Noch nie so geküsst
Amanda Browning
Julia 1308 19 – 1/98
Gescannt von suzi_kay
Korrigiert von almut k.
1.KAPIT...
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Noch nie so geküsst
Amanda Browning
Julia 1308 19 – 1/98
Gescannt von suzi_kay
Korrigiert von almut k.
1.KAPITEL
Tasha Larsen betrat die Unfallstation und ging zur Aufnahme. Obwohl sie einen Regenmantel trug, war sie durchnässt, denn ihr Taxi war im dichten Verkehr steckengeblieben, und sie war das letzte Stück zu Fuß gegangen. "Ich habe erfahren, dass meine Schwester hier eingeliefert wurde. Ihr Name ist Larsen", erklärte sie kühl. Ihre übliche zur Schau gestellte Selbstsicherheit, die ihr im Gerichtssaal zugute kam, täuschte darüber hinweg, dass ihr das Herz bis zum Hals schlug. Die Angestellte in der Aufnahme wollte offenbar eine Bemerkung machen, überlegte es sich jedoch anders, als sie Tashas Miene sah. "Sie ist auf der Intensivstation im sechsten Stock. Nehmen Sie den Aufzug." Auf der Intensivstation? dachte Tasha. Mein Gott! Warum hat man mir nicht gesagt, dass es so schlimm um sie steht? Dennoch ermahnte sie sich, ruhig zu bleiben, als sie zum Aufzug eilte. Die amüsierten Blicke der Angestellten bemerkte sie dabei nicht. Im sechsten Stockwerk angekommen, schaute sie sich um. Es war niemand zu sehen, aber da sie sehr entschlussfreudig war, wandte sie sich nach rechts und blickte dabei in alle Räume. Schließlich fand sie ihre Schwester. Diese lag allerdings nicht im Bett, sondern ging in dem kleinen Warteraum auf und ab. "Als man mir sagte, du seist auf der Intensivstation, dachte ich, du seist schwer verletzt", bemerkte Tasha angespannt. "Bist du jetzt enttäuscht?" Ihre Schwester warf ihr einen spöttischen Blick zu. Sie und Tasha, die eigentlich Natasha hieß, waren eineiige Zwillinge und sahen sich daher zum Verwechseln ähnlich. Sie waren siebenundzwanzig und atemberaubend schön mit ihren tiefblauen Augen, der zarten Haut und den schimmernden schwarzen Haaren. Beide waren sie groß, sehr schlank und trotzdem wohlproportioniert. Der einzige erkennbare Unterschied zwischen ihnen bestand darin, dass Tasha ihr Haar schulterlang trug. Den wichtigsten Unterschied sah man jedoch nicht, nämlich dass sie beide schon seit langer Zeit getrennte Wege gingen. Natalya arbeitete als Assistentin und war hervorragend in ihrem Beruf, setzte aber ihr Aussehen und nicht ihren Verstand ein, um zu bekommen, was sie wollte. Das begründete sie damit, dass der Verstand bei Männern woanders saß. Tasha dagegen fand, dass das Aussehen ihr bei ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin eher hinderlich war. Sie musste doppelt so hart arbeiten wie ihre Kollegen, um den Leuten zu beweisen, dass sie mehr zu bieten hatte als bloß ein hübsches Gesicht. Obwohl Natalya sich sehr rar machte, hing Tasha an ihr, denn sie waren seit ihrer frühesten Kindheit Vollwaisen und hatten keine anderen Verwandten. "Dir scheint nichts passiert zu sein", meinte Tasha trocken. "Von wegen! Ich bin entstellt!" Natalya deutete auf den winzigen Schnitt an ihrer linken Wange, den man bereits gesäubert hatte. "Was ist passiert?" fragte Tasha ungerührt. "Der Polizist hat mir nur gesagt, es hätte einen Unfall gegeben." In jenem Moment war sie vor Angst wie gelähmt gewesen. Ohne sich um das Rauchverbot zu kümmern, zündete Natalya sich eine Zigarette an und zog einige Male daran, bevor sie antwortete. "Es war schrecklich. Ich dachte, ich würde sterben. Als wir das Restaurant verließen, kam ein Wagen auf uns zugeschossen, weil der Fahrer die Kontrolle darüber verloren hatte. Chris hat mich weggestoßen, aber er wurde angefahren. Ich bin gegen die Wand geprallt." Wieder deutete sie auf den winzigen Schnitt. Tasha beschloss, sich nicht darüber zu ärgern. "Chris?" wiederholte sie. Natalya blies den Rauch aus und betrachtete ihn eingehend. "Chris Calder." "Chris Calder, der Anwalt?" Als ihre Schwester nickte, blickte Tasha sie ungläubig an. Natürlich kannte sie Chris Calder vom Hörensagen. Er hatte einen hervorragenden Ruf als
Strafverteidiger. Bereits mit vierunddreißig war der Mann eine Legende. "Wie, in aller Welt, hast du ihn kennengelernt?" "Er ist im selben Fitnessclub wie ich, und eines Tages kamen wir ins Gespräch. Er hat gerade an einem Fall gearbeitet, aber der ist jetzt abgeschlossen. Eigentlich kann ich es dir sagen. Wir haben uns heute abend verlobt", erklärte Natalya lässig. Tasha konnte es nicht fassen. Sie hatte nicht einmal gewusst, dass Chris Calder in Denver war, und nun erfuhr sie, dass er mit ihrer Schwester verlobt war. Außerdem wäre sie nie auf die Idee gekommen, dass Natalya sich verloben könnte, weil sie die Männer normalerweise nur benutzte. Dass ausgerechnet Chris Calder dieses Wunder bewirkt hatte, überraschte sie. Während Tasha ihre Schwester betrachtete, versuchte sie, sich vorzustellen, was in ihr vorging. Offenbar überspielte Natalya ihre Besorgnis mit Gleichgültigkeit. "Wie geht es ihm?" erkundigte Tasha sich sanft. Natalya drückte die Zigarette aus und nahm ihren Mantel vom Stuhl! "Komm mit und sieh ihn dir an." Sie ging voran in den Nebenraum, in dem Chris Calder in einem Krankenhausbett lag. Da er an so viele Geräte angeschlossen war, konnte Tasha lediglich erkennen, dass er dunkles Haar hatte und schrecklich blass war. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie noch nie ein Foto von ihm gesehen hatte. "Hat man seine Angehörigen verständigt?" fragte sie besorgt. "Keine Ahnung. Ich habe wirklich andere Dinge im Kopf. Sie haben ihn gerade erst aus dem OP hierhergebracht." Natalya erschauerte. "Er schwebt in Lebensgefahr, und selbst wenn er es schafft, wird er wohl ein Krüppel sein!" Bestürzt nahm Tasha ihre Hand. "Es tut mir so leid." Natalya entzog ihr die Hand. "Dass muss es nicht. Ich werde dann nämlich nicht mehr da sein." Tasha erstarrte. Niemand, der einen anderen Menschen liebte, konnte so gefühllos sein. "Was soll das heißen?" "Endlich habe ich mir einen attraktiven Mann mit Geld geangelt, und dann bringt er sich fast um. Nicht zu fassen!" Ihre Schwester lachte bitter. Tasha schaute sie ungläubig an. "Ich dachte, du liebst ihn!" "Liebe? Geschenkt, Tasha. Ich will Geld und gesellschaftliches Ansehen und einen Mann, der mich überall hinbringen kann. Ich will verdammt sein, wenn ich mich an einen Krüppel binde!" Ihre Worte machten Tasha furchtbar wütend. "Er hat dir das Leben gerettet. Du kannst ihn jetzt nicht einfach verlassen." Ihre Schwester zog die Augenbrauen hoch. "Ach nein? Und ob ich das kann." "Er braucht dich, Nat", erklärte Tasha kalt. "Aber ich brauche ihn nicht." Natalya nahm ihren funkelnden Verlobungsring ab und warf ihn aufs Bett. "Was für eine Zeitverschwendung!" Tasha konnte kaum glauben, dass sie mit ihr verwandt war, weil sie so unterschiedliche Lebensauffassungen hatten. "Das ist nicht zu fassen! Ich habe dein Verhalten in all den Jahren immer entschuldigt, aber für das hier gibt es keine Entschuldigung, Nat." Ihre Schwester kam auf sie zu und tippte ihr mit dem Finger auf die Brust. "Hör mal zu, du Tugendlamm. Es ist mir völlig egal, ob du mein Verhalten entschuldigst oder nicht. Aber wenn du so besorgt um ihn bist, warum bleibst du dann nicht bei ihm? Du bist innerlich doch so eiskalt, dass es keine Rolle für dich spielt, ob er dich befriedigen kann oder nicht. Ich verschwinde jedenfalls von hier. Es gibt genug andere Männer. Ich glaube, ich versuche es zur Abwechslung mal in L.A." Tasha schämte sich ihrer Schwester, als sie ihr hinterherschaute. Nie hätte sie es für möglich gehalten, dass Natalya zu so etwas fähig war.
Schließlich drehte Tasha sich um und ging näher ans Bett, um den Mann zu betrachten, der reglos dalag. Unwillkürlich hielt sie den Atem an. Er sah so verletzlich aus, denn sein attraktives Gesicht war zerschrammt und blutunterlaufen. Ihr Herz krampfte sich zusammen, und ihr war die Kehle wie zugeschnürt. Es überraschte sie selbst, dass sie so heftig auf seinen Anblick reagierte. Das ist nur der Schock, sagte sie sich. Ich bin ihm dankbar, und er tut mir leid, weil er so schwer verletzt wurde. Das war also Chris Calder. Selbst in diesem Zustand strahlte er noch Autorität und Entschlusskraft aus. Sie überlegte, welche Farbe seine Augen haben mochten. Er hatte unglaublich lange Wimpern und einen sinnlichen Mund, der auf versteckte Leidenschaft hindeutete. Eine Leidenschaft, die vielleicht nie wieder erwachen würde. Warum dieser Gedanke ihr so weh tat, wusste Tasha nicht. Da sie plötzlich ganz weiche Knie hatte, sah sie sich nach einem Stuhl um. Dabei fiel ihr Blick auf den Ring, der immer noch auf dem Bett lag. Sie nahm ihn in die Hand und hielt den Atem an, als sie ihn betrachtete. In der Mitte war ein in Diamanten eingefasster Saphir. Er musste ein Vermögen gekostet haben, und ihre Schwester hatte ihn einfach weggeworfen - genauso wie sie Chris Calder weggeworfen hatte. Erst jetzt merkte Tasha, dass sie ihre Handtasche vergessen hatte. Sie hatte einfach ihre Schlüssel und etwas Geld in die Tasche ihres Regenmantels getan, bevor sie losgeeilt war. Da sie den Ring schlecht in die Tasche stecken konnte, musste sie ihn tragen, und der einzige Finger, auf den er passte, war der Ringfinger. Es war ein seltsames Gefühl, in zu tragen, doch zum Glück war sie ein vernünftiger Mensch. Im nächsten Moment kam eine Schwester herein, und Tasha ging zur Seite, damit sie ihr nicht im Weg stand. Sie fühlte sich schrecklich hilflos und konnte sich nicht entsinnen, jemals so besorgt gewesen zu sein. Allerdings war es nicht weiter verwunderlich, denn dieser Mann hatte für ihre Schwester sein Leben riskiert, und es war wichtig, dass er wieder gesund wurde. Tasha zog ihren Regenmantel aus, le gte ihn über einen Stuhl und fuhr sich durchs Haar. Wenigstens war ihr schwarzes Kostüm, das sie für ihren Auftritt im Gerichtssaal anzogen hatte, trocken geblieben. Sie ging im Zimmer auf und ab, bis die Schwester fertig war. "Können Sie mir sagen, ob Mr. Calders Familie benachrichtigt wurde?" erkundigte sie sich. Die junge Schwester nickte. "Ja, das habe ich gemacht. Seine Angehörigen müssten schon unterwegs sein." "Kann mich jemand über Mr. Calders Zustand informieren?" "Sicher. Ich werde mit Dr. Cooper sprechen." Tasha nickte und verbrachte die nächsten fünfzehn Minuten damit, weiter im Zimmer auf und ab zu gehen. So nervös war sie nicht mehr gewesen, seit sie bei ihrem ersten Fall auf den Beschluss der Geschworenen gewartet hatte. Als die Ärztin, eine Frau mittleren Alters in einem weißen Kittel, hereinkam, atmete Tasha tief durch. Dr. Cooper schüttelte ihr die Hand. "Sicher wird es Sie freuen zu hören, dass Mr. Calders Zustand stabil ist. Und zum Glück ist seine Wirbelsäule unverletzt geblieben." "Dann wird er also wieder laufen können?" "Natürlich." Tasha war unendlich erleichtert. "Gott sei Dank!" "Und dem Chirurgen", ergänzte Dr. Cooper lächelnd. "Allerdings können wir nicht sagen, wie lange er hier bleiben muss. Offenbar ist Mr. Calder sehr fit, und das wird seinen Genesungsprozess beschleunigen. Vor allem aber wird Ihre Anwesenheit dazu beitragen." Offenbar dachte die Ärztin, sie sei Chris Calders Verlobte. Tasha wollte sie über ihren Irrtum aufklären, überlegte es sich dann jedoch anders. Es würde schwer genug sein, es Chris zu erklären, und außerdem sollte er es als erster erfahren. Also würde sie vorerst nichts sagen. "Ich werde hier bleiben, solange er mich braucht", versprach sie. Sie hatte es ohnehin vorgehabt, denn er hatte es nicht verdient, so im Stich gelassen zu werden.
Dr. Cooper betrachtete ihren Patienten. "Er wird erst in einigen Stunden aufwachen. Warum fahren Sie in der Zwischenzeit nicht nach Hause und ruhen sich aus?" Tasha folgte ihrem Blick und schüttelte den Kopf. Obwohl sie müde war, wollte sie noch bleiben. "Ich werde auf seine Eltern warten." Nachdem die Ärztin wieder gegangen war, zog Tasha sich einen Stuhl ans Bett und setzte sich darauf. Chris hatte eine Hand auf die Decke gelegt, und ohne nachzudenken, ergriff sie sie. Eigentlich hatte sie ihn trösten wollen, doch stattdessen tröstete er sie. Die Anspannung fiel von ihr ab, und Tasha setzte sich bequemer hin. Abgesehen von dem Piepen der Geräte, war es ganz still im Zimmer, und sie musste gegen die Müdigkeit ankämpfen. Sie hatte einen anstrengenden Tag hinter sich, und erst jetzt merkte sie, wie erschöpft sie war. Irgendwann fielen ihr die Augen zu. "Nat... Natasha?" Der Klang der Stimme riss sie aus dem Schlaf, und Tasha blinzelte. Zuerst wusste sie nicht, wo sie war, aber dann fiel es ihr ein. Sie war im Krankenhaus, und Chris Calder war aufgewacht. Allerdings hatte sie keine Ahnung, wie spät es war. "Natasha?" Diesmal klang es noch eindringlicher. Tasha stand auf. Natalya hatte also wieder ihren Namen benutzt, weil sie ihren nie gemocht hatte. Jetzt, da sie nicht mehr zusammen waren, verwandte sie ihn" vermutlich immer. In der Absicht, Chris zu beruhigen, beugte Tasha sich übers Bett. Als sie ihm jedoch in die Augen sah, die silbergrau waren, verlor sie sich darin. Ihr stockte der Atem, und ihr Herz setzte einen Schlag aus. Am ganzen Körper verspürte sie ein heftiges Prickeln. "Natasha?" Zum dritten Mal hatte er ihren Namen gesagt, aber diesmal klang es besorgt. Benommen schaute sie ihn an. Ihr Herz klopfte nun schneller, und ihr Mund war ganz trocken. Verzweifelt versuchte sie, die Fassung wiederzugewinnen. "Ich bin hier", brachte sie hervor und drückte Chris die Hand. Er schluckte mühsam, und sein Atem ging flach. "Geht es dir ...gut?" Nein, es ging ihr überhaupt nicht gut, und es war fraglich, ob es je wieder der Fall sein würde. Doch das hatte Chris nicht gemeint. Er wollte wissen, ob sie verletzt war. Sie konnte ihm später sagen, wer sie war und dass er sich in Natalya getäuscht hatte. Erst einmal musste sie, ihn beruhigen. "Ja, mir geht es gut. Versuch, nicht zu sprechen, Chris. Du bist verletzt." Er bemühte sich, den Kopf zu heben, und stöhnte gequält auf. "Wie schwer?" Mit der freien Hand strich Tasha ihm durchs Haar. Es fühlte sich so seidig an, und sie verspürte dabei ganz eigenartige Gefühle. Da sie nicht wusste, wie sie damit umgehen sollte, verdrängte sie sie. "Sie mussten dich operieren. Aber die Ärztin hat gesagt, dass du über den Berg bist." Als sie sah, wie er die Augen schloss, seufzte sie und wollte sich zurückziehen. Daraufhin umklammerte er ihre Hand so fest, dass sie sich auf die Lippe beißen musste, um nicht laut aufzuschreien. "Bleib bei mir", brachte er hervor. Er versuchte krampfhaft, die Augen offen zu halten, schaffte es aber nicht. Er hatte wieder das Bewusstsein verloren. "Das werde ich." Sie spürte, wie er den Griff lockerte und seine Hand wegglitt. "Ich werde bei dir bleiben", fügte sie hinzu, obwohl er sie nicht hören konnte. Dann war es wieder still im Zimmer, und Tasha ließ sich das, was gerade passiert war, noch einmal durch den Kopf gehen. Allein der Gedanke daran machte sie nervös. So etwas hatte sie noch nie erlebt. Als sie Chris Calder in die Augen gesehen hatte, waren all ihre Sinne zum Leben erwacht. Es war verblüffend gewesen. Aber was war es? Wieder schaute sie ihn an und streichelte dabei sanft seine Wange. Plötzlich fand sie die Antwort darauf, und die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag. Nein, es war unmöglich. Sie konnte sich nicht in ihn verlieben ... oder doch? Tasha zog die Hand zurück, als hätte sie sich verbrannt. Nein, ganz bestimmt nicht! Sie war ein ausgeglichener, nüchterner Mensch, und so etwas gab es einfach nicht! Also was ist es
dann? fragte eine innere Stimme. Tasha wusste es nicht, doch es musste eine Erklärung dafür geben, dass sie nach einem Blick in seine Augen das Gefühl hatte, ihn bereits seit einer Ewigkeit zu kennen. Verzweifelt fuhr sie sich durchs Haar. Sie musste sich zusammenreißen. Es war ein traumatischer Tag gewesen, und sie reagierte nur übertrieben. Wenn sie eine Nacht darüber schlief, würde alles ganz anders aussehen. Nachdem sie sich damit getröstet hatte, stand sie auf und ging zum Fenster, um in die Dunkelheit hinauszublicken. Tasha wusste nicht, wieviel Zeit vergangen war, als sie plötzlich Schritte hörte. Sie drehte sich um. Ein Mann und eine Frau, beide in den Sechzigern, betraten den Raum. Beide wirkten erschöpft und besorgt, und selbst wenn Tasha sie nicht erwartet hätte, hätte sie aufgrund der frappierenden Ähnlichkeit zwischen dem Mann und Chris gewusst, wer die beiden waren. "Sie müssen Chris' Eltern sein." Lächelnd ging sie auf sie zu. Die Frau, die offenbar etwas jünger war als ihr Mann, lächelte angespannt. "Ich bin Elaine Calder, und das ist John, mein Mann. Sie müssen Natasha sein. Chris hat uns viel von Ihnen erzählt. Es ist schrecklich, dass wir uns auf diese Art kennenlernen müssen ..." Sie verstummte, und ihr kamen die Tränen, als ihr Blick auf ihren Sohn fiel. "Bitte regen Sie sich nicht auf. Ich weiß, es sieht schlimm aus, aber die Ärzte sagen, sein Zustand sei stabil", beeilte Tasha sich zu versichern. In diesem Moment hielt sie es für wichtiger, als die beiden über ihre wahre Identität aufzuklären. "Vielleicht möchten Sie lieber mit einem Arzt sprechen?" Sie wollte das Zimmer verlassen, doch John Calder hielt sie zurück. "Gleich." Er räusperte sich, bevor er fortfuhr. "Die Schwester, die uns angerufen hat, sagte, unser Sohn wäre bei einem Unfall verletzt worden. Waren Sie dabei?" Wieder wurde Tasha vor die Wahl gestellt. Obwohl sie ihre Schwester nicht unbedingt schützen wollte, war sie nach wie vor der Meinung, dass Chris als erster die Wahrheit erfahren sollte. Und sie würde ihm die Wahrheit sagen, sobald er in der Verfassung dazu war. Dann konnte er entscheiden, wem er es erzählte. Bis dahin würde sie den Mund halten. "Ja. Er hat mich geschützt", erklärte sie und schilderte den beiden dann, was Natalya ihr über den Unfallhergang erzählt hatte. "Ach du meine Güte! Ist Ihnen auch nichts passiert?" erkundigte Elaine Calder sich besorgt, woraufhin Tasha schuldbewusst errötete und ihre Schwester insgeheim verfluchte. "Mir geht es gut. Ich habe nicht einmal einen Kratzer abbekommen", erwiderte sie unbehaglich. Das Lügen war ihr schon immer schwergefallen. Natalya dagegen hatte in der Hinsicht überhaupt keine Skrupel. "Gott sei Dank! Trotzdem muss es ein ziemlicher Schock für Sie gewesen sein, Natasha", sagte Mrs. Calder besorgt. "Bitte nennen Sie mich Tasha. Es ist die Abkürzung von ,Natasha'." Tasha hoffte, die beiden damit abzulenken, damit sie nicht noch mehr unangenehme Fragen stellten. Elaine Calder lächelte sie an. "Das klingt schön, meine Liebe. Ich bin so froh, dass Sie nicht verletzt wurden. Chris wäre untröstlich gewesen, wenn er Sie verloren hätte." Genau das machte ihr ja Sorgen. Wenn er Natalya tatsächlich so liebte, wie es den Anschein hatte, würde es ein schwerer Schlag für ihn sein, wenn Chris die Wahrheit erfuhr. Dass die Vorstellung, ihm weh zu tun, ihr selbst wehtat, erstaunte Tasha. In dem Moment begann sie, ihre Zwillingsschwester zu hassen. Sie würde es ihr nie verzeihen, dass sie Chris Calder verlassen hatte, als er sie am meisten gebraucht hatte. "Mrs. Calder, ich würde Ihren Sohn niemals wissentlich verletzen", erklärte sie leidenschaftlich. Elaine Calder kam auf sie zu und nahm ihre Hand. "Das weiß ich, meine Liebe." Tasha seufzte, überrascht über die Intensität ihrer Gefühle. Vermutlich war es der Ärger, der sich über Jahre hinweg angestaut hatte und nun hochgekommen war. "Vergewissern Sie sich
selbst, wie es ihm geht. Ich suche in der Zwischenzeit Dr. Cooper", schlug sie vor, was bei den Calders auf Zustimmung stieß. Kurz darauf kam sie mit Dr. Cooper zurück, die Chris' Eltern mit in ihr Büro nahm, um sie über den Stand der Dinge zu informieren. Tasha blieb bei Chris, bis die beiden zurückkamen, und fuhr dann auf ihren Vorschlag hin widerstrebend nach Hause. Als sie eine halbe Stunde später ihr Apartment betrat, hatte sie kaum noch die Kraft, zu duschen und ihr Nachthemd anzuziehen. Völlig erschöpft legte sie sich ins Bett und dachte beim Einschlafen an einen Mann mit silbergrauen Augen. Als er sie angeblickt hatte, schien er tief in ihre Seele gesehen zu haben. Nun träumte sie von ihm und verspürte dabei ein Gefühl des Verlusts. Als Tasha am nächsten Morgen bei hellem Sonne nschein aufwachte, fühlte sie sich zwar ausgeruht, verspürte aber dennoch eine seltsame innere Unruhe. Sie erinnerte sich noch undeutlich an das, was sie geträumt hatte, doch nach den Ereignissen des Vortags wäre es vielmehr überraschend gewesen, wenn sie nicht von Chris Calder geträumt hätte. Nachdem sie geduscht und ein klassisches Kostüm und eine weiße Bluse angezogen hatte, frühstückte Tasha und rief dann in ihrem Büro an. Sie war in einer großen Kanzlei tätig, wo sie in der Hierarchie noch ziemlich weit unten stand. Ihre Freundin Annie, die am Empfang saß, versprach Tasha, ihre Nachricht weiterzuleiten, dass sie sich verspäten würde. Da sie erst in einer Woche wieder einen Gerichtstermin hatte, konnten ihre anderen Termine problemlos verlegt werden. Schließlich nahm Tasha ihre Handtasche und ihre Aktenmappe und verließ ihre Wohnung. Sie war schon halb zur Tür heraus, als ihr einfiel, dass der Verlobungsring noch auf ihrem Nachttisch lag. Also holte sie ihn. Zuerst wollte sie ihn in ihre Handtasche tun, doch dann fiel ihr ein, dass alle im Krankenhaus glaubten, sie wäre mit Chris Calder verlobt, und es vermutlich seltsam finden würden, wenn sie den Ring nicht trug. Trotzdem fühlte sie sich unbehaglich dabei, ihn zu tragen. Schließlich eilte sie nach draußen, um den nächsten Bus zu bekommen. Normalerweise benutzte sie ihren Wagen, aber der war gerade in der Werkstatt. Da wie immer dichter Verkehr herrschte, erreichte sie das Krankenhaus später, als sie gehofft hatte. Sie erschrak zutiefst, als sie auf Chris' Zimmer zueilte und seine Mutter im Flur auf und ab gehen sah. Sobald diese sie bemerkte, kam sie auf sie zu. "Tasha, Gott sei Dank! Ich habe versucht, Sie anzurufen, aber Sie waren anscheinend schon weg." "Was ist los? Was ist passiert?" fragte Tasha entsetzt. Nein, er darf nicht tot sein! dachte sie. Der Gedanke daran ließ ihr das Blut in den Adern stocken. Noch nie war ihr so elend zumute gewesen wie in diesem Moment. Elaine atmete tief durch. "Kommen Sie mit, meine Liebe. Dr. Cooper möchte mit Ihnen reden, bevor Sie zu Chris gehen." Tasha war unfähig, sich zu rühren. "Er ist tot, stimmt's?" erkundigte sie sich ausdruckslos. Elaine schaute sie entsetzt an. "Nein! O Tasha, es tut mir leid. Ich wollte Sie nicht beunruhigen." Tasha musste kurz die Augen schließen, weil ihr plötzlich schwindelig war. Du meine Güte, sie hatte gedacht... Sie wurde blass und fragte sich, warum dieser Gedanke sie so erschüttert hatte. Schließlich kannte sie den Mann kaum. Es war lächerlich. Jeder würde glauben ... Sie riss sich zusammen. Es stimmte nicht. Sie liebte Chris Calder nicht! Sie fühlte sich lediglich für ihn verantwortlich, das war alles. In der Hoffnung, dass sie nicht so elend aussah, wie sie sich fühlte, schaute sie Elaine an. "Es geht ihm gut?" Als diese nickte, brachte Tasha sogar ein Lächeln zustande. "Ich habe wohl überreagiert."
Elaine tätschelte ihr die Hand und zog sie mit sich zu einer Tür, die sich ein Stück weiter den Flur entlang befand. "Wir neigen dazu, überzureagieren, wenn ein Mensch, den wir lieben, verletzt ist." Sie lächelte ihr vertraulich zu, woraufhin Tasha zusammenzuckte und sich ins Gedächtnis rief, dass sie nicht verliebt war. Dr. Cooper saß an ihrem Schreibtisch, auf dem sich Aktenberge türmten, und bedeutete ihnen, auf den Stühlen davor Platz zu nehmen. Dann beugte sie sich vor und blickte Tasha fest an. "Danke, dass Sie gekommen sind, Miss Larsen. Sicher werden Sie sich freuen zu hören, dass Mr. Calder vor einer halben Stunde das Bewusstsein wiedererlangt und nach Ihnen gefragt hat. Als er von seinen Eltern erfahren hat, dass Sie nicht da sind, hat er sich so aufgeregt, dass wir ihn ruhigstellen mussten. Offenbar dachte er, Sie seien tot und man wolle es ihm verschweigen." "Aber ich habe gestern abend mit ihm gesprochen", erwiderte Tasha bestürzt. Dr. Cooper zuckte die Schultern. "Anscheinend erinnert er sich nicht mehr daran. Das ist nicht ungewöhnlich. Allerdings verstehen Sie sicher, dass jegliche Aufregung seinen Genesungsprozess verzögert oder sogar verhindert." "Ja, das verstehe ich." Tasha nickte. "Wie kann ich ihm helfen?" "Es ist ganz einfach. Momentan schläft Ihr Verlobter, aber er wird über längere Zeiträume hinweg wach sein. Alles, worum ich Sie bitte, ist, dass Sie bei ihm sind, wenn er aufwacht, damit er weiß, dass Sie tatsächlich am Leben sind. Je öfter er Sie sieht, desto besser wird es ihm gehen. Können Sie das tun?" Nachdem sie noch vor wenigen Minuten mit dem Schlimmsten gerechnet hatte, atmete Tasha nun erleichtert auf. "Natürlich", erklärte sie sich sofort bereit. "Zum Glück habe ich heute keinen Gerichtstermin. Ich rufe im Büro an und nehme mir heute frei." "Sie sind Anwältin?" rief Elaine. Tasha lächelte ironisch. "Ja, aber Chris kann ich nicht das Wasser reichen." "Komisch, dass er uns nichts davon gesagt hat ... Aber das spielt auch keine Rolle. Für uns ist es jetzt das wichtigste, dass er wieder gesund wird, stimmt's, meine Liebe?" Elaine schenkte ihr ein strahlendes Lächeln, und Tasha nickte. Erst jetzt wurde ihr klar, dass sie keine Ahnung hatte, was Natalya Chris alles über sich erzählt hatte. Im nächsten Moment ertönte Dr. Coopers Piepser, und sie nahm ihn aus der Tasche und griff zum Telefon. "Bitte entschuldigen Sie mich." Elaine und Tasha standen auf und gingen zu Chris' Zimmer. "Ich habe gestern abend Evan und Alison angerufen, um ihnen zu sagen, dass Chris außer Lebensgefahr ist", meinte Elaine im Plauderton und hakte Tasha unter. "Evan und Alison?" wiederholte Tasha verständnislos. Elaine wirkte überrascht. "Chris" Bruder und Schwester. Er muss Ihnen doch von ihnen erzählt haben." Tasha zuckte innerlich zusammen. Natürlich hatte er es seiner Verlobten erzählt. Deshalb wusste sie es ja auch nicht. "Ach ja", erwiderte sie lachend. "Ich war mit meinen Gedanken ganz woanders." "Schon gut, meine Liebe, ich verstehe das. Sie haben viel durchgemacht. Außerdem kennen Sie Chris noch nicht so lange. Man könnte sagen, er hat Sie im Sturm erobert!" fügte Elaine lachend hinzu. Wenn sie wüsste was für eine Untertreibung das ist, dachte Tasha. Ich weiß nicht einmal, wann wir uns kennengelernt haben sollen. Ich gehe mit verbundenen Augen durch einen Raum voller Fallstricke. "Hat Sie das überrascht?" fragte sie. Elaine verzog das Gesicht. "Nur ein bisschen. Schließlich ist Chris erst vor knapp einem Monat hierher nach Denver gekommen, um seinem Vater zuliebe einen Fall zu übernehmen. John hat die familieneigene Kanzlei geleitet, bis er sich vor einem Jahr zur Ruhe gesetzt hat.
Der Klient ist ein alter Freund der Familie. Jedenfalls war ich ein wenig überrascht, als Chris uns kurz nach seiner Ankunft in Denver anrief, um uns mitzuteilen, dass er eine Frau kennengelernt hatte, die er heiraten wollte. Ich muss zugeben, dass ich mir Sorgen gemacht habe, aber jetzt, da ich Sie kennengelernt habe, bin ich beruhigt", fügte sie herzlich hinzu. Tasha stöhnte insgeheim auf. Es wurde immer komplizierter, doch momentan sah sie keinen Ausweg. Daher versuchte sie, sich auf das zu konzentrieren, was sie gerade erfahren hatte. Chris kannte Natalya erst knapp vier Wochen. Elaine hatte recht. Er hatte Natalya im Sturm erobert, aber während er sich in sie verliebt hatte, empfand sie nichts für ihn. Offenbar hatte er geglaubt, das Glück gefunden zu haben, doch er würde bald erfahren, dass es nur Schmerz war.
2. KAPITEL
Einige Stunden später stand Tasha am Fenster von Chris' Zimmer und blickte nach draußen. Chris hatte sich einige Male bewegt, war aber nicht aufgewacht. Eine halbe Stunde zuvor hatte sie seine Eltern überredet, sich ein wenig auszuruhen und irgendwo etwas zu essen. "Natasha?" Obwohl er nur flüstern konnte, hörte sie ihn doch. Sie schloss die Augen, denn vor diesem Moment hatte sie sich gefürchtet. Dennoch gab sie sich einen Ruck, wandte sich vom Fenster ab und ging zum Bett. "Ich bin hier", sagte sie ruhig, doch das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Als Chris sie ansah, bekam Tasha ganz weiche Knie. Es wäre so leicht gewesen, sich in seinen Augen zu verlieren, und bei dem Gedanken daran wurde ihr heiß. Das kann nicht sein, sagte sie sich. Ich bin eine vernünftige Frau. Also warum bin ich dann so durcheinander? Chris streckte die Hand aus, und als sie sie ergriff, verspürte sie ein so starkes Prickeln, dass sie unwillkürlich den Atem anhielt. Daraufhin schaute er sie erstaunt an. Er hatte es also offenbar auch gemerkt. Amüsiert blinzelte er ihr zu. "Es ist erstaunlich, was ... passieren kann, wenn man ... dem Tod ins Auge gesehen hat." Wegen seiner gebrochenen Rippen atmete er ganz vorsichtig. "Was?" fragte sie verwirrt. Chris atmete tief durch und zuckte zusammen, weil es wehtat. "Als ich dich eben berührt habe, habe ich ... gemerkt, dass ich nicht tot bin." Er schaute nach unten, und erst als sie seinem Blick folgte, begriff sie, was er meinte. Das Blut schoss ihr in die Wangen. Am liebsten wäre sie vor ihm zurückgewichen, aber er hielt ihre Hand immer noch fest. "Vielleicht sollte ich die Schwestern bitten, dir etwas in den Tee zu tun", schalt sie ihn, woraufhin er lachte und dann aufstöhnte. "Chris?" erkundigte sie sich beunruhigt, doch er schüttelte den Kopf. "Alles in Ordnung." Nach einer Weile warf er ihr einen vorwurfsvollen Blick zu. "Es ist deine Schuld ... Du hast damit angefangen." "Meine Schuld?" Sie wünschte, er würde endlich ihre Hand loslassen, denn so konnte sie keinen klaren Gedanken fassen. "Du hättest mich nicht ... ansehen dürfen, als wolltest du mich ... verschlingen", erklärte er stockend. "Das habe ich nicht!" protestierte sie schwach. "Doch, hast du. Aber keine Angst... Es hat mir gefallen." Tasha hätte sich am liebsten in einem Mauseloch verkrochen, denn sie fürchtete, dass er recht hatte. "Das ist absurd. Ich ... ich bin hergekommen, damit es dir bald besser geht." "Es hat funktioniert." Sie biss sich auf die Lippe und wandte den Blick ab. Verzweifelt fragte sie sich, wie sie das durchstehen sollte. Schließlich räusperte sie sic h nervös. "Würdest du dich bitte benehmen?" "Viel mehr ... kann ich nicht tun, stimmt's?" Tasha verdrehte die Augen. "Was soll ich bloß mit dir machen?" "Ich wüsste da etwas, aber ... ich glaube, dazu bin ich nicht... in der Lage." Nun musste sie lachen. "Du bist unverbesserlich!" "Das ...macht mir Mut." Seufzend betrachtete sie sein schmerzverzerrtes Gesicht. "Wie fühlst du dich?" Ein Lächeln umspielte seine Lippen. "Ich fühle mich, als wäre ich ... von einem Auto angefahren worden." Tasha hielt den Atem an. Wie konnte Chris Witze darüber machen? "Wolltest du damit beweisen, dass du außerhalb des Gerichtssaals genauso unbesiegbar bist?" Kaum hatte sie die
Worte ausgesprochen, schämte sie sich zutiefst. Schließlich glaubte er, er hätte ihr das Leben gerettet. Doch er wirkte nicht im mindesten gekränkt. "Darüber ... beraten die Geschworenen noch." Wieder errötete sie. "Tut mir leid, das hätte ich nicht sagen sollen." "Macht nichts. Ich mag es ... wenn du wütend auf mich bist." "Es war undankbar." "Wenn es mir besser geht ... kannst du dich richtig bei mir entschuldigen. Was ... hältst du davon?" Als sie ihm in die Augen sah, stöhnte sie insgeheim auf und fragte sich wieder verzweifelt, was mit ihr los war. Sie musste sich zusammenreißen. Daher warf sie ihm eine n betont kühlen Blick zu. "Ich werde darüber nachdenken." "Ich auch." Sein Tonfall ließ sie erschauern. "Am liebsten würde ich dich schlagen!" brauste sie auf und entzog ihm die Hand, da Chris seinen Griff etwas gelockert hatte. Dann ging sie zum Fußende des Betts und wandte ihm den Rücken zu. Ungläubig hörte sie, wie er lachte. "Du würdest doch ... keinen Kranken schlagen, oder?" Tasha wirbelte herum, um etwas zu erwidern, überlegte es sich aber anders. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete ihn drohend. "Führe mich nicht in Versuchung!" Nun trat ein Ausdruck in seine Augen, der sie förmlich elektrisierte. "Es ist gut zu wissen, ... dass ich es kann", sagte Chris rau. "Chris Calder, ich ..." Frustriert verstummte sie. "Was machst du bloß mit mir?" "Dasselbe, was ... du mit mir machst." Tasha begann, nervös im Zimmer auf und ab zu gehen. "Bevor ich dich kennengelernt habe, war ich ein ganz normaler, vernünftiger Mensch." Und wenn sie normal bleiben wollte, musste sie so schnell wie möglich wieder aus seinem Leben verschwinden. "Dito", erwiderte er undeutlich, woraufhin sie ihn ansah. Als sie merkte, dass er zusammenzuckte, ging sie sofort zu ihm. "Was ist los? Hast du Schmerzen?" erkundigte sie sich besorgt. "Mein Mund ... ist ganz trocken", brachte er hervor. "Ich hole lieber die Schwester, weil ich nicht weiß, was du trinken darfst." Sie drückte auf die Klingel. "Meine Eltern ... Waren sie hier?" Jetzt merkte sie, wie erschöpft er war. Unwillkürlich strich sie ihm das Haar aus der Stirn. "Ja, sie waren hier, aber sie sind vorhin weggegangen, um etwas zu essen. Sie kommen bald wieder." Im nächsten Moment erschien die Schwester, und kurz nachdem sie ihn versorgt hatte, schlief Chris wieder ein. Tasha ließ sich auf den nächsten Stuhl sinken und betrachtete sein Profil. Seine langen Wimpern verliehen ihm etwas Jungenhaftes und ließen ihn verletzlich erscheinen. Jetzt, da er schlief, konnte sie endlich in Ruhe nachdenken. Sie hatte ihn beruhigen wollen, doch zwischen ihnen hatte sich ein Gespräch entwickelt, das voller versteckter Andeutungen gewesen war. Und sie hatte es auch noch genossen! Ihr war die Kehle wie zugeschnürt, und Tasha schluckte krampfhaft. Sie wusste, was mit ihr geschah, denn schließlich war sie nicht naiv. Am vergangenen Abend hatte sie es nicht wahrhaben wollen, aber nun konnte sie es nicht mehr leugnen. Sie hatte sich in Chris Calder verliebt. Anders konnte sie es sich nicht erklären. Bisher hatte sie nicht an die Liebe auf den ersten Blick geglaubt, doch als sie ihm in die Augen geschaut hatte, hatte sie sich darin verloren. In den Augen eines Mannes, der sie für ihre Schwester hielt.
Bei dem Gedanken daran stockte ihr das Blut in den Adern. Es war ein Alptraum, und sie musste ihn beenden. Es war ganz einfach. Sie durfte nur nicht vergessen, dass Chris nicht sie begehrte. Sie musste einen klaren Kopf behalten, auf Abstand zu ihm gehen und ihm in einigen Tagen die Wahrheit sagen. Damit wäre dann alles beendet. Tasha verdrängte die Traurigkeit, die sie bei dem Gedanken daran überkam, und begann, in der Zeitschrift zu blättern, die Elaine dagelassen hatte. Als die Calders einige Stunden später zurückkamen, schilderte Tasha ihnen, was inzwischen passiert war. "Und seitdem hat er sich nicht mehr bewegt? Dann hat er sich endlich beruhigt", erklärte Elaine erleichtert. Tasha lächelte. Da sie die Calders mochte, tat es ihr wirklich leid, dass sie ihnen nicht die Wahrheit sagen konnte. Sie hoffte nur, dass sie später Verständnis für ihr Verhalten aufbringen würden. John Calder lächelte sie an und erinnerte sie damit einmal mehr an Chris. "Wenn er noch einige Tage Ihr hübsches Gesicht sieht, wird er völlig vergessen, dass er in einen Unfall verwickelt wurde", meinte er. "Mein Aussehen ist oft eher hinderlich", erwiderte sie trocken, woraufhin er verständnisvoll nickte. "Elaine hat mir erzählt, dass Sie Anwältin sind. Sicher werden Sie als Frau oft diskriminiert. Viele Männer fühlen sich von attraktiven, intelligenten Frauen bedroht." Sie verzog das Gesicht. "Aber Sie nicht." Er nickte. "Ich nicht. Ich habe zuviel Respekt vor klugen Frauen. Und mein Sohn auch." "Wenn er Ihnen auch nur im Entferntesten ähnelt, bezweifle ich das nicht", meinte sie, während sie ihre Sachen zusammen zu sammeln begann. Beide Calders lachten. "John ist auch empfänglich für Komplimente, genau wie Chris." Elaine half ihr in den Mantel. "Danke für Ihre Hilfe, meine Liebe. Sehen wir uns heute abend?" Tasha bekam wieder Gewissensbisse, weil die beiden sie wie ein Familienmitglied behandelten. Trotzdem blieb ihr nichts anderes übrig, als zuzustimmen. "Ich komme später wieder, aber vorher muss ich noch etwas erledigen." Sie küsste Elaine auf die Wange, bevor sie das Zimmer verließ. Vor ihr lag keine angenehme Aufgabe. Sie musste ihre Schwester besuchen und ein letztes Mal versuchen, sie umzustimmen. Um seinetwillen wollte sie zwar nicht, dass Natalya zu Chris zurückkehrte, doch das lag nicht bei ihr. Wenn er ihre Schwester wollte, musste sie es zumindest probieren. Tasha nahm sich ein Taxi und fuhr zu dem schicken Apartmentkomplex, in dem Natalya wohnte. Da der Sicherheitsbeamte zu den wenigen Leuten gehörte, die wussten, dass Natalya und sie Zwillinge waren, erkannte er sie an ihrer Frisur. Allerdings winkte er sie nicht durch, sondern rief sie zu sich. . "Tut mir leid, Miss Larsen, Ihre Schwester ist nicht da." Das überraschte sie nicht im mindesten. "Wissen Sie, wann sie wiederkommt?" "Nein, Ma'am. Ich meine, sie ist gegangen." "Gegangen?" Der Mann blickte unbehaglich drein. "Sie hat ihre Sachen gepackt, ihre Miete bezahlt und heute morgen die Stadt verlassen. Tut mir leid, Ma'am." Verblüfft schüttelte sie den Kopf. "Schon gut. Sie können ja nichts dafür, dass sie es mir nicht gesagt hat. Hat sie zufällig erwähnt, wohin sie fahren wollte?" "Sie hat nur gesagt, an die Küste." Er zuckte bedauernd die Schultern. "Soll ich Ihnen ein Taxi rufen?" "Ja, danke. Ich warte draußen."
Das ging ja schnell, dächte Tasha, als sie wenige Minuten später draußen auf der niedrigen Mauer saß und auf das Taxi wartete. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass ihre Schwester so schnell handeln oder die Stadt verlassen würde, ohne sich von ihr zu verabschieden. Allerdings hatte Natalya schon immer gemacht, was sie wollte. Eine Frau, die ihren schwerverletzten Verlobten verließ, war zu allem fähig. Natalya wollte nichts mehr mit Chris zu tun haben. Obwohl Tasha deswegen Gewissensbisse hatte, konnte sie nicht leugnen, dass sie sich darüber freute. Was ihre Schwester betraf, so hatte sie alles versucht. Sie musste selbst entscheiden, was nun passierte. Jedenfalls' brauchte sie nicht zu befürchten, ihr das Herz zu brechen, denn Natalya hatte überhaupt keins! Tasha war davon überzeugt, dass sie ihre Gefühle mittlerweile im Griff hatte. Es war Freitag nachmittag, und sie hatte Chris jeden Tag mehrmals im Krankenhaus besucht - inzwischen wieder mit ihrem Wagen. Von der verheerenden Anziehungskraft spürte sie nun nichts mehr, obwohl sie sich seiner Gegenwart nach wie vor überdeutlich bewusst war. Vielleicht liegt es daran, dass er meistens geschlafen hat oder wir nicht allein waren, dachte sie. Sie hatte sich in ihre Arbeit gestürzt, um sich ein wenig abzulenken, und dass es ihr gelungen war, hatte sie in der Meinung bestärkt, dass sie nicht in Chris verliebt sein konnte. An diesem Tag hatte sie etwas früher mit der Arbeit aufgehört, damit John und Elaine einige Besorgungen machen konnten, und Blumen mitgebracht, damit das Krankenzimmer nicht mehr so trist wirkte. Die meisten Geräte waren mittlerweile nicht mehr in Betrieb, und Dr. Cooper hatte ihnen mitgeteilt, dass Chris am nächsten Tag in ein normales Zimmer verlegt werden würde. Leise vor sich hin summend, arrangierte Tasha gerade die Blumen in der Vase, als Chris sich zu Wort meldete. "Was hast du mit deinem Haar gemacht?" Da sie geglaubt hatte, er würde schlafen, zuckte sie erschrocken zusammen. "Du hast mich zu Tode erschreckt." Sie presste sich die Hand auf die Brust, als sie sich zu ihm umdrehte. "Tut mir leid", meinte er ungerührt und zeigte ihr zum ersten Mal sein attraktives Lächeln, so dass ihr ganz heiß wurde. Fasziniert betrachtete sie das Grübchen in seiner Wange, dessen Anblick ihr Herz schneller schlagen ließ. Sie hatte ihm nicht in die Augen schauen wollen, aber schließlich tat sie es doch, und als sie den verlangenden Ausdruck darin sah, stockte ihr der Atem. Sie lächelte befangen und befeuchtete sich nervös die Lippen mit der Zunge. Chris betrachtete sie dabei so gebannt, dass ihr Magen sich zusammenkrampfte. Die Atmosphäre war plötzlich äußerst spannungsgeladen. "Ich war mit meinen Gedanken ganz woanders", erklärte Tasha heiser. "Ich summe immer, wenn ich mich auf etwas konzentriere." "Das habe ich gemerkt." Chris atmete flach, damit es nicht so weh tat. Einen Moment blickten sie sich schweigend an, und Tasha war, als würde etwas ganz Elementares zwischen ihnen passieren. "Und?" fügte er lächelnd hinzu. "Und was?" erwiderte sie. Er hob die Hand und zuckte vor Schmerz zusammen. "Dein Haar." Verwirrt berührte sie ihr Haar. Erst dann wurde ihr klar, was er meinte. Sie hatte ganz vergessen, dass Natalya ihr Haar immer lang trug. "Oh, ich ... Es hat mich gestört, deshalb habe ich es abschneiden lassen." "Schade. Ich habe davon geträumt, mein Gesicht hineinzuschmiegen, wenn wir uns lieben." Tasha errötete verlegen. "Chris!" Sie fand die Vorstellung unglaublich erregend. "Sag das noch mal." Als er diesmal stöhnte, war es nicht vor Schmerz. Es war, als hätte er all ihre Sinne geweckt. So etwas hatte sie noch nie erlebt. "Was soll ich sagen?" flüsterte sie. "Meinen Namen. Es klingt so verdammt sexy, wenn du ihn aussprichst."
In diesem Moment setzte ihr Verstand völlig aus, und sie bekam weiche Knie. "Flirtest du etwa mit mir?" fragte sie atemlos. Seine Augen funkelten verlangend. "Weißt du es nicht?" Obwohl sie einige Meter entfernt von ihm stand, schien es ihr, als würde er sie berühren. "Hältst du ... hältst du das für klug?" Chris stöhnte. "Wahrscheinlich ist es nicht besonders klug, aber ich wollte mich vergewissern, dass ich noch dazu in der Lage bin." "Das bist du, glaub mir", versicherte sie scharf und brachte ihn damit zum Lachen. Sofort bereute sie es, denn er hatte offenbar wieder Schmerzen. "Ist alles in Ordnung?" "Mir wäre es lieber, wenn du herkommen würdest", gestand er und streckte die Hand aus. Sie ging zu ihm, und als sie seine Hand nahm, elektrisierte die Berührung sie förmlich. "Erstaunlich, nicht?" meinte er leise. "Merkst du..." begann sie, doch dann versagte ihr die Stimme. Chris nickte. "Ich muss ständig daran denken, was ich verpasst hätte, wenn ich gestorben wäre." Wenn er gestorben wäre ... Bei der Vorstellung erschauerte Tasha. "Was ist los, Natasha?" erkundigte er sich besorgt. "Du hättest sterben können", erklärte sie ausdruckslos. Erst in diesem Moment wurde ihr bewusst, wieviel er ihr bedeutete und dass sie ihn beinah verloren hätte, bevor sie ihn überhaupt gefunden hatte. Mittlerweile konnte sie sich ein Leben ohne ihn gar nicht mehr vorstellen, und das machte ihr angst. Er umschloss ihre Hand. "Denk nicht darüber nach, Schatz. Ich lebe ja noch", fügte er nachdrücklich hinzu. Wie gebannt schaute sie ihn an. Obwohl er in einem Krankenhausbett lag, sah man ihm an, dass er ein starker Mann war. Ja, er war am Leben, und darüber war sie sehr glücklich. "Das freut mich." Da sie wusste, dass sie jetzt nicht mehr hätte ertragen können, wechselte sie das Thema. "Du hast mir noch gar nicht gesagt, ob dir meine neue Frisur gefällt." Nachdem er sie einen Moment lang geistesabwesend betrachtet hatte, nickte er. "Sie steht dir." Tasha lächelte. "Danke. Sehr taktvoll." Später würde sie darüber nachdenken, was sie entdeckt hatte, aber nicht jetzt. "Stets zu Diensten", scherzte er und brachte sie damit zum Lachen. Ihr Blick fiel auf sein Kinn. "Du hast anscheinend beschlossen, dir einen Dreitagebart stehen zu lassen. Es macht dich unglaublich ..." Sie verstummte, doch es war zu spät. Chris wusste offenbar genau, was sie hatte sagen wollen. "Sehr geschickt, so etwas zu sagen, wenn ich ganz schwach bin und nichts dagegen tun kann." Interessiert betrachtete er ihre geröteten Wangen. "Du trägst kein Make-up." Diesmal zuckte Tasha nicht mit der Wimper, obwohl sie ganz vergessen hatte, dass Natalya nie ungeschminkt vor die Tür ging. "Ich fand, dass es albern aussieht, wenn ich aufgedonnert wie ein Filmstar im Krankenhaus auftauche", improvisierte sie schnell. Sie ho ffte, er kannte Natalya nicht gut genug, um zu wissen, dass diese genau das getan hätte. Und tatsächlich gab er sich mit der Antwort zufrieden. "Ich frage mich, warum du dich überhaupt schminkst. Du bist auch ohne Make- up schön. Diese Augen!" Unter seinem Blick stockte ihr der Atem. Ihr ging es mit Chris genauso. Immer wenn sie ihm in die Augen sah, wollte sie sich darin verlieren ... "Du bist ja wach, Schatz!" ließ Elaine Calder sich in diesem Moment von der Tür her vernehmen, und damit war der Bann gebrochen. Tasha wich schnell zurück, als Elaine ans Bett ging und Chris einen Kuss auf die Wange gab. "Au! Du könntest eine Rasur vertragen!"
"Eine der Schwestern hat mir schon angeboten, mich zu rasieren, aber mir wäre es lieber, wenn Dad es tun würde." Tasha, die sich diskret zurückgezogen hatte, drehte sich daraufhin wieder zu ihm um. "Erzähl mir nicht, dass du ablehnen würdest, wenn die hübsche kleine Blondine es dir anbieten würde. Immer wenn sie dein Zimmer betritt, macht sie dir schöne Augen", neckte sie ihn. "Eifersüchtig?" Sie zog die Augenbrauen hoch. "Sollte ich das sein?" "Ach, ihr!" Elaine seufzte nachsichtig. "Jeder, der nur halbwegs bei Verstand ist, sieht doch, dass ihr beide verrückt nacheinander seid. Wenn ich euch jetzt einen Moment unterbrechen dürfte ... Sag mir, wie es dir heute geht", fügte sie an Chris gewandt hinzu, während sie ihn aufmerksam betrachtete. "Als hätte ich mit Tyson geboxt", erwiderte er und brachte damit alle zum Lachen. Tasha entging allerdings nicht, dass seine Züge ange spannt wirkten. Sie konnte nicht annähernd nachempfinden, wie stark seine Schmerzen waren, und sie bewunderte seinen Mut. In den nächsten Tagen würde er ihn brauchen. John Calder legte seinem Sohn die Hand auf die Schulter. "Kämpfe nur weiter, mein Sohn. Und mach dir keine Sorgen. Ich werde nächstes Mal einen Rasierapparat mitbringen." "Danke, Dad." "Hat Tasha sich gut um dich gekümmert, als wir weg waren?" fragte Elaine, während sie unnötigerweise über die ohnehin glatte Decke strich. Chris hielt ihre Hand fest. "Lass nur, Mom! Ach, und noch etwas. Warum nennst du sie immer Tasha?" Sein Tonfall war etwas schärfer geworden, vermutlich aufgrund seiner Schmerzen. Seine Eltern wirkten ziemlich verdutzt. "Tust du es denn nicht?" Verwirrt wandte Elaine sich an Tasha. Tasha fragte sich, wie sie so dumm hatte sein können, den beiden ihren Namen zu sagen und ihm nicht. Sie nahm die Vase und ging zu seinem Nachttisch, um sie darauf zu stellen. "Deine Eltern nennen mich Tasha, weil es die Kurzform von Natasha ist", erklärte sie gelassen. Dann trat sie zurück und verschränkte die Arme vor der Brust, um die Blumen zu betrachten. Ihr Herz klopfte schneller, als sie schließlich Chris anschaute und seinem fragenden Blick begegnete. "Warum hast du mir das nicht vorher gesagt?" erkundigte er sich verblüfft. Tasha zuckte die Schultern. "Ich dachte, du würdest lieber Natasha zu mir sagen." Dass er sie daraufhin verständnislos ansah, wunderte sie nicht. "Ich wusste nicht, dass ich die Wahl hatte." Als sie seine Eltern anblickte, stellte sie fest, dass diese verwirrt wirkten. Verdammt! dachte sie und lächelte Chris an. "Spielt es denn eine Rolle, Schatz?" Er räusperte sich. "Anscheinend gibt es noch vieles, was wir nicht voneinander wissen. Und nein, es spielt keine Rolle. Jetzt, da du einen anderen Haarschnitt hast und ungeschminkt bist, passt ,Tasha' besser zu dir." "Das freut mich", erwiderte sie mit bebender Stimme. Schließlich richtete sie sich auf und wandte sich ab, damit er nicht sah, dass sie errötet war. Sein Blick war beunruhigt gewesen, und es machte sie verlegen, dass sie, Tasha Larsen, einen Mann wie Chris Calder aus der Fassung bringen konnte. Sie blieb bei ihm, bis er wieder eingeschlafen war, und auf dem Nachhauseweg hielt sie an einem Einkaufszentrum, um einige Besorgungen zu machen. Da sie aufgrund der Erkenntnis, eine gewisse Macht über Chris zu haben, ganz beschwingt war, machte ihr das Einkaufen ausnahmsweise sogar Spaß. Doch als sie irgendwann ein Glas Mayonnaise aus dem Regal nehmen wollte, hielt sie inne.
Was mache ich eigentlich? fragte sie sich. Chris flirtet nur mit mir, weil er mich für Natalya hält. Dieser Gedanke ernüchterte sie sofort. Sie hatte sich in den Verlobten ihrer Schwester verliebt, und daher gab es keine gemeinsame Zukunft für sie. Wenn er die Wahrheit über Natalya erfuhr, würde er sie hassen. Und selbst wenn er sie, Tasha, nicht hassen würde, bedeutete es noch lange nicht, dass er sie liebte. Er fühlte sich lediglich zu ihr hingezogen. In dem Moment wurde Tasha klar, dass sie sich wie eine Närrin benommen hatte. Es tat weh, aber sie hatte ihren Stolz. Sie konnte zwar nicht so tun, als würde Chris sie kaltlassen, doch er brauchte ja nicht zu erfahren, wie tief ihre Gefühle für ihn waren. Nachdem sie ihre Einkäufe grimmig entschlossen beendet hatte, fuhr sie nach Hause. Ihr Apartment lag zwar nicht in einer schicken Gegend, war aber sehr gemütlich. Sie stellte die Tüten auf den Küchentresen und wollte gerade ins Bad gehen, um zu duschen, als ihr Blick auf den Anrufbeantworter fiel, dessen Leuchtanzeige blinkte. Daher ging sie zuerst ins Wohnzimmer und hörte ihn ab. "Hallo, hier ist Annie. Ich wollte nur fragen, ob mit heute abend alles in Ordnung geht. Bye." Tasha fasste sich an die Stirn. Stevie! Sie hatte ihn ganz vergessen. Er war Annies zehnjähriger Sohn, und sie hatte ihn aus Anlass seines Geburtstages für diesen Abend zu einem Baseballspiel eingeladen. Die Eintrittskarten hatte sie schon vor einer Ewigkeit gekauft. Für sie war es eine willkommene Ablenkung. Sie hatte zwar vorgehabt, zu Chris ins Krankenhaus zu fahren, doch nun konnte sie damit anfangen, wieder Ordnung in ihr Leben zu bringen. Entschlossen setzte sie sich auf den nächstbesten Stuhl und griff zum Telefon. Elaine nahm den Anruf entgegen, nachdem eine Schwester sie an den Apparat geholt hatte. "Tasha? Ist alles in Ordnung?" "Ja, mir geht es gut, Elaine. Ich habe nur vergessen, Ihnen etwas zu sagen. Ich kann heute abend nicht kommen, weil ich mit einem Freund zu einem Baseballspiel gehe. Er hat Geburtstag, und deswegen kann ich nicht absagen." Tasha wusste selbst nicht, warum sie nicht erwähnt hatte, dass es sich bei dem Freund um einen Schuljungen handelte, doch vielleicht würde es ihr irgendwann zugute kommen, wenn Chris glaubte, sie hätte einen Freund. "Natürlich nicht. Chris wird enttäuscht sein, aber er wird es sicher verstehen", erklärte Elaine, obwohl ihr Tonfall ihre Worte Lügen strafte. Tasha wollte keine Schuldgefühle verspüren. "Richten Sie ihm bitte aus, dass wir uns morgen sehen", meinte sie kühl, bevor sie auflegte. Sie seufzte und blieb sitzen, obwohl sie es eigentlich eilig hatte. Bisher hatte sie immer geglaubt, die Liebe wäre etwas Wundervolles, aber offenbar hatte sie sich getäuscht. Es tat verdammt weh. Schließlich ging sie mit Stevie zum Spiel, denn ihrer Meinung nach hatte es keinen Sinn, Trübsal zu blasen. Außerdem wollte sie dem Jungen nicht den Abend verderben. Und tatsächlich amüsierte sie sich genauso wie er, und es tat ihr richtig gut, mit der Menge zu schreien und die Spieler anzufeuern. Für kurze Zeit vergaß sie all ihre Probleme und war genauso begeistert wie ihr Begleiter, als ihr Team gewann. "Mann, das war super!" verkündete er, als sie zusammen das Stadion verließen. "Es hat dir also Spaß gemacht?" fragte sie lächelnd, obwohl sie die Antwort bereits kannte. Er grinste. "Das war das beste Geburtstagsgeschenk, das ich je bekommen hab'. Ich muss es unbedingt Mom erzählen." Annie, die alleinerziehend war, hasste Baseball, ging aber trotzdem mit ihm zu jedem Spiel der Juniorenliga, weil sie nicht wollte, dass er etwas verpasste. "Hast du Lust, noch einen Kaffee mit mir zu trinken?" erkundigte sie sich, als Tasha Stevie eine Stunde später bei ihr absetzte.
Tasha hatte eigentlich ablehnen wollen, änderte jedoch ihre Meinung. Vielleicht würde es ihr guttun, mit Annie zu reden. "Hast du Brownies gemacht?" fragte sie, während sie ihr in die Küche folgte. "Ich ahne etwas." Annie lächelte, wurde aber gleich wieder ernst, als Tasha keine Miene verzog. "Sicher ist es ein Mann", fuhr sie seufzend fort. Dann tat sie Instantkaffee in zwei Becher und stellte einen Teller mit Brownies auf den Tisch. "Warum sagst du das?" entgegnete Tasha herausfordernd, als sie sich setzte. Annie lachte trocken. "Weil nur ein Mann dahinter stecken kann, wenn eine Frau so dreinschaut wie du." Nachdem sie ihr einen Becher gereicht hatte, nahm sie ihr gegenüber Platz. "Also, habe ich recht?" Tasha wusste, dass sie ihrer Freundin nichts vormachen konnte. "Ja", erwiderte sie daher. "Kenne ich ihn?" Tasha nahm einen Brownie und biss hinein. "Nein, du kennst ihn nicht." "Sieht er gut aus?" Als Tasha Chris im Geiste vor sich sah, krampfte sich ihr Herz zusammen. "Wenn du es unbedingt wissen willst ... Er ist einfach phantastisch." Annie stützte das Kinn auf. "Wo ist das Problem? Ist er verheiratet?" Tasha seufzte tief. "Er ist verlobt. Mit Natalya." "Mit deiner Schwester?" fragte Annie verblüfft. Sie war Natalya erst einmal begegnet, als diese ins Büro gekommen war, um Tasha zu besuchen. Sie hatte sie unsympathisch gefunden. Tasha zögerte kurz, doch dann erzählte sie Annie die ganze Geschichte. Annie war, gelinde gesagt, entsetzt. Schließlich sprang sie auf. "Bitte entschuldige, aber deine Schwester ist ein Miststück." "Ich verzeihe dir", erwiderte Tasha, denn sie dachte genauso. "Wann willst du ihm die Wahrheit sagen?" "Bald. Sein Zustand wird von Tag zu Tag besser." Annie biss sich auf die Lippe. "Glaubst du ..." Tasha fuhr sich durchs Haar und betrachtete ihre Freundin ernst. Sie wusste genau, was Annie sagen wollte. "Nein." "Aber du bist ganz anders als Natalya. Sicher ..." Annie verstummte, als Tasha ihren Becher leerte und ebenfalls aufstand. "Man kann niemand dazu bringen, einen zu lieben, wenn er jemand anders liebt, Annie. Ich werde schon darüber hinwegkommen." "Ich weiß nicht. So habe ich dich noch nie erlebt. Es tut mir weh, dich so zu sehen." Tasha warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. "Ich gehe jetzt besser." Annie begleitete sie zur Tür und umarmte sie zum Abschied. "Wenn du darüber reden willst, weißt du ja, wo du mich erreichen kannst." Traurig blickte sie ihr nach. Auf dem Rückweg kam Tasha am Krankenhaus vorbei. Sie hatte das Schild eigentlich ignorieren wollen, doch je weiter sie fuhr, desto stärker wurde das Bedürfnis umzukehren. Sie wusste, dass es unvernünftig war, aber schließlich wendete sie und fuhr zurück.
3. KAPITEL
Als Tasha zu Chris' Zimmer ging, war es unnatürlich still im Krankenhaus. Auf der Türschwelle blieb sie stehen und schaute ins Zimmer. Nur die Lampe über dem Bett brannte noch. Es war spät, und Chris' Eltern waren offenbar schon vor Stunden in ihr Hotel zurückgekehrt. Als Tasha zu seinem Bett ging, gestattete sie sich den Luxus, Chris zu betrachten. Innerhalb kürzester Zeit war er ihr so wichtig geworden, dass es ihr angst machte. Sie seufzte traurig und streckte die Hand aus, um ihm eine Strähne aus der Stirn zu streichen. In dem Moment öffnete er die Augen und schaute sie an. "Ich wusste, dass du kommen würdest", sagte er leise. "Wirklich?" flüsterte sie, unfähig, den Blick abzuwenden. Chris war ihr so nahe, dass sie seine Körperwärme spürte, und ihr wurde ein wenig schwindelig, als sie seinen männlichen Duft wahrnahm. Noch nie zuvor hatte sie so intensive Gefühle verspürt. "Ja. Seit dem Unfall knistert es förmlich zwischen uns, Tasha. Ich weiß, dass du es auch merkst." Und ob sie es gemerkt hatte. Sie merkte es auch jetzt. "Chris, ich ..." protestierte sie halbherzig. "Willst du mich nicht küssen?" fragte er verführerisch. "Du weißt, dass du es willst, und allein der Gedanke daran bringt mich um den Verstand." Tasha fing an zu beben, als ihr Blick auf seinen Mund fiel, der nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt war. Chris wollte, dass sie ihn küsste, und sie sehnte sich schmerzlich danach, es zu tun. Doch plötzlich wurde ihr bewusst, dass es ein großer Fehler gewesen wäre, denn damit hätte sie alles nur noch schlimmer gemacht. Daher besann sie sich auf ihren gesunden Menschenverstand. Sie wollte gerade nein sagen, brachte aber kein Wort über die Lippen, als sie Chris wieder in die Augen schaute. "Tasha." Obwohl er ihren Namen lediglich flüsterte, ging es ihr durch und durch. Sie war unfähig, sich zu bewegen, und dachte nur daran, dass sie herausfinden wollte, wie es war, von ihm geküsst zu werden. Ihr Leben schien davon abzuhängen, und deshalb neigte sie langsam den Kopf. Als seine Lippen ihre berührten, traf es sie wie ein Blitz, und sie hielt unwillkürlich die Luft an. Chris atmete scharf ein und löste sich von ihr, um sie dann ein wenig fragend anzusehen. Daraufhin formte sie stumm mit den Lippen seinen Namen und küsste ihn wieder. Er umfasste ihren Kopf und hielt ihn fest, und die Welt schien in Flammen aufzugehen. Tasha war alles egal, sie wollte nur, dass er weitermachte. Sie ließ sich auf die Bettkante sinken und nahm nichts mehr wahr außer den herrlichen Gefühlen, die seine Küsse in ihr weckten. Ihr Herz klopfte wie verrückt, und sie fühlte sich fiebrig, denn ihr war gleichzeitig heiß und kalt. Erst als Chris vor Schmerz aufstöhnte, löste sie sich schwer atmend von ihm und betrachtete sein verzerrtes Gesicht. "Was ist los?" Du meine Güte, dachte sie, klinge ich wirklich so atemlos und leidenschaftlich? "Ich hatte ganz vergessen, dass ich an dieses verdammte Bett gekettet bin", brachte er hervor. "Ich habe versucht, mich zu bewegen." Tasha biss sich auf die Lippe und fragte sich, was sie sich bloß dabei gedacht hatte. Der Mann hatte sich die Rippen gebrochen, und sie legte sich auf ihn! "Es tut mir leid. Hast du dir weh getan?" Sie richtete sich auf und wollte aufstehen, aber er hielt sie fest. "Was glaubst du wohl? " fuhr er sie an. Nun wurde sie wütend. Sie dachte gar nicht daran, die Schuld allein auf sich zu nehmen!
"Schrei mich nicht an, Chris Calder. Du hast mich gebeten, dich zu küssen, falls du es vergessen haben solltest." Und wie er sie geküsst hatte! Sie würde es niemals vergessen, und sie hatte das Gefühl, dass nie wieder jemand sie so küssen würde. "Tatsächlich?" erkundigte Chris sich sanft, während er ihre geröteten Wangen betrachtete. Tasha versuchte, stark zu bleiben. '" Was soll das heißen?" "Es heißt, dass ich mehr bekommen habe, als ich erwartet hatte." "Ach ja?" Wieder überlegte sie, warum sie so atemlos klang. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. "Ja." Einen Moment lang schaute sie woanders hin, um sich zu sammeln. Dann sah sie ihn wieder an. "Wieviel mehr?" "Oh, ungefähr hundert Prozent mehr", erwiderte er. "So haben wir uns noch nie geküsst." Ihr Herz begann erneut, schneller zu klopfen, diesmal jedoch aus einem anderen Grund. "Noch nie?" Nun nahm er auch ihre andere Hand. "Nein, noch nie. Ich weiß nicht, warum, aber seit dem Unfall sprühen zwischen uns die Funken. Ich kann es mir nicht erklären, und ich will es auch gar nicht versuchen. Irgendetwas ist mit mir - mit uns - passiert. Nicht, dass es mir vorher keinen Spaß gemacht hat, dich zu küssen, aber du musst zugeben, dass es jetzt viel besser ist." Tasha verspürte plötzlich eine unbändige Freude. Es war unglaublich. "Ja, es ist besser", bestätigte sie und lachte atemlos. Sie musste wirklich aufpassen, dass sie sich nicht verriet, bevor sie .Gelegenheit zum Nachdenken gehabt hatte. "Ich bin auch überrascht." Fasziniert beobachtete sie, wie er amüsiert den Mund verzog. "Wenigstens war es eine angenehme Überraschung", meinte er, während er mit dem Daumen ihre Hand zu streicheln begann. Als er dabei den Verlobungsring berührte, hob er ihre Hand hoch, um ihn zu betrachten. "Du hast also beschlossen, ihn zu behalten?" Sie schaute ihn verwirrt an. "Behalten?" "Ich habe gemerkt, dass er dir nicht gefällt", erklärte er sachlich. Ihr wurde klar, dass Natalya ein auffälligeres Schmuckstück bevorzugt hätte, doch sie fand den Ring wunderschön. "Nein überhaupt nicht", erwiderte sie, während sie nach einer geeigneten Ausrede suchte. "Ich war enttäuscht, weil er mir zu groß war, aber ich habe ihn ändern lassen." Chris runzelte die Stirn. Offenbar versuchte er, sich daran zu erinnern, was sie gesagt hatte. Schließlich schaute er sie fragend an. "Er gefällt dir?" "Er ist wunderschön", sagte sie ehrlich, woraufhin er die Schultern zuckte und den Kopf schüttelte. Vermutlich führte er ihren vermeintlichen Sinneswandel auf weibliche Launenhaftigkeit zurück. "Dann muss ich dir die passenden Ohrringe dazu kaufen." Er schaute ihr so tief in die Augen, dass sie durchatmen musste, um sich erneut gegen die verheerende Wirkung zu wappnen, die er auf sie ausübte. "Das brauchst du nicht", wehrte sie ab, da sie auf keinen Fall Geschenke annehmen wollte, die ihr nicht zustanden. Chris fuhr fort, ihre Hand zu streicheln. "Vielleicht sollten wir lieber das Thema wechseln, sonst bekomme ich überhaupt keinen Schlaf mehr. Erzähl mir von dem Spiel. Ich wusste gar nicht, dass du Baseball magst." Tasha hatte keine Ahnung, wie sie einen klaren Gedanken fassen sollte, wenn er sie weiter so streichelte, aber sie versuchte, sich zusammenzureißen. "Ich liebe es, und ich sehe mir so viele Spiele wie möglich an. Heute abend haben wir gewonnen, und darüber hat Stevie sich gefreut." Er hielt unvermittelt inne. "Stevie?" wiederholte Chris scharf. Sie blinzelte. Er war doch nicht etwa eifersüchtig, oder? Allerdings sah es ganz so aus. Beinah hätte sie gelacht. "Stevie ist ein Freund von mir", meinte sie lässig. "Das hat meine Mutter mir auch gesagt", erwiderte er unwirsch.
Nun musste sie lachen. "Stevie ist der Sohn meiner besten Freundin. Er ist zehn ... nein, elf. Er hat nämlich heute Geburtstag. Ich habe ihm die Karten geschenkt. Zufrieden?" fügte sie neckend hinzu. Chris verzog das Gesicht. "Du kleines ..." Er wollte sie an sich ziehen, doch sie wehrte ihn lachend ab. "Denk daran, dass du ein kranker Mann bist." "Ja, aber ich werde nicht immer in diesem Bett liegen. Vergiss das nicht!" warnte er sie, so dass sie erschauerte. "Ich vergesse nie etwas", parierte sie. "Wenn du das nächstemal zu einem Baseballspiel gehen willst, begleite ich dich", erklärte er. "Okay." "Ich mache mich zum Narren, stimmt's?" Lächelnd küsste Tasha ihn auf die Wange und löste sich dann von ihm. "Ja, aber es gefällt mir. Jetzt muss ich los. Es ist schon sehr spät. Wir sehen uns morgen." "Ich freue mich schon darauf. Gute Nacht, Schatz. Fahr vorsichtig." "Das werde ich", versprach sie, bevor sie aus dem Zimmer ging. Am Ende des Flurs blieb sie stehen und lehnte sich gegen die Wand. Sie zitterte wie Espenlaub, aber nachdem sie einige Male tief durchgeatmet hatte, um sich zu beruhigen, ließ sie im Geiste noch einmal Revue passieren, was Chris zu ihr gesagt hatte. Es war genauso gewesen, wie sie es sich vorgestellt hatte. Doch wenn sie ihn nicht geküsst hätte, hätte sie nie erfahren, dass es für ihn ganz anders gewesen war als mit Natalya. Und das bedeutete, dass er, was immer er für sie empfand, nur für sie empfand. Natalya hatte derartige Gefühle nie in ihm geweckt. Sie, Tasha, hatte offenbar etwas, was ihre Zwillingsschwester nicht hatte. Sie war diejenige, zu der er sich so stark hingezogen fühlte. Tasha fragte sich, was sie nun tun sollte. Ursprünglich hatte sie ihm in ein oder zwei Tagen die Wahrheit sagen wollen, aber mittlerweile war sie sich nicht mehr so sicher, denn die Dinge lagen jetzt anders. Chris begehrte sie genauso sehr wie sie ihn. Sie hatte die Wahl. Entweder sagte sie ihm die Wahrheit, was bedeutete, dass sie ihn wahrscheinlich verlieren würde, oder sie schwieg, damit er bei ihr blieb. Allerdings konnte sie es nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren, ihn in dem Glauben zu lassen, sie wäre jemand anders. Sie musste ihm die Wahrheit sagen. Vielleicht waren seine Gefühle für sie ja stark genug, und er würde trotzdem bei ihr bleiben. Als sie sieh schließlich von der Wand abstieß und zum Aufzug ging, musste sie aufpassen, dass sie nicht den Atem anhielt. Tasha legte ihren Stift auf ihren Notizblock und streckte sich. Dabei fiel ihr Blick auf die Uhr an der Wand, und sie erschrak. Doch auch ein Blick auf ihre Armbanduhr bewies ihr, dass es tatsächlich fast sieben Uhr war. Wo war nur die Zeit geblieben? Die Verhandlung war schon früh zu Ende gewesen, doch Tasha hatte sich mit einem Sandwich und Kaffee in die Bibliothek zurückgezogen, um noch an einem anderen Fall zu arbeiten. Eigentlich hatte sie nicht lange bleiben wollen, doch sie hätte völlig die Zeit vergessen. Bereits vor anderthalb Stunden hätte sie bei Chris sein sollen, und sie musste noch durch die ganze Stadt fahren. Unbehaglich fragte sie sich, in welcher Stimmung sie ihn antreffen würde. Seit dem Unfall waren zehn Tage vergangen. Seitdem hatte sie fast ihre gesamte Freizeit bei Chris verbracht, ohne ihm jedoch die Wahrheit über Natalya zu sagen, obwohl sie es sich jedesmal fest vorgenommen hatte. Sein Zustand verbesserte sich nämlich zusehends, so dass Chris es ohne weiteres verkraftet hätte, doch sie schob es weiterhin vor sich her. Sie hatte dafür auch keine Entschuldigung - außer dass sie ihn von Mal zu Mal mehr liebte und große Angst davor hatte, ihn zu verlieren.
Tasha wusste, dass es feige war, konnte aber nicht anders. Chris verkörperte alles, was sie sich im Leben erträumte, und sie sehnte sich schmerzlich nach ihm und dachte ständig an ihn. In den unmöglichsten Momenten schweiften ihre Gedanken ab, und sie gab sich ihren Tagträumen hin. Zum Glück konnte sie sich wenigstens im Gerichtssaal auf ihre Arbeit konzentrieren. Seufzend schlug sie die Bücher zu, sammelte ihre Sachen zusammen und ging zum Parkplatz. Da sie nicht mehr in den dichten Feierabendverkehr kam, erreichte sie bereits nach kurzer Zeit das Krankenha us. Ausnahmsweise einmal war sogar der Aufzug da, und sie ging schnell hinein und drückte auf den Knopf. Auf der Schwelle zu Chris' Zimmer blieb sie kurz stehen, und wie immer raubte sein Anblick ihr den Atem. Chris trug einen Seidenpyjama und einen Morgenmantel und sah darin unglaublich sexy aus. Es tat ihr so gut, ihn zu sehen! In diesen Momenten erschien ihr alles andere unwichtig. Als hätte er ihre Anwesenheit gespürt, blickte er auf. "Wo, zum Teufel, bist du gewesen?" erkundigte er sich ärgerlich. Er saß auf einem Stuhl am Fenster, und um ihn her lagen überall verstreut Zeitungen. Daher weht also der Wind, dachte sie, und nachdem sie ihre Handtasche und ihren Mantel aufs Bett geworfen hatte, verschränkte sie die Arme vor der Brust und betrachtete Chris. Er sah aus wie ein quengeliger kleiner Junge, der den ganzen Tag auf einen Comic gewartet hatte, den man ihm versprochen hatte. Sie war jedenfalls nicht in der Stimmung, um seine Wutanfälle zu ertragen. "Hallo", erwiderte sie daher zuckersüß. Chris presste die Lippen zusammen. "Was ist das für eine Antwort?" Tasha funkelte ihn an, was er jedoch geflissentlich ignorierte. "Solche Antworten bekommt man eben, wenn man jemand so begrüßt, wie du es getan hast." Nun verschränkte er auch die Arme. "Versuch nicht, mich ins Unrecht zu setzen. Weißt du eigentlich, wie spät es ist?" Er war unglaublich attraktiv, wenn er wütend war. Ihr Magen krampfte sich zusammen. "Ich weiß genau, wie spät es ist. Schließlich habe ich eine Uhr." Nur leider hatte sie zu spät einen Blick darauf geworfen. "Dann hättest du ja auch rechtzeitig kommen können, oder? Wo warst du den ganzen Tag?" Tasha wusste, dass Chris deswegen so gereizt war, weil er so lange nicht mehr draußen gewesen war. Allerdings rechtfertigte es sein Verhalten nicht, wie sie fand. Egal, wie das Wetter war oder wie müde sie war, sie besuchte ihn jeden Tag, weil sie bei ihm sein wollte. Und er hatte die Stirn, mit ihr zu schimpfen, weil sie sich ein wenig verspätet hatte. Na ja, mehr als ein wenig, aber darum ging es nic ht. "Ich habe gearbeitet, du Trottel! Ich habe Geld verdient, um meinen Lebensunterhalt finanzieren zu können!" entgegnete sie gereizt. "Gearbeitet? Um diese Zeit?" "Was glaubst du denn, was ich getan habe?" erkundigte sie sich scharf. "Was weiß ich, vielleicht hast du ja eine Affäre!" brauste er auf. Verblüfft sah sie ihn an. "Du machst wohl Witze." "Warum? Kein normaler Mann könnte dir widerstehen." Einerseits amüsierte es sie, dass er sie als Femme fatale sah, andererseits machten seine Unterstellungen sie wütend. "Eins lass dir gesagt sein, Chris Calder. Ich bin kein hirnloses Püppchen, das bei jedem Mann schwach wird. Andere Männer interessieren mich außerdem gar nicht. Der Himmel weiß, wie du so etwas glauben kannst." Fasziniert beobachtete sie, wie er rot wurde. "Soll das heißen, dass ich mich irre?" Es erboste sie, dass er überhaupt fragte. "Am liebsten würde ich dich schlagen!" Schließlich atmete er hörbar aus und rieb sich den Nacken. Als er sie wieder ansah, wirkte er zerknirscht. "Du bist sauer auf mich."
Tasha verdrehte die Augen. "Das ist wohl mein gutes Recht, oder? Ich habe einen harten Tag bei Gericht hinter mir, und du hast die Stirn, mir zu unterstellen ..." Sie verstummte, als sie seinen überraschten Gesichtsausdruck sah. "Bei Gericht?" hakte Chris nach und führte ihr damit vor Augen, dass sie sich wieder auf gefährliches Terrain begeben hatte. Über ihre Arbeit hatte sie nämlich bisher noch nicht mit ihm gesprochen, und offenbar hatten seine Eltern es auch nicht erwähnt. Nun fragte sie sich, was Natalya ihm wohl erzählt haben mochte. "Ja, ich bin Anwältin", sagte sie schließlich und wartete mit angehaltenem Atem auf seine Reaktion. Er runzelte die Stirn. "Ich dachte, du wärst Sekretärin." Verzweifelt überlegte sie, wie sie es ihm erklären sollte. "Ich kann mich nicht entsinnen, es gesagt zu haben", erwiderte sie wahrheitsgemäß und hoffte, dass er nicht merkte, wie ihre Stimme bebte. Zu ihrer Verblüffung wirkte er plötzlich unbehaglich. "Das hast du auch nicht. Ich habe es nur angenommen, als du gesagt hast, du würdest in einer Anwaltskanzlei arbeiten." Natalya hatte also nicht nur ihren Namen benutzt, sondern sich auch ihren Beruf "angeeignet". Zweifellos hatte sie sich damit bei ihm einschmeicheln wollen. Doch so entsetzt Tasha darüber auch war, ließ es ihr wenigstens etwas Spielraum. Trotzig hob sie das Kinn. "Ich dachte, ein Anwalt wüsste, dass man keine voreiligen Schlüsse ziehen soll." "Ich nehme alles zurück, aber ich plädiere auf mildernde Umstände", sagte er ruhig, ohne den Blick abzuwenden. Der Ausdruck in seinen Augen brachte ihr Blut zum Sieden, und sie musste sich zusammenreißen, damit Chris es ihr nicht anmerkte. "Was für mildernde Umstände?" erkundigte sie sich skeptisch. Nun lächelte er. "Wenn ich in deiner Nähe bin, kann ich nicht klar denken." Das Gefühl kenne ich, dachte sie. Schließlich ließ ihr Zorn nach. "Das kommt mir bekannt vor. Und ich habe mich deswegen verspätet, weil ich in meine Arbeit vertieft war und die Zeit vergessen habe", fügte sie bedauernd hinzu. Seine Augen funkelten amüsiert. "Hast du den Fall gewonnen?" Tasha strahlte ihn an. "O ja." "Keine falsche Bescheidenheit?" "Ich bin gut in meinem Job." Chris hob die Hände. "Daran zweifle ich nicht. Was machst du? Strafrecht?" Sie schüttelte den Kopf. "Zivilrecht. Die Schlagzeilen überlasse ich dir", fügte sie spöttisch hinzu. "Das klingt, als würde ich die Publicity suchen", protestierte er. "Jedenfalls setzt du nicht alles daran, um Publicity zu vermeiden. Ich würde sagen, du siehst dein Gesicht gern in der Presse und im Fernsehen." Natürlich wusste sie, dass es nicht stimmte, sonst hätte sie unzählige Fotos von ihm gesehen. "Wofür hältst du mich eigentlich?" fragte er finster, und erst als sie lachte, merkte er, dass sie es ihm lediglich hatte heimzahlen wollen. "Touc he. Heißt das, du verzeihst mir?" "Es heißt, ich werde darüber nachdenken", konterte sie mit funkelnden Augen. "Ich hoffe, es dauert nicht zu lange." Misstrauisch kniff sie die Augen zusammen. "Warum? Was hast du vor?" "Ich könnte meine Meinung ändern", informierte er sie lässig. Wieder knisterte es förmlich zwischen ihnen, und ihr Herz klopfte schneller. "Worüber?" "Das sage ich nicht." Er betrachtete ihren Mund, und als sie sich mit der Zunge die Lippen befeuchtete, stöhnte er auf. Daraufhin begann ihr Puls, schneller zu schlagen, und sie musste sich räuspern, bevor sie sprechen konnte. "Du kannst einem wirklich auf den Geist gehen!" "Ich weiß, aber du liebst mich trotzdem", sagte er rau.
Tasha hielt unwillkürlich den Atem an. Sie konnte es nicht leugnen, selbst wenn sie sich dadurch noch verletzlicher machte. "Sagst... sagst du mir jetzt, warum du so wütend warst?" Er seufzte und fuhr sich durchs Haar, das ohnehin schon zerzaust war. "Weil ich dich vermisst habe, verdammt!" Nun war es endgültig um sie geschehen. "O Chris!" brachte sie hervor. Sie hatte ihn auch vermisst. Chris lächelte gewinnend und streckte die Hand aus. "Warum kommst du nicht her, damit ich dich richtig begrüßen kann?" Als sie seine Hand nahm, verspürte sie ein heißes Prickeln. "Du bist zu weit weg", erklärte er rau, und sie gab dem Druck seiner Hand nach und kniete sich neben ihn. "Schon besser", fuhr er zufrieden fort, während er ihr Gesicht umfasste und ihren Kopf zurückbog, um sie anzuschauen. "Verdammt, ich dachte schon, wir würden gar nicht mehr allein sein. Ich habe auf diesen Moment gewartet. Ich möchte, dass du mich richtig küsst und nicht nur auf die Wange." Tasha seufzte leise, denn sie wusste, wie ihm zumute war. In letzter Zeit war immer jemand im Zimmer gewesen, und daher hatte sie ihn nur flüchtig küssen können. Es war so frustrierend gewesen! "Ich..." An seiner Wange zuckte ein Muskel, als Chris den Blick senkte und ihre bebenden Lippen betrachtete. "Halt den Mund, und küss mich endlich, Tasha. Ich habe schon fast den Verstand verloren, weil ich mich so danach gesehnt habe." "Chris", flüsterte sie, bevor er den Mund auf ihren presste. Als sie ihm dann die Hände auf die Brust legte, spürte sie, wie er erschauerte. Sie empfand eine gewisse Genugtuung darüber, dass sie derartige Reaktionen bei ihm hervorrufen konnte. Dann hörte sie jedoch auf zu denken und gab sich ganz den köstlichen Gefühlen hin, die seine Zärtlichkeiten in ihr weckten. Er saugte an ihren Lippen, ließ seine darübergleiten und küsste sie verlangender. Bereitwillig öffnete sie den Mund, und ihr wurde ganz heiß, als er ein erotisches Spiel mit der Zunge begann. Sie krallte die Hände in seinen Pyjama und stöhnte erregt auf. Keiner von ihnen wusste, was passiert wäre, wenn nicht plötzlich vom Flur her das Klappern von Metall zu hören gewesen wäre. Erschrocken lösten sie sich voneinander, und Tasha klopfte das Herz bis zum Hals. Sie setzte sich auf die Fersen und schaute Chris nur an. "Sieh mich nicht so an!" bat er sie hilflos, aber als sie gehorsam den Blick senkte, stöhnte er und umfasste ihr Kinn, damit sie ihn wieder anschaute. "Nein, du kannst mich ansehen, wie du willst. Diese Augen ... Verdammt, ich kann gar nicht genug von dir bekommen. Hier ist man aber auch keinen Moment ungestört!" Tasha seufzte, weil er das aussprach, was sie auch dachte. "Eigentlich sollte der Ausdruck in deinen Augen mich beunruhigen." Mit dem Daumen streichelte er ihre Lippen. "Und? Bist du beunruhigt?" "Nein", gestand sie, woraufhin er den Kopf neigte und die Stirn an ihre lehnte. "Hast du eine Ahnung, wie sehr ich dich liebe?" Zum Glück merkte er nicht, wie sie zusammenzuckte. Sie hatte keine Ahnung, was er für sie empfand. Er fühlte sich zu ihr hingezogen, doch das bedeutete nicht, dass er sie liebte. Allerdings konnte sich daraus Liebe entwickeln, und wenn sie ehrlich war, musste sie zugeben, dass sie darauf hoffte. Es war gar nicht so unwahrscheinlich, denn langsam, aber sicher sorgte sie dafür, dass er. Natalya vergaß. Und eins wusste sie: Wenn man geliebt werden wollte, musste man lieben. "Vielleicht so sehr, wie ich dich liebe?" flüsterte sie. Chris lehnte sich seufzend zurück. "Ich muss dir etwas gestehen." "Muss ich mir deswegen Sorgen machen?" erkundigte sie sich scherzhaft, obwohl ihr Herz vor Schreck einen Schlag aussetzte.
"Nein", meinte er lächelnd. "Wenn sich jemand Sorgen machen muss, dann ich." "Wirklich? Das klingt interessant. Erzähl mehr." Er verdrehte die Augen. "Vergiss nicht, dass ich ein kranker Mann bin." "Dafür küsst du aber sehr gut", erwiderte sie strahlend. "Lenk mich nicht ab." "Tut mir leid. Ich bin ganz brav." Wieder stöhnte er. "Hoffentlich nicht zu brav. Also, wo war ich stehengeblieben?" "Du wolltest mir etwas gestehen." Chris verzog das Gesicht. "Richtig. Also, die Wahrheit ist, dass ich mich in dein Äußeres verliebt habe, als ich dich kennengelernt habe. Du bist so verdammt schön, dass es gleich um mich geschehen war. Aber jetzt...." Ihr Herz klopfte schneller. Dennoch versuchte Tasha, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. "Und jetzt?" wiederholte sie mit bebender Stimme. Er streckte die Hand aus und streichelte zärtlich ihre Wange. "Jetzt, ist mir klar geworden, dass dein Charakter noch schöner ist, und ich liebe dich von Tag zu Tag mehr." Sie kniete sich wieder hin und umarmte ihn, wobei sie das Gesicht an seiner Schulter barg. Das hatte sie nicht erwartet, doch damit hatte Chris einen Schlussstrich unter seine Liaison mit Natalya gezogen. Er hatte sich in Natalyas Äußeres verliebt, aber nun liebte er sie, Tasha. "Heißt das, dir gefällt, was ich gesagt habe?" neckte er sie. Tasha lachte und schaute ihn liebevoll an. "Du ahnst gar nicht, wieviel es mir bedeutet." Nun streichelte er wieder mit dem Daumen ihre Lippen. "Oh, ich kann es mir denken." Dann küsste er sie - diesmal nicht verlangend, sondern so sanft, dass es auf tiefere Gefühle schließen ließ. Sie sahen sich lächelnd in die Augen, als es plötzlich an der Tür klopfte. Daraufhin drehten sie sich beide um. Auf der Türschwelle standen Chris' Eltern. "Dürfen wir reinkommen, mein Sohn? Oder wäre es dir lieber, wenn wir wieder weggehen und später noch einmal kommen würden?"" erkundigte sich John Calder mit einem amüsierten Funkeln in den Augen. Tasha stand auf, als Chris seine Eltern hereinwinkte. "Habt ihr es erhalten?" fragte er. John Calder klopfte sich auf die Tasche seines Jacketts. "Alles unterschrieben und besiegelt, mein Sohn. Hast du es ihr schon erzählt?" "Was soll er mir erzählt haben?" Sie blickte von Chris zu Elaine Calder, die ziemlich aufgeregt wirkte. "Was geht hier vor?" "Offensichtlich nicht. Das freut mich. Ich wollte nämlich dabeisein, wenn du es tust", rief Elaine, bevor sie sich aufs Bett setzte. "Nun mach schon." "Danke", meinte Chris schmunzelnd, und Tasha platzte fast vor Neugier, als er sich ihr zuwandte. "Am Montag werde ich entlassen." "Was für eine tolle Neuigkeit! Jetzt kannst du ja aufhören, die Schwestern zu quälen." Seine Eltern lachten, und er warf ihr einen vielsagenden Blick zu. "Ich darf zwar noch nicht wieder ins Büro, aber zu Hause kann ich wenigstens arbeiten." "Du fliegst zurück nach Boston?" fragte Tasha bestürzt. "So bald wie möglich." Als er sah, dass sie sich auf die Lippe biss, fuhr er fort: "Wie lange brauchst du, um deine Sachen zu packen?" Nun klopfte ihr Herz wieder schneller. "Packen? Heißt das, ich soll mitkommen?" "Du dachtest doch nicht etwa, ich würde dich hierlassen, oder? Wenn ich fliege, fliegst du auch. Dad hat zwei Flüge für Ende nächster Woche gebucht." Ihr schwirrte der Kopf. "Aber ... mein Job ... meine Sachen." Chris fluchte leise. "Ich muss zugeben, dass ich daran nicht gedacht habe. Musst du eine Kündigungsfrist einhalten?"
Tasha rieb sich geistesabwesend die Schläfe. "Ja, aber es müsste gehen, weil ich noch Urlaubsanspruch habe." "Gut. Und was deine Sachen betrifft, werden wir eine Umzugsfirma beauftragen, alles zusammenzupacken und nach Boston zu schicken", erklärte er. Sie fühlte sich ein wenig überfahren. "Du hast ja an alles gedacht", sagte sie ausdruckslos. Nun wurde seine Miene ernst. "Nur nicht daran, dass du vielleicht gar nicht mitkommen willst. Du scheinst nicht besonders begeistert zu sein." "Natürlich möchte ich mitkommen", widersprach Tasha unbehaglich. Da sie ihn liebte, wollte sie natürlich bei ihm sein. Sie hatte nur nicht damit gerechnet, dass sie sich so schnell entscheiden musste. Allerdings hätte ihr klar sein müssen, dass er nach Hause zurückkehren würde, sobald er fit genug war. Es lag daran, dass sie wieder einmal mit dem konfrontiert wurde, was sie ihm verschwiegen hatte. "Gut", meinte Chris fröhlich, "denn da ist noch etwas." "Noch etwas?" "Ja, meine Liebe", ließ Elaine sich vernehmen. "Wegen des Unfalls mussten John und ich unsere Reise nach Hawaii verschieben. Wir fliegen jedes Jahr anlässlich unseres Hochzeitstags dorthin. Deshalb macht es uns nichts aus, es noch eine Woche zu verschieben." "Wir können also heiraten, bevor sie abreisen", verkündete er. Tasha stockte der Atem. Chris wollte sie heiraten? Natürlich wollte sie das auch, aber auch damit hatte sie noch nicht gerechnet. Sie hatte angenommen, dass sie erst eine Weile mit ihm zusammenleben würde. Und wenn sie sich seiner Liebe ganz sicher gewesen wäre, hätte sie ihm die Wahrheit über Natalya erzählt. Wieder blickte sie von ihm zu seinen Eltern. "Es sieht so aus, als müsste ich mir auf die Schnelle ein Kleid kaufen, stimmt's?" Sie lachte auf. Allerdings war ihr überhaupt nicht zum Lachen zumute, denn jetzt musste sie ihm die Wahrheit sagen. Sie hoffte, dass seine Gefühle für sie stark genug waren und es kein allzu großer Schock für ihn sein würde.
4. KAPITEL
Tasha hatte sich fest vorgenommen, Chris endlich die Wahrheit zu sagen, aber den richtigen Zeitpunkt dafür zu finden, erwies sich als noch schwieriger, als sie erwartet hatte. Nachdem man Chris am Montag aus dem Krankenhaus entlassen hatte, bezog er im selben Hotel wie seine Eltern eine Suite. Da Tasha die Akten für ihre Fälle zur Übergabe an ihren Nachfolger fertigstellen musste, arbeitete sie immer bis abends und sah ihn daher auch nicht vor Montag abend, als sie mit ihm und seinen Eltern zum Essen verabredet war. Daher waren sie auch erst allein, als seine Eltern ihnen gute Nacht sagten und in ihre Suite gingen. Tasha und Chris zogen sich ebenfalls zurück, und da ihnen der Sinn überhaupt nicht nach Reden stand, dauerte es eine ganze Weile, bis sie sich schließlich voneinander lösten und in die Wirklichkeit zurückkehrten. "Diese Suite muss ein Vermögen kosten", sagte Tasha leise. Sie lag an Chris gekuschelt auf der Couch und war noch immer ganz benommen von seinen Küssen, als sie den Blick über die elegante Einrichtung schweifen ließ. Da sie den Kopf an seine Brust gebettet hatte, hörte sie, dass sein Herz genauso schnell klopfte wie ihres. Chris war derjenige, der aufgehört hatte, bevor sie vollends die Beherrschung verloren hatten. Er war nämlich immer noch nicht ganz fit, und sie wollten beide nicht, dass er wieder im Krankenhaus landete. Nun begann er, Tashas Nacken zu streicheln. "Ich kann es mir leisten", erklärte er sachlich. Tasha musste lächeln. "Heißt das, du bist reich?" neckte sie ihn. Chris lachte leise. Es klang sehr aufregend. "Ich bin sehr gut in meinem Job." Natürlich wusste sie, dass er auf ihre Worte anspielte. Sie erinnerte sich auch, dass Natalya davon gesprochen hatte, doch sie hatte kaum zugehört. "Wie reich? Sehr reich oder stinkreich?" fragte sie betont lässig, um ihr Unbehagen zu überspielen. "Stinkreich", erwiderte er ernst. "Freust du dich, dass du mich heiratest?" Wegen seines Geldes? Zuerst wollte sie sich entrüstet verteidigen, doch dann wurde sie blass. Sie konnte keine Witze darüber machen, denn Natalya hätte ihn genau aus dem Grund geheiratet. "Ich heirate dich, weil ich dich liebe - nicht wegen deines Geldes", sagte Tasha aufgewühlt. "He." Er umfasste ihr Kinn, damit sie ihn ansah. "Das war ein Witz." "Aber kein besonders komischer." Chris seufzte. "Das sehe ich." Dann hob er ihre Hand an die Lippen und küsste sie zärtlich. "Ich weiß, warum du mich heiratest, Schatz." Starr blickte sie ihn an. Dies war die Gelegenheit, um ihm die Wahrheit zu sagen. Doch gerade als sie anfangen wollte, befielen sie wieder Zweifel. Wenn er es nun nicht verstand, oder noch schlimmer, wenn er es ihr nicht verzieh? Sie würde ihn verlieren. Bei dem Gedanken daran erstarrte sie innerlich. Noch nie zuvor hatte sie solche Angst gehabt. Wenn sie Chris verlor ... Verzweifelt versuchte sie, sich auf ihren gesunden Menschenverstand zu besinnen. Sie befürchtete das Schlimmste, weil sie sich so verletzlich fühlte. Es musste nicht zwangsläufig dazu kommen, aber es war möglich. Schließlich entschied sie, es ihm erst zu sagen, wenn sie etwas zuversichtlicher war. Sie zog seinen Kopf zu sich herunter. "Das weiß ich. Ich liebe dich, Chris. Ich liebe dich so sehr!" Dann küsste sie ihn beinah verzweifelt. Chris erwiderte ihren Kuss mit derselben Leidenschaft, bis sie alles um sich her vergaß. Während der nächsten beiden Tage machte Tasha sich immer wieder Vorwürfe, weil sie so feige gewesen war. Ihr Verstand sagte ihr, dass sie alles nur noch schlimmer machte, wenn sie wartete, aber es fiel ihr schwer, vernünftig zu sein, wenn es um ihre Gefühle ging. Am Mittwoch trafen Chris und sie sich mit seinen Eltern, um die bevorstehende Hochzeit zu besprechen. Obwohl nicht viel Zeit blieb, war Elaine entschlossen, sie gebührend zu feiern.
"Alison und ihr Mann Matt kommen her, und Evan hat auch versprochen zu erscheinen", sagte sie beim Kaffee zu Tasha. "Ich konnte Elaine gerade noch davon abhalten, eine 747 zu chartern und die ganze Familie einfliegen zu lassen", neckte ihr Mann sie. "O John, übertreib doch nicht so!" "Ich übertreibe doch gar nicht", widersprach er, so dass sie sich verzweifelt von ihm abwandte. "Seid ihr sicher, dass ihr sonst niemand einladen wollt?" Elaine studierte die kurze Namensliste, die Tasha aufgestellt hatte. Mittlerweile duzten John und sie sich mit Tasha. "Nur Annie und Stevie." Tasha gab sich redliche Mühe, sich für das bevorstehende Ereignis zu begeistern, doch es fiel ihr schwer, weil sie immer noch Gewissensbisse hatte. "Und deine Eltern?" erkundigte sich Elaine taktvoll. "Wir haben unsere Eltern schon sehr früh verloren", antwortete Tasha, ohne nachzudenken. "Wir?" hakte Chris nach. Das Herz klopfte ihr plötzlich bis zum Hals. "Ich ... habe eine Schwester", sagte sie vorsichtig. Eigentlich hatte sie es verschweigen wollen, aber nun bot sich ihr wieder die Gelegenheit, die Wahrheit zu sagen, zumal sie sich ohnehin schon verplappert hatte. "Na ja, dann ..." begann Elaine entzückt. "Wir haben kein gutes Verhältnis zueinander", unterbrach Tasha sie. "Ich weiß nicht einmal, wo sie ist." Zumindest letzteres stimmte sogar. Chris ergriff mitfühlend ihre Hand. "Das tut mir leid, Schatz." Sie fühlte sich verpflichtet, mehr dazu zu sagen. "Wir sind total verschieden." "Was ist mit dir und deiner Schwester passiert, Tasha? Hat euch jemand adoptiert?" erkundigte John sich freundlich. Tasha schüttelte den Kopf. Als sie klein war, hatte sie es sich sehnlich gewünscht, doch es war nie geschehen. "Nein. Sie wollten uns nicht auseinanderreißen, und damals war keine Familie bereit, uns beide aufzunehmen. Wir wurden in verschiedenen Pflegeheimen untergebracht, bis wir alt genug waren, um allein zu leben." "Ich kann mir kaum vorstellen, wie das ist, weil in unserer Familie ein sehr starker Zusammenhalt besteht", gestand Chris. Sie lächelte. "Manchmal war es gar nicht so schlimm." Natalya und sie hatten zwar immer genug zu essen und anzuziehen gehabt, aber nie viel Liebe bekommen. "Aber manchmal war es auch nicht so gut, stimmt's?" Tasha zuckte die Schultern. "Als ich anfing zu studieren, ging es mir besser." "Und wann hast du deine Schwester zuletzt gesehen?" fragte Elaine. Tasha brachte es nicht über sich, ihr die Wahrheit zu sagen. "Ich glaube, darüber möchte Tasha nicht reden", kam Chris ihr zu Hilfe. "Wir sind nicht gerade im Guten auseinandergegangen", erklärte sie unbehaglich. Er drückte ihr die Hand und wechselte dann das Thema. Nachdem sie noch eine Weile geplaudert hatten, entschuldigten sich die Calders und verließen das Restaurant. Chris warf Tasha einen entschuldigenden Blick zu. "Tut mir leid. Meine Mutter interessiert sich sehr für ihre Mitmenschen, und manchmal ist sie etwas taktlos." Tasha, die immer noch Gewissensbisse hatte, stützte das Kinn in die Hände. "Das macht nichts. Deine Eltern sind sehr nett zu mir." "Sie mögen dich, aber das ist ja auch nicht schwer", erklärte er lächelnd. "Ich hätte sie gern als Eltern gehabt", meinte sie leise. Nun nahm er ihre Hand. "Arme kleine Tasha." Plötzlich wurde sie wütend. "Bemitleide mich gefälligst nicht, Chris!" Vergeblich versuchte sie, sich aus seinem Griff zu befreien. Sie wusste, dass sie übertrieben reagierte, konnte aber nicht anders. In letzter Zeit erkannte sie sich selbst nicht wieder.
"Mitleid ist das letzte, was du bei mir hervorrufst", entgegnete Chris. "Mir tut nur das kleine Mädchen leid, das du damals warst und das offenbar einsam war, obwohl es eine Schwester hatte. Wenn ich dich so ansehe, kommt mir allerdings etwas ganz anderes in den Sinn." Sie brauchte ihm nur in die Augen zu schauen, um zu wissen, was er meinte, und sie errötete prompt. Auch sie musste an etwas ganz anderes denken. "Oh", sagte sie nur. Er stöhnte. "Genau." Tasha schwieg einen Moment und versuchte, sich wieder zu fangen. "Jetzt sollte ich wohl besser sagen, dass ich nach Hause und ins Bett muss", erklärte sie schließlich und biss sich auf die Lippe, als er lachte. "Wenn ich das Wort Bett nur höre, schnellt mein Blutdruck in die Höhe." Sie reagierte so heftig auf seine Worte, dass sie das Gefühl hatte, ihr Blutdruck wäre auch in die Höhe geschnellt. "Dagegen kann ich nichts tun." Chris sah sie verlangend an. "Jedenfalls nicht hier." "Vielleicht..." "Ja?" hakte er nach. "Vielleicht solltest du mir von deiner Kindheit erzählen." "Willst du mich ablenken?" erkundigte er sich mit hochgezogenen Augenbrauen. "Nein, mich." Schließlich lehnte er sich zurück und schloss für einen Moment die Augen, bevor er sie wieder anschaute. "Lass mich nachdenken. Ich wurde an einem Donnerstag geboren ..." Tasha lächelte schwach und lehnte sich ebenfalls zurück, um dem Klang seiner Stimme zu lauschen. Es war kein Wunder, dass sie solche Angst davor hatte, ihn zu verlieren, denn er war ihr Traummann. Verzweifelt fragte sie sich, wie sie ihm die Wahrheit beibringen sollte. Am Donnerstag, ihrem letzten Arbeitstag in der Kanzlei, beschäftigte Tasha sich ununterbrochen mit der Frage, wie sie Chris die Wahrheit beibringen sollte. Ihre Kollegen hatten eine kleine Feier für sie organisiert und ihr Geschenke überreicht. Es führte ihr vor Augen, wie gern sie dort gearbeitet hatte, und sie war schon ein bisschen traurig über den Abschied. Was sie getan hatte, wurde ihr allerdings erst Stunden später klar, als sie sich für das Essen mit Chris zurechtmachte. Sie hatte bereits ihr kurzes schwarzes Abendkleid angezogen, dessen Ärmel und Passe aus Spitze waren, und betrachtete sich im Spiegel, als ihr das ganze Ausmaß bewusst wurde. Indem sie ihren Job gekündigt, die guten Wünsche und Geschenke ihrer Kollegen entgegengenommen und sich bereit erklärt hatte, Chris am nächsten Tag zu heiraten, hatte sie bereits eingestanden, dass ihre Zukunft bei ihm lag. Und das bedeutete, dass ihr nur eine Möglichkeit blieb. Reglos betrachtete Tasha ihr Spiegelbild, und ihr war, als würde es zu ihr sprechen. "Du wirst es ihm nicht sagen, stimmt's?" fragte es vorwurfsvoll, und sie las die Antwort in ihren Augen. Nein, sie würde es ihm nicht sagen. Sie konnte es nicht. Ihr Leben lang hatte sie sich nach etwas gesehnt, das sie bisher nicht hatte benennen können. Doch sie wusste, dass sie es mit ihrer Liebe zu Chris Calder gefunden hatte. Sie hatte schreckliche Angst davor, ihn zu verlieren, und das Risiko konnte sie nicht eingehen. Natürlich war es genauso riskant, ihm die Wahrheit über Natalya zu verschweigen, aber wenn sie es tat, würde er es niemals herausfinden. Natalya war Tausende von Meilen entfernt, und er brauchte nie zu erfahren, dass er sie zuerst kennengelernt hatte. Es war ein gewagtes Spiel, und Tasha hätte sich nie träumen lassen, dass sie zu so etwas in der Lage war. Doch die Liebe zu Chris war ihr jedes Risiko wert.
Als es an der Tür klingelte, erschrak sie und schluckte nervös. Sie hatte sich entschieden, und es gab kein Zurück mehr. Nach einem letzten Blick in den Spiegel nahm sie ihre Handtasche und ihren Seidenschal und ging zur Tür. Vor ihr stand Chris. Er trug einen schwarzen Smoking und ein weißes Seidenhemd und sah einfach atemberaubend aus. Nachdem er sie einen Moment lang schweigend betrachtet hatte, lächelte er, und seine Augen funkelten verlangend. "Wie ich sehe, hatten wir dieselbe Idee", sagte er so verführerisch, dass Tasha erschauerte. "Was für eine Idee?" fragte sie atemlos. Sie hatte dieses Kleid ausgesucht, weil sie an diesem Abend besonders schön sein wollte. "Dass wir in meiner Suite zu Abend essen. Es sei denn, du hast etwas dagegen." Chris wusste, dass sie nichts dagegen hatte, doch er wollte es aus ihrem Mund hören. "Nein, habe ich nicht." Sie hielt seinem Blick stand, obwohl er sie förmlich verbrannte. "Das Taxi wartet", verkündete er, und nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen .hatte, hakte sie ihn unter. Sie wussten beide, dass sie an diesem Abend miteinander schlafen würden. Das hatte Chris mit der "Idee" gemeint. Als Tasha kurz darauf mit ihm bei Kerzenschein und leiser Musik an einem Tisch vor dem Fenster in seiner Suite saß, nahm sie kaum wahr, was sie aß und was er sagte, so versunken war sie in seinen Anblick. Er bedeutete ihr soviel, dass es schmerzte. Daher merkte sie es auch nicht, als er irgendwann verstummte und sie ebenfalls ansah. "Hast du eigentlich etwas von dem mitbekommen, was ich gesagt habe?" fragte er lächelnd. Erst dann fand sie in die Wirklichkeit zurück und blinzelte verwirrt. "Was?" "Ich habe dich gefragt, ob du etwas von dem mitbekommen hast, was ich gesagt habe." "Ja, alles." Chris zog die Augenbrauen hoch. "Was habe ich denn gesagt?" Nun lächelte sie zögernd. "Ich habe keine Ahnung." Er lächelte ebenfalls. "Das habe ich mir gedacht. Hat dir der Fisch geschmeckt?" Tasha schaute ihn verblüfft an. "Fisch?" Erst als sie auf ihren Teller schaute, wusste sie, was er meinte. "Oh, der Fisch! Ja, er war lecker." "Es war Steak", informierte er sie amüsiert. "Ich hätte dir genausogut Hamburger und Pommes frites vorsetzen können, stimmt's?" Dass er sich über sie lustig machte, kümmerte sie überhaupt nicht. An diesem Abend hatte sie nur Augen für ihn. Nichts in der Welt war ihr wichtig außer ihm, und der Gedanke machte ihr angst. Sie sah Chris tief in die Augen. "Chris, versprich mir, nie zu vergessen, dass du mich liebst", sagte sie eindringlich. "Das klingt ja, als hättest du vor, mich zu verlassen", erwiderte er stirnrunzelnd. Tasha nahm seine Hand. "Niemals! Ich könnte dich niemals verlassen. Mich kannst du nur loswerden, indem du mich rauswirfst." Er umschloss ihre Finger. "Das würde ich nie tun, denn es hieße, den besten Teil von mir fortzuwerfen. Ich weiß, dass du mich liebst, Tasha, und das werde ich nie vergessen." "Versprich es." "Ich verspreche es", sagte er ernst. Nun atmete sie langsam aus. "Wahrscheinlich hältst du mich für eine Närrin." "Du bist die wunderbarste Frau, der ich je begegnet bin, und wenn ich dir morgen den Ring anstecke, werde ich der glücklichste Mann auf der Welt sein", erklärte er so bewegt, dass ihr Herz sich zusammenkrampfte. Liebevoll schaute sie ihn an. "Und ich werde die glücklichste Frau auf der Welt sein." Chris räusperte sich. "Tanz mit mir." Dann stand er auf und zog sie hoch.
Sie gingen in die Mitte des Raumes, wo Tasha sich seufzend an ihn schmiegte. Langsam bewegten sie sich im Takt der Musik. Tasha hatte dabei das Gefühl, nach Hause gekommen zu sein. Sie fühlte sich wunderbar geborgen und war überglücklich. Als Chris ihren Rücken zu streicheln begann, erschauerte sie und schloss die Augen. Sie verspürte ein schmerzliches Verlangen, und als hätte er es gemerkt, zog er sie noch dichter an sich, so dass sie merkte, wie erregt er war. Ihre Lider waren ganz schwer, als sie die Augen wieder öffnete und seinem verlangenden Blick begegnete. Schließlich hob er ihre Hand an die Lippen, nahm einen Finger in den Mund und umkreiste ihn mit der Zunge. Ihr Herz begann, schneller zu klopfen, und sie senkte wieder die Lider, um ihn aus halbgeschlossenen Augen zu betrachten. Sie verspürte ein Prickeln am ganzen Körper, und ihre Brüste spannten. Sie wollte, dass er sie berührte. Sie wollte seine Hände und Lippen überall spüren. Doch Chris hatte es nicht eilig. Nachdem er ihre Hand losgelassen hatte, umfasste er ihre Wange und neigte den Kopf, um die Lippen über ihre gleiten zu lassen. Damit trieb er Tasha an den Rand der Verzweiflung, bis er schließlich mit der Zunge darüberstrich. Sofort öffnete sie die Lippen und seufzte erregt, als er sie leidenschaftlich zu küssen begann. Das erotische Spiel seiner Zunge erregte sie so, dass sie ihm die Arme um den Nacken legte und die Hände durch sein Haar gleiten ließ. Als er sich irgendwann von ihr löste, bebte sie vor Verlangen und hatte ganz weiche Knie. Sie konnte nur noch aufrecht stehen, weil er sie festhielt. Schwer atmend sahen sie sich in die Augen, bis Chris aufstöhnte und Tasha hochhob. In dem Moment besann sie sich auf ihren gesunden Menschenverstand. "Chris! Nein! Denk daran, dass du verletzt warst!" rief sie ängstlich, doch er verstärkte nur seinen Griff und lächelte sie leidenschaftlich an. "Du musst nur zärtlich zu mir sein", stieß er hervor, bevor er sie ins Schlafzimmer trug und die Tür mit dem Fuß zukickte. Er setzte sie neben dem Bett ab, zog sein Jackett aus und warf es achtlos beiseite. Anschließend entledigte er sich auch seiner Krawatte sowie seiner Schuhe und Socken, aber kaum hatte er begonnen, sein Hemd aufzuknöpfen, da zog er sie an sich, um sie wieder leidenschaftlich zu küssen. Dabei öffnete er ihren Reißverschluss und streichelte ihren Rücken. Tasha wollte ihn auch berühren und streckte die Hand aus, um sein Hemd aufzuknöpfen, doch Chris setzte sich aufs Bett und zog sie mit sich, so dass sie zwischen seinen gespreizten Beinen stand. Benommen beobachtete sie, wie er ihr das Kleid abstreifte. Ihr Herz pochte, als er ihre Brüste entblößte, einen Moment lang verlangend betrachtete und schließlich das Gesicht in der Vertiefung dazwischen barg. Ihr Kleid glitt ganz herunter, und sie schob die Hände in sein Haar, um ihn festzuhalten. "Du bist so schön", brachte er hervor, während er den schweren Duft ihres Parfüms einatmete. Dann löste er sich ein wenig von ihr, um ihre Brüste zu umfassen. Genau danach hatte sie sich gesehnt. Sie warf den Kopf zurück, als er die festen Spitzen mit den Daumen zu reizen begann und ihre Begierde noch steigerte. Aufstöhnend bog sie sich ihm entgegen, und als er daraufhin eine Spitze in den Mund nahm, um sie mit der Zunge zu umkreisen, rief sie seinen Namen. Nachdem er die andere Spitze derselben süßen Qual unterzogen hatte, ließ er die Lippen über ihren Bauch immer tiefer gleiten. Dabei hauchte er zärtliche Küsse auf ihre erhitzte Haut und verharrte kurz, um ihren Nabel mit der Zunge zu liebkosen. Schließlich zog er ihr den Spitzenslip herunter. Tasha war benommen und schockiert, als er ihren Po umfasste und sie an sich presste, während er mit der Zunge das seidige Dreieck zwischen ihren Schenkeln erkundete und dann ihre empfindsamste Stelle fand.
Sobald Chris sie dort berührte, versagten die Beine ihr den Dienst, und sie sank auf die Knie. Stöhnend barg sie das Gesicht an seiner Brust. Sein Duft reizte ihre Sinne, und seine Körperwärme schien sie zu verbrennen. Sein Herz klopfte genauso schnell wie ihrs, und an ihrem Bauch spürte sie, wie erregt er war. Sie wollte ihn endlich auch berühren, und diesmal hielt er sie nicht zurück. Unter seinem verlangenden Blick knöpfte sie sein Hemd auf. Chris war so schö n! Er war sonnengebräunt und hatte breite Schultern, und seine muskulöse Brust war von dunklem Haar bedeckt. Nachdem Tasha ihm das Hemd abgestreift und es achtlos beiseite geworfen hatte, streichelte sie seine Brust und reizte auch seine Spitzen, bis er erschauerte und erregt aufstöhnte. Es berauschte sie, als sie merkte, dass sie ihn genauso um den Verstand bringen konnte wie er sie, und so folgte sie seinem Beispiel und verwöhnte ihn erst mit den Händen, dann mit der Zunge, Als er es nicht mehr aushielt, schob er ihren Kopf weg, und sie schauten sich eine Weile schwer atmend in die Augen. Sie waren beide so erregt, dass es förmlich zwischen ihnen knisterte. Schließlich senkte Tasha den Blick und begann, ihm auch die restlichen Sachen auszuziehen. Chris zuckte leicht zusammen und atmete scharf ein, sobald sie ihn berührte, hielt sie aber nicht davon ab. Sie zog ihm die Hose und den Slip gleichzeitig aus und hielt unwillkürlich den Atem an, als sie ihn ganz nackt sah und feststellte, wie erregt er war. Sie suchte seinen Blick und sah, dass seine Wangen leicht gerötet waren und er etwas angespannt wirkte, weil er versuchte, sich zu beherrschen. Als sie schließlich die Hand ausstreckte und ihn dort zu streicheln begann, schloss er stöhnend die Augen. "Ja!" brachte er hervor, doch sobald sie ihn mit den Lippen umschloss, schob er sie weg und zog sie neben sich aufs Bett. Dann fielen sie sich in die Arme und küssten und streichelten sich. Zuerst seufzten sie nur, aber schon bald stöhnten sie lustvoll auf, weil sie nicht genug voneinander bekommen konnten. Sie fühlten nur, Haut an Haut, bis Tasha glaubte, sie würde den Verstand verlieren, wenn Chris sie nicht bald nahm. Als er sich auf sie legte und ihre Beine spreizte, bog sie sich ihm entgegen. Sobald er in sie eindrang, schrie sie entzückt auf und schlang die Beine um ihn. Sie passte sich seinem Rhythmus an und hörte, wie er aufstöhnte, als sie ihn tiefer in sich aufnahm. Ihre Anspannung wuchs, bis Tasha plötzlich einen so intensiven Höhepunkt erreichte, dass ihr die Tränen kamen und sie sich an Chris klammerte. Sekunden später hörte sie Chris ebenfalls aufstöhnen und empfand dabei ein tiefes Glücksgefühl. Schließlich sank er auf sie, aber es machte ihr nichts aus. Sie liebte es, sein Gewicht auf sich zu spüren, und hätte ewig so verharren können. Kurz darauf rollte er sich jedoch seufzend von ihr herunter und zog sie mit sich. Zärtlich strich er ihr die feuchten Strähnen aus dem Gesicht. "Es hat sich gelohnt, so lange zu warten", sagte er rau. "Allerdings wäre ich schon früher mit dir ins Bett gegangen, wenn ich gewusst hätte, dass es so toll wird." Erst in diesem Moment wurde ihr bewusst, dass er nicht mit ihrer Schwester geschlafen hatte. Bisher hatte sie überhaupt nicht darüber nachgedacht, doch sie war froh, dass es nicht passiert war. Sie wusste nicht, warum Natalya damit gewartet hatte, denn es passte nicht zu ihr. Vielleicht hatte sie geglaubt, ihn damit halten zu können. "Wer Geduld hat, wird belohnt", neckte Tasha ihn. "Und du warst wirklich gut", meinte Chris lachend. "Sehr gut sogar." Lächelnd atmete sie seinen herben Duft ein. "Ich wurde ja auch inspiriert, aber mehr sage ich nicht, weil du sowieso schon eingebildet bist." "Du inspirierst mich auch. Gut, dass ich nicht mehr im Krankenhaus bin, sonst wäre mein Blutdruck in ungeahnte Höhen geschnellt."
"Wenn du noch im Krankenhaus liegen würdest, wäre das nicht passiert." Sie hielt seine Hand fest, weil er sie wieder gefährlich berührte. "Hör auf damit!" "Das ist nicht dein Ernst, und das weißt du." Tasha erschauerte. "Doch. Ich ..." Sie hielt den Atem an, als er ihr Ohr mit der Zunge zu liebkosen begann. Daraufhin umfasste Chris ihr Kinn und schaute ihr verlangend in die Augen. "Was wolltest du sagen?" "Das habe ich vergessen", flüsterte sie. "Ich habe ein schlechtes Gedächtnis. Sind wir gerade in die Erdumlaufbahn eingetreten, oder habe ich geträumt?" Um seine Mundwinkel zuckte es. "Du hast nicht geträumt, Schatz, und es wird mir ein Vergnügen sein, deinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen." "O ja, bitte", brachte sie hervor, und dann schwiegen sie beide eine ganze Weile. Annie beobachtete, wie Tasha letzte Hand an ihr Make-up legte. "Bist du sicher, dass du das Richtige tust?" fragte sie. Sie waren in Tashas Apartment. Es war Freitagnachmittag, und Tasha machte sich für die Hochzeit fertig. "Ich liebe ihn, Annie", erwiderte sie schlicht. Nachdem sie den überschüssigen Lippenstift abgetupft hatte, beugte sie sich zurück, um sich im Spiegel zu betrachten. Sie hatte sich ganz dezent geschminkt und nur Lippenstift, Mascara und einen Hauch Rouge aufgetragen obwohl sie letzteres nach der leidenschaftlichen Nacht mit Chris eigentlich nicht brauchte. Sie war nach Hause gekommen, kurz bevor Annie mit Stevie eingetroffen war. "Aber wenn er es herausfindet..." Tasha stand auf und schlüpfte in die cremefarbenen Pumps. "Das wird er nicht", verkündete sie entschlossen, bevor sie sich ein letztes Mal im Spiegel betrachtete. Das elfenbeinfarbene Seidenkostüm hatte sie in einer teuren Boutique gefunden. Es hatte ein Vermöge n gekostet, doch da sie nur einmal zu heiraten gedachte, war es ihr das wert gewesen. "Ich habe das Gefühl, dass du einen großen Fehler machst", erklärte ihre Freundin seufzend. Tasha nahm die zu dem Kostüm passende cremefarbene Handtasche, um sich zu vergewissern, dass sie alle wichtigen Dokumente hineingetan hatte. Ihr Gepäck hatte man bereits abgeholt und zum Flughafen gebracht. Ihre übrigen Sachen würde die Umzugsfirma zusammenpacken und entweder lagern, wie zum Beispiel ihre Möbel, oder nach Boston schicken. Tasha wandte sich an ihre Freundin, die sich bereit erklärt hatte, als ihre Trauzeugin zu fungieren. "Vielleicht, aber ich muss es tun. Noch nie in meinem Leben bin ich mir einer Sache so sicher gewesen. Kannst du dich nicht einfach mit mir freuen, Annie?" "Zum Kuckuck!" rief Annie und umarmte sie. "Natürlich freue ich mich mit dir. Ich werde dich vermissen, das ist alles." Im nächsten Moment klopfte es an der Tür. "He, kommt ihr beide noch mal raus? Ich langweile mich!" rief Stevie, und daraufhin lösten sich die beiden lachend voneinander. Nachdem Tasha ihm die Tür geöffnet hatte, drehte sie sich einmal. "Na, was sagst du, Stevie?" Er sah ganz süß aus in seinem neuen Hemd und der neuen Hose, wirkte aber etwas unbehaglich. "Wow!" meinte er bewundernd. "Hoffen wir, dass Chris auch der Meinung ist", bemerkte seine Mutter trocken, während sie ihn zur Tür. dirigierte. Ein letztes Mal schaute Tasha sich in ihrem Apartment um, das zwei Jahre lang ihr Zuhause gewesen war. Obwohl sie viel Arbeit und Liebe darin investiert hatte, würde sie es nicht vermissen, denn Chris Calder verkörperte jetzt alles, was ihr wichtig war. John Calder hatte eine Limousine bestellt, in der sie zur Kirche fahren würden. Da sie viel zu früh dort ankamen und Tasha abergläubisch war, bat sie den Chauffeur, noch einmal den Block zu umrunden. Als sie kurz darauf die Kirche betrat, wartete Chris dort bereits auf sie.
Wie immer, wenn sie ihn sah, klopfte ihr Herz wie wild. In dem Moment fielen auch die restlichen Zweifel von ihr ab. Sie liebte diesen Mann. Sie würde ihn niemals verletzen. Sie würde ihm die beste Ehefrau sein, die er sich wünschen konnte, denn sie wusste, dass sie ihn glücklich machen konnte. Als sie eine halbe Stunde später an seinem Arm die Kirche verließ, war sie nicht mehr Tasha Larsen, sondern Mrs. Chris Calder. Der sichtbare Beweis dafür waren die goldenen Ringe, die Chris und sie trugen. Oben auf der Treppe blieb er stehen und schaute auf sie herunter. "Bist du glücklich, Schatz?" fragte er. Tasha lächelte ihn an. " Sehr glücklich sogar." Sie wollte nicht mehr zurückblicken. Nun zählte nur noch die Zukunft, die vor ihr lag.
5. KAPITEL
Tasha betrachtete fasziniert ihren Ehemann, der im Schlafzimmer hin und her ging. Egal, ob er nackt oder angezogen war, sein Anblick erregte sie immer. In dem dunklen Anzug wirkte Chris sehr schlank und kraftvoll, und nichts erinnerte mehr an den Unfall, der mittlerweile einige Monate zurücklag. Er muss zum Friseur, überlegte sie. Sein schwarzes Haar war etwas zu lang. Ihr gefiel es zwar, doch es passte nicht zu seinem Image als Anwalt, denn er wollte unbeugsam und scharfsinnig erscheinen. Sie hatte ihm nie gesagt, dass sein sinnlicher Mund in krassem Gegensatz dazu stand. Sie wusste, wie leidenschaftlich er sein konnte, und war jederzeit bereit, diese Leidenschaft zu wecken. Nachdem er sich angezogen hatte, setzte er sich zu ihr aufs Bett. Er lächelte bedauernd, als er ihre Wange streichelte. "Wenn ich nicht ins Büro müsste, würde ich wieder zu dir ins Bett kommen", erklärte er rau. "Kann ich dich nicht in Versuchung führen?" neckte sie ihn, so dass er prompt aufstöhnte. "Du weißt genau, dass ich die ganze Zeit an dich denken werde." "Stimmt", bestätigte sie lächelnd. "Ich verschwinde jetzt", verkündete er dann, küsste sie aber noch einmal verlangend, bevor er aufstand. An der Tür drehte er sich noch einmal zu ihr um. "Bleib nicht so lange im Bett. In letzter Zeit stehst du immer später auf. Vergiss nicht, dass du auch berufliche Verpflichtungen hast." Wenige Minuten später hörte Tasha, wie die Haustür zufiel. Zufrieden lächelte sie in sich hinein. Jetzt, da Chris ins Büro gefahren war, hatte sie einen ganzen Tag Zeit, um ihre Pläne in die Tat umzusetzen. Kurz nachdem Chris und sie hierhergezogen waren, hatte sie in Boston eine kleine Anwaltskanzlei eröffnet. An diesem Tag wollte sie allerdings nicht arbeiten, denn sie hatte Wichtigeres zu tun. Ihre Partnerin, eine Frau mittleren Alters mit erwachsenen Kindern, hatte sich gern bereit erklärt, die Stellung zu halten. Tasha rollte sich auf die andere Seite des breiten Doppelbetts und barg das Gesicht in Chris' Kopfkissen, um seinen Duft einzuatmen. Vor etwas mehr als einer Stunde hatten sie sich leidenschaftlich geliebt. Sie, Tasha, hatte die Initiative ergriffen, aber Chris war nicht gerade abgeneigt gewesen. Bei der Erinnerung daran lächelte sie noch breiter. Sie hatte ihm gesagt, es wäre sein Jubiläumsgeschenk, denn sie waren auf den Tag genau seit acht Monaten verheiratet. Es waren acht wundervolle Monate gewesen. Tasha dachte daran, dass sie sich nicht geirrt hatte. Sie hatte Chris glücklich gemacht, und sie würde niemals bereuen, ihn geheiratet zu haben, denn er liebte sie genauso wie sie ihn. Und wenn sie ihm an diesem Abend sein eigentliches Geschenk machte, würde ihr Glück vollkommen sein. Da sie zu aufgeregt war, um noch länger im Bett zu liegen, stand sie auf und ging ins angrenzende Bad. Eigentlich hatte sie ein ausgiebiges Bad nehmen wollen, doch nun duschte sie schnell, weil sie um zehn einen Termin hatte und nicht zu spät kommen wollte. Zehn Minuten später betrat sie, in ein flauschiges Badelaken gehüllt, wieder das Schlafzimmer, um sich anzuziehen. Als sie das Handtuch abnahm und sich dabei im Spiegel sah, hielt sie inne. Ihre Aufmerksamkeit galt allerdings nicht ihrer Figur, sondern ihrem Bauch. Schützend legte Tasha die Hand darauf, als könnte sie das neue Leben bereits spüren. Zwar hatte sie noch keine Gewissheit, aber sie wusste, dass es in ihr heranwuchs. Sie lächelte zärtlich. Das war ihr Geschenk für Chris. Er würde überglücklich über diesen sichtbaren Beweis für ihre gegenseitige Liebe sein. Als sie schließlich einen Blick auf die Uhr warf, stöhnte sie. So herrlich dieses alte Haus auf dem Land auch war, das Chris und sie gefunden hatten, war es doch ein weiter Weg nach Boston, und sie hatte nicht mehr viel Zeit. Daher griff sie nach den erstbesten Sachen und zog sich in Windeseile an.
Einige Stunden später kehrte Tasha nach Hause zurück. Sie war inzwischen beim Frauenarzt gewesen, der ihre Schwangerschaft bestätigt hatte, und hatte einige Einkäufe getätigt. Madge, ihrer Haushälterin, hatte sie den Abend freigegeben, denn sie wollte diesmal selbst kochen. Obwohl sie keine schlechte Köchin oder Hausfrau war, arbeitete sie so viel, dass Chris und sie ohne Madge mittlerweile gar nicht mehr auskommen konnten. Nachdem Tasha die Tüten auf den Küchentresen gestellt hatte, warf sie ihren Mantel und ihre Handtasche beiseite und machte sich eine Tasse Tee und eine Scheibe Toast. Dann setzte sie sich auf einen Stuhl und seufzte, während sie an ihrem Tee nippte. Alles war perfekt, denn letztendlich hatte sich doch noch alles zum Guten gewendet. Chris' Freunde und, was noch wichtiger war, seine Familie hatten sie nicht nur akzeptiert, sondern herzlich aufgenommen. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, wie Elaine reagieren würde, wenn Chris ihr die Neuigkeit mitteilte. Natürlich sollte er es als erster erfahren. Bei dem Gedanken daran warf Tasha einen Blick auf die Uhr und sprang gleich wieder auf, um mit den Vorbereitungen fürs Abendessen zu beginnen. Sie hatte beschlossen, all seine Lieblingsgerichte zu kochen, und es machte ihr großen Spaß. Nachdem alles fertig war, der Tisch gedeckt war und der Wein im Kühlschrank lag, ging sie nach oben, um sich umzuziehen. Chris kam normalerweise gegen sieben nach Hause, und Tasha war rechtzeitig wieder unten. Sie hatte sein Lieblingskleid angezogen. Es war das schwarze, das sie auch an dem Abend getragen hatte, als sie zum ersten Mal mit ihm geschlafen hatte. Daher hatte es für sie beide eine besondere Bedeutung. Da er vermutlich auch an diesem Abend mit ihr schlafen würde, sprühte sie sich Parfüm auf die Handgelenke und hinter die Ohren. Alles sollte perfekt sein. Tasha nahm gerade den Braten aus dem Backofen, als sie draußen den Wagen vorfahren hörte. Schnell band sie die Schürze ab, nahm die beiden Cocktailgläser aus dem Kühlschrank und ging Chris entgegen. Da er sie nicht sofort sah, konnte sie ihn eingehend betrachten. Wie immer verschlug es ihr bei seinem Anblick den Atem, und daran würde sich vermutlich auch nichts ändern. Offenbar hatte sie ein Geräusch gemacht, denn plötzlich drehte er sich zu ihr um. Lächelnd ging sie auf ihn zu. "Hallo. Kann ich dich für einen kühlen Drink oder einen heißen Kuss begeistern?" fragte sie verführerisch, und genau wie sie erwartet hatte, begannen seine Augen zu funkeln, und er lächelte. "Für beides, aber in umgekehrter Reihenfolge", erwiderte er, während er seine Aktentasche neben die Tür stellte. Nachdem sie die Gläser auf einen Tisch gestellt hatte, ging sie zu ihm, legte ihm die Arme um den Nacken und bot ihm ihre Lippen dar, damit er sie küsste. Es war ein sehr heißer Kuss, und als sie sich schließlich voneinander lösten, waren sie beide etwas außer Atem. "Ich glaube, jetzt brauche ich den Drink", erklärte Tasha matt, bevor sie sich widerstrebend von Chris löste und zum Tisch ging, um die Gläser zu holen. Er zog die Augenbrauen hoch. "Wir können die Gläser auch mit ins Bett nehmen." Unter anderen Umständen wäre sie sofort auf seinen Vorschlag eingegangen, doch sie schüttelte den Kopf. "Das geht nicht. Das Essen ist gleich fertig. Du hast gerade noch genug Zeit, um zu duschen und dich umzuziehen." Erst jetzt bemerkte er ihr Kleid und betrachtete sie überrascht. Als er dann ins Wohnzimmer blickte und den gedeckten Tisch sah, auf dem bereits die Kerzen brannten, wurde er ernst. "Gibt es etwas zu feiern?" Sie merkte ihm an, dass er angestrengt nachdachte, und musste sich das Lachen verkneifen. "Keine Angst, du hast nicht meinen Geburtstag vergessen. Heute vor acht Monaten haben wir geheiratet, und aus dem Anlass wollte ich dich mit einem Essen überraschen. Ich habe all deine Leibgerichte gekocht."
Chris betrachtete sie heißblütig. "Acht Monate? Mir kommt es wie eine Ewigkeit vor." Tasha atmete tief durch. "Du solltest dich lieber beeilen, sonst brennt noch alles an." Lächelnd ging er nach oben, und als er kurz darauf wieder herunterkam, stand das Essen bereits auf dem Tisch. Er nahm den Wein aus dem Kühlschrank, und sie beobachtete, wie er ihnen einschenkte. Sie freute sich darüber, dass er zur Feier des Tages seine Smokinghose und ein weißes Seidenhemd angezogen hatte. "Auf die schönste Ehefrau der Welt", verkündete er dann, als er ihr zuprostete. "Auf den attraktivsten Ehemann", erwiderte sie leise, und sie lächelten sich an, bevor sie zu essen anfingen, Erst beim Kaffee kam Tasha auf ihr eigentliches Anliegen zu sprechen. "Übrigens müssen die Maler wiederkommen", erklärte sie lässig. Chris runzelte die Stirn. "Warum? Du hast doch gesagt, das Haus wäre perfekt." "Ich mag die Farben in dem kleinen Schlafzimmer nicht." "Redest du von dem Schlafzimmer, bei dem du einen Monat gebraucht hast, um den richtigen Grünton zu finden?" fragte er entgeistert. Schuldbewusst errötete sie. "Ich bekenne mich schuldig." Er atmete tief durch, bevor er antwortete. "Und welche Farbe schwebt dir jetzt vor?" Seine Geduld war bemerkenswert. "Rosa oder blau." Chris merkte noch immer nichts. "Wäre es nicht besser, du würdest dich entscheiden, bevor wir die Maler wieder herbestellen? Sonst muss ich einen von ihnen noch in einem Mordfall verteidigen", fügte er sarkastisch hinzu, was Tasha ihm nicht verdenken konnte. "Aber ich kann mich nicht entscheiden, weil ich noch nicht weiß, was es sein wird." "Weil du nicht weißt, was es sein wird?" "Nicht was, sondern wer. Ich weiß nicht, ob es ein Mädchen oder ein Junge wird." Nun begriff er endlich, und sie beobachtete, wie er zunächst erschrak und dann übers ganze Gesicht strahlte. "Willst du damit sagen, dass du ein Baby bekommst?" meinte er schroff, und als sie lächelte, streckte er ihr die Hand entgegen. "Komm her." Daraufhin stand sie auf, ging zu ihm und setzte sich auf seinen Schoß. "Warum hast du das nicht gleich gesagt?" Jetzt sah sie, dass er Tränen in den Augen hatte, und prompt musste sie auch weinen. "Ich wusste nicht, ob du dich darüber freuen würdest oder nicht. Wir haben ja nie darüber gesprochen, wann wir Kinder haben wollen:" "Wie könnte ich mich nicht freuen?" brachte er hervor und schüttelte schließlich den Kopf. "Ein Baby! Bist du sicher?" "Mein Arzt hat es heute bestätigt." "Deswegen bist du in letzter Zeit also immer so spät aufgestanden. Erzähl mir nicht, dass du an morgendlicher Übelkeit leidest und ich es überhaupt nicht gemerkt habe." Tasha wusste, dass Chris sich das nie verziehen hätte. "Nein", versicherte sie schnell, "ich musste mich nicht übergeben. Mir war nur ab und zu ein wenig übel." Sie umfasste sein Gesicht. "Und das mit den Malern war nur Spaß. Wenn du nichts dagegen hast, würde ich das Zimmer lieber selbst streichen." "Nur unter der Bedingung, dass ich dir dabei helfen darf." Überglücklich lehnte sie den Kopf an seine Schulter. "Kannst du denn streichen?" Lachend zog er sie an sich. "Keine Ahnung, aber es wird sicher Spaß machen, es herauszufinden. Kann ich Sie jetzt für einen zärtlichen Liebesakt begeistern, Mrs. Calder?" Sie seufzte leise und küsste ihn auf die Wange. "Ich weiß nicht. Bist du denn gut darin?" "Wenn du schwanger bist, muss ich wohl etwas richtig gemacht haben. Komm, lass es uns herausfinden." Kurzerhand hob er sie hoch, blies die Kerzen aus und ging mit ihr nach oben ins Schlafzimmer.
In den nächsten Tagen lachten sie viel zusammen und schmiedeten Zukunftspläne. Chris behandelte sie wie eine Porzellanpuppe, bis Tasha schließlich damit drohte, ihm etwas an den Kopf zu werfen, wenn er nicht damit aufhörte. Danach kehrte der Alltag wieder ein. Da Tasha bereits, zahlreiche Klienten hatte, war sie vielbeschäftigt und kam oft erst kurz vor Chris nach Hause zurück. Nachdem Madge erfahren hatte, dass ein Baby unterwegs war, sorgte sie immer dafür, dass eine gesunde Mahlzeit auf dem Tisch stand. Als Tasha am Donnerstag später als sonst nach Hause kam, fand sie eine Nachricht von Madge vor, in der diese sie daran erinnerte, dass sie zur Preisverleihung ihrer Enkelin gegangen war und das Essen im Backofen stand. Tasha schaltete den Backofen ein und deckte den Tisch. Sie war gerade dabei, die Post durchzusehen, als sie Chris hereinkommen hörte. Deshalb legte sie die Briefe beiseite und ging in die Eingangshalle, um ihn zu begrüßen. "Hallo. Hattest du einen anstrengenden Tag?" Wie immer umarmte sie ihn und stellte dabei überrascht fest, dass er sich verspannte. Da er auch nicht lächelte, wusste sie, dass irgend etwas passiert sein musste. "Was ist los, Schatz?" fragte sie. In seinen Augen flackerte ein seltsamer Ausdruck auf, doch dann lächelte Chris und umarmte sie ebenfalls. "Was sollte schon los sein?" Doch sein Kuss war anders als sonst, überhaupt nicht zärtlich, was ihren Verdacht nur bestätigte. Tasha löste sich von ihm und blickte ihn an. Der misstrauische Ausdruck in seinen Augen ließ sie erschauern. Sie konnte sich nicht erklären, warum Chris sie so starr ansah. "Woher soll ich das wissen?" "Meine Freunde sagen mir, ich hätte alles, was ein Mann sich wünschen kann. Ein schönes Haus und eine wunderschöne Frau, die mich liebt." Noch immer blickte er sie durchdringend an. "Du liebst mich doch, nicht, Tasha?" Verwirrt runzelte sie die Stirn und fragte sich, was bloß geschehen sein mochte. "Natürlich liebe ich dich. Das weißt du doch", bestätigte sie leise und war noch verwirrter, als er sie unvermittelt losließ. Allmählich bekam sie Panik. "Nun sag mir schon, was passiert ist, Chris!" "Was passiert ist? Ich habe mich mit einem potentiellen Klienten getroffen." Er lachte seltsam und ging dann ins Wohnzimmer, wo er sich einen Scotch einschenkte und das Glas in einem Zug halb leerte. Tasha, die ihm gefolgt war, beobachtete ihn bestürzt. Es war nichts dabei, wenn Chris sich mit einem potentiellen Klienten traf, denn schließlich leitete er eine große Anwaltskanzlei. Allerdings erklärte das noch nicht, warum er sich so seltsam benahm. "Hat dieser Kunde auch einen Namen?" erkundigte sie sich in der Hoffnung, dadurch mehr zu erfahren. "O ja", bestätigte er grimmig. "Seine Name ist George Terlow." "Terlow?" wiederholte sie. "Ich glaube nicht, dass ich ihn kenne, oder?" "Es sei denn, du kennst dich in der Filmbranche aus. Offenbar hat er eine eigene Produktionsfirma. Er und seine Frau waren gerade in Neuengland und hatten ein Problem. Daher kam er zu mir, um sich juristischen Hat einzuholen." "Ach so", erwiderte sie, obwohl sie überhaupt nichts begriff. Das amüsierte ihn offenbar. "Ach wirklich? Übrigens solltest du noch zwei Gedecke auf den Tisch stellen. Wir bekommen nämlich Besuch." Tasha blinzelte verwirrt. "Besuch?" Chris lächelte, aber der Ausdruck in seinen Augen war ernst. "George Terlow und seine Frau. Ich dachte, sie würden dich interessieren, deshalb habe ich sie zum Essen eingeladen. Ach ..." fügte er hinzu, als draußen ein Wagen vorfuhr. "Da sind sie schon." Am liebsten hätte sie ihn gezwungen, ihr endlich zu sagen, was los war, doch dazu blieb keine Zeit. Schnell ging sie ins Wohnzimmer und stellte noch zwei Gedecke auf den Tisch, bevor sie in die Küche eilte. Sie hoffte, dass die beiden Fleisch, Käse und Gemüse mochten, denn mehr gab es nicht.
Noch während sie Chris grollte, weil er Madge nicht Bescheid gesagt hatte, hörte sie bereits Stimmen in der Eingangshalle. Wenigstens würden die beiden nicht hungrig gehen müssen, aber viel konnte sie ihnen nicht bieten, und daran ließ sich jetzt auch nichts mehr ändern. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass alles warm gehalten wurde, verließ sie die Küche. "Ah, da bist du ja, Schatz", sagte Chris herzlich, als sie das Wohnzimmer betrat. Dann umfasste er ihren Arm und drehte sie zu dem Mann, der neben ihm stand. "Ich möchte dich mit George Terlow bekannt machen", stellte er sie vor, und als sie George, einem kleinen, rundlichen Mann in den Sechzigern, die Hand schüttelte, schaute dieser sie an, als wäre sie ein Geist. "Und das ist seine Frau." Chris wandte sich zum Sofa. "Natascha." Sie hatte eine ältere Dame erwartet, doch die Frau, die ruhig auf dem Sofa saß und ein enges rotes Kleid trug, war die letzte, mit der Tasha gerechnet hatte - oder die sie sehen wollte. Sie wurde aschfahl und hatte das Gefühl, eine Welt würde für sie zusammenstürzen. Der einzige Trost war, dass Natalya genauso verblüfft zu sein schien wie sie. "Tasha?" Sie richtete sich auf und bedachte Chris mit einem vorwurfsvo llen Blick. "Du hast mir gar nicht erzählt, dass du mit Tasha verheiratet bist." "Zwillinge! Du meine Güte, ihr seid Zwillinge!" ließ George Terlow sich dann vernehmen. "Und offenbar heißen beide Natasha." Chris klang amüsiert, aber Tasha wusste, dass er furchtbar wütend war. Sie sah es ihm an. Für einen Moment schloss sie die Augen und sagte sich dabei, dass sie sich jetzt zusammenreißen musste, so schrecklich es auch war. Schließlich ging sie zu ihrer Schwester, die ausnahmsweise einmal verunsichert wirkte. Tasha lächelte verkrampft. "Ich bin Natasha. Das ist Natalya, meine Zwillingsschwester. Sie nennt sich nur lieber Natasha", sagte sie zu den beiden Männern, bevor sie Natalya auf die Wange küsste. "Wie soll man die beiden bloß auseinanderhalten?" meinte George Terlow fasziniert. Als Chris ihrem gequälten Blick begegnete, lächelte er eisig. "An ihrer Frisur. Stimmt's, Schatz?" George Terlow schien die angespannte Atmosphäre nicht zu bemerken. "Ja, Sie haben recht. Aber sonst könnte man sie überhaupt nicht auseinanderhalten. Ich meine, wenn eine von ihnen sich als ihre Schwester ausgibt, wer könnte etwas dagegen sagen?" "Ja, wer könnte das?" bestätigte Chris leise, woraufhin Tasha innerlich zusammenzuckte. "Ich ... ich sehe jetzt nach dem Essen", entschuldigte sie sich und eilte aus dem Wohnzimmer. Erst in der Küche blieb sie stehen und stützte sich auf die Spüle. Er wusste es! Sie verspürte einen schmerzhaften Stich, als ihr bewusst wurde, dass Chris Natalya absichtlich eingeladen hatte. Er wusste es, und er wollte sie bestrafen. "Also, was, zum Teufel, geht hier vor?" ließ sich im nächsten Moment Natalya von der Tür her vernehmen. Ihre Stimme klang schrill. Tasha zuckte zusammen und drehte sich zu ihr um. "Ich dachte, das wäre offensichtlich." Sie sah, dass ihre Zwillingsschwester inzwischen die Fassung wiedergewonnen hatte. Natalya hatte die Hände in die Hüften gestützt und funkelte sie vorwurfsvoll an. "Und was soll diese Farce?" Tasha atmete tief durch und schlang sich die Arme um die Taille. "Chris wollte mir zu verstehen geben, dass er weiß, dass ich nicht du bin." "Natürlich bist du nicht ich. Das weiß er genau. Oder etwa nicht?" Natalya sah sie durchdringend an, und Tasha senkte den Blick. "Du meine Güte! Du hast es ihm nicht gesagt, stimmt's? Du hast dich als mich ausgegeben." Natalya begann, in der Küche auf und ab zu gehen. "Jetzt verstehe ich auch, warum er sich heute nachmittag so komisch benommen hat. Ich dachte, er würde wütend auf mich sein, denn schließlich habe ich ihn sitzenlassen. Aber stattdessen war er schockiert. Er wusste nicht, dass es zwei von uns gibt. Er dachte, ich wäre du, weil du ihm gesagt hattest, du wärst ich." Sie
lachte. "Und ich dachte, er hätte mir verziehen, weil er uns zum Essen eingeladen hat. Dabei war er bloß wütend, weil er glaubte, er hätte mich geheiratet." Tasha stieß sich von der Spüle ab. "Wenn du darüber nur Schadenfreude empfindest, dann geh doch wieder ins Wohnzimmer", entgegnete sie scharf, bevor sie das Gemüse aus dem Backofen nahm. Natalya schüttelte den Kopf. "Wer hätte das von einem Tugendlamm wie dir gedacht? Du kannst von Glück sagen, wenn am Ende ein paar Dollar für dich herausspringen." Nun platzte Tasha der Kragen. Sie knallte die Auflaufform auf den Tisch und drehte sich zu ihrer Schwester um. "Ich will sein verdammtes Geld nicht! Du machst mich krank!", Natalya lehnte sich an den Tresen. "Schon gut, ich glaube dir ja, dass du ihn liebst", meinte sie gespielt mitfühlend. "Du hättest es ihm sagen sollen, Tasha. Du weißt, dass er dir niemals verzeihen wird, stimmt's?" Genau davor hatte sie am meisten Angst, und Tasha hielt sich die Ohren zu. "Halt den Mund! Halt endlich den Mund!" rief sie verzweifelt. "Stimmt etwas nicht?" ließ Chris sich im nächsten Moment von der Tür her vernehmen. Beide drehten sich zu ihm um, und Tasha ließ die Hände sinken. "Nein, es ist alles in Ordnung", erwiderte sie heiser. Sie wünschte, Chris und sie wären allein, damit sie miteinander reden konnten. Doch er wollte es ihr offenbar nicht so leicht machen. Zuerst einmal musste sie diese Farce überstehen. "Das Essen ist fertig. Wenn wir jetzt nicht anfangen, wird alles kalt. Ich bringe das Essen ins Wohnzimmer. Inzwischen kannst du unseren Gästen ihre Plätze zeigen." Was dann folgte, waren die schlimmsten Stunden ihres Lebens. Chris gab sich ganz weltgewandt und unterhielt ihre Gäste, als wäre nichts passiert. Und für Natalya war ja auch tatsächlich alles in Ordnung. Tasha war allerdings klar, dass der Alptraum erst beginnen würde, wenn die beiden weg waren, Sie versuchte, sich an der geselligen Runde zu beteiligen, aber sie brachte kaum einen Bissen herunter und trank wegen des Babys nur ein Glas Wein. Natalya war sich ganz sicher, dass sie ungeschoren davonkommen würde. Vielleicht wäre sie nicht ganz so selbstgefällig gewesen, wenn sie den verächtlichen Ausdruck in Chris' Augen bemerkt hätte. Chris hatte sie jetzt durchschaut, und sie wusste, dass er sie nun, wie sie immer befürchtet hatte, mit ihrer Schwester verglich. Er bezweifelte nicht, dass sie George Terlow nur wegen seines Geldes geheiratet hatte, denn warum sonst hätte sich eine junge Frau wie sie an einen Mann wie ihn gebunden? Schließlich verkündete George, sie müssten jetzt aufbrechen, da sie früh am nächsten Morgen an die Westküste fliegen würden. Chris brachte die beiden zum Wagen, aber Tasha blieb im Eingang stehen und winkte ihnen nach. Dann kehrte sie ins Wohnzimmer zurück und blickte starr auf den leeren Kamin. "Endlich allein", ließ Chris sich kurz darauf hinter ihr vernehmen. Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und drehte sich zu ihm um. "Das war ganz schön mies von dir", entgegnete sie schroff. Er verzog zynisch den Mund, und seine grauen Augen funkelten kalt. Schließlich kam er zu ihr und streichelte ihre Wange. "Meine süße, durchtriebene Frau. Hast du wirklich geglaubt, ich würde es nicht herausfinden?" Ihr war, als würde ihr Herz in tausend Stücke zerspringen. "Chris, bitte ..." Sie wusste nicht, wie sie es ihm erklären sollte. "Ich habe dich etwas gefragt, Tasha!" fuhr er sie an, so dass sie zusammenzuckte. "Hast du geglaubt, ich würde es nicht herausfinden?" Tasha schluckte mühsam. "Ja." Chris atmete scharf ein. Dann ging er an ihr vorbei zum Barschrank und schenkte sich einen Drink ein. Er trank das Glas in einem Zug fast aus, bevor er ihr einen vernichtenden Blick zuwarf. "Wie konnte ich bloß glauben, dich zu kennen? Ich kenne dich überhaupt nicht." "Das stimmt nicht", widersprach sie sofort. "Du kennst mich sogar sehr gut."
Chris lachte humorlos. "Das einzige, was ich über dich weiß, mein Schatz, ist, dass du eine Lügnerin bist." Tasha versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr sie innerlich zitterte. "Ich habe dich nur in einem Punkt belogen, und zwar deswegen, weil ich es nicht ertragen hätte, wenn du mich so angesehen hättest, wie du es jetzt tust." Sie hatte schreckliche Angst und war den Tränen nahe. Er betrachtete sie eine Weile mit versteinerter Miene. "Und wie sehe ich dich an?" fragte er schließlich spöttisch. Nur mit Mühe hielt sie seinem Blick stand. "Als würdest du mich verachten." Wieder verzo g er den Mund. "Gut beobachtet", höhnte er. Ihr gefror das Blut in den Adern. "Chris, bitte lass es mich dir erklären ..." begann sie. "Und was, meine Schatz, willst du mir erklären? Dass du und deine Zwillingsschwester es auf mein Geld abgesehen hattet? Ich weiß nicht, welche von euch beiden ich mehr verachte. Deine Schwester, weil sie den Gedanken nicht ertragen konnte, an einen Krüppel gebunden zu sein, oder dich, weil du die Gelegenheit ergriffen hast." Er leerte sein Glas und schenkte sich einen neuen Drink ein. "So war es nicht!" protestierte sie hilflos. "Wie war es dann, Tasha? Sag es mir." Mit zitternder Hand fuhr Tasha sich durchs Haar. "Es stimmt, dass Natalya dich deines Geldes wegen heiraten wollte, aber ich nicht, das schwöre ich dir." Chris zo g skeptisch die Augenbrauen hoch. "Tatsächlich? Nun willst du mir wahrscheinlich weismachen, dass es Liebe auf den ersten Blick war." "Ja, genau das war es." "Erwartest du allen Ernstes, dass ich dir das glaube?" entgegnete er kalt. "Wenn du mich über deine Familie belogen hast, frage ich mich, was noch alles gelogen war." Sie erstarrte. "Ich würde niemals ... könnte niemals ... lügen, was meine Gefühle für dich betrifft." "Ach nein? Und trotzdem ist es dir so leicht gefallen, mich über deine Schwester zu belügen. Du hast behauptet, ihr hättet kein gutes Verhältnis zueinander, und du wüsstest nicht, wo sie ist." Impulsiv machte sie einen Schritt auf ihn zu. "Wir haben auch kein gutes Verhältnis zueinander", beharrte sie mit bebender Stimme. "Nat weiß, dass ich ihr Verhalten nicht gutheiße." "Aber wenn eine Frau einen Mann heiratet und dabei vorgibt, eine andere zu sein, kann man das gutheißen, oder?" brauste er auf. "Ich weiß, dass es falsch war, aber ich hatte Angst, dich zu verlieren." "Du hattest Angst davor, deine Geldquelle zu verlieren." Tasha schüttelte heftig den Kopf. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, und sie konnte kaum atmen, geschweige denn einen klaren Gedanken fassen. "Das stimmt nicht! Begreif st du denn nicht? Ich habe mich in dich verliebt, und wenn ich dir erzählt hätte, was Nat getan hat, hättest du sie gehasst - und damit auch mich, weil ich dich an sie erinnert hätte. Du hättest mich angeschaut, aber nicht als den Menschen gesehen, der ich bin." "Du hast dich also als deine Schwester ausge geben, um mich zu bekommen", erklärte er kalt. Verzweifelt schloss sie die Augen. "Ich wollte dir die Wahrheit sagen, sobald du dich etwas erholt hattest. Zu dem Zeitpunkt dachte ich, es spielte keine Rolle, dass alle mich für Nat hielten. Doch dann wurde mir klar, dass ich mich in dich verliebt hatte, und dachte, du würdest mich besser kennenlernen, wenn ich noch warten würde." Flehend schaute sie ihn an. "Und genau das hast du getan, Chris. Du hast den Unterschied bemerkt. Die Frau, die du vor dem Unfall kennengelernt hattest, war nicht die Frau, die du danach gefunden hast. Du hast dich in mich verliebt."
Ein Muskel zuckte an seiner Wange. "Und warum hast du es mir damals nicht erzählt?" "Weil ich es nicht für so wichtig hielt! Ich habe dich geliebt, und du hast mich geliebt", erklärte sie verzweifelt. "Nach dem Motto ,Schlafende Hunde soll man nicht wecken', stimmt's?" meinte Chris höhnisch. Nun hatte sie die schreckliche Gewissheit. Er würde ihr nicht verzeihen. Tasha kämpfte mit den Tränen. "Ich wollte dich nicht verletzen. Meine einzige Entschuldigung ist, dass ich dich so geliebt habe." Chris kam zu ihr und umfasste ihr Kinn. "Du liebst mich nicht, Tasha. Du weißt überhaupt nicht, was Liebe ist." "Doch, ich liebe dich!" Er schüttelte den Kopf. "Du bege hrst mich, aber das ist keine Liebe. Wenn du mich lieben würdest, hättest du dich nicht so verhalten." Tasha versuchte, das Ganze mit seinen Augen zu sehen. Jetzt wusste sie, dass sie einen großen Fehler gemacht hatte. Alles, was sie noch tun konnte, war, sich zu verteidigen und zu hoffen, dass er sie verstand. "Ich weiß, was Liebe ist. Es bedeutet, dass ich nur ein halber Mensch bin, wenn du nicht bei mir bist. Es ist die Freude, die ich empfinde, wenn ich deine Stimme höre und dein Lächeln sehe. Es bedeutet, traurig zu sein, wenn du traurig bist. Es bedeutet, dass ich immer bei dir sein will", erwiderte sie bewegt. "Auch wenn du weißt, dass ich dich verachte?" erkundigte er sich scharf. "Auch dann, denn ich weiß, dass du mich liebst." Schließlich ließ er sie los und ging zum Fenster, um in die Dunkelheit hinauszuschauen. "Wie kann ich dich lieben, wenn ich dir nicht vertraue? Ich glaube nicht, dass ich dir je wieder vertrauen kann, Tasha." Seine Worte versetzten ihr den Todesstoß, und sie wusste nicht, wie sie es schaffte, sich aufrecht zu halten. Unbewusst legte sie die Hand auf den Bauch. "Heißt das, du willst dich von mir scheiden lassen?" brachte sie hervor. Daraufhin drehte Chris sich zu ihr um. Seine Miene war so grimmig und abweisend, dass Tasha erschauerte. "Das war mein erster Impuls. Ich wollte vor dir fliehen, so weit weg wie möglich. Dann habe ich an das Baby gedacht." Einen Moment lang glaubte sie, in Ohnmacht zu fallen. "Du willst das Baby haben?" fragte sie ungläubig. Er warf ihr einen verächtlichen Blick zu. "Glaubst du wirklich, ich wäre zu so etwas fähig?" Natürlich glaubte sie das nicht. "Es tut mir leid. Ich ..." Doch er ließ sie nicht ausreden. "Zufällig bin ich der Meinung, dass ein Kind Vater und Mutter haben sollte." Sie hielt unwillkür lich den Atem an. "Heißt das, wir sollen wegen des Babys zusammenbleiben?" "Ich habe nicht die Absicht, auf mein Kind zu verzichten. Wenn es sein muss, werde ich dafür kämpfen." "Und was ist mit mir?" Sie wusste, dass sie gute Chancen hatte, vor Gericht zu gewinnen, doch dadurch würden Chris und sie sich noch mehr entfremden. Deshalb musste sie herausfinden, ob es eine Alternative gab. "Ich bin mir durchaus bewusst, dass ich mit dir zusammenbleiben muss, wenn ich mein Kind haben will", sagte er. "Ich bin dazu bereit, aber unsere Ehe wird nur noch auf dem Papier bestehen: Es wird dir an nichts fehlen. Nenn deinen Preis, und ich zahle, aber nur unter der Bedingung, dass du mit dem Baby hierbleibst. Ich finde, das ist ein fairer Tausch. Ein Blankoscheck gegen mein Kind."
Das war keine Alternative, sondern eine Beleidigung, und am liebsten hätte Tasha ihn genauso beleidigt. Wenn sie ihn verließ, würde sie ihn kaum sehen, und wenn sie bei ihm blieb, würde sie sich ihr eigenes Grab schaufeln. Chris hatte sich wieder abgewandt und blickte nach draußen. "Du musst dich nicht sofort entscheiden, sondern kannst es mir morgen sagen." "Ich bleibe hier", erwiderte sie ohne nachzudenken, fragte sich jedoch gleich darauf, ob sie völlig übergeschnappt war. Allerdings hatte sie keine Wahl, denn sie wollte weder das Baby noch ihn verlieren. Schließlich wandte er sich ihr wieder zu. "Damit hatte ich gerechnet." Dann stellte er sein Glas auf den Tisch und ging zur Tür. "Ich ziehe ins Gästezimmer", verkündete er, bevor er das Wohnzimmer verließ. Tasha ließ sich auf einen Sessel sinken und lehnte den Kopf zurück. Sie zitterte am ganzen Leib. Das alles war wie ein Alptraum, aber sie wusste, dass sie nicht aufwachen würde. Doch trotz allem hatte sie noch etwas Hoffnung. Chris hatte nicht gesagt, dass er sie nicht mehr liebte. Sie hatte ihn zutiefst verletzt, und sie wusste nicht, ob sie sein Vertrauen je wieder zurückgewinnen konnte, aber sie musste es wenigstens versuchen. Sie liebte ihn viel zu sehr, um sich damit abzufinden, dass nun alles vorbei war. Sie wusste nicht, wie es enden würde. Sie wusste nur, dass sie bleiben und kämpfen musste.
6. KAPITEL
In den folgenden Tagen merkte Tasha, dass Chris es ernst gemeint hatte, denn sie sah ihn kaum noch. Er schlief im Gästezimmer und fuhr zur Arbeit, bevor sie aufstand. Für sie war es schwer, das zu akzeptieren. Sie hatte sich so daran gewöhnt, mit ihm in einem Bett zu schlafen, dass sie nun kaum noch ein Auge zutun konnte. Obwohl sie keinen Appetit hatte, zwang sie sich, dem Baby zuliebe etwas zu essen. Zu allem Überfluss machte sich die morgendliche Übelkeit jetzt richtig bemerkbar, und Tasha wurde sogar im Laufe des Tages oft schlecht. Dennoch war sie fest entschlossen, diese schwere Zeit durchzustehen. Sie hatte gar nicht gewusst, wie einsam man sich fühlen konnte, bis Chris sie völlig aus seinem Leben ausschloss. Er aß auswärts, und wenn er spätabends nach Hause kam, zog er sich gleich in sein Arbeitszimmer zurück, wo er bis tief in die Nacht saß. Falls sie sich zufällig einmal begegneten, war er höflich, aber sehr reserviert. Und Tasha ließ es sich gefallen, weil sie verstand, dass er wütend war. Nur einmal versuchte sie, an ihn heranzukommen- Chris hatte es sich zur Regel gemacht, sonntags grundsätzlich nicht zu arbeiten, und normale rweise machten sie dann immer etwas Besonderes. An diesem Sonntag allerdings vergrub er sich wieder in seiner Arbeit, und obwohl sie nicht erwartet hatte, dass er etwas mit ihr unternahm, machte es sie wütend. Wenn er sie bestrafen wollte, musste er es schließlich nicht auf Kosten seiner Gesundheit tun. Da sie sich Sorgen um ihn machte, ging sie am Abend zu ihm ins Arbeitszimmer. Als er aufblickte und sie die Ringe unter seinen Augen sah, krampfte sich ihr Herz zusammen. "Du arbeitest zuviel, Chris. Im Fernsehen gibt es einen Dokumentarfilm, der dich vielleicht interessiert. Warum kommst du nicht und schaust ihn dir mit mir an?" schlug sie vor in der Hoffnung, ihn dadurch eventuell zu einem Gespräch zu bewegen. "Ich habe zuviel zu tun", entgegnete er kurz angebunden, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder den Unterlagen auf seinem Schreibtisch widmete. Die Tränen traten ihr in die Augen. "Wäre es denn so schlimm für dich, eine Weile mit mir zusammenzusitzen? Du fehlst mir", gestand sie mit bebender Stimme. "Ich kann mich nicht entsinnen, dass das Ehegelübde auch das Versprechen enthielt, dich zu unterhalten", erklärte er, ohne aufzuschauen. Tasha zuckte zusammen. "Dann hör wenigstens auf zu arbeiten. Ich mache mir Sorgen um dich." Chris schlug etwas in einem dicken Gesetzbuch nach. "Du brauchst dich nicht für mich verantwortlich zu fühlen." Nun wurde sie wütend. "Verdammt, erzähl mir nicht, ich hätte nicht das Recht, mir Sorgen um dich zu machen!" Endlich sah er sie an. "Ich dachte, du wolltest es nicht." "Ach tatsächlich? Dann hast du dich geirrt!" Sie versuchte, nicht die Beherrschung zu verlieren. "Wie lange soll das noch so weitergehen?" "Ich habe dir gesagt, wie es sein wird, und du hast es akzeptiert, indem du beschlossen hast zu bleiben", sagte er mit ausdrucksloser Miene. "Wenn mein Geld dir nicht zum Zeitvertreib reicht, ist das dein Problem. Und jetzt würde ich gern weiterarbeiten", fügte er demonstrativ hinzu. Zornentbrannt verließ sie das Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu. Danach versuchte sie es nicht wieder, denn schließlich hatte sie auch ihren Stolz. Madge merkte natürlich auch, was vor sich ging, sagte jedoch nichts, bis Tasha am darauffolgenden Donnerstagabend aus dem Büro nach Hause kam. Wie immer in letzter Zeit ging sie gleich in die Küc he, um eine Tasse Tee zu trinken und etwas Gesellschaft zu haben.
"Sie sehen gar nicht gut aus, meine Liebe", erklärte Madge, als sie ihr einen Becher mit heißem Tee auf den Tisch stellte. "Das sind die Freuden der Schwangerschaft", scherzte Tasha, obwohl ihr klar war, dass sie nicht deswegen so blass war und abgenommen hatte. Und Madge wusste es offenbar auch, denn sie stieß einen verächtlichen Laut aus. "Chris hat angerufen und lässt Ihnen ausrichten, dass er auswärts isst", berichtete sie angespannt. "Man sollte Sie beide zur Vernunft bringen! Dieser Unsinn ist nicht gut für das Baby." Tasha schnitt ein Gesicht. "Erzählen Sie das mal Chris. Mit mir redet er ja nicht." "Das habe ich getan. Er hat mir gesagt, ich soll mich um meine Angelegenheiten kümmern", konterte die Haushälterin trocken. "Tut mir leid, Madge." Tasha bekam sofort ein schlechtes Gewissen, weil sie Madge da mit hineingezogen hatte. "Chris arbeitet zuviel und hat deswegen oft schlechte Laune." "Ich weiß, warum er schlechte Laune hat. Wenn Sie sich gestritten haben, vertragen Sie sich wieder." "So einfach ist das nicht." "Das ist es nie", räumte Madge ein. "Aber Sie beide lieben sich, das ist offensichtlich. Und Sie waren überglücklich. Es wäre dumm, das wegen eines albernen Streits zu vergessen." Tasha war die Kehle wie zugeschnürt. "Könnten wir lieber das Thema wechseln?" Madge wollte offenbar noch etwas sagen, kam aber nicht dazu, weil das Telefon zu klingeln begann. Tasha ging ins Wohnzimmer, um abzunehmen. "Hallo, Tasha", meldete sich Elaine fröhlich. "Wie geht es dir, und wie geht es meinem Enkelkind?" Es tat ihr unendlich gut, Elaines Stimme zu hören, und Tasha setzte sich auf den nächstbesten Stuhl. Zum erstenmal seit Tagen war ihr Lächeln wieder echt. "Es geht uns beiden gut", erwiderte sie genauso fröhlich. Seit sie die Neuigkeit erfahren hatte, rief Elaine mehrmals in der Woche an. "Chris hat sich Sorgen gemacht, dass die morgendliche Übelkeit dir zu sehr zu schaffen macht", verkündete Elaine. "Er hat was?" fragte Tasha verblüfft. "O ja, meine Liebe. Er hat mich erst neulich von der Arbeit aus angerufen und mich gefragt, ob ich wüsste, wie er dir helfen kann." Tasha war sprachlos. "Davon hat er kein Wort gesagt", brachte sie schließlich hervor. Elaine lachte. "Na, du weißt ja, wie Männer sind. Im Grunde sind sie richtige Softies, aber die Frauen sollen es auf keinen Fall merken." Chris ist es jedenfalls gelungen, dachte Tasha. Nun wusste sie, dass er sich Sorgen um sie machte, und schöpfte wieder etwas Hoffnung. Anschließend sprach sie mit Elaine darüber, was sie gegen ihre morgendliche Übelkeit tun konnte, bis diese auf den eigentlichen Grund ihres Anrufs zu sprechen kam. "Ich wollte dich nur an die Party für Evan und Isobel am Samstag erinnern. Vergiss nicht, dass ihr ein paar Tage bei uns bleibt." Tasha hatte es tatsächlich vergessen, was in Anbetracht der jüngsten Ereignisse allerdings nicht verwunderlich war. Sein Bruder Evan wollte sich verloben, und Chris und sie hatten vorgehabt, einige Tage dort zu bleiben. Der Zeitpunkt hätte nicht ungünstiger sein können, doch sie wusste, dass sie nicht absagen konnte. "Keine Sorge, wir kommen", erwiderte sie daher. "Wahrscheinlich fahren wir sogar schon morgen Abend." "Das ist wunderbar, meine Liebe", sagte Elaine. "Wir freuen uns auf euch. Oh, ich muss Schluss machen, denn es hat geklingelt. Hoffentlich ist es der Partyservice. Grüß Chris von mir, ja? Bye."
Langsam legte Tasha auf. Sie vermutete, dass Chris die Party auch vergessen hatte. Sie musste mit ihm darüber sprechen. Die Frage war nur, wie. Als Tasha ihn im Büro anrief, erfuhr sie von seiner Sekretärin, dass er den ganzen Nachmittag im Gericht gewesen und noch nicht zurück war. Deshalb bat sie seine Sekretärin, ihm auszurichten, dass er sie zurückrufen möge, und wartete den ganzen Abend auf seinen Anruf. Er meldete sich aber nicht. Schließlich ging sie ins Schlafzimmer, um zu lesen. Es war fast Mitternacht, als sie den Wagen vorfahren hörte. Schnell stand sie auf, zog ihren seidenen Morgenmantel über und ging zur Treppe. Chris schloss gerade die Haustür ab, und sie blieb oben an der Treppe stehen und biss sich auf die Lippe, als sie sah, wie müde er wirkte. Ihr Herz krampfte sich zusammen, denn er wirkte genauso unglücklich wie sie. Wenn sie nicht genau gewusst hätte, dass er sie zurückweisen würde, wäre sie zu ihm gegangen. Doch sie musste ein Geräusch gemacht haben, weil er plötzlich zu ihr aufblickte. Er runzelte die Stirn und kam zur Treppe. "Was ist los, Tasha? Bist du krank?" erkundigte er sich besorgt. "Mir geht es gut", versicherte sie. Dann ging sie einige Stufen hinunter, zögerte aber, weil er sehr zynisch klang, als er weitersprach. "Warum bist du dann so spät noch auf? Oder soll ich raten? Willst du mich daran erinnern, was ich entbehren muss?" Obwohl Tasha vor Wut und Bestürzung errötete, ließ sie sich nicht anmerken, wie sehr seine Worte sie trafen, und ging weiter. "Ich könnte wohl kaum noch tiefer in deiner Achtung sinken." Chris lächelte ungläubig. "Vielleicht ist es aus der Not geboren." Am liebsten hätte sie ihn geohrfeigt. "Dazu habe ich zuviel Selbstachtung. Ich bin hier, weil ich mit dir reden muss. Ich habe dir im Büro eine Nachricht hinterlassen. Du hättest mich gern zurückrufen können." "Ich bin nicht mehr im Büro gewesen. Was mich betrifft, so gibt es nichts, worüber wir reden könnten", entgegnete er kühl. Sie verschränkte schützend die Arme vor dem Bauch. "Mir ist durchaus klar, dass meine Gesellschaft dir zuwider ist. Ich verspreche dir, dass ich deine kostbare Zeit nicht übermäßig beanspruchen werde", konterte sie spöttisch. "Was immer es auch sein mag, so wirst du dich noch gedulden müssen." "Und wann gedenkst du es zu tun? Du verlässt das Haus, bevor ich aufstehe, und kommst zurück, wenn ich schon schlafe." Ein Muskel zuckte an seiner Wange. "Ich arbeite an einem Fall." Tasha lachte schroff. "Du gehst mir bewusst aus dem Weg. Wovor hast du eigentlich Angst?" Als Chris rot wurde, fuhr sie versöhnlicher fort: „O Chris, wir müssen doch nicht so miteinander umgehen." Sofort verspannte er sich wieder und setzte eine eisige Miene auf. "Ich habe nicht viel Zeit. Sag mir, was du willst." Ihr war, als hätte er ihr ins Gesicht geschlagen. "Deine Mutter hat angerufen, um uns daran zu erinnern, dass sie uns an diesem Wochenende erwarten. Wir wollten ein paar Tage freinehmen, erinnerst du dich daran?" Offenbar hatte er es auch vergessen, denn er runzelte die Stirn. "Ich kann nicht weg. Du musst sie anrufen und absagen." "Das geht nicht", protestierte sie. "Dein Bruder feiert seine Verlobung. Er rechnet mit uns." "Verdammt!" Er fuhr sich durchs Haar und sah dabei unglaublich sexy aus. Tasha sehnte sich danach, ihn zu berühren, aber hätte es nicht ertragen können, wenn er sie zurückgewiesen hätte. "Wir müssen hinfahren. Es sei denn, du bist bereit, allen zu erzählen, was hier los si t", erklärte sie mit einem scharfen Unterton.
Chris schaute sie drohend an, doch sie hielt seinem Blick stand, bis er schließlich seufzte. "Am besten fährst du morgen allein. Ich komme Samstag morgen mit dem Zug nach." "Kannst du es nicht einmal ertrage n, mit mir im Wagen zu sitzen?" Sie war den Tränen nah, und da er es nicht sehen sollte, wandte sie sich ab, um die Treppe hinaufzugehen. Dabei trat sie auf ihren Morgenmantel und fiel mit einem leisen Aufschrei hin. Sofort stürzte er auf sie zu und kniete sich neben sie, um ihr aufzuhelfen. "Ist alles in Ordnung?" fragte er rau. "Ich habe mich schon besser gefühlt", erwiderte sie trocken. Als sie diesmal seinem Blick begegnete, glaubte sie sich wieder in seinen Augen zu verlieren. Wenn er sie so ansehen konnte, dann liebte er sie auch noch, selbst wenn er es nicht zugeben wollte. Er spürte es offenbar ebenfalls, denn er ging sofort wieder auf Distanz. Nachdem er ihr aufgeholfen hatte, floh er förmlich vor ihr auf die andere Seite der Eingangshalle. "Ich muss am Samstag morgen einen Zeugen befragen", sagte er angespannt. "Er ist sehr wichtig für den Fall, an dem ich arbeite, und ich kann den Termin nicht ausfallen lassen. Sobald ich kann, komme ich mit dem Zug nach." Tasha verzog das Gesicht. Sie glaubte ihm und verfluchte sich insgeheim dafür, dass sie so übertrieben reagiert hatte. "Ach so. Ich packe dann deine Sachen, ja?" "Dafür wäre ich dir sehr dankbar." Wütend funkelte sie ihn an. "Du brauchst mir nicht dankbar zu sein. Schließlich macht eine Frau so etwas für ihren Mann." Chris zog die Augenbrauen hoch. "Wir führen wohl kaum eine normale Ehe. Und da wir gerade beim Thema sind ... Ich hoffe, dass du meinen Eltern nichts von unseren Problemen erzählst." "Dann werden wir also die glückliche Familie spielen, ja? Glaubst du, du kannst mir so weit vertrauen?" höhnte sie. Er lächelte grimmig. "Ich vertraue darauf, dass du weißt, wo was zu holen ist." Nun sah sie rot. "Verdammt, wie oft muss ich dir eigentlich noch sagen, dass ich dein Geld nicht will? Ich will nur dich!" brachte sie verzweifelt hervor, doch sie sah ihm an, dass sie nur ihre Zeit Verschwendete. Resigniert drehte sie sich um und ging weiter. "Tasha?" Tasha blieb stehen und schaute übers Geländer hinunter. "Ich bin müde, Chris", erwiderte sie ausdruckslos. "Ich wollte nur wissen, ob du ein Geschenk für Evan gekauft hast." Sie schüttelte den Kopf. "Nein. Soll ich morgen etwas besorgen, oder willst du es lieber selbst tun?" "Mach du es. Ich vertraue auf dein Urteilsvermögen." Das klang so selbstverständlich, als hätte er nie daran gezweifelt. Tasha wünschte, er würde genausowenig an ihrer Liebe zweifeln. "Also gut", meinte sie. Dann ging sie in ihr Zimmer, legte sich aufs Bett und blickte starr an die Decke. Ihr war so elend zumute, dass sie nicht einmal mehr weinen konnte. Sie hatte überhaupt keine Perspektive mehr. Chris würde niemals zugeben, dass er sie noch liebte, weil er ihr nicht mehr vertraute. Sie war bei ihm geblieben, weil sie gehofft hatte, sein Vertrauen wiederzugewinnen, aber was war, wenn das nicht geschah? Es war ein schrecklicher Gedanke, der sie auch am nächsten Tag nicht losließ, als sie ein Geschenk kaufte und anschließend zu ihren Schwiegereltern nach Maine fuhr. John und Elaine besaßen ein großes Haus am Ufer eines Sees. Früher war es ihr Sommerhaus gewesen, aber nachdem John sich aus dem aktiven Berufsleben zurückgezogen hatte, waren sie aus der Stadt dorthin gezogen. Tasha hatte die beiden bereits einige Male zusammen mit Chris besucht, war aber noch nie allein dort gewesen.
Als sie aus dem Wagen stieg, kamen ihre Schwiegereltern schon aus dem Haus. Sie umarmten sie liebevoll, waren jedoch offenbar verblüfft, weil Chris nicht mitgekommen war. "Er musste zu Hause bleiben, weil er morgen noch einen wichtigen Termin mit einem Zeugen hat", erklärte Tasha schnell, was Elaine allerdings nicht als Entschuldigung akzeptierte. "Was hat Chris sich bloß dabei gedacht, dich in deinem Zustand allein fahren zu lassen?" rief sie. "Es hat mir wirklich nichts ausgemacht", schwindelte Tasha. "Ich wundere mich über sein Verhalten, und das werde ich ihm auch sagen", beharrte Elaine. "Du musst völlig erschöpft sein. Komm erst mal rein, ich mache dir einen Tee." Sie kümmerte sich so rührend um sie, dass Tasha fast versucht war, ihr alles zu erzählen. Doch sie konnte es nicht, weil Chris nicht wollte, dass seine Familie es erfuhr. Sie konnte sich nicht entsinnen, sich je so hilflos gefühlt zu haben. Erst als sie das Gästezimmer betrat, das Chris und sie immer benutzten, fiel ihr etwas ein, woran er sicher nicht gedacht hatte. Das Bett. Seit Natalyas Besuch hatte er nicht mehr mit ihr in einem Bett geschlafen, aber hier würde ihm nichts anderes übrig bleiben. Die Vorstellung machte Tasha einerseits angst, andererseits Hoffnung, denn im Bett hatte er seine Gefühle ihr gegenüber noch nie leugnen können. War er vielleicht deswegen ins Gästezimmer gezogen? Auf die Idee war sie bisher noch gar nicht gekommen. Vielleicht konnte sie damit wieder zu ihm durchdringen. Sie wollte ihn zwar nicht zurückgewinnen, indem sie ihre körperlichen Reize einsetzte, doch vielleicht schaffte sie es ja, wenn sie ihn dazu brachte, mit ihr zu schlafen. Diese Gelegenheit konnte sie sich jedenfalls nicht entgehen lassen. Tasha verbrachte eine traumlose Nacht, und als sie am nächsten Morgen aufwachte, war herrliches Wetter, und der Tag berechtigte zu den besten Hoffnungen. Obwohl sie die ganze Zeit beschäftigt war, schaute sie ständig auf die Uhr, je später es wurde. Doch Chris kam nicht, und sie machte sich schon Sorgen, da rief er schließlich an. Sie .unterhielt sich gerade mit Elaine, als die Haushälterin sie ans Telefon holte. "Das Gespräch wurde verschoben. Ich komme also später", erklärte er kurz angebunden, während im Hintergrund Stimmen zu hören waren. Tasha war furchtbar enttäuscht. "Aber du schaffst es noch, oder?" Sie zuckte die Schultern, da Elaine zu ihr gekommen war. "Du klingst enttäuscht", meinte Chris spöttisch. Tasha seufzte. "Das bin ich auch. Ich vermisse dich." Er schwieg einen Moment. "Ist meine Mutter da?" fragte er schließlich. "Ja. Willst du mit ihr reden?" "Nein. Ich dachte nur, es erklärt vielleicht dein Verhalten", entgegnete er höhnisch. Gequält hielt sie den Atem an. "Ich habe es ernst gemeint", sagte sie dann gezwungenermaßen, obwohl sie wusste, dass es auch nichts nützte. "Ich komme, sobald ich kann. Bitte richte Mom und Evan aus, dass es mir leid tut." Und bevor sie noch etwas sagen konnte, legte Chris auf. Unglücklich blickte sie auf den Hörer. "Stimmt etwas nicht, meine Liebe?" erkundigte sich Elaine. Schnell legte Tasha auf und lächelte bedauernd. "Das war Chris. Er kommt leider später." Elaine wirkte niedergeschlagen. "Das ist schade, aber da ich selbst mit einem Rechtsanwalt verheiratet bin, überrascht es mich nicht. Komm, lass uns eine Tasse Kaffee trinken, dann geht es uns besser." Tasha folgte ihr in die Küche, doch es fiel ihr schwer, sich zu entspannen. Im Laufe des Nachmittags traf der Rest der Familie ein, aber selbst das lenkte sie nur vorübergehend ab, und auch während der Feier kam sie nicht in Stimmung. Daher entschuldigte sie sich irgendwann und ging in die Bibliothek, um einen Moment allein zu sein.
Dort stellte sie sich ans Fenster und beobachtete die abfahrenden Wagen. Wenn Chris doch nur kommen würde! dachte sie. Seit seinem Anruf waren Stunden vergangen. Plötzlich hörte sie, wie jemand hereinkam, und als sie sich umdrehte, sah sie Chris' Bruder Evan auf sich zukommen. Er war attraktiv, wirkte allerdings noch etwas jungenhaft. "Hier bist du also", meinte er lächelnd, während er eine n flüchtigen Blick aus dem Fenster warf. "Ist Chris immer noch nicht zu sehen?" Es klang lässig, aber sie wusste, dass er genauso enttäuscht war wie sie. "Allmählich glaube ich, dass wir eher den jüngsten Tag erleben", erklärte sie scharf. Evan grinste. "Vergiss Chris, und tanz mit mir." Nun musste sie ebenfalls lächeln. "Wenn es Isobel nichts ausmacht." Sie hakte sich bei ihm unter und ging mit ihm zurück auf die Veranda. "Ach, mach dir wegen Isobel keine Gedanken. Sie hat mich losgeschickt, damit ich dich suche, weil sie fand, dass du ein bisschen einsam wirkst." Tasha fragte sich, ob es so offensichtlich war. "Stimmt, aber langsam werde ich wütend", konterte sie trocken. Er lachte. "Gut so. Mir gefällt die Vorstellung, dass sein Leben keinen Pfifferling mehr wert ist, wenn Chris nicht bald hier auftaucht." "Es tut mir leid, dass er nicht hier ist, Evan", sagte sie, während sie sich auf der kleinen Tanzfläche zu drehen begannen. "Zerbrich dir darüber nicht den Kopf. Ich werde mich schon dafür revanchieren." Tasha lachte und ließ sich dann von der Musik treiben. Nach einigen Tänzen bestand sie darauf, dass Evan zu Isobel zurückging. Er nahm sie jedoch mit, und schließlich standen sie zu dritt am Rand der Tanzfläche und plauderten miteinander. Tasha wusste nicht, wieviel Zeit vergangen war, als sie irgendwann ein vertrautes Prickeln verspürte. Chris war da, das spürte sie. Suchend schaute sie sich um, aber es dauerte einen Moment, bis sie ihn entdeckte. Er stand auf der anderen Seite der Tanzfläche und schaute ihr direkt in die Augen. Wie gebannt erwiderte sie seinen Blick. Es knisterte förmlich zwischen ihnen, als würden sie beide instinktiv wissen, dass sie seelenverwandt waren und zusammengehörten. Tasha verspürte ein richtiges Hochgefühl, weil sie merkte, dass es auf Gegenseitigkeit beruhte, sonst hätte Chris sie nicht so angesehen. Schließlich versperrten die Tänzer ihr wieder die Sicht. Doch jetzt wagte sie wieder zu hoffen. Vielleicht würde sie Chris zurückgewinnen. "Chris ist da", sagte sie zu Evan, der daraufhin sofort verstummte. "Wo?" Er drehte sich um, aber da Tasha sich bereits an den anderen Gästen vorbeidrängte, umfasste er Isobels Arm und zog sie mit sich. Das Wohnzimmer war nicht so voll, weil dort das Büfett und die Bar aufgebaut waren. Als Tasha es betrat, sah sie Chris dort stehen und mit seinen Eltern plaudern. Offenbar war er in ihrem Zimmer gewesen, denn er trug den Smoking, den sie für ihn aufs Bett gelegt hatten. Auch er schien ihre Gegenwart zu spüren, weil er aufblickte und sich langsam zu ihr umdrehte, als sie auf ihn zuging. "Chris." Ermutigt durch den Blick, den er ihr vorher zugeworfen hatte, legte sie ihm die Hände auf die Brust und bot ihm die Lippen zum Kuss. Doch als sie den kalten Ausdruck in seinen Augen sah, wusste sie, dass er gegen seine Gefühle ankämpfte. Er hatte sein Herz gegen sie verhärtet. Schließlich lächelte er grimmig. "Tasha." Chris sprach ihren Namen genauso leise aus, aber es klang hohl, und Tasha wurde blass, als er den Kopf neigte und sie flüchtig auf den Mund küsste. Schnell senkte sie den Blick, damit er nicht merkte, wie tief es sie getroffen hatte.
"Verdammt, Chris, warum kommst du erst jetzt?" ließ Evan sich irgendwo hinter ihr vernehmen, und Chris schob sie sanft zur Seite, um ihn zu begrüßen. "Dachtest du, ich würde deinen großen Abend verpassen?" neckte er ihn und klopfte ihm auf den Rücken. Tasha wurde eifersüchtig, als sie beobachtete, wie liebevoll die beiden miteinander umgingen. Sie hasste sich dafür, doch sie kam nicht dagegen an. Chris brach ihr das Herz. "Ich wollte eigentlich eher kommen", erklärte er lässig, "aber das Gespräch hat länger gedauert, als ich erwartet hatte, und außerdem gab es einen Unfall auf der Autobahn. Es sieht so aus, als hätte ich etwas verpasst." Tasha sah nur eine Möglichkeit, ihren Stolz zu bewahren, nämlich zu kämpfen. Auch wenn Chris leugnete, was zwischen ihnen war, so würde sie es ihm zumindest nicht leichtmachen. Da er sie vor seiner Familie schlecht zurückweisen konnte, hakte sie sich bei ihm unter. "Und ich dachte scho n, du würdest mir bewusst aus dem Weg gehen", scherzte sie, obwohl ihr eher nach Weinen zumute war. Er lächelte, aber in seinen Augen lag ein wütender Ausdruck. "Warum sollte ich, Schatz? Du weißt doch, was ich für dich empfinde." Trotzig hob sie das Kinn. "Du liebst mich also noch?" erkundigte sie sich herausfordernd. "Warum stellst du mir die Frage nicht später, wenn wir allein sind und ich mich ihr mit der gebührenden Aufmerksamkeit widmen kann?" erwiderte Chris so verführerisch, dass alle lachten. Es verschaffte Tasha eine gewisse Befriedigung, zu wissen, dass sie es sich nicht gefallen ließ. "Weichen Sie mir aus, Herr Anwalt?" Nun kniff er die Augen zusammen. "Überhaupt nicht. Du weißt, dass ich dich genauso liebe wie du mich." Was er damit meinte, war offensichtlich, doch er irrte sich. Daher schaute sie ihm direkt in die Augen. "Es ist schön, zu wissen, dass du auch dein Leben für mich geben würdest, aber das verlange ich noch nicht von dir." Bevor Chris antworten konnte, klopfte sein Vater ihm auf die Schulter. "Ich habe den Eindruck, dass wir hier überflüssig sind", bemerkte er trocken. "Deswegen gedenke ich jetzt mit meiner Frau auf die Terrasse zu gehen und dort mit ihr zu knutschen." "Das mit dem Knutschen ist eine gute Idee, Dad. Wir kommen mit", rief Evan seinen Eltern hinterher, die bereits hinausgingen. "Bis später Chris ... Tasha." Sobald Tasha und Chris allein waren, gaben sie sich keine Mühe mehr, Harmonie vorzutäuschen. Er ging zu dem Mann an der Bar, bestellte einen Scotch und nahm einen kräftigen Schluck. "Musst du dir Mut antrinken, Schatz?" stichelte sie, woraufhin er ihr einen wütenden Blick zuwarf. "Ich wollte den schlechten Geschmack im Mund loswerden." Vor Wut errötete sie. "Gab es wirklich einen Unfall auf der Autobahn?" Chris betrachtete sie spöttisch. "Warum rufst du nicht bei der Polizei an, um dich zu vergewissern? Ihr würdest du vielleicht eher glauben." "Schon möglich. Schließlich hast du in letzter Zeit kaum ein Wort mit mir gewechselt." "Und ich dachte, ich würde bewundernswerte Zurückhaltung beweisen." Nachdem er sein Glas geleert hatte, stellte er es auf den. Tisch. "Indem du nicht mit mir redest?" konterte sie scharf. Er lächelte schwach. "Indem ich dich nicht erwürge! Wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest ... Ich möchte mich mit meinem Cousin Alex unterhalten." Dann verließ er das Wohnzimmer. Frustriert, ja beinah verzweifelt blickte Tasha ihm nach. Sie fühlte sich einsamer denn je, weil es offenkundig war, dass Chris keinen Deut nachgeben würde. Sie vermisste seine Nähe,
und zwar nicht nur seine körperliche, sondern auch seine seelische und geistige Nähe. Und sie wusste nicht, ob sie es ertragen würde, wenn dieser Zustand andauerte. Bevor sie sich entschließen konnte, was sie tun sollte, kam einer seiner Cousins, um sie zum Tanzen aufzufordern. David war blond, groß und attraktiv und bis über beide Ohren in eine Frau verliebt, die anscheinend überhaupt keine Notiz von ihm nahm. Es tat Tasha gut, ein bisschen mit ihm zu flirten. "Ich hoffe, es macht Chris nichts aus, mir seine Frau zu borgen", scherzte er beim Tanzen. Sie lächelte ironisch. "Natürlich nicht. Er vertraut dir." Allerdings behielt sie wohlweislich für sich, dass die einzige anwesende Person, der Chris nicht vertraute, seine Frau war.
7.KAPITEL
Der See hatte etwas Magisches, weil der Mond sich darin spiegelte. Tasha war zum Gartenhaus gegangen, das direkt am Ufer stand, denn die Feier war zu Ende, und sie hätte ohnehin nicht hätte schlafen können. Tasha ging die Stufen zur Veranda hoch und lehnte sich ans Geländer, um die friedliche Atmosphäre zu genießen. "Wartest du auf David?" Sie zuckte zusammen und blickte ins Haus. Sobald ihre Augen sich an die Dunkelheit drinnen gewöhnt hatten, sah sie Chris, der auf einem der Holzstühle saß. Unwillkürlich fragte sie sich, wie lange er dort schon saß. "Und?" hakte er nach. Als sie sich auf seine Frage besann, runzelte sie die Stirn. "Wie kommst du darauf, dass ich auf deinen Cousin warte?" "Damit du ungestört mit ihm weiterflirten kannst." Sie hatte mit David getanzt, das war alles. Hätte sie es nicht besser gewusst, hätte sie angenommen, dass Chris eifersüchtig war. Plötzlich begann ihr Herz, schneller zu schlagen. Ob er tatsächlich eifersüchtig war? Und wenn ja, konnte sie ihn damit vielleicht zurückgewinnen? Nervös befeuchtete sie sich die Lippen mit der Zunge. "Und wenn es so wäre?" erkundigte sie sich kühl. Nun stand er auf und kam auf sie zu. Er hatte sein Jackett ausgezogen, die Krawatte abgelegt und die Hemdsärmel hochgekrempelt. Einerseits sah er jetzt lässiger aus, andererseits schien die Aura der Macht, die ihn sonst umgab, noch stärker zu sein. "Dann würde ich dich daran erinnern, dass du immer noch mit mir verheiratet bist", erklärte er. Die Atmosphäre war so spannungsgeladen, dass Tasha der Kopf schwirrte. Chris war tatsächlich eifersüchtig! Ihr Herz klopfte plötzlich schneller, und es fiel ihr schwer zu atmen. Sie wusste, dass sie vorsichtig sein musste, denn er merkte offenbar nicht, welche Botschaft er ihr übermittelte. "Ich weiß, dass ich mit dir verheiratet bin", erwiderte sie ruhig. Er verzog höhnisch den Mund. "Ach ja? Aber es ist nicht ganz so gelaufen, wie du es dir erträumt hast, stimmt's? Vielleicht hast du beschlossen, mit David zu flirten, um dem Ganzen etwas Würze zu verleihen." "Ich habe nicht mit David geflirtet", widersprach sie wütend. Ob eifersüchtig oder nicht, er hatte nicht das Recht, ihr so etwas zu unterstellen. "Ich warne dich, Tasha. Denk ja nicht, dass du irgendwelche Spielchen mit mir spielen kannst." Tasha kochte innerlich vor Wut. "Das ist doch lächerlich! Warum sollte ich mit David flirten, wo jeder weiß, dass er bis über beide Ohren in eine andere Frau verliebt ist und ich dich liebe?" "Das sind doch nur Worte, Tasha, und wir wissen beide, wie geschickt du sie einzusetzen weißt, um zu bekommen, was du willst." Zornentbrannt ballte sie die Hände zu Fäusten. "Es ist aber die Wahrheit. Alles, was ich getan habe, habe ich nur getan, weil ich dich liebe und große Angst davor hatte, dich zu verlieren." "Eine Frau, die einen Mann liebt, hätte sich nicht so verhalten wie du, Tasha", entgegnete er schroff. Sie lachte verzweifelt. "Du irrst dich. Und wie du dich irrst! Eine Frau, die einen Mann liebt, ist zu fast allem fähig." Tief in ihrem Herzen wusste sie, dass sie nie zu ihm durchdringen würde.
In dem Moment kam eine Brise auf und wehte ihm eine Strähne in die Stirn. Instinktiv streckte Tasha die Hand aus, um sie ihm aus dem Gesicht zu streichen. Als sie seine Wange berührte, prickelten ihre Finger. Da Chris im selben Moment auch die Hand hob, berührten sie sich und hielten dann beide inne. Tasha wagte kaum zu atmen, als sie ihm in die Augen sah. "O Chris", flüsterte sie und wartete darauf, dass er ihre Hand wegstieß. "Verdammt!" Sekundenlang schloss er die Augen. Als er sie wieder öffnete und Tasha ansah, klopfte ihr Herz wieder schneller. Es knisterte förmlich zwischen ihnen. Schließlich vergaß sie ihren Zorn. "Du weißt, dass ich dich liebe", brachte sie hervor. Chris stöhnte. "Warum musstest du hierherkommen?" "Weißt du denn nicht, dass ich ohne dich nichts bin?" Sanft begann sie, seine Wange zu streicheln. "Nicht!" Er stieß sie so unvermittelt weg, dass sie das Gleichgewicht verloren hätte, wenn er sie nicht blitzschnell festgehalten und an sich gezogen hätte. Mit einem erstickten Aufschrei ließ sie sich gegen ihn sinken. Sie spürte, wie er tief durchatmete, und seine Finger bohrten sich schmerzhaft in ihren Arm. Sie begann zu zittern, und als sie ihm in die Augen sah, las sie darin alles, was sie wissen wollte. Die Berührung hatte ihn genauso aus der Fassung gebracht wie sie, und in diesem Moment war er dagegen machtlos. "Tasha." Obwohl Chris ihren Namen nur flüsterte, ging es ihr durch und durch. Die Zeit schien stillzustehen, bis er schließlich den Kopf neigte, um Tasha zu küssen. Tasha erwiderte den Kuss mit derselben Leidenschaft, Für sie war es, als hätte sie eine Oase mitten in der Wüste gefunden. Sie konnte weder genug von ihm bekommen noch genug von sich selbst geben. Als sie sich irgendwann voneinander lösten, taten sie es nur, um Atem zu schöpfen. Als Chris sie dann unvermittelt von sich schob und seine Miene Selbstverachtung verriet, war es für Tasha umso schockierender. Er wandte sich ab, umklammerte krampfhaft das Geländer und senkte den Kopf. "Verdammt, was mache ich bloß?" Sie befeuchtete sich mit der Zunge die geschwollenen Lippen. "Wir haben uns geliebt." Jetzt wandte er sich zu ihr um. "Mit Liebe hatte das nichts zu tun", erklärte er wütend. Tasha zuckte innerlich zusammen, doch sie wusste, dass er vielmehr wütend auf sich selbst war. "Jedenfalls wolltest du mich." An seiner Wange zuckte ein Muskel. "Ja." "Und ich wollte dich genauso", gestand sie. Chris richtete sich auf und schob die Hände in die Hosentaschen. "Glaubst du, dass ich mich nun weniger verachte?" Seine Worte verletzten sie so tief, dass sie erschauerte. "Verdammt, Chris! Ich wünschte, ich könnte dich hassen!" brachte sie gequält hervor, ehe sie sich abwandte. Sie musste verschwinden, denn sie hielt es nicht aus, wenn er ihren Zorn an ihr ausließ. Er konnte sie auf vielerlei Arten verletzen, denn sie liebte ihn. Es würde weniger weh tun, wenn sie ihn hasste, aber das konnte sie nicht. Tief in ihrem Herzen wusste sie, dass sie ihn immer lieben würde, egal, was passierte. Tasha rekelte sich seufzend. Da gedämpftes Sonnenlicht ins Zimmer fiel, sah sie, dass die andere Hälfte des Betts unbenutzt war. Sie wusste nicht, wo Chris die Nacht verbracht hatte, und nach ihrer Begegnung am See überraschte es sie auch nicht, dass er es doch geschafft hatte, nicht mit ihr in einem Zimmer zu schlafen. Es war kein besonders erfreulicher Gedanke, dass Chris sich dafür verachtete, aber immerhin wusste sie nun, dass er sie noch begehrte. Sosehr er auch dagegen ankämpfte, er konnte es nicht leugnen. Und wenn er sie noch begehrte, liebte er sie vielleicht auch noch. Sie
hoffte, dass es ihm irgendwann klar wurde und er sich nicht mehr gegen seine Gefühle wehrte. Da sie sich nicht länger den Kopf darüber zerbrechen wollte, setzte Tasha sich auf. In dem Moment wurde ihr übel, und sie sprang aus dem Bett und schaffte es gerade noch bis ins Badezimmer. Nachdem sie sich das Gesicht mit kaltem Wasser gewaschen und die Zähne geputzt hatte, duschte sie und schlüpfte in Jeans und T-Shirt. Zum Schluss bürstete sie sich das Haar, bevor sie nach unten ging. Es war ganz still im Haus, und als sie ins Wohnzimmer schaute, stellte sie fest, dass niemand dort war. Ihr schien es, als wäre sie ganz allein auf der Welt. Das sonnige Frühstückszimmer mit Blick auf den Rasen und den See lag auf der Rückseite des Hauses. Als sie es betrat, sah sie, dass er Tisch gedeckt war und offenbar auch schon jemand gefrühstückt hatte. Auch der Tee, der auf einem Stövchen auf der Anrichte stand, war noch warm. Sie griff nach der Kanne, um sich einzuschenken, und in dem Moment überlief sie ein Prickeln, und es war, als würde die Atmosphäre sich verändern. Langsam drehte Tasha sich um. Chris stand auf der Türschwelle zur Küche. Er trug enge Jeans und ein kariertes Hemd. Sie musste dem Drang widerstehen, sich ihm in die Arme zu werfen, und wandte sich wieder ab. "Tee?" fragte sie heiser und räusperte sich dann. Sie versuchte, sich ganz normal zu verhalten, doch sie spürte, dass Chris näher kam, und prompt fing ihre Hand an zu zittern. "Pass auf, sonst verbrennst du dich noch", sagte er schroff, während er ihre Hand umschloss. Tasha bekam weiche Knie und schloss die Augen, als er ihr die Kanne abnahm und auf den Tisch stellte. Sie wünschte, es wäre so wie immer und er würde sie in die Arme nehmen. Sie spürte förmlich seine Lippen auf ihren ... In diesem Moment erklangen Schritte in der Eingangshalle, und als sie die Augen öffnete und sich umdrehte, sah sie Evan hereinkommen. "Oh, es gibt Tee. Schenkst du mir auch ein, Chris?" meinte er fröhlich. Dann setzte er sich an den Tisch und betrachtete sie beide abwechselnd. "Morgen, Tasha. Du siehst müde aus. Du auch, Chris. Was habt ihr angestellt?" fügte er lachend hinzu. Tasha konnte seinem jungenhaften Charme nicht widerstehen. "Warum Chris müde ist, weiß ich nicht, aber bei mir liegt es an der morgendlichen Übelkeit", erwiderte sie und hörte, wie Chris leise fluchte. "Setz dich, Tasha", sagte er dann, um sie eingehend zu betrachten. "Ich bringe dir eine Tasse Tee. Möchtest du auch etwas essen?" Sie fühlte sich plötzlich wunderbar geborgen, weil er so besorgt war. "Normalerweise hilft mir trockener Toast", erwiderte sie lächelnd und setzte sich auf den Stuhl, den Evan ihr zurechtgerückt hatte. "Ich sage Maudie, sie soll welchen machen." Nachdem Chris ihr eine Tasse Tee hingestellt hatte, ging er in die Küche, um mit der Haushälterin zu sprechen. "Man sollte meinen, dass er mit deiner Schwangerschaft nichts zu tun hat." Evan stand auf .schenkte sich ebenfalls Tee ein und setzte sich wieder. Wenigstens konnte sie dankbar dafür sein, dass Chris nicht an seiner Vaterschaft zweifelte. "Er ist wütend auf sich, weil er nicht daran gedacht hat, dass mir nicht gut sein könnte", erklärte sie, denn sie wusste, dass er deswegen so unwirsch war. Er hätte sie nämlich niemals bewusst verletzt, indem er die Begleiterscheinungen der Schwangerschaft ignorierte. Es war ein Widerspruch, der ihre Hoffnungen allerdings verstärkte. Evan drehte sich um und betrachtete sie von der Seite. "Ich finde, die Schwangerschaft bekommt dir gut, wenn man einmal von der Übelkeit absieht. Du siehst nämlich blendend aus." Lachend strich Tasha sich über ihren flachen Bauch. "Ich glaube, dafür ist es noch ein bisschen zu früh."
"Was ist zu früh?" erkundigte sich Chris, der in diesem Moment das Zimmer betrat. Er hatte einen Ständer mit Toast in der Hand, den er vor ihr auf den Tisch stellte. Dann nahm er ihr gegenüber Platz. "Tasha findet nicht, dass sie blendend aussieht, aber ich. Es ist das gewisse Etwas ... Wie bei Ali." Damit meinte Evan seine Schwester, die hochschwanger war. "Was meinst du, Chris?" Er schaute seinen Bruder erwartungsvoll an. Tasha blickte ihn ebenfalls an und hielt dabei unwillkürlich den Atem an. Sie fragte sich, ob er ehrlich antworten oder lügen würde und ob sie den Unterschied überhaupt bemerken würde. Langsam ließ Chris den Blick von Evan zu ihr schweifen. "Ich finde, sie ist schöner denn je", sagte er schließlich rau. Hilflos sah sie ihn an. "Findest du wirklich?" Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. "Ich würde dich nicht anlügen, Tasha." Tasha wurde kreidebleich. Wie kann er so etwas sagen? dachte sie. Etwas unbeholfen stand sie auf. "Bitte entschuldigt mich." Den Tränen nahe, eilte sie aus dem Zimmer. Er stand ebenfalls auf und lief hinter ihr her. In der Eingangshalle holte er sie ein und packte sie am Arm. "Warte doch, verdammt!" Sie versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien, aber er hielt sie fest. "Es tut mir leid. So habe ich es nicht gemeint." Nun kamen ihr doch die Tränen. "Und wie hast du es dann gemeint?" Seufzend ließ er sie los und rieb sich den Nacken. "Ich wollte damit nur sagen, dass es mein Ernst ist. Es war nicht böse gemeint." Schützend schlang sie sich die Arme um die Taille. "Nur weil du zufällig nicht daran gedacht hast." "Verdammt, ich versuche, mich bei dir zu entschuldigen!" "Und glaubst du, damit wäre es getan? Weil du gesagt hast, dass es dir leid tut?" Ganz bewusst warf sie ihm vor, was er ihr vorgeworfen hatte. "Das ist nicht dasselbe. Ich wollte dich nicht verletzen." "Und ich wollte dich auch nicht verletzen", sagte sie unter Tränen. "Aber du glaubst mir nicht. Also warum sollte ich dir glauben?" Einen Moment lang schaute Chris sie finster an. Dann drehte er sich um und ging ins Frühstückszimmer zurück. Tasha wandte den Kopf und blinzelte die Tränen zurück. Sobald sie sich wieder einigermaßen gefasst hatte, ging sie nach draußen auf die Veranda, wo sie sich müde auf einen Stuhl sinken ließ. Kaum zwei Minuten später stellte ihr jemand eine Tasse Tee und Toast hin. Als sie aufschaute, sah sie, dass es Chris war. "Iß dein Frühstück", befahl er. "Ich habe keinen Hunger", behauptete sie, woraufhin er sie noch grimmiger ansah. "Iß, Tasha. Dir zuliebe und dem Baby zuliebe. Sonst schneidest du dir nur ins eigene Fleisch." Sie wusste, dass er recht hatte. Daher nahm sie widerstrebend ein Stück Toast und biss hinein. Nachdem er sie einen Moment lang beobachtet hatte, setzte er sich auf die Mauer und blickte auf den See. Er erinnerte sie an einen Wachhund, und ihr war klar, dass er erst gehen würde, wenn sie ihren Teller leer gegessen hatte. Seufzend lehnte sie sich schließlich zurück. "Es ist so ruhig hier. Wo sind eigentlich die anderen?" erkundigte sie sich nach einer Weile. Chris drehte sich zu ihr um und betrachtete zufrieden den Stapel Toast, der inzwischen kleiner geworden war. "Mom hat heute morgen einen Anruf erhalten." Tasha sah ihn erstaunt an. "Hat Ali ihr Baby bekommen?" "Einen Jungen", bestätigte er, während er auf die Uhr schaute. "Mom und Dad sind vor einigen Stunden losgefahren. Sie müssten also bald hier sein." "War sie sehr durcheinander?" scherzte sie.
"Und wie." Sie tauschten einen amüsierten Blick. "Armer John", meinte Tasha kichernd. Chris' Augen funkelten. "Dad war fast genauso aus dem Häuschen. Ich hoffe nur, dass sie keinen Unfall bauen." "Vielleicht sollten wir sie einladen, wenn unser Baby kommt. Dann brauchen wir uns keine Sorgen um sie zu machen." Als ihre Blicke sich begegneten, verband sie ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl. Dann zwitscherte jedoch ein Vogel, so dass der Zauber des Moments wieder verflog. Chris setzte sich gerade hin. "Darüber können wir uns den Kopf zerbrechen, wenn es soweit ist", erklärte er unvermittelt. Tasha war so frustriert, dass sie hätte schreien mögen. Statt dessen nahm sie ihre Tasse in die Hand und trank sie aus. "Du hast recht", erwiderte sie, nachdem sie die Fassung wiedergewonnen hatte. "Und auch, was das Essen betrifft. Ich hatte tatsächlich Hunger." Nun stand er auf und sammelte das Geschirr ein. "Du darfst jetzt auf keinen Fall krank werden." "Nein, Doktor", konterte sie spöttisch, woraufhin er ihr einen scharfen Blick zuwarf. "Das ist mein Ernst, Tasha." Plötzlich wusste sie auch, warum. Er vertraute ihr nicht. "Keine Angst, ich habe nicht vor, dem Baby Schaden zuzufügen", erklärte sie kühl. Chris atmete tief durch. "Was soll das heißen?" Sie schaute ihn bitter an. "Das heißt, ich weiß, dass du mir nicht vertraust. Aber ich würde unserem Kind nie bewusst Schaden zufügen." "Ob du es glaubst oder nicht, das habe ich auch nicht angenommen. Ich habe an dich gedacht." "Tut mir leid, wenn ich dich missverstanden habe", entschuldigte sie sich gestelzt. Er seufzte. "Vergiss es." Er wollte gehen, blieb dann aber noch einmal stehen und betrachtete ihr abgewandtes Gesicht. "Evan und ich wollen angeln gehen. Kommst du allein zurecht?" Vergeblich versuchte Tasha, seinen Gesichtsausdruck zu deuten. Würde er bei ihr bleiben, wenn sie ihn darum bat? Sie wollte es lieber nicht darauf ankommen lassen. "Ja, ich komme schon zurecht. Geht nur, und amüsiert euch." Nach einer Weile nickte er. "Wenn du irgend etwas brauchst, frag Maudie. Wir kommen gegen Abend zurück. Pass auf dich auf." Tasha verbrachte den restlichen Tag entweder lesend oder dösend im Schatten. Sie genoss die Wärme und schaltete dabei ausnahmsweise einmal ab. Maudie, die von Chr is offenbar entsprechende Anweisungen erhalten hatte, sorgte dafür, dass sie etwas zu Mittag aß, und brachte ihr kühle Drinks am Nachmittag. Als Tasha schließlich ins Haus ging, um ein ausgiebiges Bad zu nehmen und sich zum Abendessen umzuziehen, war sie so entspannt wie schon lange nicht mehr. Dieses Gefühl hielt an, bis Evan an ihre Tür klopfte. Sie lächelte, denn er war ziemlich zerzaust. "Du siehst aus, als hättest du einen schönen Tag gehabt." "Ja, es war toll. Auf dem Rückweg haben wir kurz in die Bar in der Stadt geschaut, und Chris hat einen alten Freund getroffen, Simeon Harker. Da ich sowieso nach Hause fahren wollte, um mich fertigzumachen, bevor ich Isobel abhole, hat er mich gebeten, dir auszurichten, dass er mit ihm zu Abend isst. Er sagte, du würdest es verstehen." Ja, sie verstand es sogar sehr gut. Chris ging ihr noch immer aus dem Weg, allerdings aus einem anderen Grund. Er wollte nicht mehr Zeit als nötig mit ihr verbringen, zumal sie an diesem Abend ganz allein gewesen wären. Es hätte ja was passieren können, und das wollte er offenbar nicht riskieren.
"Ach so. Danke, Evan. Bitte grüß Isobel von mir", erwiderte sie ruhig, und Evan verließ pfeifend das Zimmer, um zu duschen und sich für seine Verabredung umzuziehen. Tasha schloss die Tür hinter ihm, lehnte sich dagegen und presste die Hand aufs Herz, das zum Zerspringen klopfte. Nachdem sie in den vergangenen Tagen ständig zwischen Hoffnung und Verzweiflung geschwankt hatte, tat es ihr unendlich gut, zu wissen, dass doch noch nicht alles verloren war und sie zu Chris durchdrang. Schließlich konnte er ihr nicht ewig aus dem Weg gehen. Da diese Erkenntnis ihr Selbstvertrauen ungemein stärkte, machte es Tasha auch nichts aus, an diesem Abend allein zu essen. Danach schaute sie sich ein Fernsehspiel an und ging früh zu Bett. Allerdings konnte sie nicht einschlafen, und je krampfhafter sie es versuchte, desto wacher wurde sie. Sie wälzte sich hin und her und wartete dabei darauf, dass Chris nach Hause kam. Schließlich gab sie es auf und stand auf, um sich etwas Heißes zu trinken zu machen. Sie hatte keine Ahnung, wie spät es war. Nachdem sie den zu ihrem Nachthemd passenden seidenen Morgenmantel übergezogen und den Gürtel fest verknotet hatte, ging sie barfuss nach unten. In der Küche schaltete sie das Licht an und suchte nach den Zutaten, die sie brauchte. Zehn Minuten später saß sie am Küchentisch und nippte an ihrem heißen Kakao. Als die Hintertür geöffnet wurde, blickte Tasha auf. "Sie sind ja noch spät auf den Beinen, Maudie", sagte Chris müde, bevor er sich umdrehte und feststellte, dass es nicht die Haushälterin war, die in der Küche saß. Mit dem Rücken zur Tür stand er reglos da und betrachtete sie. Auch Tasha bewegte sich nicht. "Ich dachte, du wärst im Bett", bemerkte er nach einer Weile angespannt, doch seine Augen brannten vor Verlangen. Tasha stellte ihren Becher auf den Tisch. Sie verspürte ein richtiges Hochgefühl, weil sie wusste, dass er sich gegen das wehrte, was er empfand. Und sie hoffte, dass sie recht hatte, denn nun würde sie sich ihm wehrlos ausliefern. "Du meinst, du hattest es gehofft, stimmt's?" erkundigte sie sich herausfordernd, während sie seinen Blick erwiderte. "Ja", gestand er und rieb sich den Nacken, als könnte er die angespannte Atmosphäre dadurch entschärfen. "Verdammt, warum bist du nicht im Bett?" "Ich konnte nicht schlafen. Ich schlafe nämlich nicht mehr gern allein", sagte sie und sah, wie seine Augen aufblitzten. "Warum tust du das, Tasha? Dadurch machst du dich verletzlich." Er kam langsam näher. Dann blieb er neben ihr stehen und lehnte sich an die Spüle. "Ich wüsste nicht, wie du mich noch mehr verletzen könntest", gestand sie. "Die Art, wie du mich zurückweist, bringt mich um." Chris runzelte die Stirn. "Und was soll ich tun?" "Mich lieben", brachte sie hervor, woraufhin er sich unvermittelt aufrichtete. "Verdammt, hast du denn überhaupt keinen Stolz?" "Offenbar nicht. Mein Stolz wärmt mich nicht oder hält mich nachts in den Armen." Er presste die Lippen zusammen. "Das, was du willst, kann ich dir nicht geben." Wütend funkelte sie ihn an. "Du meinst, du willst es mir nicht geben." "Hör auf, Tasha", sagte er drohend, doch sie schüttelte den Kopf. "Ich kann nicht." Für sie stand zuviel auf dem Spiel. "Dann bist du eine Närrin." "Egal, was ich bin - du willst mich. Du spürst es genauso wie ich. Du willst mit mir schlafen." Chris lachte bitter. "Ich habe eine normale Libido, und wir hatten immer guten Sex." Tasha zuckte zusammen, ließ es sich aber nicht anmerken. "Werte es nicht ab. Es war mehr als guter Sex. Ich habe dich geliebt, und du hast mich geliebt, Chris."
"Genau. Wir haben uns geliebt." Einen Moment lang schauten sie sich an. "Du wirst keinen Deut nachgeben, stimmt's?" erkundigte Tasha sich schließlich angespannt. Sie war sich seiner Nähe so deutlich bewusst, dass sie sich beherrschen musste, um nicht die Hand auszustrecken und ihn zu berühren. Natürlich war es verrückt, denn wenn sie es tat, würde er sie zurückstoßen. Chris war sehr entschlossen. Da er ihr nicht vertrauen konnte, würde er sie auch nicht lieben - weder seelisch noch körperlich. "Ich kann nicht vergessen, was du getan hast", erklärte er. "Und du wirst es mir auch nicht verzeihen. Also wie lange sollen wir noch so weitermachen?" "Bis ich sicher sein kann." Sie schüttelte den Kopf. "Bis du dir wessen sicher sein kannst? Dass du mir vertrauen kannst? Sag mir, was ich tun muss, und ich tue es! Ich werde sogar auf die Bibel schwören, wenn es sein muss." Verzweifelt schluchzte sie auf. "Verdammt, ich würde sogar im Fernsehen auftreten, wenn du es von mir verlangst. Weißt du denn nicht, dass ich alles für dich tun würde?" Ohne nachzudenken, kam er zu ihr, umfasste ihre Schultern und zog sie hoch. "Ich verlange gar nichts von dir! Ich ..." Er verstummte, als ihm bewusst wurde, wie nahe er ihr war, und schloss die Augen, während er ihre Schultern streichelte. Dann zog er sie an sich, stieß sie jedoch gleich wieder weg und wandte sich ab. "Verdammt!" Tasha biss sich auf die Lippe und streckte zögernd die Hand nach ihm aus. "Chris ..." Chris drehte sich so unvermittelt um, dass sie zusammenzuckte, und als sie seinen Gesichtsausdruck sah, klopfte ihr Herz schneller. "Fass mich nicht an!" sagte er schroff. Nun schlang sie sich die Arme um die Taille. "Und du stoß mich nicht immer weg." "Ich muss es tun. Verdammt, ich muss es tun!" Das klang, als wollte er vielmehr sich davon überzeugen. "Warum? Wir wissen doch beide, dass es nicht das ist, was du willst", sagte sie mit bebender Stimme. Zu ihrem Erstaunen lachte er auf. "Gibst du denn niemals auf?" Sie errötete. "Nein, dich werde ich niemals aufgeben. Erst musst du mich umbringen." Nachdem er ihr einen Moment in die Augen geschaut hatte, seufzte er. "Hast du eine Ahnung, wie sehr ich mich danach sehne, dich zu küssen?" flüsterte er. "Ja", erwiderte sie genauso leise. Daraufhin ließ er ihre Schulter los, streichelte ihre Wange und fuhr dann die Konturen ihrer Lippen nach. Unwillkürlich hielt sie den Atem an, da sie zu verbrennen glaubte. Sie sah den entschlossenen Ausdruck in seinen Augen und spürte, wie er mit sich kämpfte. Als er schließlich seinem Verlangen nachgab und mühsam schluckte, legte sie ihm die Hände auf die Brust. "Du wirst dich dafür hassen", erinnerte sie ihn. Sobald sie ihn berührte, kribbelte es ihr in den Fingern, ihn zu streicheln. "Ich weiß." Langsam neigte er den Kopf. Tasha bekam ganz weiche Knie. "Du wirst mir die Schuld geben." "Schon möglich, aber ich muss es tun." Dann presste er die Lippen auf ihre. In diesem Moment war es ihr egal, ob er ihr die Schuld gab oder nicht. Sie vergaß alles um sich her und gab seufzend dem Drängen seiner Zunge nach. Sie konnte nicht mehr klar denken, nur noch fühlen. Als Chris sie umarmte und an sich zog, stöhnte sie entzückt auf. Es fühlte sich so gut an. Heftig erschauernd erwiderte sie das erotische Spiel seiner Zunge, legte ihm die Arme um den Nacken und durchwühlte sein Haar.
Und genau wie sie erwartet hatte, war ein Kuss nicht genug. Sie küssten sich zweimal, dann dreimal, immer leidenschaftlicher, bis sie beide zu zittern begannen, und ihre Herzen klopften. Irgendwann hörte Tasha Chris wie aus weiter Ferne aufstöhnen. Als er sich von ihr löste, blickte sie ihn verwirrt an und sah, wie das Verlangen in seinen Augen erstarb und unverhohlener Selbstverachtung wich. Obwohl sie damit gerechnet hatte, verletzte es sie zutiefst. "Du hattest recht. Ich hätte das nicht tun sollen", meinte er und presste grimmig die Lippen zusammen. "Selbst wenn ich dir sage, dass ich es nicht bereue?" fragte sie lächelnd. Er runzelte die Stirn. "Das funktioniert nicht." Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. "Was meinst du?" Chris wich einen Schritt zurück. "Du kannst mich nicht mit deinem Körper zurückgewinnen, so verführerisch er auch ist und sosehr ich mich danach sehne." Nun errötete sie, denn er hatte genau ins Schwarze getroffen. "Das habe ich auch gar nicht beabsichtigt!" protestierte sie schwach, aber er schaute ihr fest in die Augen. "Ach nein?" Ihr war die Kehle wie zugeschnürt. Natürlich hatte sie das beabsichtigt. Ihr Körper war die einzige Waffe, die sie hatte. Entschlossen hob Tasha das Kinn. "Willst du mir einen Vorwurf daraus machen, dass ich es versucht habe?" Chris schüttelte den Kopf. "Wahrscheinlich hätte ich mich genauso verhalten." Er hat gut reden, dachte sie und verzog bitter den Mund. "Nur würdest du dich nie in eine solche Situation hineinmanövrieren, oder?" Seine finstere Miene war sehr aufschlussreich, und plötzlich kamen Tasha die Tränen. "Ich kann nicht gewinnen, stimmt's?" Sie würde ihn verlieren. Diese Erkenntnis machte ihr das Herz schwer. Chris kniff die Augen zusammen. "Du solltest dich nicht so aufregen", warnte er sie. Tasha lachte gequält. "Es liegt in deiner Macht, mich zur glücklichsten Frau der Welt zu machen. Es bedarf nur einiger Worte." Eine Träne lief ihr über die Wange, und sie wischte sie mit dem Handrücken fort. "Du bist verzweifelt." Sie drang einfach nicht zu ihm durch. Sie würde nie zu ihm durchdringen! "Ich liebe dich! Aber es nützt nichts, stimmt's?" "Nein. Das macht es nur schlimmer." Er wandte sich ab. "Geh ins Bett, Tasha." Ohne sich noch einmal zu ihr umzudrehen, verließ er das Haus. Tasha blickte starr auf die geschlossene Tür. Ich verschwende bloß meine Zeit, dachte sie. Sie hatte Chris verloren. Und sie hatte zu spät erkannt, dass es das Risiko nicht wert gewesen war. Er würde ihr niemals verzeihen.
8. KAPITEL
Tasha beobachtete, wie Chris über etwas lachte, das sein Bruder Evan gesagt hatte. Er trug Jeans und ein Khakihemd, und bei seinem Anblick setzte ihr Herz einen Schlag aus, denn er sah atemberaubend attraktiv aus. Kein Mann hatte je eine solche Wirkung auf sie ausgeübt wie Chris, und niemand würde es je tun. Seufzend machte sie mit dem Abwasch weiter. Da Maudie ihren freien Nachmittag hatte, spülten Isobel und sie das Geschirr, nachdem sie zu viert Mittag gegessen hatten. "Es geht mich wahrscheinlich nichts an", bemerkte Isobel, als sie einen Teller nahm und ihn abzutrocknen begann, "aber möchtest du darüber reden?" Tasha schaute sie an, und als sie Isobels mitfühlendem Blick begegnete, wäre es fast um sie geschehen gewesen. Schne ll senkte sie den Blick und räusperte sich. „Ich weiß nicht, was du meinst", schwindelte sie und merkte dann, wie Isobel sie am Arm berührte. "Ich weiß, dass irgend etwas nicht stimmt, Tasha. Das spüre ich. Du bist unglücklich, und ich würde dir gern helfen, wenn ich kann." Tasha schaute aus dem Fenster in den Garten, wo die beiden Männer Ball spielten. "Du kannst mir nicht helfen", erwiderte sie schließlich. Isobel runzelte die Stirn. "Aber ..." "Glaub mir, das ist etwas, was nur Chris und ich klären könne n. Allerdings wäre ich dir dankbar, wenn du es für dich behalten würdest." "Natürlich", sagte Isobel schnell. "Evan würde sowieso nichts merken. Er nimmt kaum Notiz von mir." Sie verzog den Mund, und Tasha musste lachen. "Manchmal ist er etwas eigensinnig", räumte Tasha ein, während sie wieder nach draußen blickte. Es lag wohl in der Familie. Chris war richtig stur. Das Klingeln des Telefons riss sie aus ihren Gedanken. "Ich nehme ab." Isobel ging zu dem Apparat, der neben der Tür an der Wand hing. Nachdem sie einen Moment zugehört hatte, ging sie zur Hintertür. "Evan, Telefon für dich", rief sie, woraufhin beide Männer in die Küche kamen. "Charlie Hamilton", fügte sie hinzu, bevor Evan den Hörer nahm. Tasha, die immer noch ihre Hände im Spülwasser hatte, hielt inne. Sie kannte den Anrufer nicht, aber der Reaktion der drei nach zu urteilen, musste etwas passiert sein. Ihre Vermutungen wurden wenige Minuten später bestätigt, als Evan auflegte. "Ein kleiner Junge wird vermisst. Er hat hier in der Gegend mit seiner Familie gezeltet. Sie dachten, er würde schlafen, und deshalb haben sie sein Verschwinden erst nach einigen Stunden bemerkt. Man hat Suchtrupps losgeschickt, und Charlie hat uns gebeten, ihnen am See suchen zu helfen. Eine Gruppe hat auf dieser Seite begonnen. Ich habe ihm gesagt, dass wir auf die andere Seite fahren und ihnen entgegengehen." Chris eilte zur Tür. "Ich hole die Walkie-talkies aus dem Arbeitszimmer. Wir können eine größere Fläche absuchen, wenn wir getrennt gehen." Isobel warf das Geschirrhandtuch auf den Tisch. "Ich komme mit." Nun hörte Tasha mit dem Abwasch auf. "Ich ziehe mir nur andere Schuhe an, dann komme ich auch mit", erklärte sie, woraufhin alle drei sie entgeistert ansahen. Schließlich schüttelte Chris den Kopf. "O nein, du ble ibst hier." "Erzähl mir nicht, was ich tun soll. Ich möchte euch helfen, und ich werde euch begleiten." Er konnte sie aus seinem Leben ausschließen, aber nicht zwingen, im Haus zu bleiben. "Das ist kein Spaziergang. Wir suchen nach einem Kind und können uns nicht auch noch um dich kümmern." Wütend ballte sie die Hände zu Fäusten. "Ich bin schwanger, nicht behindert, und ich werde weder eure Hilfe brauchen noch euch aufhalten."
"Nein, Tasha. Ich habe keine Lust, mit dir zu streiten. Du bleibst hier, und damit basta", fuhr er sie an. Tasha kochte vor Wut. Chris wollte sie nicht dabeihaben! Während die drei sich fertigmachten, lief sie nach oben. Sicher glaubte er jetzt, sie hätte nachgegeben, doch da hatte er sich getäuscht! In ihrem Zimmer zog sie sich andere Schuhe an und wartete, bis die anderen das Haus verlassen hatten. Dann eilte sie wieder nach unten und ging durch die Hintertür hinaus. Sie lief über den Rasen, und als sie den Steg erreichte, legten die anderen gerade ab. Fest entschlossen stieg sie in das andere kleine Motorboot. Niemand sah sie, und erst als sie den Motor anließ und hinter ihnen herfuhr, drehten sie sich zu ihr um. Tasha freute sich richtig, als sie Chris' wütenden Gesichtsausdruck sah. Nun blieb Chris nichts anderes übrig, als sie mitgehen zu lassen. Allerdings musste sie sich auf eine Standpauke gefasst machen, sobald sie anlegte. Als sie das andere Ufer erreichte, warteten die anderen bereits auf dem Steg eines halbverfallenen Blockhauses. Sie beobachtete, wie Chris das Boot vertäute, und sein Anblick ließ ihr Herz sofort höher schlagen. Das ärgerte sie, denn sie wollte eigentlich wütend auf ihn sein. Als Chris sich aufrichtete und ihre Blicke sich begegneten, sah sie das zornige Funkeln in seinen Augen. "Was, zum Teufel, soll das?" Obwohl er vor Wut kochte, half er ihr vorsichtig aus dem Boot. "Wir haben keine Zeit für solche Spielchen." "Dann vergeude nicht noch mehr Zeit, indem du mit mir streitest. Ich will euch helfen, und ich bleibe hier." Entschlossen schaute Tasha ihm in die Augen. "Sei vernünftig, Chris. Wenn wir zu viert suchen, finden wir den Jungen eher." "Sie hat recht, Chris", bekräftigte Isobel und lächelte ihr verständnisvoll zu. Nachdem Tasha und er sich noch einen Moment lang schweigend in die Augen gesehen hatten, sagte Chris schließlich: "Du kommst mit mir." Evan lächelte ihr ebenfalls zu. "Wie liebenswürdig er ist!" Allerdings schien er zu merken, dass irgend etwas nicht stimmte. Vielleicht war er doch nicht so blind, wie Isobel dachte. "Wir gehen in Richtung Westen und ihr nach Osten", verkündete Chris dann. "Wenn ihr irgendeine Spur findet, gebt uns Bescheid. Dasselbe gilt natürlich auch für uns." Er schlug einen Weg ein, der kaum noch als solcher zu erkennen war, und Tasha folgte ihm, nachdem sie Isobel und Evan noch einmal zugewunken hatte. Unter anderen Umständen hätte sie den Marsch genossen, denn es war ein herrlicher Tag, und die Sonne schien durch die hohen Bäume. "Du hältst dich wohl für sehr clever, was?" bemerkte Chris nach einer Weile. Tasha drehte sich zu ihm um. Er hatte die Lippen grimmig zusammengepresst und runzelte die Stirn. "Überhaupt nicht. Ich wollte euch nur helfen und habe einfach nicht eingesehen, dass ich zu Hause bleiben sollte", erwiderte sie ruhig. Nun blieb er stehen und musterte sie, die Arme in die Hüften gestemmt. "Ach nein?" Trotzig hob sie das Kinn. "Unter diesen Umständen lasse ich es nicht als Ausrede gelten, wenn du mich nicht dabeihaben willst." Ein seltsamer Ausdruck huschte über sein Gesicht. "Du hast recht. Ich würde sogar mit meinem ärgsten Feind zusammenarbeiten, um ein Menschenleben zu retten." Verblüfft schaute sie ihn an. "Und warum ..." Chris blickte zum Himmel und seufzte. "Weil dir ständig übel ist und du kaum schläfst. Es könnte ein harter Tag für eine Schwangere werden." Tasha biss sich auf die Lippe, denn ihr war klar, dass sie voreilige Schlüsse gezogen hatte. Er hatte an sie gedacht, aber da sie ihn falsch eingeschätzt hatte, hatte sie sich in eine Lage gebracht, in der sie ihm eher eine Last als eine Hilfe sein konnte - und das alles nur aus verletztem Stolz. Sie atmete tief durch. "Ich gehe zurück", sagte sie schließlich und seufzte.
"Nein, jetzt kannst du genausogut hierbleiben", erklärte er zu ihrer Überraschung und Freude. "Okay", erwiderte sie leise. Dann gingen sie weiter, den Blick sogar aufs Unterholz gerichtet, obwohl sie bezweifelten, dass der Junge so weit gekommen war. "Du bist sicher auch müde", bemerkte Tasha, denn Chris sah auch nicht so aus, als hätte er viel Schlaf bekommen. "Wo schläfst du eigentlich?" Einen Moment lang dachte sie, er würde nicht antworten, doch er zuckte die Schultern. "Im Gartenhaus." Genau das hatte sie vermutet. "Die Holzstühle sind sicher nicht sehr bequem." Er stöhnte. "Stimmt. Ich habe überall blaue Flecken. Du müsstest mal meinen Rücken sehen." Sie lachte, und als sie sich in die Augen sahen, veränderte sich plötzlich die Atmosphäre zwischen ihnen. "Das würde ich gern tun", sagte Tasha schließlich mit bebender Stimme. Obwohl Chris dicht vor ihr stand, wagte sie es nicht, näher an ihn heranzugehen, denn er hatte sie schon zu oft zurückgewiesen. Nun musste er den ersten Schritt machen, falls dies überhaupt je geschehen würde. Nun trat jenes Funkeln in seine Augen, das sie immer so gemocht und schon so lange nicht mehr gesehen hatte. "Würdest du mir denn Linderung verschaffen?" erkundigte er sich herausfordernd. "O ja", erwiderte sie heiser und hielt den Atem an. Sie wusste, dass sie noch viel mehr tun konnte als das, wenn er ihr nur vertrauen und es zulassen würde. Doch noch während sie das dachte, verschwand das Funkeln aus seinen Augen und wich einem zweifelnden Ausdruck. Das machte sie traurig. "Wollen wir weitergehen?" fragte sie angespannt und wandte sich ab. Nachdem er einen Moment lang geschwiegen hatte, sagte er unvermittelt: "Ja, lass uns gehen." Als sie einen Blick über die Schulter riskierte, stellte sie fest, dass er wieder so abweisend wie vorher wirkte. Er ging voran und achtete dabei darauf, dass er sie nicht berührte - nicht einmal zufällig. Eine halbe Stunde lang wechselten sie kaum ein Wort miteinander, und der Weg wurde immer beschwerlicher, denn sie näherten sich einem der Flüsse, die in den See mündeten. Schließlich blieb Chris stehen. "Wir müssen ein Stück landeinwärts gehen, um den Fluss zu überqueren. Zu dieser Jahreszeit dürfte es nicht schwer sein, weil der Fluss kaum Wasser führt." Tasha setzte sich auf einen umgestürzten Baum. "So weit ist der Junge sicher nicht gekommen, oder?" "Das denke ich auch, aber Kinder sind für so manche Überraschung gut." Als er ihren entsetzten Gesichtsausdruck sah, lächelte er. "Keine Angst, wahrscheinlich wird man ihn irgendwo schlafend finden, und die ganze Suchaktion war umsonst. Charlie will bloß auf Nummer Sicher gehen." "Die Eltern des Jungen sind wahrscheinlich ganz krank vor Sorge." Sie konnte gut nachempfinden, wie die beiden sich fühlen mussten, und legte sich unwillkürlich die Hand auf den Bauch. "In diesem Moment würden sie alles darum geben, ihn zurückzubekommen", bestätigte Chris. "Wenn sie ihn zurückhaben, werden sie vor Erleichterung weinen, und dann werden sie ihn wahrscheinlich am liebsten umbringen, weil er ihnen einen solchen Schrecken eingejagt hat", fügte er trocken hinzu und brachte sie damit zum Lachen. "Du sprichst wohl aus Erfahrung", neckte Tasha ihn, denn sie konnte sich gut vorstellen, was für ein Rabauke er als Kind gewesen war.
Er lachte. "Ja, ich glaube, ich habe meinen Eltern das Leben ganz schön schwer gemacht. Besonders wenn wir den Sommer hier verbracht haben." "Bestimmt kennst du die Gegend sehr gut." "Ja, ich habe viele Streifzüge durch die Umgebung unternommen", meinte er lächelnd. "Dies hier ist noch einer der weniger beschwerlichen Wege. Wenn Mom gewusst hätte, wo ich überall herumgestreunt bin, hätte sie graue Haare bekommen." Ihre Augen funkelten. "Hast du es ihr nie erzählt?" "Hättest du es denn an meiner Stelle getan? Ich hätte sofort Stubenarrest bekommen." "Und ich dachte schon, du wärst immer brav gewesen", sagte sie lachend. Lässig zuckte er die Schultern. "Manchmal habe ich schon über die Stränge geschlagen." "Tun wir das nicht alle?" Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, musste sie daran denken, wie sie sich als ihre Zwillingsschwester ausgegeben hatte. Offenbar dachte er dasselbe, denn es entstand ein unbehagliches Schweigen, das schließlich durch das Geräusch des Walkie-talkies gebrochen wurde. Chris meldete sich, und Tasha hielt den Atem an, während er redete. Nachdem er das Gespräch beendet hatte, schaute sie ihn fragend an. "Sie haben ihn gefunden. Er hat in Rileys Scheune geschlafe n, und jetzt bringen sie ihn zu seiner Familie zurück", berichtete er sichtlich erleichtert. "Ich sage schnell Evan Bescheid." Erst in diesem Moment merkte sie, wie angespannt sie die ganze Zeit gewesen war. Jetzt, da die Anspannung von ihr abfiel, fühlte Tasha sich plötzlich ganz schwach, und sie blickte zum Himmel. Es war so friedlich hier, dass sie sich am liebsten ins Gras gelegt und geschlafen hätte. "Sie gehen zurück." Chris' Stimme schreckte sie aus ihren Gedanken, und widerstrebend richtete Tasha sich auf. "Wir sollten jetzt auch lieber umkehren." Chris betrachtete sie nachdenklich. "Später", sagte er schließlich. "Komm mit." Überrascht stand sie auf. "Wohin gehen wir?" Ein schwaches Lächeln umspielte seine Lippen. "Das wirst du gleich sehen", meinte er nur und ging voran. Fasziniert folgte sie ihm, und zehn Minuten später betraten sie einen sonnige Lichtung, auf der das Plätschern von Wasser zu hören war. Auf der anderen Seite der Lichtung befand sich eine kleine Schlucht, in der das Wasser über die Felsen floss. Verzückt blickte Tasha nach unten. "Es ist schön", bemerkte sie leise, und als Chris sie anlächelte, setzte ihr Herz einen Schlag aus. "Ich wusste, dass es dir gefallen würde." Ihr Herz krampfte sich zusammen. Ja, es gefiel ihr. Was ihr allerdings noch mehr gefiel, war das, was er ihr damit sagen wollte. Dieser Platz war etwas ganz Besonderes für ihn, und Chris hätte nicht jeden mit dorthin genommen. Warum sonst hätte er ihn ihr zeigen sollen, wenn er nicht an eine gemeinsame Zukunft glaubte? Sie drehte sich zu ihm um und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. "Danke, dass du mich mit hergenommen hast." Er neigte den Kopf. "Es ist mir ein Vergnügen", erwiderte er rau und schaute ihr dabei tief in die Augen. Als sie schließlich beide den Blick abwandten, wusste Tasha nicht, wie sie sich verhalten sollte. Sie wünschte, Chris würde zu ihr kommen, sie in die Arme nehmen und ihren Qualen endlich ein Ende bereiten. Sie setzte sich ins Gras und beobachtete aus den Augenwinkeln, wie er sich an einen Baum lehnte. Die Hände vor der Brust verschränkt, blickte er aufs Wasser. Er schien genauso unglücklich zu sein wie sie. "Ein Penny für deine Gedanken", rief sie. Nun sah er sie an. "Das wäre zu teuer", erwiderte er trocken und lächelte.
"Wie man's nimmt." Sie wollte zu ihm gehen und ihn trösten, doch sie konnte es nicht, solange er nicht darauf einging. "Wieviel würdest du zahlen?" erkundigte er sich neugierig. Tasha zuckte die Schultern. "Mir wäre kein Preis zu hoch. Ich würde zum Beispiel ein Vermögen darum geben zu erfahren, was du in diesem Moment denkst." "Selbst wenn es finstere Gedanken sind?" Sie lachte, obwohl sie über seine Worte sehr erschrak. "Wenn es finstere Gedanken sind, dann denkst du wahrscheinlich an mich", sagte sie traurig. Chris runzelte die Stirn. "Glaubst du das wirklich?" Spöttisch zog sie die Augenbrauen hoch. "Stimmt es denn nicht?" "Nicht ganz. Ich habe an dich gedacht, allerdings daran, wie deine Miene sich aufhellt, wenn du lachst. Deine Augen funkeln dann wie Saphire", erklärte er so schroff, dass ihr Herz pochte und sie kaum noch Luft bekam. "Wenn du solche Dinge sagst, muss ich dich darauf hinweisen, dass dein Lächeln richtig sündhaft ist." Er kam zwei Schritte auf sie zu, blieb dann jedoch stehen. "Das möchte ich hören." Tasha schloss für einen Moment die Augen. "Wenn ich es nicht besser wusste, würde ich glauben, dass jemand da oben sich über uns lustig macht." Seufzend blickte sie zum Himmel. "Allerdings ist es überhaupt nicht witzig." Sie war sich schmerzlich bewusst, dass die Atmosphäre sehr spannungsgeladen war. "Ich habe in letzter Zeit auch keinen Sinn für Humor mehr", bestätigte er spöttisch. "Aber ich kann dich einfach nicht ignorieren, verdammt!" Endlich redeten sie wieder miteinander! Tasha hoffte, dass sie nun nichts Falsches sagte und alles verdarb. "Es ist wie ein Alptraum, aus dem wir nicht erwachen können." "Du sagst es." Chris rieb sich seufzend den Nacken. Dann schwiegen sie wieder, und nur das Plätschern des Wassers und der Gesang der Vögel war zu hören. Es knisterte förmlich zwischen ihnen. Schließlich atmete Chris tief durch und hob die Schultern, um sie zu lockern. Er ist so attraktiv! dachte Tasha. Sie sehnte sich danach, in seinen Armen zu liegen und seine Lippen auf ihren zu spüren. "Komm, lass uns zurückgehe n." Er kam zu ihr und streckte die Hand aus, um ihr auf die Füße zu helfen. Als sie seine Hand ergriff, verspürte sie ein erregendes Prickeln. Entschlossen, sich ihm nicht wieder an den Hals zu werfen, wandte sie sich ab, doch zu ihrer Überraschung hielt er sie fest und zog sie an sich. Dabei verlor sie das Gleichgewicht und sank in seine Arme. Die Finger in sein Hemd gekrallt, verharrte sie reglos. Doch ihre Sinne waren in Aufruhr, und sie merkte, dass sein Herz genauso schnell klopfte wie ihres. Tief atme te sie seinen herben Duft ein. Chris war so überwältigend maskulin, dass sie sich seiner Ausstrahlung nicht entziehen konnte. Überdeutlich spürte sie seine Hände auf ihrem Rücken und bekam ganz weiche Knie. Sie wusste, dass sie sich aus seiner Umarmung lösen musste, schaffte es aber nicht. Sie konnte ohnehin kaum einen klaren Gedanken fassen, sosehr konzentrierte sie sich auf die Gefühle, die er in ihr weckte. Schließlich glaubte sie, sterben zu müssen, wenn er sie nicht endlich küsste. Langsam ließ sie den Blick höher schweifen und betrachtete wie gebannt die pulsierende Ader an seinem Hals. Am liebsten hätte sie ihn dort geküsst. Dann stöhnte sie leise auf und gab dem Impuls nach. Sie hörte, wie Chris den Atem anhielt und spürte, wie erregt er war. Es erfüllte sie mit tiefer Genugtuung. Er begehrte sie. Er begehrte sie so sehr, dass er nicht mehr dagegen ankämpfte, und sie konnte ihn dazu bringen, dass er die Beherrschung verlor. Diese Erkenntnis raubte ihr die letzte Kraft. Als Tasha sich gegen ihn sinken ließ, hielt Chris sie fest. Aufstöhnend fasste er ihr ins Haar und bog ihren Kopf zurück, um ihr erhitztes Gesicht zu betrachten. Sie merkte, wie er mit sich
kämpfte und schließlich resignierte. Er ließ die Hand zu ihrer Wange gleiten und streichelte zärtlich mit dem Daumen ihre Lippen. "Ich sehne mich so nach dir, Tasha!" erklärte er schroff, bevor er die Lippen auf ihre presste. Als sie seinen Kuss erwiderte, betete sie insgeheim, dass er diesmal nicht aufhören, sondern mit ihr schlafen und erkennen würde, dass es so sein sollte.
9. KAPITEL
Es war, als würden sie in ein Inferno stürzen, so heftig war ihre Begierde. Sie waren zu lange voneinander getrennt gewesen, als dass sie sie mit einem einzigen Kuss hätten stillen können. Chris küsste sie wild, aber Tasha gefiel es, denn sie brauchte seine Bestätigung. Schließlich löste sie sich von ihm und warf den Kopf zurück, damit er ihren Hals küssen konnte. Sie nahm kaum wahr, wie er ihre Bluse aufknöpfte, und spürte nur die kühle Luft auf ihrer Haut, als er sie ihr abstreifte. Dann umfasste er ihre Brüste, als wären sie etwas Kostbares, und nachdem er die Knospen einen Moment lang mit dem Daumen gestreichelt hatte, liebkoste er sie mit der Zunge. Tasha stöhnte laut auf. Der süße Schmerz, der sich in ihrem Schoß ausbreitete, brachte sie fast um den Verstand. Sie wollte, dass Chris genauso empfand. Daher knöpfte sie hastig sein Hemd auf, um seine Brust zu streicheln. Nun stöhnte er laut auf und erschauerte, als sie ihn auch mit der Zunge zu verwöhnen begann. Es war längst zu spät, um aufzuhören, und sie sanken eng umschlungen ins Gras, um sich immer leidenschaftlicher zu streicheln und dabei ganz auszuziehen. Irgendwann waren sie ganz nackt, und Chris küsste Tasha überall, während sie ihn streichelte. Als er sich dann auf sie legte, stöhnten sie beide auf, doch es war nichts im Vergleich zu den Gefühlen, die sie empfanden, als er in sie eindrang. Plötzlich hielt Chris inne und betrachtete fast verwundert ihr Gesicht. Tasha erwiderte seinen Blick und zeigte ihm damit ihre ganze Liebe. So sollte es sein. In diesem Augenblick war alles vollkommen. Nach einer Weile begann er, sich zu bewegen, zuerst ganz langsam, dann immer schneller, bis sie glaubte, es nicht mehr aushalten zu können. Doch als er sieh nicht mehr beherrschen konnte und immer tiefer in sie eindrang, empfand sie noch intensivere Gefühle, die sich kurz darauf in einem ekstatischen Höhepunkt entluden. Sie schrie auf und kostete die herrlichen Empfindungen so lange wie möglich aus, bis er ebenfalls den Gipfel erreichte. Aufstöhnend ließ er sich auf sie sinken, und sie umarmte ihn. Während die Wellen der Lust verebbten, fragte Tasha sich, was nun passieren würde. Bedeutete dies, dass Chris bereit war, mit der Vergangenheit abzuschließen und in die Zukunft zu schauen, oder hatte er nur mit ihr geschlafen, weil er sich nicht hatte beherrschen können, und bereute es bereits? Nach einer Weile bewegte er sich und schaute ihr kurz in die Augen, blickte aber gleich wieder weg. "Oh, entschuldige. Ich bin bestimmt ziemlich schwer", sagte er leise und rollte sich von ihr herunter. Trotz der Wärme war ihr plötzlich furchtbar kalt, denn sie hatte den bedauernden Ausdruck in seinen Augen gesehen. Nun machte sie sich keine Hoffnungen mehr. Sie war völlig am Boden zerstört. Wie sollte sie je zu ihm durchdringen, wenn sie es nicht einmal schaffte, indem sie mit ihm schlief? Sie würde es niemals schaffen. Sie hatte sich etwas vorgemacht. Doch jetzt machte sie sich keine Illusionen mehr. Sie hatte seine Liebe getötet, und Sex war nur ein armseliger Ersatz dafür. Tasha war übel, und sie setzte sich auf und griff nach ihren Sachen, um sich anzuziehen. "Wir sollten zurückgehen", sagte sie unwirsch, während sie unbeholfen versuchte, ihre Bluse zuzuknöpfen. Chris hatte sich ebenfalls aufgesetzt und beobachtete sie. "Komm, lass mich das machen." Als er die Hände ausgestreckte, zuckte sie jedoch zurück. "Nicht!" Er hielt inne. "Warum? Was ist los?" "Nichts. Ich könnte es nur nicht ertragen, wenn du mich jetzt berühren würdest", brachte sie hervor.
Seine Miene wurde hart. "Du willst nicht, dass ich dich berühre, und behauptest, es wäre nichts? Mir scheint, es stimmt einiges nicht!" Dann stand er auf und zog seine Jeans an. Tasha erhob sich ebenfalls. "Warum hast du mit mir geschlafen, Chris?" erkundigte sie sich unvermittelt. Chris, der gerade nach seinem Hemd greifen wollte, hielt inne und richtete sich auf. "Was glaubst du denn?" Tasha verschränkte die Arme vor der Brust. "Weil du dich nicht beherrschen konntest." Sie hoffte, er würde es sofort abstreiten, aber das tat er nicht. Er wich einige Schritte zurück und schob, die Hände in die Taschen seiner Jeans. "Stimmt. Das konnte ich noch nie", bestätigte er ausdruckslos. Widerstrebend riss sie sich von seinem Anblick los. Sie wünschte, sie könnte ihn hassen oder zumindest ignorieren, doch das war unmöglich. Ihre Stimme klang heiser, als Tasha schließlich die Sprache wiederfand. "Und nun bereust du es." Chris wandte sich ihr halb zu. "Ich bereue so viel, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll." Dann straffte er die Schultern und drehte sich ganz zu ihr um. "So können wir nicht weitermachen, Tasha", fügte er resigniert hinzu. Als sie den traurigen Ausdruck in seinen Augen sah, zerriss es ihr fast das Herz, und ihr kamen die Tränen. "Keine Angst, das brauchst du auch nicht", brachte sie hervor, bevor sie sich abwandte und zum Weg zurücklief. "Tasha, nein!" rief er ihr hinterher. Tasha achtete überhaupt nicht darauf. Sie wollte nichts mehr hören. Sie wollte nur noch zurück zum Haus, um allein zu sein und dann zu beschließen, Was sie tun sollte. Mit Tränen in den Augen hastete sie weiter und hörte, wie Chris immer wieder nach ihr rief und ihr schließlich folgte. Daher rannte sie noch schneller, stolperte dabei über eine hervorstehende Wurzel und fiel hin. Einen Moment lang blieb sie liegen, aber als Sie ihn dicht hinter sich hörte, rappelte sie sich wieder auf und lief weiter. "Tasha, bleib stehen! Nicht da lang!" rief er plötzlich direkt hinter ihr. Tasha erschrak so, dass sie stehenblieb und he rumwirbelte. Da sie dabei das Gleichgewicht verlor, wich sie zwei Schritte zurück. Als sie noch einen Schritt machte, trat sie ins Leere. Entsetzt blickte sie Chris an, der auf sie zugerannt kam. Doch es war zu spät. Sie schrie auf und fiel nach hinten. "Nein!" Sie hörte ihn entsetzt aufschreien, als sie schließlich den steilen Abhang hinunterfiel, der wegen des dichten Unterholzes nicht zu sehen gewesen war. Da sie unter Schock stand, spürte sie den Schmerz beim Aufprall kaum, doch als sie irgendwann gege n etwas Hartes stieß und liegenblieb, stöhnte sie gequält auf. Benommen hörte sie, wie Chris den Abhang herunterkam, um sie zu suchen, und wenige Sekunden später stand er neben ihr. Seine Schuhe hatte er noch angezogen, bevor er ihr gefolgt war, aber sein Oberkörper war immer noch nackt und mit Schrammen übersät. Sein Gesicht war kreidebleich. Chris streckte die Hände nach ihr aus, hielt jedoch plötzlich inne. Seine Hände zitterten, und sie wusste, dass er befürchtete, sie wäre schwer verletzt, und wollte sie deshalb nicht anfassen. "Mein Gott!" Er fuhr sich durchs Haar und schluckte mühsam. "Hast du dir etwas gebrochen? Wo tut es weh?" Es tat überall weh, aber gebrochen hatte sie sich nichts, wie sie glaubte. "Mein Kopf tut weh", brachte sie hervor. Sie erinnerte sich dunkel daran, sich den Kopf irgendwo gestoßen zu haben, und wunderte sich, dass sie nicht in Ohnmacht gefallen war.
Chris fluchte leise und tastete vorsichtig ihren Kopf ab, bis er die Beule fand. "Du hast eine dicke Beule", sagte er dann mit bebender Stimme. "Ich werde dich jetzt weiter untersuchen. Sag mir, ob es irgendwo weh tut." Nachdem er ihre Arme und Beine abgetastet hatte, setzte er sich hin. "Anscheinend hast du dir nichts gebrochen. Trotzdem müssen wir dich so schnell wie möglich ins Krankenhaus bringen. Ich möchte dich nicht allein lassen, aber das Walkie-talkie liegt dort hinten." Mit einem Nicken deutete er in die Richtung zur Lichtung. Tasha brachte ein schwaches Lächeln zustande. "Schon gut. Ich verspreche dir, dass ich nicht weglaufe." In seinen Augen lag ein gequälter Ausdruck, doch Chris lächelte ihr aufmunternd zu. "Ich bin gleich wieder da." "Das weiß ich. Ich vertraue dir", erwiderte sie, woraufhin er noch blasser wurde. Es sah aus, als wollte er noch etwas sagen, aber dann schüttelte er den Kopf und stand auf. "Fang an zu zählen, Schatz. Ich bin wieder zurück, bevor du bei hundert angelangt bist." Er wandte sich ab und begann, den Abhang hinaufzuklettern. Tasha war erst bei sechzig angelangt, als sie plötzlich einen stechenden Schmerz verspürte. Aufstöhnend bewegte sie den Kopf, und im nächsten Moment wurde ihr schwarz vor Augen. Tasha bewegte sich. Sie wusste, wo sie war, denn es roch nach Krankenhaus, und sie erinnerte sich daran, dass sie mehrmals das Bewusstsein verloren hatte. Sie hatte keine Schmerzen mehr, aber sie fühlte sich leer, und sie wusste, warum. Sie hatte das Baby verloren. Sie wusste es, obwohl niemand es ihr gesagt hatte. Wo noch vor wenigen Stunden ein neues Leben herangewachsen war, war nun nichts mehr, und sie empfand ... nichts. Es hatte nicht sein sollen - genausowenig wie mit Chris. Jetzt war alles genauso wie damals, und er war frei. Tasha schaute sich um. Offenbar war es mitten in der Nacht, und sie fragte sich, wie viele Tage seit ihrem Unfall verga ngen sein mochten. Allerdings war es im Grunde egal. Alles war ihr ziemlich egal. Schließlich fiel ihr Blick auf Chris, der auf einem Sessel am Fenster saß und schlief. Vermutlich würde er einen steifen Nacken haben, wenn er aufwachte. Er war unrasiert und trug dieselben Sachen wie an dem Tag, als sie nach dem vermissten Jungen gesucht hatten. Es war also immer noch Dienstag. Plötzlich öffnete Chris die Augen und blinzelte Tasha an. Als er merkte, dass sie wach war, setzte er sich stöhnend auf und rieb sich den Nacken. "Verdammt, diese Stühle sind die reinsten Folterinstrumente!" beklagte er sich, wobei er sie eingehend betrachtete. "Du hättest nach Hause fahren und dich ins Bett legen sollen", erwiderte sie ausdruckslos. Er kniff leicht die Augen zusammen. "Nicht bevor ich weiß, wie es dir geht." Dann stand er auf, kam zu ihr und setzte sich aufs Bett. "Mir geht es gut. Ich habe nur ein paar Kratzer." Chris zögerte. Offenbar fiel es ihm schwer, die richtigen Worte zu finden. "Tasha ..." begann er schließlich schroff und nahm ihre Hand. "Schon gut, du musst es mir nicht sagen. Ich habe das Baby verloren." Er schaute sie erschrocken an. Seine Augen waren gerötet, und sie fragte sich, ob er geweint hatte. Das hielt sie allerdings für unwahrscheinlich. "Die Ärzte sagen, dass es der Schock war. Es tut mir leid, Tasha. Ich habe mir das Baby so gewünscht", brachte er hervor. Tasha schaute an ihm vorbei zum Fenster. "Tatsächlich?" erwiderte sie ausdruckslos. Daraufhin verstärkte er seinen Griff. "Natürlich? Wie kannst du daran zweifeln?" entgegnete er aufgebracht. "Tut mir leid. Ich wollte dich nicht aufregen", erklärte sie gleichgültig.
Chris blickte sie an, als würde er seinen Ohren nicht trauen. "Was ist eigentlich mit dir los? Du tust ja so, als wäre dir alles ega l. Dabei weiß ich genau, dass du das Baby auch wolltest." Sie entzog ihm ihre Hand. "Jetzt ist alles nicht mehr so kompliziert." "Weniger kompliziert?" Er schüttelte den Kopf. "Ich erkenne dich überhaupt nicht wieder. Es muss der Schock sein. Vielleicht solltest du mit jemandem reden", fügte er besorgt hinzu. Gleichgültig zuckte sie die Schultern. "Du solltest lieber nach Hause fahren. Es hat keinen Sinn, wenn du dich krank machst." Unvermittelt stand er auf, ging einen Schritt vom Bett weg und drehte sich dann wieder zu ihr um. "Hör auf, dir Sorgen um mich zu machen, verdammt! Schließlich bin ich nicht derjenige, der den Abhang hinuntergefallen ist. Ich dachte, du seist tot!" "Wie du siehst, bin ich es nicht. Ich habe mein Baby verloren, aber so etwas passiert auch anderen Frauen." "Und nehmen sie es auch so gleichgültig auf wie du? Man könnte meinen, du würdest übers Wetter reden!" rief er verächtlich. Es sah aus, als hätte er Tränen in den Augen, doch das war unmöglich. Tasha blickte ihn verständnislos an. "Warum bist du so wütend? Siehst du denn nicht, dass es zum Besten war?" Verblüfft erwiderte Chris ihren Blick. "Zum Besten? Für wen?" "Für dich natürlich. Du bist jetzt frei." "Frei?" Für einen Moment schloss er die Augen. "Wovon redest du eigentlich, Tasha?" fragte er mühsam beherrscht. "Du kannst dein eigenes Leben weiterführen." Er antwortete nicht sofort, sondern ging zum Fenster und schaute hinaus. "Ach so", sagte er schließlich. "Und was ist mit dir?" Sie blinzelte verwirrt. "Mit mir?" Dann drehte er sich um. Sie konnte sein Gesicht jedoch nicht deutlich erkennen, "Was willst du machen?" "Oh, mir wird schon etwas einfallen. Aber das ist nicht wichtig. Du sollst nur wissen, dass du frei bist. Du brauchst also nichts zu bereuen", erklärte sie entschlossen. "Du glaubst also, ich würde nichts bereuen, jetzt, da ich ... frei bin?" erkundigte er sich leise. Tasha seufzte. Sie fühlte sich völlig ausgelaugt. "Ich weiß es. Es ist also zu deinem Besten." "Glaubst du, dass ich dich nicht liebe?" Sein seltsamer Tonfall ließ sie erschauern. "Du willst mich nicht lieben", sagte sie ausdruckslos. "Du bereust es." Es dauerte eine ganze Weile, bis Chris antwortete. "Bist du deswegen vor mir weggelaufen? Weil du denkst, ich würde alles bereuen? Auch das mit dem Baby?" Wieder seufzte sie. "Du bist ein ehrenwerter Mann, und es war eine Verpflichtung für dich." "O Tasha, ich glaube, ich habe mich alles andere als ehrenhaft verhalten", meinte er resigniert. "Das ist unwichtig. Alles ist jetzt unwichtig, stimmt's?" Es war eine rhetorische Frage. "Ich bin müde. Du solltest nach Hause fahren und dich auch ins Bett legen. Morgen hast du einen Gerichtstermin, nicht? Oder heute? Egal, du brauchst etwas Schlaf. Schließlich willst du niemand im Stich lassen." Er lachte bitter. "Aber dich kann ich im Stich lassen, ja?" Tasha runzelte die Stirn. "Das hast du nicht." "Verdammt, sag so etwas nicht!" Etwas besonnener fuhr er fort: "Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber zu reden. Du hast recht. Ich habe am Mittwoch einen Gerichtstermin, und den kann ich nicht absagen. Aber ich komme wieder, sobald ich kann." "Schon gut. Ich verstehe das."
"Nein, das tust du nicht", widersprach er grimmig. "Und ich habe keine Zeit, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen. Hör zu, Schatz, meine Eltern sind schon unterwegs, und du kommst wieder zu ihnen. Dann brauche ich mir wenigstens keine Sorgen um dich zu machen. Versprich mir, dass du nichts überstürzt." "Also gut." Noch wusste sie nicht, was sie tun würde, doch sie würde eine Entscheidung treffen. Chris betrachtete sie forschend, als wüsste er nicht, ob er ihr glauben sollte oder nicht. "Wir müssen miteinander reden", sagte er dann. "Haben wir uns überhaupt etwas zu sagen?" An seiner Wange zuckte ein Muskel. "Mehr als du ahnst. Ich wünschte, ich müsste dich hier nicht so zurücklassen!" "Du musst gehen. Mach dir um mich keine Sorgen", versicherte Tasha, denn sie wollte, dass er endlich ging. "Ich bin müde und werde jetzt schlafen." Sie schloss die Augen, so dass Chris nichts anderes übrig blieb, als vom Bett zurückzutreten. Er wartete jedoch, bis sie eingeschlafen war, und dann machte er sich auf die Suche nach einem Arzt. Als Tasha wieder aufwachte, war es Morgen. Sie fühlte sich immer noch ziemlich mitgenommen, aber so nahm sie zum Glück auch alles nicht so intensiv wahr. Als sie aufstand und ins Bad ging, stellte sie erleichtert fest, dass ihr nicht schwindelig war. Während sie sich im Spiegel betrachtete, dachte sie daran, dass sie sich an einen Ort zurückziehen musste, an dem sie in Ruhe eine Entscheidung treffen konnte. Die leichteste hatte sie bereits getroffen. Sie würde Chris verlassen. Als Tasha wieder das Zimmer betrat, kam gerade der Arzt herein. "Ah, Sie sind schon auf, wie ich sehe. Wie geht es Ihnen heute morgen? Keine Schmerzen oder Schwindelgefühle?" Nachdem sie sich wieder ins Bett gelegt hatte, untersuchte er sie schnell. "Mir geht es gut." Sie zuckte zusammen, als er die große Beule an ihrem Kopf berührte. "Wann kann ich nach Hause?" "Haben Sie es so eilig, uns zu verlassen?" erkundigte er sich trocken. Die Arme vor der Brust verschränkt, trat er zurück, um sie zu betrachten. "Ihr Mann macht sich große Sorgen um Sie, Mrs. Calder." Tasha lehnte sich in die Kissen zurück und blickte aus dem Fenster. "Ich weiß. Ich habe ihm gesagt, dass er es nicht braucht." Der Arzt, der etwa Ende Dreißig war und bereits leicht schütteres Haar hatte, zog die Augenbrauen hoch. "Er glaubt, Sie stehen unter Schock, weil Sie Ihr Baby verloren haben. Ich bin geneigt, ihm zuzustimmen." Nun wandte sie sich ihm wieder zu. "Weil ich nicht geweint habe?" Er zuckte die Schultern. "Das ist eine ganz normale Reaktion." "Mir ist einfach nicht nach Weinen zumute. Bin ich deshalb anormal?" Der Arzt wirkte etwas unbehaglich. "Nein. Jeder reagiert anders darauf." "Dann würde ich gern nach Hause gehen. Wann können Sie mich entlassen?" Er warf einen Blick auf den Krankenbericht, den er in der Hand hatte. "Hm, eine Gehirnerschütterung haben Sie offenbar nicht. Wenn Ihr Zustand sich in den nächsten vierundzwanzig Stunden nicht verschlechtert, können wir Sie morgen früh entlassen." "Vielen Dank, das ist sehr nett von Ihnen." Damit gab sie ihm höflich zu verstehen, dass er gehen sollte, und obwohl es ihm offensichtlich nicht passte, schüttelte er nur den Kopf und verließ das Zimmer. Dann schloss Tasha wieder die Augen. Am nächsten Morgen wurde sie entlassen. Nun musste sie sich nur noch überlegen, wohin sie gehen sollte.
Als Elaine Calder später im Krankenhaus eintraf, hatte Tasha bereits ein Blockhaus gebucht, denn eine Schwester hatte ihr den Namen eines Ferienorts im Norden genannt. Nun brauchte sie nur noch ihren Wagen und einige Sachen. Sie stellte gerade im Geiste eine Liste auf, als ihre Schwiegermutter das Zimmer betrat. Sie umarmte sie liebevoll. "Meine arme Tasha! Es ist so schrecklich!" sagte sie traurig. Tasha kamen die Tränen. "Ich hätte besser aufpassen sollen", erwiderte sie mit bebender Stimme, nachdem Elaine sich aufs Bett gesetzt hatte. "So etwas kann passieren. Es ist traurig, aber ihr werdet wieder ein Baby bekommen." Tasha senkte den Blick. "Vielleicht." Sie wusste, dass es nicht stimmte, doch das konnte sie Elaine nicht sagen. Diese umfasste sanft ihre Wange. "Das sagst du jetzt, aber wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist ..." Sie zuckte die Schultern. "Du brauchst dich erst einmal um nichts zu kümmern, denn du kommst zu uns." Tasha lächelte schwach. "Du bist so nett zu mir, Elaine." Elaine tätschelte ihr die Hand. "Das fällt mir auch nicht schwer, denn du bist so eine reizende Frau. John und ich finden beide, dass Chris sich glücklich schätzen kann. Weißt du schon, wann du entlassen wirst?" Sie blieb noch eine Stunde bei ihr, plauderte mit ihr über dieses und jenes und verabschiedete sich mit dem Versprechen, sie früh am nächsten Morgen abzuholen. Als Elaine und John am nächsten Morgen kamen, war Tasha bereits angezogen und startbereit. Die beiden nahmen sie mit zu sich, und Tasha ging gleich in ihr Zimmer, um sich umzuziehen und ihre Sachen zu packen. Dann ging sie wieder nach unten. Nachdem sie ihren Koffer in der Eingangshalle abgestellt hatte, suchte sie ihre Schwiegereltern. Die beiden waren im Wohnzimmer. Auf der Türschwelle blieb sie stehen. "Ich fahre jetzt", erklärte sie leise. Als ihre Schwiegereltern sich zu ihr umdrehten, waren sie sichtlich schockiert. "Du fährst?" erkundigte sich Elaine entsetzt. "Wohin willst du?" "Das kann ich euch nicht sagen. Ich muss weg, und ich möchte nicht, dass Chris mir folgt." Ihre Schwiegereltern waren inzwischen aufgestanden. "Und warum möchtest du es nicht?" fragte John. Tasha seufzte. "Weil es so besser ist." "Einfach wegzulaufen ist auch keine Lösung, Tasha. Du solltest hierbleiben und mit ihm darüber reden", wandte er ein. Sie schüttelte den Kopf. "Diesmal nicht. Ich muss wiedergutmachen, was ich damals falsch gemacht habe." Elaine wirkte zunehmend besorgter. "Ich verstehe dich nicht, Liebes." "Ich habe euch angelogen", gestand Tasha. "Als ich euch zum erstenmal begegnet bin, habe ich euch in dem Glauben gelassen, ich sei Chris' Verlobte, aber ich war es nicht. Meine Schwester und ich sind eineiige Zwillinge. Sie war mit Chris verlobt." "Du, meine Güte!" brachte Elaine hervor und setzte sich wieder hin. "Ich habe mich in Chris verliebt und deswegen so getan, als wäre ich sie", fuhr Tasha fort. "Chris hat sich auch in mich verliebt. Er dachte, ich wäre sie." Ihre Schwiegereltern schwiegen einen Moment. John fand als erster die Sprache wieder. "Wann hat Chris es herausgefunden?" erkundigte er sich. "Erst vor ungefähr zwei Wochen", gestand Tasha. "O nein! "rief Elaine. Die Tränen traten Tasha in die Augen. "Ihr seht also, dass ich gehen muss, denn mir bleibt nichts anderes übrig." Sie wandte sich ab, warf jedoch noch einmal einen Blick über die Schulter. "Sagt Chris, dass er nichts mehr bereuen muss. Er ist frei."
Dann nahm sie ihren Koffer und verließ das Haus. Nachdem sie ihn im Kofferraum verstaut hatte, stieg sie in ihren Wagen und fuhr los, ohne sich noch einmal umzudrehen. John Calder hingegen tauschte einen vielsagenden Blick mit seiner Frau und griff dann zum Telefon.
10. KAPITEL
Eine Woche später stand Tasha am Geländer auf der hinteren Veranda des Blockhauses, das sie gemietet hatte, und blickte in die Dunkelheit hinaus. Da es regnete, konnte man den Fluss und die Hügel dahinter kaum erkennen. Fröstelnd rieb sie sich die Arme. Sie stand schon seit Stunden hier, denn sie wusste nichts mit sich anzufangen. Aber was sollte man auch machen, wenn man alles verloren hatte, was einem wichtig war? Wahrscheinlich war es sogar schön hier, wenn die Sonne schien, doch Tasha war, als hätte es seit ihrer Ankunft hier nur geregnet. Eigentlich hätte sie sich etwas zu essen machen müssen, aber sie hatte keinen Hunger. Sie spürte überhaupt nichts, nur den kalten Wind. Wieder fröstelte sie. "Frierst du, Tasha?" ließ sich dann plö tzlich eine vertraute Stimme vernehmen, und Tasha blickte sich um. Chris. Er stand auf der anderen Seite der Veranda und strich sich durch das nasse schwarze Haar. Er trug eine braune Lederjacke, enge, verwaschene Jeans und braune Schnürstiefel. "Müsstest du nicht im Gericht sein?" erkundigte sie sich gelassen. Das einzige, was ihr durch den Kopf ging, war, dass er bereits vor Stunden losgefahren sein musste. Chris machte einen Schritt auf sie zu und spreizte die Hände. "Als mein Vater mich angerufen hat, habe ich darum gebeten, die Verhandlung zu vertagen." Offenbar hatte er von der Krankenschwester erfahren, wohin sie, Tasha, geflohen war. Aber warum war er gekommen? Sie hatte es ihm so leicht gemacht, sie einfach gehen zu lassen. Sie wussten beide, dass Chris seine Freiheit brauchte. "Ich habe dich gar nicht kommen hören", sagte Tasha und schaute ihm dabei in die grauen Augen. Niemals würde sie sein markantes, atemberaubend attraktives Gesicht vergessen. Sie liebte ihn. Kein anderer Mann würde je dieses Gefühle in ihr wecken. Doch sie wusste, dass sie nicht mit Chris Zusammensein durfte. Er schaute sie unverwandt an. "Ich bin das letzte Stück zu Fuß gegangen, weil ich dir nicht die Gelegenheit geben wollte, wieder vor mir wegzulaufen." "Wegzulaufen und jemand zu verlassen ist nicht dasselbe." "Es läuft aber auf dasselbe hinaus." "Du hast also beschlossen, mir nachzufahren." "Hast du allen Ernstes geglaubt, ich würde es nicht tun?" entgegnete er kühl und kam noch einige Schritte auf sie zu. Da er nun genau im Licht stand, das vom Fenster auf die Veranda fiel, sah sie, wie angespannt und müde er wirkte. "Es wäre besser gewesen, denn dadurch machst du es dir nur unnötig schwer", erwiderte sie ausdruckslos. "Du siehst erschöpft aus." "Es freut mich, dass du dir Sorgen um mich machst. Aber wie kommst du darauf, dass es leichter für mich gewesen wäre, wenn ich dich hätte gehen lassen?" Er kam noch weiter auf sie zu, blieb dann dicht vor ihr stehen und lehnte sich ebenfalls ans Geländer. Tasha runzelte die Stirn. Warum war er bloß so begriffsstutzig? "Weil du nicht mehr an mich gebunden sein willst, Chris." "Wenn das der Fall wäre, warum hätte ich dir dann das Versprechen abgenommen, nichts zu überstürzen?" Sie seufzte. "Weil du dich dafür verantwortlich fühlst, dass ich das Baby verloren habe", sagte sie ausdruckslos und strich sich das Haar aus dem Gesicht. Daher merkte sie auch nicht, wie Chris sich verspannte. "Ich bin auch dafür verantwortlich." Tasha schüttelte den Kopf. "Ich bin diejenige, die weggelaufen ist." "Aber ich habe dich dazu gebracht." Er blickte sie fest an. "Stimmt's?" Sie zuckte die Schultern. "Das spielt keine Rolle. Das Baby ist weg. Du bist frei."
Nun wurde er wütend. Er packte sie bei den Schultern und drehte sie zu sich um. "Jetzt reicht es! Ich werde nie von dir loskommen, Tasha. Und ich will es auch nicht!" erklärte er leidenschaftlich. Seine Augen funkelten und spiegelten die unterschiedlichsten Gefühle wider. Eigentlich hätte sie darüber entsetzt sein müssen, aber es berührte sie überhaup t nicht. Nichts berührte sie mehr. Doch sie wusste, dass er sich nur so verhielt, weil er Schuldgefühle hatte. "Das meinst du nicht so", verbesserte sie ihn ruhig. Chris verstärkte seinen Griff. "O doch, es ist mein Ernst. Noch nie habe ich etwas so ernst gemeint." Als sie nicht antwortete, fluchte er leise. "Verdammt, Tasha, du musst mir glauben!" Ein trauriges Lächeln umspielte ihre Lippen. "Du brauchst dir keine Sorgen mehr um mich zu machen. Jetzt geht es mir besser. Ich bereue nichts mehr." Für einen Moment schloss er die Augen. "Du hast ja keine Ahnung, wie sehr ich es bereut habe!" Als er sie wieder ansah, lag ein gequälter Ausdruck darin. Widerstrebend ließ er sie los. "Gegen seine Gefühle ist man machtlos", versuchte Tasha, ihn zu trösten. Chris sah aus, als wollte er fluchen. "Das habe ich nicht gemeint", erklärte er schließlich mühsam beherrscht. "Nicht, was du denkst." "Ich denke gar nichts", meinte sie und zuckte die Schultern. "Aber jetzt kannst du darüber nachdenken!" fuhr er sie an. "Tut mir leid", entschuldigte er sich dann unvermittelt. "Schon gut." "Nein, nichts ist gut. Ich will, dass du mich verstehst, Tasha." "Ich verstehe dich sehr gut." "Ja, vom Verstand her, aber nicht mit dem Herzen", widersprach er resigniert. "Ich möchte es dir erklären." Tasha betrachtete sein blasses Gesicht. "Du brauchst mir nichts zu erklären, Chris. Es spielt keine Rolle mehr." Er sah sie scharf an. "Für mich schon. Ich will ... Nein, ich muss es dir erklären. Hörst du mir zu?" Sie wollte ihm nicht zuhören, denn sie wusste, dass es nichts ändern würde, egal, was er sagte. Doch er wollte es. Vielleicht würde er sie verstehen, wenn sie ihm die Gelegenheit gab. "Okay, ich höre zu." Wieder fröstelte sie, als eine kühle Brise aufkam. "Am besten gehen wir rein", schlug sie daher vor. Chris folgte ihr ins Blockhaus. Es war funktional und trotz der spärlichen Möblierung gemütlich. Das Wohnzimmer und die Küche befanden sich auf der Vorderseite, das Schlafzimmer und das Bad auf der Rückseite. Vor dem Kamin, in dem bereits Holz aufgeschichtet war, lag ein Läufer, und in einem Halbkreis waren darum eine etwas verschlissene Couch sowie zwei Sessel gruppiert. "Du bist ja klitschnass!" rief Tasha besorgt, als sie Chris zum ersten Mal im Licht sah. "Häng deine Jacke auf den Ständer neben der Tür. Ich hole uns etwas zu trinken. Inzwischen kannst du Feuer im Kamin machen." Als sie kurz darauf mit zwei Bechern Kaffee, in den sie einen Schuss Brandy getan hatte, ins Wohnzimmer zurückkam, loderten die Flammen bereits. Chris kniete vor dem Kamin und wärmte sich die Hände über dem Feuer. "Hier." Sie reichte ihm einen Becher, und er stand auf, um ihn entgegenzunehmen. "Danke." Er beobachtete, wie sie sich aufs Sofa setzte, blieb aber stehen. Nachdem sie einige Schlucke getrunken hatte, sah sie zu ihm auf. "Ich höre dir jetzt zu." Chris verspannte sich sofort wieder und blickte eine ganze Weile schweigend in seinen Becher, doch schließlich seufzte er schwer und fing an. "Letzte Woche, nachdem wir im Wald miteinander geschlafen hatten, hast du mich gefragt, ob ich es bereue, und ich habe gesagt, ich
bereue vieles. Als mir klar wurde, was du denkst, habe ich versucht, es dir zu erklären, aber du hast mir nicht zugehört. Du bist einfach weggelaufen, und als ich sah, wohin du läufst, ist mir das Blut in den Adern gefroren. Noch nie im Leben habe ich solche Angst gehabt." Er schauderte und rieb sich die Wange. "Dann bist du gefallen, und ich habe fast den Verstand verloren. Doch du warst am Leben, und du warst so tapfer. Ich wollte dich nicht allein lassen, aber ich musste ... Und dann hast du gesagt, dass du mir vertraust. ..." Gequält sah er sie an. "In dem Moment ist mir klar geworden, was ich getan hatte. Wie ich dich im Stich gelassen habe." Tasha blickte stirnrunzelnd in ihren Becher. Chris hatte das schon einmal gesagt, doch er hatte sich geirrt, und er irrte sich auch jetzt. Er hatte sie nie im Stich gelassen, sondern sie hatte ihn belogen und hintergangen. "Das darfst du nicht sagen. Du weißt, dass es nicht stimmt." Ihre Stimme bebte ein wenig. Chris schüttelte den Kopf. "Doch, es stimmt. Ich habe dich im Stich gelassen, weil ich nicht auf mein Herz gehört habe. Ich war in meinem Stolz verletzt." Tasha schaute ihn fragend an. "Das verstehe ich nicht", meinte sie unsicher. Er atmete tief durch, bevor er weitersprach. "Als ich herausgefunden habe, dass du mich hintergangen hast, war ich wütend." Als sie sich daran erinnerte, erschauerte sie. Es war der schlimmste Tag ihres Lebens gewesen. "Du warst wütend", bestätigte sie. Obwohl sie sich dagegen wehrte, stürmten die Erinnerungen auf sie ein, und plötzlich empfand sie auch wieder etwas. Sie konnte es nicht ertragen, denn es war zu schmerzlich. Chris, der ihr Mienenspiel verfolgte, zuckte zusammen. "Jetzt kann ich mir vorstellen, wie dir zumute war. Zu dem Zeitpunkt allerdings wusste ich nur, dass die Frau, der ich vertraut hatte, eine Lügnerin war." Tasha hielt den Atem an, weil sie innerlich zu zittern begann. Sie stellte ihren Becher ab und schlang sich die Arme um die Taille. "Ich wollte es dir ja sagen, aber ich hatte Angst", erklärte sie leise. Er nickte grimmig. "Und dann haben deine Befürchtungen sich bestätigt, stimmt's?" meinte er voller Selbstverachtung. Das Zittern wurde immer stärker, und es kostete sie ihre ganze Kraft, es sich nicht anmerken zu lassen. "Es war dein gutes Recht, wütend zu sein." "Und es war dein gutes Recht, zu erwarten, dass ich mir zumindest deine Erklärungen anhöre und dich verstehe. In Anbetracht der Tatsache, dass ich nie aufgehört habe, dich zu lieben, war es nicht zuviel verlangt." Tasha schloss die Augen. "Ich liebe dich, Tasha." Nun war der Damm gebrochen, und die Benommenheit, die sie die ganze Zeit wie ein schützender Kokon umgeben hatte, verflog völlig. Tasha stöhnte gequält auf und krümmte sich, denn die Gefühle, die sie in den vergangenen Wochen nicht zugelassen hatte, übermannten sie. Sie erinnerte sich an alles. "Aber du willst mich nicht lieben, stimmt's?" brachte sie unter Tränen hervor. Chris war immer noch kreidebleich. Er stellte seinen Becher auf den Kaminsims und sank vor ihr auf die Knie. "Sieh mich an, Tasha", verlangte er schroff. Tasha blickte ihn an und verzog bitter den Mund. "Lüg mich nicht an." "Ich habe nicht vor, dich anzulügen, Schatz. Ich hoffe nur, dass du mir glaubst. Ich will dich lieben. Ich habe dich immer geliebt. Ich wollte nur nicht, dass du es weißt." Als sie ihm in die Augen schaute, wusste sie, dass es stimmte. Er hatte sie immer geliebt!
Plötzlich wurde sie furchtbar wütend und schlug mit der Faust auf seine Schulter. "Warum hast du das getan?" Chris wich ein wenig zurück. Er wusste, dass er ihren Zorn verdient hatte. "Um dich zu bestrafen. Aber es ist mir erst klargeworden, als ich mit der Möglichkeit konfrontiert wurde, dass ich dich verlieren könnte. Als ich im Krankenhaus an deinem Bett saß, habe ich gründlich über mein Verhalten nachgedacht, und was ich dabei gesehen habe, hat mir überhaupt nicht gefallen." "Und was hast du gesehen, Chris?" erkundigte sie sich herausfordernd. "Ich habe einen Mann gesehen, der nicht wahrhaben wollte, dass seine Frau ihn zu sehr geliebt hat, um ihn zu verlassen, und es ihm erspart hat, ihr zu sagen, dass er sie liebt. Die ganze Zeit habe ich dich mit einer Hand fortgestoßen und mit der anderen festgehalten. Ich habe dir meine Liebe versagt und gleichzeitig dafür gesorgt, dass ich dich nicht verliere." Tasha lehnte sich zurück und blickte ihn starr an. Ihr Zorn verrauchte langsam, und sie konnte sich vorstellen, wieviel Überwindung es Chris gekostet haben musste, ihr die Wahrheit einzugestehen. Plötzlich wusste sie auch, warum er es getan hatte. Er hatte es ihr nicht nur gesagt, weil sie es verdient hatte, die Wahrheit zu erfahren, sondern weil es für ihn die einzige Möglichkeit gewesen war, sie aus ihrer Apathie zu wecken. Er hatte sie nicht verlieren wollen, doch er hatte ihre Bedürfnisse über seine gestellt. Es war sehr mutig von ihm gewesen. "Das ist... interessant", sagte sie heiser und fragte sich dabei, wie zwei angeblich normale Menschen sich so etwas antun konnten. "Ich musste es dir sage n." Sie seufzte schwer. "Und was willst du jetzt von mir?" fragte sie mit müder Stimme. Dies war einer der wenigen Momente, in denen Chris unsicher wirkte. Trotzdem ließ er nicht locker. "Ich will, dass du mir verzeihst. Ich weiß, dass ich es nicht verdient habe, aber du musst es tun, Tasha - genauso wie ich dir hätte verzeihen sollen." Tasha lachte bitter. "Du verlangst wirklich nicht viel, stimmt's?" "Ist es denn zuviel verlangt?" Nun kamen ihr die Tränen. "Ich weiß es nicht", flüsterte sie. "Du hast mir so weh getan. Ich habe mich dir gegenüber nicht richtig verhalten, aber ich habe es aus Liebe getan. Was du getan hast ..." Sie verstummte, denn ihr versagte die Stimme. "Du brauchst es mir nicht zu sagen", entgegnete er scharf. "Ich bin daran schuld, dass wir das Baby verloren haben, und das werde ich mir niemals verzeihen!" Dann stand er auf, ging zum Fenster und blickte hinaus. Er wirkte so angespannt, dass er ihr leid tat. "Ich kenne mich selbst nicht mehr", fuhr er gequält fort. "Ich wusste gar nicht, dass ich so egoistisch und grausam sein kann. Wie, zum Teufel, kann ich da erwarten, dass du mir verzeihst? Ich habe unser Kind umgebracht, verdammt!" Entsetzt beobachtete Tasha, wie er den Kopf neigte und die Schultern hängen ließ. Sie durfte nicht zulassen, dass er die ganze Schuld auf sich nahm, denn sie hatten beide Fehler gemacht, und das war nur allzu menschlich. "Chris?" sagte Tasha mit tränenerstickter Stimme. "Ich verzeihe dir." "Wie kannst du mir verzeihen?" "Weil ich dich liebe." Als Chris sich zu ihr umdrehte, sah sie, dass er ebenfalls Tränen in den Augen hatte. Ohne zu zögern, stand sie auf, ging zu ihm und nahm ihn in die Arme, doch er wehrte sich dagegen. "Nicht, Tasha." Sie schüttelte den Kopf. "Ich lasse dich nicht mehr los. Wir haben beide Fehler gemacht, und unser Baby ... Vielleicht sollte es nicht sein ..."
Als sie ihren Tränen freien Lauf ließ, stöhnte er auf und schloss sie in die Arme. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie sich wieder beruhigt hatte. In seinen Armen fühlte sie sich wunderbar geborgen. Er hatte auch geweint, und sie hoffte, dass es ihm ebenfalls besser ging. Schließlich seufzte er. "Ich wusste gar nicht, dass etwas so wehtun kann. Zuerst die Vorstellung, ich könnte dich verlieren, dann die Erkenntnis, dass wir das Baby verloren haben. In der Nacht habe ich zum erstenmal, seit ich ein Kind war, wieder geweint, und zwar an deinem Bett. Mir schien es, als wäre ich im Begriff, alles zu verlieren, nur aus falschem Stolz." Tasha rieb die Wange an seiner Brust. "Schuldzuweisunge n führen zu nichts, Chris. Wir sollten eine Vereinbarung treffen, nämlich dass wir beide uns selbst und einander verzeihen." Chris löste sich ein wenig von ihr, um sie zu betrachten. Meinst du, es ist wirklich so leicht?" "Ich will dich nicht bekämpfen, Chris. Ich will dich nur lieben." "Das will ich auch." "Also?" erkundigte sie sich heiser. Nun lächelte er. "Hier? Jetzt?" Tasha erwiderte sein Lächeln. "Kannst du dir einen besseren Zeitpunkt und einen besseren Ort vorstellen?" Sie waren beide verletzt gewesen und hatten zusammen geweint. Nun mussten sie es wiedergutmachen, indem sie sich liebten. Chris umfasste ihr Gesicht und streichelte mit den Daumen ihre tränennassen Wangen. "Bist du sicher? Ich will dir nicht noch mehr wehtun." Tasha legte die Hände auf seine. "Liebst du mich, Chris?" "Mehr als mein Leben", erklärte er rau. "Dann wirst du mir auch nicht wehtun. Du wirst mir nie wieder wehtun, jedenfalls nicht bewusst. Wenn ich das nicht glauben würde, könnte ich dich auch nicht so lieben. Seit wir uns zum ersten Mal begegnet sind, bist du mein Leben. Ich möchte, dass wir wieder glücklich sind." "Das werden wir, das verspreche ich dir." Er küsste sie sanft Dann nahm er ihre Hand. "Komm." Sie legten sich auf den Teppich vor dem Kamin und liebten sich zärtlich, um sich ihre Gefühle füreinander zu bestätigen. Für Tasha war es, als würde sie neu geboren werden. Nachdem sie sich gegenseitig ausgezogen hatten, liebkosten sie sich mit Händen und Lippen und verdrängten damit alle traurigen Erinnerungen. Was sie ha tten, war etwas Kostbares, und deshalb gingen sie vorsichtig miteinander um. Da ihr Vertrauen zueinander jetzt viel stärker war, entdeckten sie auch ganz neue Gefühle füreinander. Und als das Verlangen erwachte, ließen sie sich nicht treiben, sondern hielten sich zuerst zurück, bis es ins Unermessliche wuchs. Erst dann wurden sie eins und verloren sich darin, bis sie, von der Kraft ihrer Liebe geläutert, wieder auftauchten. Später lagen sie aneinandergekuschelt da und schauten ins Feuer, das bereits heruntergebrannt war. Chris hatte den Kopf aufgestützt und streichelte zärtlich Tashas Schenkel. "Dir ist hoffentlich klar, dass wir keine Verhütungsmittel benutzt haben", meinte er trocken, und Tasha nahm seine Hand und legte sie sich auf den Bauch. "Daran habe ich nicht gedacht." Sie seufzte wohlig. "Aber ich glaube nicht, dass etwas passiert ist." Er verteilte kleine Küsse auf ihrer Halsbeuge. "Würde es dir denn etwas ausmachen, wenn es so wäre?" Tasha verschränkte ihre Finger mit seinen. "Nein. Ich möchte wieder Kinder bekommen." Da sie selbst keine richtige Familie gehabt hatte, wünschte sie sich eine. Chris schmiegte sich noch enger an sie. "Das ist gut. Es gibt da nämlich etwas, was ich dir noch nicht erzählt habe."
"Ach ja?" "In meiner Familie gibt es auch Zwillinge." Nun war sie ganz Ohr. "Was? Tatsächlich?" "Ja. Mein Vater hatte einen Zwillingsbruder. Allerdings ist mein Onkel vor einigen Jahren gestorben. Außerdem habe ich zwei Cousins, die auch Zwillinge sind. Sie machen gerade eine Weltreise." "Oh. Sind sie eineiig?" "Sie gleichen sich wie ein Ei dem anderen", bestätigte er lächelnd. Einen Moment lang blickte sie schweigend auf die glühenden Holzscheite im Kamin. "Dann verstehen sie sich gut, oder?" "Sie sind unzertrennlich." Sie lächelte traurig. "Das muss schön sein." Chris hob den Kopf und blickte sie an. "Kennst du dieses Gefühl denn nicht?" Tasha schüttelte den Kopf. "Ich habe dir ja erzählt, dass wir kein gutes Verhältnis zueinander haben. Nat wäre es lieber, wenn ich nicht existieren würde, denn sie hat in mir immer eine Rivalin gesehen - jemand, der ihr die Show stiehlt. Ich wollte mit ihr teilen, aber sie nicht mit mir." Darüber würde sie nie hinwegkommen. "Das ist wirklich schade, Schatz", erwiderte er mitfühlend. Dann drehte er sie zu sich um und nahm sie in die Arme. "Ich bin froh, dass ich dich geheiratet habe und nicht sie." "Obwohl ich dich sozusagen mit einer List dazu gebracht habe?" "Im nachhinein muss ich zugeben, dass es mir schmeichelt, zu wissen, dass du alles getan hast, um mich zu bekommen, weil du mich so liebst." "Heißt das, du als Rechtsanwalt siehst schweigend darüber hinweg, wenn jemand lügt und betrügt?" erkundigte sie sich herausfordernd. Er lächelte. "Nur bei dir. Du kannst mich jederzeit betrügen, um in mein Bett zu kommen, Schatz." "Soll das ein Heiratsantrag sein?" erwiderte sie strahlend. Seine Augen funkelten. "Bist du interessiert?" Nun senkte Tasha den Blick. "Was für eine Vereinbarung schlägst du vor?" "Keine Vereinbarungen, tut mir leid. Es bedeutet lebenslänglich. Meinst du, du hältst es so lange aus?" "Es sieht so aus, als müsste ich mich schuldig bekennen." " Und wessen bekennst du dich schuldig?" Sie neigte den Kopf, bis ihre Lippen seine berührten. "Meiner Liebe." Dann küsste sie Chris.
EPILOG
Tasha nippte an ihrem Champagner und seufzte zufrieden. Es war herrliches Wetter, und die Menschen, die sie am meisten liebte, waren in ihrem Heim versammelt. Alles war perfekt. Oder nicht? Als sie sich unter den Gästen umschaute, stellte sie fest, dass Chris nicht da war. Schließlich stellte sie ihr Glas ab und ging ihn suchen. Ihre Schwiegermutter kam ihr entgegen. "Die Feier ist ein voller Erfolg", sagte Elaine und blieb stehen. Tasha lächelte sie an. "Ja, zum Glück. Ich hatte schon befürchtet, sie würden sich die Lunge aus dem Leib schreien." "Unsinn. Dazu sind die Jungs viel zu gut erzogen. Und Chris hat so stolz ausgesehen, dass mir die Tränen gekommen sind", erklärte Elaine gerührt. Tasha war auch ganz gerührt. "Er liebt sie." Plötzlich wusste sie, wo ihr Mann steckte. "Bitte entschuldige mich, Elaine." Dann ging sie nach oben zum Kinderzimmer, das nun in allen Regenbogenfarben gestrichen war. In der Tür blieb sie stehen. Chris war tatsächlich dort. Er hatte jeweils eine Hand auf die Wiegen gelegt und betrachtete seine schlafenden Söhne. Nicholas, der in der linken lag, gab leise Geräusche von sich, aber Matthew schlief tief und fest. Dies war ihre Familie, und sie liebte sie über alles - Chris und ihre Zwillinge, die an diesem Nachmittag getauft worden waren. Nun konnte sie sich kaum noch vorstellen, dass ihre Ehe vor etwas über einem Jahr beinah gescheitert wäre. "Ich habe mir schon gedacht, dass du hier bist", sagte Tasha und ging zu Chris. Er zog sie an sich, und sie legte ihm den Arm um die Taille. Glücklich betrachtete sie die schlafenden Babys. "Glaubst du, sie wissen, wie sehr wir sie lieben?" fragte er. "Selbst wenn sie es jetzt noch nicht wissen, werden sie es bald", neckte sie ihn. "Du wirst sie bestimmt verziehen." Chris seufzte. "Dir ist hoffentlich klar, dass sie uns ganz schön auf Trab halten werden." "Sie werden uns an der Nase herumführen, indem der eine versucht, sich als der ändere auszugeben", bestätigte sie. Wenn sie daran dachte, dass sie dasselbe getan hatte, verspürte sie keine Gewissensbisse mehr. Das hatte sie ihm zu verdanken. "Aber wir werden sie auseinanderhalten können." Er drehte sich um und umarmte sie lächelnd. Tasha legte ihm die Arme um den Nacken. "Aber wir werden ihnen nicht, sagen, wie, oder?" Chris schüttelte den Kopf. "Das müssen sie selbst herausfinden. Wenn wir Glück haben, finden sie es nie heraus. Dann haben wir sie immer noch in gewisser Weise unter Kontrolle." "Das ist gemein, aber genial", erwiderte sie strahlend. "Hm, das dachte ich mir. Du hast nämlich eine perverse Ader." "Aber du liebst mich trotzdem." Er neigte den Kopf und küsste sie. "Ich liebe dich so sehr, dass ich mir ein Leben ohne dich nicht vorstellen kann. Danke, dass du mir unsere Söhne geschenkt hast." "Gern geschehen", flüsterte sie überglücklich. Wieder betrachtete er seine Söhne. Dann sah er sie an. "Ich liebe dich, Tasha." Liebevoll schauten sie sich in die Augen. Als Tasha ihm in die Arme sank und seinen Kuss erwiderte, wusste sie, dass sie endlich ihr Glück gefunden hatten. -ENDE