Nur unter einer Bedingung!
Linda Turner
Collection Baccara 209-3 – 4/04
Gescannt von suzi_kay Korrigiert von briseis
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Nur unter einer Bedingung!
Linda Turner
Collection Baccara 209-3 – 4/04
Gescannt von suzi_kay Korrigiert von briseis
1. KAPITEL Ihr Lenkrad fest umklammernd, kämpfte sich Elizabeth Davis durch den heftigen Schneesturm und versuchte angestrengt, sich an den Mittelstreifen zu halten. Hätte sie bloß ihr Büro bereits vor einer_ Stunde verlassen! Sie hatte gewusst, dass ein Sturm bevorstand, allerdings nicht damit gerechnet, dass er so bald schon einsetzen würde. Kaum hatte sie die Stadtgrenze von Liberty Hill passiert, als die ersten Schneeflocken fielen. Das hatte sie anfangs auch nicht weiter beunruhigt, denn sie war in den Bergen aufgewachsen .und es gewohnt, auch bei Schnee Auto zu fahren. Außerdem besaß sie einen zuverlässigen Geländewagen. Obwohl sie erst drei Monate hier lebte, kannte sie jede Kurve der fünfzehn Meilen vom Büro zu ihrem gemieteten Haus, denn sie fuhr diese Strecke zwei Mal täglich. Allerdings fiel der Schnee sehr schnell und in dicken Flocken, so dass sie kaum die vertrauten Schilder erkennen konnte. Hoffentlich war sie nicht schon längst an der Abzweigung zu ihrem Haus vorbeigefahren. Mittlerweile war es fast dunkel geworden, obwohl es erst fünf Uhr nachmittags war. Angestrengt lehnte sie sich vor und blickte konzentriert auf die Straße. Normalerweise wäre es ein Witz, dass sie ihr eigenes Haus nicht finden konnte, aber ein Schneesturm war nicht zum Lachen. Schließlich hatte es schon Fälle gegeben, in denen Menschen auf dem Weg von der Garage zum Haus erfroren waren. „Denk nach, Elizabeth!" ermahnte sie sich. „Das Haus muss doch hier irgendwo sein. Selbst bei diesem Schneetreiben muss doch wenigstens der Zaun der McCluskys zu erkennen sein." Kaum hatte sie die Wörter ausgesprochen, als ihre Scheinwerfer die Einfahrt des Nachbargrundstücks anstrahlten. Bisher hatte sie den Zaun ihrer Nachbarn für ziemlich protzig gehalten, doch in diesem Augenblick glaubte sie, vorher nie etwas Schöneres gesehen zu haben. Hungrig und müde fuhr sie die letzte halbe Meile zu ihrem Haus weiter. In Gedanken war sie bereits bei der selbst gemachten Suppe, die im Kühlschrank auf sie wartete. Doch an der letzten Kurve kam sie leicht von der Straße ab, und ihr Jeep fing sofort an zu schlittern. Bevor sie überhaupt reagieren konnte, prallte das Auto gegen einen großen Stein und blieb nur eine Handbreit vor einem tiefen Abwasserkanal stehen. Benommen saß Elizabeth in ihrem Wagen und hielt das Lenkrad fest umklammert. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie auf den Kanal, in den sie um Haaresbreite gerutscht wäre. Das war ganz schön knapp, dachte sie zitternd. Vorsichtig legte sie den Rückwärtsgang ein und drückte auf das Gaspedal. Doch nichts geschah. Stirnrunzelnd überprüfte sie, ob der Geländegang auch eingerastet war, und versuchte es noch einmal. Wieder bewegte sie sich nicht einen Zentimeter von der Stelle. Sie saß fest. Natürlich war weit und breit kein Retter in Sicht. Die Straße lag völlig verlassen im Dunkeln, und bis zu ihrem Haus war es bei diesem gefährlichen Wetter zum Laufen zu weit. Also musste sie sich selber helfen. Na super, dachte sie und zog den Reißverschluss ihres Parkas bis zum Kinn hoch. Sie griff nach der Taschenlampe, die sie immer im Wagen dabeihatte, und stieg aus. Ein eiskalter Wind blies ihr ins Gesicht und nahm ihr den Atem. Seitdem sie ihr Büro verlassen hatte, war es um einige Grade kälter geworden. Frierend kniete sie sich nieder und beleuchtete ihren Jeep von unten. Doch beim Anblick des großen Steins, der sich in dem Radkasten verkeilt hatte, hätte sie heulen können. Einer der Vorderreifen berührte nicht einmal den Boden, und die hinteren Reifen standen auf einer Eisschicht. Kein Wunder, dass sich der Wagen nicht bewegen ließ. So ein Mist!
Fast hätte Zeke den Jeep in dem Schneesturm übersehen. Er war auch schon vorbeigefahren, als ihm das schwache Scheinwerferlicht im letzten Augenblick auffiel. Da muss jemand ein Problem haben, dachte er. Wer würde hier sonst bei dem Wetter parken? Seit fünf Jahren hatte es in dieser Gegend keinen so schlimmen Schneesturm mehr gegeben. Fluchend setzte er seinen Wagen zurück. Eigentlich hatte er erwartet, den Fahrer bei laufender Heizung im Wagen vorzufinden. Stattdessen lag er fast unter dem Auto und werkelte mit einem Ast herum. „Alles okay, Kumpel?" rief er. „Sieht so aus, als wenn du ein kleines Problem hättest. Brauchst du Hilfe?" Die Person stellte sich auf die Füße und blendete ihn mit der Taschenlampe. Erst beim Klang der Stimme wurde ihm bewusst, dass es eine Frau war. „Das ist nicht nötig. Mein Mann wird gleich hier sein." Ihre Stimme klang sehr kühl und abweisend. „Er ist der Sheriff von Falls County und wird jeden Augenblick eintreffen." Überrascht versuchte Zeke die Person hinter dem Licht auszumachen, aber er konnte nur eine schlanke Figur erkennen. Die sollte also mit Nick Kincaid verheiratet sein? Auch wenn er seit Jahren nicht mehr in Liberty Hill wohnte, so wusste er doch, dass Nick nicht verheiratet war. Soweit ihm bekannt war, war Nick in Zekes Schwester Merry verliebt. Warum also log diese Frau? Allerdings brauchte er sich nur die einsame dunkle Straße anzusehen, um sich die Frage selbst zu beantworten. Sie war eine Frau in Nöten, und er war ein Fremder. Gerne hätte er ihr gesagt, dass sie keine Angst vor ihm zu haben brauchte, aber dass hätte sie auch nicht beruhigt. Um ihr die Angst zu nehmen, ging er auf ihre Lügengeschichte ein. Er setzte sein charmantes Lächeln auf und meinte: „Ich bitte um Verzeihung, aber bei diesem Wetter könnte es eine Weile dauern, bis er hier eintreffen wird. Vielleicht dürfte ich Ihnen doch behilflich sein, es sei denn, Sie möchten die halbe Nacht hier verbringen." „Sie brauchen mir wirklich nicht zu helfen!" „Kein Problem", versicherte er ihr und kniete sich nieder, um sich den Wagen von unten anzusehen. „Sieht so aus, als wenn Sie auf dem Stein festsitzen. Sind Sie einem Reh ausgewichen, oder wie ist das passiert?" Normalerweise hätte Elizabeth kein Problem damit, diesem gut aussehenden Mann einzugestehen, dass sie die Straße zu ihrer Einfahrt verfehlt hatte, aber schließlich war er ein Fremder, der nicht unbedingt wissen musste, wo sie wohnte. Sicherheitshalber trat sie einen Schritt zurück und antwortete: „So ähnlich. Sehen Sie, ich möchte nicht unhöflich sein, und ich weiß Ihre Hilfe zu schätzen, aber das ist nun wirklich nicht Ihr Problem..." „Und Sie würden sich besser fühlen, wenn ich Sie hier alleine lassen würde", beendete er den Satz, als er sich wieder aufrichtete. „Ehrlich gesagt, ja. Ich kenne Sie nicht..." „Das können wir sofort ändern. Ich habe hier früher gelebt, und meine Familie tut das immer noch. Vielleicht haben Sie von ihr gehört. Die McBrides? Ich bin Zeke. Wollen Sie meinen Ausweis sehen?" Er reichte ihr sein Portemonnaie, aber sie warf kaum einen Blick darauf. Überrascht fragte sie: „McBride? Sie sind Merrys Bruder?" Grinsend erklärte er: „Was auch immer sie über mich erzählt hat, es ist gelogen. Sie wissen ja, wie Schwestern sind - nur weil man ihnen einmal einen Frosch ins Bett gelegt hat, da war sie zehn, wird einem das das ganze Leben vorgehalten. Aber wenn Sie die Wahrheit über mich erfahren wollen, dann fragen Sie meine Mutter. Sie wird Ihnen bestätigen, dass ich völlig harmlos bin." Elizabeth kannte weder seine Mutter noch den Rest der Familie. Nur Merry war ihr gelegentlich behilflich gewesen, denn sie arbeitete als Tierärztin für die „Fish and Wildlife"Organisation. Privat kannten sie sich nicht. Allerdings brauchte sie auch keine Bezeugungen
von Zekes Verwandten, da sie gleich erkannt hatte, um was für einen Typ Mann es sich handelte. Er war ein Weiberheld. Man brauchte nur das Zwinkern in seinen Augen oder sein Lächeln zu sehen, um zu wissen, dass er jede Frau auf diese Art betörte. Also war er alles andere als harmlos. Ihr Vater war auch so ein Charmeur. Als Kind hatte sie ihn vergöttert, bis sie mit zwölf Jahren durchschaut hatte, dass seine Liebe nicht nur seiner Familie, sondern auch anderen Frauen galt. Das war eine sehr schmerzhafte Erfahrung gewesen. Sie hatte ihr Vertrauen zu ihrem Vater von da an verloren. Doch ihre Mutter hatte von Scheidung nichts wissen wollen und stillschweigend seine Frauengeschichten ertragen. Immer wieder hatte sie ihm vergeben. Wenn das Liebe sein sollte, so hatte Elizabeth schon vor langer Zeit entschieden, dann wollte sie nichts davon wissen. Zwar betete sie ihren Vater immer noch an, denn er war trotz allem attraktiv und witzig, aber das Wort Verpflichtung gehörte nicht zu seinem Wortschatz. Aus diesem Grund hatte sie sich immer nur mit ernsten und gewissenhaften Männern getroffen. Auch wenn sie nicht sonderlich aufregend gewesen waren, so schauten sie wenigstens nicht jedem Rock hinterher. Bis jetzt hatte sie sich noch in keinen von ihnen verliebt, aber eines Tages würde sie einen Mann finden, der verlässlich und treu wäre. Er würde ihr seine Liebe gestehen, und sie würde ihm glauben. Er wäre genau das Gegenteil von ihrem Vater oder von diesem charmanten Mr. McBride. Aber Zeke McBride hatte nicht vor, sie zu heiraten. Er wollte ihr nur behilflich sein. Daher entschied sie, ihm zu vertrauen. „Mütter sind für gewöhnlich voreingenommen, was ihre Söhne angeht", antwortete sie trocken. „Außerdem gibt es zu dieser Jahreszeit keine Frösche, daher denke ich, dass ich in Sicherheit bin." „Wenigstens bis zum Frühling", stimmte er ihr zu. „So, dann wollen wir mal." „Wir können einige Äste unter den Reifen legen, damit es eine Bodenhaftung bekommt", schlug sie vor. „Das hatte ich eben schon versucht." Stirnrunzelnd sah sich Zeke um. Dann entdeckte er einen großen Ast in der Nähe. „Hier. Das müsste funktionieren." Sie half ihm, den Zweig zum Jeep zu tragen. In der Zwischenzeit wurde der Sturm immer heftiger. Ihre Fußspuren wurden sofort wieder vom Schnee weggeweht. Obwohl Elizabeth stolz darauf war, eine Frau zu sein, die sich zu helfen wusste, so war sie doch sehr dankbar, dass Zeke vorbeigekommen war. Schweigend schoben sie den Zweig unter den abgehobenen Reifen und verteilten Äste hinter dem Wagen auf der Eisschicht. „Der Zweig könnte beim Losfahren verrutschen", ermahnte Zeke sie, als sie in den Wagen stieg und die Scheibe herunterkurbelte. „Sie müssen ganz langsam fahren, dann müsste es klappen." Aufgeregt legte sie den Rückwärtsgang ein und drückte vorsichtig auf das Gaspedal. Sekundenlang drehten die Hinterreifen durch. Schon wollte sie aufgeben, als der Jeep sich plötzlich in Bewegung setzte. Da sie Angst hatte, stecken zu bleiben, bremste sie nicht, sondern hielt fest das Lenkrad umschlossen. Grinsend fragte Zeke: „Alles okay?" Sie nickte und lachte angespannt. „Ja. Ich dachte schon, ich müsste die Nacht hier verbringen." „Davon war nie die Rede", versicherte er ihr. „Ich hätte Sie sonst auch nach Hause gefahren." Mit einem Blick auf das immer schlimmer werdende Schneetreiben meinte er stirnrunzelnd: „Vielleicht sollte ich Ihnen hinterherfahren, um sicherzugehen, dass Sie gut zu Hause ankommen." „Oh, das ist nicht nötig", antwortete sie ihm schnell.
Gerade wollte sie ihm erzählen, dass sie fast zu Hause wäre, als ihr einfiel, dass er vermutlich den Sheriff von Liberty Hill kannte und somit auch wusste, dass dieser in einer Blockhütte auf der anderen Seite der Stadt lebte. Eigentlich hätte sie ihm jetzt die Wahrheit sagen können, aber sie hatte keine Lust auf Erklärungen, da es schon spät und sie müde war. Außerdem würde er sofort mit dem Flirten beginnen, sobald er wusste, dass sie ein Single war. Und darauf hatte sie absolut keine Lust. Sollte er sie doch weiterhin für eine verheiratete Frau halten. Er würde sowieso bestimmt bald wieder die Stadt verlassen, ohne sie wieder zu sehen. „Eigentlich bin ich nur hierher gefahren, um meine kranke Tante zu besuchen", schwindelte sie. Allerdings vermied sie es, ihm dabei in die Augen zu sehen. „Sie wohnt hier ganz in der Nähe. Das schaffe ich schon alleine. Trotzdem, vielen Dank für die Hilfe." Erst dachte sie schon, er würde darauf bestehen, sie zu ihrer erfundenen Tante zu begleiten, aber irgendetwas an ihrem Tonfall hielt ihn davon ab. Er lächelte sie an. „Na gut, wie Sie meinen. Ich mache mich auf den Weg. Halten Sie sich immer schön an den Mittelstreifen, dann kann Ihnen nichts passieren." Winkend verabschiedete er sich und setzte sich in seinen Wagen. Einen Augenblick später hupte er ihr zu und entfernte sich in Richtung Liberty Hill. Elizabeth setzte ihren Jeep in Bewegung und fuhr das letzte Stück durch den Sturm nach Hause. Eigentlich wurde Zeke schon seit zwei Stunden von seiner Mutter zu Hause erwartet. Als er auf die Einfahrt von Twin Pines fuhr, der Ranch, die schon seit fast hundert Jahren der Familie gehörte, fühlte er sich sofort wieder heimisch. Hier war er geboren und aufgewachsen. Auch wenn er mittlerweile in Cheyenne lebte und arbeitete, zog es ihn immer wieder zur Ranch zurück. Nun lebten seine Schwester Janey und seine Mutter alleine im Ranchhaus. Auch sein Bruder Joe hatte ein Haus auf dem McBride-Land. Doch niemand schien jetzt dort zu sein, denn die Fenster waren dunkel. Sicherlich wartete er mit Janey, Merry und seiner Mutter auf seine Ankunft. Es ist jedes Mal dasselbe, dachte Zeke schmunzelnd. Er war der Einzige, der die Ranch verlassen hatte. Und wenn er sie besuchen kam, veranstalteten sie immer ihm zu Ehren ein kleines Willkommensfest. Das Ranchhaus lag in einem Tal und war bei dem Sturm kaum auszumachen. Doch Zeke kannte auch so jeden Winkel des Geländes. Im Laufe der Jahre hatte das Gebäude viele Anbauten bekommen. Die architektonischen Stile passten zwar nicht immer zusammen, aber dennoch hatte das Haus einen gewissen Charme. Minuten später parkte er seinen Wagen hinter Joes Truck, stieg schnell aus und trat schneebedeckt ins Haus. Beim Anblick der besorgten Gesichter seiner Familie fragte er: „Hey, was guckt ihr so komisch? Ist jemand gestorben?" „Wir dachten schon, dir wäre etwas zugestoßen", antwortete seine Mutter lächelnd. Den Schnee missachtend, umarmte Sara McBride ihren Sohn als Erste. Die dreiundsechzig Jahre sah man ihr kaum an. Trotz ihrer vier Kinder hatte sie eine schlanke Figur, und in ihren braunen Haaren waren kaum graue zu entdecken. „Du bist ein wenig spät dran, mein Junge." „Ich hab doch angerufen ..." Das hätte er lieber nicht sagen sollen. Sofort fielen ihm seine Schwestern ins Wort. „Das war vor anderthalb Stunden. Hörst du denn kein Radio? Wegen des Sturms wurde die Autobahn vor vierzig Minuten gesperrt." „Mindestens ein halbes Dutzend Unfälle hat es in Falls County gegeben", fügte Merry noch hinzu. „Wir hatten schon das Schlimmste befürchtet." „Um ehrlich zu sein, gab es da ein kleines Problem", antwortete Zeke. „Mit einer Frau ..." „Das ist doch immer so", meinte sein Bruder Joe augenzwinkernd. „Aber wie hast du es geschafft, mitten im Sturm eine Frau zu finden? Wie heißt sie denn diesmal?" „Mrs. Nick Kincaid."
Sofort hörte die ganze Familie auf zu sprechen. Stirnrunzelnd fragte Merry: „Unser Nick Kincaid?" „Das hat sie zumindest behauptet", antwortete Zeke, während er seinen Mantel auszog. „Aber Nick ist nicht verheiratet." „Er ist es nie gewesen." „Offensichtlich wusste sie das nicht", entgegnete er. „Oder sie hoffte, dass ich das nicht wüsste. Allerdings hat sie auch nicht direkt seinen Namen erwähnt, sondern nur gesagt, dass sie mit dem hiesigen Sheriff verheiratet wäre. Da er bereits auf dem Weg war, sollte ich ihr nicht behilflich sein. Ich war ihr wohl nicht ganz geheuer." „Zeke! Was hast du dem armen Mädchen angetan?" fragte seine Mutter scheltend. „Nichts! Aber ich konnte sie doch nicht da alleine lassen und vorbeifahren. Ihr Wagen hing an einem Stein fest. Niemand sonst wäre dort bei Murphy's Place vorbeigekommen. Nicht bei dem Wetter." „Was hat sie denn da zu suchen gehabt?" fragte Janey. „Und wer ist sie?" Zeke zuckte die Schultern. „Keine Ahnung, ich habe sie noch nie gesehen. Aber sie wollte ihre kranke Tante besuchen." „Aber da wohnt doch sonst keiner außer den Hollisters und den alten Jacksons, und keiner von denen hat Familie in der Gegend", stellte Joe fest. „Wie sieht sie denn aus? Und erzähl mir nicht, dass du das in der Dunkelheit nicht feststellen konntest", sagte Joe, bevor Zeke überhaupt antworten konnte. „Ich kenn dich doch. Also, Alter, Gewicht, Figur." Schmunzelnd fing Zeke an, sie zu beschreiben. „Hübsch, Ende zwanzig oder Anfang dreißig, große grüne Augen, dunkelblondes Haar, etwa ein Meter siebzig groß und wiegt etwa sechzig Kilo. Der unabhängige Typ. Zwar hing sie mit ihrem Jeep fest, hat aber nicht auf Hilfe gewartet, sondern selbst angepackt. Sie kniete vor dem Wagen und versuchte Äste unter die Reifen zu schieben, als ich vorbeifuhr." Die Beschreibung hätte zu vielen Frauen in West Colorado gepasst, aber irgendetwas ließ Joe aufhorchen. „Das muss Elizabeth Davis gewesen sein. Fuhr sie einen weißen Jeep?" „Genau. Woher weißt du das?" „Unabhängig trifft es nicht ganz. Sie hat Murphy's Place vor vier Monaten gemietet, bevor sie in die Stadt gezogen ist." „Das war ein kluger Schachzug von ihr", bemerkte Merry. „Sie wusste, dass ihr keiner etwas vermietet hätte, wenn sie erst wüssten, wer sie ist. Ich finde, es ist eine Schande. Sie macht nur ihren Job und erntet dafür eine Menge Ärger." Schon wollte Joe etwas entgegnen, als ihm seine Mutter dazwischenfuhr. „O nein, nicht schon wieder dieses Wolf-Thema. Lasst uns erst mal essen." Wie erwartet, gab es eins von Zekes Lieblingsspeisen. Zartes Steak mit Kartoffelpüree und Soße und zum Nachtisch selbst gebackenen Kuchen. Doch nicht das leckere Essen, sondern die Gesellschaft seiner Familie am runden Esstisch, während es draußen stürmte, gefiel ihm am besten. Es war so, als wäre er nie fort gewesen. Stundenlang saßen sie gemütlich am Tisch und tauschten Neuigkeiten aus. Eigentlich waren die Geschwister sehr verschieden. Obwohl alle in den Dreißigern, hatten sie eines gemeinsam: Keiner hatte bisher Glück mit einem Partner gehabt. Joe war ein Jahr verheiratet gewesen. Doch dann hatte ihn seine Frau verlassen, denn sie wollte lieber in der Stadt leben. Er selbst hatte sich während seines letzten Studienjahres in eine Medizinstudentin verliebt. Sie waren bereits verlobt gewesen, als er sie mit einem anderen Mann in flagranti erwischt hatte. Merry hatte zwar viele Verabredungen, doch bisher hatte sie sich noch nicht verliebt. Und Janey, die schon sechsunddreißig Jahre alt war, schien ganz in ihrer Arbeit als Krankenschwester aufzugehen. „Warum machst du so ein Gesicht?" fragte ihn Merry plötzlich. „Sie ist bestimmt gut zu Hause angekommen."
Blinzelnd fragte Zeke verwirrt: „Wer?" „Elizabeth Davis. Selbst wenn du nicht vorbeigekommen wärst, hätte sie einen Weg gefunden, von dem Stein wieder herunterzukommen. Sie ist eine sehr resolute Frau." „Und offensichtlich nicht sehr beliebt bei der Bevölkerung." Froh, die Gedanken an sein glückloses Liebesleben unterbrechen zu können, lehnte er sich in seinem Stuhl zurück. „Also, was ist sie? Eine verurteilte Mörderin? Eine Stripperin? Oder warum sollte ihr sonst niemand ein Haus vermieten wollen?" „Sie ist hierher gezogen, um den Liberty Hill National Forest wieder mit Wölfen zu bevölkern", antwortete sein Bruder. „Sie ist Biologin und auf Wölfe spezialisiert." Überrascht fragte Zeke: „Hat sie vorher für das Yellowstone-Projekt gearbeitet?" Joe nickte. „Sie war beim Auswilderungsprojekt von Wölfen in Kanada dabei. Das Projekt war so erfolgreich, dass die Regierung es hier fortsetzten möchte. Du kannst dir vorstellen, dass einige Leute sie nicht gerade mit offenen Armen empfangen haben." „Ich hörte davon, dass Mitglieder des Projektes sogar Morddrohungen erhalten haben", ergänzte Zeke. „Aber das gilt doch sicherlich nicht für hier." „Es gibt viel Gerede", schaltete sich seine Mutter ein. „Die Menschen haben Angst. Seit den dreißiger Jahren hat es hier keine Wölfe mehr gegeben. Die Lehrer wollen sogar die Schüler in den Pausen nicht mehr rauslassen." „Das ist doch lächerlich!" entfuhr es Zeke. „Wölfe greifen keine Menschen an. Normalerweise stellen sie nicht einmal Schafen oder Rindern hinterher." Er wusste, wovon er sprach, denn er war selbst Biologe. „Die Menschen interessieren sich nicht für Statistiken. Sie haben Angst", sagte Janey. „Elizabeth Davis und ihr Team sind zur Zeit das Stadtgespräch." „Morgen Abend findet eine Versammlung zu dem Thema in der Stadthalle statt", erwähnte Joe. „Vielleicht hast du Lust mitzukommen?" Zeke musste nicht zwei Mal gefragt werden. „Klar komm ich mit. Das würde ich mir nicht entgehen lassen. Schließlich handelt es sich um ein interessantes Thema. Ich vermute, dass Elizabeth Davis auch da sein wird." Obwohl er die Vermutung ganz unverbindlich geäußert hatte, konnte er seiner Familie nichts vormachen. Grinsend warnte ihn Merry: „Verschwende nicht deine Zeit, Romeo." Unschuldig blinzelte er mit den Augen. „Wieso? Ich frag doch nur." Joe ließ sich aber nicht beirren. „Lass bloß die Finger von der Frau." „Sie verabredet sich nicht, Zeke", fügte seine Schwester Janey hinzu. „Nicht, dass sie nicht gefragt worden wäre, aber sie scheint sich nur für Wölfe zu interessieren." Zeke ließ sich nicht entmutigen. „Das war, bevor sie mich kennen gelernt hat. Vertrau mir, Schwester, die Frau weiß noch nicht, was auf sie zukommt." Die Stadthalle war voll besetzt. Jeder Einwohner von Liberty Hill schien sich für das Thema zu interessieren. Elizabeth umkreiste zum zweiten Mal den Parkplatz. Doch er war vollkommen besetzt. Daher musste sie ihren Jeep einige Straßen weiter abstellen. Mit einem Blick auf die Uhr stellte sie bestürzt fest, dass die Versammlung bereits vor fünf Minuten begonnen hatte. Leise fluchend schnappte sie sich ihre Unterlagen und dankte Gott, dass sie so klug gewesen war, ihre Stiefel angezogen zu haben. In Gedanken bei ihrer Rede, an der sie die ganze Woche gearbeitet hatte, lief sie in die Stadthalle hinein und wäre im Foyer fast mit Nick Kincaid zusammengestoßen. „Oh, tut mir Leid", sagte sie entschuldigend. „Ich ..." Egal, was sie sagen wollte, es entfiel ihr sogleich beim Anblick des Mannes, der neben Nick stand. Groß und schlank und mit seinen dunklen Haaren erkannte sie ihn sofort wieder. Obwohl sie ihn nur einmal, und das mitten in einem Schneesturm, gesehen hatte, so würde sie Zeke McBride immer wieder erkennen. Irgendetwas an diesem Mann, vielleicht seine lässige Haltung, ließ ihn nicht in Vergessenheit geraten.
Und er erkannte auch sie. Seine dunkelblauen Augen sahen sie amüsiert an. Plötzlich erinnerte sie sich mit Schrecken an ihre Aussage der letzten Nacht. Mein Mann wird gleich hier sein. Er ist der Sheriff von Falls County. O nein, er kannte Nick. Man brauchte sich die beiden nur anzusehen, um zu erkennen, dass sie Freunde waren. Also hatte er bereits letzte Nacht gewusst, dass sie ihn angelogen hatte. Und er hatte nichts gesagt. Jeden Moment könnte er Nick nach seiner Frau fragen, und sie würde im Erdboden versinken. Es sei denn, sie käme ihm zuvor. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, als Nick rief: „Da bist du ja! Ich hatte mir schon Sorgen gemacht. Du weißt, dass die Halle heute Abend voll ist." „Ja. Es war kein Parkplatz frei, und ich musste drei Straßen weiter parken. Nick, ich muss dir noch was sagen ..." „Hast du Merry McBrides Bruder schon kennen gelernt?" fragte er, bevor sie es ihm gestehen konnte. „Ich weiß, dass du es eilig hast, aber ihr beiden habt viel gemeinsam. Zeke ist auch ein Wildlife-Biologe. Zeke, das ist Elizabeth ..." „Davis", fügte sie schnell hinzu und verfluchte dabei die Röte, die ihr in die Wangen schoss. Das Grinsen auf Zekes Gesicht wurde breiter. Verdammt, das scheint ihm wirklich Spaß zu machen, dachte Elizabeth. „Wir sind uns bereits gestern Abend begegnet", erwähnte sie steif. „Ich hatte auf dem Heimweg einige Probleme, und er war mir behilflich. Da das Wetter so schrecklich war, hatten wir keine Zeit, uns richtig vorzustellen." Mit einem warnenden Blick, sie ja nicht bloßzustellen, hielt sie ihm die Hand entgegen. „Guten Abend." Ein Gentleman hätte kommentarlos die Situation auf sich beruhen lassen. Doch sie brauchte ihm nur in sein grinsendes Gesicht zu sehen, um zu erkennen, dass Zeke kein Gentleman war. Er umschloss ihre Hand fest und antwortete: „Freut mich, Sie kennen zu lernen, Elizabeth Davis. Wie ich höre, leben Sie ganz alleine in Murphy's Place." „Das stimmt. Ich habe es bis Ende des Jahres gemietet." „Komisch, aber ich dachte, Sie wären verheiratet. Wie komme ich bloß darauf?" Sie zog ihre Hand weg, ließ ihn aber keinen Moment aus den Augen. „Keine Ahnung. Sie sollten nicht alles glauben, was Sie hören." „Das tue ich nicht. Und ich versuche auch nicht, eine Dame in Verlegenheit zu bringen, wenn es sich vermeiden lässt." „Ach, wirklich? Gut zu wissen. Dann können die Damen in Liberty Hill ja beruhigt sein, oder?" Grinsend antwortete Zeke: „Zur Zeit schon. Aber eine Dame schuldet mir etwas ..." Beim Gedanken, Zeke McBride etwas schuldig zu sein, schlug ihr Herz bis zum Hals. Ihre Wangen röteten sich erneut. „Sie wissen ja, wie es sich mit Schulden verhält. Rechnen Sie nicht allzu bald damit, sie einfordern zu können. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Die Leute werden schon ungeduldig." Beide Männer starrten ihr hinterher. Dann wandte sich Nick verwirrt an Zeke, der immer noch vor sich hin schmunzelte. „Was zum Teufel hatte das zu bedeuten? Ich habe kein Wort verstanden." Lachend klopfte ihm Zeke auf den Rücken. „Frag lieber nicht, Kumpel. Du wirst es nicht wissen wollen."
2. KAPITEL „Sieht er nicht toll aus? Vor allem seine Augen. Dieses Lachen darin. Wenn er dich anlächelt, muss man einfach dahinschmelzen." Elizabeth, die gerade ihre Notizen für die Rede sortierte, sah stirnrunzelnd zu ihrer Assistentin hinüber. „Was? Worüber redest du?" „Nicht worüber, sondern über wen", antwortete Tina Ellison grinsend. „Über Zeke McBride natürlich! Ich habe Gerüchte über ihn gehört. Normalerweise übertreiben die Menschen ja, aber sieh ihn dir doch nur mal an. Ist das nicht der bestaussehende Mann, der dir je über den Weg gelaufen ist?" Elizabeth verbot sich solche Gedanken. Sie blickte erst gar nicht zu ihm hin, obwohl sie wusste, dass er immer noch mit Nick in der Eingangshalle stand. „Pass lieber auf, dass Peter das nicht hört. Sonst wird er noch eifersüchtig." Unbeeindruckt lachte Tina sie an. Tinas Ehemann, Peter, war überhaupt nicht der eifersüchtige Typ. Sie waren seit zehn Jahren glücklich miteinander verheiratet. „Peter weiß ja, dass er nichts zu befürchten hat. Aber nur, weil ich verheiratet bin, heißt das noch lange nicht, dass ich auch blind bin. Oh, was für ein Mann, dieser Zeke McBride. Allerdings ist er offenbar nicht der treue Typ." Das war der ausschlaggebende Punkt für Elizabeth. Ihrer Meinung nach war Zeke McBride zu sehr von sich selbst überzeugt. Und das nur, weil die Frauen ihm scharenweise hinterherliefen. Diesem Fanclub würde sie bestimmt nicht beitreten. „Du weißt, dass ich Gerüchte nicht ausstehen kann, Tina." Tina, seit fünf Jahren ihre Assistentin, wohnte auch erst seit kurzem in der Stadt, kannte aber bereits jeden Klatsch über die Bewohner. „Ach, ich habe nicht rumgefragt. Das meiste habe ich durch Gespräche aufgeschnappt." „Aber du musst sie ja nicht wiederholen." „Ich erzähl es doch nur dir", verteidigte sich Tina. „Wenn du es nicht von mir erfährst, dann von jemand anderem. Alle reden darüber. Er soll mit einer Ärztin in Chicago verlobt gewesen sein. Und eine Woche vor der geplanten Hochzeit hat sie ihn mit einer anderen Frau im Bett erwischt. Kannst du dir das vorstellen? Die Hochzeit musste in letzter Minute abgesagt werden. Allein das Gerede! Das arme Mädchen muss am Boden zerstört gewesen sein." Elizabeth konnte sich das gut vorstellen. Immer wieder hatte sie damals ihre Mutter leiden sehen, .wenn ihr Vater seine kleinen Affären gehabt hatte. Zwar hatte er versucht, diskret zu sein, aber in dem kleinen Ort in Idaho hatte man auch nichts geheim halten können. Hinter dem Rücken ihrer Mutter war viel getuschelt worden. So wollte sie nicht enden. Gut aussehende Männer interessierten sie daher absolut nicht, und schon gar keine, die den Ruf eines Herzensbrechers hatten. „Das war sie bestimmt", antwortete Elizabeth steif. „Aber wir sollten uns jetzt auf die Versammlung konzentrieren. Die Leute werden schon unruhig." Die riesige Zuschauermenge sah sie feindselig an. Das allerdings überraschte sie nicht. Sie war von der Regierung beauftragt worden, in dieser Region Wölfe anzusiedeln. Schon vor mehr als sechzig Jahren hatten hier welche gelebt. Doch in den Augen der Leute waren Wölfe reißende Bestien und eine Bedrohung für Mensch und Tier. Elizabeth verstand diese Angst, denn damals gab es nach einer Hungerkatastrophe nicht genug Nahrung für die Wölfe. Die Tiere hatten daher das Vieh der Rancher gerissen. Dadurch hatten einige ihren Besitz und ihre Existenz verloren. Nervös stellte sich Elizabeth dem Publikum vor und dankte ihnen für ihr Kommen. „Ladys und Gentlemen, wie die meisten von Ihnen wissen, sollen die Wölfe Freitag in einer Woche aus dem Freigehege entlassen werden. Ich weiß, dass es dazu viele Fragen gibt."
„Da haben Sie verdammt Recht!" hörte sie eine erboste Stimme aus den hinteren Reihen rufen. „Was ist, wenn sie unser Vieh wieder reißen? Ist dann die Regierung auch zur Stelle, um uns zu helfen?" „Das wird dieses Mal nicht passieren. Die Wölfe werden mit Sendern ausgestattet. Sobald ein Tier sein Territorium verlässt, werden wir uns um das Problem kümmern." „Bevor oder nachdem wir bankrott sind?" rief ein weiterer Einwohner. Ärgerliches Gemurmel war in jeder Ecke des Saales zu hören. Trotzdem versuchte Elizabeth geduldig alle Fragen zu beantworten, doch die Feindseligkeit und der Argwohn blieben bestehen. Eine Stunde lang ging sie auf Fragen ein und erklärte die einzelnen Schritte des Auswilderungsprojektes. Resigniert lächelte sie nach der Versammlung ihre Assistenten Peter und Tina an. „Na, das war doch ein voller Erfolg, oder?" „Ja, prima gelaufen", grinste Peter sie spöttisch an. „Trotzdem bin ich stolz auf dich, Chef. Du hast dich nicht unterkriegen lassen", meinte Tina anerkennend.' „Lass uns zur Feier des Tages eine Flasche Wein trinken ..." „Nein, ich feiere erst, wenn das Projekt abgeschlossen ist. Und wir haben noch einen weiten Weg vor uns." Sie erwähnte nicht, wie schnell sich die Lage ändern konnte. Aus Erfahrung wusste sie, dass ihnen eine schwere Zeit bevorstand. In Yellowstone wurde ihr damals selbst das Benzin an Tankstellen verweigert. Sie war aus Restaurants gewiesen worden, und aus ihrem Apartment hatte man sie auch rausgeworfen. Sie hoffte nur, dass sich die Situation in Liberty Hill nicht genauso zuspitzen würde. Peter schien ihre Gedanken lesen zu können. „Das wird schon nicht so schlimm werden wie in Yellowstone. Zwar mögen uns die Leute hier nicht, aber sie tolerieren uns." „Und wenn die Wölfe erst mal angesiedelt sind und die Ranchers merken, dass sie harmlos sind, wird alles wieder gut werden", fügte Tina hinzu. Elizabeth wusste, dass die meisten Menschen anständig waren, aber sie fürchtete sich vor den Fanatikern. Sie sammelte ihre Notizen zusammen und zog sich den Mantel über. Tina und Peter begleiteten sie zu ihrem Wagen. Die Menge hatte sich bereits aufgelöst, und die Straßen waren dunkel und verlassen. Beim Anblick des Mannes, der an ihrem Auto lehnte, vergaß sie, was sie gerade sagen wollte. Sein eigenes Fahrzeug parkte auf der anderen Straßenseite. Er blickte auf und lächelte sie an. Das konnte Elizabeth selbst aus der Entfernung erkennen. Verärgert runzelte sie die Stirn. Warum musste dieser Mann auch so gut aussehen? Tina, die ihrem Blick gefolgt war, seufzte leise. „Oje, wenn das nicht unser Herzensbrecher ist. Brauchst du Hilfe?" „Nein, braucht sie nicht", antwortete Peter stattdessen. Lächelnd griff er nach der Hand seiner Frau und meinte: „Benimm dich, Schatz, und sag auf Wiedersehen." „Gute Nacht, Elizabeth." Lachend umarmte Elizabeth erst sie und dann Peter. „Ich danke euch für eure Unterstützung heute Abend. Wir sehen uns morgen im Büro." „Ich will alles darüber hören!" flüsterte Tina ihr noch zu, bevor ihr Mann sie wegzog. „Jedes kleinste Detail!" Elizabeth hätte ihr sagen können, dass es nichts zu erzählen geben würde, aber sie winkte nur und wandte sich dann ihrem Wagen zu ... und Zeke McBride. Lässig lehnte Zeke an ihrem Kotflügel, die Arme vor der Brust verschränkt. Er beobachtete Elizabeth, die langsam auf ihn zukam. Heute Abend hatte er sie zum ersten Mal bei Licht gesehen, und er musste zugeben, dass ihm der Anblick sehr gefallen hatte: ihr weiches honigfarbenes Haar, ihre zarte Haut und ihr sinnlicher Mund, der zum Küssen geradezu einlud. Alles an ihr kam ihm weich vor. Doch dann erkannte er das störrische Kinn.
Das passte zu ihr. Sie wusste, was sie wollte. Ihr Problem mit dem Auto hatte sie auch alleine in Angriff genommen. Ebenso den heutigen Abend. Immer noch hatte er die Feindseligkeiten der Bewohner vor Augen. Jede andere Frau hätte in Tränen aufgelöst den Raum verlassen. Nicht so Elizabeth. Sie hatte ihr eigenwilliges Kinn gehoben und den Bürgern Rede und Antwort gestanden. Und als die Versammlung vorbei war, stand sie immer noch mit geradem Rücken an ihrem Rednerpult. Die Frau hatte Rückgrat. Das gefiel Zeke. Sie war immer noch sauer auf ihn, weil er sie vor Nick aufgezogen hatte. Das konnte er an ihren Augen ablesen. Gleich würde sie ihn anfahren, dachte er grinsend. Er brauchte nicht lange zu warten. „Ich weiß nicht, was das vorhin sollte. Aber ich habe vor, Nick morgen von meiner kleinen Notlüge zu berichten." Amüsiert erwiderte er: „Das ist sehr gut. Eine Ehefrau sollte vor ihrem Mann keine Geheimnisse haben." „Er ist nicht mein Ehemann!" knurrte sie ihn an. „Ich habe gelogen. Was blieb mir auch anderes übrig? Es war dunkel und niemand in der Nähe. Sie waren ein Fremder und hätten auch ein Serienkiller sein können. Ich musste Sie irgendwie loswerden." „Das war sehr klug von Ihnen", sagte er anerkennend. Mit Genugtuung nahm er ihre Reaktion wahr. Ihr Mund öffnete sich vor Staunen. „Mund zu, Fliegen kommen rein." Sie schluckte. „Ich hoffe, Sie hatten Ihren Spaß. Und nun treten Sie bitte zur Seite. Ich will nach Hause." Sofort trat er einen Schritt zurück, nahm ihr den Schlüssel aus der Hand und öffnete ihr die Wagentür. Nachdem sie sich hingesetzt hatte, griff er kurz nach ihrem Arm und meinte ernst: „Normalerweise sind die Menschen hier Fremden gegenüber nicht so feindselig. Sie sind auf die Regierung sauer. Nehmen Sie es also nicht persönlich." Elizabeth wusste, dass er Recht hatte. Die Menschen mussten ihrer Wut Luft machen, und sie war nun mal das Ziel. „Ich weiß", seufzte sie. „Das ist leider die Kehrseite meines Jobs." Sein Lächeln kehrte sofort zurück. „Sie Arme. Darf ich Sie denn als Entschädigung zu einem Kuchen bei ,Ed' einladen?" Er brachte sie in Versuchung. „Ed's Diner" war das einzige Restaurant in der Stadt, das für seine leckeren Desserts berühmt war. Elizabeth war regelmäßiger Gast dort. Doch plötzlich fiel ihr die Geschichte mit der sitzen gelassenen Verlobten ein. Außerdem war er genauso ein Typ wie ihr Vater. Daher sagte sie abweisend: „Tut mir Leid, aber ich kann nicht." Ohne weitere Erklärungen fuhr sie los. Zeke blieb mit den Händen in den Taschen mitten auf der Straße stehen. Also hat mein Bruder doch Recht, dachte er schmunzelnd. Sie verabredet sich nicht. Das wollen wir doch mal sehen. Elizabeth versuchte keine weiteren Gedanken an diesen Mann zu verschwenden. Schließlich beschäftigten sie wichtigere Dinge. Nach drei Monaten harter Vorbereitungsarbeit sollten die Wölfe endlich in die Freiheit entlassen werden, und vorher gab es noch eine Menge zu erledigen. Aber da Liberty Hill nur ein kleines Kaff war, lief sie Zeke McBride überall über den Weg. Sei es in der Post, an der Tankstelle oder in der Drogerie. Selbst in der Kirche war sie nicht vor ihm sicher. Aus Versehen hatte sie am Sonntag auch noch in der gleichen Reihe mit ihm und seiner Familie gesessen. Deutlich hatte sie seinen Blick gespürt. Ständig versuchte er mit ihr zu flirten. Doch da war er bei ihr an der falschen Adresse. Am nächsten Tag traf sie ihn wieder. Diesmal im einzigen Supermarkt der Stadt. „Oh, wen haben wir denn da? Ist das nicht die reizende Liz Davis? Was gibt es denn heute zu essen? Spaghettis mit Fleischbällchen? Super! Ich bringe den Wein mit."
Eigentlich sollte sie ihn nicht ermutigen, aber er brachte sie zum Lachen. „Netter Versuch, Romeo, aber mein Menü stammt aus der Dose. Das wird Ihnen nicht schmecken. Und außerdem, ich heiße Elizabeth. Es gibt nur eine Liz, und das ist Liz Taylor." „Kein Problem", antwortete er leichthin. „Dann nenne ich Sie Lizzie. Das gefällt mir." Zufrieden lächelte er sie an. „Also, was ist mit heute Abend, Lizzie? Ich koche uns was." Elizabeth wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Der Mann war unverbesserlich. Außerdem hasste sie den Kosenamen Lizzie. Sie sah ihn schelmisch an. „Für mich? Nein, danke." „Warum nicht? Denken Sie, ich kann nicht kochen?" „Sicher haben Sie viele Talente, aber..." „Sie brechen mir das Herz." „Das tut mir furchtbar Leid. Ich hoffe, Sie sind nicht zu sehr verletzt", neckte sie ihn. „Ich weiß nicht, wie ich über diese Enttäuschung hinwegkommen soll", antwortete Zeke mit ernstem Gesicht. „Wollen Sie nicht Ihre Meinung ändern? Sie verpassen was. Ich bin ein verdammt guter Koch." Elizabeth konnte kaum der Versuchung widerstehen. Als sie in seine Augen sah, fragte sie sich, ob sie gerade dabei war, den Verstand zu verlieren. Der Mann war ein Herzensbrecher. Sie wusste das, aber trotzdem gefiel er ihr. Das erschreckte sie fast zu Tode. Schnell packte sie ihre Lebensmittel zusammen. „Ich bin sicher, dass Sie ein toller Koch sind, aber ich hatte einen langen Tag und wäre keine gute Gesellschafterin. Fragen Sie jemand anderen", sagte sie und ging eilig zur Kasse. „Elizabeth, bitte warten Sie. Ich wollte Sie nicht verärgern." Doch sie konnte nicht mehr warten. Nachdem sie bezahlt hatte, verließ sie schnell den Supermarkt und fuhr davon, als wäre der Leibhaftige hinter ihr her. Sie dachte erst, dass sie ziellos herumfahren würde, aber schließlich fand sie sich in Eagle Ridge wieder. Hier wurden die Wölfe vorübergehend in einem Gehege zum Eingewöhnen gehalten. Stundenlang hätte sie ihren Wölfen zuschauen können. Ihre Wölfe waren es natürlich nicht, aber sie hatte alle zwölf persönlich in Kanada ausgesucht und sie auf ihren Gesundheitszustand untersucht. Und auch den langen Transport nach Colorado hatte sie selbst organisiert. Sie mochte sie alle, aber vor allem zwei waren ihr ans Herz gewachsen. Napoleon, das Alphamännchen, und Queenie, die Leitwölfin und Napoleons Gefährtin. Eigentlich besaßen sie keine Namen, sondern nur Nummern, aber da sie starke Charaktere besaßen, erschienen Elizabeth Zahlen zu unpersönlich. Am Anfang mochten sich ihre beiden Lieblingswölfe nicht besonders gut leiden. Doch im Laufe des Transports hatte die Abneigung nachgelassen. Jetzt waren die beiden unzertrennlich und schliefen sogar angekuschelt nebeneinander. Nur den Menschen gegenüber waren sie weiterhin misstrauisch. Und das war auch gut so. Als Napoleon sie erblickte, blieb er stehen, und Queenie gesellte sich zu ihm. Auch die anderen Wölfe taten es ihr nach. Gemeinsam fingen sie an zu heulen. Elizabeth lachte über die freundliche Begrüßung. „Ich weiß, dass ihr hier raus wollt. Nur noch etwas Geduld. Am Wochenende wird euer neues Leben beginnen." Eigentlich hatte das neue Leben bereits angefangen. Queenie war trächtig. Bald würden die Welpen zur Welt kommen. Queenie würde einer neuen Generation in Colorado das Leben schenken. Dadurch würde das Band zwischen ihr und Napoleon noch stärker werden. Ein wenig beneidete Elizabeth das Leben der Wölfe. Zwar waren es Tiere, aber die Menschen könnten noch einiges von ihrem liebevollen Umgang miteinander lernen. Warum fand sie nur keinen Mann, der sich so loyal verhielt wie Napoleon? Die Antwort lag auf der Hand. Ständig liefen ihr Männer wie Zeke oder ihr Vater über den Weg. Sie waren charmant und witzig, aber die Wörter Bindung und Verpflichtung existierten nicht in ihrem Leben. Das musste sie sich immer wieder bewusst machen.
Auf keinen Fall wollte sie die Fehler ihrer Mutter wiederholen. Elizabeth liebte sie sehr, aber sie erkannte auch ihre Schwächen. Sie selbst wollte nicht auf einen Weiberheld hereinfallen. Das brachte nur Kummer mit sich. Als sie später in ihrer Küche die Dose mit dem Abendessen aufmachte, hatte sie wieder Zekes spöttisches Grinsen vor Augen. Auch fielen ihr seine vergeblichen Versuche, sie zu einem gemeinsamen Essen zu überreden, wieder ein. Unwillkürlich musste sie dabei lächeln. Während des ganzen Abends ging ihr dieser Mann nicht mehr aus dem Kopf. Sie versuchte, sich durch Arbeit abzulenken. Es musste noch ein Bericht an ihren Arbeitgeber geschrieben werden. Aber als sie am Computer saß, geisterte immer nur Zeke in ihrem Kopf herum. Erst um Mitternacht hatte sie endlich etwas zu Papier gebracht. Hauptsache, sie würde nicht auch noch von ihm träumen. Kaum hatte sie sich ins Bett gelegt, als das Telefon klingelte. Sofort waren alle Gedanken an Zeke wie weggefegt. Sie wusste, um was für einen Anruf es sich handelte. Es war nicht ihr erster. Peter hatte auch schon welche erhalten. Sie hatte schon überlegt, Nick davon zu unterrichten. Aber aus Erfahrung wusste sie, dass das nichts bringen würde. Die Anrufe waren zu kurz, um zurückverfolgt zu werden. Und auf den Anrufbeantworter wurde nie gesprochen. Er würde nicht eher Ruhe geben, bis sie den Hörer abnahm. Zögernd meldete sie sich. „Hallo?" „Oh, ist die Wolfsbraut höchstpersönlich dran", hörte sie eine kalte, hässliche Stimme sagen. „Warum sitzt du nicht in Eagle Ridge bei deinen Bestien? Du bist nicht besser als sie. Du hältst dich wohl für sehr klug, du Miststück. Denkst, keiner kann dir und deinen Wölfen etwas zu Leide tun. Ich könnte in deiner Nähe sein, und du würdest es nicht mal merken, bis es zu spät wäre. Du wirst dir wünschen, niemals geboren worden zu sein..." . Elizabeth hörte den weiteren Beschimpfungen nicht weiter zu. Bei den ersten Anrufen dieser Art hatte sie noch versucht, dem anonymen Anrufer die Lage zu erklären, aber mittlerweile hatte sie es aufgegeben. Das war pure Zeitverschwendung. Die Leute wollten nicht über die Tiere aufgeklärt werden. Sie wollten nur, dass sie mit ihren Wölfen verschwand. Normalerweise hörte sie kurz zu und legte dann auf. Doch dieser Anrufer war scheußlicher als die anderen. „Jeder weiß, dass du sie versteckst. Aber ich weiß, wo sie sind. Sie sitzen in ihrem Gehege in der Falle." Elizabeth stockte der Atem. Eine innere Stimme befahl ihr, ihn zu ignorieren. Aber sie konnte nicht anders. „Wenn Sie ihnen auch nur ein Haar krümmen, dann bringe ich Sie für die nächsten zwanzig Jahre hinter Gitter, das verspreche ich Ihnen!" schrie sie wütend ins Telefon. „Zu spät", antwortete er höhnisch und legte auf. Wie versteinert saß Elizabeth im Bett, während schreckliche Bilder vor ihrem inneren Auge abliefen. „Nein!" In Windeseile zog sie sich an und sprang in den Jeep. Ohne auf Geschwindigkeitsbegrenzungen zu achten, raste sie nach Eagle Ridge. Unterwegs betete sie inständig: „Lieber Gott, lass mich bitte nicht zu spät kommen!"
3. KAPITEL Als sie das Freigehege erreichte, befürchtete sie fast, die Wölfe in Blutlachen vorzufinden. Mit quietschenden Reifen kam sie zum Stehen und würgte den Motor ab. Ein frostiger Wind blies ihr ins Gesicht. Doch sie nahm keine Notiz davon. Schnell schnappte sie sich ihre Taschenlampe und leuchtete die Tiere an. Irritiert, sie zu dieser Nachtstunde zu sehen, begrüßten sie die Wölfe trotzdem mit lautem Geheule. Erleichtert lachte Elizabeth, auch wenn ihre Knie butterweich waren. „Ich wünsch euch auch einen schönen Abend. Sieht so aus, als wäre ich umsonst hergekommen. Ihr seht recht munter aus." Doch dann entdeckte sie Napoleon, der seine Aufmerksamkeit auf etwas hinter dem Zaun richtete. Besorgt strahlte sie mit der Taschenlampe in die Richtung. „Was ist da, mein Junge? Stimmt was nicht?" Erst konnte sie nichts entdecken. Doch als sie es schon aufgeben wollte, bemerkte sie etwas auf dem Boden. Aus der Entfernung konnte sie nicht erkennen, was es war. Doch plötzlich bekam sie eine Gänsehaut. Egal, was es auch war, es würde ihr nicht gefallen. Seit zwei Monaten kam sie täglich hierher, um nach den Wölfen zu sehen. Sie kannte die Gegend wie ihre Westentasche. Bisher hatte sie auch nie Angst gehabt. Doch mit einem Mal wurde ihr auch die einsame Lage des Geheges bewusst. Sie war nur mit einer Taschenlampe bewaffnet, und ihr Schreien würde niemand hören können. Zu spät kam es ihr in den Sinn, dass sie niemals allein hätte fahren dürfen. Schon gar nicht mitten in der Nacht. Sie war zwar keine ängstliche Frau, die Angst vor ihrem eigenen Schatten hatte, trotzdem wäre sie am liebsten zu ihrem Wagen gerannt. Aber dann fiel ihr der Gegenstand auf dem Boden ein. Sie starrte nochmals hin und erkannte erschaudernd, dass es etwas Totes war. Sofort lief sie hin, da sie befürchtete, dass es ein Wolf wäre. Doch es handelte sich um einen Kojoten, Er war nicht erschossen worden, denn es war kein Blut zu sehen. Stattdessen lag sein toter Körper neben einem Stück rohem Fleisch. Er ist vergiftet worden, schoss es ihr durch den Kopf. Wut stieg in ihr auf. Aber auch Angst um Napoleon und die anderen. Ihr war klar, dass das eine Warnung sein sollte. Dieser Geistesgestörte wollte ihr beweisen, wie einfach es wäre, alle Tiere zu töten. Und das nächste Mal würde er es wahrscheinlich auch tun. Zuzutrauen war es ihm. Aber das würde sie nie zulassen. Sie lief zu ihrem Wagen zurück und rief per Handy den Sheriff an. Kurz vor sechs Uhr morgens trank Zeke bereits eine Tasse Kaffee in der gemütlichen Küche seiner Mutter. Solange er denken konnte, sah die Küche so aus wie jetzt. Sie war großzügig geschnitten, und auf dem altmodischen Herd waren schon unzählige Mahlzeiten gekocht worden. Seine Mutter bereitete gerade das Frühstück zu. Obwohl es noch sehr früh war, waren Joe und Merry bereits in der Scheune und sahen nach einer kranken Stute. Janey war oben und zog sich für die Arbeit an. Zeke war noch ziemlich müde und hatte Mühe, seine Augen offen zu halten. Plötzlich klingelte das Telefon. Seine Mutter nahm mit einer Hand den Hörer ab, während sie mit der anderen Hand die Pfannkuchen wendete. Lächelnd sprach sie in den Hörer: „Guten Morgen, Steve. Wie geht es Ihnen heute?" Als er den Namen seines Chefs hörte, ruderte Zeke abwehrend mit den Armen. „Sag ihm, dass ich angeln bin oder sonst was!" Doch stattdessen sagte seine Mutter grinsend: „Ja, er ist hier. Und winkt mir wie ein kleines Kind zu. Sie haben doch hoffentlich nicht vor, ihn aus seinem wohlverdienten Urlaub zu holen, oder?"
„Erzähl ihm, dass er jemand anderen anrufen soll", rief ihr Zeke laut zu, damit sein Freund und Chef es auch hören konnte. „Ich habe Urlaub." Seine Mutter lauschte kurz und meinte dann: „Er sagt, dass du genau da bist, wo er dich braucht. Wenn das nicht stimmen sollte, würde er seinen 65er Mustang verkaufen." Immer noch zweifelnd, nahm Zeke den Hörer entgegen. Der Mustang bedeutete für Steve Haily. mehr als alles andere auf der Welt. „Ich hoffe, du hast einen triftigen Grund, mich zu stören." „Ich dachte, dass du dir vielleicht etwas bei euch in den Wäldern ansehen könntest. Das würde zwei Extrawochen Urlaub bedeuten. Aber wenn du nicht willst, dann mach ich das selbst. Einige wichtige Männer aus Washington wollen, dass wir uns um ein Wolfsprojekt kümmern ..." Vor Schreck hätte Zeke fast seinen Kaffee verschüttet. „Wolfsprojekt?" wiederholte er jetzt hellwach. „Redest du von Elizabeth Davis?" „Stimmt", antwortete sein Chef überrascht. „Kennst du sie?" „Ja, ich habe sie letzte Woche bei einer Versammlung zu diesem Thema gesehen. Die Leute hier sind ganz schön aufgeregt. Ist ihr etwas zugestoßen?" „Bis jetzt nicht", antwortete Steve Haily grimmig. „Aber offensichtlich erhält sie seit längerem Drohanrufe. Und letzte Nacht hat jemand damit gedroht, die Wölfe zu töten, und hinterließ vergiftetes Fleisch nahe dem Gehege. Die Frau ist mitten in der Nacht dorthin gefahren und hat einen vergifteten Kojoten gefunden." Zeke fluchte. Wie konnte sie nur so leichtsinnig sein und ihr Leben gefährden? Sie hätte Nick anrufen müssen. Er brauchte nicht darüber nachzudenken, ob er seinen Urlaub unterbrechen sollte oder nicht. Bei der Erwähnung von Elizabeths Namen hatte er bereits einen Entschluss gefasst. „Ich kümmere mich sofort darum", versprach er und legte auf. „Wir müssen die Überwachungstechnik beim Freigehege verstärken", informierte Elizabeth am nächsten Morgen ihre Assistenten. Ihre Augen brannten noch vor Müdigkeit, da sie kaum geschlafen hatte. Obwohl der Sheriff ansonsten nichts Verdächtiges hatte finden können, hatte sie es vorgezogen, die Nacht im Auto bei ihren Tieren zu verbringen. Peter stimmte ihr zu: „Du hast Recht. Ich kümmere mich sofort darum." Es waren unauffällige Sensoren am Gehege installiert worden, die Signale auf Pieper sendeten, sobald sich jemand zu dicht dem Zaun näherte. Jeder im Team trug ständig so ein Gerät bei sich. Doch warum hatte es letzte Nacht nicht funktioniert? „Wer soll eigentlich diese weiteren Sicherheitsmaßnahmen bezahlen?" erkundigte sich Tina. „Das werde ich sofort herausfinden", versprach Elizabeth. „Peter, du kannst ja schon mal einen Kostenvoranschlag erstellen, damit ich Irene die Zahlen präsentieren kann." Kaum hatte sie zu Ende gesprochen, als das Telefon klingelte und Irene, ihre Chefin, am Apparat war. Sie war bereits über die Ereignisse der letzten Nacht informiert worden. „Du hörst dich an, als hättest du eine anstrengende Nacht hinter dir", sagte Irene Johnson trocken. „Ich brauche wohl kaum zu fragen, wo du sie verbracht hast. Hast du überhaupt geschlafen?" Keiner kannte Elizabeth so gut wie Irene. Lachend antwortete sie: „Nicht viel, aber ich hatte Angst, der Übeltäter kommt zurück." „Ich hätte genauso gehandelt. Übrigens habe ich vor, Überwachungskameras anzufordern." Elizabeth war nicht wirklich überrascht, dass Irene denselben Gedanken hatte wie sie. „Das ist ja lustig, gerade haben wir darüber gesprochen. Peter sitzt gerade an einem Kostenvoranschlag. Sobald er fertig ist, fax ich ihn dir zu. Woher weißt du eigentlich über diese Sache Bescheid? Ich habe doch bloß mit dem Sheriff gesprochen, aber anscheinend ist die ganze Gegend hier informiert, denn ich werde mit Anrufen geradezu bombardiert."
„Offensichtlich war der Sheriff sehr besorgt. Er hat die Staatspolizei von dem Giftanschlag in Kenntnis gesetzt. Das hat den Ball ins Rollen gebracht. Daher bekommst du Hilfe." „Hilfe?" wiederholte sie stirnrunzelnd. „Meinst du einen Sicherheitsbeamten?" „Nicht ganz. Er ist Biologe." „Er ist was?" Schnell fuhr Irene Johnson fort: „Ich kann mir vorstellen, was du denkst, aber es ist nicht so schlimm, wie es sich anhört. Wölfe sind zwar nicht sein Spezialgebiet, aber er arbeitet für die ,Fish and Wildlife'-Organisation. Also nicht so ein weltfremder Wissenschaftler, der noch nie sein Labor verlassen hat." „Aber mit den Wölfen habe ich doch gar kein Problem", sagte Elizabeth frustriert. „Es sind die Drohungen, die mir Sorgen machen." „Ja, ich weiß. Aus dem Grunde haben sie ja diesen McBride benachrichtigt." In der Annahme, sich verhört zu haben, fragte Elizabeth nach: „McBride? Hast du McBride gesagt?" „Ja. Zeke McBride. Warum? Kennst du* ihn? Die Regierung hat ihn extra angefordert, weil er in der Gegend aufgewachsen ist. Er kennt sich dort nicht nur gut aus, sondern ist auch mit den Menschen vertraut. Außerdem ist er ausgebildeter Kriminologe." In dem Moment öffnete sich die Bürotür, und Zeke trat ein. „Wenn man vom Teufel spricht", flüsterte Elizabeth in den Hörer. „Einstein höchstpersönlich ist gerade gekommen. Ich ruf zurück." Zeke starrte sie an, als sie den Hörer auflegte. Zu ihrem Verdruss bemerkte sie, dass sie bei seinem Anblick weiche Knie bekam. Während der endlosen Stunden in der letzten Nacht waren ihre Gedanken ständig bei diesem Mann gewesen. Sein Lächeln und der Übermut in seinen Augen gingen ihr einfach nicht mehr aus dem Sinn. Doch das wollte sie nicht. Er sollte ihr nicht gefallen. Und auf keinen Fall wollte sie mit ihm zusammenarbeiten. Es musste eine andere Lösung gefunden werden. Tina und Peter sahen sie erwartungsvoll an. „Wir unterhalten uns im Hinterzimmer", sagte sie und ging Zeke voraus. Sobald sie die Tür geschlossen hatte, drehte sie sich zu ihm um. „Ich kann nicht mit Ihnen arbeiten. Innerhalb einer Stunde würden wir uns gegenseitig an die Kehle springen." Er schien überhaupt nicht überrascht, dass sie bereits von seiner Aufgabe wusste. Grinsend sagte er: „Sie ist wild auf mich! Yippie!" Elizabeth konnte sich das Lachen nicht verkneifen. Dieser Kerl war einfach unglaublich. „Haben Sie was mit den Ohren? Ich sagte, dass ich nicht mit Ihnen arbeiten will, Mr. McBride, und nicht, dass ich wild auf Sie bin." „Sie können nicht mit mir arbeiten, weil Sie wild auf mich sind", zog er sie auf. „Ich bin nicht wild auf Sie!" „Ich versteh schon, Süße. Aber es gibt etwas, was Sie berücksichtigen müssen, wenn wir zusammenarbeiten. Ich nehme meinen Job sehr ernst. Sie müssen sich zusammenreißen und dürfen nicht die Beherrschung verlieren." Das ist ja ungeheuerlich, dachte Elizabeth schmunzelnd. „Ich kann mich sehr gut beherrschen", versuchte sie einen ernsten Ton anzuschlagen. „Aber da wir nicht zusammenarbeiten werden, spielt das auch keine Rolle." Unbeeindruckt fuhr er fort: „Das mit Ihrer Selbstkontrolle werden wir eines Tages mal genauer überprüfen. Aber die Herren aus Washington bestehen darauf, dass ich Ihnen helfe." Weitere Diskussionen waren zwecklos. Sie hatte lange genug für die Regierung gearbeitet, um zu wissen, dass Anordnungen befolgt werden mussten. Frustriert gab sie sich mit der Tatsache ab, dass seine Mithilfe nur vorübergehend sein würde. Außerdem würde er hauptsächlich mit dem Sheriff zusammenarbeiten.
„Na gut", gab sie schließlich nach. „Und damit wir erfolgreich sind, sollten wir uns so professionell wie möglich verhalten. Und das fängt schon damit an, dass Sie mich nicht Süße nennen." „Wie Sie wollen, Lizzie Darling", erwiderte er grinsend, und sie stöhnte auf. Doch sein Grinsen erstarb sogleich, als er auf ihr berufliches Problem einging. „Und jetzt erzählen Sie mir alles über den Anruf von gestern Nacht. Schließen Sie die Augen. Könnte es sein, dass Sie die Stimme schon mal gehört haben?" Verwirrt entgegnete sie. „Sicher nicht!" „Denken Sie noch mal darüber nach. Immerhin leben wir in einer Kleinstadt, und in den drei Monaten, in denen Sie hier sind, haben Sie bestimmt schon mal mit jedem Einwohner gesprochen. Jeder geht mal irgendwann zur Post oder in den Supermarkt. Oder bei der Versammlung letztens. Hätte es einer der Zwischenrufer sein können?" „Bestimmt nicht", antwortete sie. „Damit hätte er sich doch verraten." „Schon möglich, aber wir wissen weder, ob er klug, noch, wozu er fähig ist." „Meinen Sie, dass er seine Drohungen fortsetzen wird?" In dem Moment sah sie so verängstigt aus, dass er sie am liebsten beruhigt hätte, aber sie mussten der Wahrheit ins Gesicht blicken. „Der Mann ist gefährlich." Sie wurde blass. „Dann müssen wir dafür sorgen, dass er keine Gelegenheit mehr findet." Wieder versuchte sie sich an das Gespräch der letzten Nacht zu erinnern. „Tut mir Leid, aber die Stimme kam mir nicht bekannt vor. Sollte ich aber jemanden in der Stadt hören, der so spricht, dann können Sie sich darauf verlassen, dass ich so laut wie möglich nach dem Sheriff schreien werde." Er nickte zufrieden. „Sehr gut. Ziehen Sie jetzt Ihren Mantel an und zeigen Sie mir die Stelle, wo Sie das vergiftete Fleisch gefunden haben." Erstaunt stellte Elizabeth fest, wie völlig verändert sich Zeke verhielt. Kein bisschen flirtend. Es war kaum vorstellbar, dass dies derselbe Mann sein sollte, der sie bei jeder Gelegenheit um ein Date gebeten hatte. Daher fragte sie. argwöhnisch: „Aber es geht doch nur um den Job, oder, McBride?" „Natürlich, was denn sonst?" „Dann haben Sie auch sicherlich nichts dagegen, wenn wir in getrennten Wagen fahren", sagte sie mit Unschuldsmiene. Lächelnd antwortete er: „Was denken Sie eigentlich von mir?" Sie versuchte ernst zu bleiben und griff nach Mantel und Handtasche. „Kommen Sie." Glücklich folgte er ihr. Zwar handelte es sich nicht um eine richtige Verabredung, aber besser als gar nichts, dachte Zeke vor sich hin grinsend. Als Elizabeth und Zeke das Freigehege erreichten, wurden sie mit einem lauten Geheule begrüßt. Zeke war darüber sehr erstaunt. Beeindruckt fragte er: „Machen die das immer so?" „Nicht so ausdauernd wie heute", antworte Elizabeth. „Sie sind wohl wegen der letzten Nacht noch sehr aufgeregt." Der tote Kojote war mittlerweile entfernt worden. Nur die Stelle, wo das vergiftete Fleisch gelegen hatte, war durch eine Markierung erkennbar. Zeke sah sich die Stelle genau an. Der Übeltäter wusste, was er tat. Er hatte eine perfekte Nacht ausgewählt, denn der Wind hatte alle Spuren im Schnee weggeweht. Er kehrte zu Elizabeth zurück, die am Jeep auf ihn wartete. „Der Platz ist sauber, aber ehrlich gesagt hatte ich auch nichts anderes erwartet." „Und was jetzt?" „Sobald ich den Befund aus dem Labor erhalte, weiß ich, um was für ein Gift es sich handelt. Dann kann ich die Lieferanten ausfindig machen", erklärte er und steckte seine Hände in die Jackentaschen. „Und wie lange wird das dauern?"
„Die Laborergebnisse? Etwa eine Woche, wenn wir Glück haben. Ich weiß", sagte er, als er ihr bestürztes Gesicht sah. „In der Zwischenzeit kann unser Knabe viel Unheil anrichten. Aber ich werde noch anderen Spuren nachgehen. Laut Nick sind in letzter Zeit einige Unruhestifter in die Gegend gezogen. Den werden wir mal einen Besuch abstatten und ihre Alibis überprüfen. Währenddessen müssen Sie eine Entscheidung treffen." Überrascht blinzelte sie mit den Augen. „Worüber?" Er sah besorgt zu den Tieren hinüber. „Die Wölfe. So, wie die Lage sich zuspitzt, sind sie hier nicht mehr sicher. Es wäre ein Leichtes, sie mit dem Gewehr zu erlegen." Elizabeth ließ ihren Blick über die Bäume und Hügel in dem Freigehege wandern. Es stimmt, stellte sie resigniert fest. Man müsste sich nicht einmal den Tieren nähern, um sie abschießen zu können. Die Wölfe waren ihren Feinden schutzlos ausgeliefert. Verzweifelt fragte sie: „Was schlagen Sie denn vor?" „Entlassen Sie sie früher "in die Wildnis", antwortete er. „Heute noch. Glauben Sie mir, sie sind dort viel sicherer als in dem Gehege. Es sei denn, sie sind in Quarantäne." „Das nicht", meinte sie. „Sie sind völlig gesund. Sie wurden durchgecheckt, bevor sie in die Staaten einreisen durften. Wir haben sie bloß hier gehalten, damit sie sich akklimatisieren." „Freitag wären sie ohnehin entlassen worden, oder? Auf die paar Tage kommt es doch wohl nicht mehr an." „Den Wölfen ist es gleich. Aber die Bevölkerung wird darüber nicht begeistert sein." „Die werden das schon verkraften", versicherte er ihr. „Dann lassen wir sie raus. Heute noch." Er hatte ja Recht. Es war an der Zeit, das Gatter zu öffnen. Die Wölfe waren bereites mit Sendern ausgestattet. Sie musste nur noch im Büro Bescheid sagen. Auf dem Monitor würden sie ihre Spuren verfolgen können. Eigentlich sollte es doch ganz einfach sein. Sie wusste, dass der Tag kommen würde. Und doch fühlte sie sich wie eine Mutter, die ihr Kind in die weite, böse Welt hinausschickte. Da sie noch zögerte, fragte Zeke: „Lizzie? Nun, was wollen wir machen?" Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Ich muss im Büro anrufen." Fünf Minuten später kehrte sie zurück und öffnete das Gatter. Zusammen mit Zeke beobachteten sie die Wölfe, die argwöhnisch das offene Tor betrachteten. „Die Wölfe in Yellowstone machten zwei Tage lang einen Riesenbogen um die offene Tür." Ihr Blick war so sehr auf Napoleon und Queenie gerichtet, dass sie nicht bemerkte, dass Zeke sie nicht aus den Augen ließ. „Das müssen wir hier nicht befürchten. Das Alphamännchen ist ziemlich kühn. Wie heißt es eigentlich?" Elizabeth fühlte sich ertappt. „Ich habe ihm nie einen Namen gegeben." Offiziell war er die Nummer acht. „Das glaube ich Ihnen nicht. Sie können doch die Augen kaum von ihm lösen." Sie befürchtete, dass er sie für unprofessionell hielt. Doch sein Blick sagte etwas anderes. Er verstand sie und auch wie schwierig es für sie war, die Wölfe zu entlassen. „Also, was für Namen haben sie? King? Duke? Oder vielleicht Bubba?" Darüber musste Elizabeth lachen. „Sieht er vielleicht wie ein Bubba aus? Er heißt Napoleon." „Und seine Braut ist...?" „Queenie", antwortete sie sanft. „Es passte besser zu ihr als Josephine." Zeke sah wieder zu den Wölfen hinüber. Napoleon starrte fünf Minuten das offene Gatter an. Dann ging er langsam darauf zu. Als er merkte, dass nichts Bedrohliches geschah, hob er den Kopf und schnupperte in die Luft. Eine Minute später marschierte er durch das offene Tor, ohne dass seine Kameraden es überhaupt bemerkt hatten. „Guter Junge!" lobte Elizabeth ihn mit belegter Stimme. „Ich wusste, dass du es kannst."
Queenie, die sich verlassen fühlte, fing an zu bellen. Doch Napoleon wartete geduldig auf sie. Einige Minuten zögerte sie noch, aber dann folgte sie ihm. Fasziniert beobachtete Zeke die Tiere. Nie zuvor hatte er so etwas erlebt. Die beiden Wölfe begrüßten sich, als wenn sie sich ewig nicht gesehen hätten. Dann machten sie sich auf den Weg. Das restliche Rudel wollte nicht alleine zurückbleiben. Und kurze Zeit später waren sie alle in den Wäldern verschwunden. Dieses Erlebnis würde er niemals vergessen. Elizabeth stand schweigsam neben ihm. Als er sie ansah, bemerkte er die Tränen, die ihre Wangen hinunterliefen. Und als sie sich lächelnd zu ihm umdrehte, traf es ihn mitten ins Herz. „Ich dachte mir schon, dass Sie traurig sein würden", sagte er mit rauer Stimme. „Das bin ich auch", antwortete sie. „Aber es war die richtige Entscheidung. Nun sind sie da, wo sie hingehören." Elizabeth sah wieder zu den Wäldern hinüber. Doch Zeke konnte seinen Blick nicht von ihr wenden. Was für eine Frau ist sie, fragte er sich verwirrt. Sie brachte es zu Stande, sich vor einer aufgebrachten Meute zu behaupten, aber sie weinte wie ein Kind bei dem Gedanken, dass sie die Wölfe nicht wieder sehen würde. Man sah es ihr an, dass sie die Tiere ins Herz geschlossen hatte, und dennoch hatte sie sie gehen lassen. Verdammt, er mochte sie! Am liebsten hätte er sie in die Arme genommen und geküsst, aber keiner von ihnen war jetzt so weit... noch nicht. Er widerstand der Versuchung und griff stattdessen in seine Hosentasche. Lächelnd reichte er ihr ein Taschentuch. „Wischen Sie die Tränen ab. Ein Mann kann es nicht ertragen, wenn die Frau bei der ersten Verabredung weinen muss." Sie warf ihm einen finsteren Blick zu. „Das ist keine Verabredung, Mr. McBride." Wieder auf sicherem Terrain, neckte er sie weiter: „Ach, verdammt! Und ich wollte Sie schon küssen." „Unterstehen Sie sich!" „Keine Angst", lachte er. „Sie sind in Sicherheit - noch. Fragt sich nur, wie lange?" Lässig schlenderte er zu seinem Wagen. „Bis später, Honey. Ich muss noch arbeiten." „Ich bin nicht Ihr Honey", hörte er sie noch hinterherrufen. Den ganzen Weg zur Stadt lächelte er vor sich hin.
4. KAPITEL Erschöpft und frustriert fuhr Zeke durch die Toreinfahrt zur Ranch. Er sehnte sich nach einem heißen Bad und einem kühlen Bier. Die letzten beiden Tage waren die Hölle gewesen. Auf der Suche nach dem Täter war er quer durchs Land gefahren und hatte einige verdächtige Personen befragt. Doch alle hatten ein Alibi für den Mittwochabend. Zeke wollte sich aber noch nicht geschlagen geben. Er würde denjenigen schon finden, der Elizabeth gedroht hatte. Und wenn er dafür jeden Stein umdrehen musste. Völlig in Gedanken versunken, fuhr er mit seinem Truck auf Joes Einfahrt. Es hatte sich so eingebürgert, dass er während seiner Besuche bei seinem Bruder übernachtete. Er war schon an der Haustür angelangt, als er mit Erstaunen feststellte, dass Merrys Wagen vor dem Haus parkte. Merry empfing ihn in einem schicken, grünen Wollkleid und hochhackigen Schuhen. Es sah ganz so aus, als wollte sie ausgehen. Zeke musste zugeben, dass sie äußerst attraktiv war. Nicht umsonst war sie schon zwei Mal zur Schönheitskönigin gewählt worden. Anerkennend pfiff er leise: „Wer ist denn der Glückliche?" „Du", antwortete sie lachend. „Heute Abend findet eine Singleparty statt, und du musst mich begleiten." „Vergiss es!" Zeke hob abwehrend die Hände. „Das fehlte mir gerade noch, dass heiratswütige Frauen auf mich losgehen." „Ach, komm schon, Zeke. Sei nicht so. Alle kommen heute Abend. Das wird total lustig werden", versuchte sie ihn zu überreden. „Dann geh doch allein. Du brauchst mich dafür nicht." „Eigentlich hatte ich ja auch eine Verabredung. Aber der Typ ist krank geworden." „Und was ist mit Joe?" fragte Zeke, obwohl er die Antwort bereits wusste. „Du meinst doch wohl nicht unseren Joe, der nach seiner Scheidung allen Frauen abgeschworen hat?" Grinsend musste er eingestehen, dass sie Recht hatte. „Und hast du Janey schon gefragt?" Allerdings war ihm sofort klar, dass dieser Vorschlag auch nicht besser war. Janey war sehr schüchtern und legte keinen Wert auf große Partys. „Ach, vergiss es", meinte er nachgebend. „Wann geht die Party los?" „Um sieben", antwortete Merry erfreut. „Und guck nicht so grimmig. Du sollst mich doch nicht zu einem Begräbnis begleiten. Außerdem wird Elizabeth auch da sein." Er versuchte keine Miene zu verziehen. Doch seine Schwester kannte ihn zu gut. Grinsend meinte sie: „Aha! Jetzt bist du voll bei der Sache! Na los, zieh dich um", kicherte sie. Selbst ein Zahnarztbesuch wäre Elizabeth lieber gewesen, als den Abend auf einer Singleparty zu verbringen. Small Talks und aufgesetzte, freundliche Gesichter waren ihr ein Gräuel. Sie hatte auch keine Lust, mit Männern zu tanzen, die sie viel zu eng in den Armen hielten. Trotzdem hatte sie Merrys Einladung nicht abgelehnt. Sie konnte nicht, denn die Bürger der Stadt waren darüber sehr aufgebracht, dass sie nicht rechtzeitig über die frühere Freilassung der Wölfe in die Wildnis informiert worden waren. Telefonisch hatte es deswegen viele Beschwerden gegeben. Zwar hatte sie versucht, ihre Beweggründe zu erklären, aber sie schien stets auf taube Ohren zu stoßen. Vielleicht hätte sie auf dem Fest mehr Möglichkeiten, mit den Menschen darüber zu reden. Zu spät erkannte sie, dass eine Tanzveranstaltung nicht der richtige Rahmen für eine Unterhaltung war. Eine Country-and-Western-Band spielte lautstark auf der Bühne, so dass Elizabeth ihre eigene Stimme kaum verstehen konnte. Die Tanzfläche war brechend voll. Elizabeth erntete von den meisten Männern anerkennende Blicke. Insgeheim ärgerte sie sich, dass sie das rote und viel zu figurbetonende Kleid angezogen hatte.
Sie überlegte ernsthaft, ob sie wieder gehen sollte. Lieber würde sie im Büro noch mal nach dem Rechten sehen. Gerade war sie im Begriff, durch den Haupteingang zu verschwinden, als Zeke und Merry eintrafen. Ihr Herz begann wie wild zu klopfen. Zeke trug hautenge Jeans, ein weißes Hemd und ein im Westernstil geschneidertes Jackett. Obwohl die meisten Männer das Gleiche trugen, wurde nicht jeder von den Frauen so angehimmelt wie er. Innerhalb von Sekunden war er von Verehrerinnen umringt. Elizabeth trat zur Seite, damit sie von den Massen nicht niedergetrampelt wurde. Wahrscheinlich sind das alles ehemalige Freundinnen, dachte sie. Aber was kümmerte es sie schon. Schließlich wollte sie hier nur ihrem Job nachgehen. Sie wandte sich ab, um sich ein Erfrischungsgetränk zu holen. Doch so weit kam sie nicht. Vor ihr stellte sich ein Cowboy in den Weg. Sie kannte ihn vom Sehen. „Schick sehen Sie aus in dem Kleid, Miss Davis", sagte der Mann mit einem breiten Lächeln. „Erinnern Sie sich an mich? Ich bin Alvin Newton. Aber man nennt mich Fig Newton." Elizabeth lächelte ihn an. „Hallo, Fig." „Würden Sie es wagen, mit mir zu tanzen? Ich verspreche, Ihnen nicht auf die Füße zu treten", versicherte er ihr grinsend. Es würde sie zwar wundern, wenn er das schaffen sollte, aber trotzdem willigte sie ein. „Gerne, aber ich beherrsche nur zwei Schritte." „Ich doch auch", gab er zu und zog sie voller Freude auf die Tanzfläche. Von der anderen Seite des Saales beobachtete Zeke Elizabeth, die bereits mit dem dritten Tanzpartner innerhalb von zwanzig Minuten tanzte. Auch er würde noch an die Reihe kommen. Er war ein geduldiger Mann. Mittlerweile unterhielt er sich mit Bekannten, die er seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. Trotzdem ging ihm Elizabeth nicht aus dem Kopf. Doch sie würdigte ihn keines Blickes. Sie wusste, dass er da war. Das konnte ihr unmöglich entgangen sein. Es ärgerte ihn, dass sie mit allen gut gewachsenen Cowboys tanzte, ihn aber ignorierte. Auch hatte er wenig Lust, mit anderen Frauen zu tanzen. Sobald sich ihre Blicke treffen sollten, würde er sie um einen Tanz bitten. Doch sie beachtete ihn weiterhin nicht. Stattdessen forderte ein großer unbekannter Cowboy mit einem arroganten Lächeln sie zum Tanzen auf. Alarmiert beobachtete Zeke, dass der fremde Mann Elizabeth sehr eng in seine Arme zog und ihren Rücken streichelte. Schon wollte er eingreifen, als er sah, dass Elizabeth dem Kerl etwas mitteilte. Daraufhin lockerte dieser seinen Griff. Aber Sekunden später ließ er wieder seine Hände auf ihrem Körper wandern. Außerdem zog er sie in eine dunkle Nische des Saales, obwohl Elizabeth sich dagegen wehrte. Mehr brauchte Zeke nicht zu sehen. Mitten im Satz ließ er die Frau stehen, mit der er sich gerade unterhalten hatte, und ging mit großen Schritten zügig auf Elizabeth zu. Am liebsten hätte er dem Cowboy die Faust mitten ins Gesicht geschlagen, doch stattdessen tippte er ihm hart auf die Schulter. Grimmig sagte er: „Ich glaube, der nächste Tanz wurde mir versprochen." Kurz befürchtete er, dass Elizabeth ihm einen Korb geben würde, doch er täuschte sich. Sie antwortete kühl: „Das stimmt. Er ist jetzt dran." Zeke konnte die Wut auf dem Ge^ sieht des Cowboys deutlich erkennen. Widerwillig ließ dieser sie gehen und marschierte zornig auf die Bar zu, während die Musik zu einer romantischen Ballade überging. Mit einem verschmitzten Lächeln nahm Zeke sie in die Arme. „Es scheint, als würden sie unser Lied spielen. Sollen wir tanzen?" Obwohl er diesen Satz bestimmt schon unzählige Male gesagt hatte, konnte Elizabeth dem warmen Blick dieser Augen nicht widerstehen. Es war ja nur ein Tanz. Ohne ein Wort zu sprechen, ließ sie sich von ihm führen.
Den ganzen Abend hatte sie mit den verschiedensten Männern getanzt. Alle waren sie ihr gleichgültig gewesen. Bis auf den letzten, der sie wütend gemacht hatte. Doch bei Zeke war alles anders. Von Gleichgültigkeit konnte nicht die Rede sein. Dass ihr auf einmal so heiß wurde, lag gewiss nur daran, dass jemand die Heizung aufgedreht hatte. Oder? Doch als sie in seine Augen blickte, wusste sie, dass er das Gleiche fühlte wie sie. Was geschah nur mit ihr? „Zeke ..." „Lass uns nur tanzen", sagte er mit rauer Stimme und zog sie enger an sich. Niemals würde sie diesen Tanz vergessen. All die Paare um sie herum nahm sie nicht wahr. Sie sah nur Zeke, hörte ihr Herz schlagen, fühlte seine kräftigen Arme, die sie sicher hielten. Es war ein herrliches, unbekanntes und erschreckendes Gefühl. Plötzlich wurde ihr bewusst, was sie tat. Hatte sie den Verstand verloren? Dieser Mann war doch genau wie ihr Vater. Ein Herzensbrecher und nichts weiter. Und sie genoss es auch noch. Wie konnte das nur passieren? Wann? Was hatte er bloß mit ihr gemacht? Sobald die Musik zu Ende war, zog sie sich aus seinen Armen zurück. „Danke für den Tanz", murmelte sie. „War mir ein Vergnügen", antwortete er heiser. „Ich stehe jederzeit zur Verfügung." Es wäre so einfach, sich wieder in seinen Armen zu verlieren. Aber sie hatte Angst, dass sie sich daran gewöhnen könnte. Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Für heute reicht es mir. Ich muss morgen früh im Büro sein." Nachdem sie sich verabschiedet hatte, flüchtete sie aus dem Saal. Sie spürte seinen Blick auf ihrem Rücken, wagte es aber nicht, sich umzudrehen. Obwohl er nur einmal mit Elizabeth getanzt hatte, konnte es seine kleine Schwester nicht lassen, ihn damit auf dem Heimweg aufzuziehen. „Ich muss zugeben, ich bin beeindruckt", begann sie mit einem breiten Grinsen. „Komisch, normalerweise stehst du doch auf den eher hirnlosen Typ Frau." „Ich steh auf niemanden." „Klar tust du das", erwiderte sie mit einem frechen Lächeln. „Ich hab dich genau beobachtet. Du hast sie mit deinen babyblauen Augen angehimmelt und darauf gewartet, dass sie sich in deine Arme wirft. Aber sie hat nur einmal mit dir getanzt. Das gefällt mir an Elizabeth. Und Mom wird sie lieben." „Hey, jetzt mal langsam", sagte er erschrocken. „Wir reden über einen Tanz. Wer sagt, dass ich sie gleich der Familie vorstellen werde?" „Niemand. Aber ich weiß, was ich gesehen habe." Zufrieden flötete sie den Hochzeitsmarsch. „Fang bloß nicht an, die Hochzeit zu planen", warnte er sie leicht verärgert. „Die wird es nicht geben." Er konnte sich noch zu gut an Rachel, seine ehemalige Verlobte, erinnern. Zwei Jahre war es her, dass er sie kurz vor der geplanten Hochzeit mit einem anderen Mann im Bett erwischt hatte. Verzweifelt hatte sie versucht, sich aus der peinlichen Situation herauszureden. Doch für ihn war das Kapitel Rachel damit abgeschlossen. Nie wieder sollte ihm eine Frau das Herz brechen, das hatte er sich damals geschworen. Sicher traf er sich weiterhin mit Frauen, aber verlieben wollte er sich nicht mehr. Nachdem er seine Schwester abgesetzt hatte, fuhr er zu Joes Haus weiter. Im Bett des Gästezimmers fand er allerdings keinen Schlaf. Ständig schwirrte ihm eine bestimmte Frau durch den Kopf. Die Erinnerung an ihren Duft und an das Gefühl, sie in den Armen zu halten, raubte ihm den Schlaf. Elizabeth. Selbst wenn er die Augen schloss, sah er sie vor sich. Verdammt, das würde eine lange Nacht werden.
Am nächsten Montag erhielt Zeke den Laborbericht über das vergiftete Fleisch. Es handelte sich um ein Pestizid, welches sehr selten und daher schwer zu erhalten war. Außerdem konnte man das Gift nur gegen eine Unterschrift kaufen. Zeke rief alle Geschäfte im Umkreis von hundert Meilen an, die es anboten. Aber nur vier Personen hatten das Gift innerhalb der letzten sechs Monate gekauft. Obwohl diese Personen weit entfernt wohnten, suchte Zeke sie auf. Doch alle hatten noch nie etwas von dem Wolfprojekt gehört und waren ohnehin nicht davon betroffen. Sie erschienen ihm glaubwürdig. Also stand er wieder am Anfang seiner Ermittlungen. Frustriert saß er am Schreibtisch in Nicks Büro. Er hatte vor, Elizabeth den Bericht zuzufaxen. Da er ihre Faxnummer nicht kannte, wollte er sie telefonisch erreichen. Doch ihr Telefon war ständig besetzt. Drei Tage war es bereits her, dass er mit ihr getanzt hatte. Und da Liberty Hill nur ein kleines Kaff war, wo man sich eigentlich ständig über den Weg lief, musste er davon ausgehen, dass Elizabeth ihn bewusst mied. Kurzerhand schnappte er sich seine Jacke und verließ das Büro. Es wurde Zeit, der Dame einen Besuch abzustatten. Wütend knallte Elizabeth den Hörer auf die Gabel. Die letzten drei Tage waren die schlimmsten ihres Lebens gewesen, aber andererseits auch die schönsten. Denn die Wölfe hatten sich wunderbar in die Wildnis eingelebt. Sie waren den Menschen und deren Vieh nicht zu nahe gekommen, denn sie ernährten sich, wie vorgesehen, von Elchen und Kojoten. Trotzdem riefen ständig aufgebrachte Rancher an und beschwerten sich darüber, dass sie die Wölfe unangemeldet aus dem Gehege entlassen hatte. Selbst im Supermarkt musste sie sich Anschuldigungen anhören. Dabei richtete sich der Ärger vorwiegend gegen die Regierung. Trotzdem musste Elizabeth die Menschen immer wieder beschwichtigen. Ihre Nerven lagen mittlerweile blank. Als sie die Glocke an der Eingangstür hörte, wappnete sie sich innerlich gegen den nächsten empörten Bürger. Doch stattdessen betrat Zeke ihr Büro, und sein Lächeln steckte sie sofort an. Auch wenn der Tanz mit ihm bereits drei Tage zurücklag, so hatte sie noch sehr gut das atemlose Gefühl und ihr Herzrasen in Erinnerung. Selbst in ihren Träumen verfolgte sie dieser Mann. Doch sofort kam sie wieder zur Besinnung und sah ihn finster an. „Was wollen Sie, McBride?" „Wollen Sie das wirklich wissen, Lizzie?" Es fiel ihr schwer, kühl zu bleiben. „Schießen Sie los, Mc-Bride. Ich habe viel zu tun. Ständig klingelt das Telefon, und man kommt zu nichts." „Handelt es sich um Anrufe, von denen ich wissen müsste?" fragte er besorgt. Sie wusste, was er meinte, aber sie konnte ihn beruhigen. „Nein, nur das Übliche. Keine Drohungen. Was machen die Ermittlungen? Haben Sie was rausgekriegt?" Zeke ließ sich auf einen Stuhl fallen. „Bis jetzt nicht. Der Kerl ist clever, das muss ich zugeben. Aber nicht clever genug. Die Wölfe sind jetzt frei, und er konnte es nicht verhindern. Das wird er nicht auf sich sitzen lassen." „Sie meinen, er könnte sich an mir rächen wollen?" fragte sie überrascht. „Aber warum denn?" „Sie haben sie freigelassen. Also passen Sie gut auf sich auf. Wir wissen nicht, wozu er noch fähig ist." Elizabeth dankte ihm für die Warnung, aber sie hatte bereits Vorsichtsmaßnahmen ergriffen. Schließlich war es ihr zweites Projekt dieser Art. Als sie den Umschlag in seiner Hand erblickte, fragte sie: „Was ist das?" „Der Laborbericht. Der Kerl hat Zyanid benutzt. Aber das ist nicht ohne Unterschrift zu erhalten. Und in der Gegend ist in den letzten sechs Monaten nichts davon verkauft worden. Das habe ich bereits recherchiert."
„Das bedeutet also, dass es gestohlen worden sein könnte. Oder er hat es in einer anderen Stadt gekauft. Er könnte es auch schon vor längerer Zeit besorgt haben", folgerte sie nachdenklich. „Das werde ich überprüfen", versprach er. „Allerdings glaube ich das weniger. Wollen Sie die Kopie für Ihren Bericht behalten?" „Ja, danke." Sie lehnte sich über ihren Schreibtisch, um nach dem Umschlag zu greifen. Dabei berührten sich ihre Fingerspitzen. Obwohl diese Berührung nur den Bruchteil einer Sekunde gedauert hatte, waren beide wie elektrisiert. Sie konnten es an den Augen des anderen ablesen. „Das wird nicht weggehen, glaub mir." Hitze stieg Elizabeth ins Gesicht. „Ich weiß nicht, wovon Sie reden", antwortete sie kühl. „O doch, das weißt du genau", sagte er schlicht. „Erzähl mir nicht, dass du es nicht auch spürst. Diese Chemie zwischen uns. Geh mit mir aus." Mindestens ein Dutzend Mal hatte er sie bereits um eine Verabredung gebeten. Doch jedes Mal hatte er dieses freche Grinsen dabei gehabt. Heute jedoch sah er sie ernst an. Mit trockenem Mund schüttelte sie den Kopf. „Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee wäre." „Warum nicht? Weil du genauso von mir fasziniert bist wie ich von dir?" „Treiben Sie es nicht zu weit, McBride", zischte sie ihn an. Zeke ließ sich nicht entmutigen. „Eigentlich bin ich hier auf Urlaub. Ich wollte meinem Bruder helfen, die Ranch für das Frühjahr fit zu machen. Stattdessen versuche ich herauszubekommen, wer deine Wölfe bedroht und wie ich es schaffe, dich zu einem Date zu überreden. Immer wenn ich dich sehe, versuche ich es wieder. Wenn du willst, dass das aufhört, dann sag endlich Ja." „Hab ich das richtig verstanden? Ich soll mit Ihnen ausgehen, damit Sie mich nicht ständig um eine Verabredung bitten müssen? Ist es das?" „Das trifft es ziemlich genau", gab er zu. „Vielleicht stellen wir dann ja fest, dass wir uns gar nicht leiden mögen. Dann vergessen wir alles ganz schnell." Sie wusste nicht recht, ob das gut gehen würde. Schließlich war er der berüchtigte Zeke McBride. „Wieso hab ich das Gefühl, dass Sie mich verkohlen wollen?" „Ich? Ach komm, Lizzie, du solltest mich besser kennen. Es scheint mir einfach eine gute Lösung. Aber wenn du nicht willst, dann ist es auch okay." Er zuckte die Schultern. „Dann machen wir so weiter wie bisher." Eigentlich hätte er eine Abfuhr verdient, dachte Elizabeth. Aber dann kamen ihr die schlaflosen Nächte wieder in den Sinn. Tag und Nacht ging ihr Zeke nicht mehr aus dem Kopf. „Na gut", gab sie sich geschlagen. „Wie wäre es mit Donnerstagabend? Wir können zu ,Ed's Diner' gehen." Mit breitem Grinsen sagte er: „Und zieh dich sexy an." „Fürs Restaurant?" „Hey, das könnte unser erstes und einziges Rendezvous sein. Ich hole dich um sieben Uhr ab." In Gedanken ging Elizabeth bereits ihre Garderobe durch und überlegte, welches ihrer hochgeschlossenen Kleidungsstücke sie anziehen würde. „Sieben Uhr ist okay."
5.KAPITEL Der Frühling machte sich bereits bemerkbar, obwohl es bis dahin laut Kalender noch einige Wochen dauern würde. Doch die Temperaturen stiegen stetig, und der Schnee fing langsam an zu schmelzen. Wenn Elizabeth mit Peter und Tina durch die Berge und Täler streifte, um die Wölfe zu beobachten, nahm sie freudig die Veränderung der Natur wahr. Aber genau so schnell, wie der Schnee zu schmelzen begonnen hatte, brachte ein eiskalter Nordwind den Winter in voller Stärke wieder zurück. Elizabeth war dazu verdammt, in ihrem Büro auszuharren, denn die Straßen waren zum Teil nicht befahrbar. Als aber am Nachmittag die Sonne durchkam und der Wind nachließ, wagte sie mit Tina einen erneuten Ausflug, um nach den Tieren zu sehen. Als Erstes hielten sie beim Freigehege an. Erwartungsgemäß erblickten sie dort in der Nähe einige junge Wölfe. Elizabeth konnte es kaum erwarten, Napoleon und Queenie wieder zu sehen. Seit ihrer Befreiung vor einer Woche hatte sie sie nicht mehr zu Gesicht bekommen. Nur Merry McBride und Tina hat-" ten sie vor einiger Zeit vierzig Meilen entfernt gesichtet. Heute könnten sie aber Glück haben, die beiden Wölfe zu sehen, denn Peter hatte ihre Signale ganz in der Nähe empfangen können. Sie stiegen wieder in den Jeep und fuhren zum nächsten Aussichtspunkt. Allerdings konnten sie dort nicht parken, da der Schnee nicht geräumt worden war. Also machten sie sich zu Fuß auf den Weg. Elizabeth und Tina waren von der wunderschönen Schneelandschaft verzaubert. Der vereiste Fluss schlängelte sich strahlend blau durch die Berge und Täler. Kein Laut war zu hören. Nicht einmal eine Tierspur konnten sie entdecken. Alles schien ruhig und unberührt. ' „Irgendetwas bewegt sich da unten", sagte Elizabeth, als sie, durch ihr Fernglas sah. „Es sieht grau aus - sie sind es! Napoleon und Queenie. Sehen sie nicht fabelhaft aus?" Sie waren wirklich wunderschön. Selbstsicher schritten sie durch die Landschaft. Sie schienen keine Angst zu haben, da sie sich verspielt im Schnee wälzten und sich gegenseitig jagten. Tränen stiegen Elizabeth plötzlich in die Augen. Aus diesem Grund hatte sie für das Projekt gekämpft. Wenn die Leute die Wölfe doch nur so erleben könnten! Nachdem die Tiere wieder in den Wäldern verschwunden waren, machten sich die beiden Frauen auf den Heimweg. Erstaunt schüttelte Elizabeth den Kopf. „Vierzig Meilen haben sie in der kurzen Zeit zurückgelegt. Und das, obwohl Queenie schwanger ist." „Sie wird sicherlich starke Jungen gebären." Elizabeth war derselben Meinung. „In einigen Wochen ist es so weit. Wir müssen sie dann im Auge behalten, damit ihnen ja nichts zustößt." Normalerweise wäre sie noch länger geblieben, aber der Nachmittag war fast vorbei, und sie musste sich noch für ihre heutige Verabredung fertig machen. Bei dem Gedanken wurde sie gleich wieder nervös. Tina war die Veränderung nicht entgangen. „Du denkst an dein heißes Date, stimmt's?" „Das ist kein heißes Date." „Ich weiß, es ist nur ein Abendessen. Und Zeke McBride und du werdet feststellen, dass ihr nichts gemeinsam habt. Ich versteh das nicht. Hast du dir den Mann wirklich mal angesehen?" Natürlich hatte sie das. Das war ja das Problem. „Ich habe nie behauptet, dass ich ihn nicht attraktiv finde. Ich bin nur nicht an ihm interessiert." „Warum denn nicht? Jede Frau aus der Stadt, ob verheiratet oder nicht, würde ihm zu Füßen liegen. Doch er hat nur Augen für dich. Pass auf, du wirst den Abend genießen." Daran hatte Elizabeth keinen Zweifel. Zeke war der Typ Mann, der jeder Frau das Gefühl vermitteln konnte, wunderschön und etwas Besonderes zu sein. Das war ja das Gefährliche.
Sie war bisher immer nur mit Männern ausgegangen, die ernsthaft und schüchtern gewesen waren. Zeke jedoch war charmant und total von sich überzeugt. Hätte sie bloß nie zugesagt. Aber dann überlegte sie, dass sie schließlich in einem Restaurant essen würden und nichts weiter geschehen könnte. Natürlich würde er es nicht lassen können, mit ihr zu flirten, und er würde sie auch sicherlich zum Lachen bringen. Allerdings würde sie nicht vergessen, dass er genauso ein Frauenheld war wie ihr Vater. Das würde ihr helfen, den Kopf nicht zu verlieren. Nachdem sie sich mit dem Gedanken innerlich gestärkt hatte, fuhr sie nach der Arbeit schnell nach Hause, um sich umzuziehen. Doch dann stand sie unentschlossen vor dem Kleiderschrank. Sollte sie schwarze Jeans und einen roten Pulli tragen? Ganz sicher würde sie nichts anziehen, was sexy wäre, wie von Zeke ausdrücklich gewünscht. Schon wollte sie nach dem Pulli greifen, als sie ihr schwarzes Wollkleid entdeckte. Hastig zog sie es an. Sie trug es selten, aber als sie sich darin betrachtete, musste sie schmunzeln. Es zeigte ungefähr so viel Haut wie die Tracht einer Nonne. Es war perfekt. Kaum hatte sie die Pumps angezogen und eine Kette umgelegt, als es an der Haustür läutete. Sofort schlug ihr Herz bis zum Hals. Worauf hatte sie sich da bloß eingelassen? Mit zittrigen Händen kämmte sie schnell noch ihr Haar durch und legte ein wenig Lippenstift auf. Es konnte losgehen. In Gedanken hatte Zeke den Verlauf des Abends bis ins letzte Detail durchdacht. Doch als Elizabeth ihm die Tür öffnete, änderte sich plötzlich alles. Er hatte erwartet, sie in einer Robe zu sehen, die jeden Zentimeter ihres Körpers bedecken würde. Auf den ersten Blick wirkte ihr schwarzes Kleid auch so. Erst beim zweiten Hinsehen bemerkte er, wie verführerisch ihr Outfit war. Die weiche Wolle schmiegte sich sanft an ihren Körper und betonte sehr vorteilhaft ihre Brüste und die schmale Taille. Es fiel ihm schwer, sie nicht zu berühren. Er hätte es auch nie gewagt, denn sie war etwas Besonderes. Sie hatte etwas Vornehmes an sich, und sie schien sich ihrer verführerischen Wirkung überhaupt nicht bewusst zu sein. „Ich weiß, du sagtest, ich sollte etwas anziehen, was sexy wäre, aber du musst mit dem vorlieb nehmen." Vorlieb nehmen? dachte er benommen. Wusste sie wirklich nicht, wie umwerfend sie aussah? Doch ein Blick in ihr Gesicht genügte ihm, um zu erkennen, dass sie keine Ahnung hatte, was für eine Wirkung sie auf ihn ausübte. „Ich werde es schon überstehen", meinte er lachend. „Wenn du fertig bist, können wir losfahren. Ich habe reserviert." „Eine Reservierung für das ,Diner'?" fragte sie erstaunt. „Wenn man ein besonderes Dessert haben will, muss man das vorher bestellen", antwortete er. Anschließend half er ihr in den Mantel. Sie zog sich noch Schal und Handschuhe an. Trotz ihrer Vermummung verspürte er den starken Drang, sie zu küssen. Nachdem er ihr in den Wagen geholfen hatte, musste er sich selbst ins Gewissen reden, sich zusammenzureißen. Schließlich war es vielleicht ihr einziges Rendezvous, und er wollte es nicht vermasseln. Später konnte sich Zeke nicht mehr daran erinnern, worüber sie während der Fahrt in die Stadt gesprochen hatten, denn der süße Duft ihres Parfüms hatte ihm total die Sinne vernebelt. Vor dem Restaurant waren alle Parkplätze besetzt, denn donnerstags wurde im „Diner" ein beliebtes Chiligericht serviert. Deswegen herrschte dort an dem Tag immer großer Andrang. Ein einziger freier Stellplatz vor dem Antiquitätengeschäft nebenan war noch frei. Doch die Eigentümerin legte großen Wert darauf, dass nur Kunden dort parkten, egal ob das Geschäft geöffnet war oder nicht.
Als Zeke seinen Wagen dort abstellte, fragte ihn Elizabeth: „Du lebst wohl gerne gefährlich. Nach nur einer Woche Aufenthalt in dieser Stadt habe ich schon erfahren, was es mit diesem Parkplatz auf sich hat." Spitzbübisch lächelte er sie an. „Myrtle, die Besitzerin, hat eine Schwäche für mich. Alte Frauen lieben mich eben." Sie schüttelte den Kopf. „Du bist schamlos." „Bemerkst du das erst jetzt?" Er hielt ihr beim Aussteigen die Tür auf. Schon wollte sie in Richtung des Restaurants gehen, als er sie sanft am Arm berührte. „Diese Richtung, bitte", sagte er und führte sie ins Antiquitätengeschäft. Verwirrt sah sie ihn an. „Aber ich dachte, wir gehen ins ,Diner'. Außerdem ist der Laden geschlossen." Zeke zog einen Schlüssel aus seiner Tasche. „Das Restaurant ist so voll." „Was soll das werden?" fragte sie überrascht. „Wir wollen doch zusammen essen und Spaß haben. Das ist alles. Nichts, worüber du dir Sorgen machen musst. Versprochen." Elizabeth versuchte den Spott in seinen Augen zu erkennen, aber es war ihm tatsächlich ernst. Vertrau mir war die unausgesprochene Botschaft. Nichts wäre ihr lieber. Doch sie hatte Angst, verletzt zu werden. Es wäre besser, zum Wagen zurückzukehren, dachte sie. Aber als er die Ladentür öffnete, sagte sie stattdessen: „Ich vertraue auf dein Wort, McBride. Enttäusch mich nicht." „Nie im Leben, Lizzie", versicherte er ihr. Lächelnd hielt er ihr die Tür auf, und sie betrat das Geschäft. Sie hatte schon mehrere Male in dem Laden herumgestöbert. Es gab so viele schöne Dinge zu bewundern. Nicht nur die antiken Möbel, sondern auch der ganze Krimskrams gefielen Elizabeth. Sie könnte sich stundenlang in dem Laden aufhalten. Zeke schloss die Tür und zog Elizabeth an der Hand durch das Geschäft. Als seine warmen, kräftigen Finger sie berührten, nahm sie nichts mehr von ihrer Umgebung wahr. Eine wütende innere Stimme ermahnte sie, den Grund für diese Verabredung nicht zu vergessen. Sie wollte den Beweis dafür, dass sie mit Zeke nichts gemeinsam hatte. Doch alles, woran sie denken konnte, war, wie wunderbar sich seine Hand anfühlte. Sie folgte ihm weiter durch den Verkaufsraum, vorbei an einem alten Piano und den Holzstühlen, bis sie eine reich verzierte, chinesische Vitrine erreichten, die als Raumteiler diente. Benommen starrte sie die vielen brennenden Kerzen an, die den abgetrennten Raum in sanftes Licht tauchten. Sämtliche Möbel, bis auf einen kleinen runden Tisch mit zwei Stühlen, waren zur Seite gestellt worden. Nie zuvor hatte Elizabeth einen so elegant und romantisch gedeckten Tisch gesehen. Auf der antiken Spitzendecke lagen zwei edle Gedecke, und in einer wunderschönen Porzellanschale schwammen gelbe Rosenblätter. Das war nicht das öffentliche Abendessen, das sie sich vorgestellt hatte. Doch insgeheim hatte sie sich so ein Candlelight-dinner schon immer gewünscht. „Hatten wir nicht von einem öffentlichen Ort gesprochen?" fragte sie ihn irritiert. „Nun, das hier ist ein öffentlicher Ort, nur dass zur Zeit der Laden geschlossen ist", antwortete er triumphierend. „Von anderen Menschen war nie die Rede gewesen." Das hätte sie sich denken können, dass ein Weiberheld wie Zeke einen Weg finden würde, um den Abend alleine mit einer Frau zu verbringen. „Du hältst dich wohl für sehr clever, McBride." „Und gib es ruhig zu. Süß findest du mich auch", sagte er lachend.
Leider hatte er Recht, aber das würde sie niemals zugeben. „Wie hast du das alles bewerkstelligen können?" „Erwähnte ich schon, dass Myrtle eine gute Freundin meiner Mutter ist?" „Eigentlich sollte ich auf der Stelle gehen." „Aber du wirst es nicht tun", sagte er zuversichtlich. „Denn du wirst eine Menge Spaß haben." Darauf gab es viel zu erwidern, doch Zeke drehte sich um und legte eine Platte auf. Es war eins ihrer Lieblingsstücke. Woher wusste er davon? Erstaunt sah sie ihn an. „Zeke ..." Die Musik musste das Signal gewesen sein, denn in dem Moment öffnete sich die Verbindungstür zu Eds Restaurant nebenan, und ein Kellner trat mit einem Tablett herein. „Wollen wir essen?" fragte Zeke und rückte ihr den Stuhl zurecht. Wortlos setzte sie sich hin. Sie hatte das scharfe Chiligericht erwartet und war total überrascht, als sie stattdessen Cordon bleu mit Spargel und Salat serviert bekam. „Wusstest du, dass Ed eine romantische Ader hat?" fragte Zeke. Elizabeth frühstückte jeden Morgen bei Ed. Mit ihm konnte man über Gott und die Welt reden, aber für einen Romantiker hatte sie ihn wirklich nicht gehalten. „Gibt es sonst noch etwas, was ich wissen müsste?" „Das wirst du beim nächsten Date erfahren", versprach er ihr. „Wenn es jemals so weit kommen wird", antwortete sie trocken. „Ach, zu diesem Rendezvous habe ich dich doch auch überreden können. Gefällt es dir hier nicht?" fragte er mit einer ausladenden Handbewegung. Was für eine Frage? Natürlich gefiel es ihr. Das war ja das Problem. Nicht nur das köstliche Essen, das Ambiente und die Musik verzauberten sie. Was sie am meisten faszinierte, war eindeutig er. Diese Erkenntnis machte ihr Angst. Sie wollte seinem Charme nicht erliegen. Wie sollte sie nur diesen Abend überstehen? Doch während des Dinners stellte er seine Neckereien ein. Tatsächlich unterhielten sie sich über viele Themen, von Politik bis zu ihren Lieblingsfilmen. Elizabeth ertappte sich dabei, dass sie ihm sogar von ihrer Kindheit, ihrer Familie und ihren Träumen erzählte. Selbst, dass sie mit ihrem Vater angeln gewesen war, verriet sie ihm. „Du musst ein Papakind gewesen sein", stellte er belustigt fest. Ihr Lächeln verblasste. „Das war ich wohl. Früher einmal." Auch wenn er nicht nachhakte, konnte sie seinen fragenden Blick erkennen, deshalb fuhr sie fort: „Als ich klein war, habe ich meinen Vater vergöttert. Bei ihm. fühlte ich mich als etwas Besonderes. Bis ich erkannte, dass für ihn alle Frauen etwas Besonderes waren." Obwohl sie alles völlig emotionslos erzählte, als wenn sie diese Erkenntnis schon seit langem akzeptiert hatte, bemerkte Zeke dennoch ihren Schmerz. Plötzlich wurde ihm auch bewusst, weshalb sie ihn so lange abgewiesen hatte. Sie musste ihn mit ihrem Vater verglichen haben. Er hatte ihr auch reichlich Grund dafür gegeben. Schließlich hatte er ständig mit ihr geflirtet. Das hieß aber nicht, dass er jedem Rock hinterherlief. Ihm gefielen die Frauen, das gab er gerne zu, denn er war ein normaler, ungebundener Mann, aber er ging grundsätzlich nur mit einer Frau zur Zeit aus. Im Gegensatz zu Elizabeths Eltern waren seine fünfundzwanzig Jahre lang glücklich verheiratet gewesen, bis sein Vater mit fünfzig Jahren an einem Herzinfarkt gestorben war. Zeke hatte mit Elizabeths Vater nichts gemeinsam. Eher mit seinem eigenen Vater. Auch er wollte eines Tages glücklich verheiratet sein. Doch das konnte Elizabeth nicht wissen. Dazu müsste sie ihn erst besser kennen lernen. Der Kellner betrat wieder den Raum, räumte die Teller ab und fragte, ob sie das Dessert schon wünschten.
„Wir warten noch", teilte Zeke ihm mit, erhob sich und legte eine Frank-Sinatra-Platte auf. Er drehte sich zu Elizabeth um und hielt ihr die Hand hin. „Darf ich um diesen Tanz bitten?"
6. KAPITEL Zögernd starrte sie seine kräftige Hand an. Eigentlich sollte sie ablehnen, denn die Musik war zu romantisch, der ganze Rahmen zu intim und ihre Gefühle zu durcheinander. Stattdessen sollte sie sich lieber für das schöne Essen bedanken und ihn bitten, sie nach Hause zu fahren. Auch wenn er ihr immer besser gefiel, durfte sie nicht vergessen, um was für einen Typ Mann es sich handelte. Doch sie wusste auch, dass es ihre letzte Verabredung sein würde. Und ihre letzte Gelegenheit, seine Arme um sich zu spüren. Sollte sie da widerstehen? Nie im Leben würde sie diesen Abend vergessen. Zeke zog sie sanft an sich. Auf engstem Raum, zwischen staubigen Antiquitäten, tanzten sie zusammen. Die Musik, die Kerzen und seine Umarmung versetzten sie in eine Welt voller Magie. Als die Musik endete, wollte sie sich enttäuscht von ihm lösen, aber er hielt sie weiterhin fest. Überrascht sah sie ihn an, doch der intensive Blick seiner blauen Augen raubte ihr den Atem, und ihr Herz klopfte zum Zerspringen. Später konnte sie sich nicht mehr erinnern, wie lange sie in dieser Stellung verharrt hatten. Als sein Mund sich ihrem näherte, versuchte sie ihn davon abzuhalten. „Ich ... ich glaube, ich sollte jetzt los." „Gleich", versprach er mit rauer Stimme. „Ich habe dich noch nicht geküsst." „Zeke..." Weiter kam sie nicht, denn sein Mund berührte sanft ihre Lippen. Ein köstlicher Schauder ging durch ihren Körper. Benommen starrte sie ihn an. Diesen wunderschönen grünen Augen konnte er nicht widerstehen. Er sollte jetzt vernünftig sein und sie loslassen, sagte seine innere Stimme, aber er war dazu nicht fähig, denn die Versuchung war zu groß. Erneut erforschte er zärtlich ihren Mund. Es geschieht mir ganz recht, wenn sie mir jetzt eine Ohrfeige gibt, dachte er. Er könnte es ihr nicht einmal übel nehmen. Elizabeth hingegen war völlig durcheinander. Ihr war schwindelig, und ihr Herz klopfte wie verrückt. Immer noch hielten sie sich eng umschlungen. Sie sollte jetzt sofort gehen. Auf keinen Fall wollte sie eine weitere Trophäe von Zeke McBride sein. War sie denn nicht klüger als die anderen Frauen? Zu spät wurde ihr bewusst, dass dieser Abend nie hätte stattfinden dürfen. Schon gar nicht hätte er sie küssen dürfen. Wie sollte sie diesen Kuss jemals wieder vergessen? Mit wild schlagendem Herzen drückte sie sich energisch von ihm ab. „Ich muss jetzt los. Jetzt sofort!" „Lizzie, warte! Lass uns darüber reden ..." „Nein! Es gibt nichts zu bereden." Sie hatten ohnehin zu viel geredet. Nun wusste sie, wie gefährlich ein Ladykiller sein konnte. Sie ärgerte sich maßlos über sich selbst, dass sie ihre Beherrschung verloren hatte. Verzweifelt suchte sie in dem Dämmerlicht nach Mantel und Handtasche. Sie konnte sich nicht mehr erinnern, wo sie sie abgelegt hatte. Bestürzt stellte sie fest, dass sie dem Weinen nahe war. Aber, verdammt noch mal, das würde sie nicht zulassen! Sie hörte Zeke leise hinter sich fluchen, und spürte dann seine Finger auf ihrer Schulter. „Liebling ..." Was auch immer er sagen wollte, wurde von der Türglocke unterbrochen. Überrascht starrten beide Nick an, der soeben eingetreten war. Die Spannung zwischen Zeke und Elizabeth entging auch Nick nicht. Wäre er nur fünf Minuten eher gekommen, hätte er sie eng umschlungen beim Küssen vorgefunden. Doch Nick schritt auf sie zu, als wäre nichts gewesen. Er kam sofort zur Sache. „Tut mir Leid, dass ich störe, aber ich sah deinen Truck draußen, Zeke, und Ed sagte mir, dass du hier wärst." „Was ist los?" fragte er alarmiert.
„Tina Ellison versucht die ganze Zeit, Elizabeth auf ihrem Mobiltelefon zu erreichen." Elizabeth wurde blass. „Ich habe es zu Hause gelassen. Was ist denn los? Gab es wieder Drohungen wegen der Wölfe?" Nick zögerte. „Wir wissen es noch nicht genau, aber du musst in dein Büro zurück. Dein Lieblingswolf, dieses Alphatier ..." „Nummer acht? Napoleon?" Als er nickte, schlug sie ihre zitternden Finger an den Mund. „O Gott, irgendetwas ist mit ihm passiert, stimmt's? Was? Nick, sag es mir!" „Sein Peilsender lässt befürchten, dass er tot ist. Tina konnte dich nicht erreichen, daher wandte sie sich an mich." Elizabeth hatte das Gefühl, als hätte man ihr einen Schlag versetzt. Nein! Nicht Napoleon! Er war so groß, so stark, so autark. Erst am Nachmittag hatte sie ihn beobachtet, als er zufrieden durch sein Revier lief. Er liebte die Freiheit und sein neues Reich. Er konnte unmöglich tot sein. „Nein", sagte sie. Der Gedanke war nicht zu ertragen. „Er ist nicht tot. Unmöglich." Verwirrt suchte sie nach ihrer Handtasche. „Verdammt, wo sind mein Mantel und meine Tasche? Ich muss ins Büro." „Hier." Zeke reichte ihr die Sachen. „Ich blase nur schnell die Kerzen aus und schließe ab. Dann können wir gehen." „Du musst nicht..." Doch weiter kam sie nicht. Es war klar, dass er sie jetzt nicht im Stich lassen würde. Nicht nur aus beruflichen Gründen. Nicht nach diesem Kuss. „Ich komme mit." Schnell pusteten sie die Kerzen aus und fuhren los. Nick folgte ihnen. Als sie in das Büro eintraten, begrüßten sie Peter und Tina. Ihren Gesichtsausdrücken nach zu urteilen, war die Lage sehr ernst. „Gott sei Dank!" sprudelte es aus Tina heraus, als sie Elizabeth umarmte. „Wir sind völlig aufgelöst. Napoleon ..." „Ich weiß. Nick hat es mir erzählt." Sie versuchte sachlich zu bleiben. „Gibt es Neuigkeiten?" „Seit über zwanzig Minuten stimmt etwas mit den Signalen nicht mehr", sagte Peter. „Vielleicht ist das Halsband defekt", meinte Tina hoffnungsvoll. „Das soll gelegentlich vorkommen." „Das kommt in den seltensten Fällen vor", erwiderte ihr Mann. „Wir brauchen uns nichts vorzumachen. Der Wolf muss tot sein." „Und was ist mit Queenie?" fragte Elizabeth mit verzweifelter Stimme. „Sie muss in der Nähe von Napoleon sein, denn ihr Sender zeigt wenig Bewegung an. Entweder ist sie verletzt, oder sie bekommt ihre Jungen." Schweigend folgte Nick der Unterhaltung. „Es könnte aber auch sein, dass Napoleon sich aus dem Halsband befreit hat." „Möglich wäre es", meinte auch Zeke. „Ich wünschte, ich könnte das glauben. Doch diese Halsbänder passen exakt", erklärte Elizabeth. Sie blickte wieder auf den Monitor und fragte Peter: „Wo hast du das letzte Signal empfangen?" „In der Nähe des Freigeheges", antwortete er. „Es könnte derselbe Täter sein, der das vergiftete Fleisch dort hinterlassen hat. Vielleicht wollte er so sein Werk vollenden. Queenie könnte auch in Gefahr sein", gab Zeke zu bedenken. „Den Teufel wird er tun!" Elizabeths Beschützerinstinkte wurden plötzlich geweckt. „Heute Nacht können wir nichts mehr unternehmen, aber morgen früh sollten wir uns auf die Suche nach Napoleon begeben. Tina, ruf die ,Fish and Wildlife'-Organisation an und frag, ob sie uns mit einigen Leuten aushelfen können." Dann drehte sie sich zu Nick um. „Nick, könnten einige deiner Männer bei der Suche mithelfen?"
Er nickte. „Wir werden hier sein." „Und ich bringe unsere Rancharbeiter mit", fügte Zeke hinzu. „Außerdem rufe ich Merry an. Vielleicht brauchen wir einen Tierarzt." Zu guter Letzt musste Elizabeth noch ihre Vorgesetzte benachrichtigen. Es fiel ihr sehr schwer. Vor nicht einmal einer Woche hatten sie sich beide über das erfolgreiche Projekt unterhalten. Sie waren so stolz auf Napoleon gewesen. Langsam wählte sie die Nummer. „Irene? Hier ist Elizabeth. Tut mir Leid, dass ich störe, aber ich habe schlechte Nachrichten." Nachdem alle Vorkehrungen für den morgigen Tag getroffen waren, verließ Nick die Gruppe. Peter und Tina wollten die Nacht im Büro verbringen, für den Fall, dass sich Neuigkeiten ergeben sollten. Eigentlich glaubte keiner mehr daran, doch niemand wollte die Hoffnung aufgeben. „Ruft mich bitte sofort an, falls irgendetwas ist", bat Elizabeth ihre Assistenten, bevor sie schweren Herzens den Raum verließ. Sie wusste, dass sie zu Hause keinen Schlaf finden würde. Aber ihr stand ein langer, harter Tag bevor. Deshalb musste sie sich zum Ausruhen zwingen. Zeke wartete bereits im Flur auf sie. „Können wir los?" Der Gedanke, dass er sie nach Hause begleiten würde, ließ ihr Herz höher schlagen. „Du brauchst mich nicht zu fahren. Schließlich wohne ich in entgegengesetzter Richtung. Ich kann mir Tinas Auto ausleihen ..." „Wir hatten eine Verabredung", unterbrach er sie zärtlich. „Ich habe dich abgeholt, und ich werde dich auch wieder zurückbringen. Zieh deinen Mantel an." Ganz der Gentleman, hielt er ihr den Mantel hin, um ihr hineinzuhelfen. Dabei streifte er mit den Fingern ihren Nacken. Elizabeth wusste, dass es eine zufällige Berührung gewesen war, aber dennoch war ihr Körper wie elektrisiert. Reiß dich zusammen. Du bist zur Zeit zu verwundbar, zu anfällig. Mit steifem Rücken trat sie einen Schritt zurück. Es fiel ihr sehr schwer, denn am liebsten hätte sie sich in seine Arme geworfen. „Wir sollten losfahren", sagte sie mit belegter Stimme und ging zur Tür. Draußen war es kalt und windstill. Sterne funkelten am Himmel. Die Nacht war für Liebende wie geschaffen, um es sich vor dem brennenden Kamin gemütlich zu machen. In ihrer Fantasie spürte sie tastende Hände und heiße Küsse auf ihrem Körper. Ein Mann wie Zeke wusste, wie man eine Frau beglücken konnte ... Plötzlich wurde sie sich ihrer Gedanken bewusst. Sie war froh über die Dunkelheit, so dass er ihre glühenden Wangen nicht sehen konnte. Trotzdem bemerkte Zeke ihre Veränderung. „Alles okay?" Nein! Nie wieder wird alles okay sein, hätte sie am liebsten geschrien. Nie hätte sie es so weit kommen lassen dürfen. Nicht mit ihm. Nicht mit einem Mann wie ihr Vater. „Ich bin nur müde", wich sie seiner Frage aus. „Es war ein langer Tag." Zeke spürte, dass etwas sie bedrückte, aber es war jetzt nicht der Zeitpunkt, um darüber zu reden. Elizabeth machte zur Zeit eine Menge durch. Sie schien die Tatsache akzeptiert zu haben, dass Napoleon tot war, doch Zeke wusste es besser. Ihr Kopf hatte die Argumente verstanden, aber ihr Herz sagte ihr etwas anderes. Sie liebte diesen Wolf und hoffte noch auf ein Wunder. Als Leiterin dieses Projektes sollte sie eigentlich emotional nicht so betroffen sein. Es war eigentlich unprofessionell. Aber genau das gefiel Zeke so gut an ihr, dass sie ein gefühlvoller Mensch war. Doch das machte sie auch verwundbar, und für ihn war es umso schwerer, sie zu beschützen. Er konnte ihr höchstens zur Seite stehen. Und das würde er auch, schwor er sich. Morgen würde er sie nicht eine Sekunde aus den Augen lassen.
Ganz bewusst hatte sich Elizabeth damals ein einsam gelegenes Haus gemietet. Sie war kein unsozialer Mensch, aber bei ihrem letzten Projekt hatte sie schlechte Erfahrungen mit der Nachbarschaft gemacht. Doch erst in diesem Augenblick bemerkte sie, wie abgelegen ihr kleines Häuschen stand. Es gab weder Gebäude noch Lichter in der näheren Umgebung. Bis jetzt war ihr das recht gewesen, aber nun war sie nicht mehr sicher. Zeke schien denselben Gedanken zu haben. Stirnrunzelnd betrachtete er die mickrige Eingangsbeleuchtung ihres Hauses. „Hier wäre ein Strahler besser am Platz", sagte er, als er vor der Treppe hielt. „Es ist verdammt dunkel." „Der Vermieter hat mir versprochen, einen anzubringen. Allerdings schon vor einem Monat." „Ralph Murphy ist der größte Geizkragen, den ich kenne. Der dreht jeden Cent zwei Mal um. Ruf einfach morgen den Elektriker an und lass dir einen Strahler anbauen. Die Rechnung soll gleich an Murphy gehen", ordnete Zeke an. „Damit er mich auf die Straße setzt? Das werde ich wohl kaum tun." „Da brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Das Haus stand drei Jahre leer, bevor du es gemietet hast. Kaum jemand will hier in den Wäldern wohnen, so wie du. Ralph ist zwar geizig, aber nicht blöd." Das überzeugte sie. „Die ganze Zeit stolpere ich durch die Dunkelheit", sagte sie. „Gleich morgen früh rufe ich an ..." Doch plötzlich fiel ihr Napoleon wieder ein. „Ich ruf an, sobald ich dazu komme. Aber danke für den Rat." „Die Suche wird sehr früh beginnen", sagte Zeke. „Du solltest jetzt schlafen gehen." Er stieg aus dem Track und öffnete ihr die Tür. Jetzt würde er sie zum Haus bringen und sie zum Abschied küssen, dachte Elizabeth aufgeregt. Hoffentlich könnte sie ihm widerstehen. Aber sie hätte sich keine Sorgen machen müssen. Wortlos nahm er ihr den Hausschlüssel ab und schloss die Tür auf. Er schaltete das Licht an. Ohne sie zu fragen, durchsuchte er das ganze Haus und überprüfte die Fenster. „Hey, was machst du da?" „Keine Sorge", antwortete er lachend. „Ich werde hier nicht übernachten. Aber ich wollte nachschauen, ob du hier sicher bist." „Zeke, du brauchst dir keine Sorgen zu machen", versicherte sie ihm. „Das Telefon steht neben meinem Bett, ebenso das Gewehr. Und ich werde wenn nötig von beidem Gebrauch machen." Überrascht sah er sie an. „Du weißt, wie man mit einem Gewehr umgeht?" „Mein Vater hat es mir beigebracht, als ich in meine erste Wohnung gezogen bin. Mir kann also nichts passieren", beruhigte sie ihn. Sein sorgenvoller Blick sagte ihr jedoch, dass er nicht überzeugt war. „Wenn du Angst haben solltest, dann ruf mich an. Ich bin bei Joe. In zwanzig Minuten kann ich bei dir sein." Er schrieb ihr Joes Telefonnummer auf. „Und im Notfall ruf Nick an. Der ist schneller hier. Aber ich kann auch auf der Couch übernachten, falls du das willst." Wenn er bleiben würde, dann bestimmt nicht auf der Couch, sondern in ihrem Bett. Das wussten sie beide. „Die Wölfe sind in Gefahr, nicht ich", sagte sie. „Entspann dich. Mir geht es gut." „Ruf mich an, wenn du Angst hast." „Beim leisesten Geräusch", versicherte sie ihm. „Ich wusste gar nicht, dass du ein Mensch bist, der sich ständig Sorgen macht." „Ich mag nur nicht den Gedanken, dass du hier alleine bist, während draußen ein Irrer frei herumläuft", antwortete er.
Bevor er ging, küsste er sie zart auf die Wange. Selbst nachdem sein Wagen nicht mehr zu sehen war, hielt Elizabeth seinen Kuss mit ihrer Hand gefangen und schaute verträumt aus dem Fenster.
7. KAPITEL Wie bereits befürchtet, fand Elizabeth in der Nacht keinen Schlaf. Ständig kreisten ihre Gedanken um Napoleon oder um das Abendessen mit Zeke. Als der Wecker um fünf Uhr dreißig klingelte, fühlte sie sich wie gerädert. Selbst die heiße Dusche und ein extra starker Kaffee konnten ihr die Benommenheit nicht nehmen. Nachdem sie ihre Sachen zusammengesucht hatte, verließ sie das Haus. Doch draußen blieb sie vor Schreck abrupt stehen. Nebel. Feuchter Nebel hatte sich während der Nachtstunden wie ein schwerer Vorhang auf das Tal gelegt. Selbst ihren Jeep, der nur einige Meter entfernt parkte, konnte sie kaum erkennen. Wie sollten sie jemals bei diesem dichten Nebel Napoleon wiederfinden? Außerdem war das Gelände mit vielen Schluchten und Klippen durchzogen, die im Nebel leicht übersehen werden könnten. Eine Suche wäre also sehr gefährlich. Vielleicht war es das Beste, alles abzublasen. Aber solange die kleinste Hoffnung bestand, Napoleon lebend zu finden, würde die Suche bei Sonnenaufgang beginnen, das wusste sie. Der Weg ins Büro war an diesem Morgen sehr beschwerlich. Normalerweise benötigte sie höchstens fünfzehn Minuten für die Strecke. Doch heute brauchte sie eine halbe Stunde, so schlecht war die Sicht. Elizabeth war total erleichtert, als sie endlich unbeschadet Liberty Hill erreichte. Aber selbst in der Stadt konnte sie die vertrauten Gebäude kaum ausmachen. Schließlich fand sie sich vor ihrem Büro wieder. Überrascht stellte sie fest, dass der Parkplatz besetzt war. Sie hatte mit Peter, Tina, Zeke und Nick mit seinen Helfern gerechnet. Doch stattdessen starrte sie auf die komplette McBride-Familie außer Zekes Mutter. Außerdem entdeckte sie viele Einwohner von Liberty Hill, die vor kurzem noch ihre Gegner auf der Versammlung gewesen waren. Selbst die reichen und mächtigen Rancher waren vertreten. Sie hatte die Bewohner dieser Stadt unterschätzt. Bisher hatte sich Elizabeth für eine gute Menschenkennerin gehalten. Sie hätte schwören können, dass viele Einwohner von Liberty Hill sie und ihre Wölfe am liebsten losgeworden wären. Nun waren sie trotz des schrecklichen Wetters hier, um sie zu unterstützen. Gerührt begrüßte sie die freiwilligen Helfer: „Ich kann nicht glauben, dass Sie alle hier sind." Martha Hoffsteader, die resolute Frau eines Ranchers und Mutter von sechs Söhnen, sagte: „Wir sind nicht gerade glücklich darüber, Wölfe in der Nähe zu haben, aber das heißt nicht, dass wir tatenlos zusehen, wenn jemand aus Spaß ein Tier tötet und ungeschoren davonkommt. Das werden wir nicht dulden." Die anderen stimmten ihr zu: „Das ist richtig. Deshalb helfen wir Ihnen." „Jeden Zentimeter von Eagle Ridge werden wir absuchen, um den Wolf zu finden. Wir sind startbereit." Elizabeth war den Tränen nahe. Zeke schien es auch zu bemerken, denn er trat neben sie und übernahm die Führung. „Okay, wir werden mit der Suche bei Eagle Ridge beginnen. Außerdem sollten wir Fahrgemeinschaften bilden. Wer von euch einen Geländewagen fährt, hebt die Hand." Dankbar wischte sich Elizabeth verstohlen eine Träne ab, als Zekes Schwestern auf sie zutraten. „Ich habe nicht mit einer solchen Unterstützung gerechnet", sagte Elizabeth. „Die Menschen hier sind vielleicht nicht immer mit den Regierungsplänen einverstanden, aber sie mögen keine Gemeinheiten", erklärte Janey.
„Das stimmt", fügte Merry hinzu. „Als sie das über Napoleon hörten, standen die Telefone nicht mehr still. Warts ab, wenn der Nebel sich lichtet, wird halb Liberty Hill auf den Beinen sein." So viele Menschen werden wir auch benötigen, dachte Elizabeth. Denn das Gelände war wirklich riesig. Bevor sich die Menge in Bewegung setzte, bedankte sich Elizabeth bei allen Helfern für ihr Kommen und bat sie um Vorsicht bei der Suche. Zeke drehte sich zu ihr um und betrachtete sie. Sie sieht müde aus, stellte er fest. Bestimmt hat sie vor lauter Sorgen um Napoleon nicht schlafen können. Allerdings hatte er auch die ganze Nacht wach im Bett gelegen und an sie gedacht. Verdammt, er wollte ihretwegen nicht den Kopf verlieren. Aber' was sollte er tun? Ihr fernbleiben? Es ist nur die Chemie, die zwischen uns stimmt, redete er sich ein. Denn was sollte es sonst sein? Die andere Möglichkeit jagte ihm Angst ein. Brummend sagte er zu ihr: „Komm, du fährst bei mir mit." Die meisten Einheimischen kannten die Gegend wie ihre Westentasche. Doch das galt nicht für Elizabeth. Deshalb hatte Zeke vor, sie nicht aus den Augen zu lassen. Das erwies sich jedoch schwerer als erwartet. Eben noch stand sie neben ihm, und im nächsten Augenblick war sie in den Nebelschwaden verschwunden. „Verdammt!" fluchte er. Wo war sie bloß? „Lizzie? Wo bist du?" „Hier." Ihre Stimme hörte sich sehr nah an, aber durch den Nebel klangen alle Geräusche gedämpft. Es war deshalb schwierig, die Entfernung einzuschätzen. Er hätte schwören können, dass sie nach links abgebogen war, doch ihre leise Stimme kam von der rechten Seite. Doch dort befand sich eine sehr steile Klippe, auf die sie sich gerade zubewegte! „Bleib stehen!" schrie er heiser und rannte los. „Du gehst auf einen Abhang zu!" Vom Nebel eingehüllt, meinte Elizabeth, Zekes Stimme gehört zu haben, aber sie hatte nichts verstanden. Sie fühlte sich wie abgeschnitten vom Rest der Welt. Frierend schlang sie die Arme um ihren Körper. Niemals zuvor war sie sich so einsam vorgekommen. „Werd jetzt nicht hysterisch", beruhigte sie ihre Nerven. „Es sind mindestens dreißig Menschen in der Nähe. Du musst nur laut schreien, um gehört zu werden." Da glaubte sie auch schon eine Stimme zu vernehmen. Konzentriert suchte sie weiter im Schnee nach Spuren. Doch plötzlich hatte sie das komische Gefühl, beobachtet zu werden. Irritiert drehte sie sich um, konnte aber niemanden entdecken. Als sie dann auch noch Fußspuren direkt neben ihren eigenen entdeckte, bekam sie aus unerklärlichen Gründen mit einem Mal Angst. „Beruhige dich", flüsterte sie. „Die Spur muss von einem freiwilligen Helfer sein." Mit rauer Stimme rief sie trotzdem: „Hallo? Wer ist da?" Keine Antwort. Doch sie hatte plötzlich das Gefühl, beobachtet zu werden. Und dann fiel ihr die Drohung des Mannes ein, der auch das Fleisch vergiftet hatte. Du hältst dich wohl für sehr klug, du Miststück. Denkst, keiner kann dir und deinen Wölfen etwas antun. Ich könnte in deiner Nähe sein, und du würdest es nicht mal merken, bis es zu spät wäre. Du wirst dir wünschen, niemals geboren worden zu sein. Bis zu diesem Augenblick hatte sie die Drohungen nicht ernst genommen. Die Wölfe waren doch gemeint, nicht sie. Hatte sie sich getäuscht? Der Mann könnte unter den Helfern sein. Die Wetterbedingungen kamen ihm zugute. Auch wusste niemand, wie er aussah und wer er war. Es wäre ein Leichtes, sie eine Klippe hinunterzustürzen. Jeder würde es für einen Unglücksfall halten. Und im Nebel könnte er unerkannt entkommen.
Plötzlich meinte sie, ein Geräusch gehört zu haben. O Gott, er war da! Von Panik ergriffen, wollte sie schon loslaufen, als sie gegen eine männliche Brust stieß. Vor Schreck schrie sie laut auf. Verzweifelt schlug sie mit den Fäusten wild um sich. Doch ihr Gegner war stärker. Er griff nach ihren Armgelenken und hielt sie auf Abstand. Trotzdem kämpfte sie schluchzend weiter. „Verdammt, Lizzie! Hör auf! Ich bin's." Es dauerte einige Sekunden, bevor sie realisierte, wer vor ihr stand. Erleichtert sackte sie fast zusammen. „Zeke! Gott sei Dank!" Erst da lockerte er seinen Griff. Sofort bemerkte er den ängstlichen Ausdruck in ihrem Gesicht. „Liebling, was hat dich so erschreckt?" Tränen rollten ihr die Wangen herunter, als sie sich ihm schluchzend in die Arme warf. „Er war da ... im Nebel... und hat mich beobachtet." Selbst in ihren Ohren klang das merkwürdig. Aber, verdammt, sie traute ihrem Gefühl! Verzweifelt fügte sie hinzu: „Er war wirklich da. Ich konnte ihn fühlen, seinen Hass fühlen. Ich weiß, das klingt verrückt, aber..." „Nein, tut es nicht." Er glaubte ihr. Zeke hatte selbst ein komisches Gefühl gehabt, als er sie im Nebel verloren hatte. „Du denkst, es könnte der Bastard sein, der das Fleisch vergiftet und dich am Telefon bedroht hat. Wahrscheinlich hat er sich als Helfer ausgegeben und wartet jetzt auf seine Chance, dich zu töten." „Nun, er geht davon aus, dass er im Recht ist", versuchte sie sein Verhalten zu verstehen. „Er ist sozusagen der Retter der Stadt, der die Bürger von den Wölfen und mir befreit." „Von jetzt an bleibst du an meiner Seite", befahl er ihr. „Ich hatte vorhin schon Angst, dass du den Abhang hinunterstürzt." „Zeke, ich weiß ganz genau, wo die Klippe sich befindet. Und ich bin in die entgegengesetzte Richtung gegangen." Das glaubt sie tatsächlich, stellte Zeke erschreckt fest. „Liebling", sagte er mit rauer Stimme. „Hätte ich deinen Weg dreißig Sekunden später gekreuzt, hätte ich dich da unten liegend vorgefunden." „Aber ich dachte ..." „Nein, pass auf." Vorsichtig nahm er sie an die Hand und ging einige Schritte auf die Klippe zu. Ein gelöster Stein fiel meterweit in die Tiefe. Elizabeth wurde blass. „Das war ganz schön knapp", sagte er. Bevor sie zurückgingen, schwor er sich, dass der Kerl, der Elizabeth so geängstigt hatte, dafür zahlen sollte. „Komm, lass uns weitersuchen." Am Nachmittag löste sich der Nebel langsam auf. Elizabeth ertappte sich dabei, dass sie die Helfer nun misstrauisch betrachtete. Doch niemand kam ihr verdächtig vor. Gerade als sie dachte, dass sie Napoleon mit Hilfe der dreißig Helfer und des Empfangsgerätes bald finden müssten, erstarb plötzlich das Signal auf dem Monitor. „Nein!" schrie sie. „Er kann nicht tot sein!" „Vielleicht ist die Batterie leer", schlug Nick vor. „Das glaube ich nicht", sagte Peter. „Und was ist mit Queenie?" fragte Zeke. „Ist sie noch in der Nähe?" Peter empfing sofort ihr Signal. „Ihr geht es gut, aber sie ist mittlerweile weiter westlich gelaufen. Wahrscheinlich haben die vielen Menschen sie verscheucht." Die anderen Sucher bemerkten, dass irgendetwas nicht stimmte, und traten auf sie zu. „Weiter westlich?" hörten sie die scharfe Stimme einer Frau fragen. „Dann ist sie im Wild Horse Canyon. Die Gegend ist dort ziemlich ruppig. Und da es bald dunkel wird, wäre die Suche für heute zu gefährlich." Die anderen stimmten ihr zu. „Aber morgen früh können wir die Suchaktion fortsetzen", schlug sie vor.
Lächelnd umarmte Elizabeth die Frau. „Ich danke Ihnen, Mrs. Hoffsteader, aber ich weiß noch nicht, was morgen sein wird. Ich muss mich erst mit meinen Assistenten beraten. Trotzdem weiß ich Ihr Angebot zu schätzen und auch Ihre Hilfe." Elizabeth trat in die Menge und schüttelte jedem Einzelnen die Hand. Doch jedes Mal, wenn sie die Hand eines Mannes hielt, fragte sie sich, ob er derjenige war, der sie bedroht hatte. Zeke dachte offensichtlich dasselbe, denn auch er beobachtete die Männer misstrauisch. Er kannte jeden von ihnen seit Jahren, und er hielt sie auch für ehrliche Bürger. Dennoch musste der Täter unter ihnen sein. Zurück in der Stadt, erwarteten sie haufenweise Reporter. Fluchend fragte sich Zeke, wer dafür verantwortlich war. Elizabeth hatte heute schon genug durchgestanden. Er wollte ihr das ersparen. Doch sie stellte sich mutig der Meute, die sie sogleich mit vielen Fragen bombardierte. „Bitte immer nur eine Frage zur selben Zeit", bat Elizabeth mit geduldiger Stimme. „Was ist mit dem Wolf, der von Ihnen Napoleon genannt wird? Ist er tot oder lebt er noch?" Die Frage traf sie mitten ins Herz. Den Tränen nahe, zwang sich Elizabeth trotzdem, alle Fragen zu beantworten. „Das ist alles, was es zurzeit zu sagen gibt", beendete sie zwanzig Minuten später erschöpft das Interview und bahnte sich einen Weg zu ihrem Jeep. Schnell stieg sie ein und fuhr davon. Zeke überlegte kurz, ob er ihr hinterherfahren sollte. Aber ein Abendessen und ein paar Küsse gaben ihm noch nicht das Recht, ihr nach Hause zu folgen.
8. KAPITEL Als sie das Paket vor ihrer Haustür liegen sah, wusste sie sofort, dass es nichts Gutes verhieß. Wenn ihr jemand etwas schenken wollte, so hätte derjenige es ihr persönlich überreicht. Ihr siebter Sinn sagte ihr, das mit dem Päckchen etwas nicht in Ordnung war. Verdammt, dass hatte ihr heute gerade noch gefehlt! Nach so einem schrecklich Tag sehnte sie sich nur noch nach einem heißen Bad und einer warmen Suppe. Lass es einfach liegen, flüsterte ihr eine innere Stimme zu. Aber sie wusste, dass sie sich nicht entspannen könnte, solange es da draußen lag. Sie zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass ihr der Inhalt ganz und gar nicht gefallen würde. Mit Herzklopfen und zittrigen Fingern entfernte sie das umwickelte Packpapier. Eine kleine Schachtel kam zum Vorschein. Vorsichtig hob sie den Deckel an ... und starrte auf ein blutverschmiertes Halsband. „O nein!" Als wenn sie sich verbrannt hätte, warf sie die Schachtel auf den Boden. Schluchzend erblickte sie dabei Napoleons Identifikationsnummer, die noch an dem Halsband hing. Es war die Nummer acht. Jetzt gab es für sie keinen Zweifel mehr, dass Napoleon tot war. Benommen wollte sie schon die Schachtel wieder anheben, als ihr einfiel, dass es sich um ein kriminelles Delikt handelte und sie Nick oder Zeke informieren musste. Daher sollte sie lieber keine wertvollen Spuren verwischen. Schnell schloss sie die Haustür auf und lief geradewegs zum Telefon, um nach eingegangenen Anrufen zu sehen. Das rote Lämpchen des Anrufbeantworters blinkte. Ihr war sofort klar, wer eine Nachricht hinterlassen hatte. Sicherlich wollte der Täter seinen Triumph auskosten. Aber auf das Spiel wollte sich Elizabeth nicht einlassen. Sie würde umgehend Nick und Zeke benachrichtigen. Doch das Monster hatte bereits einen Wolf getötet. Vielleicht waren die anderen jetzt auch in Gefahr. Bei dem Gedanken gefror ihr das Blut in den Adern. Zaghaft drückte sie den Abspielknopf. „Ich hab dir doch gesagt, dass einer sterben würde", hörte sie die kalte Stimme des Mannes sagen, der sie in ihren Albträumen verfolgte. „Hast wohl nicht damit gerechnet, dass es der große Kerl sein würde, nicht? Wie fühlst du dich jetzt? Du bist schuld, weil du nicht hören wolltest. Hättest mal sehen müssen, wie der Schuss ihn getroffen hat." Dann schilderte er ihr minutiös, wie er Napoleon umgebracht hatte. Elizabeth hörte völlig erstarrt zu. „Das war die letzte Warnung", hörte sie die eiskalte Stimme sagen. „Entweder stoppst du das Projekt, oder du bist das nächste Opfer. Und denk dran, ich bin immer in deiner Nähe. Heute war ich es auch. Ich hätte dich ohne weiteres die Klippe hinunterstürzen können. Zu dumm, dass dein verdammter Freund dabei war. Aber er wird nicht immer in deiner Nähe sein. Beim nächsten Mal könnte ich dir eine Kugel durch den Kopf jagen, genau wie deinem geliebten Wolf." Zeke hatte heute Kochdienst. Da er allerdings ziemlich müde und hungrig war, entschied er sich für ein schnelles Gericht und bereitete nur einige Hot Dogs zu. Joe leistete ihm dabei in der Küche Gesellschaft. Als sie sich zum Essen an den Tisch setzten, klingelte das Telefon. „Das ist für dich", entschied Joe. Zekes Magen knurrte, und das Wasser lief ihm im Mund zusammen, als er antwortete: „Wieso für mich? Du wohnst doch hier." „Das mag ja sein, aber seitdem du hier bist, scheint dich fast jede Frau aus Liberty Hill sprechen zu wollen." „Vielleicht solltest du dich dem weiblichen Geschlecht gegenüber nicht so abweisend verhalten wie ein alter, eingerosteter Junggeselle."
„O nein", wehrte Joe ab. „Fängst du jetzt auch noch damit an. Ich hab mir einmal die Finger verbrannt, das hat mir gereicht." Das Klingeln hörte nicht auf. Zeke eilte zum Hörer. „McBride?" Als er Elizabeths Stimme hörte, wusste er sofort, dass etwas nicht in Ordnung war, denn nie zuvor hatte sie ihn angerufen. „Was ist los?" fragte er besorgt. „Sind dir die verdammten Reporter nach Hause gefolgt?" „Das nicht, aber Napoleons Halsband liegt vor meiner Tür, und da ist eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter", sagte Elizabeth mit ruhiger Stimme. Kurz schilderte sie ihm den Inhalt der Drohung. „Ich glaube, du solltest besser vorbeikommen." Das brauchte sich Zeke nicht zwei Mal sagen zu lassen. Zwar hatte sich ihre Stimme gefasst angehört, aber er kannte sie mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass es ihr sehr schlecht ging. Jetzt hatte sie auch die letzte Hoffnung verloren, Napoleon lebend wiederzufinden, und außerdem musste sie zu Tode geängstigt sein. „Ich bin sofort bei dir", sagte er. „Schließ alle Fenster und Türen ab und schalte die Außenbeleuchturig an. Bin schon unterwegs." „Das war Elizabeth, nicht?" fragte Joe. „Stimmt was nicht?" Zeke griff nach seiner Jacke. „Napoleons Killer hat sich gemeldet und sein Halsband hinterlegt. Ruf Nick an und sage ihm, er soll sofort zu ihr fahren." Elizabeth wohnte zwanzig Minuten entfernt, aber Zeke legte die Strecke in der Hälfte der Zeit zurück. Er hatte schreckliche Angst um sie. Und wenn nun der Verrückte noch in ihrer Nähe war und ihr etwas antat? Mit quietschenden Reifen kam er auf ihrer Auffahrt zum Stehen. Er sprang aus dem Wagen und rannte zum Haus. „Elizabeth? Ich bin's, mach auf!" Als sie die Tür öffnete, atmete er erleichtert aus. Allerdings war sie kreidebleich, und ihre grünen Augen sahen ihn schmerzerfüllt an. „Bist du in Ordnung?" fragte er heiser. Wortlos schmiegte sie sich in seine Arme. Am liebsten hätte er sie so bis an sein Lebensende gehalten. Erst als sie Nicks Auto hörten, lösten sie sich widerstrebend voneinander. „Was ist los?" fragte Nick aufgeregt. „Joe sagte, dass Napoleons Halsband gefunden wurde." Elizabeth deutete auf das Paket auf dem Boden. „Ich habe es nur geöffnet und nicht weiter berührt." Beide Männer untersuchten vorsichtig den Fund. „Mein Gott, er muss mit Gewalt versucht haben, den Sender zu zerstören", meinte Zeke. „Er hat einen Vorschlaghammer benutzt. Damit hat er auch Napoleons Schädel zertrümmert", sagte Elizabeth mit klangloser Stimme. Erschreckt drehten sich beide zu ihr um. Verwirrt fragte Nick: „Hast du mit dem Bastard gesprochen?" „Er hat eine Nachricht auf dem Band hinterlassen." Allein bei der Erinnerung daran drehte sich ihr der Magen um. Während Nick und Zeke sich die Drohung anhörten, setzte Elizabeth Wasser für Kaffee auf, um sich abzulenken. Sie wollte sich diese schreckliche Stimme nicht noch einmal anhören, die sie wahrscheinlich bis an ihr Lebensende in ihren Träumen verfolgen würde. Als das Band zu Ende abgespielt war, sagte Zeke fluchend: „Wenn der Bastard ihr auch nur ein Haar krümmt, wird er es persönlich mit mir zu tun bekommen." „Ich werde dich nicht davon abhalten", versicherte ihm sein Freund. „Verdammt, wer kann das nur sein? Das ist keiner von den üblichen Fanatikern. Der meint das ernst. Elizabeth ist wirklich in Gefahr."
Stirnrunzelnd sah er sie an, als sie mit Kaffeetassen in der Hand das Wohnzimmer betrat. „Er sagt, dass er heute auch am Eagle Ridge war, Elizabeth. Stimmt das?" „Ich weiß es nicht genau, denn wegen des Nebels konnte ich nichts sehen. Aber ich hatte die ganze Zeit über ein komisches Gefühl, als wenn mich jemand beobachten würde." Die Erinnerung daran ließ sie erschaudern. Fest umklammerte sie ihren Becher. „Sie ist fast die Klippe hinabgestürzt", schimpfte Zeke. „Und keiner von euch hat mir was davon gesagt?" fragte Nick ungläubig. „Verdammt, wir hätten ihn dort schnappen können." „Wie denn?" wollte Elizabeth wissen. „Es hätte auch Einbildung sein können. Gesehen habe ich nichts. Also könnte ich auch nichts beweisen." „Das Problem ist, dass wir nicht einmal sicher sein können, dass es einer der Helfer war", stellte Zeke fest. „Jedermann wusste von der Suchaktion. Also hätte jeder die Chance gehabt, Elizabeth zu töten." „Und als der Nebel sich gelichtet hatte und seine Chance vertan war, fiel ihm die Aktion mit dem Halsband ein." Nick versuchte die einzelnen Puzzlestücke zusammenzusetzen. Mit einem Blick auf Elizabeth meinte er nachdenklich: „Du musst dir unbedingt eine neue Unterkunft suchen. Diese hier ist zu abgelegen." Darüber hatte sie auch schon nachgedacht, aber in der kleinen Stadt gab es weit und breit nichts Erschwingliches zu mieten. „Ich werde einige Telefonanrufe erledigen. Mal sehen, was sich da machen lässt. In der Zwischenzeit bringe ich diese Beweisstücke ins Labor", sagte Nick. „Wir sollten lieber den Rest des Hauses untersuchen", meinte Zeke zu Nick. Gemeinsam suchten sie das gesamte Haus ab. Aber sie fanden nichts Verdächtiges. Zufrieden kehrten sie in das Wohnzimmer zurück, wo Elizabeth immer noch am Tisch saß. Langsam kehrte die Farbe in ihre Wangen zurück. „Du solltest wirklich nicht alleine hier bleiben", wiederholte Nick, wobei er Zeke einen viel sagenden Blick zuwarf. Das war völlig unnötig, denn Zeke hatte bereits einen Entschluss gefasst. „Ich bleibe heute Nacht hier", erklärte er schlicht. Verdutzt sah Elizabeth ihn an. „Das brauchst du nicht. Mir geht's gut." Doch die beiden Männer hatten bereits entschieden, sie keinen Moment mehr aus den Augen zu lassen. „Gut", sagte Nick, bevor er ging. „Das wäre geklärt. Und ich werde dafür sorgen, dass ein Polizei wagen gelegentlich hier vorbeifährt." „Falls es Probleme gibt, rufen wir dich an", versicherte ihm Zeke. Nachdem Nick weggefahren war, schloss Zeke die Haustür ab. In der nachfolgenden Stille sagte sich Elizabeth, dass sie sich keine Sorgen machen musste, nur weil er die Nacht bei ihr verbringen wollte. Dass hätte er für jeden getan, der in Schwierigkeiten steckte. Aber schon im nächsten Augenblick konnte sie über ihre Naivität nur lachen. „Also, es ist wirklich nicht nötig, dass du bleibst. Heute passiert bestimmt nichts mehr", sagte sie mit belegter Stimme. „Ich bleibe, keine Widerrede", sagte er. O Gott, wie soll ich nur eine Nacht mit ihm hier überstehen, dachte Elizabeth aufgeregt. Sogleich fielen ihr seine heißen Küsse wieder ein. Mit roten Wangen stand sie benommen zwischen der Küche und dem Wohnzimmer. „Elizabeth? Hörst du mir zu? Ich wollte wissen, was wir heute essen können. Wir könnten zu Ed fahren ..." Verwirrt blinzelte sie ihn an. „Nein, ich koch uns was. Das heißt, ich habe vergessen, etwas aus dem Gefrierschrank rauszulegen, aber da sind noch Eier, Milch und Brot. Ich könnte uns French Toast zubereiten, wenn es dir nichts ausmacht, abends zu frühstücken."
„Nein, aber lass mich das machen. Leg du dich mal hin und entspann dich. Du siehst müde aus." Wie sollte sie entspannen, wenn er in ihrer Nähe wäre? „Nein, nein. Mir geht's gut. Beim Kochen kann ich herrlich relaxen. Aber du kannst schon mal den Tisch decken. Das Geschirr ist im Schrank", plapperte sie nervös. Wieso war ihr vorher nie aufgefallen, wie groß dieser Mann war? Die Küche kam ihr auf einmal winzig vor. Mit zittrigen Händen bereitete sie den Toast zu. Als sie sich am Tisch gegenübersaßen und sich ihre Blicke trafen, wurde ihr plötzlich die Intimität zwischen ihnen bewusst. Obwohl die Küche nicht annähernd so romantisch war wie ihr letztes gemeinsames Dinner in Myrtles Antiquitätengeschäft, empfand sie trotzdem dasselbe Gefühl wie an jenem Abend. Nur Appetit hatte sie keinen. Lustlos stocherte sie in ihrem Essen herum. Sie war sich der Spannung zwischen ihnen allzu bewusst. Und er fühlte es auch. Seine Augen verrieten es. Ruhelos rutschte sie auf dem Stuhl hin und her. Als sie es nicht mehr aushielt, schob sie ihren Teller beiseite und stand auf. „Ich bin doch nicht hungrig. Ich bereite schon mal die Couch vor, während du zu Ende isst. Du kannst in meinem Bett schlafen, und ich nehme das Sofa." „Das kommt überhaupt nicht infrage!" protestierte Zeke. „Doch, das ist für mich kein Problem", rief sie ihm vom Flur aus zu. „Ich kann da prima schlafen, für dich wäre es zu kurz." Schnell suchte sie die Schlafutensilien zusammen und kehrte voll beladen ins Wohnzimmer zurück, wo sie fast mit Zeke zusammengestoßen wäre, der sie finster anblickte. „Du schläfst nicht auf der Couch", brummte er. „Mir macht das nichts ..." „Aber mir." „Zeke..." Mit einem viel sagenden Blick schaute er sie an. „Wenn ich in deinem Bett schlafen soll, dann bestimmt nicht alleine." Eigentlich hätte sie sofort Nein sagen sollen. Schließlich stand der Kerl für all das, was sie an einem Mann verachtete. Ein Herzensbrecher. Genau wie ihr Vater. Aber in Wirklichkeit wünschte sie sich nichts sehnlicher, als von ihm geliebt zu werden. Dabei war sie nicht der Typ Frau, der sofort mit einem Mann ins Bett stieg. Sie sollte ihm widerstehen, aber sie schaffte es nicht. Schmetterlinge schienen in ihrem Bauch zu flattern, als sie ihm antwortete: „Und wenn es so wäre?" „Dann brauchst du diese Decken nicht", sagte er heiser. „Ich wärme dich, falls du frieren solltest." Elizabeth fühlte, wie ein lustvoller Schauder durch ihren Körper lief. Sie brauchte ihn heute Nacht, alles andere war unwichtig. Mit einem Lächeln ließ sie die Laken und Decken auf den Boden fallen. „Mir ist ein bisschen frisch." Im Zimmer war es zwar angenehm warm, doch er ging trotzdem auf ihr Spiel ein. „Das müssen wir sofort ändern. Wir werden ein Feuer anzünden", murmelte er. Er trat zu ihr und fuhr zärtlich mit seiner Hand über ihre Lippen. Sie seufzte. Sanft liebkoste er ihr Ohr und ließ seinen Mund langsam über ihren Hals wandern. Plötzlich wurden Elizabeths Knie ganz schwach, so dass sie sich an ihn lehnen musste, um nicht den Halt zu verlieren. Er hatte es nicht für möglich gehalten, dass sie so sensibel war. Sie machte ihn ganz verrückt. Am liebsten hätte er sie sofort an Ort und Stelle geliebt, denn es fiel ihm unendlich schwer, sich zu beherrschen. Allerdings hatte sie einen anstrengenden Tag hinter sich, und er wollte sie nicht drängen. Sie sollte alles vergessen und nur noch den Augenblick genießen.
Daher berührte er sie so sanft wie möglich. Selbst mit seinen Küssen hielt er sich zurück. Draußen fiel leise der Schnee, doch drinnen brannte ein Feuer in ihnen. Später wussten beide nicht mehr, wie sie ins Bett gelangt waren. Verloren im Taumel der Gefühle hatten sie sich ihrer Kleidung entledigt, um sich leidenschaftlich zu lieben. Seine Küsse fanden ihren Weg von ihrem Hals zu ihren Brüsten, bis sie laut aufstöhnte. Er war davon überzeugt, sich unter Kontrolle zu haben. Doch als sie ihn mit ihren Händen berührte, war es um ihn geschehen. Zufrieden stellte Elizabeth fest, dass sie Macht über ihn besaß. Nur sie sollte für ihn von Bedeutung sein, schwor sie sich. Seinen Namen murmelnd, zog sie ihn zu sich herunter, um ihn leidenschaftlich zu küssen. Nie hätte sie sich träumen lassen, dass es so herrlich sein würde. Ein köstliches Gefühl ließ sie erschauern, als er in sie eindrang. Ungewollt rollten ein paar Tränen des Glücks über ihre Wangen, die Zeke zärtlich wegküsste, bevor sie gemeinsam im Feuer der Leidenschaft dahinschmolzen.
9. KAPITEL Gehüllt in Decken, schlief Elizabeth tief und fest. Kein Wunder, nach so einer Nacht, dachte Zeke mit einem zufriedenen Lächeln, während er sie zärtlich betrachtete. Sie hatten eine unglaubliche Nacht voller Leidenschaft hinter sich. Selbst als das Telefon auf ihrem Nachttisch klingelte, zuckte sie nicht einmal mit der Wimper. Allerdings wusste er, wie er sie wecken könnte. Er brauchte nur kurz ihren süßen Mund zu küssen, und schon wäre sie für ein weiteres Liebesabenteuer bereit. Doch er ließ sie weiterschlafen, denn der gestrige Tag war für sie sehr anstrengend gewesen. Bevor das Telefon ein weiteres Mai klingelte, lehnte er sich über sie und nahm den Hörer ab. „Hallo?" fragte er leise. „Ich hatte gehofft, dass du rangehst", hörte er Nick sagen. „Wie geht es Elizabeth?" Stirnrunzelnd blickte Zeke auf die Uhr. Es war nicht einmal halb sechs Uhr morgens. Irgendetwas stimmte nicht. „Sie schläft noch. Es gibt Ärger, hab ich Recht?" „Napoleons Körper ist gefunden worden, das heißt, falls er es wirklich ist, er ist zerstückelt worden." Leise fluchend stand Zeke auf. „Und Elizabeth soll ihn identifizieren." „Das lässt sich leider nicht vermeiden, denn sie kannte ihn am besten." Da hat er Recht, dachte Zeke. „Wo hat man ihn gefunden?" „Auf der Hawk Road. Der Mistkerl muss ihn dort hingeschleppt haben. Glaub mir, es ist wirklich kein schöner Anblick." Davon war Zeke überzeugt. Trotzdem führte kein Weg daran vorbei, dass Elizabeth ihn sich ansehen musste. Er hätte es ihr gerne erspart, aber sie mussten die Vorschriften einhalten. „Ich bringe sie dir in ungefähr einer Stunde vorbei", sagte Zeke und legte auf. Eigentlich hatte er vorgehabt, sie mit einem Frühstück zu überraschen und sie dann erneut zu lieben, aber das war jetzt nicht mehr möglich. Sobald sie von Napoleon erfahren würde, gäbe es für sie kein Halten mehr. Deshalb ließ er Elizabeth erst mal weiterschlafen, während er sich duschte, rasierte und anzog. Als er ins Schlafzimmer zurückkehrte, lag sie immer noch in derselben Haltung im Bett. Er setzte sich neben sie und schob sanft eine honigfarbene Haarsträhne aus ihrem Gesicht zurück. Zärtlich streichelte er ihre Haut. Das reichte, um sie aus dem Land der Träume zu holen. Ohne die Augen zu öffnen, seufzte sie leise und kuschelte sich an ihn. Er unterdrückte ein Stöhnen und nahm ihre Hand, die nach ihm tastete. „Lizzie? Wach auf, Süße. Wir müssen reden." Überrascht öffnete sie die Augen. Plötzlich kehrten die Erinnerungen der letzten Nacht zurück. Doch bevor die Verlegenheit einsetzen konnte, bemerkte sie, dass er bereits angezogen und rasiert war. Außerdem sah er besorgt aus. Irgendetwas stimmte nicht. Verschreckt setzte sie sich auf und zog die Decke an sich heran. Wahrscheinlich steckte Napoleons Killer dahinter. „Man hat Napoleon gefunden, stimmt's?" Zeke nickte. „Nick hat angerufen. Du sollst in sein Büro kommen und den Wolf identifizieren." „Wo?" fragte sie mit erstickter Stimme. „Auf der Hawk Road." Sie bemerkte, dass er ihr etwas vorenthielt. „Du solltest mir die ganze Wahrheit sagen, ich werde es sowieso erfahren." „Sein Körper ist verstümmelt worden. Das wird für dich nicht einfach werden, mein Schatz." Vor Schmerz zuckte Elizabeth zusammen. Dieses Monster hatte alle seine Drohungen bisher wahr gemacht. Wäre sie das nächste Opfer?
Der Gedanke ließ sie erschaudern. Gleichzeitig ärgerte sie sich über ihre eigene Schwäche. Sie wollte diesem Teufel nicht Macht über sich geben. Daher biss sie die Zähne zusammen und griff nach dem Morgenmantel, der am Fußende des Bettes lag. „Gib mir einige Minuten zum Anziehen. Dann können wir los." Nick erwartete sie bereits, als sie eintrafen. Niemals zuvor hatte Elizabeth ihn so grimmig erlebt. Sie schlang die Arme um sich herum und fragte: „Wo ist er?" „Im Hinterzimmer", antwortete Nick. „Aber mach dich bitte auf etwas gefasst. Es ist nicht mehr der Wolf, den du kürzlich noch in Freiheit erlebt hast." Auch wenn ihr Magen bereits rebellierte, nahm sie ihre ganze Kraft zusammen. „Ich kann damit umgehen, Nick. Lass es uns hinter uns bringen." Gewöhnlich wurde das Hinterzimmer als Lagerraum benutzt. Es war klein und hatte keine Fenster. Mitten im Raum stand ein Tisch, auf dem Napoleons Überreste, lagen - notdürftig mit einem Laken bedeckt. Vor Angst schlug ihr Herz wie verrückt. Sie war dankbar, dass Zeke ihre Hand hielt. Mit einem Nicken signalisierte sie Nick, dass sie bereit war. Wortlos hob er das Laken an. Der Anblick war grausam. Das Tier hätte ebenso gut ein Kojote oder Hund sein können. Doch an einer Stelle, die nicht von verkrustetem Blut verklebt war, konnte sie einen bläulichen Schimmer im Fell entdecken. Das war seine Erkennungsmarke gewesen. Ihre Finger drückten Zekes Hand noch fester, aber sie weinte nicht. Stattdessen stieg Wut in ihr hoch. „Das ist Napoleon", sagte sie mit zitternder Stimme. „Nur er hatte diesen blauen Schimmer im Fell." Damit verließ sie den Raum. Zurück in Nicks Büro, drehte sie sich zu den beiden Männern um. „Damit wird er nicht durchkommen", sagte sie wütend. „Da stimme ich dir zu", meinte Nick. „Der Mann ist ein Psychopath. Es scheint ihm Spaß zu machen. Und vielleicht genügt es ihm nächstes Mal nicht, sich nur mit Wölfen zufrieden zu geben. Und dich hat er im Visier, verdammt!" „Ich bin der Meinung, dass wir eine Belohnung aussetzen sollten", sage Zeke. „Drohungen auf dem Anrufbeantworter zu hinterlassen, ist eine Sache. Aber einen Wolf zu töten und ihn auf die Straße zu legen, ist etwas ganz anderes. Irgendjemand könnte etwas bemerkt haben. Mit einem kleinen Anreiz könnten wir denjenigen zum Reden bewegen." „Willst du damit sagen, dass jemand den Täter kennen könnte und es für sich behalten würde?" fragte Elizabeth ungläubig. Das war leider eine Tatsache. Moralische Bedenken waren häufig kein Argument. Dafür aber Geld. „Es könnte sein, dass jemand etwas gesehen oder gehört hat und nicht wusste, dass eine kriminelle Handlung begangen wurde." Nick und Zeke einigten sich darauf, dass fünftausend Dollar einige Menschen zum Reden bringen könnten. Telefonisch holten sie sich das Einverständnis dafür aus Denver ein. „Ich werde meine Männer damit beauftragen, die Steckbriefe zu verteilen", versprach Nick. „Du kannst dir vorstellen, dass der Mistkerl erst recht in Fahrt kommt, sobald er von der Belohnung erfährt. Er wird Elizabeth dafür die Schuld geben. Sie wird in noch größerer Gefahr schweben." „Verdammt, der soll es nur einmal wagen, dann wird er mich richtig kennen lernen", sagte Zeke voller Wut. „Sie wird nicht eine Sekunde alleine sein. Du, ich und deine Männer werden sie rund um die Uhr bewachen." „Wir werden einen Stundenplan entwerfen. Solange sie in der Stadt ist, werde ich ein Auge auf sie werfen ..." Verblüfft folgte Elizabeth der Unterhaltung, bevor sie trocken bemerkte: „Darf ich auch ein Wörtchen mitreden? Oder muss ich mich bedingungslos euren Entscheidungen unterwerfen?" Als die beiden Männer sie verdutzt ansahen, konnte sie nur mit den Augen rollen. „Jungs, ich habe einen Job, dem ich nachgehen muss. Das heißt, dass ich nicht den
ganzen Tag im Büro rumhängen werde. Ich werde weiterhin viele Stunden in den Bergen verbringen, um die Wölfe zu beobachten. Daran werde ich nichts ändern, nur weil mich dieser Schwachsinnige bedroht." Zeke wollte etwas sagen, doch sie ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Das bedeutet nicht, dass ich ganz alleine dort hinfahren werde. Ihr müsst aber einsehen, dass ich mich nicht immer nach euch richten kann. Auch kann ich nicht versprechen, dass Tina und Peter immer in meiner Nähe sein werden. Schließlich gehört es zu unserem Job, das Verhalten der Wölfe in der Wildnis zu studieren. Und wenn sie getrennte Wege gehen, dann müssen auch wir uns aufteilen." „Das gefällt mir überhaupt nicht", knurrte Zeke. „Ich bin auch nicht gerade begeistert", gab Elizabeth zu, „aber wenn ich nur im Büro rumsitzen soll, dann kann ich ebenso gut die Zelte hier abbrechen und das Feld räumen. Dann wäre das ganze Projekt umsonst gewesen. Doch ich werde nicht zulassen, dass Napoleons Killer meine Arbeit sabotiert." An der Art, wie sie stur ihr Kinn anhob, erkannte Nick, dass er ihre Entscheidung akzeptieren musste. „Halt aber immer die Augen offen. Und wenn du dich verfolgt fühlst, ruf mich sofort an. Selbst wenn es sich nur um ein komisches Gefühl handeln sollte." Zeke gab sich nicht so schnell geschlagen. „Ich muss über jeden deiner Schritte informiert sein", sagte er mit grimmiger Stimme. Elizabeth konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Jawohl, Zeke. Immer zu Befehl, Zeke. Du sollst dir keine Sorgen machen, Zeke." „Pass bloß auf", knurrte er. Ohne auf Nick zu achten, gab er ihr einen zärtlichen Kuss. Atemlos und mit glühenden Wangen ließ sie sich von ihm nach draußen befördern. „Ich bringe dich in dein Büro", sagte er heiser. „Danach kümmere ich mich um den Entwurf und die Verteilung der Steckbriefe." Mit weichen Knien folgte sie ihm. Er brachte sie vollkommen durcheinander. Nie zuvor hatte sie Ähnliches erlebt. Immer noch spürte sie die Nachbeben des Kusses. Am liebsten hätte sie über Zeke und ihre Gefühle in Ruhe nachgedacht, aber ihr Tag war bis zum Rand mit Terminen gefüllt. Sie musste sich um Queenie und ihre Welpen, falls sie schon geboren waren, kümmern. Doch als Erstes musste sie sich eine neue Bleibe suchen. Sie konnte unmöglich eine weitere Nacht in ihrem entlegenen Haus verbringen. Tina und Peter erreichten zur selben Zeit das Büro, so dass Zeke sie beruhigt allein lassen konnte. Schnell berichtete sie den beiden von den schrecklichen Ereignissen des letzen Abends. „Also seid auf der Hut", warnte sie. „Zwar scheint er es auf mich abgesehen zu haben, aber man kann ja nie wissen." „Um uns brauchst du dir keine Sorgen zu machen", versicherte ihr Peter, der ein Hüne von Mann war. „Aber mir gefällt der Gedanke nicht, dass du dort in der Einöde lebst." „Warum ziehst du nicht zu uns?" schlug Tina vor. „Auch wenn unsere Wohnung klein ist, können wir es irgendwie einrichten." Elizabeth hätte nicht gezögert, wenn das Apartment groß genug gewesen wäre. Doch in Wirklichkeit handelte es sich um eine winzig kleine Wohnung. Andere freie Objekte hatte es in Liberty Hill nicht zu mieten gegeben. „Ich weiß euer Angebot zu schätzen, aber wir würden uns gegenseitig umbringen. Trotzdem werde ich umziehen. Ich rufe den Immobilienmakler gleich an." Es überraschte sie nicht, dass der Makler keine weiteren Wohnungen zu vermieten hatte. Selbst in der nächsten Ortschaft sah es nicht besser aus. Trotzdem wollte er sich darum kümmern und sie benachrichtigen, falls er bei der Suche erfolgreich sein sollte. Verzweifelt rief Elizabeth Ed vom „Diner-Restaurant" und die Postbeamtin an, denn beide kannten jeden in der Stadt. Doch auch bei ihnen hatte sie kein Glück.
In der Zwischenzeit musste sie Queenies Verbleib ausfindig machen. Da Napoleon tot war, musste die Wölfin alleine für die Ernährung der Welpen aufkommen. Das könnte für die Jungen sehr gefährlich werden, wenn sie lange Zeit unbeaufsichtigt waren. Sie konnten von anderen Tieren getötet werden oder erfrieren. „Sie ist wieder in der Nähe des Geheges", sagte Peter mit einem Blick auf das Empfangsgerät. „Glaubst du, dass sie auf Napoleons Rückkehr wartet?" Elizabeth schüttelte den Kopf. „Anfangs vielleicht, aber jetzt nicht mehr. Sie war kurz davor zu werfen. Sie wird sich also an erster Stelle um ihre Jungen kümmern." „Wir sollten sie lieber schnell finden", sagte Tina, während sie bereits nach ihrer Jacke griff. Es war ein klarer und frostiger Tag. Der Nebel des Vortages hatte sich völlig aufgelöst. Während Tina den Wagen in Richtung Eagle Ridge steuerte, lauschte Elizabeth Queenies Sender. „Sie muss hier irgendwo sein", sagte Elizabeth. „Fahr bitte zu den Bäumen dort rüber. Sie könnte im Gehölz Unterschlupf gefunden haben." Sie hielten vor den Bäumen an, aber die Sicht war wegen der vielen Büsche nicht sehr ergiebig. Deutlich konnte Elizabeth Queenies Signal vernehmen, aber ihr Aufenthaltsort ließ sich nicht genau bestimmen. Sie konnte sich in einem Radius von einigen Hundert Quadratmetern Entfernung aufhalten. Durch das laute Motorengeräusch wurden sämtliche Tiere der Umgebung verscheucht. Nur Queenie schien sich, laut Sender, nicht von der Stelle gerührt zu haben. Das konnte bedeuten, dass ihre Welpen zur Welt gekommen waren. Napoleons Nachkommen waren die Zukunft des Projekts. Sie mussten unbedingt am Leben bleiben. Leise fluchend sagte Elizabeth: „Wir müssen die Suche zu Fuß fortsetzen." Es blieb ihnen keine Alternative. Zeke hatte den ganzen Vormittag, damit verbracht, Steckbriefe auszudrucken und in der Stadt anzubringen. Die Hilfssheriffs verteilten sie in den angrenzenden Ortschaften. Um zwei Uhr nachmittags war das Werk vollendet, und die ersten Anrufe erfolgten. Allerdings handelte es sich nur um neugierige Bürger. Als das Telefon ein weiteres Mal klingelte, nahm Zeke genervt den Hörer ab. Und als er die nasale Stimme von Dolores Ivy, einer Cousine dritten Grades seiner Mutter, hörte, verdrehte er die Augen. Dolores war dafür bekannt, nachts mit der Taschenlampe auf ihrem Dach zu stehen und Außerirdischen Signale zu senden. „Hallo, Dolores. Was kann ich für dich tun?" Er warf Nick einen bedeutungsvollen Blick zu. Auch er war sich Dolores' Verschrobenheit bewusst. „Du kannst mir sagen, wie ich an die Belohnung rankomme. Roger Harper hat meinen Zaun zerstört, als er betrunken nach Hause kam. Ich brauche das Geld für einen neuen." „Dolores, das Geld ist dafür nicht vorgesehen. Wir suchen den Mörder des Wolfes, der letzte Nacht in der Hawk Road gefunden wurde. Weißt du darüber Bescheid?" „Natürlich nicht!" sagte sie verstimmt. „Aber Abigail Smith wohnt dort in der Nähe. Hast du gehört, was die über mich in der Kirche verbreitet hat? Ich soll eine Schraube locker haben, nur weil ich nachts eine Brille trage, um meine Träume besser sehen zu können. Seitdem spreche ich kein Wort mehr mit ihr." Zeke glaubte kaum, dass das Abigail kümmerte, aber er antwortete nur: „Das ist sehr klug von dir. Leider kann ich nicht weiter mit dir schwatzen, denn ich bekomme gerade einen weiteren Anruf. Wenn du irgendetwas über Napoleons Tod hören solltest, dann ruf mich an. Okay?" „Okay, mein Lieber. Aber wurde Napoleon nicht bei Waterloo getötet?" Ein Stöhnen unterdrückend, erklärte Zeke ihr geduldig die Umstände und legte schnell den Hörer auf. Er sah in Nicks grinsendes Gesicht. „Wieso bekomme ich eigentlich die ganzen Spinner ab?"
„Hey, sie ist deine Verwandte", erwiderte Nick kichernd. • „Jetzt bekommst du mal einen kleinen Vorgeschmack meiner täglichen Arbeit." Wieder klingelte das Telefon. Zeke nahm den Hörer ab. „Sind Sie der Mann, der den Wolfskiller sucht?" Der Anrufer war ein älterer Mann mit einer scharfen, rauen Stimme. Zeke ging davon aus, dass es ein weiterer Spinner war, und lehnte sich seufzend in seinem Stuhl zurück. „Ja, Sir. Und Sie sind...?" „Lloyd Godwin", antwortete er prompt und gab sofort seine Adresse bekannt. „Und was kann ich für Sie tun, Mr. Godwin? Wissen Sie irgendetwas über den Tod des Wolfes?" „Nun, ganz sicher bin ich mir nicht", sagte er. „Vielleicht. An welchem Tag ist er getötet worden?" Irgendetwas an der Stimme des Mannes ließ Zeke plötzlich hellhörig werden. Sofort setzte er sich gerade hin und signalisierte Nick, mitzuhören. „Wir gehen davon aus, dass er vorgestern getötet wurde, Sir. Warum? Haben Sie etwas Verdächtiges bemerkt?" Der Anrufer zögerte. „Ich würde es nicht verdächtig nennen, eher komisch, ehester Grant war an dem Tag in der Ridge Road unterwegs. Der Idiot hat mich fast umgefahren. Normalerweise würde ich keinen Gedanken daran verschwenden, denn der Mann ist ein Säufer. Aber als er an mir vorbeifuhr, war er schreckensbleich im Gesicht. Wenn Sie mich fragen, ist er vor irgendwas geflüchtet." Alarmglocken klingelten in Zekes Kopf, ehester Grant war einer der Männer, die gegen das Wolfsprojekt protestiert hatten. Den Namen hatten sie sich früher schon mal notiert. Allerdings war er ein Trinker, der gewiss keiner Fliege etwas antun konnte. „Konnten Sie feststellen, ob er ein Gewehr dabeihatte?" „Klar hatte er eins", erwiderte Mr. Godwin, erstaunt über die Frage. „Er hat immer eins dabei." „Und um welche Uhrzeit war das, Mr. Godwin?" fragte Zeke weiter. „Ungefähr um vier Uhr dreißig. Ich weiß es so genau, da ich noch zur Bank wollte, bevor sie schloss." Das passt, dachte Zeke. „Und hatte Mr. Grant jemanden dabei?" „Das könnte ich nicht beschwören, denn es ging alles so schnell", antwortete Mr. Godwin. „Und wo genau ist es auf der Ridge Road passiert?" wollte Zeke noch wissen. „Dort bei der Einfahrt zu dem Freigehege", entgegnete der Anrufer. Zeke und Nick sahen sich an. Bingo. Endlich hatten sie einen Hinweis! „Vielen Dank für den Anruf, Mr. Godwin", verabschiedete sich Zeke. „Der Sheriff und ich werden der Meldung nachgehen. Und sollten wir ihn finden, werden wir uns wegen der Belohnung mit Ihnen in Verbindung setzen. In der Zwischenzeit sollten Sie die Information für sich behalten. Ansonsten könnten auch Sie in Gefahr sein." „Darüber brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen", erwiderte der alte Mann, „ehester Grant ist nicht der Einzige, der ein Gewehr hat." Na wunderbar, dachte Zeke. Kopfschüttelnd legte er den Hörer auf und griff nach seiner Jacke. Auch Nick war bereits aufgestanden. „Dein oder mein Wagen?" „Den Polizeiwagen", sagte Zeke grinsend. „Damit wir Eindruck schinden." Chester Grant besaß eine Autowerkstatt am Ortsausgang, die nicht besonders einladend aussah. Haufenweise standen alte, verrottete Wagen auf dem Gelände herum. Selbst auf dem Schnee war eine Schmutzschicht zu sehen. Das war nicht gerade die Art Werkstatt, wohin Zekes Familie ihre Autos zum Reparieren brachte, aber genug andere Menschen aus der Stadt taten es. Als Nick auf dem Hof hielt, standen einige Leute herum. Chesters Kopf steckte gerade unter der Motorhaube eines dreijährigen Chryslers. Den Anwesenden waren Nick und Zeke wohl bekannt. Trotzdem versteiften sie sich bei dem Anblick des Polizeiwagens.
Chester war der Schlimmste von allen. Als Zeke und Nick aus dem Wagen stiegen, schnellte er hoch, so dass er sich an der Motorhaube den Kopf stieß. Leise fluchend trocknete er sich nervös seine öligen Hände an einem alten Lappen ab. Dabei vermied er den Blickkontakt. Er hätte nicht schuldbewusster aussehen können. „Wir müssen dich sprechen, Chester", sagte Nick. „Vielleicht in deinem Büro?" Das Blut wich ihm aus dem Gesicht. Er sah aus, als ob er jeden Moment davonrennen wollte. Da aber Nick und Zeke ihm den Weg versperrten, antwortete er mürrisch: „Ihr könnt hier nicht einfach aufkreuzen und erwarten, dass ich wegen euch alles stehen und liegen lasse. Ich hab ein Geschäft laufen ..." „Wir können auch hier reden, wenn dir das lieber ist", sagte Zeke. „Du entscheidest." „Nein! Verdammt! Was willst du überhaupt hier?" wollte er wissen. „Du bist nicht der Sheriff! Du bist bloß der verdammte McBride mit dem Geld wie Heu." Zeke verlor langsam die Geduld. Schnell wie der Blitz holte er seine Dienstmarke hervor und hielt sie Chester vors Gesicht. „Ich bin ein Regierungsbeauftragter, Chester. Ich schlage vor, dass du dich kooperativ zeigst. Ansonsten sehe ich mich gezwungen, dich in Handschellen mitzunehmen." Schimpfend wandte sich ehester in Richtung Büro um. „Wenn das länger als zehn Minuten dauert, dann könnt ihr Mrs. Eisenhauer erklären, warum ihr Wagen nicht fertig geworden ist." „Vertrau mir, Mrs. Eisenhauer ist dein kleinstes Problem", sagte Nick trocken, als er die Bürotür hinter sich schloss. „Wo warst du Mittwochnachmittag um vier Uhr dreißig?" Eigentlich war das eine harmlose Frage. Aber ehester zog hörbar die Luft ein. „Was m-mmeinst d-d-du?" „Das ist doch eine einfache Frage", knurrte Zeke. „Jeder ist irgendwo zu der Zeit gewesen. Also, wo warst du?" „Ich... ich ..." Verzweifelt suchte er im Raum nach einer Antwort. „Ich wurde gerufen!" fiel es ihm plötzlich ein. „Ja, jetzt erinnere ich mich wieder. Ich musste ein liegen gebliebenes Fahrzeug abschleppen." „Wo?" „Oh, in der Nähe von Johnsonville. Beim See." Jeder Blinde konnte sehen, dass er log. „Dann muss eine Verwechslung vorliegen, denn jemand meinte dich am Eagle Ridge erkannt zu haben", sagte Nick beiläufig, wobei er ihn genau beobachtete. „Du kannst ja nicht an zwei Plätzen gleichzeitig gewesen sein." „N-nein. N-natürlich nicht." „Hast du dieses Problem mit dem Stottern schon immer gehabt?" fragte Zeke mit übertriebener Anteilnahme. „Es ist mir vorher nie aufgefallen. Du solltest einen Arzt aufsuchen." „J-ja, mach ich." „Na, da jetzt alles geklärt ist, können wir ja fahren. Und, ehester, sollte es dir doch noch einfallen, in der Nähe vom Eagle Ridge gewesen zu sein, so lass es uns wissen", verabschiedete sich Nick. „S-sicher. Aber ich glaube kaum, dass es m-mir einfällt." „Er steckt bis zum Hals da drin", sagte Nick, als sie in den Wagen stiegen. „Hast du das Gewehr im Abschleppwagen bemerkt?" „Sicher." „Soweit ich weiß, hat er es immer dabei. Denkst du, dass er es alleine getan hat?" „Quatsch. Der Mann hat vor seinem eigenen Schatten Angst. Der Typ, der die Nachricht auf dem Band hinterlassen und Napoleon verstümmelt hat, ist kein Feigling. Aber ich gehe jede Wette ein, dass ehester weiß, wer es ist." Der Wette schloss sich Nick an.
In dem Moment, indem der Streifenwagen den Hof verließ, griff Chester nervös zum Telefon. Mit zittrigen Fingern wählte er eine Nummer. „Der Sheriff war gerade hier", platzte es aus ihm heraus. „Und der verdammte McBride war auch dabei. Sie wissen Bescheid, verdammt! Du musst was unternehmen!" „Reiß dich zusammen, Mensch! "schrie ihm der Mann am anderen Ende der Leitung zu. „Sie wissen nichts, sonst hätten sie dich doch verhaftet. Sie versuchen dich nur einzuschüchtern, und das scheint ihnen auch gelungen zu sein." „Aber sie sagen, dass mich jemand am Eagle Ridge gesehen hat, an dem Tag. O Gott, was soll ich tun?" fragte er voller Panik. „Nichts", erwiderte der andere Mann kalt. „Überlass das Handeln mir." „Aber..." „Halts Maul und hör zu. Es gibt keinen Grund zur Panik. Es ist schließlich nicht verboten, dort Auto zu fahren. Der Sheriff hat nur geblufft." „Stimmt", antwortete Chester erleichtert. „Er suchte nur einen Schuldigen." „Genau das", sagte der Mann mit aalglatter Stimme. „Aber wir beide wissen, wer wirklich die Schuld hat. Diese kleine Biologin. Die hat die verdammten Wölfe hierher gebracht, ohne uns zu fragen. Und wir bezahlen sie auch noch dafür. Die muss weg." Mit Herzklopfen nickte Chester eifrig. „Die hätte schon vor Monaten weg sein müssen." „Ich kümmere mich um das Miststück", sagte der Mann. „Sieh du zu, dass du für heute Abend ein Alibi hast."
10. KAPITEL Vom Hochsitz aus hatte Elizabeth einen guten Ausblick auf die Wälder. Durch ihr Fernglas beobachtete sie Queenie, die sich in eine Höhle nahe der Felsen zurückgezogen hatte, um ihre Jungen zu gebären. Sie hatte eine gute Wahl getroffen, denn die Höhle lag geschützt unter Pinienzweigen. Endlich gab es wieder Wolfsjunge in Südwest-Colorado! Allerdings wusste Elizabeth nicht, ob sie darüber weinen oder lachen sollte. Es hatte Jahre der Vorbereitung gekostet, es zu ermöglichen, dass die Welpen in ihrer natürlichen Umgebung geboren werden konnten. Napoleons Nachkommen. Tränen füllten ihre Augen. Er hatte für die nächste Generation gesorgt. Jetzt war es ihre Aufgabe, darauf zu achten, dass sie wohlbehalten aufwuchsen. Durch ihr Fernglas konnte sie die Jungen nicht entdecken. Sie musste sich noch eine Weile gedulden, denn es würde noch einige Wochen dauern, bis sie die Höhle verließen. Als sie und Tina nach Queenie gesucht hatten, wäre ihnen das Versteck fast entgangen, wenn sie nicht zufällig das Wimmern der Welpen gehört hätten. Sofort hatten sie sich entfernt. Ein Muttertier konnte leicht gefährlich werden, wenn sie die Kleinen verteidigen müsste. Oder aber sie würde ihre Jungen im Stich lassen. Während Elizabeth in ihrem Ausguck saß, verließ Tina das Häuschen, um Queenie zu füttern. Kaum hatte Tina den Parkplatz unterhalb des Hochsitzes erreicht, als Zeke mit seinem Wagen eintraf. Unwillkürlich musste Elizabeth bei seinem Anblick lächeln. Er half Tina, den Kadaver eines Kojoten aus ihrem Kofferraum herauszuholen. Dann zeigte Tina ihm den Weg zu der Höhle, wo Queenie sich aufhielt. Elizabeth beobachtete die beiden durch ihr Fernglas. „Seid vorsichtig", murmelte sie. „Geht nicht zu dicht heran. Erschreckt sie nicht. Sie hat eine gute Nase und wird das Fleisch schon riechen. Ja, genau. Da ist es gut." Erleichtert sah sie, wie Zeke den Kadaver niederlegte. Schnell entfernten sich beide und verschwanden zwischen den Bäumen. Elizabeth hielt die Luft an. Würde Queenie das Futter annehmen? Wenn nicht, müssten sie und ihre Jungen ins Freigehege zurückgebracht werden, um dort versorgt werden zu können. „Ach, komm schon, Mädchen, das Essen ist fertig. Du musst doch hungrig sein", drängte Elizabeth. Aber nichts geschah. Mittlerweile fuhr Tina mit ihrem Wagen los, und Zeke stieg die vielen Stufen zu ihrem Hochsitz hoch. Elizabeth schloss die Tür auf, setzte sich aber gleich wieder hin und griff nach dem Fernglas. Der tote Kojote lag immer noch unberührt da. „Du hast doch schon vorher Kadaver gefressen, Queenie, sei nicht so wählerisch. Im Freigehege gab es auch nichts anderes. Also, wo ist das Problem?" Elizabeth war klar, dass die Welpen das Problem waren. Queenie hatte Angst um ihre Jungen. Hinter ihr wurde die Tür geöffnet, und Zeke trat ein. Sofort setzte er sich neben sie und blickte durch sein eigenes Fernglas. „Hat sie es schon angerührt?" „Nein. Ich mache mir Sorgen, dass sie es auch nicht tun wird. Wahrscheinlich hat sie uns gewittert, und nachdem das mit Napoleon geschehen ist, dürfte sie sehr misstrauisch sein." „Es ist noch früh", beruhigte er sie. „Lass ihr Zeit. Sie ist zum ersten Mal Mutter geworden, und das Gebiet ist ihr fremd. Wenn sie hungrig genug ist, wird sie nicht widerstehen können." Elizabeth hätte ihm gerne geglaubt, doch je mehr Zeit verstrich, desto mehr sank ihr Mut. Gerade als sie die Hoffnung aufgeben wollte, glaubte sie, eine Bewegung im Schatten der
alten Pinie gesehen zu haben. „Hat sich da nicht etwas bewegt? Da! Queenies Nase schaut aus der Höhle heraus. Sieh mal, da ist sie endlich!" Kaum erkennbar zwischen den Zweigen, stand Queenie und schnupperte in die Luft, nicht sicher, ob sie dem Frieden trauen konnte. Misstrauisch sah sie sich um, ohne sich dabei zu bewegen. Doch schließlich ging sie auf den toten Kojoten zu. Sie blieb nur ein paar Minuten. Hastig schluckte sie einige Bissen hinunter, um dann schnell wieder zu ihren Jungen zu laufen. „Gut gemacht", sagte Zeke mit einem zufriedenen Lächeln. „Sie hat es geschafft!" jubelte Elizabeth und warf sich Zeke lachend in die Arme. „Ich hatte so eine Angst gehabt, dass wir sie ins Freigehege hätten zurückbringen müssen. Aber jetzt isst sie ja. Der Gefrierschrank im Büro ist voll von Kadavern. Und wenn sie die alle aufgefressen hat, müssen Nicks Männer für frisches Fleisch sorgen. Oje, das hört sich fürchterlich an, aber ..." Plötzlich wurde ihr bewusst, dass er sie umarmt hielt und sie anlächelte. Wie war sie in seine Arme gelangt? Daran konnte sie sich nicht erinnern. Sie wusste nur, dass sie sich den ganzen Tag danach gesehnt hatte. Zögernd trat sie einen Schritt zurück. Sie musste Distanz zu ihm halten, ansonsten wäre sie verloren. „Ich glaube, ich plappere zu viel, oder?" fragte sie mit belegter Stimme. Sein amüsiertes Lächeln bestätigte ihre Annahme. „Ein wenig", sagte er lachend. „Aber du hast Recht. Hätte Queenie das Essen verweigert, hättest du jetzt ein großes Problem." „Ich weiß. Minutenlang hatte ich es befürchtet, aber jetzt wird alles gut werden. Das wird auch Zeit." „Das scheint heute ein Glückstag zu sein", stimmte Zeke ein. „Nick und ich haben die Flugblätter verteilt und bereits einen sehr interessanten Anruf erhalten." „Bringt uns das endlich weiter?" „Sieht ganz so aus." Kurz schilderte Zeke ihr die Sachlage. „Nun, ehester ist eher der Typ mit der großen Klappe und nichts dahinter, daher halten wir ihn nicht für Napoleons Mörder. Aber der Kerl weiß mehr, als er zugibt." Elizabeth bezweifelte das nicht. Er war ihr bekannt, da sie ihren Wagen einmal in seine Werkstatt gebracht hatte. Seine schleimige, widerliche Art hatte sie abgestoßen. Daher überraschte es sie nicht, dass er in den Fall verwickelt sein sollte. „Du denkst, dass er den Täter wirklich kennt?" „Der Typ war so verängstigt, dass er sogar zu stottern anfing. Der weiß es genau. Nick will sein Haus durchsuchen lassen, aber heute wird er vermutlich keine Genehmigung mehr vom Richter dafür bekommen. Wir müssen uns bis morgen gedulden." „Also müssen wir mal wieder warten." „Du weißt ja, wie das läuft. Wir müssen Vorschriften einhalten. Ansonsten bekommen wir sie nie hinter Gitter." „Ich weiß. Es ist nur so frustrierend. Jetzt muss ich mir auch noch eine neue Unterkunft suchen. Das Problem ist nur, dass es keine gibt." „Hast du den Makler angerufen?" fragte er. Sie nickte. „Selbst in den Nachbarorten sieht es schlecht aus. Also muss ich bleiben, wo ich bin. Ich weiß wirklich nicht weiter." „Aber ich. Du wirst bei meiner Mutter wohnen." Eigentlich hätte er sie am liebsten mit zum Haus seines Bruders genommen, denn er hätte gerne sein Bett mit ihr geteilt. Aber Liberty Hill war eine Kleinstadt, in der viel getratscht wurde. Er wollte ihren Ruf nicht gefährden. Die Lösung mit seiner Mutter schien ihm die beste. In ihrem Haus gab es fünf Schlafzimmer, wovon nur zwei von seiner Mutter und Janey benutzt wurden.
Und in Twin Pines wäre sie auch in Sicherheit. Das Haus befand sich genau in der Mitte der Ranch, weit von der Hauptstraße entfernt. Man musste an Joes Haus vorbeifahren, um dorthin zu gelangen. Außerdem konnten die vielen Rancharbeiter auf sie Acht geben. Die Idee gefiel ihm immer besser. Er wollte sie bei seiner Familie wissen. Jetzt und für immer. Dort gehörte sie hin. Plötzlich wurde er sich seiner Gedanken bewusst. Es traf ihn wie der Blitz. Wann hatte es angefangen? „Ich kann doch nicht einfach uneingeladen bei deiner Mutter aufkreuzen", sagte sie. Zeke versuchte seine Emotionen unter Kontrolle zu bringen und blickte sie ernst an. „Tust du auch nicht. Ich lade dich ein." „Aber das Haus gehört deiner Mutter! Du musst das doch vorher mit ihr besprechen. Was soll sie denn von mir denken?" Sie würde denken, dass sie wunderschön, klug und genau die richtige Frau für ihn wäre. Aber das würde er ihr nicht sagen. Erst einmal musste er seine Gedanken sortieren. „Sie mag dich", sagte er einfach. Und es stimmte. „Zeke, aber sie kennt mich doch überhaupt nicht." Unbekümmert zuckte er die Schultern. „Dann lernt sie dich eben kennen." „So einfach ist das nicht" „Natürlich ist es das", beharrte er drauf. „Achte bloß darauf, dass du kein durchgekautes Kaugummi auf den Boden wirfst, okay?" „Ich kaue kein Kaugummi. Und auf den Boden würde ich es garantiert auch nie werfen", antwortete sie empört. „Und sprich beim Essen nicht mit vollem Mund. Ach ja, das tust du nicht, wie ich schon feststellen konnte. Nimmst du eigentlich jeden Abend ein Vollbad, so wie die reichen Leute?" „Zeke!" „Dann ist ja alles geklärt. Sie wird dich wirklich lieben, selbst diesen behaarten Leberfleck auf deinem Kinn", neckte er sie und küsste die perfekte Haut ihres Kinns. „Deine Hakennase wird ihr auch gefallen", zog er sie weiter auf und küsste auch ihre kleine gerade Nase. „Selbst diesen leidenschaftslosen, dünnen Mund wird sie mögen", lachte er. Elizabeth fiel in sein Lachen ein, als er spielerisch mit seinem Mund über ihre Lippen fuhr. Doch plötzlich sahen sie sich in die Augen, und das Lächeln verschwand. Wie hatte er nur den Tag überstehen können, ohne sie zu küssen? Ohne sie zu lieben? „Komm her", sagte er mit rauer Stimme und zog sie in seine Arme. Das ist jetzt weder die Zeit noch der Ort für die Liebe, schoss es ihm kurz durch den Kopf. Er musste sie in Sicherheit zu seiner Mutter bringen. Außerdem gab es in dem Häuschen gar kein Bett, sondern nur eine behelfsmäßige, schmale Pritsche für den Förster. Nicht einmal ein Laken lag darauf. Das konnte er ihr unmöglich zumuten, verdammt. Aber je heftiger sie seine Küsse und Umarmungen erwiderte, desto weniger schien das fehlende Bett von Bedeutung zu sein. Er wollte sie. Jetzt. Hier oben wären sie in Sicherheit, und nichts würde sie ablenken. „Ich will dich", sagte er mit heiserer Stimme und zog ihr mit einer raschen Bewegung den Pullover aus. Gleich darauf folgte der BH. Und nur eine Sekunde später umschlossen seine Hände ihre nackten Brüste. Stöhnend antwortete sie: „Ja." Mehr brachte sie nicht über die Lippen. Doch sie konnte nicht ahnen, was dieses eine Wort für ihn bedeutete. Es machte ihn glücklich, dass sie ihn genauso begehrte wie er sie. Niemals zuvor hatte eine Frau ihn so verrückt gemacht. Seine Gedanken kreisten ständig um sie. Ein raues Stöhnen drang aus seiner Kehle, als er ihr die restlichen Kleider förmlich vom Leibe riss. Seine eigene Kleidung landete Sekunden später auf dem Boden. Der Weg zur
Pritsche schien ihm plötzlich viel zu weit. Kurzerhand nahm er sie fest in die Arme und legte sich mit ihr auf den Boden. Elizabeths Herz klopfte zum Zerspringen, und in ihrem Kopf drehte sich alles, aber sie genoss jede Sekunde. Sie fühlte sich herrlich. Es war für sie eine völlig neue Erfahrung, so viel Macht über einen Mann zu besitzen. Leise seinen Namen flüsternd, drückte sie ihn sanft auf den Rücken und setzte sich rittlings auf ihn. Sofort spürte sie seine Erregung und umschloss Sie mit der Hand. Lächelnd sah sie auf ihn hinab. „Du hast doch nichts dagegen, oder?" fragte sie heiser. Das stehe ich nicht durch, dachte er. Gleich wäre es um seine Selbstbeherrschung geschehen. Trotzdem verschränkte er die Arme hinter dem Kopf und sagte mit rauer Stimme: „Im Gegenteil, mein Schatz. Ich gehöre dir." Er gehört mir. Der Gedanke wärmte ihr das Herz. Wie lange hatte sie sich danach gesehnt? Und wie lange hatte sie sich vorgemacht, dass das nie passieren würde? Aber genauso wie ihr Vater würde dieser Mann sich nie mit nur einer Frau zufrieden geben. Trotzdem konnte sie zum ersten Mal ihre Mutter verstehen. Wenn sie in Zekes Armen lag, stellte sie sich einfach vor, die einzige Frau in seinem Leben zu sein. Sie beugte sich vor und vergrub ihr Gesicht an seinem Hals. Er roch wunderbar männlich. Es gefiel ihr zu sehen, wie sich auf seinem muskulösen Körper feine Schweißperlen bildeten, als sie ihn streichelte und sich an ihm rieb. Dann ließ sie langsam ihre Lippen bis zu seinem Bauchnabel wandern. Aufstöhnend wollte er schon nach ihr greifen, doch sie setzte ihren Weg fort. „Genug", knurrte er und vertauschte mit einer schnellen Bewegung ihre Positionen. Überrascht sah sie ihm in die Augen. Das Lachen und Necken brach ab, und zurück blieb die pure Lust. Ihre Körper schrien förmlich nach Erlösung. Bereitwillig öffnete sie die Beine, und mit einem lauten Stöhnen drang er in ihren heißen Körper, in ihr Herz, in ihre Seele ein. Ihre Hüften bogen sich ihm fiebrig entgegen. Und als er seine Geschwindigkeit steigerte, meinte sie, es keine Sekunde länger aushalten zu können. Und genau in dem Augenblick drang ein tiefer Seufzer aus seiner Kehle. Gemeinsam erreichten sie das Reich der Erfüllung. In seine Arme geschmiegt, lauschte Elizabeth seinem Herzschlag. Was hätte sie nicht dafür gegeben, den ganzen Abend so liegen bleiben zu können. Aber die Sonne war bereits hinter den Bergen verschwunden, und sie wusste immer noch nicht, wo sie die Nacht verbringen sollte. „Es wird spät", murmelte sie. Trotzdem schaffte sie es nicht, sich aus seinen Armen zu lösen. Nur noch ein paar Minuten, sagte sie sich. „Ich will, dass du zu meiner Mutter ziehst", nahm er das Thema wieder auf. „Ich habe das vorhin ernst gemeint, dass sie dich mögen wird. In ihrem Haus gibt es fünf Schlafzimmer, und nur sie und Janey wohnen dort. Merry und Joe haben ihre eigenen Häuser. Also nimmst du niemandem den Wohnraum weg. Da ist so viel Platz." Eigentlich wollte sie Nein sagen, aber jetzt war alles anders. Sie musste sich der Wahrheit stellen. Sie war im Begriff, sich in Zeke zu verlieben. Ihr war nicht klar, wie das passieren konnte. Aber sie musste schnell handeln, bevor er ihr Herz brechen würde. Deshalb hielt sie es nun doch für eine gute Idee, zu seiner Mutter zu ziehen. Dort würde sie sicherlich einiges von seinen früheren Freundinnen und seiner Verlobten erfahren. Vielleicht würde sie ihn dann nicht mehr durch ihre rosarote Brille sehen und endlich wieder zur Vernunft kommen. „Und du bist sicher, dass es ihr wirklich nichts ausmacht?" Erstaunt, dass sie seinen Vorschlag tatsächlich annahm, sagte er: „Natürlich. Also, wirst du auf der Ranch bleiben?" Sie nickte. Hatte sie denn eine andere Chance? „Ich bleibe, bis sich was anderes ergibt." Vielleicht, den Rest des Lebens mit ihm zu verbringen?
Nachdem das geregelt war, zogen sich beide an und stiegen die vielen Stufen zum Parkplatz hinab. Am Himmel funkelten bereits die ersten Sterne. „Du kannst mich beim Büro absetzen. Dort nehme ich meinen Wagen, fahre nach Hause und packe schnell einige Sachen zusammen. In der Zwischenzeit kannst du ja das mit deiner Mutter klären." Eröffnete ihr die Wagentür. „Ich sagte doch bereits, dass es da nichts zu klären gäbe. Sie wird sich über deinen Besuch freuen." „Das kann ja sein. Trotzdem werde ich bestimmt nicht ohne Anmeldung mit dem Koffer in der Hand vor ihrem Haus stehen", erwiderte sie hartnäckig. „Du musst sie zumindest vorher warnen, Zeke." „Na gut, ich ruf sie an." „Persönlich", bestand sie drauf. „Sie ist deine Mutter. Du kannst ihr nicht einfach eine fremde Frau aufhalsen, ohne sie vorher gefragt zu haben. Das ist unverschämt." Frauen, dachte er und rollte die Augen. „Du bist doch nicht fremd", sagte er seufzend. Doch schließlich gab er nach. „Also gut, ich ruf sie an, okay? Bist du jetzt zufrieden?" „Nein." „Ach, Schatz, sei doch nicht so stur. Ich will dich doch nur nicht allein in deinem Haus lassen." „Aber die Ranch liegt in der entgegengesetzten Richtung. Außerdem brauche ich nur ein paar Minuten, um meine Sachen zusammenzupacken. Dann verlasse ich sofort das Haus. Du redest bitte so lange unter vier Augen mit deiner Mutter. Sollte sie etwas dagegen haben, dann müssen wir uns eine andere Lösung überlegen." Er versuchte es aus ihrer Sichtweise zu sehen. Sie kam in ein fremdes Haus und war dort völlig unbekannt. Er konnte zum Teil nachvollziehen, dass es für sie unangenehm sein könnte, unangemeldet vor der Tür zu stehen. Schließlich war es ihm wichtig, dass sie sich dort wohl fühlte. Wenn es nach ihm ginge, sollte sie dort sehr lange wohnen bleiben. „Also gut", gab er nach. „Ich werde persönlich mit meiner Mutter sprechen, und du packst deine Sachen. Sollte dir irgendetwas komisch vorkommen, dann musst du mir versprechen, das Haus nicht zu betreten. Und höre nicht deinen Anrufbeantworter ab. Solltest du nicht in zwanzig Minuten bei mir sein, werde ich nach dir suchen." „Ich werde in fünfzehn Minuten auf der Ranch sein", versicherte sie ihm. „Ich verspreche es." Gedanklich noch bei Elizabeth, betrat Zeke das Wohnzimmer seiner Mutter. Erst als er die vielen Luftballons und Girlanden sah, fiel ihm ihr Geburtstag ein. Wie jedes Jahr veranstaltete sie eine große Party. Verflixt, wie hatte er das nur vergessen können? Elizabeth würde zur selben Zeit wie die Gäste eintreffen, und er hatte es versäumt, sie einzuladen. Das würde sie ihm bestimmt sehr übel nehmen. „Oh, da bist du ja, mein Lieber", hörte er seine Mutter sagen, als er in die Küche trat. Sie war noch mit den Vorbereitungen beschäftigt. Selbst die Lockenwickler steckten noch in ihren Haaren. „Joe könnte deine Hilfe gebrauchen. Er kümmert sich gerade um die Außenbeleuchtung. Anschließend solltest du dich schnell umziehen. Ich glaube, wir sind heute alle ein wenig spät dran ..." Plötzlich bemerkte sie, dass er nicht bei der Sache war. „Was ist los?" Er hätte seine Vergesslichkeit als Vorwand nehmen können, aber seine Mutter hätte ihn durchschaut. Also sagte er ihr sofort die Wahrheit. „Ich habe die Party vergessen." „Wenn's weiter nichts ist", lachte sie. „Na ja, da wäre noch was", antwortete er vorsichtig. „Setz dich bitte. Wir müssen etwas besprechen." Als sie am alten Eichentisch Platz genommen hatten, berichtete er ihr ausführlich von Elizabeths Problemen, den Nachrichten auf dem Anrufbeantworter, den Drohungen und dem
blutverschmierten Halsband. „Sie ist dort nicht in Sicherheit, also müsste sie theoretisch ins nächste Motel..." „In ein Motel?" fragte sie entsetzt. „Das nächste Motel ist in Gunnison! Das wirst du dem armen Mädchen doch nicht zumuten, Zeke. Sie kann selbstverständlich hier wohnen. Das hast du ihr hoffentlich angeboten." Lächelnd griff er nach ihrer Hand und drückte sie. Sie war wirklich die beste Mutter der Welt. „Tatsächlich packt sie gerade ihre Sachen und wird hier gleich eintreffen. Sie hat Angst, dir Umstände zu bereiten, und ich musste ihr versprechen, sie vorher persönlich anzukündigen. Allerdings gibt es da noch ein kleines Problem", fügte er hinzu. „Ich habe ihr nichts von der Party erzählt. Das wird sehr unangenehm für sie werden." „Das kann ich mir vorstellen", sagte seine Mutter verständnisvoll. „Ich habe schon so viel von ihr gehört. Es kommt mir fast so vor, als würde ich sie schon kennen. Aber mach dir keine Sorgen. Ich werde mit ihr reden. Sie muss auch nicht an der Feier teilnehmen, wenn sie nicht möchte. Wir haben noch viel Zeit, um uns kennen zu lernen." Zufrieden stand Zeke auf und umarmte seine Mutter. „Es ist mir egal, was die anderen über dich sagen", neckte er sie, „aber für mich bist du die beste Mutter der Welt." „Du Spitzbube!" Lachend erwiderte sie seine Umarmung und schob ihn dann zur Tür. „Hilf lieber deinem Bruder. Die Party geht gleich los." Elizabeth hielt vor ihrem Haus. Alles war dort stockfinster. Doch im Scheinwerferlicht konnte sie feststellen, dass sich seit dem Morgen nichts verändert hatte. Selbst die Fußspuren von ihr und Zeke waren noch zu erkennen. Erleichtert schnappte sie sich die Schlüssel und stieg aus. Sie musste sich beeilen, denn fünfzehn Minuten waren ganz schön knapp bemessen für den langen Weg zur Ranch. Sie lief zum Haus, schloss ungeduldig die Haustür auf und schaltete die Lichter ein. Die absolute Stille ließ sie erschaudern. Als sie das Schlafzimmer betrat, bemerkte sie das Blinken des Anrufbeantworters. Doch sie ignorierte es und packte schnell einige Kleidungsstücke und ihr Make-up in eine Tasche. Mit zittrigen Fingern schloss sie anschließend die Haustür wieder ab. Sie versuchte sich einzureden, dass alles in Ordnung wäre. Aber es fiel ihr merklich schwerer. Erst als sie wieder im verriegelten Wagen saß, ließ die Anspannung etwas nach. Zurück auf der Straße, schaltete sie das Radio ein, um ihre Nerven zu beruhigen. Sie war so sehr mit der Suche nach einem Sender beschäftigt, dass sie das Auto nicht bemerkte, das plötzlich wie aus dem Nichts hinter ihr auftauchte. Erst das blendende Licht ließ sie aufmerksam werden. Der Wagen fuhr so dicht auf, dass sie es mit der Angst bekam. Das ist bestimmt ein Jugendlicher, der sie mit seinem schnellen Auto einschüchtern will, sagte sie sich. Gleich wird die Straße zweispurig, und dann kann er mich überholen, sprach sie sich selber Mut zu. Doch ihr Verfolger dachte nicht daran, und sie bekam immer größere Angst. Ihre Finger umklammerten krampfhaft das Lenkrad, während sie das Gaspedal durchdrückte. Liberty Hill war noch eine Meile entfernt. Sie musste Nick anrufen, damit er sie von diesem Verrückten befreite. Sie griff nach ihrem Handy, doch bevor sie die Nummer wählen konnte, fiel der Fahrer hinter ihr plötzlich zurück. Überrascht blickte sie in den Rückspiegel. Genau in dem Moment hörte sie einen Schuss. Und nur eine Sekunde später war ihr rechter Vorderreifen geplatzt. Entsetzt schrie sie auf. Ihr Wagen geriet ins Schlingern. Angestrengt versuchte sie das Steuer gerade zu halten, aber es gelang ihr nicht. Bäume schössen an ihr vorbei, als sie geradewegs auf einen Abhang zuraste. „O Gott, o Gott." Das war alles, was sie noch sagen konnte, bevor der Wagen auf einen riesigen Felsen aufprallte. Der Airbag explodierte, und ihr Kopf wurde gegen die Türscheibe geschleudert. Ein stechender Schmerz durchfuhr sie. Stöhnend wollte sie sich an die Schläfe fassen, doch dazu kam sie nicht mehr, denn eine tiefe Dunkelheit hüllte sie plötzlich ein.
11. KAPITEL Sie war spät dran. Die Gäste trafen nacheinander ein und unterhielten sich angeregt. Nur von Lizzie war noch nichts zu sehen. Zeke sah zum zehnten Mal innerhalb einer Minute auf die Uhr. Er versuchte sich einzureden, dass zwanzig Minuten Verspätung noch kein Grund zur Sorge wären. Zwar hatte sie gesagt, dass sie nur eine Viertelstunde brauchte, aber er kannte die Frauen. Die Kleidungsstücke mussten farblich zusammenpassen, ebenso das Make-up. Im Grunde genommen brauchte sie gar keine Kosmetik, denn sie war von Natur aus eine Schönheit. Das würde er ihr auch gleich sagen, sobald sie eintreffen würde. Als es erneut an der Tür klingelte, öffnete er sie sofort, nur um enttäuscht festzustellen, dass es weitere Gäste waren. Von Minute zu Minute wuchs seine Sorge. Irgendetwas stimmte nicht. Ich ruf sie jetzt an, entschied er. Und sollte sie nicht an den Apparat gehen, würde er ihr entgegenfahren. Auf dem Weg zum Telefon kam ihm Joe entgegen. Sein Gesichtsausdruck ließ nichts Gutes ahnen. „Es ist etwas mit Elizabeth passiert", sagte Zeke sofort. Joe nickte. „Nick hat angerufen. Elizabeth hatte einen Unfall. Sie wird gerade ins Krankenhaus gefahren." Die Nachricht traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht. „Wie schlimm ist es?" fragte er mit angstvoller Stimme. Er zuckte die Achseln. „Nick sagte nur, dass sie ohnmächtig wäre." Dann überreichte er Zeke seinen Wagenschlüssel. „Hier, nimm meinen Wagen. Deiner ist zur Zeit zugeparkt." Sofort rannte Zeke los. Selbst seine Jacke ließ er liegen. Draußen schlug ihm die Kälte entgegen, aber er nahm davon keine Notiz. Seine Gedanken waren bei Elizabeth. Verdammt, warum war er nicht zur Stelle gewesen, als sie ihn gebraucht hatte? Elizabeth war froh, am Leben zu sein. Im Krankenhaus wurde ihr wiederholt gesagt, dass sie sehr viel Glück gehabt hatte. Sie war mit einer Gehirnerschütterung, einem verstauchten Handgelenk und Quetschungen am Rücken eingeliefert worden. Doch in Anbetracht des völlig zerstörten Autos musste sie einen Schutzengel gehabt haben. Dafür sollte sie dankbar sein, aber es fiel ihr unendlich schwer, denn immer noch hallte der Gewehrschuss in ihren Ohren. Er hatte wirklich versucht, sie zu töten. Wusste er bereits, dass er keinen Erfolg gehabt hatte? Und würde er wiederkommen? Panik befiel sie. Zwar wusste sie, dass Nick vor der Tür stand, aber trotzdem hatte sie entsetzliche Angst. Und als es auf dem Gang plötzlich sehr laut wurde, war jeder Muskel ihres Körpers bis aufs Äußerste angespannt. Sie versuchte sich aufzusetzen, als die Tür sich öffnete und Zeke hereingestürmt kam. Ihm folgten Nick und eine empörte Krankenschwester, die versuchte, die beiden Männer aufzuhalten. „Wir stören nur kurz", sagte Nick, um sie zu besänftigen. „Ich bleibe hier", meinte Zeke mit einem besorgten Blick auf Elizabeth. „Sir, das geht nicht", schimpfte die Krankenschwester. „Ich werde unseren Sicherheitsdienst informieren!" Nick musste lachen. „Das ist nicht nötig." „Sie wollen Sicherheit?" fragte Zeke und hielt ihr seinen Dienstausweis vor die Nase. „Und jetzt entschuldigen Sie uns bitte. Wir müssen uns mit Miss Davis unterhalten." Beleidigt verließ die Krankenschwester das Zimmer. „Wir werden schon sehen, was der Doktor dazu sagt." Zeke sah sich besorgt Elizabeths blasses Gesicht und den Verband um ihren Kopf an. Wut stieg in ihm auf, als ihm ehester Grant dabei in den Sinn kam.
Am liebsten hätte er sie sofort in die Arme genommen und getröstet, aber in Anbetracht ihrer Verletzungen begnügte er sich mit ihrer Hand. „Nick hat mir erzählt, was passiert ist", sagte er heiser. „Geht es dir gut?" Es war ihr nie schlechter gegangen, aber seitdem er ihre Hand hielt, war die Angst von ihr gewichen. Erleichtert erwiderte sie den Händedruck. „Ja, aber ich glaube, ich komme zu spät zu deiner Mutter, oder?" „Nur ein wenig", sagte er mit einem zaghaften Lächeln. „Und nächstes Mal, wenn du die Abkürzung durch die Schlucht nimmst, umfahr bitte die Felsen. Das tut den Autos weh." „Und mir erst", antwortete sie lachend. Doch sofort durchfuhr sie ein heftiger Schmerz, der sie aufstöhnen ließ. Sie drückte seine Hand fester und fragte mit zusammengebissenen Zähnen: „Kannst du mich hier1 herausholen? Ich glaube, dass ich mich bei deiner Mutter besser erholen kann." Zeke stellte sich gerade die vielen lauten Gäste im Hause seiner Mutter vor. Aber es gab keinen anderen Aufenthaltsort, der infrage käme. Im oberen Geschoss würde sie Ruhe finden. Und in der Zwischenzeit würde er sich um ehester Grant kümmern können. „Ich werde das sofort feststellen, Liebling", versicherte er ihr. „Bin gleich zurück." Im Flur zog er Nick beiseite. „Ich werde zu ehester fahren. Versuche nicht, mich aufzuhalten. Dafür wird er zahlen." Nick bemerkte Zekes entschlossene Miene. „Ich komme mit. Der Richter hat mir die Genehmigung gegeben. Das sollten wir erledigen, bevor der Kerl Beweismittel vernichten kann. Ich hole mir den Durchsuchungsbefehl ab, und du bringst Elizabeth zu deiner Mutter. Dann treffen wir uns im Büro, bevor wir zu Grant fahren, okay?" Mit finsterem Blick nickte Zeke. „Bleib hier, solange ich mit dem Arzt rede." Im Flur traf er auf die immer noch verärgerte Krankenschwester. „Ich habe mit Dr. Wells gesprochen", sagte sie selbstgefällig. „Er ist auf dem Weg hierher." „Das trifft sich gut", erwiderte Zeke. „Dann kann er sie gleich entlassen." „Das geht auf keinen Fall!" rief die ältere Frau aufgebracht. Dr. Wells, der in dem Moment dazukam, stimmte der Schwester zu. Zeke war mit dieser Antwort nicht zufrieden. „Sie ist in großer Gefahr und muss rund um die Uhr bewacht werden. Sie brauchen sich nicht um sie zu sorgen, denn meine Schwester ist Krankenschwester und wird sie betreuen." Unter diesen Umständen gab der Arzt seine Einwilligung. „Zweifellos ist sie zu Hause am besten aufgehoben, aber sollten ihre Kopfschmerzen sich verschlimmern, muss sie sofort wieder hierher gebracht werden." Zeke gab ihm sein Wort, und fünfzehn Minuten später verließen sie gemeinsam das Krankenhaus. „Ich kann alleine gehen", protestierte Elizabeth, als er sie auf dem Weg zum Wagen seines Bruders stützten wollte. „Wo ist denn dein Truck?" „Auf der Ranch", sagte er leichthin. „Er ist zugeparkt, deshalb durfte ich mir Joes ausleihen." Er wusste, dass er ihr von der Party hätte berichten müssen, aber er wollte es ihr erst sagen, wenn sie dort waren. „Du solltest dich geschmeichelt fühlen", meinte er stattdessen, als er ihr die Wagentür aufhielt. „Joe erlaubt nicht jedem, in seinem Auto mitzufahren. Er mag dich. Ich glaube, ich muss ein Auge auf ihn werfen, denn schließlich bist du schon vergeben." Er hatte das gesagt, um sie aufzuheitern und auf andere Gedanken zu bringen. Und das schien ihm auch geglückt zu sein, denn ihre Wangen färbten sich rot, als sie ihm kurz einen fragenden Blick zuwarf. Sie war vergeben. Sie gehörte ihm. Wann war das geschehen? Ihm war nur klar, dass er sie nie mehr gehen lassen würde. Zaghaft griff er nach ihrer Hand und küsste sie sanft. „Schließ deine Augen, Liebes, und ruh dich aus."
Das ließ sie sich nicht zwei Mal sagen, denn sie war sehr müde und hatte schreckliche Kopfschmerzen. Sobald sie den Kopf gegen die Rücklehne lehnte, fiel sie in einen tiefen Schlaf. Zeke fuhr so vorsichtig wie möglich, um sie nicht zu wecken. Erst als sie vor dem Haus seiner Mutter anhielten, wachte sie auf. Durch müde Augen erblickte sie die vielen Autos vor dem Haus. Erschreckt setzte sie sich gerade hin, um es im nächsten Augenblick bitter zu bereuen. Ein starker Schmerz fuhr ihr in den Kopf. „O Gott", stöhnte sie. „Immer mit der Ruhe, mein Schatz. Mach dir keine Sorgen. Es ist nur eine kleine Geburtstagsparty." „Geburtstag?" „Guck doch nicht so entsetzt. Meine Mutter gibt jedes Jahr ein Fest für jeden, der kommen mag. Ich wollte dich auch einladen, aber mir ist erst heute Abend die Party wieder eingefallen, als ich mit meiner Mutter sprach." „Du hast deine Mutter damit belästigt, während sie bei den Vorbereitungen für diese Riesenparty war? O nein, Zeke." „Nun hör mal auf", sagte er lachend. „Wenn du meine Mutter kennen würdest, dann würdest du das nicht sagen. Sie hat die Ruhe weg. Und sie freut sich auf dich. Also beruhige dich, Liebling." „Aber es ist eine Party, und jetzt sieh mich mal an, Zeke!" Ihr Pullover war blutverschmiert, und ihr Kopf war bandagiert. „Ich sehe grauenvoll aus. Meine Tasche ist noch im Auto, und ich habe jetzt bestimmt keine Lust, mich auf einer Gesellschaft zu amüsieren. Mir ist zum Heulen zu Mute." Sie wollte sich nicht beschweren, aber sie war am Ende ihrer Kräfte angelangt. Tränen rollten ihr über die Wangen, als sie ihren schmerzenden Kopf an seine Schulter lehnte. Zärtlich streichelte er ihren Rücken. „Ist ja gut, mein Schatz. Keiner erwartet von dir, auf eine Party zu gehen. Ich bringe dich durch den Hintereingang in dein Zimmer. Niemand wird dich sehen. Okay?" Sie war so entsetzlich müde. „Was wird nur deine Mutter von mir denken", murmelte sie, bevor ihr die Augen zufielen. „Meine Mutter wird dich lieben", sagte er leise, aber sie hörte es nicht mehr. Er trug sie vorsichtig in das Schlafzimmer, das seine Mutter bereits vorbereitet hatte. Als er sie auf das Bett legte, betrat Sara McBride das Zimmer. Sie half ihm, ihr die Schuhe auszuziehen. „Wie geht es ihr?" flüsterte sie. „Wir können froh sein, dass sie lebt", antwortete Zeke leise und berichtete ihr anschließend von ihren Verletzungen. „Sie hatte Angst, dir die Party zu ruinieren." „Ach, das arme Mädchen. Als wenn es nichts Wichtigeres gäbe. Weißt du schon, wer ihr das angetan hat?" Grimmig nickte er. „Ich glaube schon. Nick und ich wollen ihm gleich einen Besuch abstatten." Er musste gehen, aber als er Elizabeth zärtlich das Haar aus dem Gesicht zurückschob, meinte er: „Der Doktor will, dass wir sie beobachten." „Ich sage Janey Bescheid. Wenn sich ihr Zustand verschlechtern sollte, bringen wir sie ins Krankenhaus zurück", versprach sie ihm. Zeke wusste, dass er sich auf seine Familie verlassen konnte. Eine Riesenlast fiel ihm von den Schultern. „Danke, Mom", sagte er und zog sie in seine Arme. „Ich bin so bald wie möglich zurück." „Sei vorsichtig", mahnte sie ihn, bevor sie ihm in den Flur folgte. „Wir wollen nicht noch einen Verletzten." Ihm würde schon nichts passieren, aber ob das auch für Chester Grant galt, konnte er nicht versprechen.
Chester wohnte in einem kleinen Holzhaus in der Nähe seiner Werkstatt. Das Haus befand sich in einem genauso schäbigen Zustand wie seine Arbeitsstätte. Als Nick mit dem Streifenwagen vor dem Haus hielt, betrachtete er stirnrunzelnd die vielen Autos, die davor parkten. „Was geht denn hier vor? Gibt er etwa auch eine Party?" Zeke schnaubte wütend aus. „Ich kann mir kaum vorstellen, dass jemand freiwillig dieses heruntergekommene Haus betreten möchte." Doch alle Fenster waren hell beleuchtet. Und als sie näher traten, hörten sie lautes Gelächter. Grimmig schlug Nick mit der Faust gegen die Tür. „Hier ist Sheriff Kincaid. Öffne die Tür. Ich habe einen Durchsuchungsbefehl." Sofort erstarben die Stimmen. Stattdessen hörten sie aufgeregtes Geflüster und Stühlerücken. Nick und Zeke wechselten einen wissenden Blick. Ohne Vorwarnung drückte Nick die Tür ein. Mit den Waffen im Anschlag, stürmten sie ins Haus. „Stehen bleiben!" Zeke hatte erwartet, ehester mit dem Gewehr vorzufinden, das er schnell verstecken wollte. Doch stattdessen saßen fünf Männer an einem runden Tisch und versuchten Geld und Karten in ihren Hemden verschwinden zu lassen. Sofort erkannten sie, dass eine Pokerrunde im Gange gewesen war. Nick steckte seine Pistole wieder ein. „Verdammt, ehester, warum hast du die Tür nicht geöffnet?" „Du hattest kein Recht, sie kaputtzumachen", wimmerte ehester. „Jetzt muss ich eine neue besorgen." „Wo warst du den ganzen Abend?" wollte Zeke wissen. „Und sage nicht, dass du hier warst. Ich weiß es besser." „Doch, er war hier", bestätigte Carl Merchant etwas verwirrt. „Seit halb fünf spielen wir Karten." „Und ehester ist nicht zwischendurch weggegangen?" fragte Nick misstrauisch. Ein anderer Mann verzog das Gesicht. „Verdammt, ich wünschte, er wäre gegangen. Der Kerl hat eine Glückssträhne. Wären das nicht zufällig meine Karten, würde ich meinen, die wären gezinkt." Wie kam es bloß, dass ein Mann mit einem Spatzenhirn ein Alibi hatte, wenn er es brauchte, fragte sich Zeke. Es sei denn, er war vorher gewarnt worden. „Und wie oft habt ihr hier schon gepokert?" fragte Zeke beiläufig. „Heute war das erste Mal", antwortete Carl nichts ahnend. „Aber auch das letzte Mal. Du sagst doch meiner Frau nichts davon, Nick?" Nick sah die Männer lange schweigend an. Der Angstschweiß stand ihnen bereits auf der Stirn, als er endlich antwortete: „Diesmal habt ihr Glück gehabt. Aber wenn ich euch noch einmal erwische, werdet ihr nicht nur mit euren Ehefrauen Ärger bekommen. Macht, dass ihr wegkommt." ehester wollte sich schon mit hinausschleichen, als er zurückgerufen wurde. „Wir durchsuchen jetzt dein Haus." „Nur zu", sagte er lässig. „Ich habe nichts zu verbergen." Leider behielt er Recht. Stunden später hatten Zeke und Nick außer Schmutz nichts Verdächtiges finden können. Doch Zeke wollte sich noch nicht geschlagen geben. Er konnte dem schmierigen Mistkerl das schlechte Gewissen ansehen. „Elizabeth Davis ist heute Abend fast getötet worden", sagte er mit scharfer Stimme. Da er Chesters Gesicht genau beobachtete, entging ihm nicht ein kurzes Zucken in den Augen. Doch der Kerl hatte sich schnell wieder unter Kontrolle. „Ach ja?" „Jemand hat ihren Reifen zerschossen, und sie ist eine Schlucht hinuntergestürzt. Du weißt, dass du dich mitschuldig machst, wenn du den Täter deckst", fügte Nick hinzu. „Dafür gehst du jahrelang ins Gefängnis."
Zeke sah, dass Chesters Gesicht erblasste. „Willst du für etwas, was du nicht getan hast, in den Knast wandern? Ist es das, was du willst?" „N-nein!" stotterte er. „Dann sag uns, was du weißt", versuchte Zeke ihn unter Druck zu setzen. „Arbeite mit uns zusammen. Wir wissen doch, dass du beteiligt bist. Noch ist es nicht zu spät." Einen Augenblick schien es so, als wollte er gestehen. Kreidebleich und schweißbedeckt öffnete er den Mund, als wenn er nach den richtigen Worten suchen würde. Doch dann trat er entschlossen einen Schritt zurück und lehnte sich an die Wand. „Ich weiß nichts!" schrie er verzweifelt. „Warum lasst ihr mich nicht in Ruhe? Ihr habt die Jungs gehört. Ich war die ganze Zeit hier. Fertig, aus." Es war zwecklos, ihn weiter zu befragen, denn er verweigerte jede Antwort. Bevor Nick und Zeke die Tür hinter sich zuknallten, warnten sie ihn noch. „Wir werden dich auf Schritt und Tritt beobachten." Als ehester mit seiner Angst alleine war, jammerte er: „Es sollte doch niemand dabei verletzt werden." Am nächsten Morgen wachte Elizabeth voller Schmerzen auf. Sie hatte das Gefühl, von einem Lastwagen überrollt worden zu sein. Jeder Knochen tat ihr weh. An die letzte Nacht konnte sie sich nur noch vage erinnern. Sie wusste nicht mehr, wie sie ins Bett gelangt war. Allerdings hatte sie bemerkt, dass Zekes Schwester ihr ein hübsches Nachthemd angezogen hatte. Irgendwann meinte sie auch, Zeke in einem Stuhl neben ihrem Bett gesehen zu haben. Doch jetzt war sie allein. Vorsichtig hob sie den Kopf an und ließ neugierig den Blick durch den Raum wandern. Es musste sich um Zekes ehemaliges Kinderzimmer handeln. Eine Steinsammlung lag in einem Regal neben einer Reihe Krimis und Cowboybücher. Elizabeth konnte sich ihn bildlich vorstellen, wie er als Kind, mit Löchern in den Knien seiner Jeans, mit seinem Bruder über die Ranch lief. Sicherlich hat er früher auch seine Schwestern geärgert. Schmunzelnd wäre sie fast wieder eingeschlafen, als sie ein leichtes Klopfen an der Tür hörte. Zeke trat lächelnd ein. „Dornröschen ist also aufgewacht. Schön, dann kann sie ja mit mir frühstücken." In den Händen hielt er ein Tablett voller Köstlichkeiten. „Alles, was das Herz begehrt", sagte er und setzte es auf ihrem Schoß ab. „Da du das Abendessen verpasst hast, dachte meine Mutter, dass du hungrig sein müsstest." Er lehnte sich zu ihr hinunter und gab ihr einen zärtlichen Kuss. Wie sehr hatte sie sich danach gesehnt? Wenn sie doch nur jeden Morgen so geweckt werden würde. Doch sie wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis er sich einer anderen Frau zuwenden würde. Ihre Mutter hatte damit umgehen können, aber sie wollte nicht mit einem gebrochenen Herzen leben. Nein, diese kostbaren Momente waren gezählt. Deshalb genoss sie bewusst jede einzelne Sekunde. Sie schlang die Arme um seinen Hals und sah ihm lächelnd in die Augen. „Guten Morgen." Ihr Lächeln traf ihn mitten ins Herz. „Einen guten Morgen wünsch ich dir auch", sagte er heiser und widerstand der Versuchung, sie erneut zu küssen. Sie sah so wunderschön aus. Trotz der blauen Flecken und des Verbands lief sein Herz vor Glück über. Und sie schien nichts davon zu spüren. Nach der Auflösung seiner Verlobung hatte er sich geschworen, nie wieder eine Frau so nahe an sich heranzulassen. Doch jetzt war alles anders. Sie hatte sein Herz gewonnen und gehörte hierher, zu ihm. Allein der Gedanke, dass sie bald getrennte Wege gehen müssten, versetzte ihn in Panik. Er wollte sie nicht verlieren. Fast hätte er ihr gesagt, wie sehr er sie liebte. Aber es war noch nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Sobald es so weit wäre, würde er um ihre Hand anhalten.
Er zwang sich zur Geduld. „Führe mich nicht in Versuchung. Was soll sonst meine Mutter denken, wenn sie plötzlich hier reinkommen sollte?" zog er sie lachend auf. „So, jetzt wird gefrühstückt." Unter Protest ließ sie sich von ihm füttern, denn er konnte ihr ansehen, wie sehr sie unter Schmerzen litt. „Tut der Rücken sehr weh?" fragte er besorgt. Sie zog eine Grimasse. „Ich fühle jeden einzelnen Knochen in meinem geschundenen Körper." „Nimm diese Schmerztabletten und ruh dich weiter aus", befahl er ihr liebevoll, bevor er den Raum verließ. Zum Mittagessen war Zeke zurück, hatte aber nur wenig Zeit, denn Nick brauchte ihn im Büro. Viele entrüstete Bürger hatten sich gemeldet, nachdem sie von Elizabeths Unfall erfahren hatten. Außerdem gab es immer noch Anrufe wegen der Belohnung. Er half Elizabeth ins Wohnzimmer und machte es ihr dort gemütlich. „Wenn du mich brauchst, kann meine Mutter mich anrufen. Ich verspreche dir, innerhalb von zehn Minuten hier zu sein." „Ihr wird es gut gehen", versicherte Sara McBride lächelnd. „Sollte Elizabeth müde werden, kann sie hier auf der Couch schlafen." „Mach dir um mich keine Gedanken, Zeke", sage Elizabeth, als er immer noch zögernd herumstand. „Glaub mir, ich werde mich nicht von der Stelle rühren." „Na gut, ich gehe jetzt." Zum Abschied gab er ihr einen innigen Kuss. Elizabeth war das etwas peinlich. Doch Sara McBride lächelte nur und ließ sich in den Schaukelstuhl vor dem brennenden Kamin nieder. „Das muss dir nicht unangenehm sein, Liebes. Zeke konnte noch nie einer schönen Frau widerstehen." Jetzt kommt's, dachte Elizabeth. Jetzt würde sie die Wahrheit über die vielen Liebschaften ihres Sohnes erfahren. Sie wusste, dass Sara McBride sie nicht verletzen wollte. Sie war eine nette und ehrliche Frau. Aber Elizabeth wollte unbedingt die Wahrheit über Zeke wissen. Sie lehnte sich im Stuhl zurück und fragte vorsichtig: „Da gab es bestimmt eine ganze Reihe von." Das konnte Sara nicht verneinen. „Er hat den Charme seines Vaters geerbt. Mein Gott, Gus war auch so ein Charmeur. Ich war einundzwanzig Jahre alt, als ich ihn kennen lernte. Und die Hälfte der weiblichen Bevölkerung des Landes war hinter ihm her", lachte sie bei der Erinnerung. „Ich hätte nie gedacht, dass er von mir Notiz nehmen würde." Erstaunt, dass Sara so freizügig über diesen offensichtlichen Weiberhelden sprach, platzte sie heraus: „Und das hat Ihnen nichts ausgemacht?" „Was? Dass er mit anderen Frauen geflirtet hat, bevor er mich kennen lernte? Nein ..." „Ich meine hinterher. Nach der Heirat." Verwirrt hielt Sara plötzlich inne. „Wie bitte?" „Es tut mir Leid", entschuldigte sich Elizabeth schnell. Sie hätte sich auf die Zunge beißen können. „Es geht mich natürlich nichts an. Ich dachte nur, dass es sehr schmerzvoll gewesen sein muss ..." „Schmerzvoll?" fragte die ältere Frau stirnrunzelnd. „Elizabeth, willst du von mir wissen, ob mein Mann treu war?" Peinlich berührt, nickte sie. „Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten." Doch als Sara plötzlich laut lachte, war Elizabeth sehr erstaunt. „Ich frage mich nur, wie du zu dieser Schlussfolgerung kommst. Sicher, die Frauen liebten Gus, aber von dem Tag an, an dem er sich in mich verliebte, hat er nie wieder eine andere Frau angesehen." Nach einer Pause fuhr sie fort. „Die McBrides sind sehr loyal. Ebenso die Kinder. Deshalb hat Joe auch nie wieder geheiratet, nachdem seine geliebte Belinda ihn verlassen hatte. Das hat er bis heute noch nicht überwunden."
„Aber was ist mit Zeke?" fragte Elizabeth unsicher. „Mir wurde erzählt, dass er seine Verlobte betrogen hätte." Auch Sara hatte von diesem Märchen gehört, sich jedoch nie darum gekümmert. Doch dieser Frau schien die Antwort sehr wichtig zu sein. „Zeke und Rachel hatten sich während des letzten Studienjahres verlobt", erklärte sie. „Sie haben in verschiedenen Städten studiert und sich deshalb selten gesehen. An einem Valentinstag wollte Zeke sie mit seinem Besuch überraschen und fand sie mit einem anderen Mann im Bett vor." „O nein!" „Es war schrecklich für ihn", fuhr Sara leise fort. „Er hat sofort die Verlobung gelöst, aber lange Zeit mit niemandem darüber gesprochen. So entstanden die Gerüchte, und da er gerne flirtete, gab man selbstverständlich ihm die Schuld. Dabei ist er wie sein Vater. Die Frau, die sein Herz gewinnen wird, kann sich seiner Treue sicher sein." Elizabeth zweifelte nicht an Saras Worten. Zu spät wurde ihr bewusst, dass sie ihn falsch beurteilt hatte. Er war nicht wie ihr Vater, der ständig Frauenherzen gebrochen hatte. Mit einem Mal wollte sie unbedingt mit Zeke sprechen. „Wo ist das Telefon, Sara? Ich muss mit ihm reden." „In der Küche", antwortete Sara überrascht. „Aber bleib sitzen. Ich bringe es dir." Weiter kam sie nicht, denn vor ihr stand plötzlich ein Mann. Sie hatten sein Eindringen nicht bemerkt. In der Hand hielt er ein Gewehr.
12. KAPITEL „Geh aus dem Weg, Sara", krächzte er. „Von dir will ich nichts. Aber von der da", sagte er mit wirrem Blick und deutete mit seiner Waffe auf Elizabeth. Sara rührte Sich nicht von der Stelle. „Butch Jenkins, was zum Teufel soll das werden? Bist du von allen guten Geistern verlassen? Pack sofort das Ding weg", schrie sie ihn wütend an. „Den Teufel werde ich tun. Ich hab ihr gesagt, dass sie mit ihren verdammten Wölfen verschwinden soll. Aber sie hat sich geweigert. Dafür wird sie jetzt bezahlen." Erschreckt starrte Elizabeth auf den Gewehrlauf, der auf sie gerichtet war. Sie spürte, dass Sara zögerte, und das machte ihr Angst. Spiel nicht den Helden. Du kannst dabei nur verlieren. Weit und breit war niemand, der ihnen hätte helfen können. Zeke war in der Stadt, und Joe, der dachte, dass sie auf der Ranch in Sicherheit wären, war unterwegs und reparierte Zäune. „Sara, es ist schon in Ordnung", sagte sie ruhig. „Wir werden tun, was er verlangt. Vielleicht können wir noch mal miteinander reden." „Halt die Klappe!" stieß er wütend hervor. „Ich habe das Gerede satt. Vor allem die Lügen! Schade, dass du letzte Nacht nicht abgekratzt bist. Du musst immer alles so kompliziert machen. Aber damit ist jetzt Schluss." Aus seiner Jackentasche zog er einen Strick und warf ihn Elizabeth zu. „Los, binde sie fest", befahl er ihr. „Butch, lass das doch", bat Sara inständig. „Wir können uns mit Zeke und Joe zusammensetzen und darüber reden." „Kümmere dich um deinen eigenen Kram", schrie er und befahl Elizabeth erneut, Sara zu fesseln. Sie traute sich nicht, ihm nicht zu gehorchen, denn er war wie von Sinnen. Sein Finger zuckte nervös am Abzug der Waffe. Er würde nicht zögern, sie und womöglich auch Sara zu erschießen. Langsam ging sie auf Sara zu und fing an, ihre Hände mit dem Strick festzubinden. „Hinter dem Rücken fesseln! Und wehe, du bindest nicht fest genug. Dann bist du dran." Wortlos trat Elizabeth hinter Sara und zog den Strick stramm um die Handgelenke. Zwar hätte sie es gerne locker gebunden, so dass Sara sich hätte alleine befreien können, aber sie wagte es nicht, den Mann zu verärgern. „Es tut mir Leid", flüsterte sie ihr zu. „Ich will nichts riskieren. Zeke würde es mir nie verzeihen." Dann trat sie zurück. „Sie ist gefesselt", sagte sie ruhig. Natürlich kontrollierte er es. „Schade, dass du nur hören kannst, wenn ein Gewehr auf dich gerichtet ist", knurrte er. „Jetzt wollen wir ein wenig spazieren fahren." „Nicht!" schrie Sara. „Du hast dir schon genug Ärger aufgehalst, Butch. Willst du auch noch eine Entführung auf deine Kappe nehmen?" „Ich verteidige nur mein Eigentum", erklärte er mit einer erschreckenden Logik. „Du weißt, was uns die Wölfe damals angetan haben, Sara. Mein Vater hat Sich das Gehirn weggeblasen. Vor meinen Augen. Wusstest du das, Sara? Und das alles wegen der Wölfe. Sie haben uns alles genommen. Das soll nicht noch mal passieren. Selbst wenn ich sie und die verdammten Wölfe dafür umbringen muss. Ich werde meine Ranch nicht verlieren!" Wild entschlossen schubste er Sara in eine Abstellkammer und knallte die Tür zu. Dann zog er Elizabeth grob an den Haaren. „Du tust, was ich dir sage, oder du bist tot", warnte er sie und schob sie zur Tür. Ein starker Schmerz durchfuhr sie, aber sie vermied es aufzustöhnen. Draußen auf der Auffahrt stand sein Track mit laufendem Motor. „Du fährst", befahl er. „Steig ein." Wenn du jetzt losfährst, wirst du Zeke nie wieder sehen, schoss es ihr in den Kopf.
Aber sie hatte keine andere Wahl. Der Mann war völlig verrückt. Egal was sie tat, er würde sie töten. Die Frage war nur, wann? Vielleicht könnte sie ihn mit einem Gespräch ablenken, um dann irgendwie zu flüchten. Es war nur eine sehr geringe Chance. Sie setzte sich hinter das Lenkrad und folgte seinen Anweisungen, während die ganze Zeit das Gewehr auf sie gerichtet war. Es war einer dieser verrückten Tage. Das Telefon stand nicht still. Viele Leute aus der Stadt riefen an, weil sie sicher waren, wichtige Informationen bezüglich des Attentats auf Elizabeth zu haben. Erst jetzt wurde den Menschen klar, dass unter ihnen ein Verrückter leben musste. Sie wollten, dass man ihn fand. Zeke freute sich über die rege Anteilnahme. Kaum hatte er den Hörer aufgelegt, als es erneut klingelte. Hazel Abbot, die Bibliothekarin von Liberty Hill, war am Apparat. „Zeke, ich rufe wegen der Belohnung an. Ich glaube, ich habe interessante Neuigkeiten." Überrascht fragte Zeke: „Und die wären, Miss Abbot?" „Ich habe zwei Männer dabei beobachtet, wie sie etwas die Beaver-Creek-Brücke hinunterwarfen. Ich war gerade auf dem Weg zu meiner Schwester. Als sie mich erblickten, drehten sie sich schnell weg, als wenn sie etwas zu verbergen hätten. Ich weiß zwar nicht, was, aber ich denke, Sie sollten es wissen." „Sie haben richtig gehandelt", versicherte ihr Zeke und machte sich Notizen. „Wann war das? Und haben Sie die Männer erkannt?" „Dienstag, am späten Nachmittag", antwortete sie prompt. „Die Bücherei schließt an dem Tag um zwei, und dann besuche ich immer meine Schwester." „Und die Männer?" Sie zögerte. „Ich möchte keine Namen nennen, da ich ihre Gesichter nicht genau gesehen habe, aber ein Stückchen weiter parkte der Abschleppwagen von ehester Grant." „Und er saß nicht drin?" „Nein. Hoffentlich nützt Ihnen die Information", sagte sie. „Ich werde der Sache nachgehen", antwortete er und legte auf. „Guck mal, wen ich draußen vor dem Büro aufgegabelt habe", sagte Nick, als er mit ehester Grant das Büro betrat. „Ich glaube, da will uns jemand was erzählen, nicht wahr, ehester?" Wie erstarrt nickte der ältere Mann. Zeke goss ihm eine Tasse Kaffee ein und reichte sie ihm. „Warum setzt du dich nicht hin?" Chester umfasste die Tasse mit beiden Händen. Stirnrunzelnd fing er an: „Niemand sollte verletzt werden." „Wer ist verletzt worden?" fragte Nick schnell. „Über wen redest du?" „Die Frau von der Regierung." Er warf Zeke einen gequälten Blick zu. „Ich habe ihr nichts getan, Zeke. Das musst du mir glauben. Wir wollten sie nur erschrecken." Mit Gewalt riss sich Zeke zusammen. „Wer ist wir?" Schuldbewusst führ Chester fort: „Er tötet mich, wenn ich es sage. Er ist verrückt! Der Wolf sollte eigentlich gar nicht sterben. Was meinst du, warum wir das vergiftete Fleisch vor dem Freigehege hingelegt haben? Sie sollte nur wissen, dass wir in der Lage wären, die Wölfe zu töten." „Wo habt ihr das Gift her? Habt ihr es gestohlen?" „Nein! So was würden wir niemals tun. Er hatte noch Rattengift zu Hause. Wir wollten ihn nicht töten, aber dann ist der Wolf uns zufällig über den Weg gelaufen. Da hat er sich einfach das Gewehr im Wagen geschnappt und ihn erschossen. Einfach so." Er stöhnte. „Wir haben den Kadaver in die Berge mitgenommen", fuhr er fort. „Ich dachte, wir würden ihn irgendwo verschwinden lassen, aber dann hat er sein Jagdmesser genommen und ihn zerschnitten." Chester musste sich schütteln. „Er wollte dasselbe mit der Frau machen, sagte er. Ich habe das nicht ernst genommen, da wir mein Gewehr in den Beaver Creek geworfen hatten. Aber ich kann nicht zulassen, dass er sie wirklich umbringt."
„Wer?" fragte Nick. „Verdammt, Chester. Sag uns den Namen!" In die Enge getrieben, blieb ihm nichts anderes übrig, als die Wahrheit zu sagen. „Butch Jenkins!" schrie er. Fluchend schnappte sich Zeke seine Jacke. „Den bringe ich um!" „Zeke, warte!" rief Nick ihm zu und wollte ihm nachgehen. In dem Moment klingelte das Telefon. Er nahm den Hörer ab und hörte die zittrige Stimme von Sara McBride am anderen Ende des Apparates. „Nick? Gib mir schnell Zeke. Das ist ein Notfall." „Das ist für dich", hielt er Zeke den Hörer hin. „Deine Mutter. Irgendetwas stimmt nicht." Mit zwei Schritten war er am Telefon. „Mom? Was ist los?" „Zeke, Gott sei Dank!" schluchzte sie. „Es geht um Elizabeth. Butch Jenkins war gerade hier ..." „Hat er ihr was getan?" „Er hat sie mitgenommen. Ich habe versucht, ihn aufzuhalten. Aber er hatte eine Waffe bei sich, und ich wurde gefesselt." „Geht es dir gut?" fragte er schnell. „Ja, aber er ist mit ihr weg. Er will sie töten!" „Dann ist er auch ein toter Mann", sagte er mit kalter Stimme. „Hat er erzählt, wo hin er will?" „Nein, nur dass er sie und die Wölfe töten wollte. Pass auf dich auf. Er ist zu allem entschlossen." „Das bin ich auch", antwortete er wütend. Nachdem er aufgelegt hatte, wandte er sich wieder ehester zu. „Wo hat er sie hingebracht?" „Ich weiß es nicht. Ehrlich." „Erzähl mir keinen Müll!" schrie er ihn an und zog ihn am Hemd hoch. „Du sagtest, dass ihr Napoleon in die Berge mitgenommen hattet. Wo genau?" „In die a-a-alte Mine. Da schießen wir manchmal ein bisschen rum. Vielleicht ist er da." Das war ein Anhaltspunkt. „Wenn nicht, kommen wir wieder", versprach ihm Zeke und ließ ihn fallen, bevor er mit Nick das Büro verließ. Er hätte ihr seine Liebe gestehen sollen. Mit zusammengebissenen Zähnen saß Zeke schweigsam im Polizeiwagen, während sie mit Sirenengeheul aus der Stadt rasten. Nick rief per Funk um Verstärkung. Doch Zeke war mit seinen Gedanken bei Elizabeth. Als er sie am Morgen zum Abschied geküsst hatte, hatte er gewusst, dass er den Rest seines Lebens mit ihr verbringen wollte. Warum hatte er es ihr nicht gesagt? Jetzt könnte es für immer zu spät sein. Fluchend reduzierte Nick die Geschwindigkeit, nachdem er fast die Kontrolle über das Fahrzeug verloren hatte. „Ich hätte mir denken können, dass es Butch ist. Der war auf jeder verdammten Versammlung. Er hat aber nie den Mund aufgemacht. Das hätte mich stutzig machen müssen. Hat sein Vater sich nicht vor seinen Augen eine Kugel durch den Kopf gejagt? Weil ein Wolfsrudel sein Vieh gerissen hatte?" Zeke nickte. „Ich erinnere mich, dass mein Vater mir davon berichtet hat. Die Wölfe waren damals nicht den Elchen in den Norden gefolgt, sondern hatten sich von den Rindern ernährt. Butchs Familie hatte alles verloren. Trotzdem gibt ihm das nicht das Recht, eine wehrlose Frau zu entführen." „Wir werden schon rechtzeitig da sein", beruhigte ihn Nick. „Elizabeth ist eine kluge Frau. Sie weiß, was sie zu tun hat, um Zeit zu schinden. Glaub mir." Daran zweifelte Zeke auch nicht. Aber Jenkins bereitete ihm Sorgen. Eine Meile von der Mine entfernt stellte Nick die Sirenen ab. Seine Hilfssheriffs teilten ihm mit, dass sie in etwa fünfzehn Minuten da sein würden. Doch so lange konnten sie nicht
warten. Unauffällig stellten sie den Wagen unter den Bäumen ab und pirschten sich geräuschlos und mit gezückten Waffen an den Eingang der Mine heran. „Du hast dich wohl für sehr klug gehalten, dich bei den Mc-Brides zu verstecken", höhnte Butch, als er Elizabeth tiefer in die Mine schob. „Dachtest du, ich wäre so dumm, dich dort nicht zu finden? Ich brauchte nur mal im Krankenhaus anzurufen und mich als Blumenlieferant auszugeben, und schon hatte ich deine neue Adresse." „Obwohl, ich hätte es sowieso erfahren", fügte er noch hinzu. „Du hängst ja ständig mit dem McBride zusammen." Er ließ sich auf einen Felsstein nieder, hielt aber sein Gewehr weiterhin wachsam auf Elizabeth gerichtet. „Er hätte dich ja sowieso sitzen lassen. Aber das wirst du nicht mehr erleben, da du bald tot sein wirst. Ich mag es auch nicht, wenn Männer Frauen so ausnutzen." Er schien gar nicht zu bemerken, wie lächerlich diese Aussage aus seinem Mund klang. Elizabeth war furchtbar kalt, denn sie trug nichts weiter als ihr Nachthemd und Hausschuhe. Er ist wirklich verrückt, stellte sie erneut fest. Und sie zweifelte nicht eine Minute daran, dass er sie töten würde. Die Frage war nur, . wann. Quälte er sie absichtlich so lange, oder wusste er selber nicht, wann er abdrücken sollte? Ich muss ihn irgendwie ablenken, dachte Elizabeth. Zeke hatte sicherlich schon erfahren, dass sie entführt worden war. Und sie war sich sicher, dass er sie suchen würde. Ihre einzige Chance bestand darin, Zeit zu schinden, bis er sie finden würde. Sie tat so, als würde sie sich für die Mine interessieren. „Ich bin niemals zuvor in einer Mine gewesen. Wie tief ist es hier eigentlich?" fragte sie ihn. „Tief genug für dein Grab", grinste er sie finster an. Es kostete sie Überwindung, ihm nicht ins widerliche Gesicht zu schlagen. „Ich kann Sie nicht davon abhalten, mich zu töten, aber Sie werden nicht weit kommen ..." „Halt die Klappe!" „Sara hat Zeke bestimmt schon informiert, und er wird nicht eher Ruhe geben, bis er Sie gefunden hat", fuhr sie unbeirrt fort. „Und wenn Sie denken, dass er Sie nicht finden wird, dann sind Sie noch verrückter, als ich dachte." „Ich bin nicht verrückt!" schrie er sie an. Abrupt stand er auf und fuchtelte wild mit dem Gewehr vor ihrem Gesicht herum. „Sei ruhig, du Miststück! Ich bringe dich um, das schwöre ich!" „Und was ist dann? Auf Ihre kostbare Ranch können Sie nicht zurück. Da wird Zeke als Erstes nach Ihnen suchen. Also müssen Sie weglaufen und sich Ihr Leben lang verstecken. Ist es das, was Sie wollen?" Zeke und Nick kamen in der Mine nur langsam tastend voran, denn dort herrschte völlige Dunkelheit. Doch plötzlich hörte Zeke von weitem Elizabeths Stimme. Vor Erleichterung bekam er weiche Knie. Sie lebte! Gott sei Dank! Doch als er beim Näherkommen ihre Worte verstand, wurde ihm kalt vor Angst. Verdammt, warum provozierte sie ihn so? Butch würde sie umbringen. Leise schlichen Zeke und Nick dichter heran. Der Weg erschien Zeke unendlich weit. Doch schließlich erreichten sie die beiden, die von Butchs Taschenlampe schwach beleuchtet wurden. Am liebsten hätte Zeke sie sofort da herausgeholt, aber Butch stand zu dicht mit dem Gewehr vor ihr. Er würde sie erschießen, sobald Zeke aus seinem Versteck heraustrat. . Er müsste ihn von seinem Platz aus anschießen. Elizabeth hatte ihn so wütend gemacht, dass er nicht einmal bemerkt hatte, dass sie nicht mehr alleine waren. Zeke signalisierte Nick, dass er abdrücken würde. Er setzte sein Gewehr zum Schuss an. Doch es war zu riskant. Die beiden bewegten sich zu sehr und standen auch zu dicht beieinander. Leise fluchend legte er seine Waffe wieder nieder und schüttelte den Kopf. Nick begriff die Situation und versuchte sich zur anderen Seite des Tunnels zu bewegen. Doch da es so
dunkel war, stolperte er unglücklicherweise über einen Stein. Der Krach, den er verursachte, war nicht zu überhören. Aufgeregt und mit rasendem Herzen, suchte Elizabeth mit weit aufgerissenen Augen die Dunkelheit ab. „Zeke!" Er war da. Ohne darüber nachzudenken, rannte sie los. Doch sie kam nicht weit. Butch riss sie an den Haaren zurück. Vor Schmerzen schrie sie laut auf. Das ist das Ende, dachte sie entsetzt. Jetzt ging es um Leben und Tod. Irgendwo meinte sie Zekes Stimme zu hören. Aber sie konnte die Worte nicht verstehen. Verzweifelt nahm sie ihre ganze Kraft zusammen und warf sich ihrem Peiniger entgegen, der sie immer noch an den Haaren hielt. Zusammen fielen sie hart auf den Boden. Blindlings tastete sie nach einem Stein, doch alles, was sie zu greifen bekam, war eine Hand voll Sand, die sie ihm ins Gesicht warf. „Du Miststück!" Den Schlag hatte sie nicht kommen sehen. Seine Faust traf sie mitten ins Gesicht. Und noch bevor sie vor Schmerzen aufstöhnen konnte, hatte er sein Gewehr auf ihr Herz gerichtet. Allerdings hatte Butch Zeke nicht bemerkt, der plötzlich direkt hinter ihm stand. „Eine Bewegung, und du bist ein toter Mann", zischte Zeke ihm zu. Sekundenlang schien Butch zu überlegen, was er tun sollte. Aber er wusste, dass Zeke nicht zögern würde, ihn zu erschießen. Wortlos warf er sein Gewehr zur Seite. Es fiel Zeke unendlich schwer, ihn nicht grün und blau zu schlagen. Stattdessen kickte er Butchs Gewehr zu Nick hinüber, der es an sich nahm und Butch sofort Handschellen anlegte. Schluchzend warf sich Elizabeth Zeke in die Arme. Endlich hatte der Albtraum ein Ende. Zeke nahm Elizabeths Hand und hätte sie am liebsten nie wieder losgelassen. Während der anschließenden Befragung durch Nick hielt er sie weiterhin fest umschlossen. Selbst im Krankenhaus, wo man sie untersuchte, um auszuschließen, dass Butchs Kinnhacken ihr keinen weiteren Schaden zugefügt hatte, ließ er sie nicht los. Erst als sie zu Hause ankamen, löste er sich kurz von Elizabeth, um seine Mutter in die Arme zu schließen. Zekes Geschwister waren extra gekommen, um sich zu vergewissern, dass es ihnen gut ging. Elizabeth sah sehr müde aus, daher bat Sara ihren Sohn Zeke, sie nach oben zu begleiten. Doch er protestierte. „Ja, gleich, Mom. Aber vorher muss ich ihr noch etwas zeigen." „Aber, Zeke, das arme Mädchen ist völlig erledigt", erwiderte sie überrascht. „Hat das nicht bis morgen Zeit?" „Nein. Es wird aber nicht lange dauern", antwortete er und führte Elizabeth zu seinem Truck. Als er weiter in das Grundstück hineinfuhr statt zum Ausgang, wurde Elizabeth neugierig. „Wo fahren wir denn hin?" „Zu einem besonderen Ort", versprach er ihr. „Wenn du Lust hast." Er warf ihr einen besorgten Blick zu. „Vielleicht hätte ich doch auf den Rat meiner Mutter hören sollen. Du bist so blass." „Mir geht es gut", versicherte sie ihm. „Der Arzt hat mir Schmerztabletten gegeben." Nicht wirklich überzeugt, setzte er seine Fahrt fort. „Als ich erfuhr, dass Butch dich entführt hatte, ging mir eins nicht aus dem Kopf. Ich hatte dir etwas nicht gesagt", erklärte mit rauer Stimme. „Ich habe mir geschworen, dass ich es nachholen würde, sobald ich dich befreit hätte." Mit Herzklopfen hörte ihm Elizabeth zu. Doch dann hielt er den Wagen unvermittelt an einer Anhöhe zwischen zwei mächtigen Pinien an. Von dort aus hatte man einen atemberaubenden Ausblick auf die Berge. „Als ich noch ein Kind war, erzählte uns unser Vater, dass sich jeder von uns einen Platz auf der Ranch aussuchen dürfte, wo er mal wohnen wollte. Ich habe mir diesen Ort ausgewählt."
Elizabeth konnte ihn gut verstehen. Es fiel ihr nicht schwer, sich ein Farmhaus in dieser wunderschönen Landschaft vorzustellen. „Es ist schön hier", antwortete sie leise. „Ich wusste gar nicht, dass du vorhattest, dich hier niederzulassen." „Tatsächlich gab es schon mal so einen Gedanken. Als ich verlobt war." Er sah sie kurz an. „Ich vermute, du hast bereits davon gehört." „Ja, sie war Medizinstudentin, nicht wahr?" „Ich hab sie nicht betrogen. Auch wenn die Gerüchte in der Stadt anders lauten. Sie war diejenige, die nicht treu war ..." „Ich weiß", unterbrach sie ihn. „Deine Mutter hat es mir erzählt. Ich glaube dir, Zeke." Ihr Vertrauen wärmte ihm das Herz. Er nahm ihre Finger in seine Hand und drückte sie fest. „Es soll keine Geheimnisse zwischen uns geben. Das mit mir und Rachel war von Anfang an keine gute Idee. Sie wollte eine schicke Praxis in Chicago eröffnen, und ich träumte von dem hier." „Gott sei Dank!" sagte Elizabeth. „Ich kann dich mir beim besten Willen nicht in Chicago vorstellen. Das ist auch nicht der richtige Ort für einen Biologen, wie du einer bist. Du hättest dich dort unwohl gefühlt." „Du hast Recht", gab er ihr Recht. „Hier gehöre ich hin. Das habe ich schon immer gewusst. Es fehlte mir nur die richtige Frau dazu. Aber jetzt habe ich sie gefunden." Überrascht sah sie ihn an. „Was meinst du damit, Zeke?" „Ich liebe dich", sagte er mit belegter Stimme. „Das ist das, was ich dir noch unbedingt sagen wollte." Er nahm sie fest in seine Arme. „Wenn dir etwas zugestoßen wäre, hätte ich es den Rest meines Lebens bedauert, es dir nicht gesagt zu haben. Ich wusste es seit dem Morgen, als ich dir das Frühstück brachte und du wieder eingeschlafen warst. Ich hätte es dir da schon ..." Weiter kam er nicht, denn sie brachte ihn mit einem sanften Kuss zum Schweigen. „Hör auf", flüsterte sie. „Es ist nichts passiert. Mir geht es gut, und ich liebe dich auch. Nur das zählt." Behutsam nahm er ihr Gesicht in seine Hände. „Ich möchte dich heiraten, mein Liebling, und den Rest meines Lebens mit dir verbringen. Aber ich weiß, dass du mich immer mit deinem Vater vergleichst. Ich verspreche dir, dass ich dich nie betrügen werde. Doch nur die Zeit wird dich davon überzeugen können. Solltest du aber damit nicht klarkommen, dann sag es mir jetzt." Mit tränennassen Augen starrte sie ihn an. Wie hatte sie nur so blind sein können? Sicher, auch er war ein Frauenliebling wie ihr Vater, aber da gab es große Unterschiede. Nein, er war nicht wie ihr Vater. Er würde sie nicht hintergehen und betrügen. Dafür hatte er zu hohe moralische Grundsätze. Liebevoll blickte sie ihn an und sagte mit heiserer Stimme: „Mein Herz täuscht sich nicht. Ich hätte mich nie in dich verlieben können, wenn ich kein Vertrauen zu dir hätte." Sie küssten sich leidenschaftlich. Als sie sich endlich voneinander lösen konnten, sagte sie lachend: „Um noch einmal auf das Haus zurückzukommen, das wir bauen wollen. Ich meine, wir werden sehr viele Schlafzimmer benötigen." Er hob die Augenbrauen und fragte grinsend: „Und warum das?" „Weil wir eine Menge Babys haben werden, also sollten wir schnell damit beginnen." „Womit?" neckte er sie und zog sie fest zu sich heran. „Mit dem Haus oder mit den Babys?" „Rate mal", antwortete sie lachend und hielt ihm erwartungsvoll ihren Mund zum Kuss entgegen.
EPILOG Ein Jahr später Vom Aussichtsturm aus beobachten Zeke und Elizabeth die Wölfe. Ein mittlerweile ausgewachsener Nachkomme Napoleons umwarb eine junge Wölfin. Die tat jedoch so, als wäre sie nicht interessiert. Nur wenn sie meinte, unbeobachtet zu sein, wedelte sie mit dem Schwanz. Lachend umarmte Zeke Elizabeth und legte seine Hand auf ihren Bauch, in dem ihr Baby heranwuchs. „Typisch Frau! Sieh dir mal an, wie sie mit ihm spielt." „Sie? Er ist es doch, der kleine Weiberheld. Er denkt, dass sie ihm zu Füßen liegen müsste, nur weil er von ihr Notiz genommen hat." „Also, bei mir hat der Trick funktioniert", neckte er sie. „Das glaubst du. Aber wer ist wem vor die Füße gefallen?" fragte sie schelmisch. Glücklich sahen sie sich in die Augen. Sie waren ein perfektes Paar. Ihre Liebe war in dem vergangenen Jahr tiefer und reifer geworden. Sie hatten mit der Familie und den meisten Einwohnern von Liberty Hill auf der Bergkuppe ihre Hochzeit gefeiert. In den darauf folgenden Monaten wurde ihr Haus, inklusive der vielen Kinderzimmer, dort errichtet. Um ihre Zukunft machte sie sich keine Sorgen, denn Butch Jenkins und ehester Grant saßen im Gefängnis. Butch würde den Rest seines Lebens dort verbringen müssen. Und da Chester am Ende mit ihnen zusammengearbeitet hatte, wurde er zu zehn Jahren Haft verurteilt. Nach der Gerichtsverhandlung wollten Elizabeth und Zeke keine getrennten Wege mehr gehen. Daher kündigten beide ihre jeweiligen Arbeitsverhältnisse und gründeten zusammen einen Naturpark für verletzte Wildtiere, direkt auf ihrer Ranch. Doch immer, wenn Elizabeth Zeit hatte, zog sie sich zurück, um Napoleons Nachkommen zu beobachten. Ihr Blick wanderte zu dem Wolfspärchen zurück, das nun spielerisch herumbalgte. „Es sieht ganz so aus, als hätte es Napoleons Sohn geschafft", stellte Zeke erfreut fest. „Genauso wie ich", antwortete sie sanft und gab ihm einen zärtlichen Kuss. -ENDE-