Nur einer reitet � noch � Vormann Jack Starlight beobachtet aus schmalen Augen die Männer auf der anderen Straßenseite...
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Nur einer reitet � noch � Vormann Jack Starlight beobachtet aus schmalen Augen die Männer auf der anderen Straßenseite. Die verteilen sich jetzt. Zwei Gruppen wandern ab, überqueren oberhalb und unterhalb des Hotels die Straße und erreichen den langen Gehsteig, der mit der Hotelveranda verbunden ist. Dann halten sie an. Der Vormann der Sun-Hill-Ranch und sein alter, invalider Rancher sehen auf den Mann, der langsam durch den Staub der Fahrbahn stapft und vor der Veranda stehenbleibt. Der Mann bewegt sich mit der geschmeidigen Lässigkeit eines Panthers. Etwas Wildes und Furchtloses geht von ihm aus. Er wirkt äußerlich wie ein riesiger Indianer in Cowboytracht. Seine schwarzen Augen richten sich nicht auf den alten Rancher, sondern auf Jack Starlight. »Es hat nicht geklappt, Jack«, sagt er spöttisch, und seine Stimme zittert dabei vor unterdrückter Wut. Sie klingt heiser und scharf. »Nein«, lächelt Jack Starlight, »es hat nicht geklappt. Dein Beschützer hat gezeigt, wie groß sein Schatten ist und wie weit er über dieses Land fällt. Du hast mit einigen Leuten unser Vieh gestohlen. Wir haben euch verjagt, ich konnte dein Pferd zusammenschießen. Du warst bewußtlos, als wir dich fanden. Well, wir brachten dich vor Gericht, aber die Geschworenen waren feige und sprachen dich frei. Mein Rancher glaubte an Recht und Gesetz. Nun weiß er, daß es so etwas hier nicht gibt. Das ist gut! Wenn wir dich noch einmal beim Viehdiebstahl erwischen, hängen wir dich auf. Bleib von unserer Weide, Slim
Tinkerton!«
Der vorliegende Roman erschien in dieser Reihe schon als Band 122 und im Western-Bestseller als Band 781.
Jack Starlight sagt es ganz sanft und ruhig. Gerade deshalb, weil er so ruhig und beherrscht dabei bleibt, wirken seine Worte unerbittlich und mitleidlos. Da steht ein berüchtigter Viehdieb, der der Freund eines Großranchers ist und der von einer ängstlichen Jury wegen angeblichen Beweismangels freigesprochen wurde. Und auf der Veranda steht der Vormann einer mittelgroßen Ranch, ein Mann, der gewissermaßen die Verkörperung der Sun Hill Ranch bedeutet. Ohne Jack Starlight könnte die Ranch nicht ihre Ansprüche aufrechterhalten. Denn Jack Starlight gilt etwas in diesem Land. Er ist eine ganze Mannschaft wert. Da der Rancher nicht mehr viel zählt, wird die Sun Hill Ranch mit ihrem Vormann fallen oder bestehen bleiben. So ist das! Slim Tinkerton hatte mit schräg geneigtem Kopf Jacks Worten gelauscht. Nun sieht er in Jack Starlights rauchgraue Augen und erkennt darin nichts als düstere Ruhe. »Starlight«, murmelt er, »du bist ein harter Bursche. Es gibt eine Menge Männer in diesem Land, die sich nicht an dich herantrauen. Aber ich möchte es mit dir probieren – nicht nur deshalb, weil du mein Pferd erschossen hast, sondern aus vielen anderen Gründen. Wie wär's, Starlight? – Ich will sehen, ob du wirklich besser bist als ich! – Und, vergiß es nicht, du bist mir etwas schuldig!« Er beugt sich lauernd vor. Vor wenigen Minuten ist er noch waffenlos gewesen. Nun trägt er zwei Colts im Kreuzgurt. Seine Leute, die bei seinem Freispruch das Beifallsgebrüll ausstießen, haben ihm die Waffen mitgebracht. Ein großer, wilder, geschmeidiger, rücksichtsloser und herausfordernder Mann, der im Schatten eines noch größeren Mannes lebt und von diesem geduldet wird, obwohl er ein Viehdieb ist.
Jack Starlight lächelt seltsam. Er macht einen langsamen Schritt, erreicht das Geländer der Veranda und stützt seine Hände darauf. Es sind lange, schlanke und nervige Hände. Seine rauchgrauen Augen, tief unter ausgebleichten Augenbrauen sitzend, wirken im Sonnenlicht heller, als sie in Wirklichkeit sind. Er sieht über Slim Tinkerton hinweg und zum Sheriff hinüber, der drüben am Pfosten der Officetür lehnt. Jetzt bewegt er sich und tritt bis zum Rand des Gehsteiges. »He, Tinkerton! – Nicht hier!« ruft er herüber. Der große Rustler wendet nicht einmal seinen Indianerkopf. »Halt dich raus, Stone, halt dich raus!« ruft er. Dabei flackern seine tintenschwarzen Augen wütend. Sheriff Lee Stone gibt keine Antwort mehr. Er geht wieder bis zum Eingang seines Office zurück und bleibt einen Moment stehen, als zögere er. Dann wendet er sich mit schneller Bewegung, verschwindet und taucht zehn Sekunden später mit einer Schrotflinte auf. Jack Starlight sieht das alles. Neben sich hört er den alten Rancher schwer atmen. Und dann bellt Slim Tinkertons kehlige Stimme ihn an: »Worauf wartest du noch, Mann? – Keine Sorge! Die anderen halten sich raus, wenn's zwischen uns bleibt! Los, ich will's ausprobieren, denn seit einiger Zeit ist einer von uns auf dieser Welt zuviel!« Er duckt sich unmerklich. Wilder Haß flackert wieder auf. Es ist eine alte Feindschaft, die Tinkertons Augen flackern läßt – sie ist älter als die letzten Ereignisse. Und Jack Starlight schüttelt den Kopf, sieht ruhig und kühl in die schwarzen Augen des Rustlers und sagt: »Ich schieße mich mit dir, wenn ich dich bei deinem nächsten Viehdiebstahl erwische, Rustler!« Er wendet sich halb und nickt dem alten Rancher zu. »Gehen wir auf Ihr Hotelzimmer.«
Der dunkelhäutige Viehdieb hat jetzt den Zustand erreicht, da ein heißblütiger und zu extremen Exzessen neigender Mann sich nicht mehr länger beherrschen kann. »Zieh, Starlight«, faucht er und schnappt nach den Coltkolben. Da zeigt Jack Starlight, was er kann, warum er eine ganze Mannschaft wert ist und warum er für die Sun Hill so viel bedeutet. Starlight ist ein Kämpfer mit unwahrscheinlichem Reaktionsvermögen. Er ist schneller als ein Blitz. Seine lässige Ruhe und düstere Gleichgültigkeit, die sonst von ihm ausgehen, sind nur ein Mantel, unter dem sich ein heißblütiger, vitaler und schneller Kämpfer verbirgt. Aus den Augenwinkeln sah er Tinkertons schnelle Bewegung. Er dachte nicht darüber nach, sondern flankte mit einem Satz über die Verandabrüstung. Seine Füße stoßen hart gegen die Schultern des aufbrüllenden Mannes, der gerade die Colts hochreißen will und nicht mehr kann, da er rückwärts taumelt und rittlings in den Straßenstaub fällt. Jack Starlight landet auf der Seite, schnellt sich hoch und ist eine halbe Sekunde früher als Tinkerton auf den Beinen. Er wirft sich in die Staubwolke hinein, die dieser aufwirbelt. Diese Staubwolke vergrößert sich, wird so dicht, daß man kaum etwas darin erkennen kann. Man hört klatschende Faustschläge, wildes Stöhnen und heisere Laute. Manchmal sieht man die beiden Männer undeutlich. Aber dann rollen sie wieder eng umschlungen durch den knöcheltiefen Staub, wirbeln ihn auf und machen sich unsichtbar. Es fällt kein einziger Schuß, obwohl fast zwei Dutzend Männer zum Kampf bereit sind. Von Sheriff Lee Stone ist nichts mehr zu sehen. Dafür zeigt sich der Doppellauf seiner Schrotflinte am Türpfosten. Vielleicht bewirkt dieser Doppellauf, der mit groben Sauposten
beladen ist, daß sich die Männer zurückhalten. Dann senkt sich die Staubwolke. Es ist still. Schlürfende und leise sporenklingende Schritte schleifen durch den Staub und werden fester. Dann taucht Jack Starlight auf. Ein leichter Wind kommt von der Prärie her in die Straße und fegt den sich lichtenden Staub weg. Ein paar Männer husten, einer niest kräftig. Starlight geht die drei Stufen hinauf. Sein Mund ist blutig, sein linker Backenknochen ist aufgeschlagen. Er ist schmutzig und voller Staub, der sich mit Schweiß vermischt hat. Sein Hemd ist vorn aufgerissen und im Rücken aufgeplatzt. Er keucht und atmet schwer. Aber er ist all right. Er nickt kurz und geht ins Hotel hinein. Der Rancher folgt. Alle Augen richten sich auf die Gestalt, die mitten auf der Fahrbahn im Staub liegt. Niemand bewegt sich. Tinkertons Mannschaft starrt auf ihren Boß. Sie wissen, daß er tollwütig werden würde, wenn ihm jemand Hilfe leisten wollte. Er ist geschlagen, verprügelt worden! Fortan wird die Hölle stärker in ihm brennen. Jack Starlight war besser. Er hat einen Kampf mit den Waffen zu verhindern gewußt. Slim Tinkerton stemmt sich langsam auf die Hände und Knie. In dieser Stellung verharrt er eine Weile und schüttelt dabei seinen Kopf. Als er seine Benommenheit abgeschüttelt hat, erhebt er sich, steht schwankend und ist erst nach einer ganzen Weile sicher auf den Beinen. Seine Leute kommen herbei und bilden eine dichte Gruppe um ihn, schweigsam, abwartend. »Jetzt werden wir's diesem Kuhdorf mal zeigen«, keucht Slim Tinkerton und wischt sich über das zerschlagene Gesicht. »Wir reißen ganz Best Chance ein! Und mit dem Hotel beginnen wir!«
Er greift nach den Colts. Aber die befinden sich nicht in den Halftern. Seine Hände schnappen also ins Leere. Jemand reicht ihm eine der verlorenen Waffen. Die andere liegt irgendwo im tiefen, feinen Staub der Fahrbahn, die sich zur Regenzeit in einen Morast verwandelt. »Los! Jetzt will ich alles zur Hölle schicken, was gegen mich ist!« Er drängt sich durch seine Leute. Diese schwärmen wieder aus. »Slim Tinkerton, du bist ein Narr, wenn du nicht sofort Best Chance verläßt!« ruft die Stimme des Sheriffs aus der offenen Tür des Office. Tinkerton wirbelt plötzlich herum, als erinnerte er sich jetzt daran, daß der Sheriff nicht auf seiner Seite ist. »Oha, du Wicht! Wir können ebensogut auch mit dir beginnen!« Er will sich in Bewegung setzen. Doch da kommen Reiter von der Prärie herein. Tinkerton murmelt einen Fluch. Seine wilden Augen bekommen einen unsicheren Ausdruck. Er steckt sogar seinen Colt weg. Seine Leute weichen auf die Gehsteige zurück. Die Reiter kommen schnell näher. Als sie anhalten, treibt der leichte Wind die Staubwolke über sie hinweg und weiter die Straße entlang. Ein Mann verhält vor Tinkertons großem Pferd und beugt sich leicht aus dem Sattel. »Verschwinde, du Narr«, sagt der Mann kurz. »Pack dich – oder ich jage dich mitsamt deinem Rudel bis zur Nordgrenze hinauf! Wer zum Teufel erlaubt dir, hier den wilden Mann zu spielen? Ich sehe dich heute abend! Verlaß den Ort!« Dann reitet der Mann zur Haltestange und gleitet aus dem Sattel. Er ist ein kräftiger, fleischiger und grobknochiger Mann von etwas über Mittelgröße. Er wirkt fast wie ein rotwangiger Bauer in Cowboytracht. Seine Tracht ist alt, mitgenommen und
abgenutzt. Und dennoch ist Sloan Duane der reichste und mächtigste Mann im County. Er ist der Mann, in dessen Schatten Slim Tinkerton leben darf. Der große Sloan Duane, der wie ein Bauer aussieht, aber dessen Schatten über den größten Teil des Landes fällt, ist nach Best Chance gekommen. Die kleine Rinderstadt lebt zum größten Teil von Sloan Duane, von der großen Yellow Rock Ranch, die immer mehr Vorwerke errichtet, ihre Grenzen immer mehr vorschiebt und wie ein unersättlicher Moloch alles frißt, was ihr Wachstum fördert und ihre Macht vergrößert. Neben Sloan Duane rutscht ein anderer Mann aus dem Sattel. Er ist ein langer, hagerer, sehniger, ausgetrockneter Mann mit sandfarbenem Haar, kleinen, harten, kalten Augen. Er trägt keinen Waffengurt um die Hüften, dafür jedoch unter der offenen knopflosen Lederweste ein doppeltes Schulterhalfter, aus dem die dunkelbraunen Griffe zweier kurzläufiger Colts ragen. Das ist Duff Dance, ein Mann aus Texas, der ein paar Colts unter den Achseln trägt und schon lange Jahre die Mannschaft der Yellow Rock Ranch führt. Ein schweigsamer, lässiger und kalter Mann, der aber durchaus in der Lage ist, die wilde, brutale und rücksichtslose Mannschaft der Yellow Rock zu führen, sie zu bändigen und ihr den Willen des Ranchers aufzuzwingen. Ein Mann, unter dessen starrer Oberfläche viele Gefühle und Gedanken verborgen sind. Er winkt leicht mit der Hand, worauf die fünf anderen Reiter wieder anreiten und weiter unterhalb vor dem Saloon anhalten. Indessen war Slim Tinkerton wie ein zurechtgewiesener Hund davongegangen. Seine Mannschaft folgte ihm. Sie hatten ihre Pferde vor dem Gerichtsgebäude stehen. Nun sitzen sie auf und verlassen in südlicher Richtung den Ort. Der Wind treibt den Staub hinter ihnen her.
Die Spannung im Ort löst sich mit einem Male. Menschen kommen aus Häusern und Läden. Die Straße füllt sich. Man läßt sogar wieder die Kinder aus den Stuben. Sloan Duane und Duff Dance treten ins Sheriffs Office. Duane geht zum bequemsten Sessel und wirft sich hinein. Sein Vormann Dance bleibt neben der Tür stehen. Lang, schweigend, scheinbar uninteressiert, so steht er an der Wand und lehnt seine schmalen Schultern dagegen. Er greift in die Tasche, holt ein Stück Kandiszucker heraus und schiebt es zwischen die dünnen, blutleeren Lippen. Wie eine Schlange stiert er auf den Sheriff, aber dieser achtet nicht darauf – vielleicht ist er daran gewöhnt, daß Duff Dance alle Menschen so anstarrt. »Er hätte ganz Best Chance abgerissen«, knurrt der Sheriff. »Ich konnte ihn nicht auf eine andere Idee bringen. Er wollte sich mit Jack Starlight schießen, aber der hat ihn nur verprügelt. Ich frage mich, Duane, ob es für Sie gut ist, wenn Sie den wilden Narren noch länger im Land dulden.« Er macht eine kurze Pause und zögert. Sein unregelmäßiges Gesicht zuckt nervös. »Duane«, murmelt er dann. »Heute sind vielen Leuten die Augen richtig aufgegangen. Die Jury und der Richter haben mit dem heutigen Tag ihr Gesicht verloren. Man fürchtet Sie, Duane! – Aber Sie haben keine Freunde im County. Eines Tages wird die Hölle losbrechen. Alles wird wie ein böses Geschwür aufplatzen. Dann werden Sie den Bogen überspannen müssen. – Dabei kann und will ich Sie nicht decken, Duane!« Der Sheriff sagte es schwer und sorgenvoll. Duff Dance meldet sich mit sanfter Stimme. »Lee, du bist ein lächerlicher Waschbär – und wenn du gegen die Yellow Rock bist, wirst du eines Tages zertreten. Die Yellow Rock zertritt alles! Niemand hat eine Chance gegen die Rock. Das solltest du niemals vergessen, Stone.«
Er verstummt, zermahlt mit kräftigen Zähnen deutlich hörbar den Kandis und schiebt ein neues Stück in den Mund. Sloan Duane hat noch kein Wort gesprochen, er hatte nur immer auf die Sonnenkringel an der Wand gesehen und über irgendwelche Dinge nachgedacht. »Ich mußte dem County meine Macht zeigen«, murmelt er. »Einige Leute hätten Morgenluft gewittert, wenn Slim Tinkerton verurteilt worden wäre. Nun habe ich diesen Leuten wieder eine Menge Furcht eingejagt. Ich werde es immer wieder tun – bis es hier nur noch die Yellow Rock Ranch gibt.« »Sie können sich nicht dauernd offen hinter einen berüchtigten Viehdieb stellen, Duane«, murmelt der Sheriff. »Viehdieb? – Oha, mir stiehlt er keine Rinder! Und wenn er anderen Leuten die Kühe stiehlt, so sollen diese Leute ihn zur Hölle schicken. Ich selbst habe keine Veranlassung, ihn zu jagen – meine Herden läßt er in Frieden. Das ist es! Und alles andere ist Gerede!« Er erhebt sich und steckt sich ein Zigarillo in den Mund. Nach drei langen Zügen sagt er: »Sie haben eben etwas gesagt, Sheriff – und mein Vormann hat Ihnen geantwortet. Wenn Sie nicht auf meiner Seite sind, Stone, würde ich nicht einmal die nächste Sheriffswahl abwarten, um Sie davonjagen zu können.« Er sagt es freundlich und sanft. Dann geht er. Sein Vormann folgt. * Sloan Duane und Duff Dance schlendern zum Hotel und treten ein. »Al Fletsher?« fragt Duane kurz. »Zimmer neun«, murmelt der Mann hinter dem Pult. Duane geht sofort zur Treppe. Dance bleibt einen Moment stehen. Interessiert starrt er auf den Mann, der Zigarren in eine Kiste
sortiert. »Coly«, knurrt Dance, »wenn du das nächste Mal deine Klappe nicht freundlicher aufmachst, wenn du mit meinem Boß redest, wird es bitter für dich.« Dann geht er weiter und steigt die Treppe hinauf. Ein Mann, der sorgfältig darüber wacht, daß sein Herr und Meister und die ganze Yellow Rock respektiert werden, der jede Unfreundlichkeit gegen die Yellow Rock als Feindschaft auffaßt und unerbittlich bekämpft. Duane hatte angeklopft und öffnet nun die Tür. Er läßt sie für den Vormann offen. Dieser schließt sie hinter sich, bleibt dann, wie es seine Angewohnheit ist, neben der Tür an der Wand stehen und schiebt ein neues Stück Kandis zwischen die Zähne. Aber in seiner ganzen Haltung ist plötzlich das Lässige verschwunden. Etwas Gespanntes und Lauerndes ist in ihm, etwas, das im Sheriffs Office nicht zu erkennen war. Er sieht auch sofort quer durch das Zimmer und heftet seine Augen auf Jack Starlight, der auf dem Fensterbrett sitzt. Al Fletsher sitzt an einem kleinen Tisch. Es sieht so aus, als hätte der alte Rancher mit seinem Vormann eine ernste Unterredung gehabt. Er bietet Sloan Duane einen Stuhl an. Der setzt sich lächelnd und bietet dem Alten eine Zigarre an. Doch dieser schüttelt den Kopf und zieht eine eigene vor. »Was wollen Sie, Duane?« fragt der Alte. »Mein Angebot noch einmal wiederholen – ich habe nun einmal die Idee gefaßt, daß meine Ranch die größte von Nevada und Oregon werden soll. Ich will es so haben, Oldtimer!« »Meine Ranch bekommen Sie nicht, Duane. Wenn Sie nur aus diesem Grund hergekommen sind, hätten Sie sich den Weg sparen können.« Sloan Duane nickt. Seine roten Wangen werden dunkler. Er verzieht seine vollen Lippen zu einem Lächeln und wendet seinen runden, dicken, rothaarigen Kopf. Seine gelblichen
Augen glitzern. Eine heiße Flamme steht in ihnen. »Starlight«, sagt er sanft, »können Sie dem alten Manne versprechen, daß er die Ranch behält? Ich weiß ganz genau, was Sie wert sind, und ich weiß auch, daß Sie ein paar prächtige Freunde haben. Aber sind Sie wirklich fest davon überzeugt, daß die Sun Hill ihre Ansprüche behaupten kann, wenn ich vorgehe? Glauben Sie, Starlight, daß Sie gut genug sind, um mir die Zähne zeigen zu können? – Sie sehen nicht wie ein Narr aus, Starlight! Deshalb wäre es Zeit, daß Sie dem Oldtimer reinen Wein einschenkten. Ich biete immerhin einen guten Preis für die Sun Hill. Denn ich weiß, daß ich diesen Bissen nicht so leicht schnappen kann. Genauer gesagt, Starlight: Ich biete diesen Preis, weil ich genau weiß, was Sie können. Sie sehen, ich spreche ganz offen!« Eine kleine Weile ist es still. Dann hebt Jack Starlight die Hand. »Sie fühlen sich schon so groß und stark, daß Sie gar keine Hemmungen mehr haben. Sie sind ehrgeizig – aber dieser Ehrgeiz artet jetzt in eine Krankheit aus. Vielleicht sind auch noch ein paar andere Dinge im Spiel. Vielleicht wollen Sie dem Land nur beweisen, daß Sie sich an eine Sache heranwagen, die von mir geleitet wird. Sie wissen ganz genau, daß ich all die Leute hinter mir haben werde, die die Yellow Rock hassen gelernt haben. – Well, ich bin nur der Vormann der Sun Hill. Mister Fletsher ist der Rancher. Wenn er verkauft, so verlasse ich das Land – aber wenn er Ihnen die Zähne zeigen will, so wird es schlimm für Sie, Duane!« »Oho!« meldet sich Duff Dance von der Tür. Starlight wirft ihm einen harten Blick zu. »Ich bin sicher, Dance«, murmelt er sanft, »daß du, Tinkerton und auch Duane bald euren Spaß haben werdet.« Er wendet sich an Al Fletsher. »Well, Boß – es liegt an Ihnen!« Der Alte zögert und überlegt. Noch vor wenigen Jahren hätte
er nicht zu überlegen brauchen. Aber jetzt ist er alt. Früher hätte er einen erwischten Viehdieb auch nicht vor ein Gericht gebracht. Die Ansichten eines Mannes ändern sich oft mit der Anzahl seiner Jahre. Al Fletsher steht vor einer schweren Entscheidung. Er weiß, daß seine Ranch der letzte große Brocken ist. Und er weiß, daß viele Männer im County darauf warten, daß Duane mit der Sun Hill beginnt. Von Fletshers Entscheidung hängt vieles ab. Männer werden ihr Blut vergießen müssen. Aber wenn er verkauft, werden auch die letzten Siedler und die kleinen Leute, denen die Sun Hill gewissermaßen Schutz bietet, vertrieben. Er sieht in die Augen seines Vormannes. Er erkennt die Stärke in ihm, die gewaltige Kraft und den eisernen Willen. Und er denkt: Nur durch ihn kann Duane aufgehalten und bezwungen werden. Nur Jack Starlight wäre ihm gewachsen. Alles wartet darauf, daß Starlight und Duane aneinandergeraten. Slim Tinkerton war der Anfang. Jemand muß dem Weidepiraten die Zähne zeigen. Es geht nicht an, daß ein rücksichtsloser Mann ungestraft Land rauben darf. Die Sun Hill ist dazu ausersehen, dem Räuber Einhalt zu gebieten und die Rechte der anderen zu erhalten. Als er dieses gedacht hat, zögert er immer noch. Er sieht noch tiefer in die Augen des Vormannes und erkennt plötzlich dessen heißen Wunsch. Er weiß nun, daß Jack Starlight die ganzen Monate darauf gewartet hat, Sloan Duane entgegenzutreten. Der alte Rancher sieht in den Augen seines Vormannes das harte Leuchten und weiß es zu deuten. Aber er erschrickt dabei. Er weiß plötzlich, daß eines Tages nur noch ein Mann über diese Weide reiten wird. Jack Starlight oder Sloan Duane, nur einer von beiden wird eines Tages noch reiten.
Das ist es! Und alle anderen Männer, er selbst, Duff Dance und auch der wilde Slim Tinkerton, sie alle werden nur Nebenfiguren in diesem tödlichen Spiel sein. Fletsher erkennt es mit der Hellsichtigkeit eines alten Mannes. »Jack«, murmelt er. Aber bevor er noch ein weiteres Wort formen kann, wird die Tür zum Nebenzimmer aufgerissen. Nan Fletsher, die Tochter des Ranchers, tritt ein, schnell, energisch und erregt. »Ich habe gelauscht, denn ich bin die Erbin der Sun Hill! Was gibt es noch zu überlegen, Dad? Warum zögerst du? Da am Tisch sitzt ein Raubwolf, der ein wildes Rudel anführt und ein anderes beschützt. Das ganze Land wartet darauf, daß die Sun Hill kämpfen wird! Wir sind nicht wert, eine Ranch zu besitzen, wenn wir nicht um sie kämpfen – für sie – und für alle anderen, die schwach sind und ohne unsere Hilfe von diesem Moloch aufgefressen werden. Ich bin nur ein Mädchen! Ich hasse jede Gewalttat, jeden Streit und jeden Kampf. Ich werde um jeden Mann weinen, der sein Blut vergießen muß. – Aber es darf nicht sein, daß wir der Sun Hill und allen kleinen Leuten untreu werden!« Stolz, erregt, so steht sie vor der Tür und hebt jetzt den Arm, der gebräunt ist und dessen feiner Haarflaum wie Gold glänzt. Sie zeigt auf Sloan Duane, der sie nachdenklich und zugleich gierig betrachtet. »Sagt ihm, er soll die Grenze respektieren! Sagt ihm, er soll endlich aufhören! Er soll auch keine Rinder mehr von Slim Tinkerton kaufen! Und seine Reiter sollen nicht mehr auf Menschen schießen!« Sie verstummt. In den alten Rancher kommt der alte Geist zurück! Al Fletsher kam vor vierzig Jahren aus Texas in dieses Land. Er war der erste Siedler in diesem Land und war lange Zeit der
größte Rancher. Al Fletsher sieht seine Tochter an, dann nickt er langsam und wendet sich wieder zu Jack Starlight. »Jack, du bist jetzt der Boß«, sagt er heiser, aber fest. »Ich ziehe mich auf mein Altenteil zurück. Du führst die Ranch, bis Nan eines Tages heiratet und ein neuer Rancher …« Er bricht ab, denn er hat jetzt eine Sache berührt, die ihm einigen Kummer macht. Er wendet sich an Sloan Duane. »Jetzt wissen Sie's! Starlight führt die Ranch! Und nun liegt es an Ihnen, Duane, ob es zu einer Hölle wird. Ich bin kein Hellseher, wenn ich voraussage, daß Slim Tinkerton keine sehr große Hilfe mehr für Sie sein wird! – Jetzt verlassen Sie bitte mein Zimmer!« Er erhebt sich. Nan tritt schnell neben den Vater und schiebt ihre Hand unter den Oberarmstummel. Auch Jack Starlight bewegt sich. »Dance«, sagt er lässig, »mach die Tür auf.« Der Vormann der Yellow Rock bewegt sich nicht. Er starrt auf Starlight und grinst dann böse. »So wollte ich es haben, Starlight! Ganz genau so! Bis jetzt lag ich an der Kette. Ich wollte dir schon immer einmal die heilige Mannesfurcht beibringen. Denn ich konnte dich nie leiden. Du warst mir immer zu großspurig. Na, ich hoffe, daß du mit Tinkerton fertig wirst – denn ich will es mit dir spielen, das nette, alte, gute Spiel. – Well!« Er bricht ab und studiert jetzt den Gesichtsausdruck in Sloan Duanes Gesicht. Der stößt den Rauch seiner Zigarre aus. Die grauen Schwaden umziehen seinen runden Kopf. Er bewegt die Hand und verscheucht den Rauch. Dann lacht er leise, als fiele ihm plötzlich ein prächtiger Witz ein. »Es ist mein Zimmer, Fletsher, es ist mein Zimmer und mein Hotel, in dem Sie wohnen. – Yeah, ich weiß, daß jeder denkt,
Mister Cumming wäre der Besitzer. Er ist nur mein Geschäftsführer! Mir gehört noch mehr in Best Chance! Vielleicht zeige ich bald, was mir hier alles gehört. Na ja, gute Ruhe in meinem Haus, Al Fletsher!« Er lacht wieder spöttisch und geht langsam auf die Tür zu. Dance öffnet sie wirklich. Doch Duane wendet sich noch einmal um. »Sie haben eine mutige Tochter, Al«, sagt er lässig. Dann tritt er auf den Korridor. Dance folgt ihm und zieht hinter sich sanft die Tür zu. Draußen stehen Pat Rockman und Steve Merritt, zwei Cowboys der Sun Hill. Sloan Duane geht lächelnd an ihnen vorbei und beachtet sie gar nicht. Doch Duff bleibt stehen und sieht sich die beiden Männer genau an, studiert sie Zoll für Zoll. Der kleine Steve grinst ihn scharf an. Der riesige Pat steckt seinen kleinen Finger ins Ohr und schüttelt es. »Nimm dir nicht so viel vor die Brust, Dance – so breit ist die gar nicht«, brummt er. Dance geht weiter. Sporenklirrend steigt er die Treppe hinunter. Die Zimmertür wird aufgerissen. Al Fletsher ruft: »Macht den Wagen fertig! Wir fahren jetzt noch! Dieses Hotel gehört Sloan Duane!« »Ho«, murmelt Pat Rockman, »das ist allerdings ein triftiger Grund, die ganze Nacht zu fahren. Aber ich würde trotzdem nicht fahren und im Ort eine andere Unterkunftsmöglichkeit suchen.« »Nein, wir würden überall auf Duane stoßen«, knurrt der Alte eigensinnig und knallt die Tür zu. Die beiden Cowboys sehen sich an. »Das paßt mir nicht«, murmelt Pat verdrossen. Denn er denkt
an Slim Tinkerton und dessen Rudel, das irgendwo draußen auf dem Weideland ist. Steve Merritt murmelt ein undeutliches Wort, das wie ein böser Fluch klingt. Dann gehen sie davon. Als sie die Treppe hinuntersteigen, schaben Steves Lederchaps an der Mauer entlang. Sie sind kaum verschwunden, da öffnet sich auf der anderen Seite des Korridors eine Tür. Ein blondes Mädchen wird sichtbar. Sie ist groß, schlank, biegsam, stolz und schön. Das erkennt man auf den ersten Blick. Ihre grünlichen Augen funkeln seltsam. Sie starrt bewegungslos auf die Tür gegenüber. Sie braucht nicht sehr lange zu warten, da wird die Tür geöffnet, und Jack Starlight kommt heraus. Er sieht Ester Brown sofort. Sein hartes Gesicht verliert etwas von dem undurchdringlichen Ausdruck. Er geht auf sie zu. Sie tritt in das Zimmer zurück, wartet, bis er die Tür hinter sich geschlossen hat, und wirft sich dann an seine Brust. »Oh, Jack! Ich habe es die ganze Zeit kommen sehen! Nun ist es da! Was wird aus uns? – Ich will nicht mehr länger warten! Ich hasse die Sun Hill und alle Leute, die darauf leben. Ich habe immer befürchtet, daß die Sun Hill stärker ist als ich. Und nun frage ich dich: Was soll werden?« Er sieht sie eine Weile stumm an. Er hat seine langen, geschmeidigen Hände um ihre schlanke Taille gelegt. Sie biegt sich etwas zurück, legt ihre Hände vor seine Brust, beugt den Kopf zurück und sieht aufmerksam in sein Gesicht. Noch nie erschien ihr Jack so hart und düster. Aber sie erkennt auch im Hintergrund seiner rauchgrauen Augen das stählerne Funkeln. Mondlicht schimmert so auf einem Coltlauf. Er gibt ihr keine Antwort – aber sie braucht nicht erst Worte zu hören, um zu wissen, wofür Jack sich entschieden hat. Da löst sie sich von ihm und weicht bis zur Fensterbank zurück. »Wen willst du heiraten?« fragt sie ruhig und fest. »Dich«, sagt er ruhig.
»Dann mußt du dich jetzt auf der Stelle entscheiden. Ich – oder die Sun Hill! – Was geht dir vor? Ich habe dein Wort! Ich will nicht, daß man dich tötet. Seit zwei Jahren versprichst du mir, den Dienst bei Al Fletsher zu quittieren und unsere kleine Ranch zu übernehmen. Mein Vater ist genauso alt und hilflos wie Al Fletsher – du sollst einmal der Schwiegersohn meines Vaters werden. Wir brauchen dich, ich, die Ranch und mein Vater. Aber du liebst die Sun Hill mehr als alles andere auf der Welt, mehr als mich! Mach endlich ein Ende, mach dich frei und …!« »Es ist zu spät, Ester! Ich war schon Vormann der Sun Hill, bevor wir uns einig wurden. Ich bin immer noch die Sun Hill, mehr als früher. Ich muß ihr die Treue halten. Du mußt warten, Ester, bis alles vorbei ist. Die Sun Hill wird nicht nur für sich selbst kämpfen, sie vertritt auch die Leute, zu denen dein Vater gehört. – Du mußt warten! Du hast mein Wort! Ein paar Monate oder ein ganzes Jahr spielen keine Rolle.« Er sagt es sanft, aber entschlossen. Ruhig steht er im Zimmer, groß, ernst und stolz. Ein Vormann, der seiner Ranch die Treue hält, für den es in dieser Beziehung keine Zweifel gibt. Sie richtet sich auf. Ihre Augen glitzern. Ihr schönes Gesicht rötet sich, bis es tiefrot wird. Sie atmet rasch. Sie ist schön, aber sie ist nicht geduldig. Sie ist bestimmt nicht großmütig und einsichtig. Und auf die Sun Hill ist sie eifersüchtig. Sie kann es nicht verstehen, daß einem Mann die Pflicht und die Treue über alles gehen. »Nein«, sagt sie scharf und fordernd zugleich. »Ich warte keinen Tag mehr. Ich oder die Sun Hill! Entscheide dich! Denn wenn du dich für die Sun Hill entscheidest, bist du bald ein toter Mann. Ich will nicht Witwe werden, bevor ich Frau wurde. Ich will leben. Ich liebe dich, Jack, aber ich will auch an erster Stelle in deinem Herzen stehen. – Entscheide dich!« Er hebt die Hand.
»Du hast dir deine Worte nicht überlegt. Es muß erst ausgekämpft werden und …« »Sage mir ein klares Wort! Und, damit du es gleich weißt: Wenn dir die Sun Hill vorgeht, so rechne nicht mit der Little Fork Ranch! – Die bleibt neutral!« »Das könnt ihr nicht! Ab heute gibt es nur noch zwei Parteien im Lande. – Ich bleibe der Vormann der Sun Hill, bis es entschieden ist. Wenn ich es überlebe, will ich es dir mein ganzes Leben danken, daß du gewartet und zu mir gehalten hast.« Er bewegt sich plötzlich auf sie zu, greift nach ihr und zieht sie hart an seine Brust. »Denk nicht nur an dein Glück, Ester!« »Doch! Die Sun Hill Ranch hat gewonnen! Ihr Platz ist der größte in deinem Herzen! Vielleicht ist es auch Nan Fletsher, die dich so bei der Stange hält! Sie ist ein schönes Mädchen geworden. Keiner hätte das bei diesem dünnbeinigen Küken erwartet. Du gehörst also der Sun Hill! All right! Ich gebe dir dein Wort zurück! Viel Glück, Jack! Und mach dir keine Sorgen! Ich weiß schon, wie ich unsere Ranch aus diesem Spiel heraushalten kann. Vielleicht wird die kleine Fork Ranch die Sun Hill und auch sogar die Yellow Rock überleben. Jetzt laß mich bitte allein! Reite, Jack Starlight! Wir sind fertig! Ich schließe eine Kammer in meinem Herzen und brauche mich auch um dich nicht mehr zu sorgen. Denn wir beide gehören nicht mehr zusammen! Du hast dich entschieden!« Sie wendet sich, dreht ihm den Rücken zu und sieht zum Fenster hinaus. Und plötzlich erinnert sich Jack Starlight an die alten Dinge. »Vor zwei Jahren hat Sloan Duane um dich geworben«, murmelt er etwas heiser. »Du hast dich etwas später für mich entschieden, und er begann mich zu hassen. Inzwischen ist er groß geworden. Vielleicht paßt du wirklich besser zu ihm. Vielleicht ist deine Idee nicht schlecht, Ester. Ich mache dir
keine Vorwürfe, aber ich erkenne, daß wir beide nie zusammengepaßt hätten!« Sie wendet sich schnell. »Du meinst, ich bin egoistisch? – Nun, ich wäre dir durch alle Höllen gefolgt! Ich wäre für dich betteln gegangen! Aber ich will dich ganz haben! Ich teile dich nicht mit einer fremden Ranch, auf der ein anderes Mädchen lebt, das ich nicht ausstehen kann. Ja, mein Glück, meine Zukunft und mein ganzes Leben gehen mir über alles! Stimmt! Du bist ein Narr, Jack! Du wirst zertreten werden!« Er antwortet nicht mehr, sondern hebt leicht die Hand und läßt sie schlaff fallen. Dann geht er. Als er auf die Straße kommt, fährt der Wagen gerade an. Nan führt die Zügel. Sie wirft ihm über ihre Schulter einen forschenden Blick zu, der voller Sorge und Unsicherheit ist. Er nickt ihr zu, sagt dabei: »Fahr voraus! All right, Nan!« »Sicher«, sagt sie ruhig. Ihre Augen strahlen plötzlich, die Sorge ist wie weggewischt. Sie knallt mit der Peitsche, der Wagen rollt an. Pat Rockman und Steve Merritt reiten hinterdrein. Sie sehen forschend zu Jack hinüber. Aber der winkt nur lässig. Er raucht eine Zigarette und geht in den Stall, sattelt seinen Rappwallach und reitet ebenfalls aus der Stadt. Lichtbündel fallen schon aus den Fenstern und Türen. Die Nacht ist ruhig und still. Als Jack über eine Bodenwelle reitet und auf ihrem Rücken kurz das Pferd verhält, hört er die Geräusche des Wagens. Ganz schwach vernimmt er das Knallen der Peitsche. Er erkennt, daß der Wagen die Bodensenke bereits durchfahren hat und sich den nächsten Hang hocharbeitet. Dann zuckt er zusammen. Das ist kein Peitschenknall mehr! Gewehrfeuer ist es! Hell, scharf und schnell bellen die Schüsse in die Nacht.
»Tinkerton, du Hundefloh!« preßt Jack Starlight hervor. Dann springt sein Rappe aus dem Stand in einen wilden Galopp hinein und wirft sich förmlich mit dem Reiter in die dunkle, weite und ziemlich tiefe Senke hinunter. Er ist keine zwei Minuten geritten, als er weit vor sich gelbrote Feuerblitze erkennt. »Eeeeeeh! Eeeeeeh! Joooooohoooooo!« Er ruft es scharf. Es ist der Erkennungsruf der Sun-HillMannschaft. Denn er möchte von den Freunden beim Wagen nicht für einen Angreifer gehalten werden. Dann sieht er vor sich den viereckigen Schatten und muß sein Pferd scharf und hart zur Seite reißen. Er läßt es auf der Hinterhand rutschen und steigen, wirft es herum, gleitet aus dem Sattel und hält den Colt in der Faust. »Nan! Nan!« Er ruft es wild, voll Sorge und Unruhe! Eines der Wagenpferde wälzt sich am Boden. Das andere tänzelt voller Angst und zerrt den Wagen hin und her. In der Ferne verklingen Hufschläge. Colt- und Gewehrschüsse bellen irgendwo. »Jack! Jack! Oh, Jack!« ruft Nans Stimme. »Mädel!« Er gleitet an die Pferde heran, greift nach dem tanzenden Tier und zwingt es mit hartem Ruck zur Ruhe. Aber das andere wälzt den Kopf unruhig umher und trifft mit dem Maul Jacks Knie. Er schießt auf das arme Tier. Im Aufblitzen seines Colts erkennt er, daß er richtig getroffen hat und daß die Kugel der Not des Tieres ein Ende machen wird. Es streckt sich auch sofort. Aber das andere tanzt immer noch. Wieder zerrt er es mit einem harten Ruck herunter, steckt den Colt weg und zieht sein Messer. Die Klinge blitzt matt im Sternenlicht, als er das Geschirr des toten Tieres löst und das Zugseil ausklinkt. »Jack! Oh, Jack!« ruft Nan wieder aus dem Wagen. »Sofort«, knirscht er, zerrt Pferd und Wagen ein paar Meter
weiter und läuft nach hinten. Er reißt ein Zündholz an und beugt sich in den Wagen hinein. Nan kauert neben ihrem Vater. Bevor das Zündholz verlischt, sieht Jack noch den dunklen Fleck auf der Brust des alten Ranchers. Er drückt sich neben das Mädchen. Nach wenigen Sekunden weiß er, daß Al Fletsher tot ist. Er spürt den zitternden Körper des Mädchens an seiner Seite und legt den Arm um ihre Schultern. So hocken sie im Wagen. Nan weint an seiner Brust. Er streicht ihr immer wieder zart über den Kopf und sagt kein Wort, schluckt nur hart und lauscht, indes er seine Gefühle niederkämpft und bemüht ist, einen klaren Kopf zu behalten. Die Nacht um sie herum wird wieder still. Unter einem nahen Busch zucken Leuchtkäferchen in der Dunkelheit. Das Pferd vor dem Wagen hat sich beruhigt. Sanft zwingt er Nan in den hinteren Wagensitz, holt die Decke vom Kutschbock, hüllt den alten Mann darin ein und legt ihn auf den Vordersitz hinter dem Bock. Dann klettert er wieder in den Wagen und setzt sich neben das Mädchen. Sie legt ihre Wange an seine Schulter. Er schließt seine Arme um sie, hält sie fest und wartet. »Hart sein, Nan«, murmelt er einmal sanft und doch fordernd. »Es ist erst der Anfang. Es wird noch schlimmer. Und es ist gut, wenn du es jetzt richtig erkennst. Das wird dir die Härte geben, die du für die nächste Zeit brauchst. Es hat begonnen.« Das Mädchen hört plötzlich auf. Sie weint nicht mehr und löst sich von Jack. »Ja«, sagt sie tonlos, »ja! Jetzt wird das ganze Land aufwachen! Dad sagte es, bevor er starb. Er sagte mir, daß es so gut wäre.« Sie verstummt. Im Sternenlicht erkennt Jack ihren fragenden Blick. »Nan«, sagt er leise, »es ist alles klar. Es steht nichts mehr zwischen mir und der Sun Hill.« »Oh, du hast mit ihr …«
»Es war nicht schwer, Nan. – Es war ein Irrtum! Manchmal reitet ein Mann einen Weg und hofft, am Ende sein Glück zu finden. Aber dann stößt er auf eine Sackgasse – er kehrt um und bedauert es nicht einmal, daß er Zeit verloren hat. Aber dein Vater hätte es noch erfahren sollen. Ich glaube, das wäre gut für ihn gewesen und …« »Er hat es gewußt – schon lange, bevor du selbst darauf gekommen bist. Er wußte, daß eines Tages nichts mehr zwischen uns sein würde. Denn du bist die Sun Hill geworden. Du bist nun der Rancher, Jack, und …« Sie verstummt, als fürchte sie, zuviel zu sagen. Aber Jack erkennt plötzlich, was in ihr ist. Er weiß mit einem Male, daß sie ihn schon seit einiger Zeit nicht mehr als den großen Bruder betrachtet. Ihm fallen viele kleine Begebenheiten ein, Dinge, die anders waren als vor zwei Jahren. »Oh, Nan«, murmelt er und nimmt ihre Hände. Hufschlag klingt auf. Ein Reiter nähert sich im Schritt. Und dann klingt Pat Rockmans Stimme durch die Nacht. »Nan! Mädel! Bist du all right?« »Ich bin hier!« ruft Jack zurück. Pat Rockman reitet heran. Seine unförmige Gestalt bekommt feste Umrisse. Er hat jemand vor sich auf den Oberschenkeln sitzen. Leises Stöhnen wird hörbar. Jack Starlight atmet scharf ein, dann springt er aus dem Wagen. »Steve?« fragt er scharf. »Yeah«, knurrt der Riese, »sie haben ihn erwischt. Er ist nur halb so groß wie 'n richtiger Mann. Man sollte eigentlich annehmen, es wäre schwer, ihn zu treffen. Er hat sich auch eine Menge Mühe gegeben, einer Kugel in den Weg zu reiten. Wenn er kein Loch in der Schulter hätte, würde ich ihn verprügeln. Er ist den Kerlen nachgesaust, als hätte er eine ganze Armee hinter sich. Und ich bin doch nun einmal keine
Armee. Man müßte den Kleinen ständig wie einen Terrier an der Leine halten, sonst stürzt er sich eines Tages vor wilder Wut in sein Unglück.« Indessen Pat diese Rede hält, trägt Jack den verwundeten Steve Merritt in den Wagen. »Wir können die Laterne anzünden«, knurrt Pat und tut es. Bald brennt eine Stallaterne, die sich sonst im Kasten unter dem Bock befindet. Steve Merritt ist bei vollem Bewußtsein. Er preßt seine Hand auf die Wunde. Seine Augen werden groß. »Einen habe ich erwischt«, keucht er. »All right«, murmelt Jack, nimmt Steves, sein und Pats Halstuch und legt einen Notverband an, der die Blutung stillt. »Sie haben neben dem Weg gewartet und haben aus mindestens sechs Gewehren auf den Wagen geschossen. Ein Wunder, daß sie Nan nicht getroffen haben«, berichtet Pat. In seiner tiefen Stimme liegt ein besonderer Klang. Wer Pat Rockman kennt, der weiß, daß er unerbittlich und mitleidlos sein wird, wenn er eines Tages die Leute trifft, die diesen feigen und gemeinen Überfall ausführten. »Steve ist sofort auf sie losgeritten«, fährt er fort. »Aber sie hatten sich schon abgesetzt und jagten auf die Hügel zu. Steve muß sofort was in die Schulter bekommen haben. Aber er ritt weiter und schoß aus allen Knopflöchern. Ich beeilte mich natürlich, hielt mich an seiner Seite und schoß mit. Kurz vor den Hügeln kamen wir in einen Kugelregen. Sein Pferd wurde getroffen. Ich machte, daß ich mit ihm wegkam. Aber ich hörte, wie die Hufschläge der Bande in den Hügeln verstummten. Ich frage mich dauernd, warum sie eigentlich vor uns geflüchtet sind. Wenn sie gewollt hätten …« »Sie hatten Sorge, daß unsere Mannschaft von den Herden herüberkommt«, unterbricht Jack. »Deshalb haben sie sich nach dem Überfall auf keinen Kampf mehr eingelassen.« Er hat kaum gesprochen, da reiten ein halbes Dutzend Reiter
herbei. »Hallo!?« ruft eine scharfe Stimme. »Kommt her! Sie haben den Rancher getötet«, bellt Pat Rockman grimmig. Die Herdenmannschaft der Sun Hill Ranch kommt herbei. Sie umgeben bald den Wagen und bilden zu Pferd eine schweigsame Gruppe. »Der Krieg ist da«, sagt Jack Starlight kurz. »Und wenn es unter euch einen Boy gibt, dem die Luft nun auf dieser Weide zu bleihaltig erscheint, der reitet lieber noch vor Sonnenaufgang aus dem County.« Er sagt es langsam, bedächtig und trocken. Die Reiter bewegen sich nicht, aber Montana Charly murmelt gut verständlich: »Klare Worte – aber ich habe nichts gehört – es muß wohl an meinen dicken Socken liegen, die ich diese Woche trage.« »All right«, sagt Jack. »Reitet zu den Herden zurück. Benachrichtigt unsere Grenzhütten. Keine Herdenarbeit mehr. Bringt den Brennwagen zur Ranch. Die Brennmannschaft reitet am Morgen ständig Patrouillen und hält Verbindung mit den Grenzwächtern. Durchstreift die Seitencanyons, beobachtet die Schluchten und Pässe. Kämpft nur, wenn ihr stark genug seid. Jagt jeden, der nicht für die Sun Hill reitet, von unserer Weide.« Montana Charly, der Boß der Brennmannschaft, hebt nur stumm den langen Arm. Dann zieht er seinen struppigen Mustang herum und reitet davon. Die anderen folgen. Jack und Pat binden ihre Pferde an den Wagen. Jack ordnet das zerschnittene Geschirr und flickt es notdürftig. Dann setzt er sich auf den Bock. Nan nimmt neben ihm Platz. Pat bleibt hinten beim toten Rancher und dem verwundeten Steve. Dann schnalzt Jack. Das Pferd zieht an. Langsam fährt er durch die Hügel. Sie durchfurten einen Creek und kommen in
einiger Entfernung an der Herde vorbei. Drüben wird gerade das Feuer des Herdencamps ausgemacht. Die Mannschaft stellt sich also bereits auf den Krieg ein. Sie fahren nun über das Weideland der Sun Hill, das am Creek beginnt. Es ist ein welliges Grasland. Es führt in die mächtige Mündung eines großen Canyons hinein, der sich später gabelt und einen bewaldeten Berg umschließt. Das ist der Sun Hill, dessen Namen die Fletsher-Ranch trägt. Die beiden Arme des Canyons weiten sich zu zwei Tälern. Der Canyon und seine mächtigen Arme gleichen einem riesigen Y. Dieses Y ist die Sun-Hill-Weide. In Bergfalten, Nebencanyons und Schluchten aber leben Farmer, Siedler, Drei-Cent-Rancher und ein paar Familien, von denen man nicht recht weiß, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten. Auch zwei oder drei Wildpferdejäger, die ihre Herden auf den oberen Mesas fangen, haben in den vielen Bergfalten ihre Corrals und Blockhütten. Als es im Osten heller wird, arbeitet sich der Wagen zu einer breiten Terrasse hinauf. Ein großes Ranchhaus steht auf dieser Terrasse, umgeben von Magazinen, Schuppen, Ställen, Werkstätten, dem Küchenhaus und dem langen Bunkhouse. Corrals, in denen sich Pferde, Zuchtbullen und Hausvieh bewegen, schließen sich an. Vom Berg kommt ein Wasserfall herunter, der in einer Mulde aufgefangen wird. Ein Windrad pumpt ständig frisches Wasser in Tröge, Behälter und Leitungen, die alle aus Holz gefertigt sind. Das ist die Sun Hill Ranch oder, wie man hier im County kurz sagt: »Die Sun Hill.« Der nun tote Al Fletsher hatte sich in seinen jungen Jahren ein schönes Stück Land ausgesucht. Der Wagen hält vor der großen und sehr tiefen Veranda. »Du bist daheim, Nan – und von jetzt ab darfst du dich nicht mehr außer Sichtweite der Ranch entfernen«, sagt Jack ruhig.
Er springt zu Boden und hebt Nan herunter. Sie lehnt sich einen Moment an seine breite Brust. »In zehn Minuten habe ich in seinem Schlafzimmer alles vorbereitet. Morgen wollen wir ihn neben Mutter unter der Zeder …« Sie bricht ab, denn nun kommen doch wieder heiße Tränen. »Sicher«, murmelt Jack, »sicher!« Sie tritt plötzlich einen Schritt zurück. »Jack, wenn Sloan Duane diese Ranch bekommt, ruhen meine Eltern in einem Boden, der ihnen nicht gehört, den Sloan Duane mit …« »Das wird nie sein, Nan!« Jack sagt es fest und ruhig. In seinen rauchgrauen Augen steht plötzlich ein gelbliches Licht. * Sie haben Al Fletsher beerdigt, in aller Stille und neben seiner Frau, die eine Freundin von Jack Starlights Mutter war, die schon sehr lange tot ist. Jack und Pat machen sich zum Ausritt fertig. Als sie gerade aufsitzen wollen, kommt ein Mädchen in den Hof geritten. Es ist Ester Brown. Sie ist wie ein junger Cowboy gekleidet. Die Tracht steht ihr gut. Jack Starlight steht verwundert auf dem Fleck. Er starrt auf Ester. Man sieht ihm an, daß er nach einer Erklärung für ihr Auftauchen sucht. Sie springt ohne jede Hilfe von ihrer herrlichen Fuchsstute und schiebt den Stetson zurück, so daß ihr Haar wundervoll in der Sonne leuchtet. Ihre Augen sind groß, und ihr Gesicht ist ernst. Einen Moment steht sie still neben dem Pferd. Nur ihre Reitpeitsche klatscht nervös gegen die Stiefel. Sie wendet ihren Blick von Jack Starlight ab und schaut zur Veranda des
Ranchhauses hinüber. Dort steht Nan Fletsher. Über die Distanz hinweg sehen sich die beiden so verschiedenen Mädchen lange an. Dann hebt Ester leicht ihre Hand. »Ich habe einen triftigen Grund, Nan!« ruft sie halblaut. Jack Starlight tritt neben sie und faßt sie leicht am Arm. »Ist das nötig, Ester?« »Yeah – sehr! – Ich komme zum Boß der Sun Hill!« Sie sagt es stolz und hart. »Nun gut – bitte«, murmelt Jack und führt sie zu Nan auf die Veranda. Pat Rockman bleibt einige Sekunden bei den Pferden stehen und zerknüllt seinen Hut in den großen Händen. Dann stülpt er ihn mit einer wütenden Bewegung auf den Kopf und geht zu Steve ins Bunkhouse. Indessen stehen sich die beiden Mädchen schweigend gegenüber. »Nan, ich hörte, daß man deinen Vater getötet hat.« »Bist du deshalb hierhergekommen – oder willst du Jack noch einmal …« »Zwischen Jack und mir ist alles klar, es wurde vorgestern in Best Chance geklärt. Er liebt die Sun Hill mehr als mich. Eines Tages wird er auch tot sein – wie dein Vater. Das ist jedoch nicht mehr meine Sache. – Ja, ich bin hart und denke nur an mich! Du brauchst nicht zu sagen, was du über mich denkst, Nan! Ich will nun eben einmal keine junge Witwe werden!« Sie geht plötzlich an Nan vorbei und durch die offene Verandatür in das Haus hinein. Nan und Jack folgen. Ester erwartet sie inmitten des großen Verandazimmers. Ihre Augen funkeln. »Ich weiß, was ich bin – aber ich bin ehrlich. Vielleicht kann ich einen Mann nicht richtig lieben, weil ich nur an mich denke. Aber ich würde zu einem Mann halten, der mir eine sichere Zukunft gewährleistet. Meine Macht über Jack war
nicht groß genug. Ich wollte nun auf Sloan Duane setzen. Er war mal verrückt nach mir. Ich dachte, daß er froh sein würde, wenn ich ihm meinen kleinen Finger gebe.« »Warum erzählst du das alles?« unterbricht Jack sie mürrisch und abweisend. »Gleich«, winkt sie ab und fährt fort: »Ich wollte also auf Sloan Duane setzen, denn ihm wird in wenigen Jahren das ganze Land gehören. Ich stellte es mir sehr leicht vor. Aber ich hatte mich in ihm getäuscht. Er hat es nie vergessen, daß ich ihm Jack vorgezogen habe. Ich habe es gefühlt, sehr bald. Er haßt mich und will mich täuschen. Er will nur einen Plan ausführen. Dann würde er mich auslachen. Ich weiß es ganz genau, denn ich habe etwas in seinen Augen gesehen. Deshalb verrate ich ihn jetzt – bevor er mich auslachen kann. Ich werde ihn auslachen können! – Er hat mit meinem Vater einen Vertrag gemacht. Er wird den Creek dort, wo er unser Weideland verläßt, umleiten. Er wird ihm ein neues Bett sprengen! Das wollte ich euch nur sagen! Nur, um Sloan Duane auslachen zu können – und ihm sagen zu können, daß er mich nicht täuschen konnte – schon nach wenigen Minuten wußte ich es! Er hätte es anders haben können! Denn mit dir, Jack, war ich fertig. Du liebst die Sun Hill zu sehr – und vielleicht sogar ganz unbewußt dieses Mädchen. Ich hasse die Sun Hill und alles, was zu ihr gehört!« Die letzten Worte sagt sie hart. Dann geht sie zwischen Jack und Nan hindurch. Sie lassen sie gehen, schweigend und ohne den Versuch zu machen, noch ein Wort mit ihr zu wechseln. Wenig später reiten Jack und Pat aus dem Ranchhof. Sie schonen ihre Pferde nicht und erreichen zwei Stunden später das Vorwerk am Creek. Es ist Mittag. Montana Charly und ein paar Boys stehen am Feuer und schlingen ihr Essen herunter. Sie sind müde, staubig und hungrig.
Jack steigt gar nicht aus dem Sattel. Auch Pat bleibt auf dem Pferd. »Wir reiten«, sagt Jack kurz zur Mannschaft. Und die Boys werfen ihre noch halb gefüllten Teller in die große Wanne und gehen zu den Pferden. Bald bilden sie ein dichtes Rudel. Jack führt die Mannschaft am nördlichen Creekufer nach Osten. Das Grasland wird allmählich welliger und geht in eine Hügelkette über, die die Grenze zwischen der Sun Hill und der kleineren Fork Ranch von Buck Brown bildet. Die Fork liegt in einer tiefen Bergfalte der Rosa Mountains. Einmal verhält Jack mit der Mannschaft auf einem Kamm. Sie spähen alle nach Süden. Jacks Augen sind scharf. Er sieht in der Ferne eine Menge Staubwolken und weiß sie zu deuten. Da sind ein paar Reiter. Von Süd nach Nordost kommt ein Wagen – er ist nur so groß wie eine Zündholzschachtel, aber man erkennt, daß er von sechs Pferden gezogen wird, die wiederum nur Ameisengröße haben. Und von Süd nach Nord wird eine große Rinderherde getrieben. »Oha, er treibt die Kühe an den Creek«, knurrt Pat Rockman. Dann beobachtet er die einzelnen Staubwolken und erkennt bald, daß es sich um einzelne Späher und Grenzreiter der Yellow Rock handelt, die ständig das Land durchstreifen. Er wendet sich im Sattel und wirft einen Blick auf seine Reiter. Er sitzt wie ein Klotz im Sattel. Montana Charly scheint nur aus Haut und Knochen zu bestehen. Und dennoch ist der »Zweite« der Sun Hill einer der besten Reiter und härtesten Männer auf dieser Weide. Er sieht Jack ruhig an. Die Brüder Ben und Ken gleichen sich auch heute wie zwei Hühnereier. Sie reiten kleine, struppige Cowponys. Da sie
selbst so lang und dürr sind, meint man, sie würden mühelos mit ihren Fußspitzen den Boden berühren können. Sie grinsen, wie sie immer grinsen, wenn sie Kummer erwarten und sich innerlich darauf vorbereiten. Dann ist noch Budd da, von dem keiner den Nachnamen kennt und den sie manchmal Wyoming rufen, weil er anscheinend dort geboren ist. Budd ist klein, schweigsam, hart, schlau und verwegen. Er hat die kurze Pause benutzt, um sich eine Zigarette zu drehen. Das ist der Kern der Sun-Hill-Mannschaft. Außer ihnen und dem verwundeten Steve gibt es noch drei andere Reiter, die jedoch irgendwo in den Canyons im Norden auf Streife sind und das Vieh im Auge behalten. Jack ist zufrieden. Er reitet an. Sie folgen ihm sofort. Der Wind zerrt an ihrer Kleidung und drückt die Krempen ihrer Hüte hoch. So arbeiten sie sich durch die Hügel. Als sie wieder auf die flache Weide kommen, treffen sie Dan Sutter. Sutter ist einer der drei Cowboys, die für die Fork Ranch reiten. Er ist mittelgroß, etwas fleischig und besitzt zwei listige Augen. Er führt ein Packpferd mit, auf dem seine Habseligkeiten verschnürt sind. Er hält an und mustert das Rudel. Jack beugt sich vor und verschränkt seine Hände auf dem Sattelhorn. »Well, du suchst Luftveränderung, Sutter?« »Yeah, ich halte mich raus. Die machen da etwas, was nicht gut ist, Jack – sonst wäre ich geblieben. Ich habe immer gedacht, Buck Brown würde eines Tages auf deiner Seite sein, Jack. Ich reite nicht weit – nur bis Best Chance.« »All right, Sutter – wenn noch die alten Zeiten wären, würde ich dir gern ein Angebot machen.« Der fleischige Cowboy nickt zu Jacks Worten und wirft dann einen forschenden Blick auf die Mannschaft. »Sicher«, sagt er dann, nickt allen kurz zu, kneift seine kleinen Augen
zusammen und reitet. Jack führt sein Rudel weiter. Sie umrunden halb ein langgestrecktes Wäldchen, das in eine lange Buschreihe übergeht und erreichen die Gabelung des Fork Creeks. Drei Wagen stehen dort. Eine Anzahl Männer arbeitet mit Hacken, Schaufeln und Spaten. Ein paar Reiter sind da, die alle Gewehre über den Knien liegen haben. Jetzt kommt ein weiterer Reitertrupp aus der Öffnung einer Schlucht. Sie sind noch gut zwei Meilen entfernt, aber sie sind deutlich zu erkennen, denn das Gelände senkt sich nach Süden zu. Jack hält mit seinen Reitern auf einem Hügel, vor dem sich der Creek in zwei Arme teilt. Am Fuß des Hügels stehen ein paar große Felsen, zwischen denen sich der nördliche Creekarm seinen Weg sucht. Der südliche Arm fließt zur Schlucht ab, aus der der Reitertrupp eben aufgetaucht ist. Langsam führt Jack seine Mannschaft den Hügel herunter. Bevor sie die ersten Felsen erreichen, hören sie Hammerschläge. Dann sehen sie ein paar Männer, die mit Steinbohrern arbeiten. Auch einem Laien würde klarwerden, daß hier gesprengt werden soll. Die Felsentrümmer sollen das nördliche Creekbett zuschütten. Man wird überdies noch einen Damm bauen, der das Wasser anstaut, damit es zurückwallt und in den südlichen Arm fließt, der kleiner ist und nur spärlich Wasser abbekommt. Als die Sun-Hill-Mannschaft anhält, stellen die Arbeiter ihre Tätigkeit ein. Sie wischen sich den Schweiß aus den Gesichtern. Man sieht es ihnen an, daß sie sehr beunruhigt sind. Es sind kleine Siedler und Farmhelfer, die von Sloan Duane am Rande seines Gebietes geduldet werden oder sogar auf seiner Lohnliste stehen. »Ich glaube, ihr macht erst einmal Feierabend!« ruft Jack zu den Leuten hinüber. Dann reitet er weiter und erreicht die Wagen, die unmittelbar neben der Creekgabelung stehen. Hier vertiefen zwei Dutzend Männer die Abzweigung des
Südarmes, der ja bald die dreifache Wassermenge schlucken soll. Auch diese Arbeiter stellen ihre Beschäftigung ein, stützen sich auf die Stiele ihrer Hacken und warten. Montana Charly bildet mit dem Boß hinter Jack und Pat eine auseinandergezogene Kette. Jack und Pat reiten langsam bis dicht an den Wagen heran. Dort steht Buck Brown. Der kleine, viereckige Boß der Fork Ranch ist sichtlich nervös. Mit gesenkter Stirn bleibt er neben dem Wagen stehen und beobachtet aus dieser Haltung die beiden Reiter. »Hallo, Buck«, ruft Jack lässig und rutscht aus dem Sattel. Mit zwei langen Schritten steht er vor dem viereckigen, kleinen Mann. Brown steckt seine Hände in die Taschen. »Hallo«, sagt er. »Du brauchst dich nicht unnötig aufzuregen, Jack. Es ist nun einmal so. Ich gebe dir keine Chance und habe mit Sloan Duane einen festen Vertrag. Du kannst ruhig zu mir Hundesohn sagen. Aber ich will meine Ranch retten! Das ist es!« »Wenn du uns das Wasser wegnimmst, bist du gegen die Sun Hill. Hast du es genau bedacht, Buck? Bist du fest davon überzeugt, daß die Yellow Rock stark genug ist, um dich schützen zu können?« Jacks letzte Worte klingen hart und gewichtig. Brown hebt seinen kantigen Kopf. »Ich habe mir nun eben mal auf Sloan Duanes Seite die besten Chancen ausgerechnet. Er ist nicht mehr zu stürzen. Ich brauche auch gar nicht gegen dich zu kämpfen, Jack – denn das besorgt die Yellow Rock. – Da kommt übrigens Duff Dance. Du mußt mit ihm verhandeln, Jack!« Nach diesen Worten tritt Brown zurück und lehnt sich abwartend gegen das Wagenrad. Duff Dance und die vier Reiter kommen durch den Hauptarm
des Creeks. Zu ihnen gesellen sich noch drei andere Reiter. Zwei weitere Reiter halten sich abseits. Denn es sind Browns Leute. Duff Dance wirft einen forschenden Blick zu diesen beiden Reitern hinüber, beachtet sie jedoch dann nicht mehr. Offenbar ist er fest davon überzeugt, daß die beiden ForkReiter sich heraushalten werden. Die Gruppe bleibt rechts neben dem Wagen und hart am Creek stehen. Dance murmelt ein paar leise Worte seinen Leuten zu, dann reitet er vor. Er bleibt im Sattel, als er zwei Yards vor Jack Starlight sein Pferd verhält. Er lehnt sich lässig aufs Sattelhorn und grinst Jack an. »Was willst du? Willst du Krach anfangen? Den kannst du ab heute zu jeder Zeit haben. Und hier bist du auf fremdem Land. Du hast hier nichts zu sagen, Junge – ich wollte dir schon lange einmal sagen, daß ich dich für einen großen Bluffer halte. Heute will ich einmal sehen, ob du eine Sache auskämpfen kannst. Aber ich bin nicht Slim Tinkerton – merk dir das!« Er greift langsam in die Tasche seiner ledernen Überhose und bringt ein großes Stück Kandis hervor. Krachend zerbeißt er es und grinst dabei seltsam. Er sieht ganz wie ein Mann aus, der sich mächtig freut und der sich eine Menge Dinge vorgenommen hat. Sein lauernder Blick tastet immer wieder sorgfältig ab, studiert ihn Zoll für Zoll und bekommt ein immer mehr sichtbares Flackern. Es ist eine wilde, mitleidlose Flamme, die in Dances Augen flackert. Jack sieht ihn an. »Komm vom Pferd herunter«, sagt er kurz und trocken. Da treibt Duff Dance sein gelbes Riesenpferd vorwärts. Er muß dem armen Tier ganz hart die Sporen gegeben haben. Es wiehert auf, bäumt sich und prallt mit der Schulter gegen Jack, der nicht schnell genug ausweichen konnte, da ihn sein eigenes Pferd zur Rechten und der Wagen zur Linken behinderten. Jack wird schwer gerammt und fliegt unter die Hufe seines
eigenen Pferdes. Dieses tanzt erschreckt, hütet sich jedoch, seinen Herrn zu treten. Indessen reißt Dance sein Tier auf der Hinterhand herum. Man erkennt nun ganz deutlich, daß er es zwingen will, mit der Vorderhand auf Jack Starlight hernieder zu wuchten. Jack wälzt sich. Er ist wirklich in Not. Nun wird es auch klar, was Duff Dance eigentlich ist: ein Mann, der nicht nach den alten und ungeschriebenen Regeln des Westens kämpft, ein Mann, der keinem eine Chance gibt, sondern der mitleidlos und unerbittlich jedes gemeine Mittel und jeden schlechten Trick anwendet, um einen Mann zu vernichten. Die Hufe des Pferdes stoßen hart neben Jack auf den Boden. Aber Duff Dance drängt das Tier weiter, läßt es abermals steigen und versucht es noch einmal. Zugleich gebraucht er die schwere Bullpeitsche, die er vom Sattelhorn gerissen hat. Das lange Leder pfeift durch die Luft. Zur gleichen Zeit krachen Schüsse. Die beiden Mannschaften beginnen auch ihrerseits die Sache. Pat Rockmans brüllender Schrei übertönt alles. Er will sein Tier vorprallen lassen, doch Jacks Pferd versperrt ihm den Weg. Eine Kugel reißt Pat den Hut vom Schädel. Er brüllt abermals wütend. Dann kracht ein Schuß aus allernächster Nähe. Buck Brown hat geschossen. Er liegt unter dem Wagen und trifft Pats Pferd. Das Tier bäumt sich, dreht sich auf der Hinterhand, wiehert gellend und bricht dann los. Aber hinter dem Wagen bekommt Pat es wieder in die Gewalt, reißt es herum und fegt auf die feuernde Gruppe der Yellow-RockReiter los. Und noch zwei Reiter, die sich eigentlich unparteiisch verhalten wollten, greifen ein. Es sind Browns Cowboys, die Duff Dance abtaxiert und dann nicht mehr beachtet hatte. Das war ein Fehler. Denn diese beiden Reiter haben einige Freunde unter der Sun-HillMannschaft und zu viele Feinde unter den Rock-Reitern. Sie
hielten abseits. Nun springen sie aus den Sätteln, werfen sich in das lange Gras, schießen mit ihren Winchesterkarabinern hinüber und halten auf die Pferde. Duff Dances Leute kommen in Not. Zwei Pferde stürzen, und ein Mann fällt seitlich aus dem Sattel, brüllt dabei und kracht schwer auf die Seite. Pat Rockman kommt von der anderen Seite auf die kleiner gewordene Gruppe zugerast. Er schießt dabei mit seinem Colt. Als er den ersten Mann erreicht, benutzt er den Colt als Keule. Aber dann bricht das verwundete Pferd unter ihm zusammen. Er fliegt aus dem Sattel, landet auf dem Bauch und stemmt sich stöhnend wieder hoch. Ein Reiter drängt sein Tier über ihn hinweg. Die Hufe stoßen ihn abermals zu Boden. Es ist wie ein Wunder, daß er nicht ernstlich getroffen wird. Doch es ist ja wirklich so, daß ein Reitpferd nur ungern und nur, wenn es nicht anders geht, auf einen am Boden liegenden Menschen tritt. Montana Charly und Budd kommen angeritten. Sie schießen nicht mehr, denn der Kampf der beiden Mannschaften ist beendet. Drüben zerrt Ben seinen Bruder Ken unter einem toten Pferd hervor. Der lange Ken hat sich durch diesen unglücklichen Fall das Bein gebrochen. Pat Rockman springt auf. Er hält noch immer seinen Colt in der Hand. »Treibt sie zusammen! Treibt sie zusammen!« brüllt er Charly und Budd zu. Die beiden Reiter der Fork-Ranch klettern drüben in die Sättel und reiten davon. Sie haben zwar bei dieser Sache den Ausschlag gegeben, aber sie wollen nun mit der weiteren Entwicklung der Dinge nichts mehr zu tun haben. Wahrscheinlich reiten sie jetzt zur Fork Ranch, um ihre Siebensachen zu holen und viele Meilen hinter sich zu bringen, damit sie der lange Arm Sloan Duanes nicht mehr erreichen
kann. Sie haben nur einer kleinen Mannschaft, die ihnen sympathisch ist, einen Freundschaftsdienst erwiesen. Aber sie haben dabei auch ihren Rancher verraten. Sie werden sehr weit reiten müssen. Aber diese Dinge spielen sich nur am Rande ab. Die Sache selbst wird immer noch zwischen Jack Starlight und Duff Dance ausgetragen, zwischen dem Vormann der Yellow Rock und dem Vormann der Sun Hill. Duff Dances wilder Haß brach mit jäher Macht heraus. Es stand schon lange Zeit fest, daß sie eines Tages aneinandergeraten würden. Und nun ist es soweit. Das Leder von Dances Bullpeitsche trifft Jack Starlights Rücken. Aber dann springt Starlight auf und bekommt Dances Arm zu fassen. Er hängt sein ganzes Gewicht an diesen Arm. Das Pferd steigt wiehernd und tanzt. Mit der Faust des anderen Armes schlägt Dance nach Starlights Kopf und trifft ihn wuchtig, aber er selbst verliert dabei den festen Sitz. Jack Starlight zieht ihn mit einem Ruck aus dem Sattel. Das erschreckte Pferd springt davon. Jack stürzt schwer auf den Rücken. Dance wuchtet auf ihn hernieder. Jack erlebt Sekunden hilfloser Not. Der Sturz und Dances Aufprall nehmen ihm die Luft weg. Seine Rückenmuskeln sind wie gelähmt. Dance kniet jetzt über ihm und umklammert seinen Hals. Dances langes, hageres Gesicht ist verzerrt. Aus den schmalen Schlitzen sticht ein mordlustiges, mitleidloses und unerbittliches Glitzern. Sein ganzer Haß gegen alles, was gegen die Yellow Rock ist und was sich seinen Absichten entgegenstellt, richtet sich auf Jack Starlight. Und noch viel mehr kommt hinzu. Duff Dance hat es lange Zeit ertragen müssen, daß es einen Mann im Land gibt, von dem man viel hält. Duff Dance duldet nie einen besseren Mann neben sich, obwohl er Sloan Duane ergeben ist. All diese Dinge kommen jetzt zum Ausbruch. Jack Starlight müht sich indessen mit aller Kraft und Energie
und überwindet seine Schwäche. Sein starker Körper bäumt sich hoch. Zugleich fassen seine stählernen Finger nach den würgenden Händen. Duff Dance wird hochgeworfen und hin und her geschüttelt. Es gelingt Jack, sich unter dem Mann, trotz der würgenden Hände, zu drehen. Sein Gesicht ist schon längst rot angelaufen. Da begeht Dance den Fehler, eine Hand zu lösen und die Faust an Starlights Schläfe zu schlagen. Jack wirft sich weiter herum und kniet jetzt unter dem Gegner. Mit einem Ächzen der Anstrengung richtet er sich auf, greift Dances Kopf und umklammert ihn. Dances Schläge treffen jetzt rechts und links die Rippen. Starlight taumelt, keucht, stöhnt und verliert fast das Gleichgewicht. Aber dann bückt er sich und zieht den Gegner über sich hinweg. Dance kracht brüllend auf den Boden. Jack läßt ihm Zeit. Aber als Dance sich aufrichtet, ist er zur Stelle, trifft ihn auf den Backenknochen, wirft ihn mit diesem Schwinger um und wartet wieder. Wie ein Sprinter aus dem Tiefstart, so schnellt Dance vor. Seine langen Arme umfassen Jacks Knie und bringen ihn zu Fall. Sie stürzen übereinander, wälzen sich, springen auf und prallen aneinander, indessen sie sich mit kurzen Körperhaken bearbeiten und ihr Kinn auf die Schulter des Gegners legen. Zwei harte Männer, die schon lange Zeit wußten, daß sie eines Tages gegeneinander kämpfen müssen und die sich darauf innerlich eingestellt haben. Schon längst ist der Kampf um sie herum beendet. Pat, Charly und die anderen treiben die Gefangenen an die Wagen. Pat holt Buck Brown unter dem Wagen hervor und gibt ihm eine Ohrfeige. Dance und Starlight sehen das alles nicht. Für sie gibt es keine Umwelt mehr. Sie sehen nur sich und sind ganz in die Idee vernarrt, daß einer von ihnen auf dieser Erde zuviel ist.
Schließlich liegt Dance reglos am Boden, und Pat Rockman hält Jack fest. »Er kann nicht mehr kämpfen, Jack – er ist erledigt!« Jack Starlight sieht Pat stumpf an. Er schwankt. Pat hält ihn immer noch am Arm fest. Aber dann zuckt Verständnis in Jacks Zügen auf. Sein wilder Blick wird plötzlich sanfter. »Danke, Pat – all right«, keucht er schwer, hebt seine Arme und wischt sich mit den Unterärmeln seines zerrissenen Hemdes über das Gesicht. »Schickt sie alle weg, Pat, alle, auch die Arbeiter. Sie sollen zu Fuß abmarschieren! Keine Gnade für den, der der Sun Hill das Wasser nehmen will! Nur die Verwundeten bekommen einen Wagen. Verbrenne alles – und jage ihre Pferde zum Teufel!« Er keucht schwer. Dann geht er zu einem Felsbrocken und setzt sich darauf. Mit zitternden Fingern, deren Knöchel aufgeschlagen sind, dreht er sich eine Zigarette und verschüttet dabei eine Menge Tabak. Dann raucht er, beobachtet und wird ruhiger. Er überwindet langsam seine Not und verspürt bald nur noch Schmerzen an seinem Körper, die Duff Dances Fäuste verursachten. Der Kampf ist vorbei. Die Yellow Rock hat eine Niederlage erlitten. Aber sie ist groß und mächtig genug, um viele solcher Niederlagen vertragen zu können. Die Sun Hill wäre nach solch einer Niederlage ziemlich erledigt. Dance liegt noch immer vor dem Wagen und mit dem Hinterkopf auf dem Radreifen. Starlight erhebt sich und wirft die Zigarette weg. »Wasser!« ruft er heiser. Budd bringt ihm einen gefüllten Holzeimer vom Creek. Damit geht Jack zu Dance hin und gießt einen dünnen, aber ständig rieselnden Strahl auf dessen Gesicht. Es dauert nicht lange, da läuft ein Zittern durch Dances lange Gestalt. Er wälzt
sich stöhnend auf den Bauch und verbirgt mit müder Bewegung sein Gesicht in den Armen. Eine Weile liegt er so. Dann zieht er ein Bein an, greift mit den Händen an die Radspeichen und zieht sich am Wagenrad in die Höhe. Er schwankt und muß sich am Wagen festhalten. Langsam wendet er sich und lehnt keuchend am Wagenkasten. »Dance«, sagt Jack Starlight sanft, »deine Mannschaft ist schon abmarschiert. Aber du bist ja ein harter Mann, der jede Not schnell überwindet. Du wirst die Boys sicherlich bald eingeholt haben. – Geh!« Einen Moment senkt Duff Dance seinen Kopf. Dann ruckt er ihn wieder in die Höhe und sieht sich um. Sein Blick fällt auf Starlights Reiter und schweift zu Buck Brown, der bleich und stumm in der Nähe steht. Endlich sieht Dance den Mann an, der ihn geschlagen hat. »All right«, murmelt er dumpf. Dann setzt er sich in Bewegung und taumelt davon. Erst nach fünfzig Schritten wird sein Gang sicherer. Ohne sich nur ein einziges Mal umzusehen, marschiert er hinter seinen Leuten her, deren Gruppe soeben hinter einer Waldinsel verschwindet. Jack Starlight geht zum Wasser, kniet dort nieder und wäscht sich. Das kalte Wasser tut ihm gut. Als er zurückkommt, sieht er bedeutend frischer aus. Kens Bein ist inzwischen geschient worden. Jack sieht seine Reiter an. Diese grinsen zurück, obwohl sie wissen, daß sie bald ein gehetztes Rudel sein werden. Man sieht es den Männern an, daß sie sich keine Illusionen machen, daß sie aber dennoch bis zum bitteren Ende für die Sun Hill reiten werden. Trotz! Freude am Widerstand! Zu stolz, um aufzugeben und sich vertreiben zu lassen. Männer, die zurückschlagen, wenn man sie anrührt. Er erkennt es in dem Glanz ihrer Augen. Plötzlich ruckt er herum. Sein harter Blick fällt auf Buck
Brown, auf den Mann, der einmal sein Schwiegervater werden sollte. Das ist vorbei. Vieles ist vorbei und anders als früher. »Buck«, murmelt er und tritt dicht vor ihn. »Du hattest dich entschieden. Jetzt friß es, du Narr! Nimm dein Pferd, und reite heim! Du hast keine Reiter mehr – sie waren zu gut für dich. Denn was du tatest, war Verrat! Reite und komm mir nie wieder in den Weg. Du bist erledigt. Sloan Duane wird sich dein Land nehmen, und Tinkerton wird sich deine Rinder holen. – Geh!« Klein, bleich, nervös, viereckig, so steht der Fork-Rancher vor dem großen Mann. Er zittert plötzlich am ganzen Leibe. »Was sollte ich denn tun«, murmelt er heiser. »Die Sun Hill Ranch hat ja keine Chance.« Er geht davon und fängt sich müde sein Pferd ein, das störrisch vor ihm ausweicht. Langsam reitet er davon, tiefer in die Bergfalte hinein und genau auf die mächtige Schluchtmündung zu, aus der der Creek kommt und vor der seine Ranch liegt. Die Sun-Hill-Mannschaft handelt schnell. Bald brennen die Wagen. In westlicher Richtung verschwindet der lange Zug der Arbeiter. Wenn sie Best Chance erreichen, wird man dort erfahren, daß der Krieg zwischen Sloan Duane und Jack Starlight begonnen hat. Sie setzen Ken vorsichtig auf sein Pferd. Als sie dann aufsteigen wollen, sehen sie den Reiter. Er sitzt auf dem Pferd wie ein ungelenker Sack. Er reitet mit Armen und Beinen. Es ist ein Wunder, daß er sich Überhaupt auf dem schnellen Pferd halten kann. Und seine Stimme brüllt immerzu die gleichen Worte, schrill, kehlig und heiser: »Boß! Boß! Sie haben die Ranch überfallen! Oh, Mastah, sie alles haben abgebrannt! Große Flammen! Und Mädchen mitgenommen – geraubt! Boß, sie haben Herrin geraubt!«
Es ist Alabaster, der Negerkoch, der brüllend um die Waldecke geritten kommt. * Es ist später Nachmittag, als sie vor den qualmenden Trümmern der Ranch von den erschöpften Pferden springen. Bis auf ein paar Schuppen, die weiter entfernt stehen, ist die ganze Ranch niedergebrannt. Ranchhaus, Magazine, Ställe, das Bunkhouse und das Küchenhaus sind rauchende Trümmerhaufen, in die der Wind bläst und die schon halb zu Asche geworden sind. In den Corrals liegen tote Tiere herum, die man erschossen hat. Geier kreisen am Himmel. Menschliche Bestien sind über die Ranch hergefallen und haben in böser Wut und wilder Rachsucht alles vernichtet. Das ist mehr, als man selbst von Slim Tinkerton erwarten konnte. Aber Tinkerton ist anscheinend ein blutdürstiger Indianer geworden. Mit Tinkerton muß eine Wandlung vorgegangen sein. Nur ein Wahnsinniger konnte so handeln. Jacks Gedanken beginnen langsam wieder zu arbeiten. Er atmet schwer und tief, denkt daran, daß er selbst die Seele des Widerstandes gegen Sloan Duane ist und daß alles durch ihn so gekommen ist. In diesen Sekunden bereut er, daß er Al Fletsher nicht geraten hat, an Duane zu verkaufen und das Land zu verlassen. Da kommt Sarah, Alabasters Frau, aus dem hinteren Garten gelaufen. Ihre füllige Gestalt verschwindet in den Qualmwolken, die der Wind von den Trümmern treibt. Dann taucht sie wieder auf und wird sofort von den Männern umringt. Sie fällt weinend in Pat Rockmans Arme. »Er lebt noch, Masters – der gute, kleine, wilde Mastah Steve lebt noch«, quetscht sie weinend hervor. »Er viele Kugeln abbekommen – er fast kein Blut mehr haben – er haben zwei
Banditen erschossen und …« Jack springt vorwärts. Keuchend erreicht er die kleine Hütte im hinteren Garten. Dort liegt Steve Merritt auf einer Matratze, die wohl schon Feuer gefangen hatte, aber mit Wasser gelöscht worden war. Vielleicht hatte die gute Sarah diese Matratze aus dem Bunkhouse gezerrt, nachdem die Banditen abgeritten waren. Steve Merritt ist bei vollem Bewußtsein. Sein schmales, kleines und häßliches Gesicht ist noch faltiger geworden. Es ist sehr blaß. Seine dünnen Lippen sind blutleer. Aber in seinen blauen Augen brennt ein heißes Licht. Jack kniet nieder und hebt die alte Decke. Sarah hat den kleinen Cowboy mit einem ihrer vielen Unterröcke verbunden. Der Verband ist rot und feucht. »Nicht – schlimm«, flüstert Steve schwach und heiser. Er winkt schwach mit dem Finger. Jack beugt sich dichter zu ihm. »Zwei habe – ich mitgenommen. – Sie waren alle maskiert. Aber es war – Tinkertons Rudel – ich kenne ihn ja gut genug. – Sie haben mit Nan 'nen Trick vor! Sei vorsichtig, Jack. Und häng den Schuft an einen Ast, wenn …« Steve Merritts Atem ist plötzlich weg. Sein Körper wird schlaff. Er ist kaum größer als ein fünfzehnjähriger Knabe. Aber er war hart. Verwundet hat er im Verandazimmer gelegen, die Kugeln der Banditen aufgefangen und selbst seinen Colt leergeschossen. Zwei Mann hatte er getroffen. Aber die anderen drei waren über ihn hinweggestiegen und hatten sich das Mädchen geholt. Dann hatten sie die Ranch angezündet, die Tiere in den Corrals getötet und waren davongeritten, lachend, voller böser Lust und befriedigt in ihrem Haß. Sie hatten weder dem Neger noch der Negerin etwas getan. So war es gewesen. Es muß aber eine bestimmte Absicht dahinterstecken. Jack Starlight denkt darüber nach, indes er über die Augen
des kleinen Cowboys streicht und bewegungslos neben ihm kniet. Er starrt dabei auf die Hüttenwand, als ständen dort die Antworten auf seine stummen Fragen aufgeschrieben. Immer wieder stößt er sich an der Tatsache, daß man die beiden Schwarzen am Leben gelassen hat. Eine Mordbande, die ein Mädchen entfuhrt, eine Ranch anzündet und alle Tiere in den Corrals tötet, läßt selbst zwei alte Neger nicht am Leben. Auch der kleine Steve mußte das begriffen haben. Vielleicht hatte er sogar ein paar Worte gehört, da man ihn sicherlich für tot hielt. Steve sprach von einem Trick, den die Bande mit Nan vorhätte. Jack Starlight erhebt sich. Hinter ihm stehen die Männer. Ihre Lippen sind zusammengepreßt. Sie schlucken schwer und atmen durch die geblähten Nasenflügel. »Tinkerton will heute nacht unsere Herde holen«, sagt er. Sie begreifen ihn nicht, starren ihn nur schweigend an. »Deshalb hat er durch ein paar Leute Nan entführen lassen. Er glaubt, daß wir alle die Fährte aufnehmen werden.« »Werden wir auch!« knurrt Pat Rockman trotzig. »Nein, Pat! Du legst dich mit Charly, Ben und Budd in einen Hinterhalt. Ihr werdet es schon herausbekommen, durch welche Schlucht sie unsere Rinder abtreiben wollen. Vielleicht könnt ihr auch unsere Grenzreiter finden. Dann seid ihr noch sieben Mann. – Und das sollte genügen, um Tinkertons Rudel zur Hölle zu schicken!« »Wir wollen Nan retten! Zur Hölle mit allen Rindern! Nan ist wichtiger!« Pat Rockman ist fast verrückt vor Wut. Die anderen trampeln herum. Sie gleichen wild gewordenen Spürhunden, die auf den Befehl warten, die Fährte aufzunehmen. Jack tritt vor Pat, faßt dessen mächtige Oberarme und schüttelt den riesigen Cowboy.
»Denk nach! Denk nach! Suche nach dem Sinn! Warum sollten sie Nan sonst entführt haben? Zur Hölle mit dir, wenn du dich wie'n Büffel benimmst!« Er läßt ihn los, wirbelt herum, überfliegt mit wilden Augen die Männer. »Ich bringe Nan zurück – ich schwöre es! – Aber ihr rettet die Herde! Ihr besorgt es dem Rudel! Wir müssen den Rücken frei haben! Wenn Tinkerton erledigt ist, dann ist es nur noch zwischen uns und der Yellow Rock. Muß ich es euch in den verdammten Schädel einhämmern?« Sie starren ihn an, unruhig, fiebernd vor Ungeduld, wild und mit Augen, in denen mitleidloser Haß glänzt. Aber seine Worte wirken auf sie. Er ist der Boß. Sie begreifen, was er ihnen erklärt. »All right«, knurrt Charly. »Sie werden beobachten, ob wir wirklich alle Mann geschlossen auf der heißen Fährte reiten«, gibt Budd zu bedenken. Pat Rockmans Augen sind weit geöffnet. Aber er nickt auch mit dem mächtigen Kopf. »Sicher«, sagt Jack kurz. »Ihr begleitet mich bis zu den Bergen, dann sieht es aus, als wären wir auf den Trick reingefallen. Wir erreichen mit Einbruch der Dunkelheit die Vorberge. Dort bleibt ihr zurück, versteckt euch und kommt erst nach Mitternacht zurück. Das wird die richtige Zeit sein. – Los!« * Jack Starlight hat sich von seinen Reitern getrennt und reitet allein weiter. Endlich ist er durch die Hügel. Vor ihm liegt eine ansteigende Weide. Die zerhackte Bergkette jenseits der Weide ist im Sternenlicht deutlich erkennbar. Ein winziges Licht schimmert am Fuß der Berge zu ihm herüber. Er reitet jetzt schneller und
hält genau auf dieses gelbe Licht zu. Als Jack die Corrals der kleinen »Drei-Kühe-Ranch« erreicht, schlägt ein Hund an. Zwei weitere Hunde stimmen in dieses Geheul ein. Er sieht die gleitenden Schatten der Köter zwischen den primitiven Gebäuden und wartet. Eine Tür wird aufgerissen. Gelbes Licht fällt auf den unordentlichen Hof. Ted Brand und seine beiden halberwachsenen Söhne treten aus der Blockhütte. Sie alle tragen Gewehre in den Händen und verschwinden mit schnellen Bewegungen aus dem Lichtschein. Jack Starlight reitet langsam in den Hof, gleitet aus dem Sattel, bleibt in Deckung des Pferdes und lacht grimmig. »Brand«, fragt er dann, »wer hat dir gesagt, daß eine ganze Mannschaft kommen wird? Mein Pferd hat nur vier Hufe – und du dachtest an eine Mannschaft. Du bist doch sonst kein Dummkopf, Brand! Bis jetzt konnte ich nicht einmal nachweisen, daß du die Rinder der Sun Hill stiehlst – obwohl es sicher ist.« Er verstummt und lacht leise, hart, drohend und spöttisch. Dann wird es still. Einer der Brand-Söhne flucht irgendwo in der Dunkelheit. Dann fragt Brand scharf: »Was willst du, du großspuriger Vormann von der Sun Hill?« Starlights Antwort kommt scharf. »Brand, sie haben ein Mädel entführt. Halt dich aus dieser Sache raus. Du brauchst mir auch gar nicht erzählen, in welche Schlucht sie geritten sind – aber vielleicht kennst du den Trick, den sie vorhaben? – Überlege dir die Antwort gut. Ich bin allein hier, Brand! Wenn ich nicht zurückkommen sollte, wird mir meine Mannschaft folgen. Du mußt selbst wissen, wie du mit Pat Rockman stehst. – Also?« Nach diesen Worten geht er auf Brand zu und zieht sein Pferd mit, das ihm auf der linken Seite Deckung gibt. »Dad, ich kann ihn treffen!« ruft einer der beiden Brand-
Bengel, die bestimmt nicht sehr alt werden, da sie nur die Anlagen zu zweitklassigen Banditen besitzen und deshalb bald einen Ast schmücken dürften. »Laß das, Conny«, knurrt der alte Brand. Starlight steht nun dicht vor ihm. »Na«, fragt er sanft. »Warum sollte ich der Sun Hill einen Gefallen erweisen?« fragt der Alte gehässig. »Denk mal scharf nach, Brand«, murmelt Starlight sanft. Mehr braucht er nicht zu sagen. Weiß er doch ohnehin, daß der alte Fuchs schon die ganze Zeit nachdenkt und die Tatsache einkalkuliert, daß Jack allein gekommen ist. »Sie haben bei mir gesessen«, murmelt er endlich. »Conny untersuchte unauffällig ihre Satteltaschen. Wenn du mit der ganzen Mannschaft gekommen wärst, hätte ich dir kein Wort über das Dynamit gesagt. Ich hätte mich mächtig gefreut, wenn ihr allesamt zur Hölle gefahren wärt.« »Ich kenne deine Wünsche, Brand«, grinst Jack hart. »Sag deinen Söhnen, sie sollen das Pferd herbringen – und höllisch schnell sollen sie es tun!« »Oha, warum soll ich dir ein gutes Pferd geben?« »Kleiner Ausgleich dafür, daß ihr von den Kühen der Sun Hill lebt!« »Beweise!« »Brand – jetzt ist Krieg auf dieser Weide. Ich suche jetzt nicht mehr nach Beweisen – jetzt genügt mir schon ein Verdacht. Also!« Zehn Sekunden überlegt der Alte. Er kennt Jack Starlight zu gut. Jedem anderen Mann hätte er ins Gesicht gelacht. Seine in der Dunkelheit lauernden Söhne hätten schon längst geschossen. »He, Conny, bringe den braunen Wallach aus dem Corral!« »Zur Hölle, Dad, das werde …« »Bring ihn, Sohn!«
Der Alte bellt es wütend. Ein paar Flüche antworten, aber die beiden Stimmen entfernen sich langsam. Starlight tritt nun von seinem Pferd weg. Der Brunnen ist nicht weit. Er trinkt langsam aus der Schöpfkelle und beobachtet unentwegt die Schatten um sich herum. Der Alte kommt ihm nachgeschlurft. »Wenn du nicht Starlight wärst, gäbe ich dir keine Chance«, murmelt er. »Aber es gibt genug Geschichten über dich in diesem Land. Ich glaube fast, du hast eine Chance. Ich bin ein Narr, daß ich Angst vor dir habe. Aber bei mir hat es noch nie zu mehr als kleinen Dingen gereicht. Ich bin ein kleiner Wicht. Bald werden mir die beiden Bengels nicht mehr gehorchen und …« »Verprügele sie jeden Tag, und laß sie arbeiten, richtig hart arbeiten – und bleibt alle drei den Sun-Hill-Rindern fern. Dann will ich vergessen, daß deine Hütte manchmal von den Tinkerton-Leuten als Quartier benutzt wird. Reite auf einem anderen Weg, Brand. Sonst verjage ich dich eines Tages aus diesem Land – wenn's sein muß, sogar in die Hölle!« Starlight trinkt noch einmal. Dann bringen die beiden halbwüchsigen Bengel das Pferd herbei. Jack kennt das Tier. Er hat es schon oft vor dem Saloon in Best Chance gesehen. Es ist ein gutes Pferd. Er wechselt den Sattel. Die drei stehen schweigend in der Nähe und sehen zu. Ohne ein weiteres Wort sitzt er auf und reitet davon. In ihm ist grimmige Freude. Er weiß jetzt sicher, daß die Bande annimmt, die ganze SunHill-Mannschaft folgt den drei Mädchenräubern. Vorsichtig reitet er in die Schlucht. Das Pferd geht sicher und ruhig. Offenbar kennt das Tier dieses Gelände ausgezeichnet. Es wird dunkler, denn die Wände der Schlucht werden immer steiler und höher. Noch vor Anbruch des Tages erreicht er einen Talkessel. Hier
war er schon einige Male gewesen. Er weiß, daß drüben drei Schluchtmündungen die Schulter eines Berges durchbrechen. Es sind alles schmale, enge und gefährliche Schluchten. Hier beginnt das Gebiet der Gesetzlosen. Irgendwo jenseits der Berge liegt eine kleine Ortschaft. In Greenbart ist noch nie ein Sheriff oder gar ein Aufgebot gewesen. Greenbart ist sozusagen eine Filiale der Hölle. In Greenbart treffen sich alle Reiter, die außerhalb des Gesetzes stehen. Slim Tinkerton ist in Greenbart das, was Sloan Duane in Best Chance ist. Vor vielen Jahren, als er noch nicht Vormann der Sun Hill war, hatte Jack Starlight dem kleinen Ort einmal einen Besuch abgestattet. Er hatte mit einem Mann eine Rechnung zu begleichen. Er traf seinen Mann, beglich die Rechnung und kämpfte sich dann einen Weg durch die Berge frei. Man spricht heute noch von dieser Sache. Jack Starlight rutscht sattelmüde vom Pferd. Er wickelt sich die langen Zügel ums linke Handgelenk und legt sich zwischen zwei Büschen ins hohe Gras. Die schwindende Nacht ist kalt, aber Jack Starlight ist ein harter Mann, der selbst im Winter nur eine dünne Jacke über sein Hemd zieht. Er schläft eine volle Stunde. Dann ist sein Körper von der Kälte durchdrungen. Er springt auf und bewegt sich, wird wieder warm und klettert in den Sattel. Es ist nun hell genug. Er kann die dunklen Mäuler der drei Schluchten erkennen. Langsam reitet er darauf zu. Was er erwartet hat, findet er: deutliche Spuren, die in die mittlere Schlucht führen. Irgendwo da drinnen, vielleicht schon hinter der nächsten Biegung oder einige Meilen weiter, da sitzt gewiß ein Mann, der die Zündschnur einer Sprengladung anzünden soll. »Verdammt einfach«, murmelt er. »Ich sollte mit der ganzen Mannschaft hinter den Kidnappern hersausen – und irgendwo hätte man einige tausend Tonnen Gestein auf uns fallen lassen. Sloan Duane wollte am Fork Creek sprengen. Tinkertons Leute
sollten hier sprengen. – Wer gab wem das Dynamit? Ich wette, daß Tinkerton es von Duane bekam. – Well!« Er zieht sein Pferd zum linken Schluchteingang hinüber und verschwindet darin. Er geht nicht in die Falle, denn er weiß jetzt genau Bescheid. In der mittleren Schlucht warten ein oder zwei Männer an der Zündschnur. Der dritte Mann wird mit Nan nach Greenbart weitergeritten sein. Jack Starlight muß nach Greenbart. * Es ist später Nachmittag geworden. Die Sonnenstrahlen fallen schräg durch die Fenster des Saloons in der Banditensiedlung. Der Bandit Cal, der Nan herbrachte, leert sein Glas mit einem Ruck, als draußen Hufschläge erklingen. Er hört ein vielstimmiges Gemurmel. Schon nach wenigen Sekunden wird die Schwingtür aufgestoßen. Sie kracht gegen die Türpfosten. Slim Tinkerton kommt herein. Er gleicht heute mehr denn je einem wilden Indianer, der einen Kampf verloren hat und müde und geschlagen heimreiten muß – flüchten mußte! Um den Kopf trägt er einen schmutzigen Verband. In seinem Waffengurt befinden sich nur noch wenige Patronen. Sein Hemd ist zerrissen und mit Schlamm getränkt und beschmutzt. Das linke Hosenbein ist am Knie aufgerissen. Seine tiefschwarzen Augen sind Fenster der Hölle. Sein dunkelbraunes Gesicht ist schmaler und härter geworden. Aus seinem Kopfverband ragt ein langes Büschel blauschwarzer Haare. Hinter ihm tauchen drei seiner Reiter auf. Alle drei sind verwundet. Sie lassen sich auch sofort an einem Tisch auf die Stühle fallen. Nur Tinkerton kommt zum Schanktisch. So müde und abgekämpft er auch ist – er gleicht immer noch einem
geschmeidigen Panther. Cal starrt seinen Boß an. »Das Mädel schläft im Hotel«, sagt er. »Was ist mit euch passiert, Boß?« fragt er sofort hinterher. Tinkerton gibt ihm keine Antwort. Er trinkt erst. Dann bedient der Barmann die drei anderen Kerle, die am Tisch sitzen und fast von den Stühlen fallen. Alle Männer, die bisher draußen auf der Veranda saßen, kommen nun herein. »Hallo, Tinkerton«, beginnt ein pantherhaft aussehender Gesetzloser, »du siehst so aus, als wären deine Pferde nicht nach Wunsch gelaufen. Dein Mann, dieser Cal, erzählte uns, daß es keine Sun Hill und keine Sun-Hill-Mannschaft mehr gibt. – Was ist dran an dieser Sache? – Warum ist Nan Fletsher in unsere Burg gebracht worden?« »Meine Sache«, knurrt Tinkerton. Er starrt Sid Short an. »He, Sid, du wolltest schon immer der erste Mann in Greenbart sein. Vielleicht bist du jetzt auf die Idee gekommen, daß Slim Tinkerton ohne Mannschaft ein kleiner Fisch ist, was? Nun, ich fühle mich noch frisch genug, um dich in Stücke zu reißen. – Aber wir werden unsere Kräfte bald für andere Dinge brauchen! Die Sun-Hill-Mannschaft ist hinter uns her. Sie wird sicherlich nach Anbruch der Nacht in den Ort kommen und …« »Also ist sie nicht in die Falle geritten, wie Cal uns …« »Nein, ist sie nicht – wir sind in 'ne Falle geritten, als wir die Herden der Sun-Hill-Ranch abtreiben wollten. Und weil es mindestens viertausend Rinder sind, um die es sich dreht und die wir holen können, denke ich, daß ihr mir helfen werdet, die Sun-Hill-Crew hier fertigzumachen. – Oder nicht?« Die beiden letzten Worte kommen scharf und lauernd. Dann sieht er sich fragend im Kreis um. Er erblickt nur ausdruckslose Gesichter. Männer, die noch vor drei Tagen um seine Gunst bemüht waren, blicken ihn kalt und abweisend an. Sid Short spricht für alle.
»Tinkerton, wir haben zu gewissen Zeiten immer einander geholfen. – Aber jetzt stehst du mit dem Rest deiner Mannschaft allein. Du hättest das Mädel nicht entführen dürfen. – Sie ist ein gutes und sauberes Mädel. Ich habe eine Schwester, die auch so sauber ist und die über mich schon viele Tränen vergossen hat.« Sid Short verstummt plötzlich, schluckt mit zusammengepreßten Lippen und wendet sich zur Tür. »Ich reite für drei Tage weg«, sagt er kurz und verläßt den Raum. Zwei Männer folgen ihm sofort. Die anderen zögern Sekunden, aber dann setzen sie sich in Bewegung. Tinkerton ist mit seinen vier Reitern plötzlich allein. Er lauscht. Draußen klingen heisere Rufe. Dann wird Hufschlag hörbar. Eine Anzahl Reiter verläßt den Ort. * Als Jack Starlight aus dem Wald kommt, ist es schon fast Nacht. Durch die Schatten, die vom Tal aus die Berge hochsteigen, erkennt er nicht weit von sich ein paar gelbe Lichter. Greenbart! Er verhält sein Pferd und lauscht. Hufschläge nähern sich. Im Westen sind die Bergspitzen noch rotgefärbt, aber sie und der Himmel bekommen jetzt einen immer mehr zunehmenden blauen Schimmer. Jack beugt sich weit vor. Dann erkennt er drei Reiter. Deren Umrisse werden immer deutlicher. Jetzt sehen sie ihn und verhalten ihre Pferde. »He, wer hält da?« ruft eine Stimme. »Bist du's, Sid Short?« fragt Starlight ruhig zurück und reitet langsam auf die Gruppe zu. Er hält dabei die Zügel in der Linken. Die Finger seiner Rechten hängen dicht über dem
Kolben seiner Waffe. »Oha – Jack Starlight!« tönt es herüber. Dann: »Du kommst aus einer anderen Richtung, Starlight – aber das ist ja deine Art. Ich hätte es mir denken können! – All right, Starlight! Greenbart ist sozusagen eine freie Stadt für dich geworden!« Nach diesen Worten schweigt Sid Short. Er und seine beiden Freunde drängen ihre Pferde enger zusammen und bilden in der zunehmenden Dunkelheit eine dichte Gruppe. Jack Starlight hält dicht vor ihnen an. Seine scharfen Augen beobachten jede Bewegung der Viehdiebe. Aber die sitzen ruhig und bewegen sich nicht. Eine Weile herrscht Schweigen. »Du hältst dich also heraus?« fragt Jack schließlich. »Außer Tinkerton mit seinen Leuten ist niemand im Spiel, Starlight. Greenbart ist leer. Alle sind fortgeritten. Deine Mannschaft wird wohl von der anderen Seite kommen. Tinkerton sagte, daß sie ihm auf der Fährte wären. Irgend etwas hat nicht geklappt. Höre, Starlight: Wenn das Mädchen nicht wäre, so hätten wir euch warm empfangen. Das Ding mit dem Mädel ändert die Sache. Du hast die ganze Nacht Zeit. Du wirst nur Tinkerton, vier seiner Reiter und die Ortsansässigen vorfinden. Alle anderen sind weggeritten. Die Ortsansässigen halten sich ebenfalls raus. Sieh zu, wie du zurechtkommst. Wenn wir zurückkommen, möchten wir von dir, dem Mädel und deiner Mannschaft nichts mehr sehen. – Ich wünsche dir sogar Glück, Starlight, denn ich habe eine Schwester. Tinkerton ist wahnsinnig geworden. Er ist ein Narr – sonst hätte er das nicht gemacht. Well, nun weißt du Bescheid!« Sid Short reitet nach diesen Worten langsam an. Seine beiden Freunde folgen ihm wortlos. Jack wendet sein Pferd und verfolgt sie mit scharfen Blicken, bis sie im dunklen Wald verschwinden. Er hört noch eine ganze Weile die Geräusche ihrer Pferde. Er überlegt und erkennt die Beweggründe der Männer. Es ist wirklich so, daß Slim Tinkerton etwas gemacht hat,
wodurch er selbst bei seinen Artgenossen zum Außenseiter wurde. Bei Sid Short mag noch hinzukommen, daß er selbst der erste Mann in Greenbart sein möchte. Jack reitet langsam weiter, erreicht wenige Minuten später die ersten Holzhäuser der kleinen Siedlung und sieht die vier müden Pferde an der Haltestange des Saloons. Die Tiere stehen im Lichtkeil, der durch die Schwingtür auf die Straße fällt. Schmalere Lichtstreifen fallen aus den Fenstern. Sonst ist jetzt überall Dunkelheit. Die Lichter, die Jack aus der Ferne sah, sind verlöscht. Alle Häuser und Hütten, sogar das Hotel sind dunkel. Kein Mensch ist zu sehen. Jack gleitet aus dem Sattel. Er bindet das Pferd an die Haltestange des Hotels und betritt dann die Veranda. Neben der Tür stellt er sich mit dem Rücken an die Wand. Einen Moment wartet er und lauscht. Die müden Pferde vor dem Saloon bewegen sich nicht. Irgendwo klappt eine Tür. Ein Hund bellt aus einem Hof. Aus dem Saloon klingt ein klirrendes Geräusch. Jemand muß drinnen ein Glas oder eine Flasche auf den Boden geschmettert haben. Mit den Knöcheln der geballten Faust pocht Jack an die Tür des Hotels. Sie öffnet sich sofort, als hätte jemand dahinter auf das Pochen gewartet. »Fatty«, murmelt Jack, »ist Miß Nan bei dir im Haus?« »Starlight«, stöhnt der dicke Wirt. »Wenn du jetzt in Greenbart zum zweitenmal die Hölle loslassen willst, denk daran, daß ich nicht gegen dich bin. Miß Nan schläft in einem Zimmer. Sie war nur müde – sonst war nichts mit ihr.« »All right, Fatty. Schließe Fenster und Türen. Wenn du jemand an Nan heranläßt, wird es bitter für dich.« »Weiß ich«, brummt Fatty und schließt die Tür. Jack hört, wie er drinnen den Querbalken vorlegt. Die Türen und Fenster der meisten Häuser werden wohl jetzt
auf diese Art verrammelt sein. Ein unsichtbarer und geheimnisvoller Telegraf hat den Ort davon in Kenntnis gesetzt, daß ein einzelner Reiter angekommen ist. Die Leute von Greenbart können sehr gut zwei und zwei zusammenzählen. Sie haben eine feine Witterung. Im selben Moment verlöschen im Saloon die Lichter. Die Zeichen des geheimnisvollen Telegrafen sind also bis in den Saloon gedrungen. Der Hufschlag von Jacks Pferd und die dann entstehende Stille haben genügt. Jack bewegt sich nicht. Seine scharfen Augen starren in die Dunkelheit. Er ist im Vorteil, denn er kam mit der Nacht und die anderen kommen aus einem beleuchteten Raum. Als er zu dieser Erkenntnis kommt, verläßt er die Veranda. Am Fuß der Treppe bleibt er stehen, kniet nieder und löst seine Sporen. Dabei hält er jedoch das Gesicht nach vorn gerichtet. Ihm entgehen die beiden Schatten nicht, die aus dem Saloon gleiten. Er richtet sich auf, behält die Sporen in der Linken und zieht den Colt. Er ist gekommen, um mit Tinkerton abzurechnen. Nun ist es soweit. Langsam gleitet Starlight unterhalb der Hotelveranda entlang. Dann duckt er sich und wirft seine Sporen in die Dunkelheit. Sie fallen klirrend in den Straßenstaub. Sofort blitzt es gelbrot von der Saloonveranda her auf. Die Kugeln schlagen irgendwo ein. Jack schießt. Es ist ein kurzer Schnappschuß. Er wirft ihn sozusagen aus dem Handgelenk hinüber. Und ein gellender Schrei, der jäh in ein Stöhnen übergeht und dann abbricht, erzählt den Leuten von Greenbart, daß ein Mann getroffen wurde und der Kampf begonnen hat. Nun blitzt es in rascher Folge drüben auf. Der Schütze leert in wilder Wut und Hast seinen Colt. Die Kugeln liegen alle um Jack herum. Da er kauert, spritzt ihm eine Kugel Staub ins
Gesicht. Zwei Schüsse jagt er hinüber. Dann erfolgt ein dumpfer Fall. Zugleich klingt ein anderes Geräusch. Es muß der Colt des Mannes sein, der klappernd auf die Verandabretter fällt. Die müden Pferde vor dem Saloon geraten in Bewegung. Irgend etwas muß mit ihnen los sein. Jack kann die Umrisse der Tiere gut erkennen, denn nun funkeln die Sterne am Himmel. Eben noch war ihr Glanz schwach. Jetzt strahlen sie wie erleuchtete Diamanten, wie Türkissteine. Zwei Gestalten schwingen sich auf die Rücken zweier Pferde. Jack erhebt sich und läuft vorwärts. Als die beiden Reiter ihre Tiere herumreißen und flüchten wollen, schießt er und wirft sich danach zu Boden. Er hat zweimal geschossen und noch eine Patrone in der Trommel. Aber die beiden Pferde stürzen im Anspringen. Sie wiehern. Dieses Wiehern vermischt sich mit dem erschreckten und wütenden Gebrüll der Reiter, die aus dem Sattel geschleudert werden. Stampfen, Krachen, Aufprall, ein heiserer Schrei und dann eine heulende Stimme, die um Hilfe brüllt. Der Mann muß unglücklich gestürzt oder vom Pferd verletzt worden sein. Dann kommt die Stimme, die Jack Starlight die ganze Zeit schon hören wollte: »Starlight! Du bist Starlight! Los, du Hundefloh! Das hättest du schon vor Tagen in Best Chance haben können! Ich komme auf dich zu!« Es ist Slim Tinkertons Stimme. Zwischen den dunklen Hügeln, die beide Pferde mitten auf der Straße bilden, taucht eine große Gestalt auf. Leicht geduckt läuft sie vorwärts. Bei jedem zweiten Schritt gibt sie Feuer. Tinkerton kann anscheinend Jack Starlights Umrisse gut genug erkennen. Aber er schießt im Laufen. Er ist zu wild, zu hastig und hat es zu eilig. Sein heißer Wunsch, diesen Mann zu töten, ist sein Verderben – obwohl es vorerst gar nicht so
aussieht. Mit dem dritten Schuß trifft er Starlight an der Schulter. Die Kugel reißt eine Furche. Die vierte Kugel streift Jacks Backenknochen. Dann schießt Jack seine letzte Kugel aus der Waffe. Tinkerton war bis auf zwanzig Schritte heran. Er macht noch zwei Sprünge, dann bricht er in die Knie, stützt sich jedoch mit einem Arm und hebt abermals den Colt. Jack Starlight kann nichts anderes tun, als sich instinktiv zu ducken. Wie ein feuriges Eisen streift die Kugel über seinen Kopf hinweg. Er verliert sofort die Besinnung und fällt mit dem Gesicht in den Staub. Slim Tinkerton stößt einen brüllenden Schrei aus. Er läuft auf Starlight zu, doch etwas läßt ihn herumwirbeln. Reiter kommen in den Ort gefegt. »Kommt nur! Kommt nur!« heult Tinkerton. Als der erste Reiter dicht vor ihm auftaucht, hebt er die Waffe und drückt ab. Der Hammer fällt auf eine leere Patronenhülse. Der Reiter wirft sich aus dem Sattel und reißt Tinkerton zu Boden. * Als Jack Starlight aufwacht, hebt er sofort die Hände und legt sie an seinen schmerzenden Kopf. Seine Finger fühlen einen Verband. Pat Rockmans Stimme brummt neben ihm: »All right, Jack – alles ist hier all right.« Stöhnend richtet sich Jack auf. Er sitzt jetzt auf dem Sofa und sieht sich um. Die schwarzen Nebel vor seinen Augen werden klarer. Er blinzelt gegen das Licht einer Petroleumlampe und
erkennt, daß er sich in dem Hinterzimmer des Hotels befindet. Pat Rockman steht neben ihm. An der Tür steht Fatty. Er hält eine Schüssel, ein blutiges Handtuch und ein paar Binden in den fetten Händen. Als er durch die Tür will, kommt Montana Charly herein. Seine alten Falkenaugen sind wie zwei helle Lichter. »Zwei sind tot, und einer hat sich beide Oberschenkel gebrochen«, murmelt er grimmig. »Was ist mit Tinkerton«, fragt Jack Starlight. Pat Rockman saugt den Atem ein. Er bewegt sich unruhig. Seine Stimme ist ohne Klang. »Ich warf mich vom Pferd und bekam dabei seinen Hals zwischen meine Hände.« Er hebt seine Hände dabei, betrachtet sie ausdruckslos und stolpert dann müde aus dem Raum. Jack sieht auf Charly. Dessen Gesichtsausdruck bleibt unbeweglich. »Tinkerton hat sich das Genick gebrochen. Ich schätze, es war für Tinkerton so besser, als wenn wir ihn an einen Ast gehängt hätten.« Charly erstattet nun Bericht. »Du hattest es richtig ausgerechnet, Jack. Sie kamen mit der Dunkelheit aus den Bergen und trieben unsere Rinder zusammen. Sie ließen sich Zeit. Es wurde eine große Treibherde. Wir erwarteten sie im Eingang der KojotenSchlucht und gaben es ihnen. Leider ritt Slim Tinkerton mit den Treibern am Ende der Herde. Wir mußten ja erst die Vorreiter niederkämpfen. Aber wir brachten die Herde zur Stampede. Sie fegte auf die Weide zurück und trampelte alles nieder, was nicht schnell genug zur Seite kam. Wir ritten an der Flanke der rasenden Herde und holten uns alle Burschen, die auf unsere Seite geflüchtet kamen. Alle haben wir nicht erwischt – aber jetzt gibt es ja keinen Tinkerton mehr. Nur noch Sloan Duane ist da.« Er verstummt einen Moment, nimmt Jack die Flasche aus der
Hand und trinkt. »Ben hat's erwischt – er ist tot, Jack. Und Lash ist verwundet. Joe, der außer Lash noch zu uns stieß, bringt ihn zu Sarah und Alabaster. Es wird für Ken schwer sein, wenn er Ben zu sehen bekommt. – Er stürzte aus dem Sattel und fiel unter die Rinder. – Ich bin mit Pat und Budd hier. Deine Mannschaft, Jack, ist nur noch drei Mann stark.« Er erhebt sich, trinkt noch einmal und geht aus dem Raum. Jack Starlight bleibt zusammengekauert auf dem Sofa sitzen. Er stützt seinen schmerzenden Kopf in beide Hände und bekämpft die bitteren Gefühle, die in ihm sind. Und er kommt immer wieder zum selben Ergebnis: Ein Mann muß seinen Weg gehen. Er darf nicht abbiegen! Wenn er ein Ziel sieht und vor dem Ziel umkehrt, dann verliert er seinen Stolz und wird immer wieder schwach werden und versagen. Das ist in ihm. Er wird weiter für die Sun Hill reiten. Er wird auch dann noch reiten, wenn alles verloren ist. Bis zum bitteren Ende wird er reiten und kämpfen. Er würde sonst die Männer verraten, die für die Sun Hill schon gestorben sind oder ihr Blut vergossen haben. Und wie er so sitzt, grübelt und nachdenkt, da ahnt er mit einem Mal, daß er eines Tages vielleicht der letzte Reiter sein wird, der für die Sun Hill reitet. Schritte kommen herein. Im Zimmer wird es heller. Das erste Licht des Tages kommt durch die Fenster. Der Schein der Lampe wird blasser. Dann fühlt er eine sanfte Hand auf seiner Schulter, eine kleine, leichte und doch so feste Hand. Er hebt langsam den Kopf und schaut auf. Nan steht neben ihm. »Jack«, sagt sie nur. Langsam erhebt er sich. Sie lehnt sich an seine Brust und drückt ihre Stirn an seine Schulter. Er kann über ihr Haar hinwegsehen.
Pat Rockman, Montana Charly und Budd Wyoming stehen im Raum und verdecken die Tür. Sie sehen ihn an, und er sieht sie an. »Wir haben frische Pferde bekommen – sie stehen vor der Tür«, sagt Charly. »All right«, nickt Jack. Die drei Reiter gehen. Nan hebt den Kopf und sieht ihn an. »Ich wußte immer, daß du kommen würdest«, flüstert sie leise. »Du bist Jack Starlight – und – ich liebe dich.« Bevor sie ihr Gesicht an seiner Brust verbergen kann, umfaßt er es mit beiden Händen. Ganz zart küßt er sie auf den Mund. »Ja«, sagt er, »ich bin viele Stunden auf eurer Fährte geritten und habe es immer stärker gespürt. Ich liebe dich auch!« * Gegen Mittag des nächsten Tages erreichen sie die Terrasse des Sun Hill, auf der einst die schöne Ranch stand. Zuerst sehen sie Joe, der mit einer Winchester Wache hält. Er winkt lässig zu ihnen herunter. Joe ist noch ziemlich jung, aber das Leben eines Weidereiters hat ihn längst hartgebrannt. Er ist nur mittelgroß, doch man sieht es ihm an, daß er drei Tage im Sattel sitzen kann. Joe Benson ist ein unglücklicher Mensch. Auf Grund seines Sprachfehlers meidet er die Gesellschaft anderer Menschen und reitet meist allein. »Boboß, deder Duduane hat seiseine Riririnder auf unsere Weide gebracht!« Die letzten Worte bringt er tadellos heraus. Dann macht er einen tiefen Atemzug, wird rot und sieht auf Nan. »Ich freufreue mimich, Miß, dadaß …« »Ich freue mich auch, Joe, daß du für die Sun Hill reitest«,
lächelt Nan sanft. »Hilf mir vom Pferd, Joe!« Er wirft die Winchester ins Gras und hilft ihr. Sein Gesicht ist purpurfarben, aber seine Augen strahlen. Sarah und Alabaster kommen herbeigelaufen. Sarah weint vor Freude, der alte Neger stößt seltsame Laute aus. Wenig später erweist es sich, daß der Schwarze die letzten Tage nicht ungenutzt hat verstreichen lassen. Er hat an die kleine Hütte inzwischen noch einen größeren Anbau gezimmert. Joe und Sarah haben ihm sicherlich dabei geholfen. Alle treten sie nun in die Hütte. Es wird sehr eng, aber die beiden Verwundeten freuen sich mächtig, obwohl Ken sehr ernst ist und keine laute Freude zeigen kann. Später steht Nan mit ihren Reitern vor den Gräbern, die am Ende der großen Terrasse unter schattigen Bäumen liegen. Joe hatte gestern auch den armen Tom herübergeholt. Jetzt liegen schon drei Reiter der Sun Hill neben ihrem Rancher und dessen Frau. Holzkreuze aus einem alten Faß hergestellt, dessen Bretter leicht gebogen sind, schmücken die Hügel. Und auf jedem Kreuz sind Worte eingebrannt: »ER RITT, KÄMPFTE UND STARB FÜR DIE SUN HILL« Jack Starlight starrt lange auf diese Kreuze. Er schluckt schwer. Sein scharfes Gesicht ist düster und hart. In seinen rauchgrauen Augen ist ein heißer Glanz. Als er plötzlich den Kopf hebt, sieht er, daß sie ihn alle ansehen und beobachten, auch das Mädchen. »Boys«, murmelt er bitter, »es werden noch mehr Kreuze. Und der, der schließlich allein reiten muß, wird, wenn es ihn auch erwischt, kein Kreuz bekommen. – Ich muß es euch noch einmal sagen – denn ich weiß, daß man uns bald wie Hasen hetzen wird. Ich wäre froh, wenn ihr eine Menge Rinder zusammentreiben und mit Nan das Land verlassen würdet. Ja,
ich weiß ganz genau, was ich sage! – Und doch, ich wäre froh, sehr froh!« Eine lange Stille entsteht. Nan tritt neben ihn und schiebt ihre Hand unter seinen Arm. Der Reihe nach sieht er die Reiter an. Montana Charly schüttelt seinen hageren Kopf. Seine lederne Gesichtshaut bekommt plötzlich viele Falten, denn er preßt seine messerscharfen Lippen gegen die Zähne und grinst. »Nein«, sagt er kurz, »ich bleibe und reite. Mir gefällt es in diesem Land. Ich lasse mich nicht daraus vertreiben. Lieber will ich auf diese Art«, er zeigt auf die Holzkreuze, »hier Wurzeln schlagen und zu einem Teil dieser Erde werden.« Er hebt seine knochige Hand und läßt sie wieder fallen. Es ist eine Geste der Endgültigkeit. Jack sieht auf Pat Rockman, der mehr als nur sein Kamerad und Reiter, der sein Freund ist. Pat sagt gar nichts – er zeigt nur stumm auf die Kreuze und hakt danach beide Daumen in den Gurt. Breitbeinig, trotzig, düster und riesig, so steht er da. Jack Starlight sieht Budd an, Budd, dessen Nachnamen keiner kennt und der aus Wyoming kam. »Ich bin vor langer Zeit einmal weggelaufen, damals in Wyoming«, flüstert Budd tonlos. »Ich habe mich lange Zeit wie ein Hund gefühlt und konnte mich nicht im Spiegel sehen. Schon allein deshalb bleibe ich. – Denn ich mache einen Fehler kein zweites Mal! Ein Mann geht durch die Hölle, wenn er wegläuft!« Er senkt seinen Kopf und starrt auf seine alten Stiefel. Jack sieht den letzten Reiter an. Es ist Joe Benson. »Joe«, beginnt er, »Joe, du …« Joes Arm fährt durch die Luft. »Keikein Wort, Jack!« Nun ist alles klar! Nan schluchzt plötzlich und läuft davon. Sie sehen ihr schweigend und unbeweglich nach. Eine
düstere Gruppe schweigender Männer, harte Söhne eines rauhen Landes, die sich treu bleiben wollen. »Well«, sagt Jack. »Ich reite zum Sheriff und gebe die Sache mit Slim Tinkerton zu Protokoll. Das kann nichts schaden. Pat, du kommst mit und streifst dann über unsere Weiden. Laß dich auf keinen Kampf ein. Ich will wissen, ob Duane erst seine Fühler ausgestreckt oder schon seine ganze Macht über den Creek geworfen hat. Und ihr anderen helft Alabaster beim Bau eines festen Blockhauses. Ein festes Haus muß sein!« * Am späten Nachmittag reitet Jack Starlight in Best Chance ein. Leute, die ihn früher laut und herzlich gegrüßt hatten, tun es jetzt nur verstohlen. Er nimmt im »Cattleman« einen Drink, dann sucht er den Sheriff auf und berichtet ihm von der Zerschlagung der Tinkerton-Bande. Als Jack wieder auf die Straße tritt, sinkt die Sonne im Westen, und die Nacht kommt von Osten. Er bleibt vor dem Sheriffs Office stehen und sieht zum Saloon hinüber. Drüben stehen jetzt bedeutend mehr Pferde an den Haltestangen und Pflöcken. Aber sein Pferd ist weg! Jemand hat Jack Starlights Pferd weggebracht. Er zieht sofort leicht den Kopf ein und drückt seine breiten Schultern vor. Langsam tritt er an die Hauswand zurück, lehnt sich dagegen und sieht sich um. Die Straße ist so gut wie leer. Im Store, der sich schräg gegenüber befindet, standen vor zehn Minuten einige einkaufende Frauen. – Jetzt sind sie weg. Dafür lehnen zwei Männer an der Hauswand. Im Schatten des überdachten Gehsteiges erkennt Jack die Umrisse ihrer Gestalt
und die roten Glühpunkte ihrer Zigaretten. Er sieht zum Hotel hinüber. Dort stehen ebenfalls zwei Männer. Und ein dritter steht inmitten der Einfahrt zum Mietstall. Jack weiß ganz genau, was dies alles zu bedeuten hat. Eine Gruppe der großen Yellow-Rock-Mannschaft ist in den Ort gekommen, hat von seiner Anwesenheit erfahren und sofort gehandelt. Langsam wendet Jack seinen Kopf nach rechts. Nicht weit von sich entdeckt er sofort die Gestalten von drei Männern. Er dreht sich ruhig eine Zigarette, zündet sie an und überquert die Fahrbahn. Die staubigen und sandigen Bretter des Gehsteiges knarren und knacken unter seinem Schritt. Als er die kleine Seitengasse erreicht, die die Hauptstraße vor dem Saloon unterbricht, hält er an. Dicht vor ihm lehnt ein Mann an der Hausecke. Die Kippe einer Zigarette fällt funkensprühend vor Jacks Füße. Jack tritt sie aus und geht weiter, dicht an dem Mann vorbei. Aber als er einen Schritt vorbei ist, wirbelt er wie ein Panther herum und setzt dem Kerl die harte Faust auf den Kinnbacken. Der Mann knallt mit dem Kopf gegen die Hauswand, stößt ein Röcheln aus und rutscht dann mit weichen Knien an der Wand zu Boden. Hinter Jack erklingt ein scharfer Schrei – sonst geschieht nichts. Er wartet eine Weile neben dem Bewußtlosen, den Rücken an die Hauswand gedrückt und die Hand am Colt. Jack geht weiter, überquert die Gassenlücke, erreicht die Fortsetzung des Gehsteiges. Einen Moment scheint er zu zögern, aber dann tritt er in den Eingang und nach einem kurzen Blick nach beiden Seiten in den Saloon. Hinter sich vernimmt er eilige Schritte. Er weiß, daß er ohne Kampf nicht mehr aus dem Saloon herauskommt. Duff Dance, der Vormann der Yellow Rock, steht mit dem
Rücken am Schanktisch. Sein Gesicht ist immer noch angeschwollen und schillert in verschiedenen Farben. Aber er grinst zufrieden und voller Vorfreude, hebt seine Hand und winkt mit dem Zeigefinger. So winkt ein harter Schulmeister einen Knaben zu sich, der etwas verbrochen hat und den er bestrafen will. »Komm nur, Bruderherz!« ruft Duff Dance dabei. Jack schenkt ihm vorerst wenig Beachtung. Er ist nach drei Schritten stehengeblieben und sieht sich nun um. Hinter den geöffneten und festgehakten Schwingflügeln der Tür stehen zwei Yellow-Rock-Reiter. Im offenen Türviereck tauchen noch mehr auf. Es sind die Kerle, die auf der Straße gewartet haben und die dann, als Jack ganz nach Wunsch auf den Saloon zuging, gefolgt sind. Im Raum befinden sich noch einige Gäste, die mit der ganzen Sache nichts zu tun haben, die aber dennoch geblieben sind. Neben Duff Dance lehnen lässig drei Reiter am Schanktisch. Diese drei Kerle sehen nicht wie Cowboys, sondern wie berufsmäßige Schießer aus. Sie sind neu in Best Chance. Sie starren neugierig auf Jack Starlight. Ihr Blick ist kalt, hart und frech. Jack Starlight beachtet sie kaum. Er sieht Duff Dance an. »Wieviel Mann hast du dir denn mitgebracht, Dance?« fragt er sanft. Es ist so still im Raum, daß Jacks leise Stimme überall verstanden wird. Duff Dance wird weiß im Gesicht, bis eine jähe und deutliche Röte sichtbar wird. Er kaut auf seinem sandfarbenen Schnurrbart. Seine Backenmuskeln arbeiten, der Knoten an seinem Hals ruckt herauf und herunter. »Wir wollen ein Spiel miteinander spielen, Starlight«, schnappt er plötzlich heiser. Er ähnelt dabei irgendwie einem Wolf, der nach einer Fliege schnappt. »Es muß ein neues Spiel sein, Dance! – Mir gefallen deine Partner nicht besonders!«
Jack schlendert durch den Raum und stellt sich an die Ecke des Schanktisches. Es ist ein Glück, daß Dance noch mit seinem Stolz kämpfen mußte, sonst wäre Jack nicht bis zum Schanktisch gekommen. Aber der Vormann der Yellow Rock war einige Sekunden unschlüssig. Jacks Worte hatten Wirkung. Nun steht er an der Ecke des Schanktisches, hat Dance und die drei Schießer vor sich und die anderen Kerle, die hinter ihm in der Tür erschienen waren, rechts von sich. Hinter Jack saßen ein paar unbeteiligte Gäste. Er hört, wie sie sich von den Plätzen erheben, die Stühle rücken und aus der voraussichtlichen Schußlinie gehen. Er sitzt in der Falle. Sloan Duane fühlt sich groß und mächtig genug, um durch seinen Vormann in aller Öffentlichkeit solch eine Sache ausführen zu lassen. Jack Starlight starrt auf Dance und die drei Männer. Als diese sich bewegen und auseinandertreten, sieht Jack in der Ecke des Raumes Dan Sutter, den früheren Cowboy der Fork Ranch, sitzen. Sutter starrt auf die Tischplatte, auf der eine Patience ausgelegt ist. »Dance, wie soll das Spiel laufen?« Jacks Stimme klingt ein wenig höher als sonst. Sie klirrt scharf und hart. In seinen grauen Augen erscheinen gelbe Funken. Er beugt sich leicht vor. Seine Hand hängt über dem gelblichen Elfenbeingriff des Colts. »Du willst wohl wie ein Mann sterben, Starlight?« höhnt Dance. Eine wilde Lust ist in ihm. Er hat irgendwie innerlich einen Zaun übersprungen und keine Hemmungen mehr. Hemmungen, die sonst einen stolzen und selbstbewußten Mann nach gewissen Grundsätzen handeln lassen. »Fang an mit dem Spiel, Dance! Ich gebe dir und deiner Armee die Vorhand! – Nun?« »Was wird nun das Mädel ohne dich machen, Starlight? Du hast sie wohl im Moment vergessen, was? – Aber denke ruhig mal an sie! – Der Yellow Rock genügt es, wenn du auf allen
vieren aus dem Ort kriechst! Du bist dann ein erledigter Mann im ganzen Land, und es gibt keine Narren mehr im County, die auf dich auch nur einen alten Cent setzen. Wenn du im Staub der Fahrbahn aus dem Ort kriechst, ist der ewige Frieden gesichert. Du kannst dir dann das Mädel und die Rinder nehmen und gemütlich diese Gegend verlassen. – Aber kriechen mußt du! – Als lebender Feigling kannst du dem Mädel immerhin noch nützlich sein – als toter Held bist du für sie eine Niete. – Ich stehe hier nicht für mich, Starlight, sondern für die Yellow Rock – denn ich würde es liebend gern allein mit dir austragen. – Nun geh in die Knie – oder zieh deine Kanone!« Als die Stimme verstummt, entsteht Bewegung an der Tür. Lee Stone drängt sich durch die Männer, bleibt vor ihnen stehen und versperrt ihnen die Schußlinie. Der Sheriffstern glänzt im Lampenlicht. »Dance, ich habe alles gehört! Was du vorhast, wird nicht geschehen können. Ich verbiete es im Namen des Gesetzes!« Duff Dance beginnt zu lachen. Er stößt heisere Laute aus und schnappt dann nach Luft. »Narr! Du Narr! Sloan Duane ist hier das Gesetz! Raus mit dir, du ulkiger Wicht! Hier im Land gilt nur noch die Yellow Rock – alles andere ist Dreck! Und mit dem heutigen Tage wird es allen, die es noch nicht wissen, eingehämmert!« »Damit stellt sich die Yellow Rock außerhalb des Gesetzes!« ruft Lee Stone scharf. »Zur Hölle! Begreifst du es nicht, Sheriff? Die Yellow Rock ist das Gesetz! Alles, was gegen die Rock ist, ist draußen! So ist das! – Du hast zwei Stunden Zeit, Stone! Wenn wir dich dann noch in Best Chance finden, wird es bitter für dich! Dieser Ort gehört Mister Duane. Und wenn es ihm paßt, so läßt er alle Häuser, bis auf ein paar Hütten, die ihm nicht gehören, abreißen, klar?« Anschließend stößt Duff Dance ein höllisches Gelächter aus.
In der Ecke erhebt sich Dan Sutter. Er streicht dabei die Karten zusammen und steckt sie in die große Tasche seines grünen Reithemdes, das bald einmal gewaschen werden müßte. Als er den freien Raum betritt, liegt ein breites Grinsen auf seinem fleischigen Gesicht. Seine kleinen Augen funkeln. »Hallo«, sagt er ziemlich bescheiden und höflich, »vielleicht darf ein stellungsloser Cowboy, der völlig unparteiisch ist, auch zwei oder drei Worte zu der Sache säuseln. Also, es tut mir in der Seele weh, wenn ich sehen muß, wie zwei prächtige Männer, die der Stolz des Countys sind, nicht den richtigen Dreh finden können. – Ich habe mal vor Jahren unten im schönen, alten und prächtigen Texas einem solchen noblen Spiel zugesehen. Es war ein richtiges Männerspiel. Vielleicht paßt dieses Spiel besser zu euch – ja, ich bin sogar überzeugt, daß der Überlebende mir einen Whisky spendieren wird! – Aus wirklicher Freude und Dankbarkeit – weil es doch wirklich ein prächtiges Männerspiel ist, das nur von Männern mit Nerven gespielt werden kann.« Dan Sutter sprach mit phlegmatischer Ruhe. Er beachtet das drohende Schweigen gar nicht, das immer noch im Raum ist. Er grinst Duff Dance an. »Dir wird es bestimmt gefallen, Dance – ganz bestimmt. Und du brauchst dabei keine Hilfe und kannst deine Wünsche doch erfüllen. Nur Nerven mußt du haben – bessere als Jack Starlight! Und Starlight kann auch gewinnen – aber er muß dann bessere Nerven haben als du, Dance! – Es ist gerade das richtige Spiel für zwei Männer, die …« »Spuck's aus, Sutter«, faucht Dance. Dan Sutter sieht erst fragend auf Jack Starlight. Der nickt stumm. Für ihn ist die Lage hoffnungslos, seine Chancen könnten sich höchstens verbessern, verschlechtern nicht mehr. Da faßt Sutter mit zwei Fingern seinen Coltkolben und zieht langsam und vorsichtig seine schwere Waffe aus der Halfter. Es ist das allerneueste Coltmodell. Dan Sutter ist vielleicht der
einzige Mann in diesem abgelegenen County, der dieses neue Modell des erst vor wenigen Monaten verstorbenen Mister Samuel Colt besitzt. Man kann die Trommel dieser Waffe ausklinken. Das tut Sutter jetzt. Und er tut noch mehr. – Er nimmt fünf Patronen aus der Trommel, läßt eine einzige drin, läßt die Trommel wieder einrasten und dreht sie, so daß sie eine Weile rotiert. Durch die Stille des Raumes hört man scharfe Atemzüge. Viele der Zuschauer haben begriffen, denn fast alle haben schon einmal von diesem Spiel gehört. Sutter grinst mit einem Male hart. Er hält die Waffe nun am Lauf gepackt und legt sie auf den Schanktisch. »Vielleicht wäre es das richtige Spiel«, sagt er sanft und geht wieder in seine Ecke. Niemand beachtet ihn, denn alle Augen richten sich auf die beiden Männer. Jack Starlight lächelt ernst. Dann wirft er leicht den Kopf zurück, sieht fest in Dances Augen und sagt: »Mir könnte dieses Spiel gefallen, Dance!« Klar und fest klingen seine Worte durch das Schweigen. Duff Dance zuckt unmerklich zusammen. Er kämpft sichtlich mit sich. Er hat von Sloan Duane bestimmte Instruktionen erhalten und soll sicherlich kein Risiko eingehen. Er hat den Auftrag erhalten, die Macht der Yellow Rock einzusetzen. Es ist ihm verboten worden, allein von Mann zu Mann mit Jack Starlight zu kämpfen. Mag Duff Dance sein, wie er will, in solchen Situationen kann er nicht kneifen. Er ist herausgefordert worden. Wenn er nicht annimmt, hat er sein Gesicht verloren. Dieser Vorfall wird sich schnell im ganzen Land herumsprechen. Der Vormann der großen und mächtigen Yellow Rock Ranch darf kein Feigling sein. Er ist der Mann; der eine starke, wilde, gefährliche und meist nur aus Rowdys bestehende Mannschaft zusammenhält. Schon einmal hat er gegen Jack Starlight
verloren. Wenn er jetzt kneift, erweist er sich als Feigling. Dann kann er nicht mehr der Vormann der Yellow-RockMannschaft sein. Es sind Männer unter den Rock-Reitern, die sich dann von ihm nichts mehr befehlen lassen. Seine Stellung als zweiter Mann einer Riesenranch bedeutet Macht. Er hat in vielen Dingen freie Hand. Er kann herrschen, befehlen und seinen Wünschen Geltung verschaffen. Wenn Sloan Duane größer wird, wird er auch größer. Deshalb ist ein fast krankhafter Ehrgeiz in ihm, der ihn eifersüchtig darüber wachen läßt, daß die Yellow Rock vom ganzen County respektiert, geachtet und gefürchtet wird. Er will keine Freundschaft – er will nur respektiert und gefürchtet werden. Diese Einstellung zwingt ihn, sich immer wieder als harter, furchtloser und stolzer Mann zu zeigen. Deshalb muß er diese Herausforderung annehmen und gegen die Instruktionen seines Ranchers handeln. Vielleicht hat Dan Sutter dies erkannt. Duff Dance hat lange nachgedacht. Nun hebt er den Kopf und wirft einen scharfen Blick um sich. Alle Männer im Raum sehen ihn an. Die wenigen Gäste, seine eigenen Reiter, der Sheriff und Jack Starlight. Dan Sutter sitzt träge am Ecktisch und legt wieder ein Spiel auf die Platte. »Sicher«, murmelt Duff Dance, »ich fange sogar damit an!« Er greift nach dem Colt, hält die Mündung an die Schläfe und macht einen tiefen Atemzug. Dann drückt er ab. Klack, macht's deutlich in die Stille, die beide Männer wie eine Mauer umgibt. Duff Dances Gesicht ist rot, und er atmet hörbar aus, als er die Waffe zu Jack Starlight hinüberreicht. Er grinst ihn spöttisch an und sagt: »Ganz nettes Gefühl beim Abdrücken.« Starlight sieht in Dances Augen. Ganz in ihrem Hintergrund erkennt er ein winziges Flackern, das einem kleinen
Flämmchen gleicht, welches sich nicht entwickeln kann, da es zu sehr niedergehalten wird. Alle Augen richten sich auf Starlight. Der macht dieselben Bewegungen wie Dance. Und dann klingt das »Klack« durch die Stille. Ein paar Männer stöhnen deutlich hörbar. In Dances Augen erscheint Enttäuschung, dann wilde Wut und böser Haß. Die kleine Flamme im Hintergrund wird immer größer. Aber seine Stimme klingt ruhig, wenn auch hart und scharf. »Glück gehabt, Starlight«, sagt er und nimmt aus dessen Hand die Waffe. Schnell setzt er sie an. Klack. Sein gerötetes Gesicht wird bleich, als sein Arm mit dem Colt schlaff herunterfällt. An seinen Schläfen hämmert der Puls in den sichtbar werdenden Adern. Dann erscheint ein glückliches Grinsen auf seinen dünnen Lippen, die unter seinem sandfarbenen Schnurrbart deutlich hervortreten. Aber zugleich werden auf seiner Stirn ein paar Schweißperlen sichtbar. Jack Starlight streckt die Hand aus. Da erst erkennt Dance, daß sein Arm mit der Waffe schlapp an der Seite herunterhängt. Er zuckt zusammen, als Starlight sagt: »Ist dir das zu schwer geworden, Dance?« Er reißt die Waffe hoch, bis ihre Mündung auf Starlight zeigt. »Halt dein Maul!« schnappt er böse. Jetzt irrlichtert die bis jetzt niedergehaltene Flamme deutlich erkennbar in seinen Augen. Jack lächelt ihn an. »Du brauchst nicht abzudrücken – das tue ich selbst«, sagt er ruhig. In seiner Stimme schwingt ein eiskalter Ton mit. Es ist wie das allerletzte Summen eines angeschlagenen Stahlbleches. Er nimmt mit ruhiger Bewegung die Waffe aus Dances Hand. Als er die Mündung an seine Schläfe setzt, sieht er fest in
Dances Augen und lächelt dabei. Schnell drückt er ab. Klack! Einige Schreie erklingen. Einige Zuschauer stöhnen gequält. Die ungeheure Spannung erscheint wie eine schwere Last oder wie eine schwere Wolke. Dance stiert nun Starlight an. Seine dünne Unterlippe zittert, und seine Schultern beben, als ginge ein Kälteschauer durch den Körper. Seine Hände hängen schlaff herunter. Dann beginnt sein ganzes Gesicht zu zucken. Jack Starlight hält ihm den Colt hin. »Du hast immerhin noch eine Chance, Dance«, sagt er ruhig. Dessen rechter Arm zuckt erst zweimal hilflos, bevor er sich hebt und mit der Hand die Waffe ergreift. Dances Gesicht glänzt plötzlich vor Schweiß. Sein Atem geht schwer. Die ganze Sache zerrt an seinen Nerven. Der ruhige Blick aus Starlights rauchgrauen Augen macht ihn verrückt. In diesen Sekunden erkennt Dance, daß Starlight der bessere Mann ist. Schon jetzt wird es ihm klar, denn er spürt die Angst im Leibe, kämpft mit aller Verzweiflung dagegen an und fühlt immer mehr, daß er nicht länger durchhalten kann. Er vergißt die ganze Umwelt, sieht nur den lächelnden Starlight und wundert sich dumpf, warum dieser so ruhig ist. Höchstens einmal kann noch abgedrückt werden, ohne daß der Schuß kracht. Aber ist die Patrone wirklich in der sechsten Kammer? – Ist sie nicht vielleicht schon in der fünften? Duff Dance erinnert sich plötzlich daran, daß er noch nie besonders Glück im Spiel hatte. Er gehört zu den Menschen, die im Glücksspiel nie etwas gewinnen, mögen sie Lose kaufen oder auf ein gutes Blatt beim Poker oder beim Blackjack hoffen. Daran denkt er. Und die Idee, daß die scharfe Patrone in der Kammer ist, die jetzt an der Reihe ist, setzt sich immer mehr in ihm fest.
»Angst, Dance?« fragt Jack Starlight ruhig. Seine Augen sind hell, klar und fest. Um seinen männlichen Mund liegt ein leises Lächeln. Auch Jack Starlight spürt Furcht. Es gibt keine furchtlosen Menschen. Gewiß denkt Jack Starlight an Nan und an all die Dinge, die verlorengehen, wenn er verliert. Vielleicht macht ihn der Gedanke daran wahnsinnig. Aber er hat Nerven. Er hat sich fest in der Hand. Er bezwingt seine Angst und seine Not. Er ist der beste Mann im Land. Allen Anwesenden wird das klar. Jack Starlight ist unerschütterlich, fest, stark, und vielleicht glaubt er an etwas, was ihm hilft. Wie könnte ein Mann sonst so stark sein. Wenn er nicht von einer Sache felsenfest überzeugt wäre? »Dance, wenn du nicht willst, so hören wir auf – oder ich versuche es noch einmal und überlasse dir den sechsten Schuß«, sagt Jack Starlight. Da bricht etwas in Duff Dance. Sein Stolz ist weg. In dieser einen Sekunde zerbricht Duff Dance. Aus einem stolzen Wolf wird eine feige Ratte. Er reißt den Colt hoch und drückt ab. Klack, macht es. Duff Dance hätte das Spiel gewonnen, wenn seine Nerven ausgehalten hätten. Jack Starlight wirft sich zur Seite, denn Duff Dance drückt zum zweiten Male ab. Nun kracht es endlich. Die Kugel reißt etwas Fleisch und Haut von Jacks Rippen. Jack prallt hart gegen Dance, stößt ihm die Faust in den Magen – und plötzlich bricht die Hölle los. Dan Sutter, der still am Tisch in der Ecke saß, sprang noch vor dem ersten Schuß auf. Er zauberte einen zweiten Colt aus dem weiten Hemd und schoß damit auf die große Lampe. Es ist eine Karbidlampe mit einem blitzenden Kessel. Diese Lampe erhellt den ganzen Schankraum.
Und nun explodiert sie mit einem mächtigen Knall. Die Wirkung ist nicht geringer als die einer berstenden Dynamitstange. Indessen stürzt Duff Dance stöhnend zu Boden. Jack Starlight schnellt über ihn hinweg, zieht dabei seinen Colt und sticht den Lauf vor sich in die Dunkelheit. Er sieht nur noch feurige Kreise vor seinen Augen. Aber allen anderen Männern im Räume geht es gewiß nicht anders. Der Blitz der Explosion hat sie alle geblendet. Jacks Coltlauf stößt in einen weichen Körper, der sofort zusammensackt. Jack stolpert, stürzt. Neben seinem Kopf zuckt eine hellgelbe Feuerzunge auf. Die Kugel streift ihn fast. Er springt auf, wirft sich abermals vorwärts und rammt seinen verbundenen Kopf in den Leib des Mannes. Auch dieser muß zu den drei Schießern gehören, die in Duff Dances Nähe gestanden haben. Dann brennt es heiß in Jacks linker Schulter. Es stößt ihn etwas zurück. Er prallt schmerzhaft gegen den Schanktisch, geht in die Knie und stöhnt dabei, überwindet seine Not und kriecht weiter. Dauernd krachen Schüsse. Feuerzungen erhellen die Dunkelheit. Männer brüllen. Jack erreicht die Hintertür, stemmt sich hoch und wirft sich hindurch. Er fällt auf den Hof. Ein Mann ist plötzlich neben ihm und hilft ihm auf die Beine. »Jack?« Es ist Dan Sutters Stimme. Als sie den Hof überquert haben und den Schutz der Ställe erreichen, kommt die wilde Meute aus der Tür gestürmt. Jemand öffnet im selben Moment die Tür des großen Stalles. Laternenlicht fällt auf den Hof. Es ist nur das Licht einer Stallaterne, aber es genügt. Man erkennt deutlich die Umrisse der beiden Männer, bevor sie um die Ecke verschwinden. »Da sind sie!« Eine wilde Stimme brüllt es.
Die Yellow-Rock-Mannschaft ist im Bilde. Man weiß genau, daß Dan Sutter auf der Seite Jack Starlights ist. Dan Sutter lehnt Jack gegen die Stallwand, späht dann um die Ecke und feuert zwei schnelle Schüsse ab. Die Verfolger werfen sich in Deckung. Eine wütende Stimme brüllt, daß man doch die Stalltür zumachen sollte. Dan Sutter hat einige Sekunden Zeit. »Jack, wenn du laufen kannst, so verschwinde. Ich halte sie eine halbe Minute auf! Hab keine Sorge – ich kann schon für mich sorgen. Ho, ich wußte, daß Dance zerbrechen würde! Das war deine einzige Chance.« »Danke, Sutter«, keucht Jack und taumelt in die Dunkelheit hinein. Er wankt durch den Garten, wendet sich nach links und überklettert einen niedrigen Zaun. Auf der anderen Seite lehnt er sich keuchend dagegen. Er taumelt weiter. Hinter sich hört er Sutters Schüsse. Dann wird es still. Lärm klingt danach auf. Er erkennt, daß auch Sutter entkommen ist und daß die Yellow-Rock-Mannschaft nun mit der Suche beginnt. Er erreicht das Ende einer Gasse, die hier auf die Felder hinausführt, und wankt in den tiefen Schatten eines der ersten Häuser. Er muß die Hauptstraße erreichen, denn dort stehen Pferde an den Haltestangen. Ohne Pferd kommt er bestimmt nicht aus dem Ort. Die Gasse ist schmal. Wenn er die Arme nach beiden Seiten ausstrecken würde, könnte er die Seitenwände der Häuser berühren. Sein Atem wird kürzer, stöhnender und mühsamer. Er keucht laut und deutlich hörbar. Deshalb lehnt er sich einen Moment in eine Nische und will verschnaufen. Er erinnert sich, daß diese Nische der Eingang zu Mabel Wilsons kleiner Schneiderwerkstatt ist. Mabel ist eine alte Frau. Sie näht für die Frauen und Kinder fast aller Familien im County. Der riesige Pat Rockman, dem gekaufte Hemden nicht passen, läßt seine
Hemden von ihr anfertigen. Als Jack dumpf an die alte Mabel denkt, öffnet sich die Tür in der Nische. Ein dünnes Glöcklein bimmelt. Jack verliert seinen Halt. Er taumelt in den kleinen Laden hinein und kracht schwer zu Boden. Fluchend wälzt er sich auf den Bauch, zieht die Knie an und stemmt sich hoch. Sein linker Arm ist unbrauchbar. Eine Lampe erhellt den Raum. Im Lichtschein erkennt er sein eigenes Blut auf dem gescheuerten Bretterboden. »Jack! Jack Starlight! Oh, dich haben sie gestellt und gehetzt!« Eine bebende Stimme ruft es. Er hebt müde den Kopf. Ester Brown steht neben ihm. Sie hält noch den Türdrücker in der Hand. Nun schließt sie die Tür schnell, legt den Riegel vor und kniet neben ihm nieder. Mit einem verwunderten Blick, der schon weit entfernt ist, sieht er sie an. »Du – hier?« murmelt er schwach, dann wird er bewußtlos. Ester Brown schüttelt ihn. Sie sieht das Blut, fühlt es und schluchzt plötzlich trocken. »Ich habe es immer gewußt! Sie werden ihn töten! Ich wollte nicht darunter leiden! Ich war kalt berechnend und eigensüchtig. Und nun taumelt er über meine Schwelle!« Sie erhebt sich und läuft in ihr kleines Zimmer. Als sie zurückkommt, hält sie Watte und Leinenzeug in den Händen. Sie hat auch eine Schere mitgebracht. Schnell schneidet sie sein Hemd auf. Als sie die blutige Brust und die Wunde sieht, wird ihr übel. Aber dann beißt sie die Zähne auf die Unterlippe und macht sich an die Arbeit. Einmal hebt sie den Kopf und lauscht. Draußen laufen viele Männer an ihrer Tür vorbei. Ein scharfer Ruf klingt dicht neben ihrem kleinen Haus. Aber dann entfernen sich die Geräusche.
Endlich ist sie fertig. Sie hat, so gut sie es konnte, die Blutung gestillt und die Wunde verbunden und zugestopft. Nun steht sie keuchend vor Anstrengung und Erregung neben dem Bewußtlosen und schaut auf ihn herab. Gefühle kommen und gehen in ihr. Sie denkt an viele Dinge, die einst gewesen waren, an das, was sie getan hat und was noch kommen wird. Dann beansprucht das Blut auf dem Boden wieder ihre volle Aufmerksamkeit. »Spuren! Er hat Blutspuren hinterlassen. Wenn sie eine Lampe zur Suche benutzen oder bei Tageslicht durch die Gasse kommen, werden sie vor meiner Tür die Blutspuren entdecken. Und dann kommen sie herein und …« Sie verstummt, und in ihren Augen erscheint ein verzweifelter Ausdruck. Sie muß sich jetzt entscheiden. Aber es ist nur ein kurzes Zögern. Die Wandlung in ihr dauerte nur Sekunden. Sie geht in die Küche und von da aus in den kleinen Hof. Sie öffnet die Tür zum Hühnerstall. Die Hühner machen Lärm. Sie muß mit dem Oberkörper weit in den Stall tauchen, um eine Henne zu erwischen. Sie dreht ihr kurzentschlossen den Hals um. Ester Brown war schon immer hart, berechnend und kühl gewesen. Jetzt, wo sie sich einmal entschieden hat, kommen ihr diese Eigenschaften zu Hilfe. Mit der toten Henne geht sie in die Küche zurück. Sie nimmt ein scharfes Messer und fängt das Blut auf. Als sie wenig später die Vordertür öffnet und in die dunkle Gasse lauscht, hält sie einen kleine Topf in der einen und ein kleines Stück Schwamm in der anderen Hand. Die Gasse ist still, dunkel und leer. Aber aus den Höfen der Häuser, die an der Hauptstraße stehen, klingen Stimmen. Sie geht langsam bis zur Ecke der Hauptstraße und träufelt
immer wieder mit dem Schwamm Blut auf den Boden. Dann läuft sie schnell zurück. In der Dunkelheit entfernt sie das Blut von ihrer Türschwelle und hofft, daß sie es richtig macht. Als sie endlich die Tür schließt und abriegelt, lehnt sie sich eine Weile erschöpft dagegen. Die ganze Sache hat nur wenige Minuten gedauert. Nun kommen wieder Männer in die Gasse. In diesem Moment stößt Jack Starlight ein leises Stöhnen aus und regt sich. Der harte, starke und sehnige Mann war nicht lange bewußtlos. Sie kniet schnell neben ihm nieder und schüttelt seine Schulter. »Jack, Jack, wach auf! Ich kann dich nicht tragen! Du mußt mir helfen! Jack! Nur eine einzige Minute mußt du mir helfen!« Sie greift den Arm der gesunden Schulter, stemmt sich fest an die Zimmerwand und zieht. Er kommt keuchend bis auf die Knie. Sie bückt sich unter seine Achselhöhle, stemmt ihre Schulter darunter und versucht, sich aufzurichten. Fast wären sie beide umgefallen. Aber er hat anscheinend begriffen und hilft ihr mit aller Energie. So wanken sie in ihr Schlafzimmer. Als er rücklings auf ihr Bett fällt, ist er bereits wieder bewußtlos. Ein dünner Blutfaden rinnt unter dem nassen Verband hervor, über seine braune Brust und auf das weiße Bettzeug. Sie hat jetzt keine Zeit mehr, holt Wassereimer und Aufnehmer aus der Küche und reinigt den Boden. Einmal verhält sie und lauscht. Draußen sind Stimmen vor der Tür. »Der hat ja geblutet, wie …« »Hier in der Nische hat er sich wohl ausgeruht! Ah, hier geht die Blutspur weiter!« Die Stimmen entfernen sich allmählich. Ester geht zum Fenster und späht durch einen Schlitz des dichten Fenstervorhanges.
Der schwache Schein einer Laterne verschwindet aus ihrem Blickwinkel. Die Männer müssen jetzt anscheinend die Ecke der Gasse an der Hauptstraße erreicht haben. Ester macht weiter. Endlich ist sie fertig. Sie wirft noch einen forschenden Blick durch den Raum und geht dann in ihr Schlafzimmer. Sie stellt dort die Lampe ab, geht dann in die Küche und kocht einen starken Kaffee. Als sie zurückkommt und sich ans Bett setzen will, ist Jack Starlight wach. Seine Augen sind dunkel. Man sieht es ihnen an, daß Jack starke Schmerzen leidet. Aber sein Blick ist trotzdem klar. »Was tust du hier?« fragt er schwach. »Ich wohne hier! Mabel hat an mich verkauft und ist zu einer Enkelin gezogen, die geheiratet hat. Ich bin die neue Schneiderin von Best Chance.« »Dein Vater?« »Wird von Duane ein paar lumpige Dollars für seinen Besitz bekommen. Dad und ich, wir haben uns gestritten. Er hat mir nicht geglaubt, daß ich Duane verraten habe, weil ich seine Absichten erkannte. Duane hätte mich weggeworfen wie ein gebrauchtes Handtuch – er konnte mich nicht täuschen.« Es dreht sich alles im Kreise! »Nun bist du wieder bei mir. Das alles war schon in einem Buch aufgeschrieben – es mußte so kommen. Die Dinge, denen ich aus dem Weg gehen wollte, sind wieder da. Ich hoffe, daß du bei mir sicher bist und daß ich dich gesund …« »Es ist anders geworden, Ester«, unterbricht Jack mit schwacher Stimme. »Yeah«, nickt sie ernst, »es ist anders geworden. Du liebst mich nicht mehr. Du hast inzwischen gespürt, daß du zu der Sun Hill gehörst. Du und Nan, ihr seid die Sun Hill. Aber ich bin jetzt an Nans Stelle an deiner Seite. Und – ich bin froh darüber. Ich habe über mich nachgedacht. Als ich dich blutend
am Boden liegen sah, erkannte ich, was in dir ist, und kann dich zum ersten Male verstehen. Du mußt deinen Weg bis zum Ende reiten. – Mach dir keine Sorgen! Ich habe deine Liebe verloren. Aber es macht mir Freude, wenn ich dir helfen darf. – Vielleicht tue ich zum ersten Mal in meinem Leben etwas Vernünftiges.« Sie macht mit ihren schlanken, ausdrucksvollen und sehr wohlgeformten Händen eine endgültige Bewegung. Sein Atem geht schwer. In seinen Augen leuchtet ein wenig Verzweiflung. »Ester – Zieh mir meine Stiefel wieder an – und hilf mir auf die Beine! Bring mich auf die Gasse hinaus und mache fest deine Tür hinter dir zu. – Du mußt wissen, ich liebe jetzt Nan Fletsher mehr als die Sun Hill! Wenn sie es gewollt hätte, hätte ich alles aufgegeben und …« »Was sagte sie?« »Ich solle Jack Starlight bleiben – wenn ich aufgeben würde, wäre ich nicht mehr Jack Starlight.« Er sagt es schwer. Ester Brown nickt langsam. »Nan liebt dich wirklich. Und weil sie dich liebt, Jack, versteht sie dich. Ich verstehe dich jetzt auch – aber es ist zu spät.« »Hilf – mir – auf, Mädel«, keucht Jack und will sich aufrichten. Sie drückt ihn auf die Kissen zurück. Sie braucht nicht viel Kraft dabei anzuwenden. »Du bleibst. Um diese Gunst bitte ich dich!« Sie bettet ihn bequemer. Er schließt die Augen und schläft vor Erschöpfung ein. * Als Jack Starlight erwacht, fühlt er sich matt und krank. Die � Fenstervorhänge sind zugezogen. Aber er erkennt, daß draußen �
Tag ist. Seine Schulter schmerzt nicht besonders. Er spürt nur ein fortwährendes Ziehen darin und begreift, daß sich die Wunden geschlossen haben. Müde hebt er die Hand und wischt sich über das Gesicht. Er erzeugt mit seiner harten Handfläche ein kratzendes Geräusch. Der Bart muß gewiß schon drei Tage alt sein. Auf seiner Stirn stehen Schweißtropfen, erzeugt durch die sonst so lächerlich geringe Anstrengung einer einzigen Handbewegung. Er versucht sich aufzurichten, fällt aber sofort seufzend zurück und gibt es auf. Nun ist sein ganzer Körper mit Schweiß bedeckt. Die Tür geht auf, und Ester kommt herein. Sie bleibt neben ihm stehen und sieht eine Weile stumm in sein Gesicht. »Du bist über den Berg, Jack«, sagt sie dann sanft und setzt sich auf die Bettkante. »Wie lange liege ich hier?« fragt er schwach. »Drei Tage, Jack. – Sie haben die ganze Stadt nach dir abgesucht. Sie waren auch in meinem Laden. Lee Stone war dabei. Er kam in das Schlafzimmer, sah dich liegen und ging wieder hinaus, bevor ein anderer hereinkommen konnte. Er sagte ihnen, daß du nicht im Zimmer wärst. Sie glaubten ihm. Selbst die Reiter der Yellow Rock haben eine gewisse Scheu davor, das Schlafzimmer eines Mädchens zu betreten, um das ihr Boß einmal geworben hat.« Sie macht eine Pause, und Jack murmelt: »Ich habe immer gewußt, daß Stone im Grunde in Ordnung ist.« Sie nickt stumm und nimmt dann seine Hand. »Es gibt keine Sun Hill mehr«, sagt sie dann hart. Er zuckt zusammen. »Bleib ruhig liegen, Jack. – Ich habe zwar keine genauen Nachrichten, aber ich weiß, daß Sloan Duane gestern deine Mannschaft zum Teufel gejagt hat. Deinen Boys ist es aber irgendwie gelungen, vorher Nan, die Verwundeten und das
schwarze Paar in einen Wagen zu setzen und wegzuschicken. Budd Wyoming liegt schwerverletzt bei einem Siedler in der Scheune. Montana Charly ist – tot. Pat Rockman soll wie der Teufel gekämpft haben. Er soll mit Joe Benson, der verwundet war, entkommen sein. Sloan Duane hat zwanzigtausend Rinder auf eure Weide getrieben. Nun ist er dabei, die Siedler und Drei-Kühe-Rancher aus den Bergfalten und Seitentälern zu verjagen. Aber seine besten Reiter suchen immer noch nach dir. Lee Stone sagte mir, daß vier Mann noch in Best Chance lauern. Er hoffte, daß er dir morgen eine Nachricht über Nan geben kann, er vermutet, daß sie zu Hip Troup gefahren ist. Troup war ja ein alter Freund von Al Fletsher und …« »Ja«, ächzt Jack, »nur Troup kann ihre letzte Zuflucht geworden sein, nachdem ich sie nicht mehr beschützen konnte, weil ich wie ein Dummkopf in eine Falle gestolpert bin. Aber bei Troup ist sie sicher. Troup kennt viele Verstecke. Sein Wintercamp hat noch niemand gefunden. Er ist der beste Jäger, den ich je gesehen habe. Wenn sie nur zu ihm gefunden haben. Ich denke aber, daß Alabaster Rauchsignale gesehen hat. Nan dürfte bis zum Frühling in Sicherheit sein. – Aber die Sun Hill hat keine Mannschaft mehr.« »Du wirst bald wieder reiten können«, sagt Ester fest. »Was wirst du dann tun, Jack?« »Reiten, Ester, reiten! Ständig in Bewegung bleiben, immer wachsam sein und Sloan Duane die Hölle heiß machen!« Seine Augen glühen und leuchten. Die Haut spannt sich auf den Backenknochen. Seine Nasenflügel vibrieren. Sie sieht ihn aufmerksam an. »Dann wirst du bald nicht mehr allein reiten. Es gibt ein paar Männer im County, die nur auf dein Auftauchen warten und dann mit dir gegen Duane reiten werden. Wenn du deinen nächsten Schlag gegen Duane glücklich landest und den Leuten im County zeigst, daß du noch der alte Jack Starlight bist, findest du bald mehr Freunde, als du glaubst. Duane hat sich
viele zu Feinden gemacht.« »Ja, Ester. – Aber vorläufig liege ich hier. Und wenn ich Glück habe, reite ich erst einmal einige Zeit ganz allein gegen die Yellow Rock.« »Duane denkt, nur einer reitet noch für die Sun Hill«, sagt Ester. »Doch du wirst nicht lange allein sein. Denke an Lee Stone! Von Dan Sutter habe ich übrigens gehört, daß er entkommen ist. Es gibt noch mehr von seiner und Stones Sorte. – Jetzt will ich dir Hühnerbrühe bringen!« Sie eilt schnell aus dem Raum. Wenig später füttert sie Jack. Als er erschöpft seine Augen schließt, murmelt er leise: »Du bist in Ordnung, Ester.« »Ich bin glücklich«, erwidert sie sanft, »denn ich tue zum ersten Mal in meinem Leben etwas ohne Berechnung und ganz selbstlos.« Er hört es nicht mehr, denn der Schlaf überfiel ihn jäh und riß ihn in eine traumlose Dunkelheit. Sie erhebt sich langsam. Der Löffel klappert etwas in der Schüssel. Dann fällt die Schüssel zu Boden, denn Ester erschrickt furchtbar. Ein Mann steht vor der offenen Tür. Er muß alles beobachtet haben. Ester stürzt vorwärts, drängt den Mann aus der Tür und zieht sie hinter sich zu. »Warum kommst du durch die Hintertür in mein Haus geschlichen, Vater?« zürnt sie hart und kalt. Ihre Augen funkeln voller Zorn. »Du bist meine Tochter«, brummt Buck Brown. »Ein Vater hat das Recht, seine Tochter zu besuchen. Die Vordertür war zugeriegelt. Ich dachte, du wärst im Hof. Deshalb ging ich um das Haus und fand die Hintertür offen.« »Was willst du von mir, Vater? Du hast mich von deiner Ranch gejagt!«
»Mit Recht! Du hast mit Starlight, mit Duane und auch mit mir ein doppeltes Spiel getrieben. Du treibst immer ein Doppelspiel. Vielleicht jetzt schon wieder!« »Was verstehst du schon davon, Vater. Duane hätte dir so oder so die Ranch weggenommen. Nun habe ich wenigstens das Vergnügen, ihn auslachen zu können. Ich bin falsche Wege gegangen. Nun ist es anders! Was willst du?« Er sieht sie mit flackernden Augen an. »Gestern habe ich für einen lumpigen Preis verkauft«, erklärt er bitter. »Ich war froh, daß mir Duane überhaupt etwas gab. – Ich wollte dich noch einmal sehen, bevor ich dieses Land verlasse. Wir haben gestritten, Tochter, aber mir ist eingefallen, daß du schon immer etwas schwierig warst. Ich weiß nicht, warum du dich damals von Duane abgewendet und Jack Starlight deine Gunst geschenkt hast. Ich weiß auch nicht, warum du dann Starlight aufgabst und wieder auf Duane setzen wolltest. Ich konnte das alles nicht begreifen, aber ich war froh, als wir mit Duane wieder warm wurden. Ich hoffte, daß er noch mein Schwiegersohn werden würde. – Und dann hast du ihn wieder verraten. – Du bist eine Närrin! Da drinnen liegt Starlight, den fünfzig Reiter suchen. Vielleicht kann ich meine Ranch zurückbekommen!« Er wendet sich und will gehen. »Bleib!« ruft sie schrill und tritt dicht vor ihn. »Es ist hoffnungslos, dir etwas zu erklären. Es muß dir genügen, wenn ich dir noch einmal sage, daß mich Duane demütigen wollte. Als ich ihm wegen Jack Starlight einen Korb gab, begann er Jack und mich zu hassen. Als ich Närrin ihm wieder eine Chance geben wollte, war nur Haß in ihm. Er spielte mit mir, weil er über uns an Starlight und die Sun Hill herankommen wollte. Wäre es ihm gelungen, den Creek umzuleiten, so hätte er auf legalere Weise sein Ziel erreicht. – Wenn du jemandem erzählst, daß Jack verwundet in meinem Zimmer liegt, werden Jack Starlights Freunde dich zu finden wissen. – Oh, er hat
noch viele Freunde im Lande. Hüte dich, Vater! Es tut mir leid, daß ich dir keine gute Tochter war. Ich wünsche dir Glück, Vater. Aber ich warne dich! Halte dich aus diesem Spiel heraus! Vielleicht kannst du eines Tages doch wieder deine alte Ranch übernehmen. Es ist durchaus nicht sicher, daß Sloan Duane noch lange lebt.« Der Alte sieht auf den Boden und läßt ihre Worte in sich einsickern. Sein schwerfälliger Gedankengang verarbeitet mühsam die Dinge. Endlich sieht er auf. »Pah! Jack Starlight ist kein Wundermann! Er liegt krank in deinem Bett. Er wird erst eine Gefahr für Duane, wenn er wieder reitet. Ich werde mir die Sache überlegen. Vielleicht schließe ich mit Duane einen für mich vorteilhaften Handel ab. Warum soll ich nicht auch einmal jemanden verraten?« Schnell wendet er sich und zieht die Tür hinter sich zu. Ester überlegt einige Sekunden. Dann riegelt sie die Hintertür ab, nimmt einen Einkaufskorb und verläßt ihr kleines Haus durch die Vordertür, die sie sorgfältig abschließt. An der Ecke der Hauptstraße stehen zwei Cowboys der Yellow Rock. Sie sehen aufmerksam ihrem Vater nach, der müde zum Saloon schlürft. Als sie an den beiden Männern vorbeigeht, schnalzt der eine anerkennend mit der Zunge. Sie überquert die staubige Fahrbahn und tritt in den Store. Durch einen Seitenblick überzeugt sie sich vorher, daß Sheriff Stone sie durch das Fenster seines Office gesehen hatte. Lange sucht sie allein in den Kästen herum, in denen der Storehalter Garne und Knöpfe ausliegen hat. Sie sieht nicht auf, als Stone in den Store tritt und Plattentabak verlangt. Stones Blick trifft sie rein zufällig. »Hallo, Miß Ester! Wie geht das Geschäft!« »Danke, Sheriff! Die alte Mabel hatte noch viele Aufträge vorliegen. Ich hoffe nur, daß ihre alten Kunden mit mir zufrieden sind.«
Dann reicht sie dem Storehalter einige Münzen für die ausgewählten Dinge und geht aus dem Store. Der Sheriff schlendert neben ihr her. »Achten Sie auf meinen Vater. Er weiß, daß Jack bei mir ist. Er wird aber noch ein paar Stunden überlegen, bis er sich zu einem Entschluß durchgerungen hat.« Dann geht sie schnell zu ihrem Haus. Stone bleibt noch eine Weile vor dem Store stehen und versucht den gekauften Plattentabak. Kauend geht er über die Fahrbahn, bleibt dann eine Weile vor seinem Office in der Sonne stehen und schlendert endlich langsam zum Saloon hinüber. Die beiden Yellow-Reiter an der Ecke beobachten ihn mit lässiger Gleichgültigkeit. * Es ist Nacht geworden. Jack Starlight schläft immer noch. Sein Atem ist ruhiger und tiefer geworden. Auf seinem hager gewordenen Gesicht liegt eine leichte Röte. Ester betrachtet ihn nachdenklich. In diesem Moment klopft es leise an die Hintertür. Sie schrickt wie aus einem Traum auf. Ihr Blick zuckt durch das Zimmer. Dann rüttelt sie Jack an der gesunden Schulter. Er öffnet sofort die Augen und ist hellwach. »Ester.« Sie wendet sich ab, holt Jacks Revolver und reicht ihn Jack hin. Nun wird Jack noch wachsamer. Es klopft wieder an der Hintertür. Jack hört es. Er sieht fragend auf das Mädchen. Ester hebt unschlüssig ihre schmalen Schultern. Sie zögert. Die Unruhe in ihren Augen wird deutlicher.
»Ich weiß es nicht«, murmelt sie, »aber am Nachmittag hat mein Vater dich gesehen. Es ist möglich, daß …« Sie verstummt. Sie braucht auch nichts mehr zu sagen, denn in ihren Augen liest Jack all ihre Sorgen. Er verbirgt den Colt unter der Bettdecke. »In Ordnung – sieh nach, Mädel«, murmelt er. Sie geht. Als sie die Hintertür erreicht, klopft es wieder. »Yeah?« fragt sie verhalten und preßt ihr Ohr gegen das Holz der Tür. Sie seufzt befreit, als sie Lee Stones Stimme erkennt. »Machen Sie auf, Ester – schnell!« Sie öffnet, und Lee Stones sehniger Körper drängt sich durch den Türspalt. Sie riegelt hinter ihm ab und folgt ihm. Stone hebt leicht die Hand, als er an Jacks Bett tritt. Er lächelt seltsam. »Wie stark fühlst du dich, Starlight?« fragt er. »Du mußt in wenigen Minuten reiten. Sloan Duane ist in die Stadt gekommen. Buck Brown hat den Saloon verlassen und ist zum Hotel gegangen. Er ist betrunken und sagte zu Coly, daß er Duane sprechen wollte. – Vielleicht spricht er jetzt schon mit ihm, obwohl ihn Coly nicht so betrunken zu Duane lassen wollte.« Lee Stones Blick wandert zwischen Jack und Ester hin und her. Ester wendet sich schnell, eilt aus dem Raum und kommt nach wenigen Sekunden mit den Kleidungsstücken zurück, die der Sheriff für sie schon vor zwei Tagen im Store gekauft hat. Mit den Worten: »Ich packe Proviant und Decken in ein Bündel«, verschwindet sie wieder. Stone reißt das Bettzeug weg. »Mager und dünn geworden, Jack. Los!« Er hilft ihm in die Hose, dann auf die Beine und hält ihn aufrecht. Jack schwankt etwas und setzt sich schnell auf die Bettkante. Als er den Arm heben muß, um das Hemd
überzustreifen, stöhnt er leicht. Stone zieht ihm die Stiefel an. Ester kommt mit einem Bündel und einer dicken Jacke, die groß und bequem ist. Jack schnallt eigenhändig den Waffengurt um. Sie helfen ihm in die Jacke. »Ich habe sie für dich genäht, Jack! Viel Glück! Sei gut, Jack!« Die letzten Worte schluchzt sie leicht. Er hat seinen gesunden Arm um Stones Nacken gelegt und sieht sie seltsam an. Sie erkennt am Ausdruck seiner Augen, daß er nach Worten sucht. »Grüße Nan von mir, Jack! Ich wünsche euch beiden Glück! Es ist schon so in Ordnung! Glück auf deiner Fährte!« Sie wendet sich schnell ab und eilt zur Hintertür, öffnet diese lautlos und huscht hinaus. In der Umgebung ist alles ruhig. Aber von der Hauptstraße her, dort, wo sich das Hotel befindet, erklingt ein scharfer Ruf. »Yellow Rock!« Jemand ruft die im Ort befindlichen Reiter der Yellow Rock Ranch zusammen. Im selben Moment kommen Jack und Lee Stone durch die Tür. Stone stützt Jack, der sich mit dem gesunden Arm an ihm festhält, und trägt auch das Bündel. Sie stolpern an Ester vorbei und verschwinden in der Dunkelheit. Sie eilt ins Haus zurück und ordnet das Bett. Dabei lauscht sie. Schritte klingen in der Gasse. Auch im Hof scheint sich etwas zu regen. Sie lächelt triumphierend und atmet tief und befreit. Die Yellow Rock ist eine Minute zu spät gekommen. Als es an der Haustür klopft, wartet sie eine ganze Weile und öffnet dann. Sloan Duane stößt sie hart zur Seite und drängt sich an ihr vorbei. Er hält einen schußbereiten Colt in der Hand. Hinter ihm tauchen drei Reiter auf. Da beginnt sie leise und voller Triumph zu lachen.
Indessen hilft Stone dem Vormann am Rand eines Maisfeldes in den Sattel. Der Hof von Esters Haus ist nur fünfzig Meter entfernt. Jack hält sich am Sattelhorn fest und wartet, bis Stone das Bündel hinter dem Sattel festgeschnallt hat. Sie hören beide die bedeutsamen Geräusche. »Fertig, Jack. – Es hat gerade noch geklappt. Sie sind nur eine Minute zu spät gekommen – aber doch zu spät. Viel Glück, Jack! Das Pferd ist ausdauernd und wird erst nach zehn Meilen richtig warm. – Wenn du die ersten Tage durchhältst, wirst du bald nicht mehr allein reiten. Auch ich werde bald bei dir sein, denn Duane wird mich jetzt endgültig aus der Stadt jagen. Well, reite, Jack! Du kennst das Land besser als ich!« Er klatscht dem Pferd leicht auf die Hinterhand. * Nur einer reitet noch! Jack Starlight! Nur einer der Sun-Hill-Mannschaft reitet noch für die Sun Hill. Es ist der Vormann selbst. Alles andere ist vernichtet, verjagt und geflüchtet. Ein verwundeter Mann reitet noch. Einer, der sich kaum im Sattel halten kann und dessen kaum verharschte Wunde bei jedem Schritt des Pferdes sticht und brennt. Gegen Anbruch des Tages, als er sich kaum noch im Sattel halten kann und die Narben seiner kaum verheilten Wunden wie die Hölle brennen, erreicht er eine tiefe Hügelfalte. Vorsichtig sucht sich sein Pferd einen Weg durch die mächtigen Föhrenstämme und bleibt schließlich vor einer fünfzig Fuß hohen Felswand stehen. Im ersten Grau des Tages entdeckt er eine bauchige Aushöhlung in der Felswand. Erschöpft rutscht er aus dem Sattel, löst den Bauchgurt und läßt den Sattel auf den Boden krachen. Das Pferd schnaubt
etwas nervös, denn ein aufprallender Steigbügel trifft es ziemlich schmerzhaft am Gelenk. Jack bückt sich langsam, nimmt das Lasso und verknotet ein Ende mit den Zügeln. Das andere Lassoende schlingt er um eine Birke. Nun ist er ziemlich sicher, daß ihm das Pferd nicht weglaufen wird. Mit letzter Kraft taumelt er zum Sattel zurück, schleift ihn durch die Büsche in die Felshöhlung, löst das Deckenbündel, deckt sich zu und ist auch schon eingeschlafen. Nichts kann ihn wecken. Als er erwacht, seine Gedanken sammelt und einen klaren Kopf bekommt, ist es bereits wieder dunkel. Er hat von der Morgendämmerung bis zum Nachtanbruch traumlos geschlafen. Vorsichtig richtet er sich auf. Ein rasender Hunger wühlt und beißt in seinem Leib. Er stillt ihn vorerst an kaltem Proviant und entfacht zwischendurch ein kleines Feuer. Ester hat an alles gedacht. In einer Flasche findet er Wasser. In einem kleinen Topf kocht er sich Kaffee und fühlt sich bald merklich kräftiger. Genußvoll raucht er eine Zigarette, erhebt sich dann und sieht nach seinem Pferd. Er ist heute sicherer auf den Beinen. Der braune Wallach hat alle Büsche und sogar die kleinen Baumschößlinge kahlgefressen und zerrupft. Jack sieht es, als er nacheinander einige Zündhölzer anreißt. Er bindet die lange Leine an einem anderen Ort fest und geht wieder zu seinem Lager zurück. Das kleine Feuer glüht nur noch. Langsam tritt er es aus und rollt sich wieder in die Decken. Schlaf ist für ihn die beste Medizin. Als er sich am anderen Morgen ein warmes Frühstück bereitet, geht es ihm schon sehr gut. In der Nähe findet er für sich und das Pferd eine dünne Wasserader. Im Halbschlaf liegt er den ganzen Tag in der warmen Herbstsonne. Erst am späten Mittag bereitet er sich wieder ein kräftiges Essen.
Als er beim letzten Tageslicht das Pferd sattelt, kann er schon ziemlich mühelos den schweren Sattel heben und ihn auf das Tier legen. Langsam und vorsichtig reitet er weiter durch die Hügel. Endlich sieht er die Lichter der Yellow Rock Ranch vor sich auftauchen. Sie liegt am Fuß eines Hügels, auf dem ein gewaltiger, gelblich schimmernder Felsen steht. Starlight will in der Nähe der Ranch warten, bis ihm ein Cowboy in den Weg läuft. Den will er dann zwingen, ihm Wissenswertes über die Gegner mitzuteilen. Er steigt bei einem Corral ab. Als er seinen Fuß aus dem Steigbügel zieht, da erstarrt er, denn eine Stimme spricht zu ihm: »Hallo, Jack Starlight! – Ich will es mit dir austragen, ganz fair, von Mann zu Mann – und mit dem Colt. Ich will wieder in einen Spiegel sehen können! Und wenn du wieder besser bist als ich, so ist es in Ordnung. Du hast mich zerbrochen. So will und kann ich nicht leben. Wenn ich dich nicht töten kann – in einem ehrlichen Kampf! – So ist das Leben für mich nicht mehr lebenswert. – Dreh dich um, Starlight, und tritt zehn Schritte zur Seite!« Es ist Duff Dances Stimme. Es liegt ein trauriger und zugleich wilder und gieriger Klang darin. Jack nimmt die Hand vom Sattelhorn, wendet sich um und tritt langsam zehn Schritte zur Seite. Dabei sieht er die lange, sehnige Gestalt Duff Dances. Er kann ihn gut beobachten. Denn der Mond verbreitet genügend Helligkeit. Sie sehen sich an, lange, schweigend – zwei Männer, die sich aus sehr verschiedenen Gründen hassen. »Yeah, so wollte ich es«, ruft Dance zufrieden. »Ich allein habe mir gedacht, daß du hier auftauchen würdest …« »Well, Dance, ich bin hier! Du kannst gegen deine Krankheit nicht ankämpfen. Ich weiß, was in dir ist! Wie willst du es haben?«
Jacks Stimme klingt etwas müde. Leichter Überdruß und einsame Bitterkeit schwingen in ihr mit. Er haßt mit einem Mal allen Kampf und all die Dinge, die einem Mann immer wieder begegnen. Und doch versteht er Duff Dance so gut. »Wenn der Kojote wieder heult, dann ziehe ich meinen Colt und schieß auf dich, Jack Starlight«, sagt Duff Dance ruhig. »Und ich will's dir vorher noch sagen: Ich habe dann keinen Groll mehr gegen dich, wie es auch ausgehen mag!« »Deine Eitelkeit und dein Ehrgeiz waren immer größer als du, Dance«, murmelt Jack. »Auch ein stolzer Mann muß einsehen, daß es hin und wieder einen besseren Mann gibt. Das muß ein Mann fressen können – oder er ist ein Narr. Du bist ein Narr, aber ich kann dich trotzdem gut verstehen. All right, Dance! Ich warte!« Kaum sind seine Worte verklungen, da setzt das Geheul des Kojoten wieder ein. Duff Dance stößt einen lauten Ruf aus und schnappt nach seinem Colt. Jack Starlight beeilt sich nicht. In ihm geht eine bittere Gewißheit, die wie eine Last auf ihm liegt. Als er seine Waffe auf Duff Dance richtet, fliegt dessen erste Kugel schon dicht an seiner Schläfe vorbei. Fast widerwillig läßt Jack den Hammer zurückschnappen. Der Rückstoß wirft seinen Revolverarm hoch. Er läßt den Arm sinken, als wäre die Waffe ein Zentnergewicht. Drüben bricht Duff Dance in die Knie, fällt zur Seite und rollt auf den Rücken. Wie ein Traumwandler setzt sich Jack in Bewegung. Als er neben Dance niederkniet, sieht ihn dieser aus großen Augen an. Es liegt kein Schimmer Haß in Dances Augen. Er lächelt sogar leicht. »Jack, ich hätte dich in den Rücken schießen können, aber das – hätte – die Hölle in – mir – nur – noch …« Sein Kopf fällt zur Seite. Er behält noch im Tod das Lächeln auf den Lippen.
Jack findet schnell Dances Pferd. Er nimmt die Decken und den Sattel und bettet Duff Dance sorgfältig und bequem. »Dance«, murmelt er, »für dich ist alles vorbei. Du hast deine Ruhe. Vielleicht warst du eben doch kein Narr – und vielleicht bin ich einer – vielleicht hätte ich dir noch einen zweiten Schuß vorgeben müssen. Dann brauchte ich jetzt nicht Dinge zu tun, die mir verhaßt sind.« Langsam stapft er zu seinem Pferd, sitzt auf und reitet in die Hügel zurück. Er ist kaum außer Sicht, als einige Reiter, angelockt von den Schüssen, die Ranch erreichen. * Zwei Tage später sitzt Jack Starlight auf der flachen Kuppe eines Hügels der Black-Rock-Kette. Der Hang zu seinen Füßen fällt in drei Terrassen zu einem Felsenlabyrinth ab. Von hier oben aus gesehen wirken die Felsen wie eine riesige Elefantenherde, die sich zu einem Schläfchen niedergetan hat. Dann fällt ein weiterer Hang zu einer Senke hinab, die unter verdorrtem Buschwerk zu ersticken droht. Dahinter steigt der Boden zum braungebrannten Weideland an. Seit Stunden beobachtet Jack das Land. Ihm entgeht keine der vielen Staubspiralen, die hier und dort aufsteigen und sich nach bestimmten Richtungen hin weiterbewegen. Suchende Rudel von Yellow-Rock-Reitern. Er beobachtet auch die größeren Staubwolken, die wie schwerer Nebel über dem Boden hängen und sich nur langsam Richtung Norden bewegen. Das sind die Rinderherden, die Duanes Treibermannschaften weiter nach Norden bringen. Von seinem Standort aus kann Jack den Fork Creek und im Norden die Mündung des Big Canyons sehen. In dieses meilenweite Tor hinein läßt Duane die Herden
treiben. Sie vermischen sich schon jetzt mit den Rindern der Sun Hill und werden sich schließlich vor dem »Sonnenhügel« selbst, der den Canyon in zwei Arme teilt, ebenfalls teilen. Sie werden bis zu den oberen Tälern ziehen und dort überwintern. Im Frühjahr wird Sloan Duane die »Kleinen Leute« dort oben vertreiben und endgültig Herr des Landes sein. Jack beobachtet dies alles und denkt langsam darüber nach. Der Altweibersommer ist dieses Jahr sehr lang. Immer noch ist es tagsüber sehr warm. Der Regen fehlt. Weiße Fäden treiben mit dem Wind. Jack weiß, daß Duanes Reiter alle Wege, Pässe und Schluchten bewachen. Es wird ein langatmiges Spiel werden. Duane ist sehr sicher, daß Jack Starlight im Land bleiben wird. Es ist also nach Duanes Ansicht nur eine Frage der Zeit, bis die Rock-Reiter das Edelwild aufgespürt haben und sich die Suche in eine wilde und erbarmungslose Jagd verwandelt. Die Sonne versinkt im Westen und zaubert eine gewaltige Farbenpracht in den Himmel. Jack sattelt sein Pferd und arbeitet sich den Hang abwärts. Nun braucht er keine Sorge mehr zu haben, daß seine Staubfahne von den suchenden Reitern erspäht wird. Auf der Weide liegt bereits der erste Schatten der Nacht. Er reitet vorsichtig, langsam und hält immer wieder an, um zu lauschen. Als er einen kleinen Pfad überquert, wittert er Staub. Er hält an und hört schwachen Hufschlag, der bald verklingt. Schnell verläßt er den Weg. Ruhende Rinderrudel tauchen wie erstarrte Klippengruppen vor ihm auf. Nach einer Weile sieht er das rote Auge eines Feuers rechts von sich in einer Senke. Er schlägt sofort einen Bogen und reitet nordwärts. Bald muß er einer größeren Herde ausweichen, sieht wieder ein Feuer und hört den schwachen und abgerissenen Gesang eines Herdenwächters. Die Sterne werden klarer, der Mond kommt über die Berge.
Irgendwo singt der wilde Chor der Kojoten. Der Wind wird kälter, und die Weide verliert ihre Wärme. Als er eine Weile verhält und mit allen Sinnen in die Nacht wittert, hört er Hufschläge. Das Geräusch ist noch leise und wie ein sanftes Murmeln. Aber es schwillt allmählich an, verwandelt sich in ein anhaltendes Grollen, wird härter und klarer. Es muß eine starke Mannschaft sein. Jack wird sich über die Richtung des Trupps klar. Die Reiter werden sicherlich seine Fährte kreuzen. Er gleitet schnell aus dem Sattel und zwingt sein Pferd zu Boden. In der Mondnacht ist ein aufgesessener Reiter auch auf große Entfernung zu erkennen. Plötzlich sieht er das starke Rudel über den Kamm einer sanften Bodenwelle kommen. Er kann die Reiter sogar ziemlich genau zählen, denn sie heben sich deutlich gegen den Nachthimmel ab. Es sind elf Mann. Jack hockt neben dem liegenden Pferd und verwünscht schon jetzt die Trockenheit der Weide. Wenn der erste Mann des reitenden Rudels wachsam ist, muß er, wenn er Jacks Fährte kreuzt, dessen Staub in die Nase bekommen. Jack beobachtet aufmerksam. Als der erste Reiter die Linie der Fährte erreicht, hält Jack unwillkürlich seinen Atem an. Als der Vorreiter plötzlich sein Pferd zügelt und so unvermittelt abbremst, daß er das ganze Rudel durcheinanderbringt, weiß Jack, daß es hart wird. Er zieht die Winchester aus dem Sattelschuh und wartet noch. Die Nacht ist still. Als sich die stampfenden Pferde des Rudels beruhigen, hört Jack sogar den Klang der Männerstimmen. Die Worte sind jedoch nicht zu verstehen. Ein Reiter löst sich aus der dichten Reitertraube und reitet ein Stück in Jacks Richtung, wahrscheinlich schnüffelt er nach Staub. Als der Mann anhält und zur wartenden Rotte hinüberbrüllt:
»Staub! Staub! Jemand ist nach Norden geritten!«, kann sogar Jack die Worte verstehen. Als die Pferde des Trupps wieder anspringen und die dunklen Umrisse der Reiter schnell deutlicher werden, hebt Jack das Gewehr an die Wange und zieht durch. Er schießt in schneller Folge, zielt aber dennoch sorgfältig. Er gehört zu den wenigen Männern, die mit dem Colt und dem Gewehr gut sind. Nach dem dritten Schuß bäumt sich das Pferd des ersten Reiters auf und überschlägt sich. Die nächsten Schüsse jagt Jack in das auseinanderflüchtende Rudel hinein. Gellendes Gewieher! Gebrüll! Schüsse! Trommelnder Hufschlag. Die Horde versteht sich auf solche Dinge. Die Reiter schwärmen aus, kümmern sich nicht um die Gestürzten und bilden eine große Zange. Noch bevor Jacks Brauner richtig auf den Beinen steht, sitzt Jack im Sattel. Der Wallach knickt etwas ein, aber dann startet er prächtig. Nach einer halben Meile weiß Jack, daß er den Vorsprung zumindest halten kann. Die Pferde der Verfolger sind entweder nicht gut genug oder von der Suche ermüdet. Kugeln pfeifen um Jack, aber sie sind kaum gefährlich. Die Verfolger schießen aus den Sätteln laufender Pferde. Jack hatte im Knien geschossen und nur deshalb Erfolg gehabt. Außerdem vergrößert er langsam seinen Vorsprung. Wenn ihm niemand den Weg verlegt, hat er eine klare Chance. Sheriff Lee Stone hat nicht übertrieben: Der Braune ist ein gutes Sattelpferd, ausdauernd und willig. Jack kommt bald außer Schußweite, aber die Verfolger schießen immer noch. Es sind Signalschüsse, die sie abgeben. Irgendwo vor Jack, zwischen ihm und dem Sun Hill, der den mächtigen Canyon in zwei Arme teilt, müssen Herden, Reiter und Suchtrupps sein. Jack hält sich dicht am Ufer des ausgetrockneten Flußbettes, das nur im Frühjahr Schneewasser aus den Bergen bis zum
Rand der Wüste bringt. Das trockene Flußbett ist jetzt eine unregelmäßige und ziemlich tiefe Furche. Es kommt aus einer schmalen Schlucht des Sun Hill. Diese Schlucht möchte Jack erreichen, denn sie führt tiefer in das Bergdreieck hinein, das der Sun Hill bildet. Rinder versperren ihm plötzlich den Weg. Er muß der ruhenden und jetzt erschreckt aufspringenden Herde ausweichen, lenkt aber dann wieder zum Flußbett zurück. Felsen und Büsche tauchen auf. Der bisher glatte und ebene Boden wird unwegsamer. Aber Jack kennt hier jeden Fußbreit. Sein Hauptaugenmerk gilt den dunklen Spalten und Schluchteingängen, die geheimnisvoll und irgendwie drohend sichtbar werden. Die breite Felsschulter des Sun Hill ist in Mondlicht gebadet. Aber die tiefen Kerben, Einschnitte und Spalten sind dunkle Löcher, in denen eine Menge Unheil auf der Lauer liegen könnte. In der Flußbettschlucht blitzt es auf, immer wieder. Jack reißt sein Pferd herum. Es rutscht auf dem losen Geröll aus, fällt wiehernd auf die Seite und wirft den Reiter ab. In Jack ist die Hölle, denn er fällt auf die Schulter, deren Wundenkruste sofort aufplatzt. Er rollt sich auf die Seite, stöhnt sekundenlang keuchend seine Not heraus, tastet dann unter das Hemd und fühlt auch schon das warme Blut. Doch das verkrustete Ausschußloch auf dem Rücken ist nicht aufgeplatzt. Mit einem erleichterten Stöhnen taumelt Jack auf. Das Blut läuft zwar unter dem Hemd von der Schulter an seinen Rippen herunter, aber das macht ihm nicht sehr viele Sorgen. Das Pferd springt neben ihm auf. Und aus der nahen Schlucht kommen zwei Reiter, die wohl annehmen, sie hätten ihn aus dem Sattel geschossen und auch das Pferd getroffen. Als die beiden Reiter nun sehen, wie sich Mann und Pferd, im Mondlicht deutlich sichtbar, wieder erheben, zügeln sie ihre
Pferde. Sie wollen sicherlich aus dem Stand abermals das Feuer eröffnen. Jack reißt die Winchester aus dem Sattelschuh und schießt hinter dem Pferd stehend über den Sattel hinweg. Er trifft. Einen heiseren Laut ausstoßend, wirft er sich in den Sattel, denn seine Verfolger sind nun in Schußweite gekommen. Jacks kleiner, stämmiger und struppiger Wallach, der auf den ersten Blick für den großen Mann zu klein scheint, greift wieder aus. Sie prasseln durch das Geröll, fegen durch eine schweigsame Felsengruppe und biegen in deren Deckung nach Osten ab. Jack hat es aufgegeben, in eine der Schluchten zu flüchten. Er muß ja annehmen, daß er noch einmal in eine Falle reitet. Nun kann es für ihn schlimm werden, wenn der östliche Canyonarm ebenfalls bewacht wird. Seine Flucht führt ihn unterhalb der Terrasse entlang, auf der einst die Gebäude der Sun Hill standen. Hinter sich hört er die scharfen und heiseren Rufe der Verfolger. Auch diese haben nun die Felsengruppe hinter sich und wieder freies Schußfeld. Er hat einen kleinen Vorsprung gewonnen, wohl deshalb, weil er, da er das Gelände besser kennt, rücksichtsloser durch das Felsengewirr geritten ist. Plötzlich merkt er, daß sein Brauner unmerklich zu hinken beginnt. Es muß an der rechten Hinterhand liegen. Das Tier hat sich beim Sturz verletzt. Noch läuft es willig, aber es atmet schwerer und hinkt zunehmend stärker. Er lenkt es nach links und reitet durch das meilenweite Tor des östlichen Canyons. Er treibt den Braunen nun nicht mehr an. Seine Finger schieben neue Patronen in das Magazin der Winchesterbüchse. Die hohen und bewaldeten Hänge des Canyons werfen ihre Schatten weit bis zur Mitte der Sohle, als er um eine Biegung reitet. Grimmig lachend reißt er an den Zügeln, bringt das Pferd
zum Stehen, zieht es herum und bleibt im Sattel. Selbst im Schutz des Schattens, beobachtet er die Biegung und die Grenze des Mondlichtes. Sein Gewehr ist halb erhoben. Als die ersten Reiter auftauchen, gibt er Feuer. Obwohl er ein guter Schütze ist, ist es doch wohl reiner Zufall, daß schon sein erster Schuß ein Pferd trifft. Geschrei gellt ihm entgegen. Er schießt alle Patronen ab und achtet nicht auf die Geschosse, die neben ihm einschlagen. Seine Gegner sind abgebogen und wieder hinter der Biegung verschwunden. Auch für die wilde Meute der Yellow Rock ist es zu hart, im hellen Mondlicht gegen einen Mann zu reiten, der sich selbst im Schatten befindet und unerbittlich sein Gewehr gebraucht. Jack Starlight weiß natürlich, daß er sich nicht lange halten kann. Sie werden zu Fuß angreifen und die Bäume des Hanges als Deckung benutzen. Wenn er diesem Kampf ausweicht und die Flucht fortsetzt, werden sie ihm zu Pferd folgen. Er wird sich darüber klar, daß er dieses Rudel nicht mehr von seiner Fährte bekommt. Sie sind zu dicht herangekommen. Er lädt noch einmal sein Gewehr auf und feuert einige Kugeln gegen die Felsenecke der Biegung. Dann reitet er langsam weiter und hofft, daß er wenigstens einen Vorsprung von einer einzigen Minute gewinnen wird. In der Ferne grollt starker Donner. Jack stößt einen überraschten Laut aus. Sollte ein spätes Gewitter losbrechen? Als er den Kopf zurücklegt und nach den Sternen sieht, erblickt er tiefhängende Wolken, die von Nordosten her wie brodelnder Rauch ihm entgegenziehen. Ein stoßartiger Wind kommt vom Paß herunter, fegt gewiß in gewaltigen Böen und Kreisen durch das obere Tal und stößt endlich in den Canyon, wo ihn Jack so heftig spürt, daß er sich die Windschnur des Hutes fester unter dem Kinn verknotet. Jack denkt nun nicht mehr an seine Verfolger. Er beobachtet
aufmerksam das Gewitter. Noch fällt nicht ein einziger Tropfen, obwohl die Wolkenwand schon über ihn hinweggezogen ist. Er kann nun kaum seine Hand vor den Augen sehen. Da zuckt ein gleißender, blendender Blitz in den Keil des Canyons. Jack schwingt sich aus dem Sattel. Seine suchenden Hände finden trockenes Bunchgras, Gestrüpp. Er rafft es schnell zusammen und schlingt die Schlinge seines Lassos um das große Bündel. Es flammt sofort auf, als er ein Zündholz daran hält. Mit einem Satz sitzt er im Sattel und reitet an. An der Lassoleine, deren Ende am Sattelhorn befestigt ist, zieht er das brennende Bündel quer durch den Canyon. Nun bekämpft er die Yellow Rock mit Feuer. Er hinterläßt auf dem trockenen Gras einen feurigen Streifen, in den der scharfe Wind bläst. Das Feuer fliegt südwärts wie der Schatten einer segelnden Wolke. Es wird hell. Jack ist für jeden Feind gut erkennbar. Schüsse krachen. Er hört auch das wilde Geheul seiner Verfolger, die langsam nachgekommen waren und die nun dem Feuer ausweichen müssen. Rechts von Jack tauchen ein paar Reiter auf. Sie sind auf gleicher Höhe mit ihm und wollen durchbrechen, bevor die ganze Sohle des Canyons brennt. Er gibt dem hinkenden Braunen die Sporen und zieht den Colt. Als er schießt, erwidern die Reiter das Feuer. Sein Pferd stürzt getroffen, aber er kommt gut aus dem Sattel und verliert nicht einmal seinen Colt. Kniend schießt er, treibt die Reiter zurück. Sie flüchten auf den Hang zu. Er kümmert sich nicht mehr um sie. Sein Pferd ist tot. Diese Erkenntnis trifft ihn schwer. Er wirft einen kurzen Blick nach Süden. Das Feuer hat sich nun über die ganze Canyonbreite verteilt und wird vom Wind weitergetrieben – gejagt. Schon fressen die ersten Flammen an
den Bäumen der Hänge. Jack nimmt sein Gewehr und löst sein Bündel vom Pferd. Im selben Moment bricht der Regen hernieder. Der keuchende Mann stößt einen Jubelruf aus, obwohl er in wenigen Sekunden bis auf die Haut durchnäßt ist. Sein Feuer wird kein großer Waldbrand werden. Selbst die Weide wird nur wenige Meilen im Canyon abbrennen. Der Wolkenbruch löscht selbst dieses mächtige Feuer und macht die trockene Weide so naß, daß die Flammen einfach keine Nahrung mehr finden. Es war ein großes Risiko. Der Himmel öffnete rechtzeitig seine Schleusen. Der Wald auf den Hängen konnte noch nicht richtig Feuer fangen. Aber all die Rauchwolken, der Brandgeruch und die feinen Ascheteilchen, die werden noch vor dem Regen die Herde erreichen. Der Wind wird den Leitstieren die alarmierende Witterung in die Nase blasen. Sämtliche Rinder, die der Sun Hill und die der Yellow Rock, sind jetzt gewiß schon in wilder Flucht. Sie werden bis zur Wüste rasen. Wochen wird die Yellow-Rock-Mannschaft brauchen, bis sie die Herden wieder auf dieser Weide hat. Jack Starlight hat mehr erreicht, als eine große Mannschaft hätte schaffen können. Er hat vorübergehend die Weide geräumt und der Yellow Rock eine Menge Arbeit aufgegeben. Der Boden verwandelt sich unter seinen Füßen in einen Morast. Manchmal muß er regelrecht nach Luft schnappen. Einmal fällt er hin. Taumelnd arbeitet er sich mit dem Gepäck auf den östlichen Hang zu. Erklettern kann er ihn nicht, denn ganze Bäche kommen herunter. Im Aufzucken eines Blitzes erkennt er vor sich die Wurzeln eines gestürzten Baumes. Sie sind fast wie eine Höhle, wie die Finger einer geöffneten Hand. Er kriecht tief hinein und findet Schutz. Und das mächtige Gewitter tobt sich aus. Bald spürt, hört und sieht Jack Starlight nichts mehr. In
kauernder Haltung versinkt er in einen Halbschlaf. Als der Morgen graut, ist der Himmel wieder klar. Es ist kalt. Seine Zähne klappern hörbar, als er sich bewegt. Sein ganzer Körper ist steif. Die kalte Nässe hat die Glieder fast gefühllos gemacht. Unbeholfen kriecht er aus der Höhle des Wurzelwerkes. Seine steifen Finger tasten unter das Hemd. Er seufzt zufrieden, denn die Blutung der aufgeplatzten Wunde ist längst gestillt. Er streift die nasse Jacke ab und bewegt sich lange genug, um etwas von der Steifheit zu verlieren. Den Sattel läßt er liegen, nimmt nur das Bündel und das Gewehr und beginnt den Aufstieg. Die Kletterei ist mühsam. Er wird dabei richtig warm. Langsam arbeitet er sich höher. Anfangs waren die Bäume und Schößlinge halb angesengt und angekohlt. Der Wolkenbruch kam wirklich in allerletzter Sekunde. Wenn der Bergwald richtig in Brand geraten wäre und wie die Hölle gebrannt hätte, würde wahrscheinlich auch der Wolkenbruch nicht viel genützt haben. Manchmal verschnauft er. Dann denkt er immer wieder darüber nach, wie die Sache wohl weitergehen wird. »Es läuft seinen Weg, kommt auf mich zu, und ich werde es schlucken«, murmelt er einmal. Als er den Kamm erreicht, begrüßt ihn die Sonne. Er steht auf einem Plateau. Felsen, Bäume, Büsche, Furchen, Löcher, Spalten. Weiter im Osten steigen neue Berge an, deren Basis dieses Plateau bildet. Vor ihm liegt eine große Föhre. Sie ist bis zur Hälfte gespalten. Lange Rindenstücke, Äste und Wurzelwerk sind in die Umgebung verstreut. Manche Rindenstücke sind angesengt. Ein mächtiger Blitz muß diesen Baumriesen gefällt haben. Dahinter sind Felsen, auf denen Bäume wachsen. Im größten Felsen – er ist gewiß größer als eine mittlere Kirche – entdeckt er eine Spalte. Solch einen trockenen Ort sucht er. Langsam geht er um die gefällte Föhre herum. Als der Stamm
dünn genug ist, will er ihn überklettern. Da tauchen zwei Männer auf, die ihm ihre Colts zeigen und dabei nicht gerade freundlich grinsen. »Jetzt sind wir mit den Späßen an der Reihe«, sagt der Größere. »Du hast deine Sache verdammt gut gemacht, Starlight. Du bist schon ein harter Brocken! – Aber wir geben dir nicht 'ne Idee von einer Chance, wenn du einen Trick versuchen solltest.« Jack läßt sein Bündel fallen und setzt sich langsam auf den Baumstamm. Ruhig sieht er auf die beiden Burschen und kommt zu der Erkenntnis, daß er einen schon kennt. Der Boy gehört zu dem geschlagenen Haufen, der den Fork Creek zu Fuß verlassen mußte. »Ihr wart gestern hinter mir her, was?« fragt er ruhig. »Yeah! – Tausend Dollar hat Sloan Duane für dich ausgesetzt. Wenn wir dich lebend zu ihm bringen, gibt es eine Extraprämie. – Du Hundefloh hast gestern unsere Pferde zusammengeschossen. Dann kam das Feuer. Wir sind wie geölte Blitze in die Höhe geklettert. Na, es hat sich gelohnt. Wir wollten gerade den Abstieg beginnen, als wir dich zwischen den Bäumen heraufkommen sahen.« Der Lange verstummt und wischt sich mit dem Handrücken die Nase. Sein kleinerer Partner, der bisher ein böses Grinsen gezeigt hat, fordert mit heiserer Stimme: »Streck mal deine Patschhändchen in die Luft! Los!« Jack tut es langsam. »Steh auf!« Jack gehorcht abermals. »Du siehst ganz so aus, als hättest du dir in der nassen Nacht 'nen Heuschnupfen geholt«, lächelt er. »Ist ja auch kein Wunder«, nuschelt der Mann und nähert sich dabei Jack, um diesem die Waffe aus dem Gürtel zu ziehen. »Wirklich kein Wunder! Erst haben wir geschwitzt, und dann kam die kalte Dusche! – Aber jetzt haben wir dich!
Dafür ertrage ich selbst einen Heuschnupfen!« Dann niest er Jack ins Gesicht und verliert für diese Zehntelsekunde die Kontrolle über sich. Jacks Arme sausen herunter. Eine Hand faßt das Gelenk der Revolverfaust. Mit einem Ruck reißt er den Colt aus der Schußrichtung. Die Kugel splittert in den Baumstamm. Überdies muß der Mann noch einmal niesen. Jack stößt ihm die andere Faust unter das Kinn. Dann springt der andere gegen ihn an und schmettert ihm den Coltlauf auf den Kopf. Jack stürzt rücklings über den Stamm, wälzt sich zur Seite, will aufspringen, fühlt sich jedoch plötzlich merkwürdig schwach. Wie aus weiter Ferne hört er einen Schuß. Blaue Nebel vor seinen Augen werden rosarot. Endlich sieht er wieder klar. Auf der Seite liegend zieht er den Colt und wartet darauf, daß der Gegner auftaucht. Er hört aber nur ein Stöhnen und dann ein schmerzvolles Fluchen. Jack begreift mit schmerzendem Schädel, daß etwas Neues geschehen sein muß. Vorsichtig schiebt er seinen Kopf über den Baumstamm hinweg und hält seinen Colt bereit. Die beiden Yellow-Rock-Reiter sitzen am Boden. Der unglückliche Nieser ist dabei, Jacks Faustschlag zu verdauen. Der andere betastet sein Bein. Von den Felsen her nähert sich ein Mann, der ein Gewehr in den Händen hält. Dieser Mann ist Dan Sutter. Zufrieden setzt sich Jack abermals auf den Baumstamm und betastet seinen schmerzenden Schädel. »Hallo, Dan«, stöhnt er dabei, »es sieht ganz so aus, als wärest du mein Schutzengel. Ich muß sagen, daß ich dich immer prächtiger finde.« Er grinst schmerzvoll. Dan Sutter grinst zurück, bleibt stehen und hält den Gewehrlauf auf die beiden Rock-Cowboys gerichtet.
»Ich bin dazu verurteilt«, kichert er, »daß ich dem Vormann der Sun Hill immer wieder aus der Patsche helfe, wenn er wie eine Schlafmütze in die Falle getappt ist. – Aber es macht mir Spaß – großen Spaß!« »Wie kommst du denn hierher?« fragt Jack. »Oha«, Sutter grinst über sein ganzes Vollmondgesicht. »Oha, ich verbringe hier oben meinen Urlaub! Als ich dich aus dem Saloon holte und die Meute ein wenig aufhielt, mußte ich anschließend wie ein Mäuschen in ein Loch sausen, denn die Luft im County war ja auch für mich sehr ungesund geworden. Na, da ist das Loch!« Er wendet sich halb und deutet mit seinem runden Kinn auf die Spalte in dem großen Felsen. »Ich wollte schon immer mal so richtig Ferien machen«, fährt er fort. »Es sieht aber aus, als könnte ich mich nicht aus dem Spiel halten. Jack, wenn du einen Partner brauchst, so mache ich jetzt mit – ich habe die beiden Brüderchen schon eine ganze Weile beobachtet. – Das wär's also! Was machen wir mit ihnen?« Jack erhebt sich und nimmt den beiden Burschen die Waffen ab. Er wirft sie Dan zu. Dieser nimmt sie an sich. Dann holt Jack sein Bündel. »Ihr könnt nach Hause gehen«, sagt er zu den Gefangenen. Als er mit Dan Sutter davongeht, schallen ihnen Flüche nach. Sie kümmern sich nicht darum. In der Felsspalte ist es trocken. »Wir können ein Feuer machen. Ich bereite das Frühstück, und du trocknest deine Sachen«, sagt Dan und fügt hinzu: »Der Bruder da draußen hat noch eine ganze Weile mit dem Verwundeten zu tun. Ich mußte den Langen ins Bein schießen. Well, die brauchen mindestens einen Tag, bevor sie Verbindung mit ihrer Mannschaft haben.« Jack nickt. Bald brennt ein Feuer. Jack trocknet seine nassen Sachen. Dann kocht er ein Frühstück und späht von Zeit zu Zeit ins
Freie. Nach einer halben Stunde meldet er: »Er hat ihn verbunden und ihm einen Stock gegeben. Sie marschieren ab. Weit wird der Verwundete nicht kommen. Vielleicht geht der andere später allein weiter. Naja, wir haben noch 'ne Menge Zeit.« Jack nickt. Er sitzt nackt am Feuer. Die Hitze prallt von den Felswänden zurück. Es ist warm. Die aufgehängten Kleider trocknen schnell. Nach dem Essen rauchen sie eine Zigarette. »Ich wollte mich zwar aus der ganzen Sache heraushalten«, murmelt Dan Sutter plötzlich, »aber ich habe mich in den letzten Tagen doch überall umgesehen. – Ich weiß ungefähr, wo sich Pat Rockman verkrochen hat.« »Und das sagst du erst jetzt? – Du Vollmond! Du hast ja ein prächtiges Gemüt! Ich …« »Nur ruhig, ruhig, Jack! Wir können gleich hinreiten. Meine Susy wird uns beide tragen, denn sie ist ein stabiles Frauenzimmer.« »Wie bist du auf Pat gestoßen?« »Gar nicht! Ich habe nur einen Schuß gehört. Aus der Ferne sah ich ihn mit einer erlegten Antilope zwischen den Felsen verschwinden – im Osten. Ich folgte ihm nicht, denn ich wollte mich ja aus der Sache raushalten. Ich wette, daß er uns entdecken und sich melden wird, wenn …« »Los! Auf, Dicker! Wir reiten! – Du hattest mal ein Packpferd.« »Mußte ich in Best Chance zurücklassen«, grinst Dan. Sie sitzen auf, Jack hinter Dan, und sie reiten davon. Langsam reiten sie über das Plateau und erreichen nach einer Stunde schon die ersten Ausläufer des Gebirgsmassivs. Dan hält auf einen spitzen Keil zu, der die graue Schulter eines Felsriesens durchbricht. Felsen liegen vor dem Schluchteingang herum. Sie suchen sich einen Weg. Dan Sutter stößt einen langen und sehr gekonnten Jodler aus.
Keine Antwort. »Er steckt sicher tiefer in der Schlucht«, murmelt Dan und drängt seine Stute weiter vorwärts. Die schmale Schlucht macht einen scharfen Knick. Als sie herumreiten, jodelt Dan abermals. Sofort wird eine gewaltige Baßstimme hörbar: »Heiliger Rauch! Jack! Jack Starlight! Ich dachte, es wäre nur 'n jodelnder Idiot, der …« Pat Rockman, ein Gewehr schwingend, stürzt aus einer Felsspalte. Wie ein aufrechtgehender Bulle stampft er heran, läßt das Gewehr fallen und zerrt beide vom Pferd. Sie können sich seiner kaum erwehren. Er lacht und flucht durcheinander. Manchmal wischt er sich über sein bärtiges Gesicht. Seine Augen funkeln. Er macht den Eindruck eines Mannes, der lange Jahre auf einer einsamen Insel leben mußte und nun Besuch bekommen hat. Endlich wird er vernünftig. »Kommt«, knurrt er. Sie folgen ihm mit dem Pferd in die Spalte und erreichen nach wenigen Schritten einen kleinen Talkessel. Zwei Pferde, ein Schutzdach und ein kleines Feuer. Ein Mann kriecht unter dem Schutzdach hervor, richtet sich auf und hinkt den Besuchern entgegen. »Joe!« ruft Jack froh. »Boß! Jack Starlight! Oha, dann können wir ja bald wieder reiten!« ruft Joe. Er stottert nicht ein einziges Mal. Als er Jack die Hand schüttelt, staunt dieser: »Du stotterst ja gar nicht mehr?« Pat Rockman mischt sich ein. Er deutet auf Joes verbundenen Kopf. »Er war schon so gut wie tot, als ich ihn an diesen Ort brachte. Aber das Loch in seinem Schädel heilte schließlich doch. Auch sein Bein wurde besser. Als er zum ersten Mal zu
mir sprechen konnte, hatte er das Stottern verlernt. Vielleicht sollten sich alle Stotterer mal 'ne Bleikugel gegen den Schädel schießen lassen! – Aber jetzt erzähl mir mal, was inzwischen alles geschehen ist. Ich weiß von nichts, denn ich durfte mich ganze zehn Tage nicht von Joe wegrühren. Heute wollten wir aufbrechen und …« * Als sie die Talsohle erreichen, ist es Nacht geworden. Jack sitzt hinter Joe Benson auf dessen Pferd. Pat Rockman führt, und Dan Sutter reitet am Schluß. Vorsichtig biegen sie in eine tiefe Bergfalte ein und sehen die Lichter von John Wels' Siedlerstätte. Jack Starlight weiß von Ester Brown, daß Budd Wyoming verwundet bei John Wels Zuflucht gefunden haben soll. Als sie die kleinen Corrals erreichen, werden sie aus dem Schatten einer Baumgruppe angerufen: »He, sagt eure Losung! Wie heißt das Wort?« Sie verhalten ihre Pferde und wundern sich. Endlich ruft Jack Starlight hinüber: »Keine Losung! Kennen wir nicht! Bist du nicht der älteste Sohn des …« »Hoiii! Starlight! Jack Starlight! Hoiii!« Ein Schatten kommt aus den Bäumen gelaufen. Keuchend erreicht er die Reiter. Es ist Ben Wels. »Es ist gut, daß Sie da sind, Mister Starlight! Sheriff Stone ist gestern gekommen. Duane hat ihn aus Best Chance jagen lassen – mit Peitschenschlägen. Und …« Die Reiter treiben ihre Pferde vorwärts. Als sie in den Hof reiten, erkennen sie ein Dutzend Sattelpferde. Die Tür fliegt auf. Im Lichtschein werden einige Männer sichtbar. »Wer kommt da?«
»Jack Starlight!« ruft Pat Rockman und läßt dem Freund den Vortritt. Eine Menge Stimmen rufen und murmeln durcheinander. Jack muß viele Hände schütteln. Dann wird es still. Der Wohnraum des Siedlerhauses ist voller Männer. Jack lehnt sich neben der Tür an die Wand. Budd Wyoming, etwas bleich und einen Arm noch in der Schlinge, grinst immer noch über sein ganzes Baumrindengesicht. Die anderen sind ernst geworden. Ihre Blicke wandern zwischen dem Sheriff und Jack Starlight hin und her. Jack zieht seinen Tabaksbeutel aus der Tasche und dreht sich eine Zigarette. Seine Augen aber sind auf Stone gerichtet. Der Sheriff sieht nicht gut aus. Quer über sein Gesicht zieht sich eine aufgeplatzte Wunde, wie sie nur ein Peitschenhieb verursachen kann. Jack nickt Stone noch einmal zu. »Sloan Duane hat also das Gesetz aus dem Ort gejagt«, murmelt er. Es liegt eine grimmige Zufriedenheit in seiner Stimme. Stone hebt die Hand. »Diese Männer hier, Jack, sind die letzten Hindernisse für Duane. Er wird spätestens im Frühjahr alle aus dem Land jagen. Ich habe sie zusammengeholt. Sie sind jetzt der Meinung, daß du nicht mehr allein reiten sollst. Sie lassen dich nicht mehr allein gegen die Yellow Rock kämpfen, denn die ganze Fehde geht sie genausoviel an wie die Sun Hill. Du hast wieder eine Mannschaft, Jack Starlight! Du bist der Boß! – Wir wollten dich suchen – es ist gut, daß du gekommen bist. Nun können wir ohne großen Zeitverlust angreifen. Wir wollen es mit Duane auskämpfen. Du bist der Boß!« Lee Stone hebt noch einmal die Hand und tritt dann zurück. Jack Starlight nickt langsam. Schweigend sieht er sich die Männer an. Pat Rockman steht auf der anderen Seite neben der Tür.
Neben Benson stehen die drei Daniels hinter ihrem Vater, der auf einem Stuhl sitzt. Die Daniels sind Siedler aus den Two Valleys. Die wären die letzten Leute gewesen, die Duane hätte aus dem Lande jagen müssen. Neben den Daniels stehen Ted Brand und dessen zwei Söhne. Ted Brand hält ruhig Jack Starlights Blick stand, aber seine Augen fragen dennoch. Jack versteht die stumme Frage. »All right, Brand«, murmelt er. John Wels und sein jüngster Sohn stehen am Ofen. Dann folgen in der langen Reihe längs der Wände die drei Brüder Keith. Es sind Wildpferdejäger, die in einer kleinen Bergfalte ihre kleine Pferderanch haben. Lee Stone, zwei oder drei Siedler und Dan Sutter beschließen die Runde. »Ihr seht wirklich so aus, als ob ihr endlich kämpfen wollt«, murmelt Jack bitter. Auf dem Hof klingen Hufschläge. Wels tritt in die Tür. »Hip Troup mit seinen beiden Indianern und – Alabaster«, meldet er. Als er zur Seite tritt, kommt der alte Jäger herein. Seine scharfen Augen fliegen in der Runde und bleiben an Jack hängen. Er reicht ihm als einzigen die Hand. »Nan ist bei mir. Sie ist in Sorge um dich. Sarah und zwei meiner Indianerboys sind bei ihr. Wenn du uns mit Glück führst, Jack, braucht sie nicht bei mir in den Bergen zu überwintern. Mach's kurz und schmerzlos, Jack! Es muß sein!« Er verstummt, sieht aber noch immer fest in Jacks Augen. Der macht einen tiefen Atemzug und drückt sich von der Wand ab. Alle sehen jetzt auf ihn. Alle wollen, daß er sie führt. Sogar der alte, erfahrene und kluge Jäger will es. Aber sie alle bürden ihm eine schwere Verantwortung auf. Wenn er einen Fehler begeht, führt er sie ins Verderben. Er muß ein guter Führer sein. Zugleich begreift er aber auch, daß es schon seit langer Zeit
feststand, daß er einmal eine Mannschaft gegen Sloan Duane führen würde. Das ganze Land hat darauf gewartet, daß Sloan Duane und er, Jack Starlight, aneinandergeraten würden. Nun ist es geschehen. Entweder muß er jetzt aufgeben – oder muß die Mannschaft führen. »Well«, sagt er ruhig, »wir reiten in einer halben Stunde.« * Seit drei Tagen verspürt Sloan Duane nur noch einen einzigen Wunsch: Er möchte Jack Starlight töten. Dieser Wunsch ist in Sloan Duane so mächtig, daß er dafür seine Seele dem Teufel verschreiben würde. Immer wieder fragt sich Duane, wie es denn nur möglich ist, daß Jack Starlight seinen suchenden Reitern entgehen konnte. Er erstickt fast an seiner wilden Wut, wenn er daran denkt, daß Ester Brown Jack Starlight verborgen und wieder gesund gepflegt hatte, daß Starlight entkommen konnte und dann hart und unerbittlich zurückschlug. Er konnte sogar die Herden in Panik versetzen. Bis in die Wüste hinein liefen die Rinder in ihrer Stampede. Sloan Duane mußte den größten Teil seiner Mannschaft zu den Herden schicken. Am meisten ärgert es ihn, daß sich seine Rinder mit dem Sun-Hill-Vieh vermischt haben. Er kann die Tiere nicht aussortieren. Das würde Wochen in Anspruch nehmen. Er muß also auch das fremde Vieh zurücktreiben lassen. Sloan Duanes Hauptquartier befindet sich nun auf der zentral gelegenen kleinen Fork Ranch. Er läuft wie ein grimmiger Tiger auf der Veranda hin und her. Sein rotwangiges Gesicht ist schmaler geworden. Rötliche Bartstoppeln bedecken Hals und Kinn. Die Oberlippe und die Wangen sind so glatt wie die eines Kindes. Seine Augen sind fleckig geworden, glühen
ständig und drücken die innere Erregung des Mannes aus. Seine Kleidung ist noch vernachlässigter als sonst. Man erkennt nur an seiner Haltung, daß er der Boß ist. Er stößt die Fäuste in die Hosentasche und bleibt vor Buck Brown stehen, der wie ein Häufchen Unglück in einem Schaukelstuhl neben der Tür sitzt. »Du Narr, du alter, schwachsinniger Narr«, sagt er leise zu Brown. Man hört es an der Stimme, daß Duane sich mit aller Energie dazu zwingt, leise und ruhig zu sprechen. Und doch kann er den bösen, bitteren und haßvollen Unterton nicht vermeiden. »Du alter Narr«, wiederholt er nochmals. »Du hast es mir zu spät gesagt – du hast es einige Stunden früher gewußt. Ich wette, daß Lee Stone ihn aus der Stadt geschafft hat. Das konnte er erst nach Anbruch der Dunkelheit tun. Ich sollte dich von dieser Ranch jagen!« »Es war meine Ranch«, erwidert Buck Brown heiser und zieht sich zusammen. Alt, klein, häßlich, angstvoll, so sitzt er im Schaukelstuhl. »Yeah, es war deine Ranch, Brown!« »Ich kann jetzt nicht reiten, Duane – jetzt nicht mehr! Man weiß überall, daß ich Jack Starlight verraten habe. Ich komme nicht mehr lebendig aus diesem Land. Ich habe Angst, Duane, denn ich bin ein alter Mann. Jack Starlight hat mehr Freunde, als du denkst, Duane. Ich habe Angst! Mit einem Verräter macht man nicht viel Umstände. Ich komme nicht lebendig aus diesem Land …« Buck Brown plappert immer wieder dieselben Worte. Seine Gedanken drehen sich dauernd im Kreis. Sloan Duanes Hand zuckt durch die Luft. »Du Wicht! Starlights Schatten ist kleiner als der einer Maus! Selbst die Tatsache, daß ihm ein paar Dinge geglückt sind, ändert nichts daran, daß ich ihn bis ins schlimmste Fegefeuer jage. Und seine Freunde! – Pah, sie werden sich verkriechen
und froh sein, wenn ich sie nicht beachte. – Deine Tochter hat mich zweimal verraten. Ich werde daran denken, wenn ich mit der großen Arbeit fertig bin. – Du packst jetzt deine Siebensachen. Ein Pferd will ich dir als Draufgabe zum Kaufpreis geben. Du hast zu lange gezögert, Brown – du mußtest zu lange mit deinem Gewissen kämpfen, bevor du endlich in der Verfassung warst, daß du Jack Starlight verraten konntest. Du hast nicht einmal genügend Mut, um ein Schuft zu sein, du bist ein Wicht. Ich gebe dir eine halbe Stunde Zeit, wenn du dann noch nicht weg bist, lasse ich dich mit Peitschenschlägen wegtreiben – so wie Lee Stone, den ich aus Best Chance jagen ließ!« Sloan Duanes Worte trafen Brown wie Hammerschläge. Er richtet sich langsam auf. Eine wilde Angst und jäh aufflammender Haß schütteln ihn. Dann ist plötzlich seine Angst weg. Nur der Haß ist noch da. Er tritt dicht an Duane heran und schwingt seine Faust vor dessen Gesicht. »Du Schuft! Du mitleidlose Bestie. Ich war immer auf deiner Seite. Ich habe in diesem Spiel auf dich gesetzt! Was konnte ich dafür, daß Ester …« »Ester war wie du«, unterbricht Duane hart. »Ihr wolltet beide nur Vorteile. Ihr habt beide …« Er wirbelt herum, denn ein paar müde Reiter kommen in den Hof geritten. »He?« ruft er scharf. Die Cowboys reiten bis vor die Veranda. »Boß, wir haben Long Ben und Jimmy Nelson gefunden. Long Ben hat 'ne Kugel ins Bein bekommen. Sie haben mit Jack Starlight gekämpft und hatten ihn ziemlich in der Zange. Aber dieser Dan Sutter kam Starlight zu Hilfe. Sie …« »Wo?« unterbricht Duane scharf. »Auf dem Ostplateau, Boß!« »Was geschah dann?«
»Ben und Jimmy waren ohne Pferde. Wir trafen sie, als sie mühsam den Hang hinunterrutschten, dort, wo Starlight den Canyon angezündet hat.« Der Sprecher macht eine müde Bewegung, rutscht aus dem Sattel und führt sein Pferd zum Tränktrog. Die anderen folgen. Es sind fünf Mann. Duane starrt eine Weile ins Leere. Seine Gedanken jagen sich, und sein Verstand rechnet viele Dinge aus. Plötzlich wendet er sich zu Buck Brown und grinst diesen an. »Ich jage dich nicht weg, Brown! Du kannst bleiben!« Der Alte zuckt leicht zusammen. In seine Augen tritt ein mißtrauisches Flackern. »Yeah, du kannst bleiben, Brown, denn du wirst in meiner Mannschaft reiten. Jack Starlight ist entkommen. Er hat Dan Sutter bei sich. Sie werden sich ein Rudel zusammenholen. Die Wels’, die Keiths, Hip Troup und ein paar andere Hungerleider warten schon lange darauf, daß Jack Starlight sie gegen mich führt. Denn diese Heimstätter und Drei-Cent-Leute wissen ganz genau, daß ich sie in diesem Frühjahr über die Pässe jage. Diese armselige Bande hält wie Pech und Schwefel zusammen. Starlight wird bestimmt angreifen. Er weiß ja, daß meine halbe Mannschaft hinter den geflüchteten Rinderherden her ist – das kann er sich ausrechnen. – In dieser Nacht wird gekämpft, Brown. Du wirst mitkämpfen!« Er läßt den Alten stehen und wendet sich ab. »He, Boys! Reitet! In alle Richtungen! Holt die Mannschaft zusammen! Alle Suchtrupps und Herdentreiber sollen sich bis zur Abenddämmerung hier einfinden! Beim Zeus, heute nacht will ich sehen, ob ihr den Lohn wert seit, den ich euch zahle! Heute nacht werdet ihr für mich kämpfen müssen, für mich, der euch eine sichere Zuflucht, Brot und Lohn gegeben hat. Und wenn ihr nicht gut kämpft, so werdet ihr wieder Satteltramps. Reitet und holt mir die Meute zusammen!« Er wirft seinen Arm durch die Luft, als hielte er ein
unsichtbares Schwert in der Hand. Wie ein Panther gleitet er auf der Veranda hin und her. Als die Reiter wieder aufsitzen, den Hof verlassen und in verschiedenen Richtungen davonreiten, wendet er sich wieder Buck Brown zu. »Du wirst bis zum Abend eine ganze Flasche Whisky leertrinken. Das wird dich mutig machen, du alter Narr. Wir kämpfen gegen Jack Starlight und dessen Freunde. Wenn alle tot sind, brauchst du keine Angst mehr zu haben – du alter Narr!« * Es ist eine windige Nacht. Der Nordwind treibt Wolken über die Berge. Nur manchmal funkeln die Sterne durch die Wolkenfetzen. Der Mond taucht nur kurze Momente auf. Der Wind übertönt alle Geräusche. In kurzen Stößen wirbelt er durch den mächtigen Canyon, trifft die Mannschaft hart in den Rücken und braust weiter über die offene Weide. Jack Starlight läßt die Mannschaft halten. »Kein dichtes Rudel mehr«, sagt er kurz. »Wir reiten in auseinandergezogener Kette. Pat, du reitest am rechten Flügel, Hip, du am linken. Ich bin in der Mitte. Sloan Duane wird inzwischen schon zwei und zwei zusammengezählt haben. Ich wette darauf, daß er uns entgegenkommt. Er fühlt sich groß und stark genug, um es mit dem ersten Ansturm schaffen zu können. Ich will, daß er mit seinem Rudel ins Leere stößt. Weicht also aus! Laßt ihn durch! Dann schließt von beiden Seiten zur Mitte auf. Bevor er mit seiner Mannschaft wenden kann, jagen wir ihn. So will ich es haben!« Die Reiter murmeln zustimmend. Kein lautes Wort fällt. Die dichte Traube zieht sich auseinander, wird zu einer Kette. Lee Stone und Budd Wyoming reiten zu beiden Seiten Jacks. Sie allein bilden eine Dreiergruppe.
So reiten sie durch das meilenweite Tor des Canyons. Im selben Moment, als ob es so geplant wäre, kommt der Mond kurz durch die jagenden Wolken. Vor der Starlight-Mannschaft taucht das dichte Rudel der Yellow-Rock-Reiter auf. Sie reiten gegen den Wind und gleichen wirklich einer geballten Faust, die alles überwinden kann, was sich entgegenstemmen will. Jetzt ist die Stunde da, auf die das ganze Land gewartet hat. Starlights Mannschaft ist nicht viel kleiner als die wilde Meute der Yellow Rock. Jack Starlight hätte niemals diese Mannschaft zusammenbekommen, wenn er nicht eine bittere Zeit allein gegen die Yellow geritten wäre – mit Erfolg geritten wäre. Das ist es! Sloan Duane hat eine Niederlage nach der anderen einstecken müssen. Tinkerton! Die Stampede der Herden! Und das Versagen Duff Dances! Vielleicht wäre das alles nicht ins Gewicht gefallen, wenn er Jack Starlight hätte erwischen können. Er konnte es nicht. Starlight ist plötzlich stark geworden. Nun führt er eine Mannschaft gegen die Yellow Rock, bestehend aus Reitern, die für ihren Besitz kämpfen, die nicht vertrieben werden wollen und die nur darauf gewartet haben, daß Jack Starlight sie gegen die Yellow Rock führen wird. Alles, was war, das mußte sein. Nun wird es ausgetragen! Jack Starlight sieht die anreitende Horde. Im silbernen Glanz des Mondlichtes ist die dunkle Traube der Yellow-Rock-Reiter nicht zu übersehen. »Sie werden unsere Stärke unterschätzen«, sagt Jack ruhig und reißt dann die Winchester hoch. Schnell feuert er einige Schüsse ab und kann nicht erkennen,
ob seine Kugeln ein Ziel gefunden haben, da das Mondlicht erlischt, als hätte man am Himmel ein großes Tor geschlossen. Dunkelheit! Brausende Windstöße! Jagende Pferde! Brüllende Reiter! Schüsse, immer mehr Schüsse! Grellrote Feuerzungen! Mit seinen Schüssen hat Jack das anstürmende Rudel auf sich gelenkt. Nun reißt er sein Pferd zur Seite, schiebt das Gewehr in den Sattelschuh und zieht dafür den Colt. Die ersten Schatten tauchen vor ihm auf. Die Yellow Rock reitet immer noch in einer dichten Reitertraube, die nur wenig ihre Form verändert. Sloan Duane will anscheinend mit geballter Wucht alles zerschmettern. Neben Jack beginnt nun Lee Stone mit dem Colt zu feuern. Und Budd Wyomings heller Schrei gellt durch Wind und Hufgedonner. Dann hört Jack die Kugel in den Leib seines Pferdes schlagen. Instinktiv wirft er sich aus dem Sattel. Das Tier kracht dicht neben ihm zu Boden, wälzt sich auf dem Sattel auf die andere Seite und stirbt. Einer der Hufe streift Jacks Schulter und schlitzt Jacken- und Hemdsärmel auf. Er rollt sich dicht an den Bauch des toten Tieres. Ein Reiter setzt heulend über das Hindernis. Jack schickt ihm eine Kugel nach und erkennt noch, daß der Mann aus dem Sattel fällt. Dann leert er den Colt in die vorbeistürmende Reiter-Crew. Er weiß nicht, was seine Leute machen. Vielleicht ist es jetzt so, wie er es geplant hat. Vielleicht formiert sich seine Mannschaft jetzt und beginnt die Jagd, nachdem die Angreifer ziemlich ins Leere gestoßen sind. Kugeln umschwirren Jack. Es ist ein Wunder, daß er nicht getroffen wird, da sich die vorbeibrausenden Gegner nach seinem Mündungsfeuer richten. Zwei Reiter reißen ihre Pferde zur Seite. Sie schießen und wollen ihn schließlich überreiten. Er schießt besser. Ein Reiter stürzt über den Hals seines Tieres. Der Reiter rollt bis zu Jack,
kracht hart gegen den Sattel und bleibt wimmernd liegen. Den anderen Mann trifft Jack ziemlich schwer. Er erkennt es an der Art, wie der Mann aus dem Sattel kippt. Die angreifende Mannschaft ist vorübergejagt. Der wimmernde Mann auf der anderen Seite von Jacks Pferd taumelt hoch. Jack schlägt ihm den leergeschossenen Colt auf den Kopf. Für einen Moment blitzt Mondlicht durch die jagenden Wolken. Jack erkennt, daß es Buck Brown ist, den er niedergeschlagen hat. Das gestürzte Pferd stemmt sich wiehernd in die Höhe. Jack ergreift das Sattelhorn und schwingt sich auf den Rücken des Tieres. Er treibt es hart an und stößt einen zufriedenen Ruf aus, als er schon nach wenigen Sprüngen merkt, daß das Tier unverletzt geblieben ist. Vor ihm in der Nacht tobt der Kampf. Einmal hört Jack das mächtige Gebrüll Pat Rockmans. Er ist ziemlich zurückgeblieben, aber Buck Brown ritt ein gutes Pferd. Jack holt langsam auf. Er erkennt es an den Mündungsfeuern vor sich. Vor ihm tauchen Reiter auf. Sie reiten in derselben Richtung wie er, also sind es seine Leute. Als er sie erreicht, hört er an den Stimmen, daß es die Brüder Keith sind. Von links kommt Stone herbei. »Starlight! Starlight!« brüllt Stone andauernd. Dazwischen erklingt Budd Wyomings Schrei. »Weiter, weiter! Sie dürfen nicht wenden!« Budd Wyoming und Lee Stone jauchzen zweistimmig Jacks Namen. Die Keiths heulen wie grimmige Wölfe. Hip Troup und seine beiden Indianer sind plötzlich da. Von links kommen Brand und Wels mit ihren Söhnen. Die Mannschaft formiert sich. Es wird nun kaum geschossen, denn alle laden während des Rittes ihre Waffen auf. »Eine Zange! Bildet eine Zange! Laßt sie nicht zum Stehen kommen!« brüllt Jack. Nun stößt die Starlight-Mannschaft wie eine geballte Faust
mitten durch die lose Formation des Gegners und teilt sie. Pat Rockman und zwei Reiter kommen von rechts hinzu. Das ganze Gewühl löst sich in Einzelkämpfe auf. Pat Rockman brüllt immer wieder schaurige Laute in den Lärm. Es ist sicher, daß er wie ein wütender Büffel haust. Langsam zieht sich der Kampf nach Norden hin. Die YellowRock-Reiter konnten den Ansturm der nun geschlossenen Mannschaft nicht standhalten, nachdem ihr eigener Stoß ziemlich wirkungslos verpufft war. Ein Wäldchen taucht auf. Immer mehr trennen sich die einzelnen Gruppen, die sich ineinander verbissen haben und untereinander die Sache auskämpfen. * Als Sloan Duane aus dem Sattel seines getroffenen Pferdes fliegt, weiß er, daß der Kampf für ihn verloren ist. Er fällt schwer auf die Seite und bleibt eine Weile stöhnend liegen. Der Kampflärm entfernt sich. Fluchend taumelt er hoch. Wortlos schüttelt er die Fäuste, wendet sich dann nach Süden und hält Ausschau nach einem herrenlosen Pferd. Nach kurzer Zeit hört er ein nervöses Wiehern und dann die stöhnende Stimme eines Mannes. Sloan Duane ist nun nahe genug, um die Umrisse von Pferd und Mann in der Dunkelheit erkennen zu können. »Hallo, Buck Brown«, sagt er scharf, tritt dabei näher und legt dem alten Mann die Hand auf die Schulter. Der Alte wirbelt schnell herum. »Duane!« »Sicher!« »Ich gebe es auf, Duane! Ich verlasse auf diesem Pferd das Land!« »Möchtest du gerne, was? – Es ist ein Yellow-Rock-Pferd.
Viel zu gut für dich. Du brauchst kein Pferd mehr, Alter. Ich schicke dich nämlich in die Hölle. Deinetwegen ist mir Jack Starlight in Best Chance durch die Lappen gegangen. Du hast es mir zu spät gemeldet, daß er im Bett deiner Tochter lag. Und wenn ich dich getötet habe, reite ich auf diesem Pferd nach Best Chance und sende dir Ester in die Hölle nach. – Sie ist nämlich die Hauptschuldige an meiner Niederlage!« Sloan Duanes Stimme klingt immer sanfter und kälter. Dann kracht ein Schuß. Buck Brown sinkt zu Boden. Sloan Duane kichert wie ein Teufel. Er sitzt auf und reitet davon. In ihm ist seltsame Leere. Er denkt eigentlich kaum an die Dinge, um die er gekämpft hat. Er hat erkannt, daß er verloren hat. Nur ein Narr würde an seiner Stelle noch weiterkämpfen. Alle Leute im Lande, die sich bisher vor ihm duckten, weil sie ihn fürchteten und von ihm abhängig waren, werden nun auf Starlight setzen. Ab heute wird Starlights Mannschaft immer stärker sein. Sein Haß auf Jack Starlight ist nun richtig zu einer Krankheit geworden. Aber an Jack kann er vorläufig nicht heran. Deshalb konzentrieren sich seine bitteren Haßgefühle auf Ester Brown. »Sie hat ihn gerettet, und er liebt sie nun sicherlich noch mehr. Ich werde ihm eine tote Braut hinterlassen. Er wird sich aus diesem Grunde auf meine Fährte setzen. Nur so bringe ich ihn dazu, mir in ein anderes Land zu folgen, wo ich es mit ihm Mann gegen Mann austragen kann.« So murmelt er vor sich hin. Es spielt dabei keine Rolle, daß er sich irrt, wenn er annimmt, daß Ester seinen Feind aus Liebe gepflegt hat, verborgen gehalten und somit gerettet hat. Es spielt auch keine Rolle, daß Jack nichts mehr für Ester fühlt und inzwischen seine Liebe zu Nan erkannt hat. Eine Rolle spielt nur, daß Ester wirklich in Gefahr ist.
* � Der Kampf ist vorbei, Jack und seine Reiter – soweit sie nicht tot oder verwundet sind – suchen das Kampffeld ab. Pat Rockman, selbst aus einigen Wunden blutend, ist es, der den sterbenden Buck Brown findet. Sein scharfer Ruf holt Jack herbei. Als Jack niederkniet, sagt er zu Brown: »Ich lüge nicht, wenn ich sage, daß mir der Kolbenhieb leid tut, Brown. Du tust mir auch leid, Buck Brown.« »Ich sterbe – Jack. – Duane – hat mir eine – Kugel in die … Ah, er ist – auf dem – Weg – zu Ester. Reite, Jack! – Rette mein Mädel. – Sie war zuletzt – besser als ich. – Rette sie vor Duane. – Denn er will sie töten, weil sie dich …« »Ja!« ruft Jack und springt auf. »Nimm meinen Rappen! Er schlägt alles, was Beine hat in diesem Land!« ruft Hip Troup. Dann reitet Jack Starlight noch einmal allein. Jetzt reitet er für Ester. * Sloan Duane erreicht Best Chance bei Tagesanbruch. Er nimmt sich Zeit. Langsam reitet er in den Ort. Als er am Saloon vorbeikommt, entdeckt er drei Pferde an der Haltestange. Aus den Fenstern der Gaststube schimmert fahles Licht. Er verhält sein Pferd und kommt zu dem Entschluß, daß er noch einen Whisky trinken könnte. Den letzten Whisky, den er in Best Chance trinkt. »Best Chance«, denkt er bitter, als er aus dem Sattel rutscht. »Ich habe hier keine Chance mehr. Ich war lange Zeit in diesem County der große Wolf, vor dem sich alles fürchtete. Nun wird mich die ganze Meute bald aus dem Land hetzen.
Aber vorher mache ich mir noch einen Spaß.« Als er in den Saloon tritt, heben die Pokerspieler am Ecktisch kaum ihre Köpfe. Aber dann erkennen sie ihn doch und springen auf. Es sind Viehverkäufer. Duane kennt sie, denn er verkauft schon viele Jahre seine Rinder an diese Männer. »Dieses Jahr müßt ihr von einem anderen Mann eure Herden kaufen«, sagt er hart. Er geht selbst hinter den Schanktisch und winkt ab, als der Barmann, der mit den Viehhändlern Poker spielte, ihn bedienen will. Er nimmt eine Flasche und schlägt ihr an der Theke den Hals ab. Dann trinkt er sie halb leer. Als er sie absetzt, bluten seine Lippen, da er sich an den Glassplittern verletzt hat. »Was ist denn passiert, Duane? Du siehst aus, als kämst du aus einem heißen Kampf?« fragt einer der Viehhändler. »Es war ein prächtiger Kampf«, grinst Duane, und in seinen Augen erscheinen wieder die bösen Flecken. Plötzlich wirft er die Flasche in das gefüllte Regal. Es klirrt mächtig. Er geht ruhig auf die Pendeltür zu. Ein Reiter kommt in den Ort. Sein Pferd galoppiert wundervoll. »Das muß wohl eines von Hip Troups Wunderpferdchen sein«, denkt Duane. Plötzlich erkennt er den Reiter. »Starlight!« brüllt er voll grimmiger Freude. Der Reiter läßt das Pferd auf den Hinterhufen durch den Staub rutschen, läßt es steigen und wirft sich mit einem einzigen Satz aus dem Sattel. Duane springt auf die Fahrbahn hinunter. Ruhig marschiert er Jack Starlight entgegen. Sein linker Arm hängt steif herunter. Die Hand pendelt nur leicht über dem Coltkolben. Starlight erwartet ihn ruhig. Zwanzig Schritte vor Starlight bleibt Duane stehen.
»Du bist groß, Starlight, größer, als ich dachte! Ich hätte dich nicht meinen Leuten überlassen dürfen. Tinkerton und auch Duff Dance waren dir nicht gewachsen. Ich hätte dich eigenhändig zur Hölle schicken müssen, bevor …« Er duckt sich unmerklich und zieht. Seine Hand ist schneller als eine vorschnellende Schlange. Mit einem Schwung reißt er den Colt hoch und schießt. Als er abdrückt, trifft ihn Jacks Kugel. Er taumelt zurück und schießt noch einmal – und noch einmal. Dann fällt der Colt aus seiner Hand. Taumelnd steht er inmitten der Fahrbahn, bricht langsam in die Knie und stiert mit seltsamen Blick auf Jack Starlight, der sich langsam um seine eigene Achse dreht und schwer auf die Seite fällt. Dann kippt auch Sloan Duane vornüber. Sein Fall wirbelt Staub auf. Dieser Staub vermischt sich mit der Wolke, die sich um Starlight herum erhebt. Reiter kommen in den Ort. Pat Rockmans Stimme klingt sehr heiser. * Als Jack Starlight zu sich kommt, sieht er in Ester Browns Augen. »Ja, Jack, du liegst wieder in meinem Bett«, sie lächelt sanft und gut. »So hat sie früher nie lächeln können«, denkt er schwerfällig. »Ist es schlimm mit mir?« fragt er und wundert sich über die Schwäche seiner Stimme. »Es ist ein Wunder, daß du noch lebst«, erwidert Ester. »Wir haben hart um dich kämpfen müssen. Aber nun ist alles gut. Eben kam ein Reiter, der Nans Ankunft meldete.« »Nan?« »Ja! Hip Troup hat sie geholt! Sie wird dich gesund pflegen. Dann werdet ihr gemeinsam die Sun Hill aufbauen. Es wartet viel Arbeit auf euch, Jack.«
»Und du, Ester?« »Pat Rockman hat mir einen Antrag gemacht – wir haben beide gemeinsam drei Nächte an deinem Bett gesessen und …« »Liebst du ihn, Ester?« »Er ist gut zu mir – ich denke, er wird es nicht bereuen, wenn er mich nimmt. Ich glaube, ich kann auch gut sein. Es ist schön, wenn man gut sein kann.« Sie erhebt sich, denn draußen erklingen Schritte. Stimmen werden hörbar. Die Tür fliegt auf. Nan kommt herein. Sie läuft auf die andere Seite von Jacks Bett. »Jack! Sie hatten mich mit Gewalt zu Onkel Troup gebracht! Warum konnte ich nicht neben dir sein?« »Ich habe Alabaster den Befehl gegeben, daß er dich in Sicherheit bringt, wenn es gefährlich wird. Ich bin froh, daß er es getan hat. – Gib Rockmans Braut die Hand, Nan. Ich wäre froh, wenn ihr Freundinnen werden würdet.« Nan sieht sofort offen in Esters Augen. »Ja, Ester – ich will. Hip Troup hat mir alles erzählt. Du hast für Jack getan, was ich eigentlich hätte tun müssen.« »Es war nicht nur für Jack gut, Nan!« Mit diesen Worten erhebt sich Ester. Als sie die Tür aufmacht, wollen Pat Rockman, Sheriff Stone und andere herein. Sie drängt sie wieder hinaus und schließt hinter sich die Tür. »Gebt ihnen eine Stunde«, lächelt sie sanft. ENDE
Die große Westernparade mit G. F. Ungers Erfolgsromanen � wird auch in der kommenden Woche fortgesetzt! � Band 705 trägt den Titel: �
Pferdediebe � Captain Cass Longdale soll den Rebellen tausend Pferde stehlen – mit einer Handvoll Banditen …