porter zögernd zurück, »das war keine menschliche Berührung, wenn Sie das meinen.« Weitere Fragen konnte der Butler nicht stellen. * »Und dann war dieser Nebel plötzlich verschwunden?« fragte Peter B. Morgan, der Agent des Innenministeriums. Er befand sich in den Hotelräumen der Lady Simpson und machte einen ungläubigen Eindruck. »Wie er gekommen war«, erwiderte Lady Agatha grimmig. »Setzen Sie endlich ein anderes Gesicht auf, junger Mann! Sie haben es noch immer nicht mit einer harmlosen Irren zu tun.« »Verzeihung, Mylady, diesen Eindruck wollte ich nicht erwecken.« »Aber Sie glauben es, nicht wahr?« Sie sah ihn gereizt an. »Der Nebel war plötzlich verschwunden«, schaltete Parker sich schleunigst ein, bevor Lady Simpson sich mit Morgan herumärgern konnte, was sie offensichtlich wünschte. »Und die beiden Männer waren es leider auch.« »Sind sie vielleicht frühzeitig aufgewacht und zum Castle gelaufen?« »Das wäre natürlich möglich«, räumte der Butler nur zu gern ein. »Das war überhaupt nicht möglich, Mr. Parker.« Agatha Simpson sah ihren Butler fast schon empört an. »Ihr Betäubungsmittel reicht doch im Durchschnitt für eine halbe Stunde. Und die war nicht überschritten, das weiß ich genau. Sie sind entführt worden. Und zwar von den Außerirdischen!« »Ich habe nichts gesagt«, meinte Morgan vorsorglich und schnell, Agatha Simpson ansehend.
»Das ist auch Ihr Glück!« Sie nickte grimmig. »Ich weiß, was ich weiß.« »Auf Myladys dringenden Wunsch hin fuhr ich zurück zum Schloß des Professors«, berichtete Parker weiter. »Mylady wollte noch mal Kontakt mit Professor Toycraft aufnehmen, doch die Zugbrücke war geschlossen.« »Sie haben nichts Außergewöhnliches festgestellt?« »Nein, leider nicht«, gab Parker zurück. »Man wurde auch nicht von einem weiteren Insekt belästigt, wenn ich den Flugkörper, von dem ich Ihnen ja berichtete, so nennen darf.« »Ich werde mir einen Durchsuchungsbefehl verschaffen«, meinte Peter B. Morgan. »Toycraft wird seine Karten auf den Tisch legen müssen. Experimente mit Laserstrahlen bedürfen der behördlichen Genehmigung.« »Vergessen Sie nicht, daß man mit diesen Laserstrahlen beschossen wurde«, erinnerte jetzt Kathy Porter. »Wobei ein Außerirdischer getötet wurde«, präzisierte Lady Simpson. »Ich möchte nicht in Toycrafts Haut stecken. Diese Wesen von einem anderen Planeten werden sich selbstverständlich dafür rächen, das dürfte doch klar sein.« »Ich habe immer noch nichts gesagt«, warf Peter B. Morgan erneut schnell ein. »Das sollten Sie sich auch unterstehen, junger Mann!« »Ich möchte meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, daß die Durchsuchung des Schlosses diesen Spuk aufklären und beenden wird«, meinte Josuah Parker. »Es sind da immerhin noch HypnoStrahlen im Gespräch und so etwas wie eine Tarnkappe.« »Wollen Sie mir mal sagen, warum Toycraft plötzlich mit seinen Erfindungen herumspielen will?« ließ Agatha Simpson sich vernehmen. »Warum auf solch eine Art und Weise, die doch den Verdacht der Behörden erregen muß? Damit will ich mal theoretisch annehmen, daß er derjenige ist, welcher!« »Irgendwann möchte jeder Erfinder mal in der Realität ausprobieren, was er im Labor geschaffen hat, Mylady.« Peter B. Morgan sagte das sehr vorsichtig. »Papperlapapp, junger Mann, das ist kein Argument. Dann könnte er sich eine einsamere Gegend dazu aussuchen. Geld scheint er ja genug zu haben.« »Professor Toycraft erhielt in der Tat erhebliche
Geldüberweisungen«, warf Peter B. Morgan ein, »wir stellen noch fest, wer diese Geldbeträge angelesen hat.« »Irgendein Gangstersyndikat, ist das nicht klar?« Agatha Simpson wußte es wieder mal besser. »Toycraft wird von Gangstern finanziert. Sagten Sie nicht, Mr. Parker, daß man mit diesen Laserstrahlen selbst den dicksten Stahl und Beton durchschneiden kann?« »Das ist allerdings möglich, Mylady.« »Na, also! Toycraft entwickelt für irgendeine Gangstergruppe neuartige Methoden, um Banktresore auszuräumen. Geht das nicht in Ihren Schädel hinein?« »Im Augenblick nicht ganz, Mylady«, entschuldigte sich Parker. »Mein Erkenntnisprozeß dauert ein wenig lange.« »Sie haben eine lange Leitung«, mokierte sich die Detektivin resolut und ironisch, »aber Sie werden es noch lernen.« Peter B. Morgan, der Mann vom Innenministerium, verabschiedete sich und verließ das Hotelzimmer. Er schritt den Korridor entlang und amüsierte sich über die Lady, deren Behauptungen er insgeheim für Spinnereien hielt. Er hatte die kleine Treppe noch nicht ganz erreicht, als er auf dem Geländer eine etwa hundert Zentimeter! große Gestalt zu erkennen glaubte. Sie erinnerte ihn in ihren stetig fließenden und wechselnden Linien an eine Riesenbirne, die aber in sich zusammenrutschte und dann zu einem dicken, schillernden Belag auf dem Geländer wurde. Peter B. Morgan blieb jäh stehen und traute sich nicht weiter. Er rieb sich die Augen, atmete schneller und erregt. Doch dann war diese seltsame Erscheinung plötzlich verschwunden. Kopfschüttelnd ging er weiter, zögernd und mißtrauisch. Er rechnete jeden Augenblick mit einer weiteren Erscheinung. Zugleich dachte er an die Hypno-Strahlen, von denen Butler Parker berichtet hatte. * Es war dunkel geworden. Parker lustwandelte gemessen durch die Straßen der kleinen Fischerstadt, um sich vor dem Schlafengehen ein wenig die Beine zu vertreten. Um von vornherein jede Belästigung
auszuschließen, hatte er sich eine seiner spezialgefertigten Zigarren angezündet. Er glaubte zu wissen, daß sie auf bestimmte Personen allergisch wirkten. Nach wie vor aber weigerte sich der Butler, an kleine grüne Männchen vom Mars zu glauben. Doch dann sah er sie plötzlich vor sich! Sie waren etwa hundertzwanzig Zentimeter groß, trugen eine Art aluminiumfarbenen Overall und hatten Gesichter, in denen der Mund durch Saugrüssel ersetzt worden war. Auf dem Kopf befanden sich kleine Tastfühler, die in dicke Knoten übergingen. Die Augen waren froschartig rund und dick. Die Haut dieser beiden >Marsmenschen< war dunkelgrün. Josuah Parker blieb betroffen stehen. Mit solch einer Konfrontation hatte er ganz gewiß nicht gerechnet. Sie traf ihn wie ein Keulenschlag. Parker ging näher auf die beiden Marswesen zu, die allerdings nur auf einem sehr bunten Plakat dargestellt waren. Der Butler studierte die dicken Lettern, die besagten, daß hier in Thurso ein Kleinzirkus für drei Tage gastierte. Die beiden >Marsmenschen< waren als besondere artistische Attraktion herausgestellt worden. Sie waren, und das war schon fast pikant, tatsächlich als Marsmenschen bezeichnet. Natürlich konnte es sich nur um Liliputaner handeln, das stand für den Butler fest. Seine Neugier war jedoch geweckt. Er änderte seine Marschrichtung und suchte den Platz in der Nähe des Hafens auf, wo der Zirkus gastierte. Es war ein nur kleines Zelt, das zu einem ärmlich wirkenden Unternehmen gehörte. Es bestand nur aus einem halben Dutzend Wohn- und Materialwagen, die hinter dem Zelt standen. Die Vorstellung lief bereits. Parker schritt zum Eingang und konnte selbstverständlich noch eine Karte bekommen. Sie wurde ihm von einer untersetzten, dicklichen Frau verkauft, deren Gesicht stark geschminkt war. »Sind die beiden >Marsmenschen< bereits aufgetreten?« erkundigte sich Parker. »Sie kommen genau richtig«, erwiderte die Frau und sah ihn überraschend aufmerksam an. »Die Marsmenschen sind in drei Minuten dran.« »Sie bereisen mit Ihrem Unternehmen schon seit einiger Zeit die Küste?«
»Seit ‘nem Monat. Sir«, gab die Geschminkte zurück. »Ich möchte auf keinen Fall unnötig neugierig erscheinen«, schickte Parker voraus. »Arbeiten die beiden >Marsmenschen< schon lange für dieses Unternehmen?« »Seit ‘nem Monat, Sir.« »Könnte es sein, daß ich sie bereits in London in einem Variete gesehen habe?« Die Frau ließ sich Zeit mit ihrer Antwort, sah Parker ein wenig mißtrauisch an und schüttelte dann den Kopf. »Die >Marsmenschen< sind vollkommen neu«, gab sie dann zurück, »das hier ist ihr erster Auftritt. Hören Sie, wollen Sie mir die beiden Artisten entführen? Ich habe einen Vertrag mit ihnen. Ohne meine Einwilligung ist da überhaupt nichts zu machen!« »Ich darf und kann Sie vollkommen beruhigen«, meinte Parker höflich und lüftete seine schwarze Melone, »ich bin kein Agent, wenn Sie das gemeint haben.« »So sehen Sie allerdings auch nicht aus«, sagte die Geschminkte, »aber weiß man immer, was sich hinter einem Menschen verbirgt?« »Eine durchaus treffende Feststellung, der ich zustimmen möchte«, erwiderte Parker und betrat dann das Zelt, um sich die beiden >Marsmenschen< aus der Nähe anzusehen. * Sie waren gut, doch Spitzenklasse stellten sie keineswegs dar. Die beiden >Marsmenschen< befanden sich im Rund der kleinen Manege und führten eine Perche-Nummer vor, wie es in der Fachsprache der Artisten hieß. Der Untermann balancierte eine elastische Bambusstange, an deren oberem Ende sein Partner akrobatische Kunststücke vollführte. Der eigentliche Reiz dieser Nummer bestand darin, daß die beiden Liliputaner tatsächlich an das erinnerten, was man in Abbildungen immer wieder als >Marsmenschen< vorgesetzt bekommt. Parker war an der Artistik überhaupt nicht interessiert. Nachdenklich beobachtete er die beiden Liliputaner in ihrer grotesken Aufmachung. Waren sie der Schlüssel zu diesen geheimnisvollen und unerklärbaren Zwischenfällen? Immerhin waren sie erst seit einem Monat in diesem Zirkus, der die kleinen
Küstenstädte der Reihe nach abklapperte. Plötzlich aber weiteten sich Parkers Augen. Das hatte er nun wirklich nicht erwartet. Der Obermann an der Spitze der Bambusstange schien mit seinem linken Fuß aus der Halteschlaufe geglitten zu sein. Doch er stürzte nicht ab, was eigentlich hätte sein müssen. Der >Marsmensch< schwebte um die kreisende Spitze der Stange herum, ohne überhaupt auch nur die Spur eines Kontaktes mit ihr zu haben! Das war sensationell! Dieser Artist schien die Gesetze der Schwerkraft überwunden zu haben. Mit ausgebreiteten Armen segelte er um die Stange herum, entfernte sich jetzt sogar ein wenig mehr von ihr, stieß dazu kleine, spitze und unheimlich klingende Schreie aus, beschrieb wellenartige Linien in der Luft und klammerte sich anschließend wieder an der langen, biegsamen Bambusstange fest. Der Beifall war beachtlich. Er kam zuerst nur zögernd, steigerte sich dann aber. Parker, sonst ein ungemein beherrschter Mann, hielt es in diesem Fall für nicht unter seiner Würde, ebenfalls Applaus zu spenden. Wenig später trat atemlose Stille ein. Mit einem Aufschrei löste der Obermann sich erneut von der Stange und stieg senkrecht nach oben. Etwa anderthalb Meter über der Stangenspitze schwebte er in der Luft, vollführte dann einen Salto rückwärts und fiel seitlich an der Stange hinunter, schien auf einem unsichtbaren Polster zu landen, wurde zurück nach oben geschleudert und griff dann in einer Art, die schon fast an Verzweiflung grenzte, nach der Stange. Der Beifall wuchs zu einem kleinen Orkan. Die Zuschauer in der Manege hatten durchaus mitbekommen, was ihnen da an Sensation geboten worden war. So etwas hatte es noch nie gegeben. So etwas durfte eigentlich gar nicht sein. Dieser >Marsmensch< arbeitete mit Tricks, die in der Welt der Artistik bisher unbekannt waren. Parker zuckte zusammen, als dicht vor seinem Ohr ein leises, irgendwie spöttisches Kichern zu vernehmen war. Er schaute in die Manege und hatte den Eindruck, daß der Untermann der Perche-Nummer ihn gerade in diesem Moment beobachtete. Aber das konnte natürlich auch eine Selbsttäuschung gewesen sein.
* Es dauerte seine Zeit, bis die Tür des Wohnwagens geöffnet wurde, Parker lüftete höflich die schwarze Melone, als er sich einem Liliputaner gegenübersah, der ihn mißtrauisch und abweisend musterte. »Mein Name ist Parker, Josuah Parker«, stellte der Butler sich vor. »Ist es erlaubt, Ihre sicher kostbare Zeit für wenige Minuten in Anspruch zu nehmen?« »Was wollen Sie?« fragte der Liliputaner. »Falls meine bescheidene Wenigkeit sich nicht täuscht, arbeiten Sie ohne hauchdünne Stahlseile«, antwortete Parker, »damit dürften Sie die Schwerkraft überlistet haben.« »Kommen Sie rein!« Der Liliputaner gab die Tür frei. Parker stieg über die Anstelltreppe hinauf und betrat einen recht nett eingerichteten Wohnwagen, dessen Mobiliar auf Normalgröße zugeschnitten war. Die beiden Liliputaner, denen er sich nun gegenübersah, wirkten dazwischen ein wenig verloren. »Ich habe die Ehre und den Vorzug, der Butler Lady Simpsons sein zu dürfen«, erläuterte Parker. »Sie wissen natürlich von den seltsamen und geheimnisvollen Wesen, nicht wahr?« Der zweite Teil seines Satzes war als Bluff gedacht. Parker nahm den Stier bei den Hörnern, um bei einem gebräuchlichen Bild zu bleiben. Er sah die beiden Artisten aufmerksam an. »Sie… Sie kennen sie?« fragte der Liliputaner, der ihn eingelassen hatte. »Man will sie gesehen haben«, erwiderte Parker ausweichend. »Es ist unheimlich«, schaltete der zweite kleine Mensch sich ein und ließ sich in dem viel zu großen Sessel nieder. Er machte einen sehr bedrückten Eindruck. »Sie werden bewegt, nicht wahr? Es sind im Grund nicht mehr Ihre Tricks, oder sollte ich mich irren?« »Das begann vor etwa zwei Wochen«, redete der Liliputaner weiter, »wissen Sie, Sir, mein Freund und ich hatten uns die Perche-Nummer sorgfältig einstudiert. Wir wollten mehr sein als nur Clowns in der Manege. Normalerweise bleibt für uns Liliputaner ja sonst nichts übrig. Wir wollten uns hier in dem kleinen Zirkus erst mal Erfahrung aneignen.« »Und dann passierte es«, sagte der erste Liliputaner, der nicht
weniger bedrückt war als sein Freund. »Plötzlich trug ihn etwas.« »Ja, so ist es gewesen. Ich bin der Obermann.« Der zweite kleine Mensch wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Irgend etwas zerrte meinen Fuß aus der Halteschlaufe. Ich schrie vor Angst auf, ich dachte, ich würde abstürzen. Doch es kam ganz anders, verstehen Sie? Ich wurde hochgetragen und durch die Luft gewirbelt. Ich konnte überhaupt nichts dagegen machen, ich war völlig hilflos. Ich glaube, wir werden mit unserer Nummer aufhören. Irgendwann wird mich dieses Etwas mal loslassen – und dann ist es aus.« »Man sollte grundsätzlich nichts überstürzen«, beruhigte der Butler die beiden sympathischen Artisten. »Darf ich fragen, ob Sie jemals so etwas wie vage Schatten oder Linien bemerkten?« »Nein, niemals«, gab der zweite Liliputaner zurück, »da war nur etwas, das mich trug. Wie auf einer Luftmatratze. Anders kann ich das nicht beschreiben. Es ist schrecklich und schön zugleich, verstehen Sie? Man glaubt zu fliegen.« »Aber das geht nicht mit rechten Dingen zu«, schaltete der erste kleine Artist sich wieder ein und schüttelte den Kopf. »Da muß was im Spiel sein, das wir uns nicht erklären können.« »Was sagte Professor Toycraft dazu?« fragte der Butler, plötzlich das Thema wechselnd. »Wer ist Professor Toycraft?« erkundigte sich der zweite Liliputaner und tauschte einen schnellen Blick mit seinem Partner. »Nie gehört«, schwindelte der erste Liliputaner. »Schon gut«, sagte der Butler, »darf ich mich jetzt verabschieden? Ich möchte nicht länger stören.« Er öffnete die Tür, lüftete die schwarze Melone und betrat die Anstelltreppe, die nur über sechs breite Holzstufen verfügte. Parker schritt nach unten, doch die Treppe nahm plötzlich kein Ende mehr. Parker merkte es erst mit einiger Verspätung. Er hatte zwei Stufen hinter sich gebracht, schritt weiter nach unten, schritt und schritt, ohne jedoch den Erdboden zu erreichen! Dem Butler brach der Schweiß aus. Er nahm den nahen Boden fest in Augenschein, versuchte sich zu konzentrieren, trat auf die nächste Stufe und stieg weiter nach unten. Die Treppe jedoch nahm kein Ende, der Boden kam nicht näher. Parker hatte das Gefühl, auf einer endlosen Rolltreppe zu
sein, die nun auch noch schneller wurde. Er fühlte, daß er von den beiden kleinen Artisten beobachtet wurde und wollte sich zu ihnen umwenden, schaffte es aber nicht. Er ging weiter, der Verzweiflung nahe. Und dazu war plötzlich neben seinem Ohr wieder dieses ironische Kichern und Schnauben zu hören. Irgend jemand schien die Situation sehr zu genießen. Josuah Parker war jedoch nicht gewillt, sich zum Narren machen zu lassen. Er zog einen seiner Patent-Kugelschreiber aus der Westentasche und drückte auf den Halteclip. Dieses angebliche Schreibgerät enthielt eine Ladung Pfeffer, eine sehr wirkungsvolle Nahkampfwaffe, die sich schon oft ausgezahlt hatte. Der fein gemahlene Pfeffer sprühte vorn aus der Öffnung und verteilte sich in der Luft, Bruchteile von Sekunden später war ein deftiges Niesen zu vernehmen, das von irgendwoher aus der Luft kam. Da erreichte Parker endlich den sicheren Boden, als sei überhaupt nichts geschehen. Er schaute sich nach den beiden Liliputanern um, doch sie waren bereits im Wohnwagen verschwunden. Hinter der geschlossenen Tür war ihr unterdrücktes Niesen zu hören. * Josuah Parker hatte sich zu Bett begeben. Er konnte nicht einschlafen und war noch wach. Immer wieder dachte er an sein haarsträubendes Erlebnis auf der Anstelltreppe des Zirkus-Wohnwagens. Immer wieder fragte er sich, ob er nicht vielleicht das Opfer dieser Hypno-Strahlen geworden war, von denen Professor Toycraft gesprochen hatte. Noch nie hatte Parker sich derart hilflos und ausgeliefert gefühlt wie in den vergangenen Stunden. Hier hatte er es nicht mit normalen Gegnern zu tun, sondern mit Erscheinungen, die wirklich übersinnlich zu sein schienen. Sicherheitshalber hatte er Lady Simpson nichts von den beiden Liliputanern und ihrem Perche-Akt berichtet. Seine Herrin hätte sonst wohl darauf bestanden, sich dieses Kunststück noch mal vorführen zu lassen. Parker konnte nur hoffen, daß ihre Nachtruhe nicht weiter gestört wurde. Dennoch hatte er sich auf den Besuch der seltsamen Wesen
vorbereitet, die er vor dem Wohnwagen zum Niesen gebracht hatte. Nicht umsonst waren von ihm Einkäufe getätigt worden, die an sich völlig harmlos waren. Vor dem Niederlegen hatte der Butler einige Knallerbsen auf dem Boden seines Hotelzimmers verstreut. Unterhalb der Fenster und vor der Tür war von ihm Backmehl verteilt worden, um später eventuelle Fußabdrücke feststellen zu können. Knallerbsen und Backmehl waren schließlich Dinge, die man durch PsychoStrahlen nicht beeinflussen konnte. Parker hatte sich aber noch einige zusätzliche Tricks einfallen lassen. Er war eben ein sehr mißtrauischer Mensch. Ein paar Zentimeter von den Fensterscheiben entfernt spannten sich normale Fliegenfänger von oben nach unten. Wer auch immer durch die Fenster eindringen wollte, mußte sich hier verfangen und dem Klebstoff erliegen. Auf eine Schußwaffe hatte er selbstverständlich verzichtet. Solche Gegenstände schätzte er überhaupt nicht. Sie richteten seiner Ansicht nach nur unnötigen Schaden an. Zur Abwehr aufdringlicher Erscheinungen hatte sich der Butler eine Pistole mit ins Bett genommen, allerdings eine Korkenpistole, wie man sie immer wieder für Kinder anbietet, um deren kriegerische Gelüste nur ja nicht erlahmen zu lassen. Die Ladung dieser Pistole bestand aus einem raffiniert komponierten Gemisch von Pfeffer, Niespulver und scharfem Paprikapulver. Diese Wunderwaffe war mittels einer Schraubklemme am Kopfende des Bettes befestigt worden. Ein dünner zäher Nylonfaden führte vom Abzugsbügel auf dem Umweg über das Kopfkissen in Parkers Hand. Durch einen kleinen Ruck konnte er die Ladung ins Zimmer spritzen lassen. Die Zeit verstrich. Parker war zu keinem Resultat gekommen, was die unheimlichen Dinge anbetraf. Er vermochte sich nicht zu entscheiden, ob er es nun mit technischen Tricks zu tun hatte oder mit Wesen von einem anderen Planeten. Darüber schlief Josuah Parker ein und ahnte nicht, daß seine nächtlichen Besucher bereits im Anmarsch waren… * Agatha Simpson saß in ihrem Bett und las in einem Krimi, den
sie selbstverständlich für einmalig schlecht hielt. Sie ärgerte sich über die dummen Gangster, über den gerissenen Detektiv und den Verfasser des Romans. Die Lady war davon überzeugt, daß ihr kommender Bestseller Machwerke dieser Art vom Markt fegen würde. Sie brauchte ihn nur noch zu schreiben, um den Lesern endlich mal zu zeigen, was wirklich Qualität war. Der Stoff zu dieser literarischen Sensation bot sich ja an. Agatha Simpson wollte über Außerirdische schreiben, die hier auf der Erde herumspionierten. Daß es diese Wesen gab, stand für sie einwandfrei fest, darüber brauchte sie sich überhaupt nicht mehr den Kopf zu zerbrechen. Im Grund bemitleidete sie ihren Butler und auch Kathy Porter, die sich so gar nicht überzeugen lassen wollten. Es ging einfach nicht in ihre Köpfe, daß diese, kleinen grünen Männchen existierten. Um ihren Kreislauf zu entlasten, nahm die ältere Dame hin und wieder ein Schlückchen Medizin, wobei es sich natürlich um einen erstklassigen Kognak handelte. Da sie ihrer Ansicht nach einen sehr labilen Kreislauf hatte, nahm sie reichlich Medizin zu sich. Ihre Wangen glühten sanft, sie ärgerte sich ausgezeichnet und war mit sich und der Welt zufrieden. Plötzlich war eines dieser außerirdischen Wesen da! Es erschien in Form fließender Konturen, die sich über das Fußende des Bettes bewegten, verdichteten und dann erstaunlicherweise zu Wesen wurden, die genau dem entsprachen, wie Lady Simpson sich Marsmenschen immer schon vorgestellt hatte. Es waren zwei Marsmenschen, die Gestalt annahmen. Auf den ersten Bück hin erinnerten sie Mylady an Liliputaner. Sie trugen aluminiumfarbene Overalls und hatten froschähnliche Gesichter. Sie besaßen keine Mundöffnungen, dafür kleine Saugrüssel. Auf den Köpfen dieser Wesen befanden sich je zwei antennenartirge Hörner. Die beiden Marsmenschen nahmen am Bettende Platz und nickten Mylady freundlich zu. »Hoffentlich sind Sie heute etwas gesprächiger«, meinte die Detektivin, die überhaupt nicht ängstlich oder verblüfft war, »wie ist es nun, kommen Sie vom Mars oder nicht?« Die kleinen Eindringlinge bewegten ihre Saugrüssel und produzierten zirpende Töne, mit denen die resolute Dame natürlich nichts anzufangen Wußte. Sie verzog ein wenig ärgerlich
das Gesicht. »Nun reißen Sie sich mal zusammen«, sagte sie gereizt, »wenn Sie schon aus dem Weltall kommen, sollten Sie sich wenigstens verständigen können.« Ein helles Zirpen, das an Grillen erinnerte, war die ganze Antwort. Agatha Simpson zwang sich zur Ruhe, denn sie hätte diesen beiden Ignoranten aus dem All am liebsten ein Kissen an den Kopf geworfen. Sie griff nach dem kleinen Silberbecher, in dem sich noch etwas Medizin befand, nahm einen Schluck und hatte dann einen geradezu glänzenden Einfall. Sie goß nach und beugte sich vor. Lady Simpson reichte den beiden seltsamen Erscheinungen den Silberbecher. Sie zirpten wieder, schienen miteinander zu tuscheln, mochten vielleicht ein wenig mißtrauisch sein. Dann aber langte eines der Wesen vorsichtig zu. Es rührte sich dabei nicht von der Stelle. Agatha Simpson sah ganz deutlich, wie der kurze Arm lang und länger wurde. Sie sah die ein wenig froschartig aussehenden Fingerglieder, die nach dem Becher faßten. Dann zog der sehr lange Arm sich wieder teleskopartig ein und führte den Becher mit der Kreislaufmedizin an den Saugrüssel heran. Dieser Rüssel tauchte vorsichtig in die Medizin. Ein Saugen und Schlürfen, ein Schmatzen und Gurgeln war zu hören. Lady Simpson nickte wohlgefällig. Sie wußte schließlich nur zu gut, wie ausgezeichnet der alte Kognak war. Das Wesen reagierte sehr eigenartig. Die grüne Gesichtsfarbe veränderte sich schlagartig, verwandelte sich in ein schmutziges Braun, wechselte über in ein sattes Gelb und lief dann auf zu einem grellen Rot. Das Marsmännchen blähte sich auf, seine Konturen pulsierten, flossen auseinander… und platzten dann. Bruchteile von Sekunden später war es nicht mehr zu erkennen. Das zweite Wesen aus dem All hatte den Silberbecher aufgefangen und ebenfalls getrunken. Das Spiel der Farben und Konturen wiederholte sich erneut. Und dann war auch diese Erscheinung nicht mehr zu sehen. Zurück blieb ein leerer Becher, der auf der Bettdecke lag. Agatha Simpson lächelte versonnen. Sie war fest davon überzeugt, daß die beiden Wesen noch mal zurückkehren würden. Sie wußte doch, daß der Kognak nicht ohne Wirkung blieb!
* Kathy Porter war plötzlich wach geworden, doch sie blieb wie erstarrt liegen. Schwacher Lichtschein der Straßenbeleuchtung fiel in ihr Zimmer. Sie konnte durchaus den Kleiderschrank, das Waschbecken und die Sitzgarnitur erkennen, aber sie sah nicht, wer die Bettdecke langsam und offensichtlich mit Genuß von ihrem Körper zog. Zentimeter für Zentimeter bewegte sich diese Decke nach unten, rutschte über ihren Oberkörper und hatte inzwischen fast schon ihre Hüften erreicht. Sie glaubte dazu ein schnelles Wispern und Kichern zu hören, doch es war derart schwach, daß es auch zu den normalen Geräuschen eines Hauses gehören mochte. Langsam erwachte sie aus ihrer Erstarrung. Sie wollte gerade zögernd nach der Bettdecke greifen, als ihre Brust berührt wurde. Es handelte sich um eine schnelle, flüchtige Berührung, die vielleicht auch nur von einem Lufthauch herrührte. Fröstelnd nahm Kathy die Schultern hoch und griff recht energisch nach der Decke. Sie wollte sie hochziehen, doch es klappte nicht. Da war irgendeine Kraft, die das nicht zuließ. Der Gegenzug verstärkte sich, die Decke rutschte über Kathys Hüfte weiter nach unten. Da Lady Simpsons Gesellschafterin und Sekretärin im Bett nur einen Hauch Parfüm trug, kam sie sich verständlicherweise nackt und entblößt vor. Und das Wispern und Kichern wurde jetzt lauter und deutlicher. Es stammte mit Sicherheit nicht aus dem Haus, war also kein Eigengeräusch. Im Zimmer mußte sich etwas befinden, was zwar nicht zu sehen, dafür aber deutlich zu hören war. »Ist da wer?« fragte Kathy Porter Heise. Die Antwort bestand in einem heftigen Ruck an der Bettdecke. Sie rutschte über ihre Füße, flatterte hoch in die Luft und segelte dann hinauf zur Zimmerdecke, wo sie hängenblieb. Kathy Porter war keineswegs prüde, doch jetzt kam sie sich ein wenig zu nackt und hilflos vor. Sie hatte keineswegs den Wunsch, von heimlichen Augen belauert zu werden, zog schleunigst die Beine an und legte sich auf die Seite.
Angst im normalen Sinn hatte sie eigentlich nicht. Sie sah zur Zimmerdecke, dann wieder hinüber zum Waschbecken und versuchte ausfindig zu machen, wer sie da neckte. Ja, das war das richtige Wort. Es handelte sich wohl um eine Art Neckerei. Böses wollte man ihr sicher nicht. Irgendwelche Wesen wollten ihr einen Streich spielen. Kathy quiekte unwillkürlich, als sich so etwas wie eine kalte Hand auf den Rücken legte. Sie fuhr herum und hoffte, das unsichtbare Wesen jetzt zu sehen, wurde aber erneut enttäuscht. Sekunden später wurde Miß Porter gezwickt. Deutlicher hätte sie es gar nicht spüren können. Sie griff hastig nach ihrer linken Pohälfte und quiekte erneut, als irgend etwas an ihrem langen Kopfhaar zupfte. Kathy war völlig irritiert. Sie bildete sich da nichts ein. Diese Neckereien waren Realität, und Kathy spürte die Berührungen ganz deutlich, doch sie konnte nach wie vor nichts im Zimmer entdecken. Es kam noch schlimmer… Plötzlich wurde sie an der linken Hüfte gekitzelt. Sie lachte unwillkürlich auf, strampelte mit den Beinen, spürte das Kitzeln am Hals, dann wieder auf den Oberschenkeln, auf dem Rücken und erneut auf den Hüften. Kathy Porter strampelte wie ein satter, zufriedener Säugling und versuchte Hände abzuwehren, die sie nicht sehen konnte, und hatte Lachtränen in den Augen. Sie wälzte sich auf dem Bett herum und war diesen kitzelnden Berührung hilflos ausgeliefert. Dann war alles vorüber. Kathy merkte es mit einer gewissen Verspätung, lachte noch ein paarmal echoartig auf, schnappte nach Luft und blieb dann erschöpft liegen. Sie wurde sich bewußt, daß sie etwas erlebt hatte, was ihr außer Lady Simpson gewiß kein Mensch glaubte. Unsichtbare Wesen waren im Zimmer gewesen und hatten mit ihr gespielt. Das ging über ihren Verstand! * Sie kamen durch die Zimmerwand und machten einen recht aufgekratzten Eindruck. Parker sah die beiden >Marsmenschen< ganz deutlich. Sie
waren identisch mit den Liliputanern aus dem Wanderzirkus. Er sah die aluminiumfarbenen Overalls, die grüne Haut, die Saugrüssel und die runden hervortretenden Froschaugen. Die Fühlhörner auf den Köpfen wackelten und schienen Kontakt mit diesem Zimmer aufzunehmen. Sie hatten die Zimmerwand hinter sich gelassen und schauten sich um. Sie machten sogar einen recht aufgekratzten Eindruck. Josuah Parker konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß sie zumindest leicht angetrunken waren. Bildete er sie sich nur ein? Waren es reale Wesen mit übermenschlichen Fähigkeiten? Wie konnte sie die harte Realität einer Zimmerwand so einfach und selbstverständlich überwinden…? Parker war so frei, sich ein wenig zu schockieren. Das hier ging über sein Begriffsvermögen. So etwas gab es doch überhaupt nicht. Hier wurden Naturgesetze einfach auf den Kopf gestellt. Er wußte, daß es sinnlos war, sich schlafend zu stellen, und richtete sich auf. »Darf ich möglicherweise um eine Erklärung bitten?« fragte er die beiden >Marsmenschen< in seiner höflichen Art. Sie marschierten über das Backmehl hinweg, ohne eine Spur zu hinterlassen. Sie überwanden auch die Knallerbsen, ohne sie platzen zu lassen. Sie trippelten mit kleinen, schnellen Schritten auf ihn zu und blieben vor seinem Bettende stehen. »Kann ich etwas für Sie tun?« fragte Parker weiter. Die beiden >Marsmenschen< achteten überhaupt nicht auf ihn, nahmen am Bettende Platz und berührten sich mit ihren Saugrüsseln. Sie wisperten miteinander, quiekten und tuschelten. Parker verstand natürlich kein Wort von dem, was sie sich da zu sagen hatten. Der Butler richtete sich noch weiter auf und kniete dann. Er tastete mit seiner linken Hand nach einer der beiden Erscheinungen, griff aber nur durch sie hindurch, ohne daß dieses Wesen eine Reaktion zeigte. Er duckte sich und… zog an der Nylonschnur. Bruchteile von Sekunden später schleuderte die Kinderpistole ihre Explosivmischung in den Raum. Parker vergrub sein Gesicht in der Bettdecke, damit seine Schleimhäute nicht in Mitleidenschaft gezogen wurden. Er hörte ein Quietschen und
Schnaufen, ein Niesen und Husten. Die Ladung bewährte sich! Als Parker versuchsweise hochschaute, konnte er die beiden »Marsmenschen« nicht mehr sehen. Er hörte aber noch ihr Niesen und Husten. Und dann sah der Butler sich gezwungen, erst mal in volle Deckung zu gehen. Die beiden unheimlichen Wesen bombardierten ihn mit Utensilien, die sie im Zimmer fanden. Parker entging mit knapper Not einem Stück Seife, das über seinen Kopf flog und klatschend an der Wand landete. Er entging auch einem Zahnputzglas, das am Bettpfosten zerschellte, und hatte auch noch das Glück, einem durch die Luft geschleuderten Stuhl zu entwischen. Danach aber hatte er kein Glück mehr. Die Auflagepolster eines Sessels wurde ihm sehr nachhaltig um die Ohren gepfeffert. Anschließend mußte er voll einen nassen Schwamm nehmen und schließlich noch eine Kleiderbürste, die seinen Rücken traf. Parker reagierte in Windeseile und zündete sich hastig eine seiner Spezialzigarren an. Damit schaffte er es, die unheimlichen und unsichtbaren Wesen in die Flucht zu schlagen. Er sah sie noch mal für knapp eine Sekunde. Es waren ihre Konturen, die pumpend pulsierten, eine Art Farbfleck in der Dunkelheit des Zimmers. Man hörte dann draußen vor dem Hotel noch ein trockenes Husten, das sich schnell entfernte. Parker paffte an seiner Zigarre, um es den beiden Erscheinungen unmöglich zu machen, noch mal zurückzukehren. Dabei visierte er den Fußboden, konnte aber keine Spuren entdecken. Dafür sah er hingegen sehr deutlich, daß die Fliegenfänger vor den Fenstern zerrissen waren. Er sah aber auch die Gegenstände, mit denen er bombardiert worden war. Der Butler hatte sich diesen Besuch also auf keinen Fall eingebildet. Er konnte somit auch unmöglich unter der sinnestäuschenden Wirkung von etwaigen Hypno-Strahlen gestanden haben. Das Chaos im Zimmer sagte ihm mit letzter Deutlichkeit und Beweiskraft, daß er besucht worden war. In fliegender Eile kleidete der Butler sich an. Er wußte, wem er umgehend einen Besuch abzustatten hatte. Jetzt wollte er es wissen!
* Der Wohnwagen war beleuchtet. Parker stieg aus dem Jeep, mit dem er hinaus zum Wanderzirkus gefahren war, legte sich den bleigefütterten Bambusgriff seines Universal-Regenschirms über den linken Unterarm, rückte sich die schwarze Melone zurecht und paffte sicherheitshalber an seiner Zigarre. Dann näherte er sich gemessen und würdevoll der hölzernen Anstelltreppe, die zur Tür des Wohnwagens führte. Ein wenig mißtrauisch betrat er die hölzernen Stufen. Er wollte nicht unbedingt noch mal das Erlebnis einer Rolltreppe nachempfinden. Doch die Treppe täuschte ihm nichts vor. Er erreichte die Wohnwagentür und entdeckte im Vorhang hinter der Scheibe einen ausreichend breiten Spalt. Er schaute interessiert in den Wohnwagen hinein und… schluckte vor Aufregung. Da er allein war, konnte er sich diese Gefühlregung gestatten. Er sah die beiden Liliputaner! Sie trugen zwar Schlafanzüge, doch geschlafen hatten sie ganz sicher nicht. Sie zerrten und rissen an Fetzen von Fliegenfängern, die ihre Gesichter und Hände verklebten. Sie hatten tränende Augen, niesten immer wieder und husteten. Eindeutiger hätte der Beweis überhaupt nicht ausfallen können. Sie waren bei ihm im Hotelzimmer gewesen. Auf irgendeine Art und Weise, die noch ergründet werden mußte, hatten sie es geschafft, ins Zimmer einzudringen. Jetzt waren sie dabei, die Spuren dieses Besuches zu entfernen. Parker fragte sich, ob er den Wohnwagen betreten sollte. Mußten die beiden Liliputaner überhaupt wissen, daß er ihre Machenschaften durchschaut hatte? War es nicht viel geschickter, weiterhin Unwissenheit und Ratlosigkeit vorzutäuschen? War es nicht besser, sie weiterhin heimlich zu beobachten? Butler Parker hatte sich gerade entschlossen, so zu verfahren, als er einen kräftigen Stoß gegen den Rücken erhielt. Ob er wollte oder nicht, er fiel gegen die Tür, die sich prompt öffnete und ihn in den Wohnwagen hineinstolpern ließ. Die beiden Liliputaner fuhren überrascht herum, starrten den Butler an und wichen zurück. »Ich erlaube mir, einen bereits guten Tag zu wünschen«, sagte
der Butler und lüftete seine schwarze Melone. »Die Mitternachtsstunde dürfte ja bereits vorüber sein.« »Was… Was wollen Sie hier?« fragte der vielleicht anderthalb Zentimeter größere Liliputaner, nachdem er sich ein wenig gefaßt hatte. »Mein Weg führte mich nicht zufällig vorbei«, gestand Parker. »Ich vermißte einige Fliegenfängerstreifen, die ich hier vermutete.« Während Parker redete, sah er zur Couch, wo die beiden Raumoveralls und die Marsmasken mit ihren Rüsseln und Antennen herumlagen. »Es ist vielleicht ganz gut, daß Sie hier sind«, sagte der zweite Liliputaner und lehnte sich gegen den einfachen Schminktisch. Der kleine Mensch machte einen abgespannten und irritierten Eindruck. »Meine Hilfe sei Ihnen gewiß«, antwortete Parker, »aber ich erwarte dafür Offenheit.« »Wir wissen nicht mehr ein noch aus«, klagte der erste Liliputaner und zerrte sich ein Stück Fliegenfänger von der linken Backe, »wenn das so weitergeht, werden wir noch verrückt.« »Befanden Sie sich vor etwa einer halben Stunde in meinem Hotelzimmer?« wollte Parker wissen. »Nein«, sagte der andere Liliputaner und schüttelte den Kopf. »Ich möchte betonen, daß ich Sie gesehen habe.« »Dennoch, wir waren nicht bei Ihnen«, erklärte der größere der beiden Liliputaner, »aber wir wachten plötzlich auf und waren beklebt mit diesen gräßlichen Fliegenfängern.« »Und mußten husten und niesen«, fügte der zweite kleine Mensch hinzu. »Wir hatten plötzlich entzündete Augen. Wir haben keine Ahnung, wodurch das geschah.« »Somit dürfte Behauptung gegen Behauptung stehen«, stellte der Butler fest, »aber irgendwie möchte ich mich jetzt davon überzeugen, daß Sie real existieren.« »Natürlich existieren wir real«, sagte der größere der beiden Liliputaner und sah den Butler kopfschüttelnd an. »Wie sollten wir denn sonst sein?« Statt zu antworten, nahm der Butler seinen UniversalRegenschirm hoch und… piekte mit der Spitze gegen den Körper des kleinen Menschen, der überrascht aufschrie, die Spitze also durchaus gespürt haben mußte.
Doch war das Beweis genug? Konnte es sich vielleicht nur um ein geschicktes Täuschungsmanöver handeln? Parker tat es nicht gern, doch er tat es. Er verschoß einen seiner neuen und haardünnen Pfeile auf den zweiten Liliputaner und rechnete eigentlich damit, daß er durch den Körper fuhr, und mußte zu seiner ehrlichen Überraschung wahrnehmen, daß er im Oberschenkel des kleinen Menschen steckenblieb. * »Sie geben also zu, daß Sie an außerirdische Wesen gedacht haben, Mr. Parker?« Agatha Simpson sah ihren Butler geradezu triumphierend an und beugte sich vor. »In der Tat, Mylady«, räumte der Butler ein. Er befand sich in den Hotelräumen der älteren Dame und hatte gerade Kathy Porter und Lady Agatha von seinem Besuch im Wohnwagen der Liliputaner berichtet. »Und warum glauben Sie jetzt nicht mehr daran, Sie ungläubiger Thomas?« »Ich darf an den bewußten Pfeil erinnern, Mylady«, erwiderte Josuah Parker, »er blieb in einem realen Leib stecken, der sich nach dem Treffer keineswegs auflöste.« »Für mich ist das kein Beweis«, entschied die ältere Dame, »aber weiter. Woher hatten die beiden Liliputaner diese Fliegenfänger?« »Sie vermögen sich das nicht zu erklären, Mylady«, erwiderte Josuah Parker, »nach ihrer Darstellung wachten sie auf, mußten niesen und husten und waren beklebt mit den bereits erwähnten Insektenfängern.« »Für mich ist die Sache vollkommen klar«, meinte Agatha Simpson, die es wieder mal genau wußte. »Die Außerirdischen sind in das Aussehen dieser beiden Liliputaner geschlüpft. Ich habe sie ja schließlich auch gesehen. Sie sahen genauso aus wie Ihre beiden Artisten aus dem Zirkus.« »Eine interessante Theorie«, erwiderte Parker in seiner vorsichtigen und zurückhaltenden Art, »ich sollte vielleicht noch vermelden, Mylady, daß die beiden Liliputaner einräumten,
Professor Toycraft zu kennen. Er hatte sie zu einem Besuch auf sein Schloß eingeladen.« »Wann war das?« »Etwa vor anderthalb Wochen, Mylady.« »Und was wollte er von ihnen?« »Die beiden kleinen Menschen, um es mal so auszudrücken, konnten oder wollten dazu nicht Stellung nehmen. Ihr Aufenthalt auf dem Schloß dauerte nach ihrer Darstellung nur eine knappe Stunde. Professor Toycraft erkundigte sich nach ihrer Zirkusnummer und ließ sie dann wieder zurück nach Dunnet bringen, wo der Zirkus seinerzeit gastierte.« »Dieser Professor steht auf unserer Liste ganz oben.« Agatha Simpson befragte ihren Reisewecker, der vier Uhr dreißig zeigte. »Mr. Parker, ich wünsche in einer halben Stunde loszufahren.« »Mylady wollen noch mal zurück zum Schloß?« »Das nenne ich blitzschnelles Begreifen«, spöttelte die resolute Dame ironisch. »Dieser Herr ist mir noch einige Erklärungen schuldig.« Da Parker gegen solch einen frühen Besuch aus bestimmten Gründen nichts einzuwenden hatte, deutete er nur eine knappe Verbeugung an und verließ das Zimmer. Lady Simpson wandte sich Kathy Porter zu, die bisher schweigend zugehört hatte. »Sie gefallen mir überhaupt nicht, Kindchen«, tadelte sie, »warum höre ich nicht mal was von Ihnen? Machen Sie sich denn überhaupt keine Gedanken über diese Wesen aus dem All?« »Ich weiß schon gar nicht mehr, woran ich glauben soll«, gestand Kathy Porter. »Nach der Sache in meinem Zimmer bin ich völlig durcheinander, Mylady. Mein Gefühl sagt mir, daß es diese fremden Wesen gibt, mein Verstand aber ist dagegen.« »Zum Teufel mit der Logik, Kindchen«, sagte Lady Simpson wegwerfend. »Ich halte mich an das, was mir meine Sinne melden, ob ich mir das mit dem Verstand erklären kann oder nicht.« »Da ist etwas, was mich die ganze Zeit über beschäftigt, Mylady.« »Heraus mit der Sprache Kindchen, Ich könnte schließlich Ihre Mutter sein.« »Ich kenne eine Menge Filme und Bücher, die sich mit außerirdischen Wesen befassen, Mylady. In all diesen Darstellungen sind Fremde aus dem All immer böse und grausam.
Sie wollen fast ausschließlich die Erde angreifen, unterjochen oder vernichten.« »Eine sehr richtige Beobachtung, Kathy.« »Wenn ich aber an die Kitzelei denke, Mylady dann müssen diese außerirdischen Wesen, falls es sie gibt, recht lustige Leute sein. Sie verstehen, was ich meine?« »Und ob, Kindchen. Ich habe ja schließlich gesehen, wie ihnen mein Kognak geschmeckt hat. Ich will Ihnen mal etwas sagen, Kathy. Diese Fremden aus dem All sind wahrscheinlich sehr friedliche und sogar lustige Burschen. Sie geben sich nur deswegen nicht zu erkennen, weil sie inzwischen herausgefunden haben, was mit uns Menschen los ist. Wahrscheinlich halten sie uns für reine Ungeheuer.« »Falls Ihre Theorie stimmt, Mylady, was wollen diese Marsmenschen dann hier bei uns?« »Wenn Sie mich fragen, Kindchen, so sind sie auf der Durchreise. Unser Planet ist ja nur ein winziges Staubkörnchen in unserer Galaxis. So sehe ich die Dinge, ob Mr. Parker mir das nun abnimmt oder nicht. Er hat ja gewisse Vorzüge, aber ausschweifende Phantasie war noch nie seine Stärke.« Agatha Simpson hatte gesagt, was ihrer Ansicht nach gesagt werden mußte. Sie marschierte auf ihren stämmigen Beinen selbstzufrieden durch das Hotelzimmer. Für sie war die Welt und auch das benachbarte Universum vollkommen in Ordnung. * Als sich die Tür öffnete, dachte die Detektivin natürlich an den zurückkehrenden Butler. »Endlich«, raunzte sie wie gewöhnlich, »das hat ja eine Ewigkeit gedauert.« »Wenn Sie Mätzchen machen, Mylady, können Sie sie kennenlernen«, sagte eine scharfe Stimme von der Tür her. Agatha Simpson wandte sich um und sah zuerst mal in die kleine tückische Mündung einer schallgedämpften Pistole. Hinter dieser Pistole stand ein schlanker, im Grunde gut aussehender Mann von vielleicht dreißig Jahren, der die Augen einer Viper besaß. »Sie Flegel«, herrschte Agatha Simpson den Mann an, der
offensichtlich ein berufsmäßiger Killer war, »können Sie nicht wenigstens anklopfen?« »Schnauze«, gab der Killer zurück und grinste. »Los, kommen Sie schon! Ihr Butler wartet bereits.« »Hat Professor Toycraft Sie geschickt?« Während sie redete, sah die Sechzigjährige ihre junge, attraktive Gesellschafterin warnend an. Sie wollte nicht, daß Kathy Porter sich exponierte. Mord lag in der Luft, das wußte Lady Agatha. Sie gab sich da keinen Illusionen hin. »Lassen Sie sich überraschen! Kommen Sie endlich, sonst muß ich nachdrücklich werden! Sie wollen doch nicht, daß ich die Kleine da drüben abknipse, oder?« Er meinte Kathy Porter, die einen verängstigten und scheuen Eindruck machte. Ein Reh auf freier Wildbahn hätte nicht verschüchterter wirken können. »Wenn ich könnte, würde ich Sie jetzt ohrfeigen, Sie Individuum«, kläffte Lady Simpson den Killer an. »Ich werde mich bei Professor Toycraft über Sie beschweren. Das junge Ding stirbt ja fast vor Angst.« Kathy Porter war eine vorzügliche Schauspielerin. Als sie langsam und schüchtern zur Tür ging, bebte sie förmlich vor Angst, schlug den Blick nieder und verstärkte noch den Grundeindruck. Sie wurde zu einem schon superscheuen Reh. Dem Killer gefiel das außerordentlich. Er taxierte sie mit frechen Blicken ab und nahm Maß. Seinen Viperaugen war abzulesen, daß er sich früher oder später mit Kathy befassen wollte. Agatha Simpson griff nach ihrem Pompadour und übersah das vorsichtige Hochnehmen der schallgedämpften Waffe. Sie nickte dem Killer zu und stampfte zur Tür. Jetzt erschien ein zweiter Mann auf der Bildfläche. Er war fast so etwas wie eine Kopie des ersten, ebenfalls ein Profi und Killer. Er sicherte den Abtransport der beiden Frauen noch zusätzlich. Sie benutzten den nahen Hintereingang, den die beiden Killer geöffnet hatten. In der schmalen Seitenstraße stand ein VWTransporter, dessen seitliche Schiebetür geöffnet war. »Los, rein mit euch!« Der erste Killer deutete mit dem Schalldämpfer in das Wageninnere. Kathy Porter half ihrer Chefin auf die Ladefläche, um dann selbst zu folgen. Sie nickte Josuah
Parker zu, der bereits auf einer Kiste saß. »Darf ich mir erlauben, Mylady diese ein wenig unbequeme Sitzmöglichkeit anzubieten?« Parker lüftete seine schwarze Melone und zeigte einladend auf die Kiste. »Besser als nichts«, entschied die ältere Dame grimmig und ließ sich nieder. »Jetzt kann ich nur hoffen, daß diese Außerirdischen uns nicht im Stich lassen, Mr. Parker. Ich fürchte, daß wir ohne Hilfe kaum etwas zu erhoffen haben.« »Wenn Mylady gestatten, möchte ich mich Myladys Befürchtungen voll und ganz anschließen«, antwortete der Butler, »was allerdings nicht bedeutet, daß ich einer vagen Hoffnung endgültig entsagen möchte.« * Die Fahrt verlief zur Enttäuschung der Detektivin leider ohne jeden Zwischenfall. Nach gut einer Stunde, Parker hatte die Zeit mittels seiner altertümlichen Taschenuhr kontrolliert, hielt der VW-Transporter. Die Schiebetür wurde geöffnet, die Zwangsgäste mußten aussteigen. Parker schaute sich neugierig um. Es war so, wie er es im Grund erwartet hatte. Sie befanden sich bereits auf dem Katzenkopfplaster des engen Innenhofes. Das Gemäuer des Schlosses wirkte noch düsterer und unheimlicher als beim ersten Besuch, der immerhin freiwillig erfolgt war. Die beiden Killer scheuchten Lady Simpson, Kathy Porter und Butler Parker auf den Turm zu, in dem der bereits bekannte Fahrstuhl eingebaut war. Vielleicht hätte der Butler jetzt das Blatt noch mal wenden können, doch er nahm bewußt Abstand davon. Jetzt wollte er wissen, warum Professor Toycraft sie hatte entführen lassen. Kam man dadurch vielleicht dem Geheimnis dieser angeblichen Wesen aus dem All näher? Würde man bald wissen, wie der Professor diese raffinierten Täuschungen vornahm? Im Labor wurden sie von den beiden jungen Männern erwartet, die auf so geheimnisvolle Art und Weise aus dem Jeep verschwunden waren. Sie machten allerdings einen recht abwesenden und verträumten Eindruck. Sie reagierten überhaupt nicht auf die Ankömmlinge, saßen auf einer Bank, lehnten sich
gegen die Wand hinter ihnen und starrten zu Boden. Sie machten einen hypnotisierten Eindruck, wie Parker fand. Professor Toycraft kam um eine der starken, gedrungenen Gewölbesäulen herum. Er war nicht allein. In seiner Begleitung befand sich ein massiger Mann von etwa fünfzig Jahren, der einen gewiß sehr teuren, aber dennoch schlecht sitzenden Anzug trug. Er hatte das Gesicht einer Bulldogge, die unter Magenverstimmung leidet. »Sie sind ein Flegel, Professor«, dröhnte Agatha Simpson sofort los, unbeeindruckt und ungeniert wie immer. »Wie kommen Sie dazu, uns auf diese Art und Weise…« »Halten Sie Ihren Mund, Lady Simpson«, knurrte die magenverstimmte Bulldogge dazwischen. »Sie reden nur, wenn Sie gefragt werden! Ist das klar?« schnauzte Agatha Simpson den Begleiter des Professors an. »Stellen Sie sich gefälligst vor, wie es unter zivilisierten Menschen üblich ist! Haben Sie mich verstanden?« »Stopft ihr das Maul!« Die Bulldogge nickte den beiden Profis zu, die ihre Schußwaffen leichtsinnigerweise weggesteckt hatten. Sie waren der irrigen Meinung, es mit der älteren Dame auch so aufnehmen zu können. Sie erlebten eine mehr als herbe Überraschung. Agatha Simpson wußte ihren Pompadour samt dem darin befindlichen >Glücksbringer< sehr wirkungsvoll einzusetzen. Der erste junge Profi produzierte einen dumpfen Laut der Überraschung, auch wohl des Schmerzes, als der Pompadour sich auf seine Nase legte. Agatha Simpson hatte blitzschnell zugelangt. Der >Glücksbringer< nur sehr oberflächlich mit Schaumgummi umwickelt drückte die Nase erheblich zur Seite ja, ließ sie fast umklappen. Der Profi vergaß jede übliche Absicht, hielt sich die Nase und war dem Fußtritt der älteren Dame völlig wehrlos ausgeliefert. Lady Simpson hatte sich nämlich keineswegs geniert, ihren Gegner ans Schienbein zu treten. Nun heulte der Profi erneut auf, stolperte und tanzte auf dem noch gesunden Bein herum. »Stop!« Die Bulldogge hatte ihre Schußwaffe gezogen und richtete sie schlauerweise ausgerechnet auf Kathy Porter. Agatha Simpson war Realistin genug, daraufhin von ihrem Plan
Abstand zu nehmen, dem zweiten Profi den Pompadour aufs Auge zu setzen. Sehr widerwillig ließ sie das perlenbestickte Handbeutelchen sinken und schaute grimmig auf die Schußwaffe. Parker konnte ohnehin nichts unternehmen, denn der Mann neben Professor Toycraft konnte auch ihn mit der Waffe kontrollieren. Zudem hatte Parker sehr aufmerksam die beiden jungen Männer aus dem Jeep betrachtet. Er wunderte sich noch immer über ihre Apathie. Sie hatten bisher keine Reaktion gezeigt. »Ich bin Herrn Dunkers«, stellte die Bulldogge sich endlich vor, ein Name, mit dem Parker nichts anzufangen wußte. Er schaltete innerlich um und widmete sich Toycrafts Begleiter. »Gehe ich recht in der Annahme, daß Sie eine relativ wichtige Person sind?« erkundigte er sich. »Mann, Sie haben überhaupt keine Ahnung.« Herrn Dunkers lächelte ironisch. »Sie sind von einem Gangstersyndikat geschickt worden, nicht wahr? Sie bezahlen und kontrollieren die Arbeit dieses Narren, oder sollte ich mich irren?« Es war Lady Simpson, die wieder mal die Dinge beim Namen nannte. Sie sagte das laut und deutlich, was sie sich schon die ganze Zeit über gedacht hatte. Nach ihrer Theorie stand Toycraft ja in Diensten einer Verbrecherorganisation. Ihr Schuß traf ins Schwarze! Herrn Dunkers lief dunkelrot an. »Von wem haben Sie das?« fragte er sich mühsam zusammennehmend und warf Toycraft einen schnellen, mißtrauischen Blick zu. »Es stimmt also«, stellte Agatha Simpson erneut fest und nickte dem Butler triumphierend zu. »Habe ich das nicht die ganze Zeit über gesagt, Mr. Parker?« »Wer hat Ihnen das gesagt?« fragte Herrn Dunkers erneut. Dieser Punkt schien ihn ganz besonders zu interessieren. »Ein Narr wie Toycraft kann nur von Gangstern Geld für seine dubiosen Experimente erhalten«, fauchte die ältere Dame den Gangstervertreter an. »Wahrscheinlich entwickelt er für Sie neue Methoden zum Berauben von Banktresoren, nicht wahr?« Herrn Dunkers’ Gesichtsfarbe nahm ein noch satteres Rot an. »Na, also«, freute sich Agatha Simpson. »Wieder mal den Nagel auf den Kopf getroffen.«
»Darf man fragen, ob Sie ein britisches oder amerikanisches Syndikat vertreten?« schaltete der Butler sich in seiner höflichen Art ein. »Sehen Sie sich doch sein Gesicht an«, mutmaßte Lady Simpson sehr anzüglich. »So etwas kann nur aus den Staaten kommen, Mr. Parker. Von Menschenkenntnis haben Sie aber wirklich keine Ahnung.« »Ruhe!« Herrn Dunkers’ Stimme überschlug sich vor Ärger. »Sind wir denn hier in einem Irrenhaus?« »Sehen Sie sich Toycraft an, dann wissen Sie es!« Eine Lady Simpson ließ sich keineswegs den Mund verbieten. Sie machte einen äußerst animierten Eindruck. Parker fürchtete um ihr Temperament und griff daher schnell ein, bevor die Dinge auf die Spitze getrieben wurden. »Darf Mylady endlich wissen, weshalb es zu dieser Entführung kam?« Er wandte sich an Toycraft. »Was ist mit meinen beiden Mitarbeitern passiert?« fragte der Professor sofort. »Seitdem sie zurück sind, kann ich sie nicht mehr ansprechen. Was haben Sie ihnen gespritzt oder verabreicht?« »Das haben Sie noch nicht begriffen?« Agatha Simpson war einfach nicht zu bremsen und sah Toycraft fast ungläubig an. »Die Außerirdischen haben eingegriffen. Haben Sie überhaupt kapiert, daß Sie einen von ihnen mit Ihrem Laserstrahl getötet haben? An Ihrer Stelle würde ich mich irgendwo verkriechen. Toycraft! Sie schweben in akuter Lebensgefahr!« * »Was faselt sie da?« Herrn Dunkers, der tatsächlich der Vertreter eines Verbrechersyndikats war, sah den Professor verdutzt an, dann allerdings auch Lady Simpson. Nun verlor er die Geduld. Herrisch wandte er sich an seine beiden Profis, von denen einer gerade seinen Tanz auf einem Bein beendet hatte. »Schafft die beiden Typen weg!« Er deutete auf Lady Simpson und Butler Parker. »Ich werde erst mal die Kleine da fragen. Die scheint mir wenigstens klar antworten zu können.« Da er Kathy mit der Waffe bedrohte, strich Agatha Simpson die
Segel. Darüber hinaus aber war die ältere Dame durchaus damit zufrieden, daß dieser Herrn Dunkers es mit ihrer Sekretärin versuchen wollte. Lady Simpson wußte nur zu gut, was mit Kathy wirklich los war. Sie ließ sich ganz sicher nicht in die Enge treiben. Während die beiden Killer Lady Simpson und Butler Parker auf eine mit Stahlblech beschlagene Tür zutrieben, kam Herrn Dunkers langsam auf Kathy zu, die ihren Blick senkte und einem scheuen Reh aus dem tiefen Wald glich. »Paß auf, Kleine«, sagte Dunkers. »ich werde dich durch die Hölle jagen, wenn du nicht die Wahrheit sagst! Bist du scharf darauf, daß meine Jungens sich mal gründlich mit dir befassen? Einer von ihnen ist ein ausgemachter Sadist, der andere grundsätzlich scharf auf Frauen. Muß ich noch deutlicher werden?« Kathy schaffte es ohne weiteres, sanft zu erröten. »Nein, bitte nicht!« hauchte sie. Sie hatte inzwischen mitbekommen, daß man Lady Simpson und Butler Parker eingesperrt hatte. Sie war froh darüber, denn so konnte sie sich später viel freier und ungezwungener bewegen. »Dann leg endlich los!« Herrn Dunkers blieb knapp vor ihr stehen, er hatte die Schußwaffe aber bereits wieder weggesteckt. »Was… Was wollen Sie wissen, Sir?« fragte Kathy, brav wie ein gehorsames Kind. »Was habt ihr mit den beiden Männern angestellt?« fragte Professor Toycraft. Er deutete auf seine beiden apathischen Mitarbeiter, die immer noch keine Reaktion zeigten. »Sie werden es sicher nicht glauben«, antwortete Kathy schüchtern und ängstlich. Dann berichtete sie von dem Laserstrahl, von dem Verglühen eines der Außerirdischen, von der Rückfahrt mit den beiden Männern, vom Nebel und dann vom plötzlichen Verschwinden der beiden Fahrgäste. »Das soll doch wohl ein Witz sein, oder?« Herrn Dunkers sah den Professor ungläubig an. »Die Kleine spinnt doch!« »Sie scheint ein einfältiges Gemüt zu haben«, sagte Professor Toycraft mitleidig. »Sie will uns auf den Arm nehmen. Hallo, Jungens, kommt mal her! Nehmt euch die Kleine vor! In zehn Minuten will ich sie weich haben, ist das klar?« »Wird die danach noch gebraucht, Chef?« fragte der Mann,
dessen Schienbein noch heil war. »Wenn sie geredet hat, muß sie abserviert werden.« Kathy ließ sich nichts anmerken. Wie ein Schlachtopfer ging sie mit. Die beiden Killer hatten sie zwischen sich genommen und gingen mit ihr auf einen Raum zu, dessen Tür nur angelehnt war. Kathy hütete sich, schon jetzt und hier etwas zu ihrer Befreiung zu unternehmen. Zuerst mußte die Wachsamkeit dieser beiden scheußlichen Killer eingeschläfert werden. Hinter der Tür befand sich eine Art Büro. Indirektes Licht erhellte diesen Raum, in dem es eine Sitzgruppe gab und eine große Couch, auf die sie zugestoßen wurde. Sie hatte sie noch nicht ganz erreicht, als sich die ganze Brutalität der beiden Killer zeigte. Einer von ihnen, sie konnte nicht sehen, wer es war, riß ihr das Kleid über der Schulter entzwei und stellte ihr ein Bein. Kathy flog auf die Couch und zog sofort geistesgegenwärtig ihre Beine an. Sie war fest entschlossen, den Angriff abzuwehren. Sie hatte nicht die Absicht, sich auf ein hinhaltendes Spiel einzulassen. Kathy Porter starrte auf die beiden Killer, die sich recht seltsam benahmen. Einer von ihnen schien mitten in seiner Bewegung geradezu erstarrt zu sein. Er rührte sich nicht von der Stelle und glich einer Statue. Der Mann war bei vollem Bewußtsein. Er stierte Kathy entgeistert an, schwitzte vor Angst und war völlig hilflos. Der zweite Profi erhielt gerade eine unsichtbare Ohrfeige. Kathy konnte zwar nichts hören, doch sie sah, wie der Kopf dieses Profis ruckartig zur Seite gedrückt wurde. Doch es kam noch besser und auch seltsamer. Der Mann stieg plötzlich etwa fünfzehn Zentimeter steil und senkrecht in die Luft, stöhnte vor Angst und Grauen und… legte sich dann flach auf die Atmosphäre, die ihn umgab. So blieb er einen Moment in der Schwebe hängen, um dann haltlos nach unten zu klatschen. Er landete derart hart, daß er benommen liegenblieb. Kathy glaubte, so etwas wie ein Kichern zu hören. *
»Die Tür hat sich bewegt, Mr. Parker.« Agatha Simpson hatte wieder mal mehr gesehen als ihr Butler. Sie marschierte auf ihren stämmigen Beinen zu der soliden Tür und drückte mit dem Zeigefinger fast behutsam gegen sie. Sie schwang spaltbreit auf. Lady Simpson dreht sich triumphierend zu Parker um, der ein wenig konsterniert war. Der Butler nahm seinen UniversalRegenschirm und ging gemessen auf seine Herrin zu, die bereits nach draußen spähte. »Sehen Sie sich das an!« Agatha Simpson winkte ihn ungeduldig zu sich heran und deutete nach draußen. Sie lachte und war bester Laune. Daß sie sich in der Hand mordbereiter Killer befand, schien sie völlig vergessen zu haben. Parker interessierte sich für den Grund ihres Lachens. Was er dann sah, war allerdings mehr als ungewöhnlich. Herrn Dunkers, der Repräsentant des Gangstersyndikats, schien von einer ungemein zärtlichen Anwandlung erfaßt worden zu sein. Er hatte sich die Knie des Professors erobert, auf einem Platz genommen und wollte nicht mehr herunter, obwohl Toycraft sich alle Mühe gab, das Riesenbaby abzuschütteln. »Mr. Dunkers«, protestierte er keuchend, »was soll denn das? Mr. Dunkers, kommen Sie doch zu sich! Sie sitzen auf meinen Knien!« Der Repräsentant des Gangstersyndikats hörte überhaupt nicht zu. Er wollte den Professor sogar umarmen, wogegen Toycraft sich verzweifelt wehrte. Mühsam stand er auf und kippte seinen Geldgeber auf den Boden. Dann lief Toycraft weg, sich immer wieder nach dem Riesenbaby umsehend, das greinend auf dem Boden saß und mit den Armen in der Luft herumfuchtelte. »Da kann man nur noch staunen, wie?« Agatha Simpson hatte den Raum verlassen und stand seitlich hinter Toycraft, der entsetzt herumwirbelte und die ältere Dame entgeistert anschaute. »Verzichten Sie möglichst auf gewisse Dummheiten«, schaltete Parker sich ein, der seine Herrin begleitete. »Sie sollten vielleicht Platz nehmen, damit man sich in aller Ruhe unterhalten kann.« »Wie… Wie schaffen Sie das alles?« fragte der Professor, dessen Stimme vibrierte. In seinen Augen war nur noch Verständnislosigkeit. Der Mann begriff die Welt nicht mehr.
»Sind es denn nicht Sie, der das alles inszeniert?« wollte der Butler wissen. »Natürlich ist er es nicht, Mr. Parker.« Lady Simpson sah ihren Butler kopfschüttelnd an. »Warum wollen Sie nicht endlich einsehen, daß wir es hier mit Wesen aus dem All zu tun haben?« »Wesen aus dem All?« Professor Toycraft schüttelte zögernd und ungläubig den Kopf. »Glauben Sie etwa, dieser Flegel hätte sich freiwillig auf Ihren Schoß gesetzt?« fragte Lady Simpson, während Parker zu dem Riesenbaby hinüberging und es entwaffnete. Er ließ den Professor dabei nicht aus den Augen, weil er dem Wissenschaftler nicht über den Weg traute. »Wer sonst sollte Ihre beiden Lümmel da drüben außer Gefecht gesetzt haben?« fragte die ältere Dame grimmig weiter und deutete auf die beiden Apathischen. »Aber… Aber so etwas gibt es doch gar nicht«, stotterte Toycraft herum. »Ich bin mir jetzt sicher, daß Sie sie herbeigerufen haben«, sagte Agatha Simpson wie selbstverständlich. Nun, das war selbst für den Butler völlig neu. Er sah seine Herrin erwartungsvoll an. Sie schien ihrer Theorie eine neue Variante hinzufügen zu wollen. »Ich soll diese Wesen herbeigerufen haben?« Toycraft war völlig ratlos. »Durch Ihre Experimente mit Laser-Strahlen«, erklärte Lady Agatha Simpson entschieden. »Was haben denn die damit zu tun?« »Wenn man mit Laser-Strahlen den Mond vermessen kann, dann werden die Strahlen ja auch darüber hinaus weiter ins All dringen. Stimmt das nun oder nicht?« »Natürlich«, räumte Professor Toycraft ein. »Mit Lichtgeschwindigkeit, oder?« »Allerdings, Mylady.« »Sie können dann also auch einen Planeten außerhalb unseres Sonnensystems treffen, oder?« »Vollkommen richtig.« Professor Toycraft nickte zögernd. »Aber denken Sie doch an die unvorstellbar großen Entfernungen, Mylady.« »Seit wann experimentieren Sie hier in diesem scheußlichen Gemäuer?« »Seit knapp zwei Jahren.«
»Wann haben Sie die ersten Laser-Strahlen in Richtung Himmel abgeschossen?« »Auch vor knapp zwei Jahren.« »Sehen Sie, und diese Laser-Strahlen sind von den Außerirdischen aufgefangen worden, Professor. Sie sind neugierig geworden und zu uns auf die Erde gekommen, um sich hier mal in aller Ruhe umzusehen.« »Das… Das kann ich mir einfach nicht vorstellen.« Toycraft schüttelte zögernd den Kopf. »Was Sie sich vorstellen können oder nicht, interessiert mich nicht, Professor. Sie sind eben hier! Sie haben zuwenig Sciencefiction-Romane gelesen. Das war ein Fehler!« Parker hütete sich, in diese Unterhaltung einzugreifen. Das, was Lady Simpson da sagte, kam auch ihm etwas zu kühn vor. »Dieser Besuch könnte natürlich noch einen anderen Grund haben«, deutete die Detektivin an. »Sie wissen doch, daß hier bei Thurso eine Atom-Versuchsanstalt existiert, nicht wahr?« »Tatsächlich?« Parker wurde hellhörig, als Toycraft diesen Punkt schnell überging. »Die kleinen grünen Männchen könnten von diesem Versuchsprogramm angelockt worden sein.« »Oder ihre Geldgeber, Professor?« schaltete der Butler sich ein. »Wieso?« Toycraft tat ahnungslos. »Wie leicht ließe sich eine Regierung erpressen, wenn man ihr damit droht, einen Atommeiler mit Laserstrahlen aufzuschneiden und in die Luft zu jagen, Professor?« »Damit habe ich nichts zu tun!« Toycraft saß bereits in der Falle, bevor er es überhaupt merkte. Doch plötzlich wurde sein Gesicht kreideweiß. Er deutete auf das Riesenbaby, das immer noch auf dem Boden des Labors saß. »Das war der Plan dieser Leute dort. Sie haben mich erpreßt. Ich mußte tun, was sie wollten!« »Ich möchte ja nicht stören, Mylady«, ließ sich in diesem Moment Kathy Porter vernehmen, »aber vielleicht sollte man das Schloß verlassen.« »Hallo, Kindchen.« Agatha Simpson wandte sich wie normal an ihre Gesellschafterin und wunderte sich überhaupt nicht, daß sie gesund, munter und frei war. Für sie schien das eine Selbstverständlichkeit zu sein. »Gibt es möglicherweise akute Gründe für Ihren Vorschlag?«
erkundigte sich Josuah Parker. »Die Gewölbemauern scheinen etwas weich zu werden, Mr. Parker.« Kathy Porter deutete auf eine der gedrungenen, aber mächtigen Säulen. Mit bloßem Auge war zu erkennen, daß die Quardersteine zerbröselten und nachgaben. »Mylady, das Gespräch sollte man tatsächlich außerhalb des Schlosses fortsetzen«, schlug Parker sofort vor. »Zudem scheint nun auch noch Grundwasser einzudringen.« Agatha Simpson hörte ein Plätschern hinter sich, drehte sich um und beobachtete die feinen Rinnsale, die aus den Fugen drangen. »Bringen Sie sich und Ihre Geldgeber in Sicherheit.« warnte die ältere Dame den konsternierten Wissenschaftler. »Viel werden Sie von Ihrem Schloß nicht mehr haben.« »Aber es sind doch unersetzliche Werte! Meine Aufzeichnungen! Ich muß sie in Sicherheit bringen.« Professor Toycraft rannte los, ohne sich um seine beiden Mitarbeiter oder um die Geldgeber zu kümmern. Parkers Augen verengten sich ein wenig, als die beiden Apathischen plötzlich aufstanden und zu dem am Boden sitzenden Herrn Dunkers gingen. Sie hoben ihn auf und trugen ihn hinüber zum Aufzug. Aus dem Raum, in den man Kathy Porter verbracht hatte, kamen die beiden Killer. Sie gingen schwerfällig wie Automatenmenschen, nahmen überhaupt nichts wahr und schlossen sich der Prozession an. »Sind Sie denn jetzt endlich überzeugt, Mr. Parker?« Agatha Simpson zeigte keine Panik, obwohl die Wasserrinnsale sich verbreiterten, obwohl die gedrungenen Säulen sich sehr schnell auflösten. »Darf ich Mylady zum Aufzug bitten?« Parker war an einer Diskussion überhaupt nicht interessiert. Ihm ging es darum, das brüchig werdende Labor des Professors so schnell wie möglich zu verlassen. Er hörte sehr wohl das Knirschen und Reißen im Gewölbe. Parker atmete erst wieder auf, als sie den Innenhof erreicht hatten. Er sorgte dafür, daß die vier jungen Männer und auch Dunkers im VW-Transporter Platz nahmen, um dann die Schiebetür zu schließen. »Ich möchte dringend empfehlen, Mylady, das Schloß zu verlassen«, drängte er. »Und was ist mit Professor Toycraft?« wollte Kathy Porter
wissen. »Sie werden ihn im Gewölbe festhalten«, antwortete die Detektivin mit einer verblüffenden Entschiedenheit. »Haben Sie vergessen, daß er eines der Wesen umgebracht hat?« Parker wollte auf dieses Thema nicht eingehen. Er beobachtete die Außenmauern des Schlosses. Auch sie zeigten bereits deutliche Risse, zerbröselten und wurden zu fließendem Sand. Hastig verstaute er Agatha Simpson im Fahrerhaus des Transporters, nickte Kathy zu und setzte sich ans Steuer. Nachdem sich auch noch Kathy auf den Vordersitz gepreßt hatte, fuhr der Butler schleunigst los. Sie hatten gerade das Tor hinter sich als es krachend in sich zusammenfiel. Parker gab Vollgas, jagte über die Zugbrücke und hielt erst, als sie normalen Heideboden unter den Reifen spürten. Das Tor war schon nicht mehr zu sehen, es hatte sich inzwischen in einen Sandhaufen verwandelt. Parker stieg aus, half seiner Herrin aus dem Wagen und nickte Kathy Porter zu. Das Trio beobachtete die lautlose Zerstörung des Schlosses. Es war ein unheimlicher Anblick. Wütende Detonationen. Rauchwolken oder Flammenbündel wären vielleicht normaler gewesen als dieser lautlose Zerfall. Die schweren Quadersteine, der Außenmauern lösten sich vor ihren Augen auf und wurden zu Sand, der in sich zusammenrutschte. Das alles geschah quasi im Zeitlupentempo, doch mit einer schrecklichen Konsequenz. Der große Turm rieselte auseinander und verkürzte sich von Sekunde zu Sekunde. Die Mauern rutschten in sich zusammen und gaben den Blick frei auf die inneren Gebäude des Schlosses. Auch sie liefen breiig auseinander, ohne daß dabei eine Staubwolke produziert wurde. Es dauerte knapp zehn Minuten, dann war von den Konturen des Schlosses kaum noch etwas zu erkennen. Der Eindruck eines riesigen Sandhaufens verstärkte sich immer mehr. Der Sand rutschte seitlich weg und füllte den kleinen See aus, dessen Wasser über die Ufer trat. »Ich warte auf Ihren Kommentar, Mr. Parker«, ließ Lady Simpson sich schließlich vernehmen. Ihre Stimme klang belegt. Sie stand völlig unter dem Eindruck des Geschehens. »Ein ungewöhnliches Phänomen«, räumte der Butler ein. »Haben Sie nicht mehr dazu zu sagen?«
»Im Moment fehlt es mir an den geeigneten Worten, Mylady.« »Glauben Sie, daß das mit natürlichen oder erklärbaren Dingen zugeht?« Die resolute Dame ließ nicht locker, während der Sandhaufen sich noch mehr vergrößerte. Nun war vom Schloß schon gar nichts mehr zu sehen. »Ich muß gestehen, Mylady…« »Nun, Mr. Parker, was?« Agatha Simpson triumphierte. Sie erwartete ein Bekenntnis. »Ich muß gestehen, Mylady, daß meine wissenschaftliche Vorbildung nicht ausreicht, um mit einer passenden Erklärung aufzuwarten.« Agatha Simpson hätte sicher gern nachgehakt, doch sie wurde abgelenkt. Wie übrigens auch Kathy Porter und Butler Parker. Unter dem riesigen Sandberg schien sich ein Trichter geöffnet zu haben. Der Sand kippte nach innen weg und rieselte lautlos in diesen unsichtbaren Trichter. Der ganze Vorgang dauerte nur wenige Minuten. Danach waren nur noch einige Grundmauerreste zu sehen, die völlig intakt zu sein schienen. Der Sandberg aber war verschwunden! »Wie eine normale Schloßruine«, sagte Kathy Porter verblüfft. »Sie lassen sich nicht in die Karten sehen«, meinte Lady Simpson und nickte, als sei das für sie alles äußerst selbstverständlich, »jetzt ist es nur noch eine Ruine wie jede andere.« Parker hütete sich, irgend etwas zu sagen. Er wollte nicht unbedingt zugeben, daß sein Weltbild ein wenig ins Wanken geraten war. Er hoffte immer noch einer Sinnestäuschung erlegen zu sein. * »Ich werde die Männer mit nach London nehmen«, sagte Peter B. Morgan vom Innenministerium, »und auch ein paar Sand- und Bodenproben.« »Ist das alles, was Sie dazu zu sagen haben?« fragte Lady Simpson grimmig wie immer. »Wollen Sie sich das Schloß nicht wenigstens ansehen? Wollen Sie nicht nach Professor Toycraft suchen lassen?« »Das wird alles geschehen«, gab Morgan zurück. »Waren denn
Sie noch mal in der Ruine?« »Ich war so frei, einen kleinen Rundgang zu machen«, schaltete der Butler sich ein. »Und was haben Sie entdeckt?« »Nichts«, erwiderte Parker, »rein optisch gesehen ist die Ruine seit vielen Jahren nicht mehr bewohnt gewesen.« »Unsere Wissenschaftler werden sich dieser Sache gründlich annehmen«, versprach Peter B. Morgan noch mal. »Meine Aufgabe hier ist beendet.« »Wieso denn das?« Parker gestattete sich die Freiheit eines gewissen Staunens. »Sind Sie nur wegen Toycraft nach Thuros gekommen?« »Haben Sie vergessen, daß es hier Außerirdische gibt?« erinnerte Lady Simpson. »Man wird sehen, man wird sehen.« Mit Peter B. Morgan war nichts mehr anzufangen. Er konnte nicht schnell genug ins Fahrerhaus des VW-Transporters kommen. Er hatte vor, seine wertvolle Fracht per Hubschrauber nach Glasgow zu schaffen, von wo aus er dann mit einer Maschine weiter nach London wollte. »Sollte es auch ihn erwischt haben?« befürchtete die ältere Dame, als Morgan wegfuhr. »Mylady hegen eine bestimmte Befürchtung?« »Und ob ich die hege, Mr. Parker! Vielleicht vergißt er unterwegs, was er gesehen und erlebt hat. Die Wesen aus dem All scheinen ihre Spuren verwischen zu wollen.« »Mylady denken an eine Rückkehr dieser möglichen Wesen ins All?« »Was weiß ich?« Lady Simpson wirkte ein wenig gereizt. »Fahren wir diesem Morgan nach. Ich möchte wissen, was aus ihm wird.« Parker verzichtete auf jeden noch so feinen oder zurückhaltenden Widerspruch. Er aktivierte die Limousine und erschien damit vor dem Hotel. Wenig später jagten sie bereits hinter dem VW-Transporter her, der sich auf dem Weg zum Hubschrauber-Landeplatz befand. Sie vermochten ihn zwar nicht mehr einzuholen, doch sie machten eine erstaunliche Entdeckung. Der Hubschrauber hob gerade von seinem Landeplatz ab, stieg senkrecht nach oben und nahm dann Kurs auf die See. »Was hat denn das zu bedeuten?« Agatha Simpson war wie
elektrisiert. »Der Pilot scheint die Richtung verwechselt zu haben«, meinte Josuah Parker zurückhaltend. »Wohin geht’s da?« fragte Lady Simpson. »Zu den Orkney- oder Shetland-Inseln, Mylady, generell gesehen.« »Besorgen Sie sofort ein Privatflugzeug Mr. Parker!« Die Detektivin machte einen entschlossenen Eindruck. »Mylady planen eine Exkursion?« »Ich will die Basis dieser Marsmenschen finden. Beeilen Sie sich!« »Die Basis der Marsmenschen, Mylady?« »Natürlich. Sie müssen ja ein Raumschiff haben. Daß ich darauf noch nicht früher gekommen bin!« Es wäre sinnlos gewesen, Mylady das ausreden zu wollen. Ohne sich etwas anmerken zu lassen, besorgte der Butler eine Privatmaschine. Zu seinem Leidwesen klappte das schneller und reibungsloser, als er dachte. Sie befänden sich immerhin ganz in der Nähe eines kleinen Flugplatzes. Von hier aus starteten pro Tag einige Versorgungs- und Postflugzeuge zu den Inseln. »Nehmen Mylady mit einer Piper vorlieb?« erkundigte sich Parker, nachdem er die notwendigen Verhandlungen mit einer kleinen Fluggesellschaft abgeschlossen hatte. »Wie das Ding heißt, ist mir doch völlig gleichgültig«, gab sie ungeduldig zurück. »Hauptsache, das Ding fliegt. Ich möchte sofort starten, bevor die Außerirdischen ihre Spuren verwischt haben.« Parker tauschte wieder mal einen ergebenden Blick mit Kathy Porter. Manchmal waren die Aktivitäten seiner Herrin kaum zu ertragen. Wenn sie sich erst mal etwas in den Kopf gesetzt’ hatte, ließ sie es sich nicht mehr ausreden. »Der Hubschrauber kehrt zurück«, meldete Kathy Porter in diesem Augenblick. Ihre Stimme klang sehr erleichtert. Sie war der Ansicht, daß damit der Flug überholt war. »Ein Ablenkungsmanöver«, entschied die ältere Dame, »aber darauf falle ich nicht herein. Darauf nicht! So gerissen wie diese Außerirdischen bin ich schon lange. Vorwärts, ich wittere eine sensationelle Entdeckung!«
* Es war eng in der kleinen Maschine, die das Festland längst hinter sich gelassen hatte. Lady Simpson hatte einen Fensterplatz und sah auf die rauhe See hinunter, auf der hin und wieder eine Art Wasserfloh auszumachen war. Es handelte sich dabei um Fischkutter, die sich der schützenden Küste näherten. Im Licht der Sonne, die immer wieder für kurze Zeit hinter den Regenwolken erschien, waren die Umrisse der ersten Inselgruppen zu erahnen, die zu den Orkneys gehörten. Bis zur Landung in Kirkwall konnte es nicht mehr lange dauern. »Mylady haben eine bestimmte Vermutung, wo das Raumschiff der Außerirdischen sich befinden könnte?« fragte Parker. »Seien Sie nicht albern«, raunzte sie sofort zurück. »Die Orkneys bestehen aus einem guten Dutzend großer und kleiner Inseln.« »Wie gedenken Mylady dann das erwartete Raumschiff zu finden?« »Sie werden sich schon bemerkbar machen«, hoffte die Detektivin, »sie sind immerhin weniger stur als Sie, Mr. Parker?« »Sollte ich mir den Unwillen Myladys zugezogen haben?« »Mit Ihrer Skepsis bringen Sie mich langsam zur Raserei«, fauchte sie. »Welche Beweise brauchen Sie denn noch? Ist das Schloß nicht auch vor Ihren Augen zu Staub geworden?« Parker wollte schon mit einer mehr oder weniger plausiblen Antwort reagieren, als er aufhorchte. Wenn ihn nicht alles täuschte, dann war das Geräusch der beiden Motoren unregelmäßig geworden. Er stand sofort auf und ging nach vorn zu den Piloten, die ein wenig aufgeregt die Instrumente absuchten. »Gibt es gute Gründe, um den Weiterflug fürchten zu müssen?« erkundigte sich Parker gemessen. »Mit der Benzinzufuhr klappt was nicht«, sagte der Erste Pilot nervös. »Wir müssen runter«, fügte der Copilot hinzu und deutete nach vorn auf einen kleinen, grünen Fleck, in der rauhen See. »Eine Insel, wie ich hoffe«, sagte Parker. »So groß wie ein Handtuch«, sagte der Erste Pilot, »aber kein Grund zur Panik. Wir sind schon ein paarmal unten gewesen.
Schnallen Sie sich an, ja?« »Was habe ich Ihnen gesagt?« Agatha Simpsons Gesicht glühte vor Freude und Eifer, als Parker wieder nach hinten kam. Sie deutete durch das Fenster nach unten. »Der Pilot muß eine kleine, nicht eingeplante Zwischenlandung vornehmen«, berichtete der Butler und nahm neben seiner Herrin Platz. »Was heißt hier nicht geplant?« Lady Simpson schüttelte den Kopf. »Wir werden heruntergebeten. Haben Sie denn kein Gespür für das Außergewöhnliche?« Parker wandte sich ein wenig um und tauschte wieder mal einen geheimen Blick des Einverständnisses mit Kathy Porter. Diese Fahrt nach Schottland schien Agatha Simpson nachhaltig verwirrt zu haben. * »Ob wir nicht noch nachsehen sollten, Miß Porter?« Josuah Parker befand sich in einer hochgradigen Unruhe. Lady Simpson war nun schon seit einer halben Stunde weg. Sie hatte darauf bestanden, allein zu gehen, und war hinter einigen zerfallenen, niedrigen und grauen Steinhäusern verschwunden. »Vielleicht hat sie wirklich etwas entdeckt, Mr. Parker?« »Aber Miß Porter!« Der Butler schüttelte sanft verweisend den Kopf. »Glauben Sie inzwischen auch an außerirdische Wesen?« »Ich weiß es nicht«, gab sie kläglich zurück, »das ist alles so ungewöhnlich und geheimnisvoll. Warum mußte die Maschine notlanden? Ob man die Landung nicht erzwungen hat?« »Diese Zwischenlandung war reiner Zufall«, entschied der Butler. »Ich werde mich für einige Minuten entfernen, Miß Porter.« »Ich komme mit, Mr. Parker. Die beiden Piloten haben ohnehin genug zu tun.« Das stimmte allerdings. Sie befaßten sich noch immer sehr nachhaltig mit den Benzinzuleitungen und reinigten sie mit Bordmitteln. Sie merkten kaum, als Josuah Parker und Kathy Porter sich von der Maschine entfernten, um nach Lady Simpson Ausschau zu halten. Die ersten zerfallenen Häuser, Stallungen und Remisen waren bald erreicht. Parker hatte die Führung übernommen und pirschte
sich an die Ruine einer kleinen Kirche heran. Er hatte sie noch nicht ganz erreicht, als er plötzlich gegen so etwas wie eine unsichtbare Wand stieß – und prallte zurück. Kathy Porter ging es ebenso. Sie rieb sich die Stirn und schaute den Butler völlig verwirrt an. Ratlosigkeit und auch ein wenig Angst war in ihren Augen zu erkennen. Bevor Parker sich jedoch mit diesem rätselhaften Phänomen befassen konnte, war Lady Simpson plötzlich zu sehen. Sie machte einen völlig gesunden und allerdings auch sehr animierten Eindruck. Auf ihren stämmigen Beinen marschierte sie die ehemalige Dorfstraße entlang und winkte Parker und Kathy zu, Sie schien ausgelassen zu sein wie ein Kind. »Vorsicht, Mylady«, rief Parker, als sie die Linie der unsichtbaren Wand erreicht hatte. Lady Simpson achtete aber gar nicht darauf. Sie passierte das Hindernis, als sei es nie vorhanden gewesen. Parker sah sich seine Herrin sehr genau an. Sie machte einen glücklichen Eindruck. »Mylady waren erfolgreich?« fragte er dann vorsichtig. Und gleichzeitig stocherte er mit dem vorgeschobenen UniversalRegenschirm nach der unsichtbaren Wand. Sie war nicht mehr vorhanden! Kathy hatte das mitbekommen und tastete sich vorsichtig weiter. Sie konnte jetzt ohne weiteres die »Sperrlinie« überschreiten. Es schien sie nie gegeben zu haben. »Darf man sich die Freiheit nehmen, Mylady zu beglückwünschen?« »Es war sehr informativ«, erwiderte Agatha Simpson. »Wir wollen zurück nach Thurso fliegen.« »Mylady konnten das Raumschiff sehen?« Parker war doch ein wenig neugierig geworden. Er wartete auf eine Antwort. Lady Simpson aber ging einfach weiter und hielt auf die kleine Maschine zu. »Lassen Sie die Motoren an«, sagte sie zu den beiden Piloten. »Wir fliegen zurück nach Thurso.« Sie sahen die ältere Dame mißtrauisch an, aber sie gehorchten. Der Chefpilot setzte sich in die Maschine und war restlos verblüfft, als die beiden Motoren sofort ansprangen und regelmäßig wie Uhrwerke liefen. »Mylady wollten noch auf meine bescheidene Frage antworten«,
erinnerte der Butler, als man wieder im Flugzeug saß. »Später, Mr. Parker«, erwiderte die Detektivin. »Ich muß das alles erst verarbeiten. Es war ein Erlebnis!« * »Ich habe alles und zugleich nichts gesehen«, erzählte Lady Simpson. Sie befand sich in ihrem Hotelzimmer und genehmigte sich einen doppelten Kreislaufbeschleuniger. »Könnten Mylady das möglicherweise ein wenig präzisieren?« bat der Butler. »Schwer zu beschreiben, Mr. Parker.« Lady Simpson nickte versonnen und nippte an ihrer Medizin. »Es ist schon so, wie ich es die ganze Zeit über gewußt habe: Es waren Außerirdische!« »Waren, Mylady?« »Sie sind schon wieder unterwegs«, gab die ältere Dame zurück. »Das hier auf unserer Erde war nur eine kleine Zwischenlandung.« »Ich möchte nicht neugierig erscheinen, Mylady, woher kamen die Wesen und wohin wollen sie?« »Das haben sie mir nicht gesagt. Aber es sind sehr friedliche Wesen. Sie waren entsetzt über das, was hier auf unserem Planeten so passiert. So etwas kennen sie nicht.« »Haben Sie sich mit dem Leiter der Expedition unterhalten können, Mylady?« »Auch das ist schwer zu erklären«, bedauerte die Detektivin, »sie blieben eigentlich unsichtbar für mich. Aber sie beglückwünschten mich.« »Aha!« Mehr sagte der Butler nicht. »Ich war für sie die erste Frau, die nicht vor Angst schrie und zeterte.« »Mylady sind in dieser Hinsicht stets sehr zurückhaltend«, räumte der Butler ein. »Sie wurden tatsächlich durch Laserstrahlen angelockt«, redete die resolute Dame weiter, »normalerweise hätten sie nie den Abstecher hier herunter zur Erde gemacht.« »Werden sie noch mal zurückkehren?« »Nein«, lautete die Antwort der Agatha Simpson, »eigentlich recht schade, finden Sie nicht auch?«
»In der Tat, Mylady! Konnten Mylady erfahren, was aus Mr. Morgan und den Gangstern geworden ist?« »Man wird sich in London voneinander trennen und nicht mehr wissen, was eigentlich vorgefallen ist.« Lady Simpson schmunzelte. »Ich bin gespannt, wann wir glauben werden, daß das alles nur ein Traum war.« »Ich werde mich sehr darum bemühen«, versprach der Butler. Später jedoch, als er das Reisegepäck zum Wagen schaffte, beobachtete er verstohlen die andere Straßenseite und hielt Ausschau nach riesigen Amöben. Er sah nichts, aber auch rein gar nichts… * Der Rückflug mit dem Hubschrauber verlief nicht ohne Zwischenfall. Kurz vor Glasgow wurden einige Passagiere unruhig, tuschelten miteinander und sahen dann sehr angestrengt in östliche Richtung. Der Hubschrauber schwenkte abrupt herum. Auch die Piloten schienen auf etwas aufmerksam geworden zu sein. »Eine fliegende Untertasse«, sagte plötzlich einer der Reisenden, ein sehr sachlich aussehender Techniker von der Atom-Versuchsstation. Kathy Porter und Butler Parker verließen ihre Plätze und suchten nach dem, was eine fliegende Untertasse sein sollte. Und sie sahen sie tatsächlich! Es handelte sich um eine Art Linse, überdimensional groß, die weit oben in der Stratosphäre deutlich zu erkennen war. Ihre Konturen schienen zu pulsieren, die Farben wechselten sehr schnell und wurden dann zu einem gleißenden Weiß. Diese »Fliegende Untertasse« bewegte sich mit unglaublicher Geschwindigkeit am Himmel, schwenkte dann scharf ein und schlug eine Art Haken. Sekunden später war das unbekannte Flugobjekt schon nicht mehr zu sehen. Die Passagiere an Bord redeten aufgeregt durcheinander, diskutierten leidenschaftlich dieses Phänomen und gerieten sich dabei fast in die Haare. »Sie sahen soeben einen Wetterballon«, kam plötzlich eine Durchsage aus der Pilotenkanzel. Die Stimme des Piloten klang
ein wenig amüsiert. Er schien gemerkt zu haben, worüber man diskutierte. »Tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen. Aber von einer >Fliegenden Untertasse< kann keine Rede sein!« * Agatha Simpson saß in ihrem Teehaus, das als Studio hergerichtet war. Sie hatte ihre Stadtwohnung verlassen und befand sich auf einem ihrer Landsitze. Sie hatte vor ihrer elektrischen Schreibmaschine Platz genommen und war fest entschlossen, den Bestseller des Jahrhunderts endlich niederzuschreiben. Sie kannte ihr Thema genau. Sie wollte keinen Kriminalroman mehr schreiben, sondern einen Tatsachenbericht über ihre Begegnung mit den Außerirdischen. Das Thema war allerdings nicht leicht zu fassen, denn ihre Gedanken irrten immer wieder ab. Sie fand, daß diese Erlebnisse eigentlich zu schade waren, um einer skeptischen Öffentlichkeit mitgeteilt zu werden. Kathy Porter lag am Rand des Schwimmbeckens hinter dem Haus und sonnte sich. Sie hatte die Ereignisse so gut wie vergessen, Sie dachte nur noch amüsiert an die unerklärbaren Dinge, die wahrscheinlich einen völlig realen Hintergrund hatten. Sie hatte jedoch keine Lust, sich damit zu befassen. Josuah Parker war von einem kleinen Spaziergang durch den weiträumigen Park zurückgekommen und näherte sich gemessen und würdevoll dem Schwimmbecken. Wohlgefällig schaute er auf Kathy Porter, die sich in der Sonne reckte und dehnte wie eine Katze. Plötzlich wurde Parkers Aufmerksamkeit abgelenkt. Er sah zu seiner Überraschung, wie seine Melone und sein Regenschirm sich selbständig machten. Er hatte sie auf einem Gartenstuhl abgelegt, doch nun schwebten sie plötzlich hoch, kreisten ein wenig und… landeten dann klatschend im Wasser. Parker war überrascht. Geistesgegenwärtig prüfte er mit erhobenem Zeigefinger die Windverhältnisse. Eine kleine Windhose schien beide Gegenstände ins Wasser befördert zu haben.
Sekunden später sah er die beiden Marsmenschen! Sie tauchten neben dem Liegestuhl auf, in dem Kathy Porter lag. Sie waren klein, hatten grüne Gesichtsfarbe, Saugrüssel und kleine Antennen auf ihren Köpfen. Sie trugen etwas Undefinierbares, was Parker in der verständlichen Aufregung nicht genau mitbekam. Sie waren real! Sie bestanden nicht aus Konturen und waren auch keine riesigen Amöben. Sie gingen an Kathy vorbei, die die Augen geschlossen hatte und noch nichts merkte. »Was – ähem – kann ich für Sie tun?« erkundigte sich Parker, der sich bereits wieder voll unter Kontrolle hatte. »Waren Sie angemeldet?« »Ja, kennen Sie uns denn nicht?« fragte einer der beiden Marsmenschen in einem durchaus guten Englisch. »Die Herren aus dem Zirkus?« »Richtig«, sagte der zweite grüne Marsmensch. »Wir haben ein Engagement hier in London bekommen. Und wir wollten mal vorbeischauen.« »Sind Sie in dieser Aufmachung durch London gefahren?« fragte der Butler. »Unsere Kostüme haben wir erst draußen vor dem Tor übergestreift, sonst hätte man uns bestimmt festgenommen.« »Wie wahr und richtig!« Parker war ehrlich erleichtert, dachte dann aber an seine Melone und an den Regenschirm. Er deutete auf die im Wasser treibenden Gegenstände. »Können Sie mir erklären, wie sie ins Wasser gerieten?« »Was, bitte?« fragte der erste imitierte Marsmensch. »Ihre Melone und der Regenschirm?« erkundigte sich der zweite. »In der Tat!« Parker ging an den Rand des Schwimmbeckens. »Keine Ahnung, wir haben das nicht getan«, meinte der erste Marsmensch nun wieder. »Nun, das dürfte auch nicht so wichtig sein«, meinte der Butler und winkte Kathy Porter zu sich heran, die zögernd aufgestanden war. »Aber können Sie mir vielleicht sagen, woher Sie Myladys Adresse kennen?« »Sie meinen, weil wir hier aufgetaucht sind?« Der zweite Marsmensch schmunzelte, was am Wackeln seines Saugrüssels zu erkennen war.
»Sie hatten uns doch Ihre Visitenkarte gegeben«, antwortete der erste Marsmensch. »Alles Weitere war eine Kleinigkeit.« Parker wußte genau, daß er den beiden Liliputanern niemals eine Visitenkarte überreicht hatte. Er wußte es mit letzter Sicherheit. Und jetzt wurde er tatsächlich unsicher. Waren es wirklich nur die beiden Liliputaner? Oder hatte er es mit echten Außerirdischen zu tun? »Ich werde Sie anmelden«, sagte er, »bitte warten zu wollen.« »Schön bringen Sie sie her«, sagte die Detektivin, die zu dem Schluß gekommen war, ihren Bestseller noch ein wenig zu verschieben, was die Zeit anbetraf und den Beginn der Niederschrift. Parker setzte sich in Bewegung und schritt gemessen zurück zum Schwimmbecken. Als er ums Haus herum war, sah er nur noch Kathy Porter, die einen ratlosen Eindruck machte. »Die beiden… Herren?« fragte der Butler und sah sich nach den Marsmenschen um. »Sie mußten plötzlich weg«, erwiderte Kathy kopfschüttelnd. »Sie haben sich noch nicht mal entschuldigt. Es hupte draußen am Tor, und da drehten sie sich um und rannten los.« »Sehr eigenartig«, fand er. »Ungewöhnlich eigenartig«, steigerte der Butler, »falls es so weitergeht, werde ich eines Tages wohl doch erwägen müssen, gewisse Dinge als Tatsachen hinzunehmen, obwohl mein Verstand sich dagegen sträubt.« Parker starrte dann ausgiebig auf die schwarze Melone, die im Wasser des Schwimmbeckens trieb, während der UniversalRegenschirm langsam versank.
ENDE Nächste Woche erscheint Butler Parker AUSLESE Band 149 Günter Dönges
Eine Lady tut das nicht