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So zart, so süß, so heiß geküsst von Penny Jordan
Es scheint die einzige Möglichkeit, ...
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So zart, so süß, so heiß geküsst von Penny Jordan
Es scheint die einzige Möglichkeit, um an den mächtigen Unternehmer Leo Jefferson
heranzukommen: Die engagierte Lehrerin Jodi Marsh schleicht sich in seine Hotelsuite, um
ihn dort zu erwarten. Sie will ihn unbedingt von einem Vorhaben abbringen, das den
Menschen in dem idyllischen Städtchen Frampton schaden würde. Doch dann schläft sie in
seinem Bett ein - und hat einen unglaublich süßen, erotischen Traum: Ein gut aussehender
Fremder nimmt sie in seine Arme, küsst sie zärtlich und liebt sie sinnlich. Bis Jodi
schließlich die Augen aufschlägt und erkennt, dass es gar kein Traum war.
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Kapitel 1 Der Mann, der die Hotelhalle durchquerte, faszinierte Jodi. Er war groß, bestimmt über ein Meter achtzig, etwa Mitte dreißig, dunkelhaarig und von starker sinnlicher Ausstrahlung. Jodi hatte das auf den ersten Blick bemerkt. Sie reagierte so stark auf ihn, dass sie Herzklopfen bekam und ihre Gedanken für einen Moment in eine gefährliche Richtung schweifen ließ, was sonst nicht ihre Art war. Kurz vor dem Ausgang drehte sich der Mann um, und es war Jodi, als würde er sie direkt ansehen. Als vibrierte eine starke, nur für sie beide wahrnehmbare erotische Spannung zwischen ihnen. Was war plötzlich mit ihr los? Jodis Welt, die auf einem so sicheren Fundament ruhte, schien plötzlich aus den Fugen zu geraten. Wo blieb der gesunde Menschenverstand, der ihr Handeln sonst bestimmte? Liebe auf den ersten Blick? Noch gestern hätte sie darüber gelacht, aber plötzlich befand sie sich in einer anderen Welt, in der sinnliche Reize und nicht praktische Erwägungen vorherrschend waren. Liebe auf den ersten Blick? Niemals. Nicht bei Jodi Marsh. Entschlossen wandte sie den Blick ab und kehrte in die Welt zurück, in die sie gehörte. Wie kam es bloß, dass sie plötzlich so gefühlsmäßig reagierte? So träumerisch, beinahe unwirklich? Lag es an dem Stress, dem sie schon so lange ausgesetzt war? "Als ob du noch nicht genug Sorgen hättest!" tadelte sie sich schärfer, als sie je einen ihrer kleinen Schüler getadelt hätte. Tadeln lag ihr grundsätzlich nicht, dazu liebte Jodi ihren Beruf zu sehr. Sie war Lehrerin an der kleinen örtlichen Grundschule und inzwischen auch deren Direktorin. Seitdem hatte sie noch weniger Zeit für sich selbst. Viel zu wenig, wie einige ihrer Freunde meinten _ besonders in Bezug auf ihr Liebesleben. Nur im Interesse ihrer Schule war Jodi heute Abend hier und wartete in der Halle des elegantesten Hotels der Umgebung auf ihren Cousin und Mitverschwörer. "Jodi!" Sie atmete auf, als sie Nigel endlich auf sich zukommen sah. Er arbeitete einige Meilen entfernt in der Lokalverwaltung, und durch ihn hatte sie erfahren, welche Gefahr ihrer geliebten Schule drohte. Als Nigel ihr mitgeteilt hatte, dass der größte Arbeitgeber der Region _ eine Fabrik für elektronische Bauteile _ von einem stärkeren Konkurrenten übernommen worden war und geschlossen werden sollte, hatte sie es zuerst nicht glauben wollen. Das Dorf, in dem Jodi arbeitete, hatte sich jahrelang verzweifelt um neue Investoren bemüht, um nicht zu einer sterbenden Gemeinde zu werden, von denen es jetzt so viele gab. Die Eröffnung der Fabrik hatte nicht nur steigenden Wohlstand gebracht, sondern auch junge Leute in die Gegend gelockt, deren Kinder jetzt in Jodis Klassen saßen. Ohne sie musste die kleine Dorfschule wegen Schülermangels schließen, und dagegen lehnte sich Jodi leidenschaftlich auf. Kleine Schulen konnten nach ihrer Meinung viel Gutes bewirken, aber die Behörden entschieden nach anderen Gesichtspunkten. Sank die Schülerzahl unter eine bestimmte Grenze, drohte der Schule unweigerlich das Aus. Jodi hatte schon viel Zeit und Kraft eingesetzt, um Eltern zu einer finanziellen Unterstützung der Schule zu bewegen. Sollte sie jetzt tatenlos zusehen, wie ein eiskalter, nur an seinen Profit denkender Großunternehmer die Fabrik schloss und der Gemeinde damit den Todesstoß versetzte? Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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Nein, das war nicht ihre Art, und deswegen hatte sie sich hier mit Nigel verabredet. "Was hast du herausbekommen?" fragte sie besorgt, ohne auf sein Angebot, ihr einen Drink zu spendieren, einzugehen. Sie trank nie Alkohol _ ein Grund mehr, warum sie unter ihren Freunden als etwas altmodisch galt. Eine Frau, die mehrere Jahre an der Universität und am Lehrerseminar studiert habe, so bekam sie oft zu hören, dürfe ruhig etwas mehr mit der Zeit gehen. Sie hatte sogar schon im Ausland unterrichtet, aber die Vorliebe für ihre kleine ländliche Gemeinde war auch dadurch nicht erschüttert worden. "Ich weiß, dass er im Hotel wohnt. Er hat die teuerste Suite gemietet, ist im Moment aber nicht da." Jodi atmete so hörbar auf, dass Nigel misstrauisch fragte: "Du hast doch nicht etwa kalte Füße bekommen? Der Plan, mit ihm zu sprechen, kam immerhin von dir." Jodi nickte. "Ich muss einfach etwas tun. Das ganze Dorf weiß inzwischen, dass er die Fabrik schließen will. Immer mehr Eltern kommen zu mir, weil sie wahrscheinlich wegziehen müssen. Ich soll ihnen gute Ersatzschulen nennen, dabei fehlt es mir inzwischen selbst an Schülern. Wenn ich noch fünf Prozent verliere ..." Jodi stöhnte leise auf. "Alles ließ sich so gut an. Ab dem übernächsten Jahr hätten wir wieder mehr Kinder gehabt, und damit wäre der Bestand der Schule gesichert gewesen. Es ist lebenswichtig, dass uns die Fabrik erhalten bleibt. Nur darum bemühe ich mich um diesen ... diesen ..." "Leo Jefferson", kam Nigel ihr zu Hilfe. "Ich habe die Empfangsdame überredet, mir eine Keycard für die Suite zu geben." "Für Mr. Jeffersons Suite?" Nigel nickte stolz. "Ich habe ihr gesagt, dass du mit ihm verabredet bist und nicht so lange hier unten warten möchtest. Am besten verschwindest du jetzt nach oben, legst dich dort auf die Lauer und stürzt dich auf ihn, sobald er zurückkommt." "Ich werde nichts dergleichen tun", widersprach Jodi entrüstet. "Mr. Jefferson soll nur begreifen, welchen Schaden er hier in der Gegend anrichtet, wenn er die Fabrik schließen lässt. Vielleicht kann ich ihn dazu bringen, seine Meinung zu ändern." Nigel betrachtete seine Cousine voller Mitgefühl. Ihre hohen Ideale waren lobenswert, passten aber nicht in die Welt eines Mannes wie Leo Jefferson. Ein nettes Lächeln und etwas weibliche Verführungskunst richteten bei ihm sicher mehr aus als die Beschwörungen, die Jodi offensichtlich im Sinn hatte, aber das konnte er ihr nicht sagen, ohne sittliche Empörung auszulösen. Jodi hatte nicht nur feste Prinzipien, sie verteidigte sie auch und kümmerte sich nicht darum, ob sie bei anderen auf Kopfschütteln stieß. Nigel fand das eher bedauerlich, denn Jodi besaß alles, was einen heißblütigen Mann reizen musste. Sie war auffallend schön und konnte ihre sehr weibliche Figur auch nicht unter der praktischen, etwas langweiligen Kleidung verbergen, die sie bevorzugte. Nigel bewunderte ihr dichtes, von Natur lockiges Haar und besonders ihre tiefblauen, von dunklen Wimpern überschatteten Augen. Wäre Jodi nicht seine Cousine gewesen, die er seit den gemeinsamen Kindertagen kannte, hätte sie ihm leicht gefährlich werden können. Allerdings fehlte ihr das, was er bei seinen Freundinnen liebte _ die Bereitschaft zum Flirten und die Fähigkeit, Sex als leichtes Spiel zu nehmen. Für Jodi war alles bitterer Ernst. Sie war jetzt siebenundzwanzig Jahre alt und hatte, soweit Nigel wusste, noch keine festere Beziehung gehabt. Sie widmete sich ausschließlich ihrer Arbeit, was von den meisten ihrer Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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männlichen Bekannten als Verschwendung angesehen wurde. Jodi ließ sich nach einigem Zögern die Keycard geben und hoffte dabei inständig, das Richtige zu tun. Sie war plötzlich nervös und hatte eine so trockene Kehle, dass Nigel versprach, ihr ein Getränk hinaufzuschicken. "Wir wollen doch nicht, dass du vor Durst die Minibar plünderst ", fügte er hinzu und lachte über seinen eigenen Scherz. "Das war nicht sehr komisch", wies Jodi ihn zurecht. Die Art, wie sie sich in Leo Jeffersons Leben hineinschlich, beunruhigte immer noch ihr Gewissen, aber laut Nigel gab es keinen anderen Weg, ihn zu einem persönlichen Gespräch zu bewegen. Bei Jodis Vorschlag, ganz normal um eine Unterredung zu bitten, hatte er nur abgewinkt. "Glaubst du, dass ein Großmogul wie Leo Jefferson eine unbekannte Dorflehrerin empfängt?" hatte er gefragt und stattdessen diesen Vorschlag gemacht. Am Ende hatte Jodi eingesehen, dass es ihr nur mit einem Trick gelingen konnte, bei dem allmächtigen Mr. Jefferson Gehör zu finden. Zehn Minuten später betrat Jodi mit Hilfe der Keycard Leo Jeffersons Suite. Würde sie lange auf ihn warten müssen? Sie war schon um sechs Uhr aufgestanden, um ein besonderes Lernprogramm für ihre älteren Schüler zu entwickeln, die am Ende dieses Jahres von der kleinen Grundschule auf eine Oberschule überwechseln sollten. Inzwischen war es sieben Uhr abends. Jodi nahm ihre letzte Mahlzeit meist früher ein und war entsprechend hungrig und durstig. Sollte sie im Badezimmer ein Glas Wasser trinken? Sie zuckte zusammen, als jemand die Suite betrat, aber es war nur der Zimmerkellner, der das von Nigel bestellte Getränk brachte. Jodi zögerte einen Moment, ehe sie sich ein Glas von dem stark gefärbten Fruchtsaft einschenkte und es in einem Zug leerte. Der Saft hatte einen ungewöhnlichen, aber angenehmen Geschmack, der Appetit auf mehr machte. Nachdem Jodi ein zweites Glas getrunken hatte, blätterte sie in den Zeitschriften, die auf dem Couchtisch lagen, und wiederholte anschließend noch einmal die kleine Rede, die sie sich für Leo Jefferson zurechtgelegt hatte. Wie lange wollte er sie noch warten lassen? Sie gähnte und stand auf, um sich etwas Bewegung zu verschaffen. Himmel, warum schwankte sie, und warum fühlte sie sich so benommen? Misstrauisch betrachtete sie den Krug mit dem Fruchtsaft. Hatte er so ungewöhnlich geschmeckt, weil Alkohol darin war? Nigel wusste doch, dass sie niemals Alkohol trank. Ängstlich sah sie sich nach dem Badezimmer um. Leo Jefferson konnte jeden Augenblick kommen, und dann wollte sie so ordentlich und vor allem so neutral wie möglich aussehen. Kühl, nüchtern und geschäftsmäßig. Der erste Eindruck war wichtig. Manchmal konnte er sogar entscheidend sein. Hinter einer angelehnten Tür entdeckte Jodi das Schlafzimmer, das vermutlich an das Badezimmer grenzte. Etwas unsicher machte sie sich auf den Weg dorthin. Was, um alles in der Welt, war in dem Fruchtsaft gewesen? Das Badezimmer war groß und blendend weiß gekachelt. Jodi wusch sich die Hände, ließ kaltes Wasser über die Handgelenke laufen und betrachtete dabei ihr gerötetes Gesicht im Spiegel. Leider hatte sie nichts bei sich, um die Rötung etwas zu kaschieren. Auf dem Rückweg ins Wohnzimmer warf sie einen sehnsüchtigen Blick auf das große, überaus Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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bequem wirkende Bett. Warum war sie bloß so entsetzlich müde? Wenn sie gewusst hätte, dass Leo Jefferson so spät kommen würde ... Jodi gähnte wieder, und die Augen drohten ihr zuzufallen. Sie musste sich einfach hinlegen. Nur für einen Moment, bis ihr weniger schwindlig war. Doch zunächst ... Mit den vorsichtigen, etwas schleppenden Bewegungen der Betrunkenen zog Jodi sich aus, legte ihre Kleidung sorgfältig zusammen und schlüpfte mit einem Seufzer der Erleichterung unter die himmlisch weiche Bettdecke. Leo Jefferson kam schlecht gelaunt ins Hotel zurück. Es war halb elf, und die Besichtigung der Fabrik, die er gerade übernommen hatte, war kein reines Vergnügen gewesen. Den größten Teil des Nachmittags hatte er mit einer fruchtlosen Diskussion vergeudet, zu der ihn der ehemalige Besitzer der Fabrik _ oder vielmehr dessen unbeschreiblich dummer und arroganter Schwiegersohn _ gezwungen hatte. Erst hatte er versucht, Leo einzuschüchtern. Als das nicht gelang, bot er eine hohe Bestechungssumme an, falls Leo von dem Kaufvertrag zurücktreten würde. "Sehen Sie", sagte er scheinheilig. "Mein Schwiegervater hat einen großen Fehler gemacht. Wir alle machen Fehler. Kurz und gut ... wir haben unsere Meinung geändert und möchten die Fabrik nicht mehr verkaufen." "Kommt das nicht ein bisschen spät?" Leo ließ sich durch den veränderten Ton nicht beeindrucken. "Die Bedingungen des Verkaufs wurden ausgehandelt, und der Vertrag ist unterschrieben." Jeremy Driscoll gab nicht auf. "Sicher finden wir einen Weg, uns zu einigen", erklärte er mit einem anzüglichen Lächeln. "In der Stadt hat einer dieser neuen Tanzclubs aufgemacht, in denen einsame Geschäftsherren ganz nach Wunsch bedient werden. Wie wäre es mit einem gemeinsamen Besuch ... natürlich auf meine Kosten? Wir entspannen uns und reden dann in Ruhe weiter." "Nicht mein Fall", lautete Leos knappe Antwort. Jeremy Driscoll hatte in der Geschäftswelt keinen guten Ruf. Er galt als äußerst zwielichtig und war bekannt dafür, dass er seine Ziele auf krummen Wegen zu erreichen versuchte. Leo hatte diesen Gerüchten wenig Beachtung geschenkt und sie für übertrieben gehalten _ bis er Jeremy persönlich kennen lernte. Seitdem war er der Ansicht, dass die Verleumder ihm eher noch geschmeichelt hatten. Ein unsympathischerer Mann war Leo in seinem ganzen Leben nicht begegnet, und seine falsche Vertraulichkeit stieß ihn ebenso ab wie der schamlose Bestechungsversuch mit käuflichem Sex. Clubs, wie der eben erwähnte, weckten in Leo kein Verlangen. Er kannte die käufliche Liebe, aber er zählte nicht zu den Käufern und gab sich auch keine Mühe, seine Verachtung für das Angebot zu verbergen. Jeremy Driscoll hatte ein zu dickes Fell, um sich durch irgendetwas beeindrucken zu lassen. Ohne auf Leos deutliche Ablehnung einzugehen, fuhr er fort: "Nicht Ihr Fall, Mr. Jefferson? Dann lieben Sie wohl eine eher private Atmosphäre. Auch da lässt sich etwas arrangieren ..." "Geben Sie sich keine Mühe." In Jeremys blassblauen Augen erschien ein hasserfüllter Ausdruck. "Ihr Plan, nicht nur unsere, sondern auch andere Fabriken zu schließen, hat in der ganzen Gegend heftigen Streit ausgelöst. Ein Mann von Ihrem Ruf ..." "Lassen Sie meinen Ruf getrost meine Sorge sein." Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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Jeremy konnte seine Abneigung kaum noch verbergen _ so, wie er seinen Neid nicht hatte verbergen können, als Leo in einem Mercedes der Luxusklasse vorgefahren war. Mit einem flüchtigen Blick streifte Leo die Zeitung, die auf Jeremys Schreibtisch lag. Sie war bei einem Artikel aufgeschlagen, der von dem Sturz eines Politikers berichtete, der vergeblich versucht hatte, die Enthüllungen über sein Privatleben _ zum Beispiel über regelmäßige Besuche in einem Massagesalon _ als Verleumdung hinzustellen. Die Jury hatte die Vorwürfe als erwiesen angesehen und auch die Behauptung des Politikers, absichtlich hereingelegt worden zu sein, nicht ernst genommen. "Ich würde mir meines Rufs an Ihrer Stelle nicht so sicher sein", sagte Jeremy höhnisch. Er hatte Leos Blick bemerkt und witterte eine neue Möglichkeit, ihn einzuschüchtern. Doch diesmal hatte er den Bogen überspannt. Ohne Jeremy auch nur einer Antwort zu würdigen, stand Leo auf und verließ das Zimmer.
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Kapitel 2 Nachdenklich betrat Leo seine Suite. Nicht in tausend Jahren würde er seine Pläne ändern, dafür hatte er zu hart und zu lange gearbeitet. Aus weniger als nichts hatte er sein Imperium aufgebaut _ langsam und beharrlich, Schritt für Schritt. Mit einem Einmannbetrieb hatte alles angefangen, aber bald hatte er andere überholt, kleinere und größere Konkurrenten ausgeschaltet, und jetzt war er in der Lage, ganze Konzerne zu schlucken. Das Familienunternehmen der Driscolls hatte immer in Konkurrenz zu seinem eigenen Unternehmen gestanden. Da beide denselben Markt belieferten, war es geradezu notwendig, dass einige der Driscollschen Fabriken nach der Übernahme geschlossen wurden. Welche der vier Fabriken die erste sein würde, hatte Leo noch nicht entschieden. Aber jetzt, nach Jeremy Driscolls dreistem Versuch, den Vertrag rückgängig zu machen ... Leo war so erschöpft, dass er sich nicht die Mühe machte, in der Suite das Licht einzuschalten. Im Juni war es auch am späten Abend hell genug, selbst wenn kein voller Mond am Himmel stand. Im Schlafzimmer war es nicht ganz so hell. Wahrscheinlich hatte das Zimmermädchen die Vorhänge geschlossen, dafür brannte im Badezimmer Licht, und die Tür stand halb offen. Erstaunt über diese Nachlässigkeit, eilte Leo ins Badezimmer und zog die Tür hinter sich zu. Vor dem Spiegel blieb er stehen, strich prüfend über sein raues Kinn und griff nach dem Rasierapparat. Jeremy Driscolls aufgeblasene und unverfrorene Art hatte ihn derartig gereizt, dass ihm wieder die Warnungen der Familie und der Freunde einfielen. "Du übernimmst dich." "Du verlangst zu viel von dir." "Du kannst nie eine Grenze finden." Ob sie am Ende Recht hatten? Leo kniff die silbergrauen Augen zusammen, die ein Erbteil seines Vaters waren. Wer ihn täuschen wollte, fürchtete diese Augen, ihren scharfen, durchdringenden Blick, dem nichts zu entgehen schien. Höchste Zeit, einen Friseur aufzusuchen. Sein dunkles Haar fiel schon über den Hemdkragen, aber gerade jetzt erschien ihm alles, was nicht mit Arbeit zu tun hatte, als reine Zeitverschwendung. Seine Eltern taten noch heute so, als wüssten sie nicht, wo der Grund für seine Beharrlichkeit und seinen Willen zum Erfolg lag. Sie waren mit weniger zufrieden gewesen, sogar mit einem kleinen Zeitungsladen. Inzwischen hatten sie sich aus dem Geschäftsleben zurückgezogen und lebten in Italien, dem Heimatland von Leos Mutter. Leo hatte ihnen zur goldenen Hochzeit eine Villa außerhalb von Florenz geschenkt und sie dort im Mai kurz besucht. Und wenn seine Zeit noch so knapp bemessen war _ den Geburtstag seiner Mutter hätte er niemals versäumt. Leo legte den Rasierapparat beiseite. "Gibt es endlich eine besondere Frau in deinem Leben?" hatte seine Mutter gefragt und dabei einen sehnsüchtigen Blick mit seinem Vater gewechselt. "Nein, Mom", hatte er lachend geantwortet. "Zurzeit nicht und möglicherweise bleibt das auch in Zukunft so." Luisa Jefferson hatte ein besorgtes Gesicht gemacht. "Dann werde ich demnächst die kräuterkundige Wahrsagerin im Nachbardorf aufsuchen. Sie soll ein absolut zuverlässiges Rezept für einen Liebestrank haben." Darüber hatte Leo noch lauter gelacht. Schließlich fehlte es ihm nicht an Partnerinnen, wenn ihm der Sinn danach stand. Mehr als eine attraktive Frau hatte ihm diskret oder auch weniger diskret zu Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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verstehen gegeben, dass sie gern sein Leben und sein Bett teilen würde. Und natürlich sein Bankkonto! Doch Leo erinnerte sich noch zu gut daran, wie die Mädchen des Nobelinternats, für das er ein Stipendium gewonnen hatte, mit ihm umgegangen waren. Wie hochmütig sie auf den Jungen herabgesehen hatten, dessen Schuluniform eindeutig aus einem Secondhandshop stammte und der kein Taschengeld bekam, es sei denn, er half in dem kleinen Zeitungsladen seiner Eltern aus. Die Lektion, die Leo damals gelernt hatte, war ihm für immer im Gedächtnis geblieben. Natürlich hatte es Frauen in seinem Leben gegeben, aber so lächerlich es anderen auch erscheinen mochte _ kurze sexuelle Abenteuer bedeuteten ihm nichts. Andererseits ... Leo runzelte die Stirn. Plötzlich fiel ihm die Frau in der Hotelhalle ein und die Art, wie sein Körper auf sie reagiert hatte. Eine kleine Frau mit einer sehr weiblichen Figur, soweit das bei der scheußlichen Kleidung zu erkennen gewesen war. Leos Mutter stammte nicht umsonst aus Italien, und wie alle Italienerinnen besaß sie ein unbestechliches Formgefühl und Sinn für persönlichen Stil. Leo erkannte fast automatisch, wenn eine Frau richtig angezogen und zurechtgemacht war. Von der Frau in der Hotelhalle ließ sich das nicht sagen, und sie war im Grunde auch nicht sein Typ. Kühle, elegante Blondinen lagen ihm mehr als kleine Kobolde, die ihn nur sexuell stimulierten und sein Urteilsvermögen so weit beeinträchtigten, dass er heute Abend sein Vorhaben fast aufgegeben hätte und auf die Frau zugegangen wäre, um sie anzusprechen. Nein, Leo gab nie ein Vorhaben auf. Er wich nie von seinem festgelegten Kurs ab _ schon gar nicht wegen einer Frau. Erstaunt über seine ungewöhnliche Schwäche, zog Leo sich aus und trat unter die Dusche. Als Teenager hatte er regelmäßig Sport getrieben und dadurch sein Image bei den Mitschülerinnen spürbar gefördert. Der arme Stipendiat, auf den sie sonst herabsahen, zählte plötzlich wegen seiner physischen Qualitäten. Noch heute besaß Leo die muskulöse Figur des geborenen Athleten. Nachdem er sich gründlich eingeseift hatte, spülte er den Schaum ab und griff nach einem Handtuch. Er war jetzt wirklich müde und sehnte sich nach seinem Bett. Es war dunkler geworden, als Leo ins Schlafzimmer kam, aber der Mond schimmerte jetzt so hell durch die Vorhänge, dass er kein zusätzliches Licht brauchte. Er schlug die Bettdecke zurück, wollte sich gerade hinlegen und hielt mitten in der Bewegung inne. Sein Bett war bereits besetzt! Ärgerlich knipste er die Nachttischlampe an und betrachtete den Lockenkopf neben sich. Er gehörte einer Frau, ebenso wie der schlanke, nackte Arm und die sanft gerundete Schulter. Ein leichter Alkoholgeruch ging von dem Atem der Schlafenden aus, aber Leo nahm noch etwas anderes wahr _ eine Mischung aus frischer Sommerluft, Lavendel und Jodis ganz persönlichem Duft, die seine Sinne reizte und alle anderen Eindrücke schnell verdrängte. Die Frau aus der Hotelhalle! Leo hätte sie überall wieder erkannt, oder richtiger gesagt, sein Körper hätte sie wieder erkannt. Und noch etwas anderes fiel ihm ein: Jeremy Driscolls peinlicher Vorschlag, mit dem er sich von dem abgeschlossenen Vertrag freikaufen wollte. Gehörte diese Frau zu Jeremys Plan? War dies die "eher private Atmosphäre", von der er gesprochen hatte? Es musste so sein. Einen anderen Grund für die Anwesenheit dieser Frau konnte es nicht geben. Nun, wenn Jeremy Driscoll glaubte, dass er, Leo Jefferson ... Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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Leo beugte sich über Jodi und packte ihren Arm, um sie wachzurütteln. Jodi schlief fest. Sie schlief den Schlaf der Gerechten _ unterstützt von etwas Alkohol _ und träumte schöner als jemals zuvor in ihrem Leben. Sie lag in den Armen eines Mannes, der alle ihre Sinne weckte. Er war groß, hatte dunkles Haar und silbergraue Augen, und sein Gesicht kam ihr seltsam vertraut vor. Nur sein Körper und seine Berührung waren aufregend neu. Sie lagen nebeneinander, Seite an Seite, in einem großen, breiten Bett mit Blick auf einen einsamen tropischen Strand. Der Mann beugte sich über sie, hielt mit seiner schlanken, kräftigen Hand ihren Arm und fragte wütend: "Was, zum Teufel, haben Sie in meinem Bett zu suchen?" Die Wirkung des "Fruchtsafts" war noch so stark, dass Jodi verwirrt die Augen aufschlug. Warum war ihr wunderbarer Liebhaber so böse mit ihr? Sie lächelte schlaftrunken und wollte ihn danach fragen, aber sie kam nicht dazu. Er war einfach zu anziehend und begehrenswert. Dieser herrliche nackte goldbraune Körper! Jodi schloss seufzend die Augen und öffnete sie wieder, um ja nichts zu versäumen. Nicht die angespannten Halsmuskeln, während er sich über sie beugte, nicht die kräftigen Unterarme, die so männlich waren, dass sie einfach darüber streichen musste, um den Unterschied zu ihren weichen Armen zu spüren. Leo traute seinen Augen nicht. Die Frau, die sich ungebeten in sein Bett geschlichen hatte, überhörte seine zornige Frage und wagte sogar, ihn zu berühren. Nein, nicht nur zu berühren, wie er zugeben musste. Sie streichelte ihn _ mehr noch, sie liebkoste ihn. So unerwünscht kam das gar nicht, wenn er ehrlich war und nicht auf seinen Kopf, sondern auf seinen Körper hörte. Leo schwankte. Er wollte nicht, was hier geschah, aber sein Verlangen war geweckt und wurde durch Jodi so wirkungsvoll gesteigert, dass er in einen heftigen Konflikt mit seinen Grundsätzen geriet. Disziplin und Selbstbeherrschung waren die Eckpfeiler seiner ganzen Existenz. Er kämpfte verzweifelt darum _ und verlor den Kampf. Jodi merkte nichts von dem Kampf und nichts von der Niederlage. Etwas, das rauschhafter und viel wirksamer als Alkohol war, trieb sie vorwärts und belebte ihren Traum mit neuen Bildern. Wenn sie ihren Liebhaber berührte, lief ein Zittern durch seinen ganzen Körper _ und nicht nur durch seinen, wie sie plötzlich spürte. Sie selbst erbebte ebenso, als würden sich seine Empfindungen in ihr fortsetzen. Welches Glück, auf dieser einsamen Insel der Liebe und Lust mit ihm allein zu sein! Zärtlich beugte sie sich vor und ließ die Zungenspitze über seinen Hals gleiten. Wie aufregend seine Haut schmeckte, und wie heftig sein Blut darunter pulsierte. Leo konnte nicht glauben, was geschah. Was Jodi tat, und was er geschehen ließ. Er sank sogar auf das Bett zurück, während Jodi sich über ihn beugte und mit ihrer Zunge neckte. Im schwachen Mondlicht erkannte er die Umrisse ihres nackten Körpers, die schlanke Taille und die sanft gerundeten Hüften. Ihre Beine waren wohlgeformt, die Fesseln schmal und fein, die schattige Stelle zwischen ihren Schenkeln weich und verlockend. Leos ganzer Körper spannte sich vor Verlangen. Er sah wie Alabaster schimmernde Brüste und umfasste sie, um die zarten Rundungen und die dunklen, erregten Knospen zu spüren. Jodi seufzte und erbebte vor Glück, als ihr Liebhaber mit der Zunge ihre Brustspitzen umspielte. "Wie schön das ist", wisperte sie und schloss die Augen, um sich ganz seiner Liebkosung hinzugeben. Leo staunte über die Rückhaltlosigkeit, mit der Jodi auf seine Berührung reagierte. Er versuchte sich Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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daran zu erinnern, dass sie zu einem bestimmten Zweck hier war, dass sie nur tat, wofür sie bezahlt wurde, aber sein Verstand gehorchte ihm nicht mehr. In den wenigen Sekunden unten in der Hotelhalle hatte er schon gespürt, wie diese Frau ihn erregen würde. Wie sie seinen Willen ausschalten und die Stimme seines Gewissens zum Verstummen bringen würde. Sie streichelte ihn mit beiden Händen, aber auf eine unschuldige, neugierige Art, als wäre er der erste Mann in ihrem Leben, mit dem sie diese Intimität teilte. Ein wahrhaft lächerlicher Gedanke! Die geflüsterten Komplimente, wie männlich sie ihn finde, waren natürlich berechnet. Sie sollten ihm schmeicheln, sein männliches Selbstgefühl steigern und ihn möglichst gefügig machen. Das wusste Leo, und trotzdem sehnte er sich nach ihr. Trotzdem begehrte er sie. Jodi schwebte in einem Paradies der Sinne. Ihr Liebhaber schien instinktiv zu wissen, wo er sie berühren musste, um sie zu erregen und glücklich zu machen. Wie warme Wellen flutete die Lust über sie hinweg. Sie schmiegte sich dichter an ihn und hörte nicht auf, ihn zu streicheln und seinen Körper auszukundschaften, der sich so aufregend von ihrem unterschied. Die Bettdecken waren längst zu Boden geglitten, und nichts verbarg diesen kraftvollen männlichen Körper vor ihren Augen. Oh, wie sie nach ihm verlangte! Sie ließ ihre Hände tiefer gleiten und berührte ihn dort, wo sein Körper am verführerischsten war. Sie streichelte und liebkoste ihn und steigerte ihre eigene glühende Erwartung. Leo verstand immer noch nicht, warum er dies alles geschehen ließ. Es widersprach den Prinzipien, an die er so fest glaubte, aber das überwältigende Verlangen, das Jodi in ihm erregte, war nicht mehr zu kontrollieren. Er hatte keine Kraft mehr, das von sich zu weisen, was ihm so bereitwillig angeboten wurde. Dieser Duft, dieser Anblick, diese Berührung. Diese leisen, flehentlichen Seufzer, dieses unzusammenhängende Stöhnen _ alles wirkte auf seine Sinne und machte ihn auf eine seltsame Weise verletzlich, was bisher noch keiner Frau gelungen war. Leo beugte sich über Jodi und bedeckte sie mit Küssen, bis ihr Atem in heftiges Keuchen überging. Langsam ließ er seine Hand zwischen ihre Schenkel gleiten und liebkoste sie dort, wo sie am empfindlichsten war. Wie warm sie sich anfühlte, wie zart und geheimnisvoll! Leo liebkoste sie, bis sie sich verzückt hin und her wand und ihm heiße, sehnsüchtige Worte zuflüsterte, die ihm sagen sollten, was sie von ihm wünschte. Als Leo immer noch wartete, zog sie ihn ungeduldig zu sich herunter und erleichterte es ihm, in sie einzudringen. Das raue Stöhnen, das dabei tief aus seiner Brust drang, erregte Jodi ebenso wie seine Bewegungen. Sie wollte ihn nur noch spüren, sich seinen Bewegungen anpassen und eins mit ihm werden. Das war für sie Sehnsucht, Lust und Erfüllung zugleich. Irgendwie erkannte Leo, dass etwas nicht stimmte, dass sein Körper ihm etwas mitteilen wollte. Es hatte mit der Heftigkeit seiner Empfindungen und der einzigartigen Hingabe zu tun, mit der Jodi ihn umschlungen hielt, aber das instinktive Verlangen, das ihn jetzt vorwärts trieb, schloss jede Überlegung aus. Er wusste nur noch, wie vollendet sich dieser Körper seinem anpasste. Alles war gut und richtig, und er wollte das wunderbare Geschenk, das Jodi ihm machte, dadurch erwidern, dass er sie beide zu dem fast erreichten Höhepunkt führte. Noch eine Sekunde, noch ein Herzschlag ... Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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Als Leo spürte, dass sich Jodis Spannung löste, brauchte er nichts mehr, um gleichzeitig mit ihr Erfüllung zu finden. Zitternd lag Jodi in Leos Armen, während ihre Erregung langsam nachließ. Ihre feuchten Locken bedeckten seine Brust wie ein seidiger Fächer, und er hörte sie flüstern: "Das war wunderbar ... mein wunderbarer, wunderbarer Liebhaber." Sekunden später war sie eingeschlafen, tief und fest wie ein unschuldiges Kind. Leo sah Jodi nachdenklich an. Für ihn stand fest, dass sie zu einem Plan gehörte, den Jeremy Driscoll ausgeheckt und bezahlt hatte. Und er? Er war blind in die Falle gegangen, die man ihm gestellt hatte. Wenn er es sich recht überlegte _ und sein Verstand funktionierte inzwischen wieder _, steckte sogar mehr dahinter. Es konnte nicht nur Jeremys Absicht sein, ihm ein angenehmes Betterlebnis zu verschaffen. So selbstlos war er nicht. Leo hatte Neid und Hass in seinen Augen gesehen. Jeremy wusste, dass er den Kaufvertrag niemals rückgängig machen würde, wenn es nicht Gründe gab, die ihn gegen seinen Willen dazu zwangen. Jetzt, da es zu spät war, fiel ihm der Zeitungsartikel ein, den Jeremy bei seinem Eintreffen gelesen hatte. Einem Mann in seiner Position, der außerdem unverheiratet war, konnten Enthüllungen eines bestellten Betthäschens wenig anhaben, aber sie konnten ihn lächerlich machen. Er würde wie ein dummer Junge dastehen, der sich an der Nase herumführen ließ, und das würde in der Geschäftswelt einen Autoritätsverlust bedeuten. Niemand würde ihm mehr so glauben und so auf ihn bauen wie bisher, und damit waren seine Interessen ernsthaft gefährdet. Leo stand auf und sah bitter auf Jodi hinunter. Wie konnte sie so daliegen und friedlich schlafen? Als ob ... Gegen seinen Willen blieb sein Blick an ihren Lippen hängen, auf denen noch ein leises, zufriedenes Lächeln lag. Noch im Schlaf gelang es ihr, so zu tun, als wäre etwas ganz Besonderes zwischen ihnen geschehen. Sie musste eine sehr erfahrene Frau sein, eine raffinierte Schauspielerin, die ihr Fach perfekt beherrschte. Erst jetzt wurde Leo richtig klar, was er getan hatte. Er war plötzlich ein Fremder für sich, dessen Verhalten nicht in das übliche Muster passte. Selbst wenn er sich die Schwächen seines Körpers eingestand, blieb unverständlich, wie es so weit hatte kommen können. Warum stand er immer noch neben dem Bett, wenn er doch nur den einen Wunsch haben konnte, sich so lange unter die heiße Dusche zu stellen, bis er das Erlebnis dieser Nacht von sich abgespült hatte? Seltsamerweise tat er das nicht, als wollte er das Erlebnis eher festhalten, den Anblick dieser Frau, den Duft und Geschmack ihrer Haut ... Leo musste sich zusammennehmen, um nicht die Hand nach ihr auszustrecken und ihr reizendes Gesicht zu berühren. Die zart ausgeprägten Wangenknochen, die langen dunklen Wimpern, die kleine, gerade Nase, die weichen, vollen Lippen ... Es war, als spürte Jodi seine Gedanken. Ihre Lippen öffneten sich zu einem leisen Seufzer und lächelten dann wieder, als träumte sie immer noch von ihrem "wunderbaren Liebhaber". Wie kam er dazu, sie einfach in seinem Bett weiterschlafen zu lassen? Von Rechts wegen hätte er sie aufwecken und hhinauswerfen sollen! Leo sah auf die Leuchtziffern seines kleinen Reiseweckers. Es war zwei Uhr morgens, da konnte er sich einreden, dass er aus männlichem Verantwortungsgefühl anders handelte. Keine Frau, auch nicht eine Frau wie sie, durfte um diese Zeit allein draußen herumlaufen. Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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Aber in dieses Bett legte er sich heute Nacht nicht mehr. Nicht, solange sie darin lag!
Leo ging ins Badezimmer, zog den bereitgelegten weißen Frotteemantel an und tastete sich ins
Wohnzimmer, wo er das Licht einschaltete.
Sein erster Blick fiel auf den halb leeren Saftkrug und das Glas, aus dem Jodi getrunken hatte. Sie
war also auch noch so unverschämt gewesen, auf seine Kosten den Zimmerkellner zu bemühen!
Aber warum? Um sich für ihre Verführungsnummer Mut anzutrinken?
Fast fühlte Leo so etwas wie Mitleid mit ihr. Er suchte nach einer Entschuldigung für ihr Verhalten,
aber diese Wirkung konnte genauso berechnet sein wie alles andere. Sie hatte genau gewusst, was
sie tat. Ganz genau. Und falls nicht ...
Leo wollte nicht länger darüber nachdenken. Er war jetzt hellwach und konnte etwas von seiner
liegen gebliebenen Arbeit erledigen. Sobald seine bestellte Verführerin aufwachte, würde er ein
kurzes, klares Wort mit ihr reden.
Nie und nimmer würde er Jeremy Driscoll Material in die Hände spielen, das ihn zwingen konnte,
von dem Kaufvertrag zurückzutreten. Material, das ihn erpressbar machte.
Nachdenklich griff er nach seinem Aktenkoffer.
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Kapitel 3 Jodi rieb sich die Augen. Sie hatte Kopfschmerzen und einen bitteren Geschmack im Mund. Der ganze Körper tat ihr weh, aber es waren unterschiedliche Schmerzen. Bei ihrem Körper waren sie mit einem angenehmen Nebengefühl verbunden, während ihr Kopf sie nur quälte. Vorsichtig drehte sie ihn hin und her und wünschte, sie hätte es nicht getan, so stechend durchfuhr der Schmerz ihre Schläfen. Ob in der Schublade noch Tabletten lagen? Sie tastete nach dem Nachttisch, aber der war nicht da. Sie lag auch nicht in ihrem eigenen Bett, wie ihr plötzlich klar wurde, aber wo lag sie? In welchem Bett? Wie Nebelschwaden zogen unklare Erinnerungen, Laute und Bilder vor ihrem inneren Auge vorüber. Doch das war unmöglich. Sie musste sich irren. Ängstlich sah sie sich um und atmete auf. Es war niemand da. Also war alles nur ein Traum gewesen, ein schockierender, völlig unbegreiflicher Traum. Aber wie es dazu gekommen war, warum und wieso ... Jodi bemerkte die Vertiefung auf dem Kopfkissen neben sich und erstarrte. Wenn es nur ein Traum gewesen war ... Sie beugte sich hinüber und nahm den unverkennbaren männlichen Duft wahr, der von dem Kissen ausging. Die Nebelschwaden verzogen sich, und die unklaren Erinnerungen wurden deutlicher. Mit jedem Herzschlag kam mehr aus dem Dunkel der Nacht zurück, bis kein Zweifel mehr möglich war. Es stimmte, in diesem Zimmer, in diesem Bett war es geschehen. Aber wo war der Mann? Sie sah nervös auf die Badezimmertür und entdeckte dabei ihre Kleidung, die ordentlich zusammengefaltet auf einem Stuhl lag. Ohne zu überlegen, sprang sie aus dem Bett und zog sich in fliegender Hast an. Sie hätte gern geduscht und sich die Zähne geputzt, aber jetzt ins Badezimmer zu gehen ... Nie und nimmer. Immer deutlicher stürmten die Bilder der Nacht auf sie ein und verstärkten ihre Kopfschmerzen. Wie hatte das alles geschehen können? Sie verstand sich und die Welt nicht mehr. Sie hatte mit Alkohol versetzten Fruchtsaft getrunken, wie sie sich beschämt erinnerte. Was Nigel bestellt hatte, wusste sie nicht, aber die Wirkung war fatal gewesen, denn sie hatte sich von einer spröden, keuschen Jungfrau in eine liebestolle, haltlose ... Jodi presste eine Hand auf den Mund. Jungfrau? Das war sie nun nicht mehr, aber darin lag nicht das Problem. In ihrem unkontrollierten Verlangen hatte sie nichts unternommen, um sich zu schützen und zu verhindern ... Würde das Schicksal so hart sein, sie für ihren Leichtsinn zu bestrafen? Würde sie, abgesehen von der persönlichen Demütigung, noch andere Folgen tragen müssen? Bitte, lieber Gott, nur das nicht. Sie ergriff ihre Handtasche und schlich auf Zehenspitzen zur Tür. Leo fragte sich ungeduldig, wie lange der ungebetene Gast sein Bett noch besetzt halten würde. Es war fünf Uhr morgens und leider noch zu früh, um beim Zimmerkellner Kaffee zu bestellen. Jede Faser in ihm sehnte sich nach Schlaf, aber er war seinem Vorsatz treu geblieben und hatte sich nicht noch einmal in sein Bett gelegt. Die Verführungskünste dieser Frau waren zu wirksam, um sich der Gefahr ein zweites Mal auszusetzen. Er hatte inzwischen drei Stunden Zeit gehabt, über das Geschehene nachzudenken, und verstand immer noch nicht, warum er unfähig gewesen war, Widerstand zu leisten und sein Verlangen zu Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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bezwingen. Gewiss, die kurze Begegnung in der Hotelhalle hatte mehr als ein flüchtiges Interesse in ihm geweckt, aber die Frau nicht hinauszuwerfen, obwohl er ihre Rolle durchschaut hatte ... Leo hörte, dass die Schlafzimmertür leise geöffnet wurde. Er stand reglos am Fenster, und Jodi hätte ihn fast nicht gesehen, aber dann erkannte sie ihn doch im ersten Licht des neuen Sommertags. Leo hörte, dass sie erschrocken den Atem anhielt, und bemerkte den ängstlichen Blick zur Eingangstür der Suite. Er sah auch das sanfte Erröten, das ihn an die rosigen Morgenwölkchen erinnerte, die draußen über den Himmel zogen. Es stand ihr allerliebst, aber er war nicht gewillt, sie so davonkommen zu lassen. Mit wenigen Schritten war er an der Tür und schnitt ihr den Weg ab. Jodi konnte ihn zum ersten Mal richtig erkennen und wäre am liebsten im Erdboden versunken. Er war es _ der Mann aus der Hotelhalle, den sie so anziehend gefunden hatte, dass sie die Erinnerung an ihn nicht mehr losgeworden war. Sie warf einen raschen Blick durch das Zimmer und sah, dass der Saftkrug noch auf dem Tisch stand. "Ja, ganz recht", meinte Leo mit gespielter Höflichkeit. "Sie haben nicht nur unberechtigt meine Suite betreten, sondern auch noch auf fremde Kosten den Zimmerkellner bemüht. Möchten sie für die Benutzung von Bett und Bar persönlich bezahlen, oder soll ich die Rechnung an Jeremy Driscoll schicken?" "Jeremy?" Jodi fuhr bei dem Namen zusammen. Jeremy Driscoll leitete die Fabrik seines Schwiegervaters, aber niemand im Dorf mochte ihn. Er galt als verschlagen und neigte zu Geschäftsmethoden, die angeblich Kosten sparen sollten, von der Gewerkschaft und den zuständigen Behörden aber immer wieder abgelehnt wurden. Das wusste Jodi, und was er mit ihrer peinlichen Situation zu tun haben sollte, war ihr schleierhaft. "Ja, Jeremy", wiederholte Leo, indem er Jodis ängstlichen Tonfall nachahmte. "Ich weiß genau, was hier vorgeht und warum Sie hier sind. Wenn Sie allerdings glauben, dass ich mich in irgendeiner Form erpressen lasse ..." Jodi kämpfte gegen das Unbehagen, das sie immer noch lähmte und ihr die Kehle zuschnürte. Glaubte Leo Jefferson _ kein anderer konnte es sein _ wirklich, dass sie zu diesen Frauen gehörte? Bei dem Wort "erpressen" war es ihr eiskalt über den Rücken gelaufen, obwohl die Wahrheit fast noch schlimmer aussah. Sie war zwar keine Erpresserin, aber sie hatte leichtsinnig Alkohol getrunken, den sie nicht gewohnt war, und dadurch völlig die Kontrolle über sich verloren. Mit einem wildfremden Mann zu schlafen. Das zu tun, was sie mit ihm getan hatte, und, so schwer ihr das Eingeständnis auch fiel, es gern getan zu haben ... Wo sie eine Schule leitete, in der Kinder zu Sittlichkeit und Verantwortung erzogen werden sollten! Mit heimlichem Grauen dachte Jodi daran, was einige Eltern und vor allem die Kuratoren der Schule zu ihrem Verhalten sagen würden. "Gehen Sie zu Ihrem Auftraggeber zurück", fuhr Leo mit kalter Verachtung fort. "Sagen Sie ihm, dass Sie sein Geld im Bett wert waren, dass sich dadurch aber nichts an meinen Plänen ändert. Ich habe nicht die geringste Absicht, von dem Kaufvertrag zurückzutreten und ihm die Fabrik wieder zu überlassen." "Wie können Sie ..." Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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"Mir ist nicht klar, was er damit erreichen wollte, dass er Sie für diese Nacht bezahlt hat, aber mehr als ein _ zugegebenermaßen interessantes _ Sexerlebnis ist nicht dabei herausgekommen. Wenn er glaubt, das gegen mich verwenden zu können ..." Leo zuckte die Schultern, um anzudeuten, wie gleichgültig ihm das alles war. Jodi verstand nichts mehr. Was Leo Jefferson sagte, ergab keinen Sinn für sie, und sie versuchte zu vergessen, wie beleidigend seine Unterstellungen waren. Irgendwie würde sie damit fertig werden, aber seine Andeutungen über Jeremy Driscoll und ihre angeblichen Verbindungen zu ihm waren unannehmbar. Sie öffnete den Mund, um zu widersprechen, doch Leo ließ ihr keine Zeit dazu. "Bitte keine falschen Entschuldigungen. Ich kenne Sie nicht, und es interessiert mich nicht, warum Sie Ihr Geld auf so selbstzerstörerische Weise verdienen." Jodi überhörte die zweite Hälfte des Satzes und klammerte sich an die erste. Wenn Mr. Jefferson sie nicht kannte, würde sie ihn bestimmt nicht über sich aufklären. Vielleicht konnte sie so ihren Stolz retten und auch ihr öffentliches Image wahren. Alles kam jetzt darauf an, dass niemand erfuhr, was in dieser Nacht passiert war. Natürlich musste sie dann den wahren Grund für ihr Kommen verschweigen. Wie sollte sie jetzt noch für die Zukunft ihrer Schule bitten? Eine neue schwere Last legte sich auf ihre Seele. Sie hatte nicht nur sich selbst und ihre moralischen Grundsätze, sondern auch die Schule und die ihr anvertrauten Kinder verraten. Dabei verstand sie noch immer nicht, wie es so weit hatte kommen können. Gut, sie hatte zu viel Alkohol getrunken, aber das allein ... "Ich muss gehen. Bitte lassen Sie mich vorbei." Jodis Stimme klang etwas heiser, und Leo musste daran denken, wie sie während der Nacht in seinen Armen geseufzt und gestöhnt hatte. Was war los mit ihm? Begehrte er sie noch immer, obwohl er ihre Handlungsweise verachtete? So entschlossen wie möglich ging Jodi auf die Tür zu, obwohl Leo den Weg weiterhin versperrte. Sie hat Mut, dachte er. Die Art, wie sie einfach an mir vorbeisieht ... Aber ein stilvoller Abgang gehört wohl zu ihrem Beruf. Sie gewaltsam zurückzuhalten hätte seinen Prinzipien widersprochen, obwohl er ihr gern gezeigt hätte, was er von ihr und ihrem Auftraggeber hielt. Noch ein, zwei Sekunden, und sie mussten sich berühren. Da trat er zur Seite und gab den Weg frei. "Jeremy mag Ihren Einsatz für einen schlauen Schachzug gehalten haben, aber Sie können ihm von mir das Gegenteil versichern. Und zum Schluss noch eine persönliche Warnung. Ein winziger Versuch, die Ereignisse der letzten Nacht öffentlich bekannt zu machen, und Sie sind erledigt. Wer mich auslacht, wird Sie zehnmal mehr auslachen!" Jodi schwieg. Sie konnte einfach nicht sprechen. Nie hätte sie geglaubt, dass sie einmal in eine Situation kommen würde, in der ihr nichts anderes übrig blieb, als sich beschämt davonzuschleichen. Doch Leo Jefferson war immer noch nicht fertig mit ihr. Als sie auf den Flur hinaustrat, kam er hinter ihr her und nahm ihre Hand, die noch auf der Klinke lag. "Wenn Sie schlauer gewesen wären, hätten Sie mit Ihrer Geschichte ein Vermögen machen können." Seine Stimme triefte geradezu vor Spott. Jodi wusste, dass Schweigen die einzig richtige Antwort gewesen wäre, aber sie konnte sich nicht zurückhalten und fragte: "Wie meinen Sie das?" Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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Ein höhnisches Lächeln glitt über Leos Gesicht. "Sie hätten Ihr Schweigen von mir erkaufen können ... für eine bedeutend höhere Summe als die, die Sie von Jeremy für Ihre Dienste bekommen haben." Jodi weigerte sich zu glauben, was sie hörte. "Ich bin ... Ich habe nicht ..." begann sie sich zu verteidigen und schüttelte dann heftig den Kopf. "Keine Summe wäre hoch genug, um mich für das zu entschädigen, was ich in dieser Nacht erlebt habe." Bevor Leo darauf antworten konnte, befreite sie gewaltsam ihre Hand und lief zum Lift. Dass sie dabei von einem Zimmermädchen beobachtet wurde, entging ihr. Leo sah ihr wütend nach. Für wie dumm hielt sie ihn eigentlich? Ihn zu verführen und dann mit viktorianischer Prüderie anzukommen! Er konnte sich denken, worauf sie angespielt hatte, aber die Spuren an seinem Körper sprachen ihre eigene, ganz andere Sprache! Jodi öffnete die Eingangstür zu ihrem kleinen Cottage an der Dorfstraße. Es gehörte zu einer Reihe von acht gleichen Cottages vom Ende des achtzehnten Jahrhunderts mit hübschen kleinen Vorgärten und größeren Rasenflächen hinter dem Haus. Nachdem sie sorgfältig abgeschlossen hatte, stieg sie die schmale Treppe hinauf, nahm rasch eine Dusche und legte sich dann hin, um möglichst viel Schlaf nachzuholen. Einige Stunden später wurde sie vom Klingeln des Telefons geweckt. Schlaftrunken griff sie nach dem Hörer und stellte dabei fest, dass es kurz vor zehn Uhr war. An einem normalen Sonnabend wäre sie um diese Zeit bereits unterwegs gewesen, um für die nächste Woche einzukaufen und sich anschließend mit Freunden zum Lunch zu treffen. Nur gut, dass sie sich heute mit niemandem verabredet hatte. Jodi nahm den Hörer mit klopfendem Herzen ab, obwohl sie wusste, dass Leo Jefferson nicht der Anrufer sein konnte, da er weder ihren Namen noch ihre Telefonnummer kannte. Trotzdem spürte sie so etwas wie Enttäuschung, als es nur ihr Cousin Nigel war. "Endlich", begrüßte er sie aufgeregt. "Ich rufe jetzt zum dritten Mal an. Wie ist es mit Leo Jefferson ausgegangen? Ich sterbe vor Neugier." Jodi konnte nur daran denken, wie sehr sie versagt hatte und welche traumatischen Erlebnisse hinter ihr lagen. "Das Gespräch hat nicht stattgefunden", gestand sie, denn sie war nie eine gute Lügnerin gewesen. "Du hast dich gedrückt?" fragte Nigel direkt. "Ich ... ich war müde und fühlte mich plötzlich unsicher. Vielleicht ..." Bevor sie ihrem Cousin erzählen konnte, dass sie sich entschlossen hatte, an Mr. Jefferson zu schreiben, fuhr Nigel verständnisvoll fort: "Wenn ich ehrlich bin, hatte ich nicht damit gerechnet, dass du den Mut aufbringen würdest. Aber Kopf hoch, Cousinchen, der gute Nigel weiß bereits die Lösung. Mein Chef hat mich heute zum Dinner eingeladen, und ich habe gefragt, ob ich dich mitbringen darf. Er wird Leo Jefferson in der nächsten Woche treffen, und wenn du ihn gut informierst, wird er sich deiner Probleme bestimmt annehmen." "Das ist wirklich nett von dir, Nigel, aber ich fürchte ..." Jodi fühlte sich einer Dinnerparty einfach nicht gewachsen. Nigels Chef war der Leiter der örtlichen Baubehörde, aber Jodis Glaube an sich selbst und ihre Argumente war so erschüttert worden, dass sie ernsthaft daran zweifelte, ihn für ihren Fall gewinnen zu können. Doch Nigel war nicht bereit, eine Absage hinzunehmen. "Du musst mitkommen", beharrte er. "Graham Johnson freut sich schon darauf, dich kennen zu lernen. Sein Enkel ist einer deiner Schüler Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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und ein großer Verehrer von dir." "Ich kann nicht", protestierte Jodi noch einmal. "Natürlich kannst du. Denk an deine Schule. Ich hole dich um halb acht ab. Sei bitte pünktlich fertig." Bevor Jodi noch etwas sagen konnte, hatte Nigel eingehängt. Jodi blickte starr auf die Mattscheibe ihres Computers. Fast den ganzen Nachmittag versuchte sie schon, einen Brief an Leo Jefferson zu Stande zu bringen. Die Kopfschmerzen, mit denen sie heute früh aufgewacht war, hatten zum Glück nachgelassen, aber sobald sie sich ernsthaft auf ihre Aufgabe konzentrierte, tauchte ein falsches, gänzlich unbeabsichtigtes Bild von Leo in ihrer Erinnerung auf. Und sie sah nicht nur sein Gesicht vor sich, wie sie sich eingestehen musste, während ihre Wangen das leuchtende Rosa der Petunien annahmen, die in üppiger Fülle die Fensterkästen ihrer Nachbarin füllten. Mrs. Fields war trotz ihrer achtzig Jahre noch eine eifrige Gärtnerin, und sie liebte kräftige Farben, weil sie, wie Mrs. Fields Jodi einmal gestanden hatte, in ihrem Alter besser zu erkennen waren. Jodi bevorzugte für ihre Kästen hellere Farben, überwiegend Weiß- und Silbertöne. Letztere erinnerten sie an Leo Jeffersons aufregend erotische Augen. Jodis Wangen erglühten noch tiefer, als sie bemerkte, wie sie ihren Brief angefangen hatte. "Lieber Mann mit den erotischen Augen" stand da als Anrede, was sie zunächst gar nicht bemerkt hatte. Schnell löschte sie die Worte und begann von neuem, wobei sie sich daran erinnerte, wie wichtig es war, dass sie die richtigen Worte fand. Leo musste begreifen, welche Katastrophe die Schließung der Fabrik nicht nur für ihre Schule, sondern für die ganze Gemeinde bedeutete. Überall im Land waren Dörfer zum Sterben verurteilt, obwohl die Menschen hart gearbeitet hatten, um ihren ursprünglichen Lebensraum zu erhalten. Nigel hatte Recht. Falls es ihr gelang, Graham Johnson auf ihre Seite zu ziehen, würde das eine große Hilfe für sie sein. Jodi stand auf und ging mit nachdenklichem Gesicht hin und her. Man erwartete inzwischen, dass sie für ihre Schule kämpfte, und sie hatte sich längst daran gewöhnt. Seit die Schulbehörde sie als Direktorin eingesetzt hatte, war klar gewesen, dass es sich nur um eine vorübergehende Berufung handelte. Bei einer zu niedrigen Schülerzahl, hatte man ihr versichert, würde die Schule den Betrieb einstellen müssen. Es wäre für Jodi kein Problem gewesen, sich an eine größere Schule versetzen zu lassen. Sie hätte dort mehr verdient und bessere Aufstiegschancen gehabt, aber inzwischen hing ihr Herz so sehr an ihrer kleinen Schule, dass sie alles getan hätte, um sie zu erhalten. Ihre Bemühungen um neue Schüler hatten sich im Lauf der Zeit ausgezahlt. Immer wieder hatten sich Eltern überreden lassen, ihre Kinder nicht auf teure Privatschulen, sondern in die kleine Dorfschule zu schicken. Jodi wusste noch genau, wie stolz sie gewesen war, als die Schulbehörde ihr nach der letzten Inspektion eine glänzende Beurteilung zugeschickt hatte. Ja, sie war stolz, aber nicht nur auf sich selbst. Alle, die die Schule unterstützt hatten, Eltern, Schüler und Lehrer _ sie alle verdienten gleiches Lob. Sollte das völlig umsonst gewesen sein? Sollte Jodi untätig zusehen, wie ihr schönes Werk vernichtet wurde? Sie hatte bewiesen, wie gut es Kindern tat, in einer Schule zu lernen, wo sie geliebt und als Individuen geachtet wurden. Das Selbstvertrauen, das sie auf diese Weise entwickelten, stärkte sie für ihr ganzes Leben und machte es ihnen leicht, später auf andere Schulen überzuwechseln. Aber Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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wie sollte sie das Leo Jefferson klar machen? Es war gar nicht so leicht, die richtigen Worte zu finden. Ob das daran lag, dass sie ihre Mission bereits für verloren hielt? Traute sie Leo nicht zu, dass er auf persönlichen Profit verzichten und das Wohl der Gemeinde an die erste Stelle setzen würde? Oder konnte sie sich einfach nicht konzentrieren, weil sie immer wieder daran denken musste, was sie in der letzten Nacht mit ihm erlebt hatte? Je ferner das Geschehene rückte, umso weniger konnte Jodi verstehen, dass sie so gehandelt hatte. Es passte so wenig zu ihr. Sie hatte bisher mit keinem Mann geschlafen, und jetzt war ausgerechnet Leo Jefferson ihr erster und einziger Liebhaber! Sie setzte sich wieder hin und stützte den Kopf in beide Hände. So schockierend und unverzeihlich ihr Verhalten auch gewesen war, sie konnte nicht leugnen, dass sie Leos Berührung, seine Zärtlichkeiten und die letzte Hingabe an ihn genossen hatte. Aber nur, weil du etwas getrunken hattest und er dich im Halbschlaf überraschte, versuchte sie sich zu verteidigen, bis ihre angeborene Wahrheitsliebe siegte. Sie hatte Leo begehrt. Der kurze Blick in der Hotelhalle hatte genügt, um ihr das klar zu machen, und da war sie nüchtern und hellwach gewesen! Jodi sah auf die Uhr. Es war kurz vor sechs. Ihr Brief war noch nicht einmal im Kopf fertig, aber sie musste aufhören und sich für den Abend fertig machen. Nigel hatte sich ihretwegen viel Mühe gegeben. Sie hätte ihm dankbar sein müssen, aber im Grunde wollte sie nur zu Hause bleiben und sich vor der Welt verstecken, bis sie mit sich selbst ins Reine gekommen war.
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Kapitel 4 Leo nahm eine Hand vom Steuer und strich sich unlustig über das frisch rasierte Kinn. Das Dinner,
zu dem er fuhr, lockte ihn wenig, aber eine persönliche Einladung des Leiters der örtlichen
Baubehörde hatte er schlecht ablehnen können.
Es war immer sinnvoll und geschäftsfördernd, sich mit den örtlichen Behörden gut zu stellen. Leo
kannte Graham bereits. Er schätzte ihn, und ein Gutes hatte die Einladung. Er würde nicht mehr so
viel an die letzte Nacht und seine unerwartete Besucherin denken, die ihn so nachhaltig beschäftigte.
Jeremy Driscoll hatte sich bisher nicht bei ihm gemeldet. Vielleicht ahnte er, dass auf diesem Weg
nichts zu erreichen war, aber insgeheim zweifelte Leo daran. So leicht gab Jeremy nicht auf. Er hatte
eine Komplizin bezahlt, und diese Investition musste sich lohnen.
Ob Jeremy ebenfalls die Dienste des kleinen Lockenkopfs in Anspruch nahm, der ihn so raffiniert
hereingelegt hatte? Der Gedanke gefiel Leo gar nicht, was ihn wunderte und noch mehr ärgerte. Wie
kam er dazu, eine solche Frau für sich haben zu wollen? Eine Frau, die jedem zur Verfügung stand?
Unwillig erinnerte er sich daran, wie rückhaltlos sie ihm entgegengekommen war. Wie sie ihn
umschlossen und gehalten hatte, als wäre er der erste Mann in ihrem Leben.
Vorsicht, ermahnte er sich und hielt nach dem nächsten Wegweiser Ausschau, um nicht in die
falsche Richtung zu fahren. Vorsicht, Leo Jefferson, sonst machst du dich noch verrückt.
"Jodi, du hörst mir ja gar nicht zu!" Nigel hielt vor dem Haus seines Chefs und sah seine Cousine
prüfend an. "Du wirkst irgendwie bedrückt. Was ist los? Macht dir deine Schule so große Sorgen?"
Jodi überhörte die Frage, denn sie war entschlossen, Nigel wegen des Getränks zur Rede zu stellen,
das er gestern in Leo Jeffersons Suite hinaufgeschickt hatte.
"Wie konntest du mir gestern im Hotel diesen Cocktail bestellen?" fragte sie. "Du weißt doch, dass
ich keinen Alkohol trinke. Ich habe auch gar nichts davon gemerkt. Das Fruchtaroma war so stark
..."
"Einen Augenblick", unterbrach Nigel sie verwirrt. "Ich habe dir keinen Alkohol bestellt."
"In dem Getränk, das der Zimmerkellner mir heraufbrachte, war aber Alkohol enthalten", beharrte
Jodi.
"Dann muss man mich an der Bar falsch verstanden haben. Ich bat darum, dir einen Fruchtcocktail
hinaufzuschicken, und staunte über den geforderten Preis." Nigel lachte. "Welche Verschwendung!
Sicher hast du nach dem ersten Schluck nicht weitergetrunken."
Jodi kam um die Antwort und damit um eine neue Lüge herum. Sie waren inzwischen ausgestiegen,
und Graham Johnson, ein großer Mann mit grauem Haar und einem warmen Lächeln, erschien an
der Haustür, um sie zu begrüßen.
"Sie müssen Jodi sein." Er nahm ihre Hand und stellte sich selbst vor. "Ich habe schon viel von
Ihnen gehört."
Als Jodi ihren Cousin fragend ansah, lachte Graham und schüttelte den Kopf.
"Nein, nicht von Nigel, obwohl auch er gelegentlich von Ihnen spricht. Ich meinte unseren Enkel
Henry, der in Ihre Schule geht und Sie anbetet. Zu Recht, wie seine Eltern beteuern. Sein Lesen soll
sich geradezu dramatisch verbessert haben."
Jodi nahm das Kompliment lächelnd entgegen und verlor etwas von der Spannung, die sie während
der ganzen Fahrt gequält hatte. Grahams liebenswürdiger Art war einfach nicht zu widerstehen.
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Seine Frau Mary begrüßte sie nicht weniger herzlich und gestand ihr, dass sie selbst einmal Lehrerin
gewesen sei _ allerdings vor vielen, vielen Jahren.
"Unsere Tochter Charlotte hatte zunächst Bedenken, als sie hörte, dass Sie in Ihrer Schule
traditionelle Lehrmethoden mit freiem Spiel verbinden. Inzwischen ist sie Ihre glühendste
Anhängerin und ganz begeistert über die Fortschritte, die Henry gemacht hat."
"Wir ermutigen die Kinder, sich vielseitig zu entwickeln", bestätigte Jodi. "Unserer Meinung nach
stärkt es den Charakter, wenn ein Kind herausfindet, was ihm besonders gut liegt."
"Wenn ich Charlotte richtig verstanden habe, gibt es Eltern in Frampton, die ihr Kind gleich nach
der Geburt bei Ihnen anmelden."
Jodi lachte. "Nun, das vielleicht nicht, aber die Schule erfreut sich in Frampton und Umgebung eines
guten Rufs. Wir haben mehr Schüler, als wir unbedingt brauchen, um den Betrieb
aufrechtzuerhalten. Das sind gute Aussichten, aber natürlich nur, wenn die Fabrik nicht geschlossen
wird."
Graham Johnson nickte verständnisvoll. "Die endgültige Entscheidung darüber liegt bei Leo
Jefferson. Darum habe ich ihn ebenfalls zum Dinner eingeladen. Die gute Idee stammt von Nigel.
Vielleicht hilft es, wenn Sie beide sich einmal auf neutralem Boden aussprechen. Leo ist
Unternehmer und hat sicher nicht bedacht, wie sich die Schließung der Fabrik auf die Dorfschule
auswirken würde ... immer vorausgesetzt, dass es wirklich dazu kommt. Wie ich gehört habe, sollen
zwei von den vier Driscoll-Unternehmen erhalten bleiben."
Jodi hörte nicht mehr richtig zu. Nicht mehr seit Grahams unheilvollen Worten: "Darum habe ich
ihn ebenfalls zum Dinner eingeladen."
Leo Jefferson würde kommen. Zum Dinner. Sie würde gezwungen sein, sich in einem Zimmer mit
ihm aufzuhalten, ihm vielleicht am Tisch gegenüberzusitzen!
Es klingelte an der Haustür, und Graham ging hinaus, um zu öffnen. Angst packte Jodi. Sie stand
neben der offenen Terrassentür und überlegte, ob sie durch den Garten fliehen sollte. Vielleicht hätte
sie es getan, wenn Graham nicht schon mit seinem Gast zurückgekommen wäre. Er war es wirklich
_ Leo Jefferson, ihr Liebhaber. Der Mann, mit dem sie die letzte Nacht verbracht hatte!
Leo war nicht weniger entsetzt als Jodi. Er sah sie dastehen, starr, mit großen, ängstlichen Augen.
Wie eine Märtyrerin, die enthauptet werden soll, dachte er zornig.
Was ging hier vor? Wie kam diese Frau hierher? Nur mit halbem Ohr hörte er, dass Graham sie als
Direktorin der Dorfschule von Frampton vorstellte.
Einen Moment glaubte er, zum Narren gehalten zu werden. Er wusste, dass auf dem Land andere
Gewohnheiten herrschten, aber, zum Teufel, so anders konnten sie nicht sein, dass eine
Schuldirektorin nachts als Prostituierte arbeitete!
Die wilde Eifersucht, die ihn fast um seine übliche Selbstbeherrschung brachte, wunderte Leo
ebenso wie die spontane Abneigung, die er für den Mann neben ihr empfand.
"Und das ist Nigel Marsh, mein Assistent und Jodis Cousin", stellte Graham weiter vor.
Ihr Cousin? Leos Puls beruhigte sich wieder. Der junge Mann war keineswegs unsympathisch.
"Überraschung gelungen?" fragte Nigel flüsternd, als Leo einen Moment mit Mary sprach.
Jodi antwortete nicht.
"Wie wäre es mit einem Drink?" fragte Graham gut gelaunt.
"Ich trinke gewöhnlich keinen Alkohol", antwortete Jodi und errötete, als sie Leos Blick bemerkte.
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"Meine Cousine hatte schon immer strenge Ansichten", bestätigte Nigel lachend. "Auch bevor sie Lehrerin wurde. Kaum zu glauben, dass wir aus derselben Familie kommen. Ich rate ihr immer wieder, das Leben auch von seiner heiteren Seite zu sehen." Diesmal hütete sich Jodi, Leo anzusehen, aber er war inzwischen näher gekommen und nutzte die nächste Gesprächspause, um ihr zuzuraunen: "Wie ist es Ihnen gelungen, sich in vierundzwanzig Stunden so grundlegend zu ändern?" "Bitte, Mr. Jefferson." Jodi fürchtete, jemand könnte die Worte gehört haben, aber niemand achtete auf sie. "Bitte?" wiederholte Leo spöttisch. "Haben Sie das gestern Nacht nicht auch zu mir gesagt?" Jodi wand sich vor Verlegenheit. "Hören Sie auf. Sie verstehen das alles nicht." "Damit haben Sie allerdings Recht", bestätigte Leo eisig. "Sagen Sie mir eins, Miss Marsh. Wissen die Kuratoren Ihrer Schule, dass Sie nachts bezahlte Liebesdienste anbieten? Ich weiß, dass man als Lehrerin nicht viel verdient, aber sein Einkommen mit derartigen Privatstunden aufzubessern ..." Er sprach den Satz absichtlich nicht zu Ende. "Sie befinden sich in einem großen Irrtum, Mr. Jefferson." Jodi war drauf und dran, Leo alles zu erklären, aber sie hatte so laut gesprochen, dass Nigel sich besorgt zu ihr umdrehte. Er wusste, mit welcher Leidenschaft sie ihre Schule verteidigte, aber sich schon jetzt mit Leo anzulegen, konnte der Sache kaum dienlich sein. Er wollte mit einer beschwichtigenden Bemerkung eingreifen, aber es kam nicht dazu, denn Mary bat ihre Gäste zu Tisch. "Das war köstlich", seufzte Nigel und schob seinen Dessertteller zurück. "Allein zu leben hat seine Vorteile, aber Mahlzeiten aus der Mikrowelle können keine Hausmannskost ersetzen. Ich sage das immer wieder zu Jodi, aber sie will den Wink einfach nicht verstehen." "Wer Hausmannskost bevorzugt, muss selbst kochen können", erklärte Jodi bestimmt. "Ich achte streng darauf, dass alle meine Schüler, Jungen und Mädchen, die wichtigsten Grundregeln lernen." "Eine weise Entscheidung", stimmte Mary zu und wandte sich an Leo. "Jodi ist eine begnadete Lehrerin. Als sie Direktorin wurde, musste die Schule beinahe wegen der zu geringen Schülerzahl geschlossen werden, aber inzwischen melden die Eltern ihre Kinder gleich nach der Geburt an, damit sie später einen Platz bekommen." Jodi fühlte, wie ihr das Blut ins Gesicht stieg. Der ganze Abend war ein Albtraum gewesen, und sie sehnte nur noch sein Ende herbei. "O ja", bestätigte Nigel in bester Absicht. "Die Schule ist Jodis ganze Leidenschaft." "Leidenschaft?" Leo wiederholte das Wort mit einem so skeptischen Unterton, dass Jodi fürchtete, er würde sie jeden Augenblick verraten. Zum Glück war das nicht der Fall, denn er fuhr nach einer kurzen Pause fort: "Davon bin ich überzeugt." Graham lächelte Jodi aufmunternd zu. "Nicht wahr, meine Liebe? Sie machen sich große Sorgen, was passiert, wenn unsere Fabrik geschlossen wird." Als Leo ihm einen scharfen Blick zuwarf, zuckte er die Schultern und meinte: "Es ist kein Geheimnis, dass Sie mindestens zwei der Driscollschen Zweigwerke schließen wollen. Die ,Financial Times` hat Sie in diesem Punkt wörtlich zitiert." "Meine endgültige Entscheidung ist noch nicht gefallen", entgegnete Leo kurz angebunden. "Aber Sie spielen mit dem Gedanken, die Fabrik in Frampton zu schließen?" Jodi musste die Frage Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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einfach stellen. Leo betrachtete sie mit zusammengezogenen Brauen. Jodi hatte den ganzen Abend kaum mit ihm gesprochen. Sie hatte es sogar vermieden, ihn anzusehen, aber er spürte ihre Feindseligkeit so stark wie seine eigene Gereiztheit. Es empörte ihn mehr, als er für möglich gehalten hätte, dass sie die Rolle der braven Lehrerin so täuschend echt spielte, wo er doch genau wusste, was für eine Frau sie war. Anscheinend hatte sie keinen Hauch von Gewissen, und ausgerechnet ihr waren junge, heranwachsende Menschen anvertraut. Sie musste klug und unglaublich raffiniert sein, um ihre Umgebung so zu täuschen und überall Bewunderung und Respekt zu gewinnen. Er hätte der Täuschung ein Ende machen können, aber sein eigenes Verhalten stand dagegen. Er hatte sich gestern Nacht ebenfalls nicht mit Ruhm bedeckt! Wo mochte der Grund für Jodis Verhalten liegen? Hatte sie es wirklich nur für Geld getan? Spielte sie gern mit der Gefahr, oder wollte sie Jeremy Driscoll helfen? Diese letzte Möglichkeit gefiel Leo am wenigsten. Jodi spürte die Verachtung in Leos Blick. Wenn er jetzt das Geheimnis der letzten Nacht aufdeckte ... Ein völlig ungerechtfertigter Zorn auf Nigel erfasste sie. Hätte sie gewusst, dass Leo ebenfalls eingeladen war, hätten sie keine zehn Pferde hierher gebracht! Es war eine Qual gewesen, ihr Loblied singen zu hören. Wahrscheinlich hätte Leo eingegriffen, wenn das nicht zu seinem eigenen Schaden gewesen wäre. Er stand in keinem viel besseren Licht da und hätte sich höchstens damit herausreden können, verführt worden zu sein. Das taten die Männer seit Menschengedenken. "Wir wären natürlich sehr enttäuscht, wenn unsre Fabrik geschlossen würde", hörte sie Graham sagen. "Wir sind eine kleine Landgemeinde und könnten so viele verlorene Arbeitsplätze nicht ersetzen. Andrerseits muss ich zugeben, dass Newham verkehrstechnisch günstiger liegt und daher wahrscheinlich größere Überlebenschancen hat." "Leider sind allein wirtschaftliche Argumente ausschlaggebend", antwortete Leo. "Der Markt ist nicht groß genug, um beliebig viele Fabriken zu erhalten, die alle dasselbe produzieren." Plötzlich reichte es Jodi. In dem verzweifelten Wunsch, ihre Schule zu schützen, überwand sie die Angst und die Scham, die sie den ganzen Abend mundtot gemacht hatten. Sie wandte sich direkt an Leo und sagte heftig: "Der Erhalt der Fabriken war kein Problem, bis Sie auf der Bildfläche erschienen, Mr. Jefferson. Wäre es nicht ehrlicher zuzugeben, dass Sie mit diesen ,wirtschaftlichen Argumenten` nur Ihren eigenen Profit meinen? Ganz zu schweigen von den Steuervorteilen, die sich dabei für Sie ergeben. Ahnen Sie auch nur, welches Unheil Sie hier anrichten? Wie viel Leben, wie viel Zukunft Sie zerstören? Ich habe Kinder in meiner Schule, bei denen die ganze Familie von der Fabrik abhängig ist. Haben Sie immer nur Geld im Sinn? Kümmert Sie nichts als das Anwachsen Ihres Vermögens?" Eisiges Schweigen folgte diesem leidenschaftlichen Ausbruch. Nigel warf Jodi einen warnenden Blick zu, und Graham runzelte die Stirn. "Wir alle verstehen Ihre Gefühle", sagte er beschwichtigend zu Jodi, "aber die Wirtschaft hat ihre eigenen Gesetze, die wir nicht ignorieren dürfen. Leo muss sich gegen eine weltweite Konkurrenz verteidigen, und ohne Profit ..." "Es gibt im Leben wichtigere Dinge als Profit", unterbrach Jodi ihren Gastgeber. Nachdem sie sich Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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so weit vorgewagt hatte, wäre Schweigen sinnlos gewesen.
"Ach ja?" fragte Leo scharf. "Welche denn? Ist es wichtiger, dass Sie genug Schüler haben, um die
Inspektoren zu beeindrucken und von ihnen gelobt zu werden? Denken Sie nicht auch
profitbezogen? Mehr Schüler ... mehr Unterstützung von den Behörden. Im Prinzip ist es genau
dasselbe."
"Das wagen Sie mir ins Gesicht zu sagen?" fauchte Jodi. "Es geht mir um die Kinder, um ihre
Erziehung und ihr ganzes zukünftiges Leben. Bei Ihnen steht höchstens Geld auf dem Spiel."
"Ich versuche, ein Unternehmen mit Gewinn zu führen", verbesserte Leo sie kalt. "Sie beurteilen
alles von Ihrem begrenzten Standpunkt aus, Miss Marsh, während ich die größeren Zusammenhänge
sehe. Wenn ich alle Fabriken weiterarbeiten lasse, wird bald keine mehr Profit machen, und damit
wäre ich geschäftlich erledigt. Es würden viel mehr Arbeitsplätze verloren gehen als hier in
Frampton ... oder in Frampton und Newham zusammen."
"Und das ist Ihnen gleichgültig, nicht wahr?" begehrte Jodi auf. "Das Elend, das Sie anrichten,
kümmert Sie nicht."
Jodi wusste, dass sie zu weit gegangen war. Sie las es in Nigels und Grahams besorgten Gesichtern,
aber etwas trieb sie vorwärts. Die Spannung, unter der sie den ganzen Abend gestanden hatte,
musste sich irgendwie lösen, und sie hatte keinen Einfluss mehr darauf, wie das geschah.
"Mich kümmert, dass mein Unternehmen erfolgreich ist und auf dem Weltmarkt führend bleibt",
erklärte Leo unverblümt.
"Das glaube ich Ihnen aufs Wort." Jodi verzog spöttisch die Lippen. "Merken Sie gar nicht, wie
unmoralisch das ist?"
Alle hielten entsetzt den Atem an, aber keiner wagte, in den immer heftiger werdenden Streit
einzugreifen.
"Sie haben die Unverfrorenheit, mich unmoralisch zu nennen?" fuhr Leo auf.
Er betonte das erste Wort so stark, dass Jodi unwillkürlich zusammenzuckte. Ob die anderen es auch
gehört hatten und vielleicht ihre Schlüsse daraus zogen?
"Meine liebe Jodi." Graham konnte nicht länger schweigend dasitzen. "Wir wissen, wie nah Ihnen
das alles geht, aber Leos Argumente sind nicht unberechtigt. Sein Unternehmen muss
konkurrenzfähig bleiben."
"O ja, natürlich", höhnte Jodi und warf Leo einen flammenden Blick zu.
Nigel stand abrupt auf. "Es ist spät geworden, Graham. Ich fürchte, Jodi und ich müssen gehen."
Jodi verstand den Wink und stand ebenfalls auf, aber einen letzten Hieb musste sie noch austeilen.
"Am Ende geht es immer nur ums Geld, nicht wahr, Mr. Jefferson?"
Leo erhob sich ebenfalls. "Wie Sie am besten wissen, Miss Marsh."
Jodi errötete, aber außer Leo bemerkte es zum Glück niemand. Er wartete, bis Nigel mit den
Johnsons vorausgegangen war, und fuhr dann fort: "Ehe ich es vergesse, Sie können Ihrem Freund
Jeremy sagen ..."
"Jeremy Driscoll ist nicht mein Freund!" unterbrach Jodi ihn. "Um die Wahrheit zu gestehen, ich
hasse und verachte ihn fast so sehr wie Sie!"
Jodi verabschiedete sich schnell von den Johnsons und eilte in den warmen Sommerabend hinaus.
Neben Nigels Auto blieb sie stehen. Sie kochte innerlich vor Wut, aber auch das unerwartete
Wiedersehen mit Leo und der heftige Streit begannen ihre Wirkung zu tun.
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Als sie Nigels Schritte auf dem Kies hörte, sagte sie, ohne sich umzudrehen: "Bring mich bloß weg
von hier ..."
"Wohin soll ich Sie bringen, Miss Marsh, oder überlassen Sie die Entscheidung mir?"
Jodi fuhr herum, als sie Leos Stimme erkannte. "Lassen Sie mich in Ruhe!"
Um den Abstand zwischen ihnen zu vergrößern, zog sie sich tiefer in den Schatten der Bäume
zurück. Das war ein Fehler, denn Leo nutzte die übertriebene Reaktion sofort aus.
"Wozu das Theater?" spottete er. "Sie haben keine Zuschauer mehr."
"Sie verstehen gar nichts."
"Gestern Nacht sprachen Sie anders", erinnerte Leo sie unbarmherzig. "Gestern Nacht ..."
"Gestern Nacht wusste ich nicht, was ich tat. Hätte ich es gewusst ..." Jodi konnte in ihrer Erregung
kaum weitersprechen. "Sie sind der letzte Mann, mit dem ich ein so kostbares Erlebnis hätte teilen
mögen."
Jodis Denkvermögen war inzwischen so getrübt, dass sie mehr verriet, als gut war. Ihr ganzes
Gefühlsleben war durcheinander geraten und zu einem Strudel geworden, der sie zu verschlingen
drohte.
Leo hörte zwar, was sie sagte, aber auch er war nicht mehr konzentriert genug, um den Sinn ihrer
Worte zu verstehen. Stattdessen hielt er ihr die Handtasche hin, die sie im Haus vergessen hatte, und
sagte kalt: "Das haben Sie drinnen liegen lassen. Ihr Cousin unterhält sich noch mit Graham und hat
mich gebeten, es Ihnen zu bringen. Wahrscheinlich wollte er Ihnen die Gelegenheit geben, sich für
Ihre unglaubliche Taktlosigkeit zu entschuldigen."
"Meine Taktlosigkeit?" Jodi griff wütend nach der Tasche und zuckte zusammen, als sie dabei Leos
Hand berührte. In ihrem gegenwärtigen Zustand war das mehr, als sie ertragen konnte.
"Rühren Sie mich nicht an!" stöhnte sie, ließ die Tasche fallen und sank hilflos in Leos Arme, die er
wie in geheimer Übereinstimmung nach ihr ausgestreckt hatte.
Überwältigt von seiner Nähe, hob sie ihm das Gesicht entgegen. Ihre Lippen öffneten sich, und
empfingen seinen Kuss wie ein sehnsüchtig erwartetes Geschenk. Einen qualvoll kurzen Augenblick
hielten sie sich in zitternder Leidenschaft umfangen, dann ließ Leo sie los, drehte sich um und ging
ins Haus zurück.
Sekundenlang stand Jodi wie betäubt da, dann bückte sie sich und hob die Handtasche auf. Im selben
Moment rief Nigel ihren Namen.
"Sei nicht böse", bat er, während er die Autotür aufschloss. "Graham wollte noch etwas mit mir
besprechen. Geht es dir besser, nachdem du dir alles von der Seele geredet hast?"
"Besser?" wiederholte Jodi scharf. "Wie kann es mir besser gehen, nachdem ich gezwungen war,
einen ganzen Abend mit diesem ... diesem ..."
"Schon gut, schon gut." Nigel stieg ein und half Jodi, ihren Sicherheitsgurt zu schließen. "Ich glaube,
wir wissen jetzt alle Bescheid. Ich verstehe dich, Jodi, aber so hemmungslos auf Leo Jefferson
loszugehen, das wird dir wenig nützen. Er ist Geschäftsmann, und du musst versuchen, auch seinen
Standpunkt zu verstehen."
"Warum sollte ich das tun? Er gibt sich nicht die geringste Mühe, meinen zu verstehen."
Nigel unterdrückte ein Lächeln. ",Mit Speck fängt man Mäuse`, heißt ein altes, sehr wahres
Sprichwort, aber du bist sicher nicht in der richtigen Stimmung, um das zuzugeben."
"Allerdings nicht", antwortete Jodi giftig, denn es ärgerte sie, wie nah Nigel der Wahrheit kam.
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"Warum konnte nicht alles so bleiben, wie es war? Solange die Driscolls die Fabrik besaßen, gab es keine Probleme." "Keine eindeutigen", verbesserte Nigel sie und schwieg dann, um sich nicht zu verraten. Er hatte schon zu viel gesagt. Über die betrügerischen Machenschaften, die man Jeremy Driscoll vorwarf, durfte vorerst nicht gesprochen werden. Jodi fragte nicht, was sich hinter Nigels Bemerkung verbarg. Dazu war sie noch zu sehr mit Leo beschäftigt. "Er ist der abscheulichste, gemeinste, überheblichste und kaltschnäuzigste Mann, der mir je begegnet ist", schimpfte sie. "Ich wünschte mir, dass ... dass ..." Jodi biss sich auf die Lippen und schwieg. Was wünschte sie sich eigentlich? Wenn sie das bloß gewusst hätte! Mürrisch sah sie weiter aus dem Fenster und war froh, als sie Frampton erreichten. Sie wollte nur noch allein sein. Leo ging mit grimmigem Gesicht in seiner Suite hin und her. Fast hätte er beim Empfang angerufen und um andere Räume gebeten. Diese erinnerten ihn zu sehr an die letzte Nacht und an sie _ Jodi Marsh! Eine unmögliche Person! Wie von einem bösen Zauber besessen, hatte sie sich heute Abend vor seinen Augen von einem lasziven, sinnenfrohen Wesen in eine wütende, hasserfüllte Furie verwandelt und sich nicht gescheut, ihm unmoralisches Verhalten vorzuwerfen! Warum er sie nicht sofort zur Rede gestellt und eine Rechtfertigung von ihr verlangt hatte, wusste Leo nicht genau. Weil sie Leiterin einer Schule war? Er musste dümmer als dumm sein, um das alles zu glauben! Und diese giftigen Kommentare zu seinen Plänen mit der Fabrik! Diese Schreckensbilder, falls er wirklich gezwungen war, sie zu schließen. Glaubte sie etwa, dass es ihm Spaß machte, Menschen den Arbeitsplatz wegzunehmen? Er tat das höchst ungern, aber auch er war wirtschaftlichen Zwängen unterworfen und konnte nicht nur auf sein Herz hören. Leo blieb seufzend am Fenster stehen. Sie würde hoffentlich nicht so dumm sein, ihren gestrigen Besuch zu wiederholen. Er würde nämlich nicht noch einmal auf sie hereinfallen und sich ihr so anheim geben, wie er es gestern getan hatte. O nein, das würde er nicht tun. Nie und nimmer!
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Kapitel 5 "Du hast mich geschubst!" "Nein, das stimmt nicht!" Behutsam, aber unnachgiebig trennte Jodi die beiden Streithähne, die sie bei ihrem Gang über den Schulhof angetroffen hatte. Wie so oft, hatte Benjamin Fanshawe angefangen. Ben war einer ihrer schwierigsten Schüler. Auf sich gestellt, so glaubte sie wenigstens, hätte er sich zu einem fröhlichen, ganz normalen Jungen entwickelt, aber seine Mutter war eine gesellschaftliche Aufsteigerin und beeinflusste ihn so negativ, dass er bei allen anderen Kindern unbeliebt war. Jodi hatte versucht, mit seiner Mutter darüber zu reden, aber die Lage wurde dadurch erschwert, dass Myra Fanshawe im Kuratorium der Schule saß und diese Stellung, die sie seit ihrem Umzug nach Frampton angestrebt hatte, äußerst wichtig nahm. "Ich hätte Benjamin lieber auf ein exklusives Internat geschickt", hatte sie bei Bens Einschulung zu Jodi gesagt, "aber meine Schwiegereltern weigern sich, das Schulgeld zu bezahlen. Darum müssen wir vorerst mit Ihrer Dorfschule vorlieb nehmen. Später wird Ben natürlich dieselben Schulen besuchen, die alle männlichen Fanshawes seit sechs Generationen besucht haben." Mit ziemlich viel Ellbogenkraft und mit Unterstützung der jungen Driscolls, deren intime Freundin sie war, hatte sich Myra zur Kuratorin hinaufgekämpft und seitdem ständig in Jodis Schulführung eingemischt. Ihr Versuch, eine mathematische Lehrmethode einzuführen, "die Benjamins Niveau wesentlich mehr entsprochen hätte", war kürzlich an Jodis Einspruch gescheitert, was ihr nicht gerade Myras Sympathien gewonnen hatte. Jodis taktvoller Hinweis darauf, dass es Ben nicht an einer neuen mathematischen Lehrmethode, sondern eigentlich nur an Freunden fehle, hatte bei Myra helle Empörung ausgelöst. "Erwarten Sie etwa, dass sich Benjamin mit gewöhnlichen Dorfkindern abgibt?" hatte sie Jodi schnippisch gefragt. "Sobald wir Frampton verlassen, wird er andere Kinder kennen lernen ... Kinder, die zu ihm passen. Das weiß er, und er weiß auch, dass ich ihn lieber auf ein gutes Internat geschickt hätte. Wenn seine Großeltern mir doch glauben wollten, wie viel besser er sich auf einer Privatschule entwickeln würde! Jeremy und Alison sind entsetzt, dass wir ihn hier eingeschult haben. Glücklicherweise sitze ich im Kuratorium und kann dafür sorgen, dass er wenigstens die Andeutung einer Ausbildung erhält." "Mrs. Fanshawe ..." "Die Frau des Pfarrers hat mir erst gestern versichert, wie sehr sich das Schulklima verbessert hat, seit ich Kuratorin bin", hatte sich Myra weiter gebrüstet und Jodi nur noch die Wahl gelassen, Ben oder seine Mutter zu bedauern, die nicht merkte, wie die anderen wirklich über sie dachten. Gerade Anna Leslie, die Frau des Pfarrers, hatte Jodi erst kürzlich anvertraut, wie unerträglich ihr Myra sei und wie sehr sie ihr hochmütiges Getue verabscheue. Nachdem die Jungen versprochen hatten, sich nicht mehr zu zanken, kehrte Jodi in ihr Büro zurück. Das Ende des Schuljahrs stand bevor. Vielleicht war es kein Wunder, dass sich die meisten Schüler schon in Ferienstimmung befanden. Wenig später gab die Pausenklingel das Zeichen zur Rückkehr in die Klassen. Jodi musste Verwaltungsarbeit erledigen und dachte nicht mehr an die Fanshawes. Manchmal dachte sie allerdings an Leo Jefferson ... Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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Leo war unterwegs, um sich mit seinem Assistenten in der Fabrik zu treffen, die Samstagabend das
hitzige Streitgespräch zwischen ihm und Jodi ausgelöst hatte.
Als das Handy klingelte, zögerte Leo. Falls Jodi die Anruferin war ...
Es war nicht Jodi. Es war nicht einmal eine Frau, sondern Jeremy Driscoll.
"Hören Sie, alter Freund", begann er jovial. "Ich dachte, ich rufe einfach mal an, um zu hören, ob
wir uns nicht doch irgendwie einigen können. Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, dass Sie
mindestens zwei unserer Fabriken schließen müssen. Ich biete Ihnen an, das Frampton-Werk
zurückzukaufen ... für einen fairen Preis natürlich."
Leo runzelte die Stirn. "Zurückzukaufen?"
Er wartete darauf, dass Jeremy mit Erpressung drohen würde, aber nichts erfolgte. Jeremy erwähnte
weder Jodi noch ihren überraschenden Besuch in Leos Suite.
"Wir sind beide Geschäftsleute", fuhr er stattdessen fort. "Wir wissen, dass es Modalitäten für den
Rückkauf gibt, die beiden Seiten finanzielle Vorteile bringen würden."
Jeremy hatte in der Karibik Urlaub gemacht, als sein Schwiegervater auf Leos Angebot eingegangen
war. Als Eigentümer war er dazu berechtigt. Jeremy hätte den Verkauf akzeptieren müssen, aber aus
irgendeinem Grund wollte er sich nicht damit abfinden. Diesen Grund hätte Leo gern gewusst.
"Es steht noch nicht fest, welche Fabriken geschlossen werden", erklärte er, und das entsprach sogar
der Wahrheit.
Jeremy lachte. "Wozu die Ausflüchte, alter Freund? Jeder weiß, dass es Frampton treffen wird." Sein
forscher Ton sollte einschüchternd wirken, aber Leo hörte deutlich wachsende Angst heraus.
"Ich bin auf dem Weg zur Fabrik", sagte er. "Sobald die Entscheidung gefallen ist, rufe ich Sie an."
Es wunderte Leo, dass Jeremy kein Wort über Jodi gesagt hatte. Irgendwie passte das nicht zu ihm.
Ein Mann wie er spielte alle Trümpfe aus. Leo würde sich zwar nicht erpressen lassen, aber nach
Jodis nächtlichem Besuch befand er sich in einer schwierigen Lage.
Mochte seine Lage auch schwierig sein _ die von Jodi war noch schwieriger. Leo runzelte
nachdenklich die Stirn. Welches Motiv mochte sie gehabt haben? Welche Beweggründe leiteten sie?
"Sie sind also der Meinung, dass ich diese Fabrik schließen sollte?" fragte Leo seinen Assistenten,
nachdem sie das Gelände besichtigt hatten.
"Es scheint mir die richtige Entscheidung zu sein. Newham liegt sehr viel näher an der Autobahn."
"Dann ließe es sich vielleicht in ein Transportzentrum umwandeln", meinte Leo. "Wir könnten
Frampton für die Produktion und Newham für den Versand nutzen. Sollte das unrentabel sein,
könnten wir Newham immer noch an einen Transportunternehmer verkaufen."
"Die Möglichkeit besteht", räumte der Assistent ein.
"Frampton hat den zusätzlichen Vorteil, dass dort vor kurzem neue Produktionsanlagen eingebaut
wurden", fuhr Leo fort.
Der Assistent nickte. "Es heißt, dass die alten Anlagen kürzlich einem Feuer zum Opfer gefallen
sind. Das bringt mich auf einen anderen Punkt. Ich habe den Verdacht, dass hier in Frampton nicht
alles mit rechten Dingen zugeht."
"Und was stimmt nicht?" fragte Leo neugierig.
"Es hat zweimal kurz hintereinander gebrannt, und die Buchführung scheint mangelhaft zu sein. Es
sieht so aus, als hätte der Schwiegersohn des Besitzers die Fabrik geführt _ mit Methoden, die nicht
nur der Belegschaft, sondern auch den Behörden unangenehm aufgefallen sind."
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"Sie meinen Betrug?" fragte Leo unverblümt. "Das kann ich vorläufig noch nicht sagen, denn die Bilanzen, die uns bei der Übernahme vorgelegt wurden, waren korrekt. Es könnte aber Unterlagen geben, die man uns absichtlich vorenthalten hat. Irgendetwas stimmt hier nicht, das sagt mir mein Gefühl." "Sie könnten Recht haben", meinte Leo nach längerem Nachdenken. "Das wäre auch eine Erklärung dafür, dass Jeremy Driscoll die Fabrik unbedingt wiederhaben möchte." "Wenn Sie ernsthaft daran denken, sich von Newham zu trennen, wüsste ich vielleicht einen Käufer", fuhr der Assistent fort. "Vorerst spiele ich noch mit dem Gedanken, ein eigenes Transportunternehmen aufzubauen", entgegnete Leo. "Wenn die Kosten weiter so steigen, könnte sich das als vorteilhaft erweisen." Was tust du hier eigentlich? fragte eine Stimme in Leo. Du suchst nach Gründen, um das FramptonWerk zu erhalten! Lässt du dich etwa von den sentimentalen Argumenten einer Frau leiten, die keine Ahnung hat, wie die Wirtschaft funktioniert? Dafür weiß sie, wie man einen Mann im Bett glücklich macht, antwortete eine andere Stimme. Glücklich? Leo verzog das Gesicht. Zornig, wütend, rasend ... So ließen sich seine Gefühle eher beschreiben. Am Fabriktor trennte sich Leo von seinem Assistenten. Es war Lunchzeit, und soweit er wusste, befand sich im Dorf ein Pub, wo man etwas essen konnte. Falls er seine Pläne änderte und das Frampton-Werk weiter produzieren ließ, würde er während der nächsten Monate viel in der Gegend zu tun haben. Dann musste er sich eine Wohnung suchen, um nicht auf das Hotel und den Dorfpub angewiesen zu sein. Wie Leo vermutet hatte, lag der Pub gegenüber der Kirche. Neben der Kirche, nur durch den kleinen Friedhof und eine schmale Koppel getrennt, befand sich die Schule. Jodis Schule. Es war Mittagspause, und die Kinder tummelten sich auf dem Hof. Eine kleine Gruppe umdrängte eine wohl bekannte Gestalt. Jodi Marsh. Die Sonne spielte hell auf ihrem lockigen Haar. Sie trug Rock und Bluse, dazu offene Sandaletten und keine Strümpfe. Sie bemerkte Leo nicht und lachte über das, was eins der Kinder gesagt hatte. Dabei beugte sie den Kopf zurück, so dass ihr schlanker weißer Hals zu erkennen war, den Leo gestreichelt und geküsst hatte. Plötzlich wandte Jodi den Kopf in seine Richtung, als witterte sie eine Gefahr. Ihre Blicke begegneten sich. Der fröhliche Ausdruck verschwand von Jodis Gesicht und machte offener Feindseligkeit Platz. Sogar die Kinder schienen die Veränderung zu spüren. Sie hörten auf zu lachen und scharten sich ängstlich um Jodi, die sie dicht zusammenhielt und schnell außer Sichtweite führte. Leo sah ihr noch eine Weile nach und betrat dann die Gaststube, die überraschend gut besucht war. Ohne auf die anderen Gäste zu achten, verzehrte er seine Mahlzeit und dachte dabei an Jodi. Er sah sie mit ihren Schülern auf dem Hof stehen. Wie sicher und frei sie gewirkt hatte, ganz im Einklang mit sich selbst. Bis sie ihn angesehen hatte ... Leo schüttelte ungeduldig den Kopf und machte ein so zorniges Gesicht dazu, dass der Kellnerin ein ängstlicher Schauer über den Rücken lief. Ein aufregender und gefährlicher Mann, dachte sie. Ganz anders als mein Freund! Leo bezahlte, lehnte zur Enttäuschung der Kellnerin eine zweite Tasse Kaffee ab und kehrte zu seinem Auto zurück. Auf dem Schulhof war niemand mehr zu sehen. Wahrscheinlich saßen die Kinder wieder in ihren Klassen. Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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Unzufrieden mit sich selbst, fuhr Leo in die nächste größere Stadt. Hatte er nicht schon genug Probleme? Musste er seine Gedanken zusätzlich mit einer Dorflehrerin belasten, die ein zweifelhaftes Spiel mit ihm trieb? "Hier in der Gegend werden kaum Grundstücke angeboten", erklärte der Makler, den Leo aufgesucht hatte. "Aber Sie haben Glück. Ich suche einen Mieter für ein reizendes georgianisches Gutshaus, das direkt außerhalb von Frampton liegt. Ich weiß nicht, ob Sie das Dorf kennen ..." "Ich kenne es", versicherte Leo. "Und ich wohne dort." Der Makler lächelte. "Haben Sie Kinder? Wenn ja, kann ich Ihnen die Dorfschule von Frampton empfehlen. Jodi Marsh, die Leiterin, ist unglaublich tüchtig ..." "Ich kenne auch Jodi." "Tatsächlich?" Der Makler sah Leo überrascht an. "Wenn Sie Jodi kennen, werden Sie sich in Frampton schnell heimisch fühlen. Sie ist hoch angesehen und bei Eltern und Schülern sehr beliebt. Meine Frau fürchtet schon den Tag, an dem sie uns verlässt. Ohne sie würde die Schule nicht mehr das sein, was sie jetzt ist. Wir bewundern alle, mit welcher Energie sie den Schulbetrieb aufrechterhält. Und dann der Kampf um die angrenzende Koppel! Jodi hat unermüdlich um Spenden gebeten, bis sie das Stück Land kaufen konnte. Jeremy Driscoll wollte Bauland daraus machen und ist natürlich wütend, dass Jodi es ihm weggeschnappt hat. Sie schätzt Jeremy nicht besonders, aber das wissen Sie wahrscheinlich." Leo hielt es für klüger, den Makler in seinem Glauben zu lassen. Was er eben über Jodis Antipathie gegenüber Jeremy Driscoll gehört hatte, verblüffte ihn und klang äußerst interessant. "Möchten Sie ,Ashton House` vielleicht besichtigen?" erkundigte sich der Makler. Leo wusste, dass er hätte ablehnen sollen. In die unmittelbare Nachbarschaft von Jodi Marsh zu ziehen, war heller Wahnsinn, aber anstatt Nein zu sagen, sagte er Ja. Er erklärte sich sogar bereit, auf der Stelle nach "Ashton House" hinüberzufahren. "Ich bekomme zunehmend den Eindruck, dass Jeremy Driscoll bei seinen Mitmenschen ziemlich unbeliebt ist", meinte er, als sie eine halbe Stunde später vor dem hübschen Gutshaus standen. "Allerdings", bestätigte der Makler. "Obwohl er verheiratet ist, sieht er sich gern als Frauenschwarm. Er hat selten Glück damit, und gerade bei Jodi, die für ihre strengen Grundsätze bekannt ist ... Sie musste ihm wohl sehr deutlich zu verstehen geben, dass seine Annäherungsversuche unerwünscht waren." Leo dachte über diese neue Information nach, während der Makler auf sein eigentliches Thema zu sprechen kam. ",Ashton House` wurde ursprünglich für den jüngeren Sohn eines Landadligen erbaut", erzählte er. "Es steht unter Denkmalschutz und enthält noch die vollständige historische Einrichtung. Ein wahres Juwel, versichere ich Ihnen. Wenn ich das nötige Geld hätte, wäre ich in großer Versuchung, es zu erwerben. Die ältere Dame, die das Haus bewohnt hat, ist vor einigen Wochen gestorben, und ihre Erben möchten unbedingt verkaufen. Das geht aber nicht so schnell, und daher suchen sie einen Mieter, der sich um alles kümmert und für Ordnung sorgt. Wollen wir hineingehen?" Der Makler hatte nicht übertrieben _ das Haus war ein Juwel. Auch Leo spürte die Versuchung, es zu kaufen, aber für immer hierher zu ziehen ... Wie die Dinge lagen, war es günstiger, vorerst die verhältnismäßig niedrige Miete zu zahlen, die von den Erben verlangt wurde. Während sie in die Stadt zurückfuhren, um den Mietvertrag perfekt zu machen, dachte Leo weniger Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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an das Haus, in dem er die nächsten Monate wohnen würde, als an Jodi und das, was der Makler
über sie gesagt hatte.
Warum hielt sie jeder für ein Muster an Tugend und Rechtschaffenheit? So sehr konnte er sich doch
nicht geirrt haben! Er war ein guter Beobachter und verstand es, die Menschen zu beurteilen.
Aber die Zweifel waren geweckt und ließen sich nicht so schnell beiseite schieben. Wenn der Irrtum
nun doch bei ihm lag? Wenn er sich nun doch eine falsche Meinung über Jodi gebildet hatte?
Konnte er das Urteil so vieler verschiedener Menschen missachten und nur auf sich selbst hören?
Irgendwie widerstrebte ihm das.
Wenn sie nur nicht so eindeutig, so unwiderlegbar in seinem Bett gelegen hätte!
"Leo! Haben Sie einen Moment Zeit für mich?"
Leo ging gerade durch die Hotelhalle zum Lift, als er Nigel auf sich zukommen sah.
"Ich würde gern einen Augenblick mit Ihnen sprechen."
Leo sah Jodis Cousin unschlüssig an. Er wirkte etwas verlegen, aber auch sehr entschlossen. Nach
einem raschen Blick auf die Uhr antwortete er: "Meinetwegen. Ich gebe Ihnen zehn Minuten."
"Vielen Dank." Nigels Gesicht entspannte sich. "Ich wollte mit Ihnen über meine Cousine Jodi
reden, die Sie vorgestern Abend kennen gelernt haben."
Leo horchte auf. Das klang ja fast, als fürchtete Nigel, Leo könnte Jodi vergessen haben. Dabei war
sie die einzige Frau, an die er sich sein Leben lang erinnern würde! Doch das brauchte niemand zu
wissen _ schon gar nicht ihr Cousin.
"Meinen Sie die Schullehrerin?" fragte er mit dem Anflug eines Lächelns.
Nigel strahlte. "Genau die. Ich weiß, dass sie keinen sehr guten Eindruck auf Sie gemacht hat. Diese
fixe Idee mit der Fabrik ..."
"Ihre Cousine weiß ihre Ansichten zu vertreten", unterbrach Leo ihn. "Und sie nimmt mir gegenüber
eine äußerst feindselige Haltung ein."
"Sie dürfen das nicht persönlich nehmen", beteuerte Nigel. "Die Schule bedeutet ihr eben alles. Sie
hat ihre ganze Zeit und Kraft dafür geopfert. So ist sie nun mal. Lahmen Enten und hoffnungslosen
Fällen kann sie nicht widerstehen. Schon als Kind musste sie immer jemanden bemuttern. Sie ist
neulich etwas über das Ziel hinausgeschossen, aber sie hatte nicht erwartet, Sie bei den Johnsons zu
treffen. Nachdem sie am Abend zuvor ins Hotel gekommen war, um Ihnen ihr Problem vorzutragen
..."
Nigel verstummte und sah verlegen zur Seite. Er hatte zu viel gesagt, aber es war zu spät, die Worte
zurückzunehmen. Leo kam einen Schritt näher und fragte scharf: "Würden Sie mir die letzte
Bemerkung bitte genauer erklären?"
Nigel hatte keine Wahl. Er musste Jodis Plan verraten und am Ende zugeben, dass sie im letzten
Moment kalte Füße bekommen und das Hotel wieder verlassen hatte.
Leo wartete, bis Nigel zu Ende gebeichtet hatte. "Sie behaupten, dass Ihre Cousine mich in meiner
Suite aufsuchen wollte, um mir von der Schule zu erzählen und mich zu bitten, die Fabrik nicht zu
schließen?" fragte er dann ungläubig.
Nigel nickte. "Ich hätte ihr bei dem Plan nicht helfen dürfen", gab er kleinlaut zu. "Graham wird mir
wahrscheinlich die Hölle heiß machen, aber ich konnte Jodi nicht einfach im Stich lassen. Sie
kennen sie nicht gut genug, sonst würden Sie das verstehen."
Leo verstand inzwischen sehr viel mehr _ zum Beispiel, warum Jodi in seiner Suite gewesen war.
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Aber gleich in seinem Bett? Hatte sie den übel zusammengepanschten Fruchtcocktail bestellt, um sich Mut anzutrinken, und dann nicht rechtzeitig aufgehört? "Jodi müsste mal ausspannen", fuhr Nigel fort, während Leo diese Überlegungen anstellte. "Sie hat sich im Kampf um die Schule völlig verausgabt. Erst musste sie den Lehrplan verbessern, um neue Schüler zu gewinnen, und dann begann der Kampf mit Jeremy Driscoll, der ihr die Koppel wegnehmen wollte, die als Sport- und Spielplatz für die Schule so wichtig ist." "Ich habe davon gehört", bestätigte Leo. "Jeremy war wütend, als Jodi genug Spendengelder hatte, um die Koppel zu kaufen. Er ist jetzt ihr erbitterter Feind, und sie sollte sich vor ihm in Acht nehmen. Übrigens ist Jeremy hier nicht sehr beliebt." Nigel verzog das Gesicht. "Jodi kann ihn nicht ausstehen, und das nehme ich ihr nicht übel." Leo runzelte nachdenklich die Stirn. Nigel Marsh war jetzt der Zweite, der ihm von Jodis Abneigung gegen Jeremy Driscoll erzählte. Vielleicht hatte er sich wirklich in ihr geirrt. Das erklärte einiges, nur nicht ihr bereitwilliges Entgegenkommen im Bett. Wenn er berücksichtigte, wie alle anderen über sie sprachen, passte dieses Verhalten einfach nicht zu ihr. So wie sein Verhalten nicht zu ihm gepasst hatte, wenn er ehrlich war. "Ich weiß, dass Jodi neulich Abend zu weit gegangen ist", erklärte Nigel noch einmal, "aber ihre Gründe sind nicht von der Hand zu weisen. Ohne die Fabrik ..." "Müsste ihre kostbare Schule vielleicht schließen", beendete Leo den Satz. "Wir sind ein verhältnismäßig armer ländlicher Bezirk", fuhr Nigel fort, "und könnten so viele verlorene Arbeitsplätze nicht ersetzen. Die Leute müssten wegziehen, um anderswo Arbeit zu finden, und dann wäre die Schule wieder da, wo sie war, als Jodi die Leitung übernahm. Dabei handelt sie ausschließlich für andere. Das Wohl ihrer Mitmenschen liegt ihr weit mehr am Herzen als ihre eigene Karriere." Nigel zögerte und gab sich dann einen Ruck. "Ich weiß zufällig, dass sie ein sehr gutes Angebot von einer namhaften Privatschule hat. Sie würde dort wesentlich mehr verdienen, und ihre Kinder _ sollte sie welche haben _ könnten die Schule kostenlos besuchen." "Trägt sich Ihre Cousine mit dem Gedanken zu heiraten?" fragte Leo mit seltsamem Unterton. Nigel schüttelte den Kopf, er schien die Frage ganz normal zu finden. "O nein. Jodi ist sehr wählerisch und lässt sich nicht auf flüchtige Bekanntschaften ein. Das ist nicht ihr Stil. Sie wartet, bis sie den Mann findet, der ihr wirklich etwas bedeutet." "Also doch eine Karrierefrau?" "Sie liebt ihre Arbeit", gab Nigel zu und wechselte dann rasch das Thema. "Ich habe schon zu viel von Ihrer Zeit in Anspruch genommen. Hoffentlich verübeln Sie mir nicht, dass ich ein gutes Wort für Jodi einlegen wollte." Leo zuckte die Schultern. "Ich bin Halbitaliener. Familienloyalität gehört zu meinem Erbe." Damit sagte Leo die Wahrheit, und wenn er ehrlich war, bewunderte er Nigel für die beherzte Verteidigung seiner Cousine. Doch einige Fragen waren noch offen, die nur ein Mensch beantworten konnte _ Jodi selbst. Würde sie dazu bereit sein? Und noch etwas anderes quälte Leo. War es klug, diese Fragen zu stellen? Riskierte er dadurch nicht, in ein noch engeres Verhältnis mit Jodi zu geraten? Leo verabschiedete sich von Nigel und fuhr mit dem Lift zu seiner Suite hinauf. Fast hätte er laut Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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über sich gelacht. Es war kaum möglich, dass zwei Menschen in ein noch engeres Verhältnis gerieten als er und Jodi.
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Kapitel 6 Jodi schloss die Augen und atmete die warme, weiche Abendluft in vollen Zügen ein. Seit drei Tagen hatte sie Leo Jefferson nicht gesehen, aber aus ihren Gedanken war er nicht so leicht zu vertreiben. Dabei gab es wichtigere Dinge, auf die sie sich konzentrieren musste. Zum Beispiel auf das Sportfest der Schule, über das vor zwei Tagen in der Kuratoriumssitzung verhandelt worden war, und auf die geplante Demonstration vor der Fabrik, für die Jodi ihre Unterstützung zugesagt hatte. Die unsichere Zukunft der Arbeiter und ihrer Familien wirkte sich immer ungünstiger auf die Stimmung in der kleinen Dorfgemeinde aus. Jodi hatte Nigel gefragt, ob er schon Genaueres über das Schicksal der Fabrik wüsste, aber er hatte ihr nichts sagen können. "Leo Jefferson ist nach London gefahren und hat dort viel zu tun", war seine einzige Antwort gewesen. Es gab zwar Neuigkeiten über Jeremy Driscoll, aber die musste Nigel aus beruflichen Gründen für sich behalten. Es hieß, dass man wegen Unregelmäßigkeiten in der Buchführung und falscher Produktionszahlen Anklage gegen Jeremy erheben würde. Es gab zu viele Lücken und Unstimmigkeiten, für die sich keine andere Erklärung finden ließ. Nigel hatte auch gehört, dass Jeremy Betriebsangehörige des Diebstahls bezichtigte, um die Unstimmigkeiten zu erklären. Er hatte sogar Verluste bei der Versicherung gemeldet, aber sie reichten den Behörden nicht mehr als Erklärung, und auch Leo bezweifelte inzwischen, dass man ihm bei der Übernahme der Fabrik saubere Bilanzen vorgelegt hatte. Jodi stieg weiter den schmalen Weg bergan, der zu einem ihrer Lieblingsplätze führte _ nach "Ashton House", dem bezaubernden Gutshaus aus der Zeit König Georgs V., das außerhalb des Dorfs in einem Park lag. Direkt über ihr trällerte eine Schwarzdrossel. Die Arbeiter hatten auf ihrer gestrigen Versammlung beschlossen, dass die Demonstration am nächsten Vormittag stattfinden sollte. Jodi wollte nach Schulschluss dazukommen. Sie hatte schon als Studentin für verschiedene gute Zwecke demonstriert, aber sie verabscheute Gewalt. Das hatte sie während der Versammlung mehr als deutlich gemacht. "Ich denke, in dem Punkt sind wir uns einig", hatte eine Mutter im Namen aller zugestimmt. "Es wäre schön, wenn wir nicht zu solchen Maßnahmen greifen müssten. Wir haben immer wieder versucht, Leo Jefferson zu einem Gespräch zu bewegen, aber er hält ein Treffen zu diesem Zeitpunkt für ungünstig." Jodi schloss für einen Moment die Augen. Sie hatte Leo seit drei Tagen nicht gesehen, aber das bedeutete durchaus nicht ... Schnell senkte sie den Blick. Sie musste die Träume vergessen, die sie Nacht für Nacht heimsuchten und beunruhigten. Träume, in denen sie wieder in der Hotelsuite war, in Leos Bett, in seinen Armen. Aber diese Träume bedeuteten nichts, schon gar nicht, dass sie sich nach einer Wiederholung dieser Nacht sehnte. Erst gestern war sie stöhnend aufgewacht _ mit Leos Namen auf den Lippen! Auch das bedeutete nichts. Und die Sehnsucht nach ihm, die sie wie einen körperlichen Schmerz fühlte, wenn sie sich nicht zusammennahm? Und die Erinnerung an die heißen, leidenschaftlichen Küsse? Einbildung. Nichts als Einbildung ihrer Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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überreizten, fiebernden Fantasie. Leo stutzte. Auf dem Weg, der an der äußeren Parkmauer von "Ashton House" entlanglief, näherten sich Schritte. Er war erst an diesem Morgen offiziell eingezogen und machte jetzt einen Rundgang durch den Park. Wie er bereits festgestellt hatte, würde viel liebevolle Pflege notwendig sein, um ihm seine alte Schönheit zurückzugeben. Die letzten Tage hatte Leo in London verbracht, vorwiegend bei Geschäftsbesprechungen, die die Übernahme der Driscollschen Fabriken und ihre Zukunft zum Thema hatten. Wie es schien, wollten sich jetzt auch die Behörden einschalten, weil es unter Jeremy Driscolls Leitung im Frampton-Werk zu größeren finanziellen Unregelmäßigkeiten gekommen war. Falls Leo Frampton nicht stilllegte, musste er vor allem entscheiden, was mit den drei anderen Fabriken geschehen sollte. Eine war so veraltet und produzierte so unrentabel, dass nur eine Schließung infrage kam. Newham konnte verkauft oder in ein Verteilerzentrum umgewandelt werden. Blieb noch die vierte Fabrik ... Der Spaziergänger musste jetzt jeden Moment hinter dem Gartentor auftauchen, an dem der Weg vorbeiführte. Leo wartete gespannt, und dann erkannte er sie ... Jodi Marsh. Jodi sah ihn im selben Moment und blieb wie angewurzelt stehen. Wie kam Leo Jefferson in den Park von "Ashton House"? Er hatte hier nichts zu suchen. Das war ihr Haus. Seit sie es zum ersten Mal gesehen hatte, träumte sie davon, es eines Tages zu besitzen. Jodi wollte weitergehen, aber Leo hatte das Tor bereits geöffnet und verstellte ihr den Weg. "Ich würde gern mit Ihnen sprechen", sagte er nicht gerade freundlich. Jodi sah ihn abweisend an. Ob er spürte, wie schnell ihr Herz klopfte und wie mühsam sie um ihre Fassung kämpfte? "Das mag sein, aber ich möchte nicht mit Ihnen sprechen!" Lügnerin! flüsterte ihr Gewissen. Du willst mit ihm sprechen, aber nicht nur das ... Die Angst, etwas von ihren Gefühlen zu verraten, trieb Jodi vorwärts, aber sie kam nicht weit. Leo fasste sie am Arm und zog sie sanft, aber unnachgiebig durch das Tor in den Garten. Sie war schon einmal in diesem Garten gewesen. Wie heute Leo, hatte die alte Dame sie vorbeikommen sehen und zu einer Besichtigung eingeladen. Jodi wusste noch genau, wie traurig sie über den vernachlässigten Zustand des Gartens gewesen war und wie sehr sie sich gewünscht hatte, seine ehemalige Schönheit neu zu erwecken. Ein unerfüllbarer Wunsch, wie sie sich schon damals gesagt hatte. Haus und Garten zu restaurieren musste ein Vermögen kosten. Jodi würde in ihrem ganzen Leben nicht genug Geld dafür haben _ im Gegensatz zu Leo Jefferson. Seine finanziellen Mittel reichten offenbar aus. "Würden Sie mich bitte loslassen?" fragte sie aufgebracht, als Leo das Tor schloss und sie tiefer in den Garten führte. Gleich darauf errötete sie, denn er sah sie auf eine Weise an, die verwirrende Erinnerungen in ihr wachrief. Ein Wort über das, was sie unter Einfluss von Alkohol und sinnlicher Erregung vielleicht zu ihm gesagt hatte ... Zu ihrer Erleichterung begnügte sich Leo damit, sie anzusehen. Erst nach einer Weile fragte er: "Was wollten Sie in meiner Suite?" Jodi war wie vor den Kopf geschlagen. Eine so direkte Frage hatte sie nicht erwartet, und es dauerte eine Weile, bis sie darauf reagieren konnte. "Wenn es nach Ihnen geht, war ich da, um ..." Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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Leo schüttelte den Kopf. "Sie sollen mir nicht sagen, was ich gedacht habe, Jodi. Ich will Ihre
Darstellung hören."
Ihre Darstellung? Das überraschte sie, aber es kam zu spät. "Was spielt das jetzt noch für eine
Rolle?"
"Eine große, wenn ich Ihrem Cousin glauben darf. Er behauptet, Sie wären da gewesen, um mich zu
bitten, die Fabrik nicht zu schließen."
"Nigel hat mit Ihnen gesprochen?" fragte Jodi beunruhigt.
Leo nickte.
"Ich habe ihm gleich gesagt, dass es eine dumme Idee war, aber er wollte nicht hören. Anfangs
glaubte ich, er hätte an ein Gespräch in der Hotelhalle gedacht, aber dann zeigte er mir stolz die
Keycard."
"Mit der Sie sich Zugang zu der Suite verschafften, um auf mich zu warten", ergänzte Leo. "Als es
Ihnen zu lange dauerte, bestellten Sie sich einen Drink."
"Nein, so war es nicht." Jodi widersprach so heftig, dass Leo ihr instinktiv glaubte. "Ich hätte mir nie
etwas bestellt, ohne dafür zu bezahlen. Nigel bot mir an, ein Getränk hinaufzuschicken, weil ich
über Durst klagte. Er glaubte, etwas ohne Alkohol zu bestellen, aber ..."
"Aber das Ergebnis war ein stark mit Alkohol angereicherter Fruchtcocktail", ergänzte Leo
abermals.
Jodi sah ihn feindselig an. "Welchen Sinn hat es, jetzt noch darüber zu sprechen?"
"Die Wahrheit zu ergründen ist immer sinnvoll, Jodi. Also weiter. Während Sie auf mich warteten,
tranken Sie von dem Cocktail und dann ..."
Jodi hatte endgültig genug. "Ich möchte nicht mehr darüber sprechen, und Sie können mich nicht
dazu zwingen."
"Und dann gingen Sie mit mir ins Bett", erinnerte Leo sie unbarmherzig. "Soweit ich mich erinnere,
war das ..."
"Gar nichts", unterbrach Jodi ihn hitzig. "Abgesehen davon sind Sie mit mir ins Bett gegangen. Ich
lag schon darin und schlief."
"In meinem Bett, Jodi, und Sie ..." Leo schwieg. Das Gespräch nahm eine falsche Wendung, und das
wollte er nicht. "Hören Sie, Jodi. Offenbar habe ich Sie falsch beurteilt ... oder Ihnen doch falsche
Gründe für Ihre Anwesenheit unterstellt. Wir sollten daher in aller Ruhe darüber sprechen."
"Es gibt nichts mehr zu besprechen", erklärte Jodi abweisend.
Mochte Leo ihre Anwesenheit in der Suite falsch beurteilt haben, mochte er sogar bereit sein, das
zuzugeben ... für sie änderte sich nichts an dem, was sie getan hatte und was seitdem ihr Gewissen
belastete.
"Die ganze Sache ist nicht wichtig genug", fügte sie hinzu, um das peinliche Gespräch endgültig zu
beenden, aber zu ihrem Ärger hielt Leo beharrlich daran fest.
"Für Sie mag es unwichtig sein, aber nicht für mich", erklärte er schroff. "Ich pflege nämlich nicht
wahllos mit unbekannten Partnerinnen zu schlafen."
Wahllos! Unbekannt! Jodi zuckte bei den Worten beinahe zusammen. Würden diese Demütigungen,
die sie sich selbst zuzuschreiben hatte, denn niemals aufhören?
"Nur zu Ihrer Information!" entfuhr es ihr. "Ich schlafe auch nicht wahllos mit unbekannten
Partnern. Mehr noch, ich ..."
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Sie schwieg, während ihr das Blut heiß ins Gesicht stieg. Nein, das durfte sie ihm nicht sagen! Er würde nur neue Fragen stellen, und sie hatte schon zu viele beantwortet. Sollte sie ihm vielleicht gestehen, was sie bei seinem ersten Anblick in der Hotelhalle empfunden hatte? Manche Leute hätten es vielleicht Liebe auf den ersten Blick genannt, aber sie _ Jodi Marsh _ war aus härterem Holz geschnitzt. Sie war eine nüchterne, realistische und modern denkende Frau, für die solcher Unsinn nicht infrage kam! Leo konnte nicht erraten, was in ihr vorging. Sein Blick hing unverwandt an ihren Lippen, die so zart und süß waren. Er wollte sie küssen, aber Jodi hatte sich schon umgedreht und ging auf das Gartentor zu. Sollte er sie bitten zu bleiben? Ein Rest von gesundem Menschenverstand hinderte ihn daran. Sie wollte nicht bleiben, nicht wie in jener Nacht, als das Verlangen sie zueinander getrieben hatte. "Jodi?" Er machte einen letzten Versuch, sie aufzuhalten, aber wie er gefürchtet hatte, schüttelte sie den Kopf. "Nein, bitte nicht. Ich ..." Weiter kam sie nicht, denn Leo fasste sie von hinten, riss sie heftig in seine Arme und drückte sie an sich. Umsonst wehrte sie sich gegen seinen Mund, der ihren suchte. Sein heißer, leidenschaftlicher Kuss erstickte jeden Protest. Sie glaubte zu schwanken, die Besinnung zu verlieren, und anstatt ihn zurückzustoßen, drängte sie sich dichter an ihn. Irgendwo in ihr erhob sich eine warnende Stimme, aber sie hörte nicht darauf. Leo küsste sie, und dieses Glück, diese Seligkeit wollte sie sich nicht stören lassen. Leo spürte, dass sie ihren Widerstand aufgab und sich weich und hingebungsvoll an ihn schmiegte. Ihre Nachgiebigkeit erregte ihn so, dass er sie beinahe auf die Arme genommen und direkt in sein Schlafzimmer getragen hätte. Ein kleiner Vogel, der über ihnen zu zwitschern begann, brachte Jodi zur Besinnung. Blass und am ganzen Körper zitternd, löste sie sich aus Leos Armen. Wie hatte es so weit kommen können? Ihr brannten die Lippen, und sie wollte sie mit der Zungenspitze befeuchten, aber nur Leo hätte den Brand löschen können. Jodis ganzer Körper schmerzte vor unerfülltem Verlangen, und sie schämte sich, weil sie die Beherrschung verloren hatte. "Kommen Sie mir nie wieder zu nah!" stieß sie, halb schluchzend, hervor. "Nie, nie wieder!" Sie lief zum Gartentor, riss es auf und floh von dem Ort ihrer Erniedrigung. Noch immer bebend, erreichte sie ihr schützendes Heim. Das Gerücht, "Ashton House" habe einen neuen Mieter, war auch bis zu ihr gedrungen, aber wie hätte sie ahnen können, dass Leo Jefferson dieser Mieter war? Warum musste er ausgerechnet hierher ziehen? Was wollte er in Frampton? Es war Jodi, als hätte er von ihrem ganzen Wesen, von ihrem Leben und sogar von ihrer Zukunft Besitz ergriffen. Lustlos ging sie in die Küche, um das Abendessen zuzubereiten. Nigel hatte sie am Nachmittag angerufen und zum Dinner eingeladen, aber sie hatte abgesagt _ angeblich aus Zeitmangel. In Wirklichkeit fürchtete sie, in einem redseligen Moment die für morgen geplante Demonstration zu verraten. Nicht, dass sie etwas Illegales vorhatten, aber sie kannte Nigel. Er würde Einwände gegen die Demonstration und vor allem gegen ihre Teilnahme erheben. Jodi liebte ihren Cousin sehr. Sie standen sich in vieler Hinsicht so nah wie Geschwister, und sollte Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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Nigel je erfahren, was sie mit Leo Jefferson erlebt hatte, würde er tief verletzt sein und sie nicht verstehen. Jodi verstand sich ja selbst nicht. Sie litt unter der Erinnerung, aber die größte Pein bereiteten ihr die Träume, in denen sie alles noch einmal durchlebte und mit jedem Mal mehr genoss. Sie versuchte, sich auf das Abendessen zu konzentrieren, obwohl sie keinen Hunger hatte. Zumindest nicht auf Essen. Vorhin, als sie mit Leo im Garten gestanden hatte, war sie vor Hunger nach ihm fast vergangen ... Leo fuhr aus dem Schlaf auf und wusste zuerst nicht, wo er war. Er hatte von Jodi geträumt, und das nicht zum ersten Mal. Vorsichtig tastete er nach der Nachttischlampe und schaltete sie ein. Er war in seinem neuen Schlafzimmer in "Ashton House", das vor kurzem frisch gestrichen worden war und noch schwach nach Farbe roch. Leo stand auf, tappte barfuß zum Fenster und zog die Vorhänge auf. Unter ihm lag der mondhelle Garten. Der Traum von Jodi war beunruhigend gewesen. Er hatte ihn an etwas erinnert, das bisher halb im Dunkel geblieben war und plötzlich deutlicher Gestalt annahm. Bildete er es sich nur ein, oder hatte etwas an Jodi darauf hingedeutet, dass er ihr erster Liebhaber gewesen war? Nein. Es war absurd, so etwas auch nur zu denken. Völlig absurd. Sie war so unverkrampft, so leidenschaftlich gewesen ... Und wenn ihm der Traum nun doch den richtigen Hinweis gegeben hatte? Wenn sie nicht nur aus Unerfahrenheit Alkohol getrunken hatte, sondern auch sonst unerfahren gewesen war? Leo zögerte. Selbst in Gedanken fiel es ihm schwer, das Wort "Jungfrau" zu benutzen. Nein, er musste sich irren. Jodi hatte etwas gesagt ... aber was? "Tut mir Leid, lieber Fremder. Bevor du mit mir geschlafen hast, war ich noch Jungfrau." Leo stieß einen verächtlichen Laut aus. Nein, das war nicht Jodis Stil. Dazu war sie zu unabhängig und viel zu stolz. In keinem Augenblick hatte sie vorgeschlagen, sich zu schützen, und er selbst war viel zu beteiligt und auch nicht vorbereitet gewesen, um dafür zu sorgen. Was bedeutete ... An Schlaf war jetzt nicht mehr zu denken. Was seine und Jodis Gesundheit betraf, so war bestimmt jede Sorge überflüssig, zumal er jetzt die Wahrheit über sie zu wissen glaubte. Aber eine ungewollte Schwangerschaft ...? Er musste unverzüglich mit ihr sprechen und sich die Antworten auf seine Fragen holen. Leo schloss die Augen und zwang sich, alles noch einmal zu erleben. Das erforderte keine große Mühe, denn es geschah nicht zum ersten Mal. Er hatte die Stunden mit Jodi in Gedanken schon oft durchlebt, aber diesmal war er aufmerksamer und suchte nach Zeichen, die er vielleicht übersehen hatte. Er erinnerte sich noch gut an die beglückende Nähe, die er in ihren intimsten Momenten empfunden hatte, an das Gefühl, ganz fest von Jodi umschlossen zu sein. Aber sie hatte nichts gesagt, nicht die kleinste Andeutung gemacht ... Was hatte sie sich eigentlich dabei gedacht? Zorn überkam Leo, als hätte sie sich mutwillig seinem Schutz entzogen. Schließlich war sie Lehrerin. Eine Lehrerin handelte verantwortungsvoller! Falls Jodi wirklich noch Jungfrau gewesen war, erschien alles in einem völlig neuen Licht. Vielleicht floss mehr italienisches Blut in seinen Adern, als er bisher angenommen hatte, denn ihn erfassten ein unbändiger Wunsch zu beschützen und ein grenzenloser Stolz. Weil er Jodis erster Liebhaber gewesen war? Weil sie jetzt vielleicht ein Kind von ihm erwartete? Dann war er Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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primitiver, als er angenommen hatte.
Seine Mutter würde natürlich überglücklich sein. Ein Enkelkind und eine Schwiegertochter, die sie
mit offenen Armen empfangen und stolz bei ihren italienischen Verwandten herumzeigen konnte.
Hatte sie ihren scherzhaft angedeuteten Plan am Ende ausgeführt? War sie zu der Wahrsagerin im
Nachbardorf gegangen, um einen Liebeszauber für ihn zu erwirken?
Leo nahm sich zusammen. Es gab nur einen Menschen, der für diese schwierige Situation
verantwortlich war, und das war er selbst. Er hätte Jodi widerstehen müssen. Sie war eine kleine,
zierliche Frau, die höchstens hundertzwanzig Pfund wog. Ein großer, kräftiger Mann wie er hätte in
der Lage sein müssen, ihr Einhalt zu gebieten _ wenn er gewollt hätte.
Aber er hatte nicht gewollt.
Sei nicht zu hart gegen dich, verteidigte er sich selbst. Sie war da ... warm, sehnsüchtig, bereitwillig
und unwiderstehlich.
Leo verzog das Gesicht, als er merkte, wie eindeutig sein Körper noch in der Erinnerung reagierte.
Er sehnte sich nach Jodi. Er begehrte sie, wie er noch nie eine Frau begehrt hatte.
Du liebe Güte, wie verzweifelt er sie begehrte!
Jodi stöhnte leise im Schlaf. Ihre Lippen formten Leos Namen, und plötzlich war sie hellwach.
Wieder einmal stürmte die Wirklichkeit auf sie ein und ließ die süßen Traumerinnerungen in der
dunklen Nacht versinken.
Wie viel sicherer hatte sie sich gefühlt, als sie für Leo noch eine Unbekannte gewesen war, als er _
aus einem ihr unverständlichen Grund _ angenommen hatte, sie würde mit Jeremy Driscoll
gemeinsame Sache machen.
Jeremy Driscoll. Ein Schauder überlief Jodi. Was für ein abscheulicher Mensch!
Eine Arbeiterin, die morgen auch demonstrieren wollte, hatte beobachtet, wie Jeremy in der Fabrik
aus einem unbenutzten Lagerraum gekommen war und dabei sehr heimlich getan hatte, als wollte er
auf keinen Fall gesehen werden.
Niemand von der Belegschaft mochte Jeremy, und Jodi fragte sich, was er in der Fabrik, die
inzwischen Leo Jefferson gehörte, gewollt hatte. Doch es gab andere Sorgen, die sie ganz persönlich
betrafen.
Heute Abend hatte sie sich in dem kurzen Gespräch mit Leo fast verraten. Dabei durfte er nie
erfahren, dass er sich gründlich in ihr getäuscht hatte, dass sie weder haltlos noch raffiniert, sondern
Jungfrau gewesen war, bevor sie sich in ihrer Naivität entschlossen hatte, mit ihm zu schlafen.
Sobald er die Wahrheit erfuhr, würde er sie fragen, warum sie sich so willenlos zu ihm hingezogen
fühlte. Warum sie der Versuchung, die er für sie bedeutete, einfach nicht widerstehen konnte.
Eine Ausrede gab es. Sie konnte behaupten, ihrer Jungfräulichkeit überdrüssig gewesen zu sein und
alles getan zu haben, um sie loszuwerden. Aber eine innere Stimme sagte ihr, dass Leo das nicht
glauben würde. Dazu war er zu klug und zu scharfsinnig.
Falls er jemals herausfand, wie sie beim ersten Anblick auf ihn reagiert hatte, würde sie auf der
Stelle vor Scham und Verlegenheit sterben. Doch er würde es nicht herausfinden. Es würde für
immer ihr Geheimnis bleiben _ genauso wie ihre verlorene Jungfräulichkeit. Heute Abend hätte sie
sich beinahe verraten, aber sie würde aus diesem Fehler lernen. Er würde sich ganz bestimmt nicht
wiederholen.
Jodi zog die Bettdecke höher. In dem Traum, aus dem sie eben aufgeschreckt war, hatte Leo sie in
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den Armen gehalten, sie gestreichelt und geküsst ... Was war nur mit ihr los? Unreife Teenager hatten so überhitzte erotische Träume. Sie würde nicht wieder von Leo Jefferson träumen. Nie wieder! Leo erfuhr zum ersten Mal von der bevorstehenden Demonstration, als ein örtlicher Sender bei ihm anrief und um eine Stellungnahme bat. Er setzte sich daraufhin selbst ans Telefon und fand in kürzester Zeit heraus, dass die Demonstration der geplanten Schließung der Fabrik galt und gewaltlos sein sollte. Das geplante Treffen mit mehreren Transportunternehmern, die an dem verkehrsgünstig gelegenen Newham-Werk interessiert waren, hinderte Leo daran, sich persönlich den Demonstranten zu stellen. Es war noch nicht spruchreif, aber er hatte sich mehr oder weniger entschlossen, die Fabrik in Frampton nicht zu schließen. Mit Jodi Marsh hatte dieser Entschluss natürlich nichts zu tun. Später rief die Polizei bei Leo an, um ihm mitzuteilen, dass man die Demonstration überwachen würde. Leo bedankte sich und erklärte, dass er volles Vertrauen zu den örtlichen Behörden habe und bestimmt alles friedlich verlaufen würde. Anschließend kehrten seine Gedanken zu Jodi zurück. Würde sie an der Demonstration teilnehmen? Er musste unbedingt mit ihr sprechen. Wenn auch nur die geringste Möglichkeit bestand, dass sie von ihm schwanger war, musste er es so bald wie möglich erfahren.
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Kapitel 7 Jodi sah sich besorgt um. Sie war direkt von der Schule zur Fabrik gekommen und nahm seit einer Stunde an der Demonstration teil. Anfangs war alles ruhig und friedlich verlaufen, und ein Teilnehmer hatte Jodi erzählt, dass Leo Jefferson Verhandlungsbereitschaft zeige und sich für den nächsten Tag zu einem Gespräch bereit erklärt habe. Zur großen Überraschung der Demonstranten war vor etwa einer halben Stunde Jeremy Driscoll auf der Bildfläche erschienen. Er hatte verlangt, mit dem Auto auf das Fabrikgelände fahren zu dürfen, was man ihm einstimmig verweigert hatte. Daraufhin war Jeremy ausgestiegen und hatte sich nach einem kurzen Handgemenge Zutritt zu dem Bürotrakt verschafft. Wenig später war ein Polizeiwagen vorgefahren und hatte in angemessener Entfernung von den Demonstranten Stellung bezogen. Ein Funkwagen mit Reportern und Fotografen war ihm nur Minuten später gefolgt. Die Anwesenheit der Polizei und der Presse wirkte sich ungünstig auf die Stimmung der Demonstranten aus. Ihre Feindseligkeit und Gewaltbereitschaft wuchs spürbar an, wozu noch beitrug, dass Jeremy Driscoll plötzlich aus dem Bürogebäude kam. Ein Arbeiter, den Jeremy bei seiner Ankunft besonders unflätig beschimpft hatte, sah ihn zuerst. "Da kommt Mr. Driscoll!" rief er laut. "Glaubt ihr wirklich, dass euch das Theater etwas nützen wird?" antwortete Jeremy höhnisch. "Leo Jefferson wird die Fabrik schließen, ob es euch gefällt oder nicht." "Er hat versprochen, sich morgen mit uns zu treffen", hielt man ihm entgegen. "Und da denkt ihr nun, er hört auf euch oder eure Argumente? Ihr armen Idioten! Jeffersons Entscheidung ist längst gefallen. Er hält diese Fabrik für unrentabel, und wer wollte ihm das übel nehmen? Eine lausige, unfähige Belegschaft wie ihr! Euretwegen mussten wir den Laden verkaufen. Ihr seid selbst schuld daran!" Jodi konnte sich diese Beleidigungen nicht länger anhören. "Das ist nicht wahr!" rief sie laut und machte Jeremy damit auf sich aufmerksam. "Ha!" spottete er. "Wen haben wir denn da? Aber ich hätte es mir denken können." Jodi war in Jeans und T-Shirt gekommen, und Jeremy ließ seinen Blick lüstern auf ihr ruhen. "Unsre übereifrige Schuldirektorin! Was das Kuratorium wohl dazu sagt? Zumindest Myra Fanshawe wird nicht begeistert sein. Aber am Ende ist das gleichgültig. Wenn die Fabrik schließt, ist auch Ihre kostbare Schule ein für alle Mal erledigt. Dann werde ich mein Bauland doch noch bekommen." Frech grinsend kam Jeremy auf Jodi zu. Einige Demonstranten versuchten ihn aufzuhalten, aber er war stärker als sie. Als er Jodi fast erreicht hatte, drängte sich ein junger Arbeiter dazwischen und stellte sich schützend vor Jodi. Jeremy lachte höhnisch und stieß ihn so brutal beiseite, dass Jodi aufschrie. Der Mann wehrte sich, und plötzlich schien die Hölle losgebrochen zu sein. Alles schrie und schlug aufeinander ein. Die Türen des Polizeiwagens flogen auf, aber für Jodi kam die Unterstützung zu spät. Jeremy hatte sie bereits gepackt und zerrte sie über den Vorplatz der Fabrik. Jodi wehrte sich instinktiv gegen die brutale Gewalt, nicht mehr als Demonstrantin, sondern als Frau. Sie schlug und trat nach Jeremy, aber einem kräftigen Mann wie ihm machte das wenig aus. Er schleifte Jodi bis zum Polizeiwagen und erklärte triumphierend: "Nehmen Sie diese Frau fest, Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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Officer. Sie hat mich tätlich angegriffen. Wahrscheinlich werde ich sie wegen Körperverletzung verklagen." Jodi erklärte sich für unschuldig, aber zwei Polizisten packten sie und stießen sie in den Wagen. Ehe die Tür zugeschlagen wurde, flammten mehrere Blitzlichter auf. Die Fotografen hatten ihre Chance nicht versäumt. Auf der Polizeistation ging es hoch her. Jodi wollte nicht glauben, dass sie das alles persönlich miterlebte. Beinahe wäre ihr schlecht geworden. Sie hatte Kopfschmerzen und fühlte sich gedemütigt und beschmutzt. Auf dem Arm, an dem Jeremy sie gepackt hatte, erschienen dunkelblaue Flecken. Ein streng aussehender Sergeant, den sie nicht kannte, fing an, ihre Personalien aufzunehmen. "Name?" Jodi musste sich erst klar machen, dass sie gemeint war. "Jodi", stotterte sie. "Jodi Marsh." An einer friedlichen Demonstration teilzunehmen, um die Arbeiter zu unterstützen, war eine Sache _ auf der Polizeistation zu landen, um wahrscheinlich verhaftet zu werden, eine andere. Nicht auszudenken, was die meisten Eltern und das Kuratorium dazu sagen würden. Ganz zu schweigen von der Schulbehörde. "Ich bitte um Entschuldigung, Officer." Jetzt werde ich bestimmt ohnmächtig, dachte Jodi, als sie dicht hinter sich Leo Jeffersons Stimme hörte. Der Sergeant wollte den Störenfried festnehmen lassen, aber Leos ruhiges Auftreten flößte ihm Respekt ein. Er unterbrach das Verhör und fragte: "Sie wünschen, Sir?" "Ich bin Leo Jefferson. Mir gehört die Fabrik." "Ihnen, Sir?" Der Sergeant runzelte die Stirn. "Aus meinem Bericht geht hervor, dass ein Mr. Jeremy Driscoll die Ausschreitungen vor der Fabrik gemeldet hat." "Das mag sein, es ändert aber nichts daran, dass ich der Eigentümer der Fabrik bin", antwortete Leo entschieden. "Können Sie mir mitteilen, was im Einzelnen passiert ist, Officer? Soviel ich weiß, haben sich die Demonstranten friedlich verhalten. Ich hatte zugesagt, mich morgen früh mit ihnen zu einem Gespräch zu treffen." "Schön und gut, Sir, aber wir wurden von Mr. Driscoll angerufen. Er forderte unsere Unterstützung an, weil er in der Fabrik festgehalten und bedroht wurde. Kurz nach unserer Ankunft brach ein Tumult aus, und diese junge Dame", der Sergeant deutete auf Jodi, "hat Mr. Driscoll tätlich angegriffen." Jodis Wangen erglühten vor Zorn, als sie diese falsche Beschuldigung hörte. "Ich habe nichts dergleichen getan", verteidigte sie sich heftig. "Mr. Driscoll war der Angreifer. Er hat mich gepackt und über den Vorhof geschleift ..." Tränen überwältigten sie, und sie konnte nicht weitersprechen. "Ich glaube, hier herrscht ein Missverständnis", schaltete sich Leo wieder ein. Jodi hatte nicht den Mut, sich zu ihm umzudrehen, aber sie spürte, dass er dicht hinter ihr stand und sie mit seiner Kraft und Entschlossenheit beschützte. "Zufällig kenne ich Miss Marsh recht gut", fuhr er fort. "Ich hatte sie gebeten, zur Fabrik zu kommen ... sozusagen als meine Beobachterin. Es ist völlig ausgeschlossen, dass sie Mr. Driscoll in irgendeiner Form angegriffen hat." Der Sergeant wurde unsicher. "Meine Kollegen haben einstimmig erklärt, dass Mr. Driscoll die Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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Verhaftung von Miss Marsh gefordert hat", wandte er ein. "Möglicherweise will er sie sogar
strafrechtlich verfolgen."
Jodi schluchzte leise auf.
"Tatsächlich?" fragte Leo schneidend. "Dann wird mir nichts anderes übrig bleiben, als Mr. Driscoll
wegen unbefugten Betretens anzuzeigen. Er hat sich ohne meine Erlaubnis Zutritt zum
Fabrikgelände verschafft, und es dürfte die Behörden außerordentlich interessieren, was er dort
gewollt hat. Es fehlen mehrere Abrechnungsbücher, die zweifellos darüber Aufschluss geben
würden."
Jodis Tränen waren mit einem Schlag versiegt. Sie drehte sich zu Leo um und sagte hastig: "Eine
Arbeiterin hat ihn gestern aus einem unbenutzten Lagerraum kommen sehen." Weiter kam sie nicht,
denn Leo hatte die blauen Flecken auf ihrem Arm entdeckt.
"Ist Driscoll dafür verantwortlich?" fragte er drohend und wandte sich wieder an den Sergeant. "Ich
begreife, dass Sie Miss Marshs Personalien aufnehmen müssen, Officer, aber wären Sie vielleicht
damit einverstanden, sie meiner Obhut zu übergeben? Ich verspreche, dass ich sie nicht aus den
Augen lassen werde."
Der Sergeant betrachtete erst Leo und dann Jodi. Er musste noch andere Fälle bearbeiten, und in
seinem kleinen Gefängnis war keine Zelle frei. Wenn ein Mann wie Leo Jefferson für Jodi gutsagte,
gab es keinen Grund für ihn, sie nicht gehen zu lassen.
"Einverstanden", erklärte er. "Allerdings übernehmen Sie die volle Verantwortung für Miss Marsh
und garantieren mir, dass sie morgen früh aufs Revier kommt, falls Mr. Driscoll auf seiner Anzeige
beharrt."
"Ich gebe Ihnen mein Wort, Officer", antwortete Leo, und ehe Jodi es sich versah, stand sie draußen
in der warmen Abendluft. Sie wollte sich bei Leo bedanken, aber zu ihrem eigenen Kummer wurde
sie aufs Neue von Tränen überwältigt.
"Das ist der Schock", meinte Leo tröstend, während er sie zu seinem Auto führte. "Keine Sorge,
Jodi. Sobald wir zu Hause sind, geht es Ihnen wieder besser."
"Ich ... brauche ... ein Bad", schluchzte sie. "Und etwas Frisches zum Anziehen ..."
"Für das Bad ist gesorgt", antwortete Leo. "Frische Kleidung müssen wir unterwegs bei Ihnen
abholen."
"Unterwegs?" Jodi sah wie durch einen Schleier, dass Leo ihren Sicherheitsgurt schloss. "Ich möchte
in meinem Cottage bleiben."
"Ich fürchte, das geht nicht. Der Sergeant hat Sie meiner Obhut übergeben, und ich muss Sie morgen
früh wieder aufs Revier bringen."
"Ich kann unmöglich bei Ihnen bleiben", protestierte Jodi.
"Tut mir Leid, Jodi." Leos Stimme klang sanft und freundlich. "Das müssen Sie."
"Ich habe Jeremy nicht angegriffen", versuchte sie sich zu verteidigen. "Er war derjenige ..."
"Wenn er Sie verletzt hat, kann er was erleben. Hat er, Jodi?"
Die unerwartet heftige Frage löste bei Jodi einen neuen Tränenstrom aus, und Leo verwünschte
seine Unbeherrschtheit. Er wollte Jodi beschützen und nicht erschrecken. Sie hatte für einen Tag
genug erlebt.
"Sollte die Demonstration nicht friedlich verlaufen?" fragte er, während sie zu Jodis Cottage fuhren.
"Sie war friedlich", beteuerte Jodi, "bis Jeremy die Demonstranten absichtlich beleidigte. Danach
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geriet alles außer Kontrolle. Stimmt es, dass eine Untersuchung gegen ihn läuft?"
"Ja", antwortete Leo, "aber Sie sollten davon besser noch nichts wissen."
Jodi wollte ohnehin nicht über Jeremy sprechen und fragte stattdessen: "Wieso waren Sie auf dem
Revier?"
"Ich hörte von der Demonstration und wollte mich den Teilnehmern persönlich stellen. Leider
konnte ich erst kommen, als sich die letzten Demonstranten gerade zerstreuten. Von ihnen erfuhr
ich, dass man Sie verhaftet und zum Polizeirevier gebracht hatte."
"Das war alles Jeremys Schuld. Er wollte sich wegen der Koppel an mir rächen."
Leo nickte. "Das würde zu ihm passen, aber nun genug davon."
Sie hielten vor dem Cottage, und Leo bestand darauf, mit hereinzukommen und zu warten, bis Jodi
die notwendigsten Sachen in eine Tasche gepackt hatte. Es war ihr nicht recht, so beobachtet zu
werden, aber in ihrem geschwächten Zustand konnte sie wenig dagegen tun.
Jeremy Driscolls öffentlicher Angriff hatte sie an einer schwachen Stelle getroffen. Plötzlich war ihr
wieder eingefallen, dass er sie nach ihrem Sieg in der Grundstücksaffäre schon einmal bedroht hatte.
"Warten Sie nur ab", hatte er sie angezischt. "Dafür bekommen Sie noch die Quittung. Oder glauben
Sie, dass ich mich von einer kleinen Dorfschullehrerin austricksen lasse?"
Jodi hatte das nicht ernst genommen und auch nicht auf Nigels Warnungen gehört. Jetzt wusste sie,
was für ein gemeiner, hinterhältiger und rachsüchtiger Mann Jeremy war.
Sie gab es nicht gern zu, aber nach allem, was sie heute erlebt hatte, würde sie in "Ashton House"
weitaus ruhiger schlafen als in ihrem Cottage.
"Wann haben Sie zum letzten Mal etwas gegessen?"
Leo schloss die geschnitzte Eingangstür von "Ashton House" auf und schob Jodi sanft in den Flur.
Die Frage verwirrte sie. Sie hatte, wenn auch nicht mit offener Feindseligkeit, so doch mit
unangenehmen Fragen gerechnet. Dass Leo an erster Stelle um ihr persönliches Wohl besorgt sein
würde, hätte sie niemals erwartet. Die Entdeckung beunruhigte sie, wie es sie auch beunruhigte, dass
sie sich so bereitwillig seiner Fürsprache überlassen hatte. Er hatte sie beschützt, sich mit seiner
ganzen Autorität für sie eingesetzt. Es war wie eine Erlösung gewesen.
"Um die Mittagszeit", antwortete sie automatisch, während sie weiter ihren eigenen Gedanken
nachhing. "Aber ich bin nicht hungrig."
"Das liegt an dem Schock", erklärte Leo fürsorglich. "Zur Küche geht es hier entlang."
Unter normalen Umständen wäre Jodi überglücklich gewesen, "Ashton House" endlich auch von
innen kennen zu lernen, aber die Ereignisse des Tages hatten sie so abgestumpft, dass sie kaum
etwas aufnehmen konnte.
Leo hatte Recht, sie stand immer noch unter Schock. Aber genügte das als Grund dafür, dass sie so
apathisch war und ihn alle Entscheidungen treffen ließ? Wie eine Puppe ließ sie sich in die Küche
bringen und auf einen Stuhl setzen, während er nacheinander die Schränke öffnete, um für ein
Abendessen zu sorgen.
"Nur ein leichter Imbiss", versprach er, "der Ihnen helfen wird einzuschlafen."
Das Rührei, das er in wenigen Minuten zauberte, war so leicht und locker, dass sogar Jodi Appetit
bekam.
"Ich wusste nicht, dass Konzernchefs auch kochen können", meinte sie nach den ersten Bissen.
Leo überhörte das Lob und sagte: "Ich will Sie nicht ärgern, Jodi, aber ich fürchte, Sie müssen in
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meinem Zimmer schlafen. Es ist das einzige voll eingerichtete Schlafzimmer. Ich selbst kann unten auf der Couch schlafen." "Nein!" entfuhr es Jodi, ohne dass sie zu überlegen brauchte. In Leos Bett schlafen? Das würde Erinnerungen wachrufen, die am besten für immer vergessen blieben. Leo blieb trotz ihrer Weigerung so ruhig wie bisher. "Schon gut, Jodi. Ich kann mir vorstellen, was Sie denken, aber Sie können ganz unbesorgt sein." Jodi wurde unbehaglich zu Mute. Wie konnte Leo wissen, was sie dachte? Und wenn er es wusste ...? Während sie noch nach einer vernünftigen Antwort suchte, fuhr er fort: "Die beiden Putzfrauen, die ich eingestellt habe, waren heute hier und haben bestimmt die Bettwäsche gewechselt." Jodi verschluckte sich fast an ihrem Bissen, so erleichtert war sie. Sie hatte Leo missverstanden. Er wusste nicht, welche glühenden Bilder ihr die Fantasie bei der Erwähnung seines Schlafzimmers vorgegaukelt hatte. Das gab ihr Zeit, sich zu fassen und daran zu erinnern, dass sie eine vernünftige, erwachsene Frau war. "Ich kann unmöglich in Ihrem Bett schlafen", erklärte sie in einem Ton, der entschieden wirken sollte. "Warum nicht?" Leo sah sie lächelnd an und fuhr dann zu ihrem Entsetzen fort: "Wir wollen doch nicht vergessen, dass Sie das schon einmal getan haben." Jodi wurde blass und gleich darauf dunkelrot. Ihre Hand, mit der sie den Teebecher hielt, den Leo ihr hingestellt hatte, begann so zu zittern, dass sie die andere zu Hilfe nehmen musste, um nichts von der Flüssigkeit zu verschütten. Eine peinliche, völlig übertriebene Reaktion, aber sie konnte einfach nichts dagegen tun. Leos scherzhafte Bemerkung hatte sie nicht nur verlegen gemacht, sondern noch mehr gedemütigt, wie sie an den aufsteigenden Tränen spürte. Leo schien die Wirkung seiner Worte zu bedauern, denn er zögerte nicht mit einer Entschuldigung. "Es tut mir Leid", sagte er. "Das war nicht fair von mir." Er betrachtete Jodis angespanntes Gesicht und stellte verwundert fest, wie sehr sich seine Einstellung zu ihr geändert hatte. Nichts wünschte er jetzt weniger, als sie zu verletzen oder zu kränken, aber einige Dinge mussten noch geklärt werden. Er hatte das Gespräch nicht bewusst in diese Richtung gelenkt, aber da das Thema nun einmal angesprochen war, konnte er vielleicht das Beste daraus machen und ihr seine Sorgen mitteilen. "Ich weiß, dass dies kein sehr glücklich gewählter Zeitpunkt ist, Jodi", begann er vorsichtig, "aber wir müssen uns endlich einmal aussprechen." Jodi stellte ihren Teebecher vorsichtig auf den Tisch. "Haben Sie mich deswegen hierher gebracht?" fragte sie so frostig, wie es ihr möglich war. "Um mich ins Kreuzverhör zu nehmen? Glauben Sie, dass ich meine Freunde verrate, nur weil Sie mich vor einer Nacht im Gefängnis bewahrt haben? In dem Fall möchte ich Sie bitten, mich umgehend zurückzufahren und ..." "Jodi, bitte", unterbrach Leo sie mit mühsam bewahrter Geduld. "Ich möchte weder über die Fabrik noch über die Demonstration mit Ihnen sprechen." Jodi schwieg misstrauisch, und Leo fragte sich, ob sie auch nur ahnte, dass es im Moment nur einen Menschen und ein Problem für ihn gab _ nämlich sie. Alles andere war daneben bedeutungslos geworden. "Ich habe für morgen ein Treffen mit dem Betriebsrat vereinbart", fuhr er fort. "Man will sich Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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anhören, was ich über die Zukunft der Fabrik zu sagen habe, und dann werden wir darüber diskutieren." "Das habe ich gehört." Jodi fühlte sich plötzlich so erschöpft, dass sogar das Denken zu einer übermenschlichen Anstrengung wurde. "Worüber möchten Sie dann mit mir sprechen?" Leo merkte, wie erschöpft sie war, und plötzlich meldete sich sein Gewissen. Jodi stand noch unter Schock. Sie musste sich gründlich ausruhen, ehe er seine Fragen stellen konnte. "Lassen wir das für heute", sagte er. "Gehen Sie lieber ins Bett, und schlafen Sie sich aus. Sie sind mit Ihrer Kraft am Ende." Leo streckte die Hand aus, um Jodi beim Aufstehen zu helfen, doch gerade seine Berührung fürchtete sie jetzt am meisten. Mit einem ängstlichen Laut sprang sie auf. Um jeden physischen Kontakt zu vermeiden, machte sie eine so ungeschickte Bewegung, dass sie stolperte und dadurch gerade das herbeiführte, was sie vermeiden wollte. Leo musste sie auffangen, und sie sank gegen ihn. Jodi kannte Leo seit einer Woche. Das waren sechs, höchstens sieben Tage, mehr nicht. Wie war es da möglich, dass sie sich so verzweifelt nach seiner Berührung sehnte, als könnte sie nur dadurch von einer tiefen inneren Qual erlöst werden? Sich nur an ihn zu lehnen schenkte ihr höchste Befriedigung. Ihr war, als würde sie gesund. Sie fühlte sich eins mit sich selbst, unglaublich stark und unglaublich schwach. Es kam ihr vor, als hätte sie den Sinn ihres Lebens erkannt und ihre wahre Bestimmung gefunden. Sie schwelgte in einem unglaublichen Glücksgefühl und hasste sich gleichzeitig wegen ihrer Nachgiebigkeit. Still legte sie beide Hände auf Leos Brust. Er verstand die stumme Bitte und ließ sie los. "Alles in Ordnung?" "Es geht mir gut." Jodi wandte sich ab, damit Leo ihr Gesicht nicht sehen konnte. Wie hatte es so weit kommen können? Warum hatte sie es geschehen lassen? Diese wilden, heftigen Gefühle waren ihr fremd und völlig unverständlich. Leo hielt ihr die Küchentür auf und begleitete sie bis zum Fuß der Treppe. "Den Korridor entlang und die zweite Tür links" sagte er, während sie die ersten Stufen hinaufstieg. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen. Ein Blick zurück, und Leo hätte in ihren Augen gelesen, was sie fühlte. "Im angrenzenden Badezimmer hängen frische Handtücher. Ich hole Ihre Tasche und stelle sie vor die Schlafzimmertür." Klarer konnte er ihr nicht zu verstehen geben, dass sie eine Wiederholung ihrer ersten Nacht nicht zu befürchten brauchte. Wirklich rücksichtsvoll und gentlemanlike von Leo! Warum dankte sie es ihm nicht, indem sie erleichtert aufatmete? Warum war sie, um wenigstens ehrlich zu sein, beinahe enttäuscht? Langsam stieg sie weiter die Treppe hinauf. Wie müde ihre Bewegungen sind, dachte Leo. Er wäre ihr gern gefolgt, um sie schützend in die Arme zu nehmen. Stattdessen drehte er sich um und ging hinaus, um ihre Tasche aus dem Auto zu holen. Er sah Jodi wieder auf der Polizeistation. Die Angst in ihren Augen hatte ihn zu einer Handlungsweise veranlasst, die unvorhergesehene Gefahren in sich barg. Er hatte Jodis Kraft und seine Beherrschung überschätzt. Daran musste er sich jetzt erinnern. Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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Er trug die Tasche nach oben, klopfte kurz an die geschlossene Schlafzimmertür und ging wieder,
bevor Jodi öffnen konnte.
Jodi stand am Fenster und sah hinaus, als es klopfte. Langsam _ sehr langsam _ zählte sie bis zehn,
ehe sie öffnete. War sie enttäuscht oder erleichtert, dass draußen niemand zu sehen war? Erleichtert,
redete sie sich ein und schloss schnell die Tür.
Schlaf- und Badezimmer waren so unpersönlich eingerichtet, als wären es Hotelzimmer. Jodi fühlte
sich gegen ihren Willen an die Suite erinnert, und plötzlich wirkte alles gar nicht mehr unpersönlich.
Schnell ging sie ins Badezimmer, um sich für die Nacht fertig zu machen.
Jetzt, da sie allein war, hatte sie endlich Zeit, an den nächsten Tag zu denken. Würde Jeremy seine
Drohung wahr machen und sie wegen Körperverletzung anklagen? Eine beängstigende Vorstellung,
aber sich ihre starken Gefühle für Leo einzugestehen war noch beängstigender.
Diese Anspielung, dass sie schon einmal in seinem Bett geschlafen habe! Jodi hatte sich entsetzlich
geschämt und gleichzeitig daran erinnert, wie überglücklich sie in seinen Armen gewesen war. Aber
nur in seinen Armen _ in seinem Leben gab es keinen Platz für sie. Sie hatten zusammen Sex gehabt,
und jede Frau, auch eine Schullehrerin, wusste, dass Sex für Männer nicht mit Gefühl verbunden
war. Sie genossen ihn wie eine Delikatesse und vergaßen ihn wieder.
Zum Umfallen müde, schlüpfte Jodi in Leos Bett. Es war tatsächlich neu bezogen worden, und statt
Leos vertrautem Duft atmete sie nur den Duft frischer Wäsche ein.
Sie kuschelte sich in die Mitte des großen Betts, aber der Schlaf wollte nicht kommen. Sie war zu
überreizt und konnte sich nicht entspannen. Woran sie auch dachte, alles flößte ihr Angst ein und
ließ sie keine Ruhe finden.
Erst nachdem über eine Stunde vergangen war, fielen ihr die Augen zu, und sie begann tief und
gleichmäßig zu atmen.
Unten im Wohnzimmer ging Leo unruhig hin und her. Er hätte arbeiten können, um sich
abzulenken, aber er musste immerzu an Jodi denken. Seit er begriffen hatte, welche Folgen die
gemeinsam verbrachte Nacht für sie beide haben konnte, machte er sich ernsthafte Sorgen.
Die blauen Flecken auf Jodis Arm hatten einen Zorn in ihm entfacht, der ihn vor sich selbst
erschrecken ließ. Er hätte Jeremy Driscoll in der Luft zerreißen oder den wilden Tieren vorwerfen
mögen. Schon der Gedanke, dass er Jodi berührt hatte ...
Leo blieb mitten im Zimmer stehen. Was, zum Teufel, ging mit ihm vor? Aber die Frage war
eigentlich überflüssig. Er war verliebt. Nur die Liebe erzeugte diese Gefühle. Er hatte sich in einen
Mann verwandelt, den er kaum wieder erkannte. Einen Mann, der nicht mehr klar und logisch
dachte, sondern sich von seinen Gefühlen leiten ließ. Einen Mann, der sogar in diesem Augenblick
...
Es war Leo, als hätte er von oben einen Laut gehört. Er öffnete die Tür und trat auf den Flur hinaus.
Ja, da war er wieder _ ein hoher, ängstlicher Ton, der nur von einer Frau kommen konnte.
Leo brauchte nicht lange, um nach oben zu kommen. Er stieß die Tür zu seinem Schlafzimmer auf
und stand mit wenigen Schritten neben dem Bett.
Jodi war wach. Leo sah im Dunkeln ihre Augen schimmern, aber sie lag so still, als wagte sie nicht
zu atmen oder sich zu rühren.
"Was ist los, Jodi?"
Leos Stimme! Jodi atmete tief und erleichtert auf. Sie hatte von Jeremy Driscoll geträumt, grausige
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Bilder, die ihr Entsetzen einflößten. Ihr eigener Angstschrei hatte sie geweckt, und als Leo die Tür
aufstieß, hatte sie im ersten Moment geglaubt, Jeremy käme herein.
Jetzt konnte sie nur noch daran denken, dass Leo den Albtraum gebannt hatte. Mit seiner Hilfe war
sie dem Höllenspuk entflohen. Sie drehte sich zu ihm um und flüsterte: "Ich habe schrecklich
geträumt ... von Jeremy Driscoll ..."
Es genügte, seinen Namen auszusprechen, um die Traumbilder wieder heraufzubeschwören. Mit
klopfendem Herzen setzte Jodi sich auf. Ihre Augen hatten sich inzwischen an das nächtliche Dunkel
gewöhnt, das von dem hereinfallenden Mondlicht gemildert wurde.
"Es tut mir Leid, dass ich Sie gestört habe." Mehr sagte Jodi nicht, denn sie bemerkte, dass Leo noch
angezogen war.
Warum hatte er sich nicht hingelegt? War die Couch zu unbequem, oder störte ihn ihre
Anwesenheit? Fürchtete er, zum zweiten Mal von ihr verführt zu werden?
"Sie sind noch angezogen", sagte sie leise. "Sie haben nicht geschlafen. Liegt das daran ...?"
Leo verstand sie, bevor sie ihren Satz beendet hatte. "Es liegt daran, dass mir das einzige Bett, nach
dem ich mich sehne, verwehrt ist", antwortete er mit rauer Stimme. "Es sei denn, du bist bereit, es
mit mir zu teilen."
Leo wusste, dass er genau das tat, was er unter allen Umständen hatte vermeiden wollen. Wie ein
Raubtier nutzte er die Schwäche seines Opfers aus. Jodi war verletzlich und vorübergehend von ihm
abhängig. Er hätte sie schonen müssen, doch er konnte sich einfach nicht beherrschen.
"Jodi!" stöhnte er.
Jodi wusste, dass sie Leo nicht nachgeben durfte. Sie musste ihn bitten, sie loszulassen, aber für
solche Überlegungen war es längst zu spät. Trunken vor Lust, drängte sie ihm entgegen und überließ
sich seinem leidenschaftlichen Kuss.
Wie flüssiges Feuer durchlief es ihren Körper. Leo so nah zu sein, ihn so mit allen Sinnen zu spüren
war beinahe mehr, als sie ertragen konnte.
"Wir sollten das nicht tun", seufzte sie so sehnsüchtig, dass es mehr wie eine Bitte klang.
"Ich weiß", stöhnte Leo, "aber ich kann nicht aufhören."
"Du sollst auch nicht aufhören."
Hatte sie das wirklich gesagt? Jodi erschrak über ihre völlige Hemmungslosigkeit und noch mehr
darüber, dass sie Leos Hemd aufgeknöpft hatte, ohne es zu merken.
Sie ließ ihre Hände darunter gleiten und betastete sein dunkles Brusthaar, das sich rau und doch
seidenweich anfühlte. Ein erregender Duft ging von ihm aus, den sie nie vergessen und immer und
überall wieder erkennen würde.
Leo stöhnte auf, als Jodi sich vorbeugte, um seinen entblößten Oberkörper zu küssen und mit der
Zunge zu liebkosen. Sein Verlangen nach ihr steigerte sich zur Qual, von der es keine Erlösung gab.
Was Leo in diesem Moment empfand, war mehr als sinnliche Lust. Es war beides _ Lust und Liebe,
das größte und schönste Gefühl, das von keinem anderen übertroffen wurde. Aber durfte er das
sagen? Nein, dazu war es zu früh. Was sich zwischen ihm und Jodi entwickelte, war noch zu neu
und zerbrechlich.
Rasch streifte Leo seine restliche Kleidung ab, nahm Jodi wieder in die Arme und bedeckte ihr
Gesicht mit Küssen. "Jodi", flüsterte er immer wieder. "Jodi."
Sie nahm seine Hände und legte sie auf ihre Brüste, die warm und fest waren. Leo umschloss sie,
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streichelte sie und ließ die Daumen über die erregten Spitzen gleiten, bis Jodi laut stöhnte und vor
Lust erschauerte.
Sie schloss die Augen und ließ sich von der samtschwarzen Dunkelheit tragen, dann öffnete sie sie
wieder, um mit anzusehen, wie Leo nacheinander ihre Brustspitzen küsste und begierig mit der
Zunge umspielte.
Jodi beugte sich zurück, ihre Finger krallten sich in Leos Rücken. Je mehr sie sich hingab, umso
verführerischer wirkte sie, und Leo erlag diesem doppelten Zauber immer mehr.
Er ließ ihre Brüste los und glitt tiefer. Jodi schob die Hände in sein dichtes Haar. Sie wollte ihn
zurückhalten, aber alles, was sie fühlte, war so wunderbar, dass sie ihn gewähren ließ.
Tiefer, immer tiefer spürte sie Leos Küsse. Diese letzte Intimität konnte nur dem liebsten Menschen
gelten, aber Jodi fand nicht die Kraft, Leo zurückzuweisen. Nach einem kurzen, zwecklosen
Aufbegehren, gab sie sich ganz dieser höchsten Erfüllung hin.
Als Leo sich auf sie legte und in sie eindrang, spürte er Jodis Erleichterung. Mehr bedurfte es nicht,
um ihn selbst zum Höhepunkt zu bringen. Das Bewusstsein, gleichzeitig mit Jodi diesen Augenblick
zu erleben, ihn mit ihr zu teilen, erfüllte ihn mit tiefer Befriedigung.
Jodi rief seinen Namen und umklammerte ihn inbrünstig. Alles war gut und richtig. Ihn so zu
spüren, ihn zu halten, ein Teil von ihm zu sein und für immer zu bleiben ...
"Leo."
Völlig erschöpft seufzte sie seinen Namen. Tränen traten ihr in die Augen und liefen ihr über die
Wangen. Leo küsste sie zärtlich weg, ehe er sich neben Jodi legte und sie schützend in die Arme
nahm.
Jodi merkte nichts mehr. Sie war fest eingeschlafen.
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Kapitel 8 Leo lächelte zufrieden, als er den Hörer auflegte. Das halbstündige, von seiner Seite aus höchst diplomatisch geführte Gespräch mit der Polizei hatte sich gelohnt. Vorher hatte er ein kürzeres und sehr viel schärferes Gespräch mit Jeremy Driscoll geführt und ihm klar gemacht, dass er ihn wegen unbefugten Betretens des Fabrikgeländes verklagen würde, falls er in irgendeiner Form juristisch gegen Jodi vorgehen sollte. "Weist Ihr Körper vielleicht dieselben Spuren einer gewalttätigen Behandlung auf, wie es bei Jodi der Fall ist?" hatte er drohend gefragt. Jeremy hatte sich aufgespielt und mit Gegendrohungen geantwortet, am Schluss aber doch klein beigegeben. Die Verhandlungen mit der Polizei waren bedeutend schwieriger gewesen. Gleich zu Beginn hatte der Reviervorsteher Leo darauf hingewiesen, dass man die Demonstration als unfreundlichen Akt betrachte, da sie das schmale finanzielle Budget der Polizei unnötig belastet habe. Man werde daher kein Auge zudrücken, wenn es im Zusammenhang mit einer so überflüssigen Aktion auch noch zu Gewalttätigkeiten gekommen sei. Leo hatte dagegengehalten, dass die Demonstration friedlich geplant gewesen sei, und ob nun überflüssig oder nicht _ er habe als Besitzer der Fabrik seiner Belegschaft nichts vorzuwerfen, und das sei bei der ganzen Sache doch wohl ausschlaggebend. Nach und nach war herausgekommen, dass man keinen der Demonstranten über Nacht auf dem Revier festgehalten hatte. Nur Jodi war mit juristischen Maßnahmen gedroht worden, weil Jeremy Driscoll, der selbst mit einem Bein im Gefängnis stand, sie ungerecht und absichtlich falsch beschuldigt hatte. Vor diesem Hintergrund hatte der Reviervorsteher am Ende eingelenkt und erklärt, da Mr. Driscoll seine Beschuldigung offenbar nicht aufrechterhalte, sei der Fall für die Polizei erledigt, und Jodi brauche nicht noch einmal auf dem Revier zu erscheinen. Leo sah auf die Uhr. In einer Stunde erwartete ihn der Betriebsrat. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit, die drängenden Fragen, die er auf dem Herzen hatte, mit Jodi zu klären. Jodi zögerte auf dem oberen Treppenabsatz. Sie hatte sich schlafend gestellt, aber genau gemerkt, wann Leo aufgestanden war und sie verlassen hatte. Wie konnte eine angeblich intelligente Frau zweimal denselben Fehler machen? So sehr sie sich auch vor dem Verhör bei der Polizei fürchtete, ihre Gefühle für Leo, die der Grund für ihr Verhalten waren, fürchtete sie noch mehr. Ihre Gefühle. Wann würde sie endlich den Mut haben, ihnen den richtigen Namen zu geben? Sie liebte Leo, und die letzte Nacht war vollkommen gewesen. Intimität, Hingabe, Ekstase _ alles hatte sie mit dem Mann erlebt, den sie liebte. Hatte sie sich das nicht immer gewünscht? Als sie langsam die Stufen hinunterging, tauchte Leo im Flur auf. Sie spürte seinen Blick bis tief ins Herz hinein, und für einen Moment nahm ihr die übergroße Liebe zu ihm alle Kraft. "Ich habe gerade mit der Polizei gesprochen", begann Leo. "Sie erwarten mich ... ich weiß." Jodi hob stolz den Kopf, um zu zeigen, wie wenig ihr das ausmachte. "Was sie wohl mit mir vorhaben?" Trotz aller Bemühungen klang ihre Stimme leise und unsicher. "Wahrscheinlich muss ich mir einen Anwalt nehmen." Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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"Dazu hast du nicht die geringste Veranlassung." Leo sah, wie blass sie war und welche
Selbstüberwindung es sie kostete, ihre Angst zu verbergen. "Ich ... vielmehr die Polizei hat
entschieden, dass du nicht noch einmal erscheinen musst."
Leo wusste nicht, warum er die Rolle, die er bei dieser Entscheidung gespielt hatte, verschwieg. Er
tat es spontan, weil es ihm richtig erschien.
"Nicht noch einmal?" Jodi war sicher, sich verhört zu haben. "Du meinst, nicht gleich? Nicht
heute?"
"Ich meine, gar nicht mehr", erklärte Leo fest. "Es ist vorbei, Jodi. Du brauchst dir um nichts mehr
Sorgen zu machen."
"Und Jeremy Driscoll?"
"Hat seine Meinung geändert."
Leo wandte sich scheinbar gleichgültig ab. Jodi brauchte nicht zu erfahren, dass er mit Jeremy
gesprochen hatte. Die kleinste Verpflichtung ihm gegenüber würde eine unerträgliche Last für sie
sein.
Leo war sich darüber klar, dass er Jodi letzte Nacht in gewissem Sinn verführt hatte, zumindest
gefühlsmäßig. Das wollte er nicht ausnutzen. Wenn der Zeitpunkt gekommen war, ihr seine Liebe zu
gestehen, sollte sie zu nichts gezwungen sein.
Wie gern hätte er ihr erklärt, dass der Kampf gegen seine eigenen Gefühle zu dem falschen Urteil
über sie geführt hatte. Aber durfte er das? War das nicht eine subtile Form der Erpressung, um von
ihr dasselbe zu hören?
Nur wenn sich herausstellte, dass sie ein Kind von ihm erwartete, würde er anders entscheiden. Dann
würde er alle Mittel einsetzen, um sicherzustellen, dass er an dem Leben dieses Kindes Anteil hatte.
"Ich habe nicht viel Zeit, Jodi", sagte er. "Der Betriebsrat wartet auf mich, aber bevor ich gehe,
müssen wir noch etwas besprechen."
Würgende Angst packte Jodi. Sie wusste, was jetzt kommen würde, und versuchte, sich dagegen zu
wappnen. "Du meinst die letzte Nacht? Ich weiß, das war ein Fehler, aber ..."
"Komm mit in die Küche. Ich habe Kaffee aufgebrüht, und du bist sicher hungrig."
Hungrig!
"Sagtest du nicht, dass du in Eile bist?" fragte Jodi, während sie Leo in die Küche folgte.
"Ich darf den Termin nicht versäumen", gab er zu, "aber wir können reden, während du isst."
Isst!
Jodi wusste, dass sie keinen Bissen hinunterbringen würde, aber sie sah schweigend zu, als Leo ihr
eine Schale mit Frühstücksflocken hinstellte und zwei Becher mit Kaffee füllte.
"Bei unsrer ersten Begegnung habe ich die Situation und dich völlig falsch eingeschätzt", begann
Leo noch einmal. "Jetzt mache ich mir Sorgen, dass die Umstände unseres Zusammenseins ... dass
wir beide nicht daran gedacht haben, was passieren könnte, und darum ..." Er schüttelte ungeduldig
den Kopf. "Kurz und gut, Jodi, es besteht die Möglichkeit, dass du schwanger bist. In dem Fall
müsste eine Regelung getroffen werden. Ich möchte nicht, dass du ..."
Schwanger. Jodis Herz hämmerte gegen ihre Rippen. ,In dem Fall müsste eine Regelung getroffen
werden.` Was meinte Leo damit? Glaubte er vielleicht, dass sie _ falls sie wirklich schwanger war _
ihr gemeinsames Kind einer "Regelung" opfern würde? Nie im Leben würde sie das tun. Niemals!
Jodi fror, als wäre ihr das Blut zu Eis erstarrt. Sie hatte erwartet, dass Leo sich wegen der letzten
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Nacht entschuldigen, vielleicht sein Bedauern ausdrücken und sie bitten würde, nicht mehr
hineinzulegen, als beabsichtigt war. Weit gefehlt! Er dachte weiter, viel weiter. Er wollte sich
schützen, falls ihr intimes Beisammensein Folgen haben sollte, und das kränkte sie mehr als alles,
was er sonst hätte sagen oder tun können.
Wovor fürchtete er sich eigentlich? Dass er ein Kind gezeugt hatte, das er nicht wollte? Dass sie ihn
finanziell oder mit Heiratsforderungen erpressen würde, falls sie wirklich ein Kind von ihm bekam?
Was für eine Frau war sie eigentlich für ihn?
Ihr Herz klopfte immer noch zum Zerspringen, aber die Liebe darin war erloschen. Wie hätte sie Leo
jetzt noch lieben können? Ohne weiter zu überlegen, sagte sie schnell und heftig: "Es besteht kein
Grund für deine Befürchtungen."
Jodi sprach so anders, so seltsam kalt, dass Leo stutzte. Hatte er sie wieder falsch eingeschätzt?
Wusste sie trotz ihrer Unerfahrenheit, wie das Risiko einer Schwangerschaft zu vermeiden war?
Dann sollte sie ihm das klar und deutlich sagen.
"In meiner Hotelsuite war es für dich das erste Mal, und daher ..."
"Woher willst du das wissen?" unterbrach sie ihn und vergaß in ihrem Zorn, dass sie ihm selbst den
Beweis für seine Annahme lieferte. "Nur weil ich ... nur weil du zufällig der Erste warst, muss ich
nicht gleich schwanger sein."
Sie sprang von ihrem Stuhl auf und stürmte aus der Küche. An der Tür drehte sie sich noch einmal
um. "Ich hole meine Sachen, und dann gehe ich nach Hause. Ich will dich nie wieder sehen! Seit du
in Frampton aufgetaucht bist, hast du nur Unheil angerichtet und den Menschen das Leben vergällt.
Und eins lass dir sagen, Leo Jefferson. Nie ... hörst du? Nie würde ich mein Kind dem Schicksal
aussetzen, dich zum Vater zu haben!"
"Wirst du auch allein zurechtkommen?"
Jodi antwortete nicht, als Leo die Tür seines Wagens öffnete. Es ärgerte sie immer noch, dass sie
trotz ihres Ausbruchs gezwungen gewesen war, sich von ihm nach Hause fahren zu lassen.
"Mir wird in meinem eigenen Haus bestimmt weniger passieren als letzte Nacht in deinem, meinst
du nicht?" fragte sie giftig, während Leo ihre Tasche zur Tür trug und wartete, bis sie aufgeschlossen
hatte.
Gegen ihren Willen blieb sie stehen, um Leo wegfahren zu sehen. Angst vor der Zukunft packte sie
und eine unglaubliche Wut auf sich selbst. Sich so von ihren Gefühlen überwältigen zu lassen! In
ihrem Alter!
Sie trug die Tasche in ihr Schlafzimmer hinauf und warf sich auf das Bett. Ihre seelische
Erschöpfung war so groß, dass sie nur noch an Schlaf denken konnte.
Leo war fort. Vergessen ...
Sie würde ihn nie wieder sehen. Vergessen ... Vergessen ...
Zornig und bis ins Innerste aufgewühlt, fuhr Leo von Jodis Cottage direkt zur Fabrik. Nach nichts
stand ihm jetzt weniger der Sinn als nach einer langwierigen Verhandlung mit dem Betriebsrat.
Wenn es auf ihn angekommen wäre, hätte er Jodi nach "Ashton House" zurückgebracht und ihr klar
und deutlich gesagt, was er für sie fühlte und was ein Leben ohne sie für ihn bedeuten würde.
Hatte er sich nicht gerade noch hoch und heilig versprochen, keinerlei Druck auf sie auszuüben und
sie unter keinen Umständen seelisch zu erpressen? Ja, dieses Versprechen hatte er sich gegeben, aber
bevor sie ...
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Ihr Kind nicht dem Schicksal auszusetzen, ihn zum Vater zu haben! Die Worte hatten ihn tief
verletzt, und er hatte sich sehr beherrschen müssen, um ihr nicht entgegenzuhalten, dass sie nur
durch ihr Gewissen zu diesem Hassausbruch getrieben wurde, während ihr Körper eine ganz andere
Sprache sprach.
"Denn ob es dir nun gefällt oder nicht, Jodi Marsh", sagte er laut zu sich selbst. "Mit deinem Körper
wolltest du mich, und wenn du dich noch so sehr dagegen gewehrt hast."
Es war neu für Leo, allein im Auto zu sitzen und seine eigene Stimme zu hören. Er sprach nie mit
sich selbst, auch nicht auf längeren Fahrten. Kein Wunder, dass die Liebe von vielen für eine Form
des Wahnsinns gehalten wurde!
Die Haustürklingel weckte Jodi aus dem Schlaf. Sie hatte sich nicht einmal ausgezogen, bevor sie
von ihrer Müdigkeit überwältigt worden war. Benommen tastete sie sich die Treppe hinunter, um zu
öffnen. Ob Leo der Besucher war?
Ihr Herz begann unruhig zu klopfen. Wusste er überhaupt, wie sehr er sie heute Morgen verletzt
hatte? Sich nach der wunderbaren Nacht, die sie zusammen verbracht hatten, so unerwartet und
ungerecht gegen sie zu stellen! Jodi brauchte nur daran zu denken, um sich ausgestoßen und
verzweifelt zu fühlen.
Der Besucher war nicht Leo, sondern Nigel, der eine Zeitung in der Hand schwenkte.
"Du bist auf der Titelseite!" rief er ihr entgegen. "Hast du die Zeitung schon gelesen?"
Die Titelseite!
Jodi nahm die Zeitung und betrachtete das Foto, das ihre Inhaftierung zeigte. Ihre Überraschung war
so groß wie ihre Bestürzung, denn nun ließ sich die unrühmliche Rolle, die sie bei der
Demonstration gespielt hatte, nicht mehr verheimlichen.
"Ich fürchtete schon, ich müsste eine Kaution bezahlen, um meine moralische Cousine aus dem
Gefängnis freizubekommen", scherzte Nigel auf dem Weg zur Küche. "Aber wie es scheint, ist Leo
mir zuvorgekommen."
"Wer behauptet das?" fragte Jodi misstrauisch.
"Ich habe bei der Polizei angerufen", erklärte Nigel. "Der Bericht ist vorsichtig formuliert, aber Leo
muss enormen Druck auf Jeremy Driscoll ausgeübt haben, um ihn von weiteren Schritten gegen dich
abzuhalten."
Abzuhalten? Für Jodi klang das alles ziemlich verworren.
"Ich weiß nur, dass Jeremy seine Meinung geändert hat", warf sie unsicher ein.
Nigel nickte. "Er hat sie geändert, aber nur weil Leo ihm mit massiven Konsequenzen gedroht hat,
falls er es nicht tun würde. Leo hat heute Morgen lange mit der Polizei telefoniert und sich jede
Maßnahme gegen dich oder einen der Fabrikarbeiter verbeten. Er scheint viel von dir zu halten,
Cousinchen, um sich so zu exponieren."
"Bitte, Nigel, ich weiß wirklich nicht ..."
"Warum so bescheiden?" scherzte Nigel gutmütig weiter. "Feinde können sich versöhnen und die
besten Freunde werden." Er zwinkerte Jodi zu. "Oder ein großes Liebespaar. Die Geschichte kennt
viele Beispiele. Aber was hast du?" Nigel bemerkte, wie blass Jodi geworden war. "Bist du krank?"
"Es geht mir gut."
"Soll ich dich heute Abend zum Essen einladen?"
Jodi schüttelte den Kopf. "Das ist lieb von dir, Nigel, aber ich muss mich noch für die Schule
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vorbereiten. Der Montag ist immer besonders hektisch." "Dann verzichte ich schweren Herzens auf mein zweites Frühstück." Nigel war schon wieder an der Haustür, wo er sich noch einmal umdrehte. "Leo hat sich heute Morgen mit den Mitgliedern des Betriebsrats getroffen. Du weißt nicht zufällig, was er mit ihnen besprechen wollte?" "Warum sollte ich das wissen?" fragte Jodi irritiert. Nigel sah sie besorgt an. "Ich kenne dich, Jodi. Irgendetwas stimmt nicht mit dir. Soll ich vielleicht ...?" "Es ist alles in Ordnung, Nigel ... wirklich." Jodi wollte Nigel nicht belügen. Er war nicht nur ihr Cousin, sondern auch ihr bester Freund, aber was hätte sie anderes tun können? "Ich bin nur übermüdet." Ein kurzes, unbehagliches Schweigen folgte auf diese Antwort, dann öffnete Nigel die Haustür und ging. Jodi sah ihm nach. Sie hatte ihn nicht nur belogen, sondern auch unfreundlich behandelt, wie seine Anspielung auf ein zweites Frühstück bewies. Irgendwann würde sie sich bei ihm entschuldigen und alles erklären, aber nicht jetzt. Sie war einfach unfähig, logisch zu handeln. Sie konnte nur an Leo denken und an das, was Nigel von ihm erzählt hatte. Niemals hätte sie erwartet, dass Leo sich so für sie einsetzen würde. Nicht die Polizei hatte sich bei ihm gemeldet, wie er sie hatte glauben machen wollen, sondern es war genau umgekehrt. Er hatte die Polizei angerufen, um zu verhindern, dass etwas gegen sie unternommen wurde. Zu dumm, dass sie nun in seiner Schuld stand. Nicht, dass sich dadurch etwas an ihrer Einstellung zu ihm geändert hätte ... um Himmels willen, nein! Was er gesagt hatte, war zu hässlich, um es jemals zu vergessen. Aber danken musste sie ihm, das war eine Frage des Takts und guten Geschmacks. Und je eher sie diese unangenehme Aufgabe hinter sich brachte, umso besser. Missmutig ging sie wieder nach oben, um zu duschen und sich umzuziehen. Leo sah Jodi die Auffahrt von "Ashton House" heraufkommen. Er stand am Fenster des Zimmers, das er als Büro benutzte, und hatte gerade mit seinem neuen Partner telefoniert, den er für die Nutzung des Newham-Werks als Transport- und Verteilerzentrum gewonnen hatte. Wie er dem Betriebsrat des Frampton-Werks heute Morgen mitgeteilt hatte, war seine Entscheidung inzwischen gefallen. Er würde die Fabrik nicht schließen, hatte er gesagt, falls es der Belegschaft gelang, die Produktion zu steigern und so dazu beizutragen, dass Leo seine führende Stellung auf dem Weltmarkt behaupten konnte. Obwohl es ein heißer Sommertag war, trug Jodi ihren eleganten schwarzen Hosenanzug mit einem weißen T-Shirt darunter. Leo hatte sich weniger formell angezogen, nachdem er aus der Fabrik zurückgekommen war, aber auch in Jeans und Polohemd wirkte er überlegen und Respekt gebietend. Er öffnete die Haustür, als Jodi gerade auf die Klingel drücken wollte, und wie immer war sie von seinem Anblick überwältigt. Warum gelang es ihr nicht, ihn mit anderen Augen zu sehen? Warum liebte sie ihn immer noch, obwohl er sie mit seinen zynischen Worten und seiner Gefühlskälte so tief verletzt hatte? Für einen hochkarätigen Geschäftsmann wie ihn war ein nicht geplantes Kind offenbar kein ernsthaftes Problem. Es ließ sich schnell und diskret beseitigen, aber auf diesem Weg würde Jodi ihm niemals folgen. Falls auch nur die geringste Möglichkeit bestand, dass sie schwanger war ... Hör auf, dir selber Angst zu machen, ermahnte sie sich. Deine Behauptung, du hättest dich vor einer Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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möglichen Empfängnis geschützt, war zwar eine Lüge, aber du bist nicht schwanger. Hundertprozentig nicht. "Nigel war bei mir", begann sie das Gespräch, während sie Leo ins Haus folgte. "Er meint, ich hätte es dir zu verdanken, dass ich nicht noch einmal zum Polizeirevier musste." Ihr kämpferischer Ton verriet Leo, wie ungern sie gekommen war, und in Gedanken verwünschte er Nigel Marsh. "Jodi", sagte er, aber sie schüttelte den Kopf und ließ ihn nicht weitersprechen. "Ist das wahr?" "Der Reviervorsteher und ich haben uns dahin gehend geeinigt, dass es keinen Grund gibt, in irgendeiner Form gegen friedliche Demonstranten vorzugehen", antwortete Leo ausweichend. "Dann ist es wahr", stellte Jodi nüchtern fest. "Warum hast du das getan? Um mich dir auf diese Weise zu verpflichten? Dafür muss es einen Grund geben, und der ist nicht schwer zu erraten." Sie lächelte bitter. "Eine Hand wäscht die andre ... heißt es nicht so? Du ersparst mir einen Prozess, damit ich mich einverstanden erkläre ..." "Hör sofort auf!" unterbrach Leo sie heftig. Zu welchen Verdächtigungen wollte sich Jodi noch versteigen? Traute sie ihm wirklich zu, dass er sich Vorteile verschaffte, um sie in sein Bett zu bekommen? Für wie ehrlos hielt sie ihn eigentlich? Zorn packte Leo und ein brennender, alles verzehrender Schmerz. Jodi war entschlossen, nicht nachzugeben oder sich ins Unrecht setzen zu lassen. Sie konnte und wollte seine Worte von heute früh nicht vergessen. Sie ließen nur einen Schluss zu. Er hatte ihre Freilassung erwirkt, um ein Druckmittel gegen sie in der Hand zu haben. Jetzt konnte er diktieren, was mit dem Kind geschehen sollte, falls sie gegen alle Erwartung schwanger war. Die bittere Enttäuschung, gegen die Jodi so tapfer ankämpfte, überwältigte sie von neuem. Ohne auf Leos Gesichtsausdruck und die wachsende Spannung zwischen ihnen zu achten, sagte sie: "Dir ist das alles gleichgültig, nicht wahr? Gefühle und Menschenleben zählen für dich nicht. Eine Fabrik zu schließen, den Arbeitern die Existenzgrundlage zu entziehen ... Was macht dir das schon aus?" Gar nichts, setzte sie für sich hinzu. Wie es dir auch nichts ausmacht, einem Kind das Lebensrecht zu verweigern! Jodi litt unsäglich unter dieser Erkenntnis _ nicht, weil sie an ihre Schwangerschaft glaubte, sondern weil so viele ihrer Träume zerstört worden waren. Insgeheim hatte sie Leo immer als Helden gesehen, als einen besonderen Mann, der alle Tugenden besaß, die für eine Frau zählten. Vor allem die eine Tugend, die zu beschützen, die schwächer und verletzlicher als er selbst waren. Wie bitter festzustellen, dass sie sich darin getäuscht hatte! Leo reichte es. Wie konnte Jodi ihm mangelnde Gefühle vorwerfen? Er war nicht so egoistisch und zynisch, wie sie ihm einreden wollte, sonst würde sie jetzt in seinem Bett liegen und ... Es schockierte Leo, welche Richtung seine Gedanken nahmen. Um sich davon frei zu machen, sagte er mit beißendem Spott: "Willst du mich durch Beleidigungen dazu veranlassen, die Fabrik nicht zu schließen? Dann muss ich dir leider sagen, dass die Taktik, die du in meiner Hotelsuite angewandt hast, bedeutend wirkungsvoller war." Leo merkte sofort, dass er die falschen Worte gewählt hatte, aber es war zu spät, um sie zurückzunehmen. Jodis zusammengepresste Lippen begannen zu zittern, während sie Leo mit tödlicher Verachtung ansah. Wie konnte er sich so weit erniedrigen? Ihr zuzutrauen, dass sie ihren Körper einsetzte, um Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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ihn zum Einlenken zu bewegen! Aber er würde sich wundern. Sie konnte genauso gemein sein,
obwohl sie viel lieber in seinen Armen Trost gesucht hätte.
"Wäre ich von der Wirkung dieser Taktik überzeugt, würde ich sie vielleicht noch einmal
anwenden", sagte sie mit falschem Lächeln. "Aber ein Mann wie du hält nicht, was er im
Augenblick der Leidenschaft verspricht." Sie machte ein Pause und fuhr schärfer fort: "Glaub mir,
Leo, wenn ich an deiner Stelle wäre ..."
"Würdest du alles anders machen?"
Jodi ignorierte die Unterbrechung. "Wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich erst die Tatsachen
prüfen und dann wilde Beschuldigungen ausstreuen." Sie drehte sich um und ging zur Tür. "Ich habe
genug davon gehört."
Bevor Leo sie zurückhalten konnte, hatte sie das Haus verlassen. Er hätte ihr folgen können, aber in
ihrer jetzigen Stimmung wäre alles Zureden zwecklos gewesen.
Warum hatte er ihr nicht einfach gesagt, dass er die Fabrik nicht mehr schließen wollte? War er zu
stolz gewesen? Hatte sein dummes männliches Ehrgefühl ihn daran gehindert?
Ja, musste er sich schonungslos eingestehen. Einen anderen Grund gab es nicht.
Jodi war etwas schwindlig, als sie zu Hause ankam, und sie spürte eine leichte Übelkeit. Ob die
Hitze daran schuld war? Oder das kümmerliche Frühstück, von dem sie fast nichts gegessen hatte?
Ja, redete sie sich mit aller Macht ein. Es war überspannt und dumm, etwas anderes anzunehmen.
Dumm vielleicht, aber Jodis Gedanken kehrten immer wieder zu der Möglichkeit zurück, dass ihr
leichtsinniges Verhalten doch nicht ohne Folgen geblieben war.
Jodi mochte Kinder, ihre aufopfernde Arbeit für die Schule war genug Beweis dafür. Sie hatte auch
nichts dagegen, eigene Kinder zu haben, aber nicht jetzt und schon gar nicht unter diesen
Umständen.
Ihre Kinder sollten Wunschkinder sein, Zeugnisse der Liebe zweier Menschen, die sich für ein
ganzes Leben verbunden hatten und für sich und ihre Nachkommen geradestehen wollten.
Wahrscheinlich waren ihre Sorgen überflüssig. Wahrscheinlich bauschte sie eine leichte Übelkeit zu
einem drohenden Unheil auf, aber fest daran zu glauben, fiel ihr schwer. Das Schuldgefühl, das auf
ihrer Seele lastete, war stärker als alle Vernunft und gaukelte ihr Schreckensbilder vor. Sie sah sich
als allein erziehende Mutter, ohne Familie und Beruf, von der Gesellschaft ausgestoßen ...
Du bist nicht schwanger, beruhigte sie sich zum hunderttausendsten Mal. Selbst wenn du es wärst,
würde die Morgenübelkeit erst später einsetzen. Sie muss also einen anderen, völlig harmlosen
Grund haben.
Und wenn nicht? Wenn, wenn, wenn ...
Eine Frau in ihrer Position, eine Schulleiterin ... schwanger nach einer einzigen Nacht mit einem
fremden Mann! Wenn Jodi bis zu diesem Punkt gekommen war, lief es ihr jedes Mal eiskalt über
den Rücken. Dann hasste und verabscheute sie sich selbst wegen ihrer Dummheit und
Leichtsinnigkeit.
Was konnte sie tun? Nur die Tage zählen, bis sich alles als Irrtum herausstellte. Würden ihre Nerven
das aushalten?
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Kapitel 9 Jodi spürte die knisternde Spannung, die von den Eltern ausging, die sich vor dem Schultor versammelt hatten. Normalerweise war die Stimmung an einem Montagmorgen eher gedrückt, aber heute ließ sich fast von einer Hochstimmung sprechen. "Haben Sie die Neuigkeit schon gehört?" rief ihr eine Mutter zu. "Fantastisch, nicht wahr? Ich konnte es kaum glauben, als John Samstag mit der Nachricht nach Hause kam, Leo Jefferson würde die Fabrik nicht schließen." Jodi sah sich verwundert um. Sollte Leo das wirklich gesagt haben? Dann hatte er ihr gegenüber absichtlich geschwiegen, um ... Weiter kam sie nicht, denn eine zweite Mutter mischte sich ein und gratulierte Jodi zu der Rolle, die sie Freitagnachmittag bei der Demonstration gespielt hatte. "Wir waren alle überrascht und beeindruckt, dass Mr. Jefferson sich bei der Polizei so standhaft für Sie eingesetzt hat", schwärmte sie. "Einfach zu sagen, dass er sich so etwas nicht bieten lasse! Und dann die Zusage, die Fabrik nicht zu schließen ... Wir denken jetzt alle ganz anders über ihn." Sie strahlte Jodi an. "Natürlich wissen Sie das alles viel besser als wir, wo Sie ihn doch so gut kennen!" Jodi konnte nicht verhindern, dass sie errötete, denn auch die anderen Eltern sahen sie lächelnd und mit ungewohnter Vertraulichkeit an. Während sie noch über den Grund rätselte, drängte sich Myra Fanshawe nach vorn und rief laut: "Ich persönlich finde das alles eher peinlich! Eine Frau in ihrer Position, eine Lehrerin und Schulleiterin ... Sich in eine solche Affäre einzulassen! Aber eigentlich bin ich nicht überrascht. Ihre Lehrmethoden waren mir immer verdächtig." Myra hatte nicht direkt zu Jodi, sondern zu den Eltern gesprochen, die um sie herumstanden. Ohne darauf zu achten, dass Jodi näher kam, fuhr sie in der gleichen Lautstärke fort: "Ehrlich gesagt, interessiert es mich wenig, ob sie mich hört oder nicht. Schließlich ist sie selbst an allem schuld. Sich so zu benehmen! Ganz offen die Nacht in seiner Hotelsuite zu verbringen und uns anschließend Miss Tugendsam vorzuspielen ... Also wirklich!" Jodis Gesicht glühte vor Scham, aber sie ging mutig weiter und bemerkte, dass sich die Gruppe um Myra diskret auflöste. Myra hatte sie nie gemocht. Das wusste Jodi, und wenn sie ehrlich war, hegte sie ihr gegenüber keine freundlicheren Gefühle. Doch es stand zu viel auf dem Spiel, um sich von Gefühlen lenken zu lassen. Sie erinnerte sich daran, dass sie Leiterin dieser Schule war, und sagte mit so viel Autorität, wie sie aufbringen konnte: "Ich nehme an, dass Sie über mich sprechen, Mrs. Fanshawe. In dem Fall möchte ich Sie bitten ..." Myra hielt es nicht für nötig, sie aussprechen zu lassen. "Wollen Sie etwa leugnen?" rief sie mit vor Hass funkelnden Augen. "Das würde Ihnen wenig nützen. Ellie, die Empfangsdame des Hotels, hat sie zweimal gesehen ... abends, als sie in die Suite hinauffuhren, und am nächsten Morgen, als Sie wieder herunterkamen. Ellie ist mein Patenkind und hat Sie auf dem Zeitungsbild sofort wieder erkannt. Sie wollte zuerst nicht glauben, dass Sie mit den anderen vor der Fabrik demonstriert haben. Wo Sie den Besitzer doch so intim kennen!" Jodi sank der Mut. Dies war schlimmer als alles, was sie gefürchtet hatte, das zeigten ihr die entsetzten Gesichter der umstehenden Eltern. Myras Eröffnung hatte wie eine Bombe eingeschlagen und verheerend gewirkt. Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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Was konnte Jodi zu ihrer Verteidigung sagen? Welche mildernden Umstände sprachen für sie? Niedergeschlagen musste sie erkennen, dass keine Erklärung, welcher Art auch immer, ihre Lage verbessern würde, und die Wahrheit zu sagen, wäre die größte Dummheit gewesen. "Sie sind sich doch darüber klar, dass ich als Kuratoriumsmitglied diesen Vorfall nicht einfach übergehen kann", fuhr Myra triumphierend fort. "Es erscheint mir höchst fraglich, ob man einer Frau wie Ihnen noch erlauben kann, unsere Kinder zu unterrichten." "Mrs. Fanshawe, ich ..." "Und zu guter Letzt auch noch von der Polizei verhaftet zu werden!" Myra kostete ihre Rolle voll aus. "Meiner Meinung nach sollte man die Schulbehörde davon unterrichten. Als Mutter ist es immerhin meine Pflicht, über das moralische Wohl meines Kindes zu wachen." Bei den letzten Worten entstand leichte Unruhe, denn so viel Scheinheiligkeit ging einigen Eltern doch zu weit. "Eine Frau, die Vorbild sein sollte ..." Zu Jodis Erleichterung rief das dritte Klingelzeichen die Kinder in ihre Klassen, und auch sie konnte ihrer Peinigerin endlich entfliehen. Aber nur ihrer Peinigerin _ nicht der Pein selbst, wie sie wenig später feststellte, als sie in ihrem kleinen Büro am Fenster stand und über den leeren Schulhof blickte. Ihr war nicht entgangen, wie die meisten Eltern auf Myras Tiraden reagiert hatten. Einige hatten Mitleid gezeigt, andere eine fast lüsterne Neugier. Wenn Myra wollte, konnte sie Jodi in große Schwierigkeiten bringen und ihr das Leben in Frampton zur Hölle machen. Die anderen Mitglieder des Kuratoriums würden sich natürlich von ihr beeinflussen lassen und an der Rechtschaffenheit ihrer Schulleiterin zweifeln. Jodi rechnete zwar nicht mit ernsten disziplinarischen Maßnahmen, aber der Gedanke, uneins mit dem Kuratorium zu sein und durch ihr Verhalten dem Ruf der Schule zu schaden, war ihr unerträglich. Myras Drohung, die Schulbehörde zu benachrichtigen, nahm Jodi nur halb ernst. Dafür brauchte sie die Zustimmung aller Kuratoriumsmitglieder, und die würde sie höchstwahrscheinlich nicht bekommen. Blieb ein letztes, aber entscheidendes Problem: Jodis Gewissen. Wenn die Eltern an ihr zweifelten, wenn sie ihr ihre Kinder aus moralischen Bedenken nicht mehr anvertrauen wollten, musste sie die Schule verlassen. Jodi wurde das Herz schwer. Wenn es dazu kam, wenn sie gezwungen war, ihren Posten zu räumen, stand sie vor einem Scherbenhaufen. Dann war ihre ganze Arbeit umsonst gewesen. Der Kampf um die Schule, die Motivierung der Eltern, der erfolgreiche Streit um die Koppel ... alles erwies sich nachträglich als unnötig und sinnlos. Doch was sollte sie zu ihrer Verteidigung vorbringen? Immer wieder kam Jodi auf diesen Punkt zurück. Sie bekam schon Kopfschmerzen vom vielen Grübeln, und das reichhaltige Frühstück, das sie heute Morgen zu sich genommen hatte, lag ihr wie ein Stein im Magen. Dabei hatte sie gar keinen Appetit gehabt. Sie hatte sich nur beweisen wollen, dass sie nicht an Morgenübelkeit litt und daher nicht schwanger sein konnte. Inzwischen meldete sich doch eine leichte Übelkeit, aber wem sollte nicht übel werden, der morgens vor Schulbeginn solche Anschuldigungen zu hören bekam? Doch je mehr sich Jodi zu trösten versuchte, umso größer wurde ihre Angst. Sie kannte andere Frauen, die auch unter dieser Unsicherheit gelitten hatten, und bei ihr kam noch hinzu, dass sie häufiger unregelmäßige Perioden hatte, besonders unter Stress. Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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Jodi verließ das Fenster und setzte sich an ihren Schreibtisch. Bei allem hatte sie nicht vergessen, wie unbehaglich ihr die Nachricht gewesen war, dass Leo die Fabrik nicht schließen würde. Warum hatte er ihr seine Entscheidung nicht mitgeteilt, sondern sie absichtlich im Unklaren gelassen? Nur darum war sie so ausfällig gegen ihn geworden. Gerade als er Gefühl gezeigt hatte, hatte sie ihm Gefühllosigkeit vorgeworfen, als er menschlich gewesen war, ihn der Unmenschlichkeit bezichtigt! Stöhnend schlug Jodi beide Hände vors Gesicht. Gegen Mittag erfuhr Leo, was Jodi in der Schule erlebt hatte. Er war seit dem Morgen geschäftlich unterwegs gewesen, hatte mit Anwälten und Finanzberatern verhandelt und sie mit einiger Mühe davon überzeugt, dass das alte Frampton-Werk kein Zuschussunternehmen und das umgewandelte Newham-Werk ein viel versprechender Neuanfang sein würden. Bei all diesen Verhandlungen war Jodi nie ganz aus seinen Gedanken verschwunden. Der Streit mit ihr verfolgte ihn inzwischen bis in den Schlaf, und er konnte es sich nicht verzeihen, dass er sie so hatte gehen lassen. Bei einem Besuch der Fabrik, den Leo gegen Mittag unternahm, traf er auf Jeremy Driscoll, der ihn unbedingt sprechen wollte. "Ich bin hier, um Unterlagen abzuholen, die liegen geblieben sind", erklärte Jeremy aufgebracht. "Warum wird mir von den Dummköpfen, die hier jetzt herumstehen, der Zutritt zu meinem alten Lagerraum verwehrt? Wer hat sie dazu ermächtigt?" "Ich", antwortete Leo ruhig. "Als neuer Besitzer." Sein Blick fiel auf die Wochenendausgabe der Lokalzeitung, die nur Jeremy so sichtbar hingelegt haben konnte. Das Titelbild zeigte Jodis Verhaftung, und Jeremy meinte höhnisch: "Ganz recht, das ist unsere kleine Sauberfrau. Inzwischen weiß jeder, was für eine sie ist." "Wie meinen Sie das?" fragte Leo scharf, denn er bemerkte den boshaften Glanz in Jeremys blassblauen Augen. "Na, wie schon?" Jeremy lachte verächtlich. "Sie wurde gesehen, als sie frühmorgens Ihre Suite verließ und sich davonstahl. War sie wenigstens gut?" Leo antwortete nicht. "Nun, Sie waren vielleicht von ihrer falschen Unschuld beeindruckt, aber ich fürchte, die Eltern unserer Kinder werden anderer Ansicht sein. Ihre Schulleiterin verschafft sich unrechtmäßig Zutritt zu einer fremden Hotelsuite und verlässt sie erst am nächsten Morgen ..." Jeremy schüttelte in gespielter Entrüstung den Kopf. "Es würde mich nicht wundern, wenn man ihren Rücktritt verlangt." Leo überlegte krampfhaft. Jeremy trat zu sicher, zu unverschämt sicher auf, als dass alles nur Gerede sein konnte. Das ließ nur einen Schluss zu: Jemand hatte Jodi tatsächlich aus der Suite kommen sehen. In diesem Moment beherrschte Leo nur der eine Gedanke, wie er Jodi am besten schützen konnte. Sie zu verteidigen oder in ihrem Interesse zu lügen, war gleich sinnlos. Ein einziges Argument würde alle bösen Zungen auf einmal zum Schweigen bringen. "Oh, ich glaube nicht, dass es dazu kommen wird", sagte er mit gespielter Gleichgültigkeit. "Wer nimmt heute noch Anstoß daran, wenn zwei Verlobte gemeinsam die Nacht verbringen?" "Zwei Verlobte?" Jeremy stutzte, traute sich aber nicht, der Behauptung zu widersprechen. Stattdessen fragte er lauernd: "Warum weiß niemand davon?" "Weil wir es vorläufig noch für uns behalten wollten", antwortete Leo gelangweilt. "Im Übrigen geht Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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das weder Sie noch sonst jemanden etwas an. Dabei fällt mir ein ..." Er lächelte boshaft. "Die Steuerbehörde ist an meine Anwälte herangetreten. Man hat Unregelmäßigkeiten bei der Buchführung entdeckt, für die Sie verantwortlich sind, nachdem alle alten Unterlagen bei dem Brand zerstört wurden." Nach einer Pause setzte er samtweich hinzu: "Sie werden verstehen, dass wir den Steuerfahndern unsere volle Unterstützung zugesagt haben." Jodi sah unglücklich vor sich hin. Wie das Schicksal es wollte, fand ausgerechnet an diesem Abend eine Elternversammlung statt, auf der sie ihre Pläne für die Förderkurse erläutern sollte, mit denen sie in den nächsten Jahren neue und vor allem begabtere Schüler zu gewinnen hoffte. Sie brauchte keine Prophetin zu sein, um vorauszusagen, was bei dieser Versammlung das Hauptthema sein würde. In Leos Suite einzubrechen, sich zu betrinken, in seinem Bett einzuschlafen und zu allem Überfluss noch ... Es überlief Jodi eiskalt, wenn sie an die Kritik und die Vorwürfe dachte, die sie zu hören bekommen würde. Was konnte sie diesen Vorwürfen entgegensetzen? So gut wie nichts. Sie war eben eine schlechte Lehrerin, und die Würde einer Schulleiterin stand ihr nicht zu. Myra Fanshawe hatte sie unnötig bloßgestellt, aber in der Sache hatte sie Recht. Die Eltern würden die peinlichen Enthüllungen sehr übel aufnehmen. Wenn bloß das Foto nicht in der Zeitung erschienen wäre! Aber es war erschienen, und dadurch ... Jodi zuckte zusammen, als leise an ihre Tür geklopft wurde. Helen Riddings, eine der älteren Kolleginnen, steckte den Kopf herein und fragte unsicher: "Ist alles in Ordnung? Ich meine ..." Ich weiß, was du meinst, dachte Jodi und fühlte ihre Wangen erglühen. Du hast den Klatsch über mich gehört und möchtest wissen, ob alles wahr ist und wie ich mich verhalte. "Ich habe Pausenaufsicht, nicht wahr?" fragte sie, ohne Helen dabei anzusehen. Als ob Helen gekommen wäre, um sie daran zu erinnern! "Sie haben noch nicht zu Mittag gegessen", antwortete Helen, der Jodis Verlegenheit sichtbar peinlich war. "Ich kann die Aufsicht für Sie übernehmen." Sie zögerte und fügte mit Überwindung hinzu: "Myra Fanshawe ist auf dem Schulhof, zusammen mit anderen Eltern ..." "Schon gut", sagte Jodi, als Helen vielsagend schwieg. "Ich kann mir denken, was da draußen vorgeht. Vermutlich weiß inzwischen das ganze Kollegium Bescheid. Klatsch verbreitet sich schnell, besonders wenn ..." Sie wollte noch mehr sagen, aber der Mut verließ sie. "Sie sehen schlecht aus", meinte Helen mitfühlend. Jodi schien ihr wirklich Leid zu tun. "Wollen Sie nicht lieber nach Hause gehen?" Es ist so weit, dachte Jodi bitter, aber Helen meint es wenigstens gut. Sie rät mir, freiwillig nach Hause zu gehen, bevor ich auf höhere Anweisung für immer dorthin geschickt werde. "Nein", antwortete sie und schüttelte entschieden den Kopf. "Das kann ich nicht tun." Helen ging, und Jodi stöhnte gequält auf. Sie fühlte sich mit jeder Minute elender. Bettgeschichten gehörten zu den Dingen, die sich am schnellsten herumsprachen. Wie lange würde es dauern, bis auch ihre Freunde und ihre Familie davon erfuhren? Nigel, seine Eltern, ihre eigenen Eltern ... Jodi kämpfte gegen aufsteigende Übelkeit. Ihre Eltern waren beide pensioniert und genossen die neu gewonnene Freiheit auf einer ausgedehnten Amerikareise. Aber auch sie würden nicht ewig fortbleiben, und dann ... Jodis Familie war so stolz auf sie und alles, was sie für die Schule erreicht hatte. Was sollte sie antworten, wenn man sie nach den Gerüchten fragte? Welche Erklärung sollte sie geben? Dass sie Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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Leo Jefferson in der Hotelhalle gesehen hatte und ihm auf der Stelle in heißer Lust verfallen war? Nein, nicht nur in Lust. Lust genügte nicht, um Herz und Seele so zu erschüttern, wie es durch Leo geschehen war. Aus Lust wachte man nachts nicht schreiend auf. Aus Lust weinte man nicht so verzweifelt, und aus Lust glaubte man nicht, grausam betrogen zu sein und den einzigen Menschen für immer verloren zu haben. Jodis Übelkeit nahm zu. Musste sie sich etwa übergeben? Nein, natürlich nicht. Aber dann, ganz plötzlich, ließ es sich nicht mehr unterdrücken. Es ist die übergroße Belastung, unter der ich stehe, redete sich Jodi ein, als sie zehn Minuten später aus dem Waschraum zurückkam und sich für ihre erste Nachmittagsstunde fertig machte. Die Anspannung, der Stress ... Und wenn nicht? Ob es noch zu früh war, sich einen Test zu besorgen? Dann würde sie wenigstens Gewissheit haben. Doch Jodi verwarf den Plan sofort. Nicht auszudenken, wie das Gerede über sie zunehmen würde, wenn sie in die einzige Apotheke ging und einen Schwangerschaftstest verlangte! Nein, dieses Risiko durfte sie auf keinen Fall eingehen. Wie lange war es eigentlich her, dass sie allen als Muster der Tugend gegolten hatte und bei Eltern, Kollegen und Vorgesetzten gleich angesehen und beliebt gewesen war? Wirklich erst einige Tage? Und das ehrenvolle Angebot, an die beste und angesehenste Privatschule der ganzen Gegend zu wechseln ... Seufzend verließ Jodi ihr Büro. Die Jodi, an die sie eben gedacht hatte, gab es nicht mehr. Sie kam ihr vor wie ein Wesen aus einer anderen Welt. Wo war sie geblieben, die Jodi Marsh, die so glücklich und zufrieden gewesen war? Die sich auf jeden neuen Tag gefreut hatte, friedlich eingeschlafen und fröhlich aufgewacht war? Viele Menschen hielten Liebe für eine mildere Form des Wahnsinns. Aber wenn sie glaubte, noch immer in Leo Jefferson verliebt zu sein, war sie mehr als wahnsinnig. Dann war sie unrettbar verloren. Nein, ich liebe Leo nicht mehr, schwor sie sich hoch und heilig. Leo sah auf seine Uhr. Der ganze Nachmittag war mit geschäftlichen Besprechungen vergangen, aber endlich hatte er frei. Natürlich wusste er, dass es klug wäre, Jodi schnellstens von ihrer "Verlobung" zu unterrichten, aber am Telefon ließ sich das schlecht machen. Nach dem letzten heftigen Streit würde er kaum ein offenes Ohr bei ihr finden. Die Schule musste inzwischen beendet sein. Er würde Jodi in ihrem Cottage aufsuchen und ihr erklären, was passiert war. Ihre Reaktion ließ sich voraussehen, aber er würde ihr klar machen, dass es keinen besseren Weg gab, die hässlichen Gerüchte zum Schweigen zu bringen. Später, würde er hinzufügen, wenn Gras über die Sache gewachsen war, könnten sie diskret verlauten lassen, dass sie die Verlobung wieder gelöst hätten. Wenn Leo daran dachte, mit welcher hämischen und lüsternen Miene Jeremy Driscoll ihm heute Mittag von den Gerüchten über Jodi erzählt hatte, stieg ihm noch jetzt die Galle hoch. Jodi zu beschützen war für Leo nicht nur eine Frage der Ritterlichkeit. Es war ein Herzenswunsch von ihm, und er bedauerte zutiefst, dass er sie nicht so beschützen konnte, wie es ihr zukam _ nämlich als ihr Ehemann. Ich muss italienischer sein, als ich bisher angenommen habe, dachte er grimmig, während er zu Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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seinem Auto ging. Das erinnerte ihn an seine Eltern und sein Versprechen, sie bald zu besuchen. Dieses Versprechen konnte er jetzt nicht halten. Er würde in Florenz anrufen und seine Eltern auf einen anderen Termin vertrösten. Im Moment ging Jodi vor. Ehe sich ihre Lage nicht geklärt hatte, konnte er Frampton nicht verlassen. "Sie werden heute Abend doch hoffentlich an der Elternversammlung teilnehmen?" Jodi wollte die Schule gerade verlassen, aber Myra Fanshawe, die mit anderen Eltern auf sie gewartet hatte, versperrte ihr den Weg. "Mrs. Fanshawe ..." "Andererseits, wenn ich es mir recht überlege ... Jetzt, da Sie sich um Ihren reichen Verlobten kümmern müssen, werden Sie der Schule und unseren Kindern kaum noch großes Interesse entgegenbringen." Ein reicher Verlobter? Ihr Verlobter? Wovon sprach Myra? Jodi verstand sie beim besten Willen nicht. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals am Ende eines Schultags so erschöpft gewesen zu sein, aber es war ja auch kein normaler Schultag, sondern ein einziges Martyrium gewesen. Sie sehnte sich nur noch nach Schlaf, aber bevor sie sich hinlegte, würde sie einige dieser köstlichen Anchovis essen! Sie dachte schon den ganzen Nachmittag daran, was höchst seltsam war, denn Anchovis gehörten sonst nicht zu ihren Leckerbissen. Myra hatte sich direkt vor Jodi aufgebaut und funkelte sie mit ihren kleinen Augen hasserfüllt an. "Sie glauben hoffentlich nicht, dass eine Verlobung mit Leo Jefferson genügt, um Ihre Mitbürger zum Schweigen zu bringen. Es gibt da Fragen, die gestellt werden müssen ... zumindest von den Eltern. Was die Schulbehörde anbelangt ..." "Einen Augenblick bitte", unterbrach Jodi sie scharf. "Was ist das für ein Gerede über meine Verlobung mit Leo Jefferson?" Sie fühlte, dass ihr wieder schwindlig wurde. Ihr Gesicht brannte und erstarrte gleich darauf zu Eis. Wo hatte Myra diese unerhörte Geschichte her? Wahrscheinlich war sie schon im ganzen Dorf herum, wenn Jodi die Mienen der anderen Eltern richtig einschätzte. Myra schniefte verächtlich. "Diskretion und Unschuld ... Ist es dafür nicht ein bisschen spät, Miss Marsh? Sie hätten früher daran denken sollen. Als betroffene Mutter muss ich sagen, dass ich mehr von Ihnen erwartet hätte als ein Verhalten, das nicht nur höchst fragwürdig ist, sondern die ganze Schule und alle, die mit ihr zu tun haben, in Misskredit bringt." "Mrs. Fanshawe ..." Weiter kam Jodi nicht, denn die neugierige Zuhörerschar löste sich plötzlich auf und machte einem großen dunklen Mercedes Platz, der direkt vor dem Schuleingang hielt. "Ah!" meinte Myra gehässig, als Leo aus dem Wagen stieg. "Da kommt Ihr Verlobter. Hoffentlich bildet er sich nicht ein, in unserer Gemeinde etwas zu gelten, nur weil er das Frampton-Werk zu einem erpresserisch niedrigen Preis erworben hat. Wir wissen von Jeremy, wie brutal er die Driscolls unter Druck gesetzt hat, um dieses Ziel zu erreichen. Als ob Jeremy kein guter Chef gewesen wäre! Die Belegschaft hielt große Stücke auf ihn und stand geschlossen hinter ihm." Die Frechheit, mit der Myra diese Lügen vortrug, erboste Jodi so sehr, dass sie etwas gesagt hätte, wenn Leo nicht im selben Moment neben sie getreten wäre und seine Hand auf ihren Arm gelegt hätte. Insgeheim freute sie sich über sein unerwartetes Auftauchen, aber welches Recht hatte er, hier Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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zu sein? Wie konnte er nach allem, was zwischen ihnen vorgefallen war, so sicher und
selbstverständlich auftreten?
Leo beugte sich zu Jodi hinunter, streifte ihre Wange mit den Lippen und flüsterte: "Ich erkläre dir
alles, wenn wir allein sind." Dann richtete er sich wieder auf und sagte so laut, dass alle
Umstehenden es hören konnten: "Entschuldige, dass ich so spät komme, Darling. Ich wurde
unterwegs aufgehalten."
Ohne Jodi Zeit für eine Antwort zu lassen, führte er sie zu seinem Wagen, half ihr fürsorglich auf
den Beifahrersitz und stieg selbst ein.
Jodi wartete, bis sie von der Schule aus nicht mehr gesehen werden konnten, ehe sie unwillig fragte:
"Würdest du mir bitte erklären, was hier vorgeht? Wie kommt Myra Fanshawe auf die Idee, dass wir
verlobt sind?"
Leo runzelte die Stirn. "Myra Fanshawe?"
"Die Frau, die mit mir sprach, als du ankamst", erklärte Jodi ungeduldig.
Sie war todmüde, schlecht gelaunt und hungrig, aber trotz allem hätte sie Leo am liebsten gebeten
anzuhalten, um ihren Kopf an seine Schulter zu legen und sich gründlich bei ihm auszuweinen. Der
Wunsch danach war so stark, dass sie vor sich selbst erschrak und so weit wie möglich von ihm
abrückte.
"Myra ist eine gute Freundin der Driscolls und hat sich mit ihrer Hilfe den Platz im Kuratorium
erschlichen. Sie war von Anfang an gegen mich, weil ich den kleinen Benjamin ..."
"Eine Freundin der Driscolls?" unterbrach Leo sie nachdenklich. "Also darum wusste sie von unsrer
Verlobung."
"Unsrer Verlobung?" Jodi sah ihn gereizt an. "Was für eine Verlobung? Wir sind nicht verlobt!"
"Nicht offiziell, das stimmt."
"Auch nicht inoffiziell."
"Bitte, Jodi", sagte Leo ruhig. "Ich hatte keine andere Wahl. Jeremy Driscoll prahlte damit, dass man
dich beim Verlassen meiner Suite beobachtet hätte. Er drohte ..." Leo unterbrach sich. Er wollte Jodi
auf keinen Fall mit den Drohungen belasten, die Jeremy gegen sie ausgestoßen hatte. "Du siehst also
..."
"Ich weiß, was du sagen willst", unterbrach Jodi ihn hitzig. "Man hat mich aus deiner Suite kommen
sehen, also bin ich eine ehrlose Frau, die nicht mehr unterrichten darf, weil sie unschuldige Kinder
verdirbt. Gott im Himmel, was habe ich denn schon getan? Ich bin zweimal mit dir ins Bett
gegangen, aber das bedeutet nicht ..."
Weiter kam Jodi nicht. Die Stimme versagte ihr, und der Rest ging in lautem Schluchzen unter.
"Ich weiß genau, was es bedeutet und was es nicht bedeutet", versicherte Leo, "aber außer uns weiß
das niemand. Du verstehst doch, was ich damit sagen will?"
Jodi antwortete nicht. Sie hatte sich abgewandt, um die flammende Röte zu verbergen, die ihr
Gesicht bedeckte, aber Leo sah es und empfand tiefes Mitleid mit ihr.
"Ich wollte dich schützen, Jodi", gestand er. "Hätte ich lieber eine ganzseitige Zeitungsannonce
aufgeben sollen, etwa mit dem Wortlaut: ,Schulleiterin verliert in erster Nacht mit Londoner
Geschäftsmann ihre Jungfräulichkeit`?"
Jodis Tränen versiegten. "Eine Verlobung hättest du auch nicht zu erfinden brauchen."
"Ich habe es deinetwegen getan, Jodi. Um dich zu schützen."
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Sie zu schützen? Wie konnte Leo ihr das ins Gesicht sagen, wo er doch unmissverständlich klar
gemacht hatte, dass er kein Kind von ihr wollte? Oder tat er es gerade darum? Heuchelte er
Fürsorge, um ihr Misstrauen einzuschläfern? Um sie in seiner Nähe zu halten, sie zu überwachen
und im entscheidenden Moment ...?
"Du brauchst mich nicht zu schützen", sagte sie abweisend. "Du bist nicht für mich verantwortlich."
"In deinen Augen vielleicht nicht."
Leo sagte das so ruhig und ernst, dass Jodi aufhorchte. Sie spürte die Zuverlässigkeit, die männliche
Kraft, die von ihm ausging, und wieder war sie in Versuchung, sich auf diese Kraft zu verlassen,
mehr noch ... Trost, Schutz und Liebe bei ihm zu suchen. Aber natürlich konnte sie das nicht tun.
Durfte es nicht tun!
"In deinen Augen vielleicht nicht", wiederholte Leo, "aber in meinen umso mehr. Ich fühle mich für
uns beide verantwortlich, Jodi. Du bist nämlich nicht die Einzige, die hier betroffen ist."
Leos Stimme klang plötzlich so verändert, dass Jodi sich zu ihm umdrehte, aber das war ein Fehler.
Der Anblick seines Profils genügte, um eine so schmerzliche Sehnsucht in ihr wachzurufen, dass
alles andere dagegen bedeutungslos wurde.
Nimm dich zusammen, Jodi Marsh, ermahnte sie sich. Kontrolliere deine Gefühle. Du darfst dich
nicht nach ihm sehnen, ihn begehren oder lieben.
"Wie, glaubst du, wird man über mich urteilen, wenn bekannt wird, dass du und ich ...?"
Jodi stockte der Atem. "Mit anderen Worten, du tust dies alles für dich und nicht für mich?"
Das würde es ihr wenigstens leichter machen. Zu wissen, dass er aus egoistischen Gründen handelte,
würde ihre Liebe dämpfen und am Ende erlöschen lassen.
"Ich tue es, weil wir im Moment keine andere Möglichkeit haben", erklärte Leo in dem gleichen
ernsten Ton.
Jodi fühlte sich versucht nachzugeben. Es würde wunderbar sein, Leo alles zu überlassen, ihm zu
erlauben, sich schützend zwischen sie und die boshafte Öffentlichkeit zu stellen. Die Welt glauben
zu machen, er handle aus Liebe ...
Nein, das durfte sie nicht tun. Schon darum nicht, weil sie in Gefahr sein würde, dasselbe zu
glauben. Sich einzubilden, dass Leo aus Liebe handelte.
"Nein!" sagte sie unnötig laut, um ihre innere Unsicherheit zu übertönen. "Ich werde mich nicht
hinter dir verstecken, Leo. Ich werde nicht lügen und nicht heucheln. Vielleicht habe ich falsch
gehandelt, vielleicht sogar unmoralisch, wie viele denken. Für mich wäre Lügen am
allerschlimmsten. Wenn die Menschen mich kritisieren oder verurteilen, dann muss ich das eben
hinnehmen und die Rolle spielen, die sie mir zuweisen. Wer handelt, darf sich den Konsequenzen
seiner Handlungen nicht entziehen. Das nenne ich feige und unmoralisch."
Leo hatte Jodi von der Seite beobachtet. Er sah, wie Furcht und Stolz in ihr kämpften, und empfand
große Hochachtung für sie. Aber auch eine große Zärtlichkeit und Sorge wegen ihrer Verletzlichkeit.
Sie war so unschuldig, so naiv. Er musste sie nicht nur vor anderen, sondern auch vor sich selbst
schützen.
Als sie in die Auffahrt von "Ashton House" einbogen, sagte er unverblümt: "Sie werden dich
vernichten, Jodi. Willst du wirklich alles aufgeben, wofür du so hart gearbeitet hast? Die Schule, die
Kinder und deine Stellung in der Gesellschaft? Ich schwöre dir, genau das wäre dein Schicksal."
"Es gibt andere Schulen", sagte Jodi trotzig und versuchte das Schreckbild zu vergessen, das Leo ihr
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vorhielt.
Sie hielten vor dem Haus, und Jodi merkte erst jetzt, wo sie war. "Warum hast du mich hierher
gebracht?" fragte sie unwillig. "Ich wollte zu mir nach Hause."
"Du bist meine Verlobte, Jodi. Dies ist dein Zuhause."
"Nein!" protestierte sie wütend. "Nein, nein und nochmals nein! Wir können nicht verlobt sein."
"Wir müssen es sein, Jodi", versicherte Leo noch einmal. "Etwas anderes können wir uns nicht
leisten."
Das Bewusstsein, in einer unauflöslichen Zwangslage zu sein, nahm Jodi die letzte Kraft. "Bring
mich nach Hause", bat sie mit schwacher Stimme. "Zu mir nach Hause. Heute Abend findet eine
Elternversammlung statt, und wenn ich nicht erscheine, feiert Myra Fanshawe einen großen
Triumph."
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Kapitel 10 Jodi ließ sich erschöpft auf ihr kleines Sofa sinken. Die Elternversammlung war genauso schlimm
verlaufen, wie sie befürchtet hatte. Hartnäckig und unerbittlich hatte Myra Fanshawe von den
Förderkursen abgelenkt und versucht, eine Debatte über Moral zu entfachen, in der klaren Absicht,
Jodi vor den anderen Eltern zu demütigen und unmöglich zu machen.
Dankbar erinnerte sich Jodi jetzt daran, dass auch Fürsprecher für sie eingetreten waren. Einige
hatten ihr sogar mit aufrichtiger Anteilnahme zu ihrer Verlobung gratuliert.
"Es muss sehr schwierig für Sie beide gewesen sein", hatte eine Mutter zu ihr gesagt. "Ihr Verlobter
wollte die Fabrik ja schließen, und Sie hatten sich in den Kopf gesetzt, diese Schließung zu
verhindern. Aber wie es so schön heißt", hatte sie lächelnd hinzugefügt, "Liebe besiegt alles."
Vielleicht hat Liebe wirklich diese Kraft, dachte Jodi traurig, aber ich werde es nie herausfinden,
denn Leo liebt mich nicht.
Das Telefon klingelte, und Jodi nahm müde den Hörer ab. Wie sie erwartet hatte, war Nigel der
Anrufer.
"Stille Wasser sind tief", sagte er, halb lachend und halb gekränkt. "Deinem Lieblingscousin so
etwas zu verschweigen!"
Jodi hatte mit allem gerechnet. "Du weißt Bescheid?" fragte sie.
"Natürlich weiß ich Bescheid ... jetzt", antwortete Nigel. "Im ganzen Dorf spricht man davon. Und
ehe ich es vergesse ... Meine Eltern wollen unbedingt wissen, wann sie deinen Verlobten kennen
lernen. Ich konnte Mom gerade noch davon abhalten, deine Eltern in Amerika anzurufen."
"Um Gottes willen!" schrie Jodi gequält auf. "Sie sollen nichts davon erfahren."
"Nichts von deiner Verlobung erfahren, Jodi?" fragte Nigel verwirrt. "Warum nicht?"
"Ich will es ihnen erst später sagen", verbesserte sie sich schnell. "Und persönlich. Alles kam so
plötzlich ..."
"Wie aus heiterem Himmel", bestätigte Nigel trocken. "Es war ein ziemlicher Schock für mich, dass
du die Nacht in Leos Suite verbracht hast. Immerhin war ich Zeuge, wie du bei den Johnsons auf ihn
losgegangen bist."
"Bitte, Nigel!" Mehr konnte Jodi nicht sagen. Wie sollte sie ihrem Cousin erklären, was geschehen
war? Und wenn sie es Nigel nicht erklären konnte ... wem konnte sie es dann erklären?
Sie hatte am Nachmittag zu Leo gesagt, dass sie sich nicht hinter ihm verstecken würde, und dabei
jedes Wort ehrlich gemeint. Jetzt wurde ihr allmählich klar, dass alles viel komplizierter war und
dass es Menschen in ihrem Leben gab, die sie liebte und auf deren Gefühle sie Rücksicht nehmen
musste.
Nachdem sie das Gespräch mit Nigel beendet hatte, saß sie einige Minuten unschlüssig da, ehe sie
erneut zum Hörer griff und Leos Nummer wählte.
"Ich bin es ... Jodi", meldete sie sich stockend, denn seine Stimme hatte genügt, um die alte
Sehnsucht in ihr zu wecken. "Ich habe inzwischen nachgedacht. Was du über unsre Verlobung
gesagt hast ... Ich meine, dass es besser wäre ... Ich stimme dir jetzt zu."
Keine Antwort. Hatte Leo seine Meinung geändert? War ihm sein guter Ruf nicht mehr so wichtig,
oder lag ihm nichts mehr daran, ihren guten Ruf zu schützen?
Sie hörte es leise klicken, und dann war die Leitung still. Langsam, mit starrer Hand, legte sie den
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Hörer auf. Ihr war, als wäre alles Gefühl in ihr erloschen. Leo hatte seine Meinung geändert. Was sollte sie jetzt tun? Jodi kauerte noch immer in ihrer Sofaecke, als es zehn Minuten später an der Haustür klingelte. Nigel, dachte sie und lief barfuß zur Tür, um zu öffnen. Aber es war nicht Nigel, sondern Leo, der eine Flasche Champagner und zwei Gläser mitbrachte. "Es gibt nur eine Art, richtig Verlobung zu feiern", meinte er, als Jodi ihn verblüfft ansah. "Ein Glas Champagner, eine intime Umgebung und ein Bett. Natürlich ein möglichst breites Bett in sehr intimer Umgebung, aber da wir nur zum Schein verlobt sind und keinen Bund fürs Leben schließen wollen, wird es ausnahmsweise bei dem Champagner bleiben." Da Jodi schwieg, fuhr er lächelnd fort: "Falls du es allerdings vorziehst, die anderen Punkte in das Programm aufzunehmen, bin ich gern bereit ..." "Ich würde es vorziehen, nicht in dieser verfahrenen Situation zu sein", unterbrach Jodi ihn und wandte sich brüsk ab. Leo betrachtete sie nachdenklich. Ob sie wusste, dass er nur den einen Wunsch hatte, sie auf die Arme zu nehmen und irgendwohin zu tragen, wo sie niemand stören konnte, und ihr dort so lange seine Liebe zu beweisen, bis ...? Ja, bis was? fragte er sich unwillig. Bis sie gestehen würde, dass sie ihn liebte? Um auf andere Gedanken zu kommen, öffnete er die Champagnerflasche und schenkte für jeden ein Glas ein. "Wie ist die Elternversammlung verlaufen?" erkundigte er sich dabei. "Man debattierte über unsere Verlobung und konnte sich nicht einig werden", antwortete Jodi ironisch. "Einige fanden sie empörend, andere nur überraschend." Sie verschwieg, dass Myra Fanshawe ihr beim Abschied im Brustton der Überzeugung mitgeteilt hatte, dass sie sich aus moralischen Gründen weiterhin verpflichtet fühle, die Schulbehörde von dem Vorfall in Kenntnis zu setzen _ notfalls auch ohne Unterstützung der anderen Kuratoriumsmitglieder. "Das Ganze ist ein Sturm im Wasserglas", versuchte Leo sie zu trösten. "In einem halben Jahr ist alles vergessen." Das klang anders als heute Nachmittag, als Leo behauptet hatte, nur eine Verlobung könne ihren Ruf und ihre Stellung retten. Ein halbes Jahr! Vielleicht hatte Leo sie dann längst vergessen, während sie ihr ganzes Leben an ihn denken würde. Leo reichte Jodi ein Glas, aber sie lehnte es mit einem Kopfschütteln ab. "Ich kann nicht", erklärte sie. Zu ihrer Erleichterung drängte Leo sie nicht. Er stellte das Glas wieder hin und fragte: "Wegen des Fruchtcocktails in meiner Suite? Ich bitte dich, Jodi. In dem Krug war eine Mischung, die jeden umgehauen hätte." "Das ist nicht der Grund", gestand Jodi. "Es fällt mir einfach schwer, dieses Theater mitzumachen. Ich verabscheue jede Art von Täuschung. Etwas zu feiern, noch dazu so stimmungsvoll und romantisch, was nur ein Schein, eine Einbildung ist ..." "Jodi!" So viel Aufrichtigkeit hatte Leo nicht erwartet, und sie rührte an sein Herz. Jodi saß so traurig da, mit so großen, erloschenen Augen, so unendlich liebenswert, dass er am liebsten still ihre Hand gehalten hätte. Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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"Es muss nicht nur Schein oder ..." "Bitte, Leo." Jodi stand auf und begann unruhig hin und her zu gehen. "Ich möchte nicht mehr darüber sprechen." Sie wusste zu gut, was Leo hatte sagen wollen. Er hatte sagen wollen, dass die Täuschung unter den gegebenen Umständen harmlos sei. Vielleicht hatte er damit sogar Recht, aber das galt für ihn und nicht für sie. Für sie glich diese Täuschung fast einer Entweihung. Sie missbrauchten aus taktischen Gründen eine uralte Sitte, die bedeutungsvoll und kostbar war und das Treueversprechen von zwei Liebenden besiegeln sollte. "Ich ... möchte, dass du gehst", sagte sie gepresst. Leo zögerte. Jodi wirkte so zart und verletzlich, wie konnte er sie da allein lassen? Sie sah auch blass und müde aus ... "Jodi, ich will dich wirklich nicht quälen, aber wenn du dich nun irrst und doch schwanger bist, dann werde ich ..." "Ich bin nicht schwanger!" unterbrach sie ihn scharf. Fast hätte sie sich durch seine freundliche Art, durch das unerwartete Verständnis, das er ihr entgegenbrachte, täuschen lassen. Fast hätte sie aus seinem überraschenden Besuch und der geplanten Verlobungsfeier so etwas wie Mitgefühl oder Verantwortungsbewusstsein herausgelesen, aber was er eben gesagt hatte, machte alles wieder zunichte. Vielleicht war Leo wirklich besorgt, aber dann nur um sich selbst. Weder um sie noch das Kind, das er so fürchtete und nicht haben wollte. Er dachte immer nur an sich selbst. "Ich bin müde", sagte sie. "Bitte geh jetzt." Sie öffnete die Haustür, und Leo ging schweigend hinaus. Als er in sein Auto stieg, fragte er sich, was er eigentlich von diesem Besuch erwartet hatte. Eine feurige Liebeserklärung, nur weil er vorbeigekommen war, um mit Champagner eine falsche Verlobung zu feiern? Kannte er Jodi so schlecht? Dummkopf, schalt er sich, während er langsam nach "Ashton House" zurückfuhr. Aber mochte er auch dumm sein, er war auch ein Mann von Ehre und würde dafür sorgen, dass Jodi und ihr Ruf unangetastet blieben. Er würde sie schützen, solange es notwendig war, auch gegen ihren Willen. Vor der Welt galten sie jetzt als verlobt, und der Ring, den sie schon bald tragen würde, sollte der sichtbare Beweis dafür sein! Jodi warf einen verstohlenen Blick auf den prächtigen Brillantring, der ihre Verlobung mit Leo anzeigte. Sie hatte lange und heftig gegen den Kauf eines Rings protestiert, aber Leo war unerbittlich geblieben. Zum Schluss hatte sie nachgeben müssen, halb aus Erschöpfung und halb aus Feigheit, wie sie sich nur ungern eingestand. Nigels Eltern hatten sie und Leo zum Dinner eingeladen, und damit war der Streit entschieden gewesen. "Die Generation unserer Eltern ist konservativ", hatte Leo argumentiert. "Deine Tante und dein Onkel erwarten, dass du als frisch Verlobte einen Ring trägst." Darum _ und nur darum, wie Jodi sich einredete _ hatte sie eingewilligt, mit Leo nach London zu fahren und den Diamantring zu kaufen, den sie jetzt an der linken Hand trug. Anfangs hatte sie noch darauf gedrängt, eine preiswerte Imitation zu nehmen, aber der Vorschlag hatte Leo so erzürnt, dass sie nicht mehr darauf zurückgekommen war. Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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Auch ihre Versuche, Leo für einen kleineren Stein zu gewinnen, waren hoffnungslos gescheitert. Er
hatte sich in dem exklusiven Juweliergeschäft die schönsten Diamantringe vorlegen lassen, Jodi
aufgefordert, sie anzuprobieren, und zum Schluss selbst für sie entschieden.
Den Preis hatte sie natürlich nicht erfahren.
Die Wahl, die Leo getroffen hatte, war ein weiterer Schock für Jodi gewesen. Er hatte den Ring
gewählt, der auch ihr am besten gefallen hatte und den sie _ natürlich unter anderen Umständen _
gegen keinen anderen getauscht hätte. Heimlich, damit Leo es nicht sehen konnte, strich sie über den
prachtvollen geschliffenen Stein, der das Licht einfing und in allen Regenbogenfarben funkelte.
Sie freute sich nicht besonders auf den Abend bei Nigels Eltern, obwohl sie beide sehr liebte. Sie
waren, wie Leo richtig vermutet hatte, äußerst konservativ, und besonders Tante Bea würde Fragen
stellen, die unter den gegebenen Umständen kaum zu beantworten waren.
"Du hättest die Einladung nicht annehmen müssen", sagte sie zu Leo. Er saß am Steuer und ließ sich
von ihr den Weg zeigen. "Ich hätte dich entschuldigen können. Die Übernahme der Fabrik wäre eine
unverfängliche Ausrede gewesen."
Leo antwortete nicht. Es war inzwischen im Dorf herum, dass Jeremy Driscoll in die Fänge der
Steuerfahnder geraten war und wahrscheinlich einen Prozess zu erwarten hatte. Das wusste auch
Myra Fanshawe, aber sie ließ sich keine Gelegenheit entgehen, Jeremy zu verteidigen und dafür die
Aufmerksamkeit auf Jodis unverzeihliches und sittenwidriges Verhalten zu lenken.
"Sie möchten Mr. Jefferson sprechen?" fragte Leos neue Sekretärin.
"Ganz recht", bestätigte die Anruferin. "Ich habe es mehrmals über sein Handy versucht, aber keinen
Anschluss bekommen. Er hat sich seit Tagen nicht gemeldet."
"Es tut mir Leid, aber Mr. Jefferson ist zurzeit nicht in der Fabrik. Wahrscheinlich hat er sein Handy
abgestellt, weil er mit seiner Verlobten eingeladen ist."
"Mit seiner ...?" Luisa Jefferson ließ beinahe den Hörer fallen. "O ja, natürlich ... mit seiner
Verlobten."
"Soll ich ihm sagen, dass Sie angerufen haben?" fragte die Sekretärin hilfsbereit.
"Hm ... nein, das ist nicht nötig. Vielen Dank."
Luisa legte den Hörer auf und machte sich auf die Suche nach ihrem Mann. Sie fand ihn auf einem
Liegestuhl am Swimmingpool.
"Ich muss nach England fliegen und Leonardo besuchen", sagte sie und ging, bevor Harvey
Jefferson irgendwelche Fragen stellen konnte.
Der Familienabend verlief besser, als Jodi gefürchtet hatte. Leo lachte bereitwillig über die Witze
ihres Onkels, rühmte die unvergleichlichen Kochkünste ihrer Tante und verhielt sich durchweg so
liebenswürdig, dass er mit offenen Armen als zukünftiger Neffe aufgenommen wurde.
Jodi, die besser in die Verhältnisse eingeweiht war, beobachtete das alles mit verzeihlichem Spott.
"Und nun zu der Hochzeit", sagte Tante Bea, als sie nach dem Dinner im Wohnzimmer beim Kaffee
saßen. "Habt ihr schon ein Datum festgelegt?"
"Nein ..."
"Ja ..."
Jodi und Leo antworteten gleichzeitig, aber so unterschiedlich, dass Tante Bea verwirrt von einem
zum anderen sah.
"Wir haben uns gerade erst verlobt", verteidigte Jodi ihre Position.
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"Wenn Jodi einverstanden wäre, würde ich sie schon morgen heiraten", meinte Leo und sah Jodi
dabei so frech von der Seite an, dass sie hätte schreien mögen. Es machte ihm tatsächlich Spaß, vor
ihren Verwandten Theater zu spielen!
"Jodi möchte natürlich warten, bis ihre Eltern aus Amerika zurück sind", meinte Tante Bea
verständnisvoll. "Wie steht es mit Ihren Eltern, Leo?"
"Ich würde gern mit Jodi nach Florenz fahren und sie meinen Eltern vorstellen", antwortete Leo
wahrheitsgemäß. "Allerdings weiß ich jetzt schon, dass sie sie genauso lieben werden wie ich."
Ehe Jodi ahnen konnte, was Leo vorhatte, beugte er sich zu ihr hinüber, nahm ihre Hände zärtlich
zwischen seine und drückte einen zarten Kuss auf ihre Lippen.
Leos Unverfrorenheit ärgerte Jodi, aber gleichzeitig regte sich Verlangen in ihr, und sie wünschte,
all dies könnte wahr sein. Wenn Leo sie wirklich geliebt hätte, wenn sie sich wirklich für ein
gemeinsames Leben entschieden hätten ... Sie schloss die Augen, um das lockende Traumbild zu
verscheuchen.
Tante Bea und Onkel Jonathan brachten sie beim Abschied bis zur Haustür. Leo hatte wie zufällig
den Arm um Jodis Schultern gelegt und ließ ihn dort, bis sie sein Auto erreichten, das er außer
Sichtweite des Hauses geparkt hatte.
"Du kannst mich jetzt loslassen", sagte Jodi unwillig. "Niemand sieht uns mehr."
"Und wenn ich dich nicht loslassen möchte?"
Der Mond schien gerade hell genug, um den erregten Ausdruck in Leos Augen zu erkennen. Jodi
lehnte sich schwer atmend gegen das Auto. Ihr Herz klopfte laut und schnell, aber nicht, weil sie
sich fürchtete.
"Leo!" protestierte sie, aber er schüttelte nur leicht den Kopf und ließ die Hände langsam über ihre
nackten Armen gleiten.
"Sind wir nicht verlobt?" flüsterte er dicht an ihrem Ohr. "Wir dürfen dies tun. Man erwartet es
sogar, und ich ... will mich nicht länger dagegen wehren!"
"Aber unsere Verlobung ist nicht echt!"
"Die Verlobung vielleicht nicht, aber dies umso mehr."
Leo umfasste ihr Gesicht, sah ihr einen Moment tief in die Augen und küsste sie dann mit heißer,
inniger Glut.
Für Jodi schien die Zeit stillzustehen. Wann hatte sie dem Druck seiner Lippen nachgegeben? Wann
sich so dicht und bereitwillig an ihn geschmiegt? Waren ihr Verlangen, ihr Wunsch nach Hingabe
wirklich so groß, dass sie jeder Zärtlichkeit von Leo widerstandslos folgen musste?
"Was hast du nur an dir, dass ich nicht anders handeln kann?" stöhnte er, aber Jodi hätte ihn dasselbe
fragen können.
Würde Leo sie jetzt bitten, mit ihm nach Hause zu kommen? Jodi fürchtete sich davor und wusste
doch, dass sie mit ihm gehen würde. Sie würde mitgehen, wider ihren Stolz, ihre Selbstachtung und
wider alle Vernunft!
"O Jodi", flüsterte Leo rau. "Am liebsten würde ich ..."
Dicht über ihnen erklang der unheimliche Ruf einer Eule. Sie erschraken beide, und Leo ließ Jodi
unvermittelt los. Ein Schauer überlief sie, als er sich abwandte, um die Autotüren aufzuschließen.
Jodi betrachtete die Testpackung in ihrer Hand. Sie hatte sie in einer Londoner Apotheke gekauft, an
dem Tag, als sie mit Leo in die Stadt gefahren war, um den Verlobungsring auszusuchen. Das war
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jetzt drei Wochen her, und inzwischen ... Widerwillig drehte sie die Packung um und las die Gebrauchsanweisung. Das alles geschah ja nur aus Vorsicht. Aus übergroßer Vorsicht. Immer wieder hatte sich Jodi eingeredet, dass sie nur unter ihrem Schuldgefühl litt. Der Mensch war nun mal keine Maschine. Sein Körper reagierte unterschiedlich, besonders, wenn er so viel Stress und Aufregung aushalten musste. Myra Fanshawe hatte ihre Drohung inzwischen wahr gemacht und der Schulbehörde von den Vorfällen berichtet. Als erste Folge hatte sich Jodi einer langen, telefonischen Befragung unterziehen müssen, die mit Androhung möglicher Konsequenzen zu Ende gegangen war. Noch hatte sie nichts Entscheidendes gehört, aber sie musste mit allem rechnen _ vom schweren Tadel bis zur Entlassung. Doch daran wollte sie noch nicht denken. Ob es wirklich nötig war, den Test zu machen? Die Verspätung von einigen Tagen, ein, zwei Wochen ... Die regelmäßige Übelkeit ließ sich ohne weiteres mit ihren angegriffenen Nerven erklären, aber der Heißhunger auf Anchovis? Sie legte sonst Wert auf strenge Diät, bei der vor allem Salz und Fett reduziert waren. Warum dann diese plötzliche Gier auf Salziges? O Gott, warum nur? Mit einem tiefen Atemzug öffnete Jodi die Packung. Das Ergebnis würde negativ sein. Sie wusste es. Positiv! Jodi konnte es nicht fassen. Entweder hatte sie etwas falsch gemacht, oder die Testpackung war nicht in Ordnung gewesen. Sie konnte nicht schwanger sein. Das war völlig unmöglich. Leos Kind! Sie würde Leos Kind bekommen. Jodi sah in den Badezimmerspiegel und bemerkte, dass sie lächelte. Sie lächelte tatsächlich, obwohl es nichts zu lächeln gab. Unten wurde die Post durch den Türschlitz geworfen, aber Jodi musste sich nicht beeilen, denn inzwischen hatten die Sommerferien begonnen. Langsam zog sie sich fertig an und ging dann hinunter, um beim Frühstück die Post zu lesen. Das meiste war unerwünschte Werbung, aber ihre Eltern hatten eine Karte geschrieben. Jodi musste sich hinsetzen, ehe sie den kurzen Gruß zu lesen wagte. Ihre Eltern. Wie würden sie auf das reagieren, was während ihrer Abwesenheit passiert war? Abgesehen von dem Klatsch, der sie kränken würde, hatten sie sich die Zukunft ihrer Tochter bestimmt anders vorgestellt. Unverheiratet, mit einem Kind ... Wenn Jodi ehrlich war, hatte sie selbst sich ihre Zukunft auch anders vorgestellt. Sie hatte Tante Bea und Onkel Jonathan gebeten, ihren Eltern nichts von der Verlobung zu sagen, weil sie das gern selbst tun würde. Ihre Eltern wollten erst in zwei Monaten zurückkommen, und bis dahin _ so hatte sich Jodi eingeredet _ würde sich ihr Leben wieder einigermaßen normalisiert haben. Aber jetzt ... Jodi konnte sich auf die Liebe ihrer Eltern verlassen. Sie würden ihr in jeder Situation helfen und auch ein uneheliches Enkelkind ins Herz schließen, aber bei all dem würden die Gerüchte nicht verstummen, und Leo würde als neuer Fabrikbesitzer weiter in "Ashton House" wohnen. Wie sollte Jodi unter diesen Bedingungen in Frampton bleiben? Wie konnte sie ihre Familie und ihr Kind einer solchen Situation aussetzen? Und sollte dieses Kind, ob Junge oder Mädchen, in dem Bewusstsein aufwachsen, von seinem Vater verstoßen worden zu sein? Nein, es gab nur eine Lösung. Sie musste Frampton verlassen, dann würde es für alle Betroffenen leichter sein. Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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Schließlich, erinnerte sich Jodi mit einem Anflug von Stolz, standen ja nicht ihre Qualitäten als Lehrerin auf dem Spiel. Sie würde eine neue Stellung finden, auch als allein erziehende Mutter mit einem unehelichen Kind. Wer kümmerte sich hundert Meilen entfernt noch um die Bosheiten einer Myra Fanshawe?
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Kapitel 11 "Mom! Bist du es wirklich?" Leo sah verblüfft in das vertraute Gesicht der Besucherin, die ihn energisch herausgeklingelt hatte. Sein angekündigter Besuch in Florenz war wieder und wieder verschoben worden. Er hatte das mit Schwierigkeiten bei der Fabrikübernahme und seinem Umzug nach Frampton begründet und sein Gewissen damit halbwegs beruhigt. Dass seine Mutter Italien verlassen und unangemeldet bei ihm auftauchen würde, war mehr, als er erwartet hatte. "Wo ist Dad?" fragte er und sah dem Taxi nach, das die Auffahrt von "Ashton House" hinunterfuhr. "Wollte er in London bleiben?" "Dein Vater genießt den florentinischen Sommer", antwortete Luisa Jefferson. "Ich bin allein gekommen und kann daher nur wenige Tage bleiben. Ich hoffe jedoch, dass die kurze Zeit ausreichen wird, um deine Verlobte kennen zu lernen." Leo stellte den Koffer, den er gerade hereintragen wollte, wieder hin und sah seine Mutter an. Verschiedene Antworten gingen ihm durch den Kopf, aber seine Mutter war nun einmal seine Mutter und darüber hinaus eine scharfsinnige Frau. Das wusste er seit über dreißig Jahren und hatte es nie bedauert. "Komm erst mal herein", forderte er sie auf und griff erneut nach dem Koffer. "Das wäre sicher vernünftig", meinte Luisa, blieb auf der Schwelle aber noch einmal stehen. "Dieses Haus _ ein alter Landsitz namens ,Ashton House`, wie mir der Taxifahrer erklärte _ ist für eine Familie wie geschaffen, Leonardo. Es ist solide gebaut und steht sicher da. Kinder werden sich darin wohl fühlen, und der Garten hat Stil, wenn es auch viel Arbeit kosten wird, ihm seine ehemalige Schönheit zurückzugeben. Ist deine Verlobte eine Gartenfreundin? Ich hoffe es, denn eine Frau, die für ihre Pflanzen sorgt, sorgt auch für ihren Mann und ihre Kinder." Luisa Jefferson war die Einzige, die ihren Sohn Leonardo nannte, mit besonderer Betonung auf der dritten Silbe, was erstaunt, vorwurfsvoll oder auch bewundernd klingen konnte. Er erinnerte sich lächelnd daran, während er seine Mutter in den Flur führte, wo sie vor dem Blumenstrauß stehen blieb, den Jodi vor einigen Tagen auf dem Wandtisch arrangiert hatte. Vor dem Besuch bei Tante Bea und Onkel Jonathan hatte er sie von ihrem Cottage abgeholt und war noch kurz nach "Ashton House" gefahren, um wichtige Geschäftspapiere abzulegen. Ein wichtiger Telefonanruf hatte ihn für eine Weile in seinem Arbeitszimmer festgehalten, und als er zurückgekommen war, hatte er den Strauß voll erblühter Sommerblumen auf dem Flurtisch entdeckt. "Sie taten mir Leid", hatte Jodi halb entschuldigend gesagt. "So unbemerkt und ungeliebt da draußen zu sterben ... Sie werden nicht lange frisch bleiben, aber einige Tage kannst du dich daran freuen." "Deine Verlobte hat also einen häuslichen Zug", meinte Luisa mit typisch italienischer Logik, nachdem sie Jodis Blumengruß einer kritischen Prüfung unterzogen hatte. "Kocht sie auch für dich?" "Mom, bitte!" Leo führte seine Mutter in die Küche. "Es gibt da etwas, das du wissen musst und das nicht ganz leicht zu erklären ist. Ich werde eine Weile dafür brauchen." "Es gibt nur eine Frage, die wichtig ist", entgegnete Luisa, "und die lässt sich mit einem Wort beantworten. Liebst du sie?" Leo schwieg, und im ersten Moment fürchtete seine Mutter, er würde ihr gar nicht antworten. Er war zwar ihr Sohn, aber inzwischen auch ein erwachsener Mann und erfolgreicher Unternehmer, mit Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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dem sie nicht mehr so wie früher umgehen konnte. Sie wollte ihre Frage wiederholen, aber Leo strich sich mit einem verlegenen Lächeln das Haar aus der Stirn _ eine Geste, die Luisa an seinen Vater erinnerte _ und sagte: "Ob ich sie liebe? Leider ja." "Leider?" wiederholte Luisa erstaunt. "Warum leider?" "Weil es ein Problem gibt." Durch den Besuch seiner Mutter entstanden Schwierigkeiten, mit denen Leo nicht gerechnet hatte. Trotzdem stellte er halb belustigt und halb beschämt fest, dass es ihm nicht unangenehm war, mit ihr über Jodi zu sprechen, ihr von seiner Liebe, aber auch von seiner Verwirrung und seiner Unsicherheit zu erzählen. "Mit der Liebe gibt es immer Probleme", erklärte Luisa lächelnd. "Wer das Gegenteil behauptet, der lügt oder macht es sich zu leicht. Also, Leonardo ... wo liegt dein Problem? Mag ihr Vater dich nicht? Das ist bei den meisten Vätern so. Für ihre Tochter ist ihnen kein Mann gut genug. Wenn ich an meinen eigenen Vater denke ..." "Ich kenne Jodis Vater noch gar nicht", unterbrach Leo seine Mutter, "aber darum geht es nicht. Ich habe dir gesagt, dass ich Jodi liebe, aber das Problem ist, dass sie mich nicht liebt." "Dich nicht liebt?" Luisa sah ihren Sohn erstaunt an. "Ihr seid doch verlobt! Dabei fällt mir ein, dass es nicht gerade angenehm war, durch deine Sekretärin davon zu erfahren. Aber wie auch immer ..." "Mom, bitte", unterbrach Leo sie aufs Neue. "Lass mich alles in Ruhe erklären." Leo begann mit seiner Geschichte. Er erinnerte sich daran, wie unrecht er Jodi anfangs getan hatte, und gab sich große Mühe, sie so zu schildern, dass seine Mutter zu keinem falschen oder ungerechten Urteil kommen konnte. Trotzdem spürte er, dass sie am Ende seines Berichts nicht ganz zufrieden war. "Du liebst sie, und sie liebt dich nicht", meinte sie nachdenklich. "Sie verlobt sich mit dir, weil sie in deiner Suite eingeschlafen ist und am nächsten Morgen beim Verlassen des Hotels gesehen wurde." Luisa zog die Augenbrauen hoch, um anzudeuten, dass sie zwar voller Verständnis, aber nicht dumm war. "Ich würde diese so genannte Verlobte sehr gern kennen lernen." Leo sah seine Mutter unsicher an. "Ich kann nicht versprechen, dass dir das gelingen wird", versuchte er vom Thema abzulenken. "Ich muss heute Nachmittag geschäftlich nach London fahren und wollte mehrere Tage dort bleiben. Willst du nicht mitkommen? Du könntest in Ruhe Einkäufe machen." Luisa schüttelte den Kopf. "Ich lebe jetzt in Italien, Leonardo, und mache meine Einkäufe in Mailand. London kann mir nichts mehr bieten. Wir werden es anders machen. Während du in London bist, bleibe ich hier und warte auf deine Rückkehr." Sie machte eine Pause und setzte entschlossen hinzu: "Wo wohnt deine Verlobte?" Leo seufzte. "Hier in Frampton, Mom. Ich weiß, du meinst es gut, aber es wäre mir lieb, wenn du ..." "Wenn ich mich nicht einmischen würde?" kam Luisa ihm zu Hilfe. "Ich bin deine Mutter, Leonardo, und außerdem Italienerin." "Das weiß ich", antwortete Leo mit spürbarer Ungeduld. "Trotzdem muss ich dich um Verständnis bitten. Da Jodi mich nicht liebt, würde ich mich nur lächerlich machen, wenn sie von meiner Liebe erführe, und das möchte ich natürlich vermeiden. Ebenso möchte ich vermeiden, dass Jodi irgendwelche peinlichen Fragen beantworten muss. Was ich gesagt habe, war nur für deine Ohren bestimmt, und ich bitte dich nachdrücklich, keinen Gebrauch davon zu machen. Versprich mir, dass Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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du Jodi nicht aufsuchen wirst. Einen anderen Gefallen kannst du mir nicht tun." Im ersten Moment schien es Leo, als würde seine Mutter die Bitte ablehnen, aber zu seiner Erleichterung fügte sie sich. "Also gut, Leonardo. Ich werde diese Jodi nicht aufsuchen." "Danke, Mom." Leo beugte sich vor, um seine Mutter zu küssen, aber sie wich ihm aus und sagte bekümmert: "Ich habe lange darum gebetet, dass du dich verlieben würdest, aber an so etwas habe ich dabei nicht gedacht." "Du wünschst dir Enkelkinder", antwortete Leo, um die Stimmung etwas aufzuheitern. "Ich weiß, dass ich in deiner Schuld stehe." Luisa nickte. "Ja, ich wünsche mir Enkelkinder, aber noch mehr wünsche ich mir, dass du dein Leben mit der Frau teilst, die du liebst. Ich möchte, dass du die wahre Liebe findest, die der größte Reichtum im Leben ist. Deinem Vater und mir ist diese Liebe geschenkt worden." Luisa schwieg, um die Rührung zu überwinden, die sie nicht verbergen konnte. "Ich wünsche mir", fuhr sie dann entschlossen fort, "was sich jede Mutter für ihren Sohn wünscht." Sie sah Leo mit inniger Zärtlichkeit an. "Dass er glücklich wird." Meine Mutter wünscht sich nichts anderes für mich, als was ich mir selbst wünsche, dachte Leo, als er zwei Stunden später in sein Auto stieg, um über Frampton nach London zu fahren. Da er seiner Mutter nicht vollständig traute, hatte er ihr vorgeschlagen, nicht auf seine Rückkehr zu warten, sondern gleich nach Italien zurückzukehren. "Vielleicht werde ich länger in London aufgehalten", hatte er argumentiert. "Du kennst hier niemanden und wirst dich schnell langweilen." "Ich langweile mich nie, Leonardo", hatte seine Mutter entrüstet geantwortet und war in den Garten gegangen, um verwelkte Rosen abzuschneiden. "Hier ist genug für mich zu tun." Sie hatte Leos Arm genommen und war mit ihm zwischen den verwilderten Beeten auf und ab gegangen. "Sieh nur, was hier früher alles geblüht hat. Rosen, Nelken, Zinnien und Levkojen ... um nur einige zu nennen. Du hast doch nichts dagegen, wenn ich mich darum kümmere?" Dem hatte Leo wenig entgegenhalten können. Jetzt, auf dem Weg durch Frampton, musste er sich zusammennehmen, um nicht von seiner Route abzuweichen und zu Jodis Cottage zu fahren. Die Versuchung dazu war so groß, dass er die Hände fest um das Lenkrad legte und starr geradeaus sah. Seine Mutter wünschte ihm Glück, aber wie sollte er jemals glücklich werden? Ohne Jodi, ohne ihre Liebe, ihre Wärme, ihre Nähe gab es kein Glück für ihn. Sie bedeutete ihm alles. Sie war gleichbedeutend mit seinem Glück. Jodi saß vor ihrem Computer und las noch einmal sorgfältig den Kündigungsbrief, an dem sie drei Stunden geschrieben hatte. Es war nichts mehr daran zu verändern. Sie würde ihn ausdrucken und zur Post bringen, aber jetzt noch nicht. Irgendetwas, das sie nicht erklären konnte, hielt sie von diesem letzten Schritt zurück. Sie stand auf und ging eine Weile unruhig hin und her. Plötzlich wurde ihr das Zimmer zu eng. Sie lief in den Flur, griff nach dem Schlüsselbund, das auf dem kleinen Tisch lag, und verließ das Haus. Es war ein schöner, warmer Sommertag. Die Gärten, die diesen Teil der Straße säumten, leuchteten in ihrer Blumenfülle und boten ein bezauberndes Bild. Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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Sonst genügte der Anblick der bunten Pracht, um Jodi leicht und heiter zu stimmen. Sie empfand dann aus tiefem Herzen, welches Glück sie hatte, hier zu wohnen und die Frau zu sein, die sie war. Eine Frau mit einem Beruf, den sie liebte, mit einer Familie, die sie liebte, mit einem Leben, um das sie jeder nur beneiden konnte. Heute war ihr Herz nicht von Glück erfüllt. Sie dachte an den Mann, den sie liebte und der niemals zu ihr gehören würde. Sie dachte an ihre Stellung, die sie aufgeben musste, weil sie hier nicht bleiben konnte _ nicht in ihrem Cottage, nicht in dieser Straße mit ihren wunderschönen Gärten. Das alles würde ihr fehlen, aber der größte Verlust würde Leo sein, dem ihre ganze Liebe galt und von dem sie doch so viel trennte. Leo. Obwohl Jodi nur an ihn dachte, hatte sie automatisch den Weg zur Schule eingeschlagen. Vor der Kirche stand eine Bank, von der man das Schulgelände bequem überblicken konnte. Dorthin setzte sich Jodi und betrachtete gedankenverloren die Stätte ihrer Wirkung, die ihr so viel bedeutete und für die sie unermüdlich gearbeitet hatte. Jodi hatte ihren Stolz, aber sie war nicht eitel. Sie bildete sich nicht ein, dass sie die einzige gute Lehrerin war. Es gab andere, vielleicht sogar bessere, aber konnte jemand diese Schule mehr lieben als sie? Würde eine andere Frau Leo so lieben wie sie? Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und während sie hastig nach einem Taschentuch suchte, setzte sich eine Frau zu ihr auf die Bank. "Fehlt Ihnen etwas?" fragte sie freundlich. "Ich will nicht neugierig sein, aber ich bemerkte im Vorübergehen, dass Sie weinen." Die mitfühlenden Worte waren Jodi eher peinlich. Sie lebte in einem Land, in dem man Tränen fremder Leute übersah und niemals nach dem Grund dafür fragte, so neugierig oder hilfsbereit man auch sein mochte. Sie tupfte sich die Augen trocken, hob stolz den Kopf und sagte: "Danke, es geht mir gut." Das sollte kühl und abweisend klingen, aber zu Jodis Entsetzen füllten sich ihre Augen aufs Neue mit Tränen. Sie liefen ihr über beide Wangen, und es war nur eine Frage der Zeit, wann sie in heftiges Schluchzen ausbrechen würde. "Nein, es geht Ihnen nicht gut", beharrte die Frau. "Sie sind erregt und außerdem zornig mit mir, weil ich so zu Ihnen spreche, aber manchmal hilft es, sich einem Fremden anzuvertrauen." Sie zeigte auf die Schule und fuhr fort: "Ich sah Sie dort hinüberblicken ..." "Ja", gab Jodi zu. "Es ist unsere Schule, in der ich unterrichte. Vielmehr habe ich dort unterrichtet, aber jetzt ..." Die Stimme versagte ihr, und sie biss sich auf die Lippen, um die Tränen zurückzudrängen. "Dann haben Sie sich entschlossen, Frampton zu verlassen?" fragte die Fremde vorsichtig weiter. "Vielleicht haben Sie sich verliebt? Sie wollen Ihrem Geliebten folgen und weinen, weil Sie diesen schönen Ort, an dem Sie glücklich waren, verlassen müssen?" Jodi hörte, dass die Frau perfekt Englisch sprach, aber gleichzeitig hatte sie etwas an sich, das nicht englisch war, sondern auf eine Ausländerin hindeutete. Wahrscheinlich war sie eine Touristin auf der Durchreise, die Jodi in ihrem ganzen Leben niemals wieder sehen würde. Plötzlich, aus einem nicht zu erklärenden Grund, spürte sie den Wunsch, sich dieser fremden Frau anzuvertrauen und ihre Seele zu erleichtern. Sie würde ihr nicht helfen und noch weniger erklären können, was mit ihr geschah, aber sie konnte ihr zuhören und sie vielleicht verstehen. Ja, diese Frau Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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würde sie verstehen. Das las Jodi in ihren warmen dunklen Augen und ihrem aufmunternden
Lächeln.
"Ich bin tatsächlich verliebt", gestand sie, "aber er ... Der Mann, den ich liebe, liebt mich nicht."
"Nein? Dann ist er ein großer Dummkopf. Jeder Mann, der die Frau, die ihn liebt, nicht wieder liebt,
ist ein Dummkopf." Die natürliche Autorität, die aus diesen Worten sprach, zeigte Jodi, dass ihre
Gesprächspartnerin älter war, als sie zunächst angenommen hatte. Sie mochte Ende fünfzig sein,
wozu ihre elegante Erscheinung gut passte.
"Warum liebt er Sie nicht? Hat er es Ihnen gesagt?"
Jodi hätte beinahe laut gelacht. "Nicht direkt, aber seine Andeutungen waren nicht misszuverstehen."
"Sind Sie beide ein Liebespaar?"
Jodi wunderte sich, was die Fremde alles aus ihren Worten heraushörte. Sie musste nicht nur klug
sein, sondern auch große Menschenkenntnis besitzen.
"Ja", gab sie zu und errötete dabei. "Wir haben miteinander geschlafen, aber er ... Es ging von mir
aus. Ich ..." Jodi schwieg und biss sich wieder auf die Lippen. Alles konnte sie doch nicht sagen,
aber ihre Nachbarin schien weniger schwierig zu sein.
"Sie haben ihn verführt", erklärte sie rundheraus. Es klang eher belustigt als schockiert, und als Jodi
die Frau ansah, erkannte sie das Lachen in ihren dunklen Augen.
"Nun, ich ... habe ihn eher überrumpelt. Ich war in seinem Bett eingeschlafen, und er wusste nicht,
dass ich darin lag. Als ich wach wurde und ihn bemerkte ..." Jodi schwieg und schöpfte tief Atem.
Ihr war, als erlebte sie eine seelische Reinigung. Sie konnte sich einem anderen Menschen
anvertrauen und zum ersten Mal erklären, was sie gefühlt und warum sie es gefühlt hatte.
"Ich hatte ihn vorher in der Hotelhalle gesehen", fuhr sie mutiger fort. "Ich wusste nicht, wer er war,
wenigstens zu dem Zeitpunkt noch nicht. Ich hatte so etwas noch nie erlebt, aber ..."
"Sie fühlten sich zu ihm hingezogen?" kam die Fremde ihr zu Hilfe.
Jodi nickte erleichtert. "Ja", gestand sie. "Er wirkte in einer Weise auf mich, wie ich es bisher bei
keinem Mann erlebt hatte. Ich sah ihn nur an und ..." Sie räusperte sich, denn ihre Kehle war trocken
und schmerzte sie. "Ich weiß, es klingt albern, aber ich glaube, dass es Liebe auf den ersten Blick
war. Als ich dann neben ihm aufwachte, muss ich mich ... muss sich mein Körper an ihn erinnert
haben ... an das, was ich bei seinem Anblick gefühlt hatte."
Jodi machte eine Pause, und die Fremde ließ ihr Zeit, sich zu sammeln und die richtigen Worte zu
finden.
"So muss es gewesen sein", fuhr Jodi nach einer Weile fort, "aber er ... Er dachte, ich wäre aus
einem anderen Grund da. Später, als er die Wahrheit herausfand, sagte er ... fragte er mich ..." Jodis
Gedanken verwirrten sich immer mehr. "Ich hätte das alles niemals tun dürfen und wäre vor Scham
am liebsten gestorben."
"Weil Sie sich verliebt hatten?" Die Fremde schüttelte den Kopf. "Warum hätten Sie sich deswegen
schämen sollen? Es ist das Natürlichste von der Welt."
"Sich zu verlieben vielleicht", erwiderte Jodi, "aber mein Benehmen, die Art, in der ich ..." Sie
senkte den Kopf, um zu verbergen, wie locker ihr die Tränen saßen.
Die Fremde ließ sich durch das Schweigen nicht abschrecken. "Sie haben einen Mann getroffen und
sich in ihn verliebt", stellte sie nüchtern fest. "Sie behaupten, dass er Sie nicht liebt. Sind Sie da ganz
sicher?"
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"Ganz sicher", bestätigte Jodi.
"Und jetzt sitzen Sie hier und weinen, weil Sie sich ein Leben ohne ihn nicht vorstellen können.
Habe ich Recht?"
"Ja", gab Jodi zu. "Deshalb und auch aus anderen Gründen."
"Aus anderen Gründen?"
Jodi fuhr sich mit der Hand über die Augen. "Als er herausfand, dass er sich in mir geirrt hatte, dass
ich nicht so eine ... Als er die Wahrheit erfuhr, warnte er mich, dass unser Zusammensein ... Er
sagte, dass es vielleicht unerwünschte Folgen haben könnte, und verlangte von mir ..."
Jodi wurde von Tränen überwältigt und konnte nicht weitersprechen. Die Fremde ließ sie weinen
und legte nur sacht eine Hand auf ihren Arm, um sie ihres Mitgefühls zu versichern.
"Von da an wusste ich, dass ich ihn nicht mehr lieben kann", fuhr Jodi fort, als sie sich etwas
beruhigt hatte. "Einen Mann, der von mir verlangt, unserem Kind das Leben zu nehmen ... Wie kann
man einen solchen Mann lieben?"
Die Fremde konnte ihre Betroffenheit nicht verbergen. "Ich glaube einfach nicht, was Sie da sagen",
erklärte sie. "Das ist ungeheuerlich ... unvorstellbar."
"Ich versichere Ihnen, dass es die Wahrheit ist", beharrte Jodi. "Ich wollte es zuerst selbst nicht
glauben, aber er hat es nicht nur einmal, sondern immer wieder gesagt. Wenn ich schwanger würde,
müsste etwas geschehen ... Ja, so ungefähr lauteten seine Worte. Damals glaubte ich noch, dass der
Fall niemals eintreten würde, aber inzwischen ..."
Jodi presste beide Hände auf ihren flachen Bauch, was die Fremde zu der scharfen Frage
veranlasste: "Sie sind schwanger? Sie erwarten ein Kind von diesem Mann?"
Jodi nickte. "Ja, und außerdem droht mir ein Verfahren vor der Schulbehörde, weil ich beim
Verlassen seiner Suite gesehen worden bin. Ich war bisher Leiterin dieser Schule, aber natürlich
erwartet man jetzt von mir ... Darum hat er diese Verlobung erfunden ... um das Gerede zum
Schweigen zu bringen und mich zu schützen."
Bei den letzten Wort hob Jodi die linke Hand. Das Sonnenlicht brach sich an Leos Diamanten und
ließ ihn funkeln, fast so hell wie ihre Tränen. "Wie kann er anbieten, mich zu schützen, und
gleichzeitig sein eigenes Kind zum Tod verurteilen?"
Die Fremde dachte eine Weile nach und fragte dann leise: "Was werden Sie jetzt tun?"
Jodi richtete sich mühsam auf. "Ich werde von hier wegziehen und woanders ein neues Leben
anfangen."
"Ohne ihm etwas von seinem Kind zu sagen?" fuhr die Fremde auf.
Jodi verstand ihre plötzliche Heftigkeit nicht. Wie konnte sie nach allem, was sie gehört hatte, einen
solchen Ton anschlagen?
"Er will das Kind nicht und wird daher auch nichts von ihm erfahren", sagte sie. ",Wenn du Pech
hast, muss etwas geschehen.` Wie kann man als zukünftiger Vater so etwas sagen? Ich weiß genau,
was er damit gemeint hat." Jodis Temperament regte sich, denn ihre mütterlichen Instinkte waren
geweckt. "Aber ich würde lieber sterben als zulassen, dass meinem Kind etwas geschieht."
Jodi wusste nicht mehr, wie lange sie schon auf der Bank saß. Wann hatte sich die fremde Frau zu
ihr gesetzt? Was hatte sie ihr alles erzählt und vor allem _ wie sollte es jetzt weitergehen? Sie fühlte
sich auf einmal zu Tode erschöpft und wollte nur noch nach Hause, um sich hinzulegen.
Sie stand auf und reichte der Fremden die Hand. "Danke, dass sie mir zugehört haben."
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Zu ihrer Überraschung stand die Fremde ebenfalls auf und umarmte sie beinahe zärtlich. "Verlieren Sie nicht den Mut", sagte sie mit mütterlicher Wärme. "Alles wird gut werden. Ich weiß es." Sie lächelte bei diesen zuversichtlichen Worten, und irgendetwas an diesem Lächeln kam Jodi bekannt vor. Lag es daran, dass die Frau so menschlich zu ihr gewesen war? Eine andere Erklärung gab es nicht, denn Jodi war sicher, sie nie zuvor gesehen zu haben.
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Kapitel 12 "Leonardo, du kommst sofort nach Frampton zurück!"
"Das geht nicht, Mom. Ich kann hier nicht einfach ..."
"Sofort, Leonardo", wiederholte Luisa Jefferson. "Auf der Stelle. Und bevor du kommst, erkläre mir
bitte, warum die arme Jodi glaubt, dass du dich nicht nur als Vater eures gemeinsamen Kindes
verleugnen willst, sondern auch noch verlangst, dass dieses Kind nicht geboren wird."
"Welches Kind, Mom? Jodi hat mir versichert, sie sei nicht schwanger."
"Und mir hat sie das Gegenteil versichert. Nicht, dass sie dazu Veranlassung gehabt hätte. Ich
konnte es ihr ansehen ... ihren Augen, ihrem Gesicht. Du hast ihr sehr, sehr wehgetan, Leonardo. Sie
glaubt, dass du sie nicht liebst, und leidet schwer darunter, dass der Mann, den sie liebt, ihr Kind
töten will."
"Ich verstehe beim besten Willen nicht, wie sie auf diesen Gedanken kommt!" verteidigte sich Leo.
"Nie im Leben würde ich ..."
"Das weiß ich, Leonardo", unterbrach ihn seine Mutter, "aber die arme Jodi weiß es offenbar nicht.
Im Falle einer Schwangerschaft müsste etwas geschehen, sollst du zu ihr gesagt haben."
"Was? Was soll ich ...? Natürlich habe ich das gesagt, aber ich habe gemeint, dass wir im Fall einer
Schwangerschaft heiraten würden. Wie konnte sie auf die Idee kommen ...?" Leo hatte Mühe, ruhig
zu bleiben. "Wie konnte sie meine Worte so falsch auslegen?"
"Das solltest du Jodi fragen, Leonardo, nicht mich. Und wenn ich dir einen zusätzlichen Rat geben
darf: Beeil dich lieber. Sie hat vor, Frampton zu verlassen, und wenn sie erst einmal fort ist ..."
"Ich komme", versprach Leo. "Wenn du wagst, ein Wort mit ihr zu sprechen, bevor ich da bin, hast
du es für immer mit mir verdorben!"
Luisa legte den Hörer auf und lächelte glücklich vor sich hin. Nach einer Weile griff sie erneut zum
Telefon und wählte ihre Nummer in Florenz.
"Harvey?" fragte sie, als sich ihr Mann meldete. "Hier Luisa. Meine Reise hat sich gelohnt.
Leonardo wird heiraten, und du ..."
"Ja, Darling?"
"Du wirst Großvater."
"Nun komm schon, Jodi. Ich sterbe vor Hunger und habe keine Lust, allein essen zu gehen."
"Sei nicht böse, Nigel, aber ich bin müde."
Nigels Anruf kam nicht nur unerwartet, sondern auch ungelegen, denn nichts widerstrebte Jodi jetzt
mehr, als auswärts zu essen.
"Seit wann ist meine Lieblingscousine immer müde, wenn ich sie einladen will?"
"Seit ... Ach, Nigel! Warum fragst du nicht eine deiner zahlreichen Freundinnen?"
Nigel blieb hartnäckig, und am Ende gab Jodi nach. Sie erwartete ihn an der Haustür und wunderte
sich etwas, als er sie zum Auto brachte und anschließend noch einmal umkehrte, weil er angeblich
seine Brieftasche auf dem Gartenweg verloren hatte.
Nigel wählte ihr Lieblingsrestaurant und zwang sie gegen seine Gewohnheit nicht, mehr zu
bestellen, als sie wollte. Sie gab sich große Mühe, Appetit vorzutäuschen, aber schon vor zehn Uhr
war sie so müde, dass sie ein Gähnen unterdrückte, was Nigel veranlasste, heimlich auf die Uhr zu
sehen.
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Jodi konnte es ihm nicht übel nehmen. Sie war wirklich keine anregende Gesprächspartnerin gewesen. "Lass uns gehen", meinte Nigel, nachdem er zum zweiten Mal auf die Uhr gesehen hatte. "Du hast deinen Kaffee noch nicht ausgetrunken." "Wie bitte? Ach, der Kaffee. Lass nur, ich sehe, wie müde du bist." Während der Heimfahrt überlegte Jodi, warum Nigel so anders gewesen war als sonst. Irgendetwas hatte ihn beschäftigt, und nachträglich fiel ihr auf, dass er den ganzen Abend vermieden hatte, sie anzusehen. Normalerweise hätte sie ihn gefragt, was los sei, aber heute war sie zu müde und sehnte sich nur nach Schlaf. Als sie vor dem Cottage hielten, fragte sie, ob er noch hereinkommen wolle, aber zu ihrer Verwunderung schüttelte er nur den Kopf, sagte flüchtig gute Nacht und fuhr davon. Im Wohnzimmer war der Computer eingeschaltet, aber Jodi übersah das matte Licht und ging gleich nach oben, um sich hinzulegen. Darum sah sie auch nicht die lachenden Babys, die in Scharen über den Bildschirm purzelten und die Botschaft umrahmten: "Ich liebe dich, mein Baby, und deine Mom auch!" Jodi ging direkt ins Badezimmer, entfernte ihr Make-up, duschte anschließend und tappte dann nackt in das dunkle Schlafzimmer, das ihr zu vertraut war, um Licht zu machen. Sie schlief schon halb, als sie die Decke zurückschlug und sich auf das weiche Bett fallen ließ. Es war ein altmodisches Doppelbett, das fast das ganze Zimmer ausfüllte. Nigel hatte es ihr gegen ihren Protest zum Einzug geschenkt, und bis jetzt hatte niemand außer ihr darin geschlafen. Heute allerdings ... Jodi hätte den, der darin lag, immer und überall erkannt, auch ohne sein Gesicht zu sehen. Sein Duft verriet ihn ebenso wie seine starke männliche Aura, die nur einer haben konnte _ Leo. Leo! Leo war da. Er lag in ihrem Bett und schlief. Nein, das konnte nicht sein. Sie hatte den Verstand verloren. Sie träumte ... fantasierte ... "Hmm." Zwei Arme umschlossen sie und zogen sie an den warmen, wunderbar vertrauten Körper. "Leo!" Jodi konnte seinen Namen nur flüstern. Die Stimme versagte ihr in diesem Augenblick, in dem es wie helles Licht in die Dunkelheit brach. "Wie konntest du annehmen, dass ich dich nicht liebe?" fragte Leo bewegt. "Ich bin verrückt nach dir! Ich liebe dich mehr, als ich sagen kann ... wahnsinnig, hoffnungslos, für immer und ewig! Ich dachte, du liebtest mich nicht, und fürchtete, dich für immer verloren zu haben." "Leo ..." Jodi konnte immer noch nicht sprechen. Sie begriff kaum, was mit ihr geschah, und noch weniger, wie es dazu gekommen war. "Wie ...? Warum ...?" Leo war nicht in der Stimmung, Fragen zu beantworten. Er bedeckte Jodis Gesicht mit Küssen und flüsterte dabei die zärtlichsten Worte. Behutsam legte er ihr eine Hand auf den Bauch und fragte rau: "Wie konntest du glauben, dass ich unser Kind nicht will?" Jodi wollte antworten, aber Leo ließ sie nicht zu Atem kommen. Immer sehnsüchtiger, immer drängender suchte er ihre Lippen, und was hätte sie auch sagen sollen? Was bedeuteten Worte, wenn Leo bei ihr war und sie in eine Welt zärtlicher Liebe entführte, die ihnen ganz allein gehörte? "Als wir uns zum ersten Mal begegneten, hast du dich in mein Bett und in mein Herz geschlichen", sagte Leo, während er Jodi liebkoste und mit sanften Händen streichelte. "Seitdem hat es keine Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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einzige Stunde, keine einzige Minute gegeben, in der ich mich nicht nach dir gesehnt, nach dir verzehrt habe." Er küsste sie heiß und innig. "Jeder Herzschlag, jeder Atemzug war eine Qual, weil ich an deiner Liebe zweifelte." Jodi fühlte die Erregung, die seinen Körper durchpulste und die er nur mühsam beherrschte. "Heute mache ich es dir nach. Dank Nigel konnte ich mich in dein Bett schleichen, und ich warne dich, Jodi. Ich bleibe, bis ich mich auch in dein Herz geschlichen habe. Du sollst mir hier und jetzt versprechen, dass du mich darin aufnimmst und mir erlaubst, für immer darin zu bleiben ... in deinem Herzen, deinem Leben und dem Leben unseres Kindes." "Für immer", hauchte Jodi und berührte sein Gesicht, das von innerem Feuer zu glühen schien. "Ich dachte, dich zu lieben, wäre eine unerträgliche Qual", fuhr Leo beinahe heftig fort, "aber jetzt weiß ich, dass es keine größere Qual gibt, als dich zu verlieren. Ahnst du, was ich fühlte, als du neben mir im Bett lagst, die Arme nach mir ausstrecktest, mich berührtest und liebtest?" Er stöhnte wie in tiefster innerer Pein. "Soll ich es dir zeigen?" Jodi hörte die Stimme ihrer Mutter, die sie immer gewarnt hatte, mit dem Feuer zu spielen. Vielleicht hätte sie die Warnung jetzt beherzigen sollen, aber es war schon zu spät. "Zeig es mir", ermunterte sie ihn. Sie liebten sich, zart und behutsam, weil sie beide an das Kind dachten, das durch sie zur Welt kommen würde, aber dann wild und leidenschaftlich, weil sie das Kind vorübergehend vergaßen und das Recht für sich in Anspruch nahmen, ihre Liebe voll auszukosten. Sie liebten sich so, wie Jodi es sich in ihren heimlichsten Träumen ersehnt hatte. Dann verblassten die Träume, und an ihre Stelle trat eine Wirklichkeit, die über jede Vorstellungskraft hinausging. Langsam dämmerte der Morgen. Jodi konnte nicht oft genug hören, wie sehr Leo sie liebte, und sie musste ihm dasselbe fast ebenso oft versichern. Endlich fragte sie: "Kannst du mir erklären, warum alles so gekommen ist? Warum ...?" Sie schwieg, als könnte sie sich noch immer nicht zurechtfinden. "Es kommt mir vor, als hätte eine gute Fee uns mit ihrem Zauberstab berührt." Leo richtete sich halb auf und sah lächelnd auf sie hinunter. "Die gute Fee war meine Mutter." "Was?" Jodi setzte sich kerzengerade auf und verlor dabei die Bettdecke. Für einen Moment wurde sie durch Leos Nacktheit von ihren Gedanken abgelenkt. Sie konnte den Blick nicht von ihm abwenden und ließ ihre Hand langsam an ihm hinuntergleiten. Zärtlich spielte sie mit seinem dichten Haar und beobachtete mit scheuer Verwunderung, wie spontan er darauf reagierte. "Nicht an der Stelle", warnte Leo sie scherzhaft. "Es sei denn, du meinst es ernst." Hastig zog Jodi ihre Hand weg. "Ich möchte wissen, was geschehen ist." Leo seufzte in gespielter Enttäuschung und zog die Bettdecke hoch. "Meine Mutter kam aus Italien, um mich zu besuchen. Sie hatte durch meine neue Sekretärin von unsrer Verlobung gehört, und war entschlossen, ihre zukünftige Schwiegertochter kennen zu lernen. Mütter sind nun mal so, besonders italienische Mütter. Schließlich bist du die Erfüllung ihrer Wünsche, die Frau, um die sie gebetet hat und für die sie sogar zu einer bekannten Wahrsagerin gegangen ist." "Zu einer Wahr ...?" Leo schüttelte den Kopf. "Noch nicht, Jodi. Natürlich wollte meine Mutter alles über dich wissen, und soweit es möglich war, erzählte ich ihr von dir. Ich sagte, ich hätte mich unsterblich in dich verliebt, aber meine Liebe würde nicht erwidert." Bei den letzten Worten war Leo sehr ernst geworden. "Wie du weißt, musste ich geschäftlich nach London fahren. Ich forderte meine Mutter Der CORA-Fortsetzungsroman - jede Woche neu auf www.cora.de
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auf mitzukommen, aber sie lehnte ab. Sie wollte in ,Ashton House` bleiben und dort in Ruhe meine
Rückkehr abwarten.
"Ehrlich gesagt, hatte ich von Anfang an Zweifel, denn ich kenne meine Mutter. Darum nahm ich ihr
das Versprechen ab, dich unter keinen Umständen aufzusuchen. Sie willigte nach einigem Zögern
ein, aber wie es scheint, hatte das Schicksal es anders bestimmt. Auf einem Spaziergang durch das
Dorf bemerkte sie _ wie sie sich ausdrückte _ eine verzweifelte junge Frau, die auf einer Bank saß.
In dem Wunsch zu helfen setzte sie sich zu ihr und ..."
"Das war deine Mutter?" unterbrach Jodi ihn aufgeregt. Plötzlich passte alles zusammen.
"Irgendetwas an ihr kam mir bekannt vor, aber ich fand keine Erklärung dafür."
Sie schwieg, denn Leo fing an, sie mit leichten Küssen zu necken. "Hmm", murmelte sie. "Mach
weiter."
"Mit den Küssen oder den Erklärungen?"
"Mit beidem", antwortete Jodi, "aber zuerst mit den Erklärungen."
"Wie unbarmherzig du bist." Leo ließ widerwillig von ihr ab. "Sobald meine Mutter wieder zu
Hause war, rief sie mich in London an und fragte, womit ich bei dir den Eindruck erweckt hätte,
dass ich unser Kind nicht wolle. O Jodi!" Leo sah sie mit einem schmerzlichen Ausdruck an. "Hast
du wirklich geglaubt, ich würde ...?"
"Du hast gesagt, etwas müsste geschehen", erinnerte sie ihn.
"Ja, aber damit meinte ich nicht, dass du unser Kind ..." Leo konnte nicht weitersprechen. Jodi legte
instinktiv die Arme um ihn und drückte ihn fest an sich. Der Wunsch, ihn zu beschützen, war
plötzlich übermächtig in ihr. Er war ihr anvertraut wie ihr gemeinsames Kind.
"Ich meinte, dass wir heiraten würden", fuhr Leo nach einer Pause fort. "Das sollte geschehen.
Selbst wenn ich dich nicht geliebt hätte, wäre ich niemals auf den Gedanken gekommen ..."
"Sprich nicht mehr davon, Liebster", bat Jodi.
"Zum Glück kannte meine Mutter mich besser als du." Leo lächelte reumütig. "In gewissem Sinn
sind wir jetzt quitt. Anfangs habe ich dich falsch beurteilt, und später hast du dasselbe getan. Bist du
damit einverstanden, dass wir einen Schlussstrich ziehen und neu anfangen?"
Jodi nickte.
"Ich liebe dich, Jodi Marsh, und möchte dich heiraten."
"Ich liebe dich auch, Leo Jefferson, und möchte dich ebenfalls heiraten."
"Dann gibt es nichts mehr zu erklären, und wir können da weitermachen, wo wir vorhin aufgehört
haben."
Leo zog Jodi fest an sich, und sie überließ sich willig seinen Liebkosungen.
"Dann hat Nigel den Schlüssel neben der Haustür versteckt und dir gesagt, wo du ihn finden
würdest?" fragte Jodi einige Stunden später. Sie hatte das Frühstück auf einem Tablett ins
Schlafzimmer gebracht und beobachtete vom Bett aus, wie Leo frisch geduscht aus dem
Badezimmer kam.
"Ja", gestand er. "Allerdings musste ich meine ganze Überredungskunst einsetzen. Nigel wollte nicht
unloyal sein und fürchtete, du könntest etwas merken."
"Wahrscheinlich hätte ich etwas gemerkt, wenn ich nicht so müde gewesen wäre." Jodi bestrich
ihren Toast dick mit Marmelade. "Ich wunderte mich etwas, dass er angeblich seine Brieftasche
verloren hatte, aber es erschien mir nicht wichtig. Wenn ich geahnt hätte, dass die ganze
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Dinnereinladung nur ein Vorwand war, um dich in mein Bett zu schmuggeln ..." Leo betrachtete sie voll Bewunderung und Liebe. Es war überaus kühn gewesen, sich bei Jodi einzuschleichen, um die Entwicklung der Dinge zu beschleunigen, aber das Risiko hatte sich gelohnt. Sie hatten sich endlich ausgesprochen, und keiner musste mehr an dem anderen zweifeln. Als Jodi ihr Frühstück beendet hatte, wollte Leo sie wieder in die Arme nehmen, aber zu seinem Ärger klingelte das Handy. "Meine Mutter", seufzte er, als er die Nummer auf dem Display erkannte. "Hallo, Mom." Leo stand so nah, dass Jodi die Stimme seiner Mutter deutlich hören konnte. "Leonardo? Ich möchte nicht dich, sondern meine zukünftige Schwiegertochter sprechen ... die reizende Jodi. Du hast sie lange genug für dich allein gehabt. Gib sie mir, bitte. Ich muss ihr unbedingt von dem tollen Mailänder Geschäft erzählen, in dem es alles per le bambini gibt." EPILOG "Und du möchtest wirklich weiter an der Schule unterrichten?" fragte Luisa, die ihren Enkel auf dem Schoß hielt und ganz selig mit ihm war. Es war Jodis und Leos erster Hochzeitstag, den sie bei den Jeffersons in Florenz verbrachten. "Zunächst ja, aber nur stundenweise", antwortete Jodi. Die vielen solidarischen Briefe, die sie von den Eltern ihrer Schüler erhalten hatte, waren eine große Genugtuung für sie gewesen und hatten die Schulbehörde dazu bewogen, von allen disziplinarischen Maßnahmen gegen die beliebte Direktorin abzusehen. Aus Dankbarkeit waren Jodi und Leo übereingekommen, dass sie an der Schule bleiben würde, bis eine geeignete Nachfolgerin gefunden war. "Schließlich wird es einmal die Schule unserer Kinder sein", hatte Jodi als zusätzliches Argument angeführt und Leo damit restlos überzeugt. Leo hatte "Ashton House" gekauft, und Jodi hatte alle freie Zeit vor Nicholas Lorenzos Geburt damit verbracht, dem Gutshaus seinen alten Glanz zurückzugeben. Leos Eltern waren zur Taufe aus Florenz gekommen und hatten einen besonderen Gast mitgebracht, der im Familienkreis großes Aufsehen erregte. "Das ist Maria", hatte Luisa die Wahrsagerin aus ihrem toskanischen Nachbardorf vorgestellt und leiser, nur für Jodi verständlich, hinzugefügt: "Sie wird dir einen Trank zubereiten, der dir, Leonardo und euren Kindern dauerhaftes Glück sichert." "Mein Glück ist schon gesichert", hatte Jodi lächelnd geantwortet und vertrauensvoll zu ihrem Mann hinübergeblickt. "Durch Leo, den ich über alles liebe." _ ENDE _
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