Plötzlich will ich nur noch ihn
Stella Bagwell
Bianca 1252 7 – 1/01
Gescannt von suzi_kay
Korrigiert von claudiaL...
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Plötzlich will ich nur noch ihn
Stella Bagwell
Bianca 1252 7 – 1/01
Gescannt von suzi_kay
Korrigiert von claudiaL
1. KAPITEL
Nicole Carrington starrte benommen aus dem Fenster. Ihr Blick wanderte über die von Säulen getragene Veranda die lange Eichenallee entlang. Endlich verschwand der letzte Wagen mit Trauergästen aus ihrem Blickfeld, doch der Kummer über den Verlust ihrer Mutter blieb. Aus diesem traurigen Anlass saß auch der Mann hinter ihr auf dem mit Brokat bespannten Sofa. Vier Jahre waren vergangen, seit Lo gan McNally zuletzt seinen Fuß auf die BelleRouge-Plantage gesetzt hatte. Damals hatte Nicole ihn schon nicht gemocht, und daran hatte sich seither nichts geändert. Logan betrachtete ungeniert seine junge Stiefschwester. Sie hatte sich stark verändert, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte. Er war tief beeindruckt. Sie war nicht mehr die hoch gewachsene, unbeholfene Jugendliche, die damals auf der Veranda gestanden und ihm einen zornigen Blick aus braunen Augen zugeworfen hatte. Jetzt besaß sie den schlanken Körper einer jungen Frau mit sinnlichen Rundungen, und sie bewegte sich mit einer Anmut und Selbstsicherheit, die über ihre zweiundzwanzig Jahre hinausgingen. Unter dem schwarzen Halbschleier des Hutes wirkten ihre Züge zart wie handgemaltes Porzellan. Das rötlich blonde Haar war nicht mehr wild und wirr, sondern schimmerte wie Satin und endete in einer Nackenrolle. Der Stil war dezent und dem traurigen Anlass angepasst. In den zierlichen, perfekt manikürten Händen hielt sie eine weiße Magnolie. An den Fingern trug sie keinen Schmuck. Hätte Logan nicht gewusst, dass sie eine Carrington war, hätte er sie für eine echte Lady der Südstaaten gehalten. Doch das Äußere konnte die Herkunft nicht ganz verdecken. Die Tochter wie die Mutter, dachte er verdrossen. Irgendein armer Narr würde irgendwann auf ihre Schönheit hereinfallen, aber nicht er. Er wusste genau, wer und was sie war. Nicole wandte sich schließlich vom Fenster ab und merkte betroffen, wie schwach sie sich plötzlich fühlte. Während des Begräbnisses und auch hinterher war sie stark und gefasst gewesen. Jetzt durfte sie nicht zusammenbrechen, während Logan sie wie ein Kater, der einen Vogel in die Enge getrieben hatte, betrachtete. Vorsichtig ging sie auf einen Sessel zu, der drei Meter von ihm entfernt stand, doch auf halbem Weg legte jemand den Arm um ihre Taille. "Alles in Ordnung?" Beim Klang der tiefen Männerstimme zuckte sie zusammen und blickte in Logans hartes Gesicht hoch. Seit zwei Tagen war er wieder auf Belle Rouge und hatte bisher kein Wort des Mitgefühls über die Lippen gebracht. Es erschien ihr heuchlerisch, dass er jetzt den besorgten Angehörigen spielte. "Ich muss mich nur setzen", erwiderte sie knapp. "Mach dir bitte keine Mühe." Er richtete die grauen Augen forschend auf ihr blasses Gesicht. "Es könnten noch Besucher kommen, die ihr Beileid aussprechen möchten. Dann würde es ziemlich unpassend wirken, wenn sie dich auf dem Boden liegend vorfänden." Nicole betrachtete ihn geringschätzig. Mit dem dunkelbraunen Haar und der dunklen Haut wirkte Logan McNally äußerst attraktiv. Die hellgrauen Augen wurden von dichten Wimpern umgeben, sein Blick war scharf und durchdringend. Das kräftige Kinn mit der Kerbe betonte den perfekt geformten Mund. Als würde dieses sagenhafte Gesicht nicht ausreichen, um die Herzen aller Frauen höher schlagen zu lassen, war er auch noch hoch gewachsen, schlank und breitschultrig. Doch Nicole war gegen Logans körperliche Attraktivität immun. Sie hatte festgestellt, dass sich unter dieser anziehenden maskulinen Schale ein arroganter Kerl verbarg, der nur an sich selbst dachte. "Wie ich sehe, legst du unverändert größten Wert auf den äußeren Eindruck", sagte sie eisig. "Nun, ich versichere dir, dass ich diesen Tag überstehen werde, ohne dich in Verlegenheit zu bringen."
Er führte sie zum Sessel und drückte sie in die Kissen. "Ich habe mir nicht deshalb Sorgen gemacht." "Aber natürlich", entgegnete sie spöttisch. "Meine Mutter und ich haben dich vom ersten Tag an in Verlegenheit gebracht. Vermutlich ist heute für dich ein Festtag. Wenigstens eine von uns bist du jetzt los. Und wer weiß, vielleicht hast du demnächst noch mehr Glück, und ich laufe vor ein Auto, oder ein Blitz erschlägt mich." Seine Miene war verschlossen, als er zurückwich. "Du scheinst im Moment ziemlich hysterisch zu sein." Sie zog zwei Hutnadeln aus dem dichten Haarknoten. "Oh, ja, das würde dir bestimmt gefallen", sagte sie kühl. "Du möchtest mich gern in eine Nervenheilanstalt einweisen. Dann trennt dich nichts mehr von Belle Rouge." Sie nahm den breitkrempigen Hut ab. In dem teuren schwarzen Kostüm und mit den hohen Absätzen wirkte sie elegant. Sie war eine naive Achtzehnjährige gewesen, als Logan sie das letzte Mal sah. Wodurch hatte sie sich dermaßen verändert? Seit dem Tod seines Vaters vor vier Jahren hatte er keinen Kontakt zu Nicole und ihrer Mutter gehabt, obwohl die beiden Frauen weiterhin auf dem Sitz seiner Familie gewohnt hatten. Seufzend trat er an einen kleinen Tisch, auf dem eine Karaffe mit Kentucky Bourbon stand. Er schenkte sich ein, nahm einen Schluck und drehte sich wieder um. "Äußerlich bist du erwachsen geworden, Nicole. Dein Denken hat allerdings eindeutig nicht mit deinem Körper Schritt gehalten." Sie wurde zornig, zeigte es jedoch nicht. Er sollte nicht merken, dass er sie wie früher ärgern konnte. Sie war jetzt eine erwachsene Frau und keine Jugendliche, die er je nach Laune umgarnen oder beleidigen konnte. Das musste er begreifen. "Vermutlich wirst du mir gleich erklären, dass du dich nicht für Belle Rouge 'interessierst." Er hob das Glas an die Lippen und leerte es. Die Wärme, die sich in seinem Magen ausbreitete, vertrieb jedoch nicht die seltsamen Gefühle, die ihn packten. Er wollte mit dieser jungen Frau kein Mitleid haben. In gewisser Weise hatte sie ihm seinen Vater und sein Zuhause weggenommen. Er wollte nicht an ihre Trauer denken. Es gefiel ihm auch nicht, wie kalt und verbittert sie war. "Ich musste lügen, würde ich behaupten, dass ich mich nicht für Belle Rouge interessiere. Die Plantage befindet sich seit dem achtzehnten Jahrhundert im Besitz der Familie McNally. Und ich habe nicht die Absicht, der Letzte in dieser Reihe zu sein." Müde stand sie auf und wollte den Raum verlassen. "Wohin gehst du?" rief Logan ihr nach. "Ich lege mich hin. Du kannst eine Weile den Hausherrn spielen, der du ja gern sein möchtest." Bevor er noch etwas sagen konnte, zog Nicole sich hastig in ihr Schlafzimmer im ersten Stock zurück und zog sich aus. Nachdem sie in einen dünnen Bademantel geschlüpft war, legte sie sich auf das Bett und blickte aus dem breiten Fenster auf den Nussbaum-Hain. Es war der erste April. Frühling war ins Land des Cane River gezogen. Überall blühten herrlich bunte Blumen in den Gärten, und die meisten Zuckerrohrfelder waren schon bepflanzt, Nicole liebte diese Jahreszeit, war jedoch geistig und körperlich ausgelaugt. Seit dem Schlaganfall ihrer Mutter vor zwei Jahren war ihr Leben schwierig gewesen. Sie hatte versucht, das College abzuschließen und sich gleichzeitig um die einzige nahe Verwandte zu kümmern, die ihr noch auf der Welt geblieben war. Simones Tod nach einem zweiten Schlaganfall war ein Albtraum gewesen, der noch dazu erst enden würde, sobald Logan nach Shreveport zurückkehrte oder sie selbst auszog. Offenbar war sie irgendwann eingeschlafen. Als sie nämlich die Augen wieder öffnete, war es im Zimmer dunkel, und sie fror. Matt stand sie auf und ging zum Schminktisch. Der
Haarknoten hatte sich aufgelöst. Das Haar fiel jetzt in Wellen auf die Schultern. Nicole strich es aus dem Gesicht zurück, beugte sich zum Spiegel und stöhnte auf. Sie war aschfahl und sah mitgenommen aus. Ihre Mutter wäre betroffen gewesen. Simone war eine schöne Frau gewesen, die ihrer Tochter beigebracht hatte, stets auf ihr Aussehen zu achten. Noch letzte Woche hatte ihre Mutter hier am Schminktisch gesessen, und Nicole hatte ihr Haar frisiert und gestylt. Nicole ließ sich auf den Hocker sinken, legte die Hände vor das Gesicht und versuchte, die Tränen zurückzuhalten. Sie musste sich damit abfinden, dass Simone nicht mehr lebte und sie nun völlig allein war. Erst als sich zwei Hände auf ihre Schultern legten, merkte Nicole, dass jemand hereingekommen war. "Was machst du hier?" Verzweifelt wischte sie sich über die Augen. Logan sollte keinesfalls denken, dass sie sein Mitleid wecken wollte. "Ich habe geklopft, aber du hast mich offenbar nicht gehört", erwiderte er. "Ich habe Sandwiches gemacht. Du willst bestimmt etwas essen." Impulsiv wollte sie antworten, dass sie nichts wollte, schon gar nicht von ihm. Doch sie vermied es, noch schwächer zu erscheinen, als sie ohnedies war. Und dass er zu ihr heraufkam, war von seiner Seite die freundlichste Geste, die sie seit langem erlebt hatte. "Ich ziehe mich an und komme gleich nach unten", sagte sie. Logan kehrte in die Küche zurück, deckte den kleinen Tisch und füllte zwei Gläser mit Eistee. Zum ersten Mal seit Jahren fühlte er sich auf Belle Rouge wieder heimisch. Und er bedauerte zutiefst, dass ihm erst der Tod von Nicoles Mutter diese Freiheit gegeben hatte. Nicole mochte anderer Meinung sein, aber er hatte nicht gewollt, dass Simone starb. Jahrelang hatte er gehofft, sie würde aus seinem Zuhause und dem Leben seines Vaters verschwinden, aber er hatte weder ihr noch ihrer Tochter etwas Böses gewünscht. Vermutlich konnte er Nicole nie davon überzeugen. Sie glaubte, er würde sie hassen. Vielleicht hatte er sie tatsächlich einmal ein wenig gehasst. Damals war er noch sehr jung gewesen und hatte seinen Vater gebraucht. Sie war aufgetaucht und hatte Lyles Zuneigung und Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Doch das war lange her. Jetzt wusste Logan einfach nicht, was er für Nicole empfand oder was er mit ihr machen sollte. Als er ihre Schritte hörte, drehte er sich um. Sie betrat die geräumige Küche in Jeans und einem hellblauen T-Shirt, das vorne geknöpft war. Flüchtig betrachtete er ihre Brüste und richtete den Blick auf ihr Gesicht. Es war blass und hager. Die Augen waren vom Weinen gerötet und verquollen. Die Spuren der Trauer konnten ihrer Schönheit jedoch nichts anhaben. Er räusperte sich. "Ich habe schon Eistee eingeschenkt. Vielleicht möchtest du aber lieber Limonade oder Kaffee." "Ich nehme den Tee", erwiderte sie und setzte sich. Er brachte das Tablett mit den Sandwiches an den Tisch und ließ sich ihr gegenüber auf den Stuhl sinken. "Du kannst zwischen Wurst und Schinken wählen." Sie griff nach einem Sandwich mit Wurst. "Im Kühlschrank stehen noch Schalen mit Essen und Süßspeisen, die Freunde in den letzten Tagen gebracht haben." "Ich weiß, aber ich mag nichts mehr davon." Nicole erging es wie ihm. Sie aß am liebsten etwas Einfaches. Noch mehr sehnte sie sich nach einem normalen Tagesablauf. Dabei wusste sie nicht einmal, wo von jetzt an ihr Zuhause war. Der Grund, aus dem sie sich auf der Plantage aufgehalten hatte, existierte nicht mehr. Minutenlang aßen sie schweigend. Nicole starrte in den Garten hinaus. Zwischen den gepflegten Blumenbeeten stand ein rankenbewachsener Pavillon. Es gab auch einen Goldfischteich und mehrere Vogelbäder, die sich die Vögel mit den zutraulichen Eichhörnchen aus den Nussbäumen teilen mussten. Vor Simones Schlaganfall hatte Nicole zusammen mit ihrer Mutter der Pflege des Gartens viel Zeit gewidmet. "Wie sehen jetzt deine Pläne aus?"
Logans Frage riss Nicole aus den Erinnerungen. "Pläne? Meine Mutter wurde eben erst
begraben, und du fragst nach meinen Plänen?"
"Mir ist klar, Nicole, dass du nicht weiter nachdenken willst, doch es muss sein. Um
deinetwillen."
"Meinst du nicht eher um deinetwillen? Mir brauchst du nichts vorzumachen, Logan. Du
fürchtest, ich könnte dir unerwünscht zur Last fallen. Aber beruhige dich. Ich kann für mich
selbst sorgen."
"Und wie willst du das machen? Wirst du heiraten?"
"Heiraten? Ganz sicher nicht! Wir leben zwar im Süden, aber nicht einmal du kannst glauben,
dass eine Frau einen Ehemann braucht, um in dieser Welt zu überleben."
Er richtete die grauen Augen nachdenklich auf ihr Gesicht. "Nein", bestätigte er. "Aber
vielleicht gibt es einen Mann in deinem Leben."
"Bedaure. Ich war mit dem College und der Pflege meiner Mutter zu sehr beschäftigt, um
Beziehungen zu knüpfen." Zumindest seit Bryce, dachte sie bitter.
Auch nach zwei Jahren schmerzte die Demütigung, die er ihr zugefügt hatte. Sie war auf seine
angebliche Liebe und Bewunderung hereingefallen und hatte ernsthaft geglaubt, er wollte sie
heiraten und den Hebst seines Lebens mit ihr verbringen. Letztlich hatte sie herausgefunden,
dass er nicht an einer Zukunft mit ihr interessiert war. Er hatte lediglich sein Vergnügen
gesucht, und als sie ihm nicht entgegenkam, hatte er sie fallen lassen.
"Außerdem", fügte sie hinzu, "weiß ich gar nicht, ob ich überhaupt jemals heiraten werde,"
Logan betrachtete sie zweifelnd, sagte jedoch nichts.
Sie schob den letzten Bissen des Sandwiches in den Mund und sah ihn wieder an.
"Vermutlich soll ich bald ausziehen."
Logan lehnte sich auf dem Stuhl zurück. Während sie schlief, hatte er den dunklen Anzug
gegen ein kurzärmeliges Hemd und eine Jeans getauscht. Nicole lenkte den Blick von seinem
ausdruckslosen Gesicht zu den nackten muskulösen Armen. Sie waren mit feinen schwarzen
Haaren bedeckt. Am linken Handgelenk trug er eine teure Uhr, aber keine Ringe an den
Fingern. Das überraschte sie nicht. Er war reich, zeigte es jedoch nicht. Gegen ihren Willen
bewunderte sie ihn dafür.
"Wer hat davon gesprochen, dass du ausziehst?"
"Das war nicht nötig", erwiderte sie überrascht. "Belle Rouge befindet sich jetzt eindeutig in
deinen Händen." Nervös stand sie auf und trat an die offene Tür zur hinteren Veranda. Die
Frösche und Grillen im Garten waren deutlich zu hören.
"Seit dem College hast du die Buchführung der Plantage übernommen, hat man mir erzählt."
Sie warf ihm einen Blick zu. Er saß noch am Tisch. Hoffentlich blieb er dort. Seine Nähe
verunsicherte sie. Außerdem sollte er nicht merken, wie stark er auf sie wirkte.
"Richtig. Warum? Willst du einen Buchprüfer engagieren, um sicher zu sein, dass ich kein
Geld auf die Seite gebracht habe?"
"Nein. Ich möchte, dass du weiterhin die Buchführung machst, sofern du nichts anderes
vorhast."
Verblüfft drehte sie sich um. "Wie meinst du das? Diese Plantage ..."
"Sie gehört zum Teil dir. Hast du das nicht gewusst?"
"Nein, ich hatte keine Ahnung", sagte sie betroffen und kehrte zu ihm zurück. "Meinst du das
ehrlich, oder ist das ein schlechter Scherz?"
Jetzt war Logan überrascht. Nicole hatte eindeutig nichts von dem Erbe gewusst. "Du hast
keine Ahnung vom Testament meines Vaters? Es war nicht versiegelt. Du hättest es nach
seinem Tod jederzeit lesen können."
Sie schüttelte den Kopf. "Nein, ich habe nicht erwartet, dass ich darin erwähnt werde. Ich
wusste nur, dass wir hier wohnen durften, solange meine Mutter am Leben war. Abgesehen
davon war ich überzeugt, dass die Plantage dir gehört. Du bist das einzige Kind von Lyle
McNally. Und seine beiden Ehefrauen leben nicht mehr."
"Du vergisst, dass du seine Stieftochter warst", hielt Logan ihr vor.
Nicole trat zu den Schränken und lehnte sich gegen die Theke.
"Stiefkinder werden selten besonders bedacht. Außerdem habe ich nichts von Lyle erwartet.
Er hatte mir doch schon ein schönes Zuhause und eine gute Ausbildung geboten. Das war viel
mehr, als ich bekommen hätte, wären meine Mutter und ich allein geblieben. Das wissen wir
beide."
Ja, er wusste, dass Simone Carrington aus einer armen Familie aus Lafayette stammte. Sein
Vater hatte sie in Natchitoches kennen gelernt, wo sie in einem Diner als Kellnerin arbeitete.
"Mein Vater wollte, dass du mehr bekommst... oder ich weniger", erwiderte Logan. "Das
kannst du sehen, wie du willst. Jedenfalls gehört dir ein Viertel von Belle Rouge."
Nicole traute ihren Ohren nicht. Sie wusste auch gar nicht, ob sie das hören wollte. Sie liebte
Belle Rouge. Die Plantage war seit ihrem zwölften Lebensjahr ihr Zuhause. Doch ihre Mutter
und ihr Stiefvater lebten nicht mehr, und nun fühlte sie sich wie ein Eindringling. In Logans
Augen war sie das bestimmt.
Seufzend verließ sie die Küche, überquerte die Veranda und sank auf die schmiedeeiserne
Bank, die einige Meter hinter dem Haus unter einer mächtigen Eiche stand.
Belle Rouge gehörte zum Teil ihr! Was sollte sie nun machen?
Nicole war so tief in Gedanken versunken, dass sie Logan erst bemerkte, als er sich zu ihr auf
die Bank setzte. Sofort verkrampfte sie sich und wandte sich von ihm ab.
"Weinst du?" fragte er rau.
"Nein." Sie war viel zu verwirrt, um sich ihrer Trauer hinzugeben.
"Was ist dann los?" fuhr er erleichtert fort. "Willst du Belle Rouge verlassen? Hast du das
vielleicht vor?"
"Nein", sagte sie hastig und biss sich auf die Unterlippe. Sie sollte vor ihm nicht so offen sein.
"Ich meine ... also, ich habe an meine Mutter gedacht, an sonst nichts."
Logan verwünschte seinen Vater dafür, dass er ihn in diese Lage gebracht hatte. Er wollte
nichts mit Nicole Carrington zu tun haben. Weder finanziell noch gefühlsmäßig. Hielt er sich
jedoch nicht an die Verfügungen des Testaments, verlor er womöglich Belle Rouge völlig.
"Bestimmt willst du, dass ich die Plantage verlasse", fügte Nicole hinzu, bevor er etwas sagen
konnte. "Mach dir keine Sorgen. Ich packe morgen. Das ist hoffentlich früh genug."
Er wusste selbst nicht, wieso ihn der matte Klang ihrer Stimme berührte. Er hatte nie so getan,
als würde er sie oder ihre Mutter mögen. Als er von Lyles Vorhaben erfuhr, Simone zu
heiraten, war er überzeugt gewesen, dass diese Frau es auf das McNally- Vermögen oder sogar
auf die Plantage abgesehen hatte. Um zu verhindern, dass sein Vater einen solchen Fehler
beging, war er zu Simone gegangen und hatte ihr einen hohen Geldbetrag geboten, falls sie
verschwand und nie wieder auftauchte.
Natürlich hatte Simone sich geweigert. Logan erinnerte sich noch heute daran, wie sie ihm
den Scheck zurückgab. Ebenfalls nicht vergessen hatte er Nicole. Sie war unbemerkt in den
Kaum gekommen. Nie zuvor hatte ihn jemand so hasserfüllt angesehen wie sie.
Damals hatte Logan sich eingeredet, dass es ihm egal war, was die Carrington-Frauen von
ihm hielten. Nach Lyles und Simones Heirat war er fortgegangen und nicht zurückgekehrt.
Zumindest hatte er nicht mehr auf der Plantage gelebt. Nur um seines Vaters willen hatte er
kurze Besuche gemacht, die jedoch stets zu Spannungen geführt hatten. Darum hatte er sich
bemüht, seine Bindungen an Belle Rouge zu lösen. Trotzdem hatte er die Plantage und die
darauf lebenden Menschen nicht vergessen. Und Nicole gehörte dazu.
"Ich möchte nicht, dass du packst", erklärte er. "Du wirst hier wohnen. Und ich auch."
Sie wandte sich ihm ruckartig zu und betrachtete ihn im schwachen Lichtschein. "Das ist
nicht dein Ernst! Sag bitte, dass das ein Scherz ist."
Er schüttelte entschieden den Kopf. "Scherze liegen mir' nicht."
"Nein, vermutlich nicht", entgegnete sie spöttisch.
"Sieh mal, Nicole", sagte er seufzend, "ich weiß, dass du dir einredest, ich würde dich verachten. Das stimmt aber nicht. Ich kenne dich nicht einmal richtig." "Versuche nicht, etwas zu beschönigen, Logan. Ich war zwar noch sehr jung, als du zu uns kamst und versucht hast, meine Mutter mit Geld abzufinden. Trotzdem erinnere ich mich deutlich. Du hast sie bewusst verletzt und beleidigt, indem du ihr Geld geboten hast, damit sie verschwindet und deinen Vater in Ruhe lässt. Das werde ich nicht vergessen, Logan. Niemals!" "Ich versuchte nur, meinen Vater und unser Zuhause zu schützen", entgegnete er. "Indem du die Frau, die er liebte und heiraten wollte, vertreibst?" fragte sie geringschätzig. Sein Gesicht verschloss sich noch mehr. "Hast du jemals überlegt, wie ich mich gefühlt habe? Mein Vater wollte seine Geliebte heiraten und ihre ... ihre ..." "Weiter, sprich es ruhig aus", forderte sie ihn heraus, stand auf und stützte die Hände in die Hüften. "Du kannst mich gern ein uneheliches Kind nennen. Wenn du glaubst, das würde mich verletzen, irrst du dich gewaltig. Meine Mutter konnte nichts dafür, dass mein Vater ihr die Heirat versprach und sie dann doch verließ." Logan hatte nicht die Absicht gehabt, mit Nicole über die traurige Vergangenheit zu sprechen. Niemand konnte daran etwas ändern. Er nahm es allerdings auch nicht hin, dass sie ihn zum Bösewicht stempelte. "Wahrscheinlich hast du in dieser Hinsicht Recht", räumte er ein. "Aber sie hätte sich von meinem Vater fern halten können. Er war verheiratet. Sie hat sich nicht daran gestört. Sie zerstörte die Ehe meiner Eltern und trieb meine Mutter in den Alkohol." "Deine Mutter hat schon lange vor unserem Auftauchen getrunken", entgegnete Nicole gepresst. "Und dein Vater war das leid. Deshalb wandte er sich meiner Mutter zu." "Das kannst du gar nicht wissen! Du warst damals noch ein Kind!" "Ich war fast schon eine Jugendliche! Und später hat Lyle oft darüber gesprochen. Clara stammte aus Chicago. Das Leben hier im Süden war ihr zu langweilig. Sie hasste es und wollte wegziehen. Weil Lyle nichts davon wissen wollte, hasste sie ihn schließlich auch." "Das hat er dir eingeredet", erwiderte Logan. "Was bist du nur für ein Mensch!" rief sie zornig. "Ich bleibe keinen einzigen Tag bei dir auf der Plantage!" Damit drehte sie sich um und wollte zum Haus gehen, doch nach zwei Schritten hielt Logan sie am Arm fest. "In den letzten zwei Tagen hatte ich den Eindruck, du wärst erwachsen geworden", sagte er gepresst. "Aber das stimmt eindeutig nicht. Du benimmst dich immer noch so albern wie eine pubertäre Jungfrau, die ..." Sie riss sich von ihm los. "Es ist nicht albern, Jungfrau zu sein! Und je länger ich mit dir zusammen bin, desto entschlossener bin ich, mich niemals von einem Mann lieben zu lassen!" Logan sah sie überrascht an. Er hatte das Wort gar nicht im sexuellen Sinn gemeint, sondern mehr auf ihre geistige Reife angespielt. Er war überzeugt gewesen, dass sie ihre Jungfräulichkeit schon längst aufgegeben hatte. "Nicole, du bist zweiundzwanzig. Du erwartest doch nicht, ich könnte glauben ..." Er unterbrach sich kopfschüttelnd. "Du hattest am College garantiert einen Liebhaber." "Du glaubst, ich wollte einen Liebhaber, nachdem meine Mutter in jungen Jahren so viel Schmerz und Erniedrigung erfahren hatte? Nein, vielen Dank", fuhr sie ihn an. "Aber was deine Meinung von mir angeht, gebe ich dir sogar Recht, Logan. Ich bin albern, weil ich meine Zeit damit verschwende, mit einem starrsinnigen und arroganten..." "Hast du denn nicht gehört, was ich sagte?" fiel er ihr ins Wort. "Du musst auf Belle Rouge bleiben, sonst..." "Sonst verliere ich meinen Anteil? Nun, liebster Stiefbruder, ich habe eine Überraschung für dich. So sehr ich Belle Rouge auch liebe, werde ich doch auf mein Erbe verzichten. Bei dir zu leben wäre nämlich die Sache nicht wert." Erneut wollte sie zum Haus gehen, doch Logan hielt sie wieder fest.
Nicole blickte auf seine Hand auf ihrer Schulter. "Ich will nicht, dass du mich berührst!"
"Warum?" fragte er spöttisch. "Willst du gar nicht, dass ein Mann dich berührt?"
"Nein, und vor allem du nicht."
Plötzlich vergaß Logan Belle Rouge und den Grund des Streits. Der Anblick von Nicoles
schimmernden braunen Augen und feuchten Lippen forderte den Mann in ihm heraus. Ohne
zu überlegen, zog er sie zu sich heran.
Sie prallte gegen ihn, und er schob die Hand in ihr Haar. Nicole versuchte vergebens, sich von
ihm loszureißen.
"Lass mich los, Logan!"
"Warum? Weil du mich hasst?"
Sein spöttisches Lächeln ärgerte sie noch mehr. "Ja!" Als er unerwartet lachte, hielt Nicole
still, betrachtete sein Gesicht und erschrak darüber, wie gut es ihr gefiel. "Was ist denn so
lustig? Lachst du mich aus? Oder denkst du, dass du mit mir spielen kannst?"
Anstatt zu antworten, strich er ihr das Haar aus der Stirn, sah ihr einige Sekunden in die
Augen, ließ den Blick dann über ihr Haar, die Wangen und das Kinn wandern und richtete ihn
endlich auf ihre Lippen.
"Vorhin wollte ich nicht glauben, du könntest tatsächlich noch Jungfrau sein", sagte er leise.
"Aber jetzt sehe ic h, dass du keine Ahnung hast, wie es mit einem Mann ist."
"Ich habe keine Angst vor dir", flüsterte sie.
Er lächelte, und beim Anblick seiner blendend weißen Zähne lief ihr ein wohliger Schauer
über den Rücken.
"Nein, du hast keine Angst." Er beugte sich zu ihr und küsste sie.
Nicole war so geschockt, dass sie nur still dastand und sich nicht wehrte.
Es war kein sonderlich langer Kuss, und doch bebte sie hinterher. Und sie fühlte Logans
Lippen noch, nachdem er sich wieder zurückgezogen hatte.
"Zufrieden?" fragte sie. "Lässt du mich jetzt los?"
Er war alles andere als zufrieden, und er wollte sie auch nicht loslassen. Doch dieses leichte
Zittern in der Stimme machte sie so verletzlich, dass er völlig aus dem Gleichgewicht geriet
und auf einen zweiten Kuss verzichtete.
Nach einem letzten Blick in ihre Augen löste er die Hand aus ihrem Haar. "Wir reden am
Morgen weiter und bringen es zu Ende."
Nicole begriff nicht, wieso es sich so gut anfühlte, von jemandem berührt und geküsst zu
werden, der so schlecht war.
"Es ist zu Ende. Was mich betrifft, kannst du das als Abschiedskuss betrachten. Ich gehe weg.
Belle Rouge gehört dir. Ich will nichts, vor allem dich nicht!"
Logan wollte sie tatsächlich in Ruhe lassen, doch diese Herausforderung war einfach zu viel.
Als sie sich abwandte, hielt er sie an der Hand fest.
Nicole wehrte sich heftig, doch er drehte sie zu sich herum und nahm sie in die Arme. Seiner
Kraft hatte sie nichts entgegenzusetzen.
"Wir sollten herausfinden, ob du das tatsächlich ernst meinst", sagte er leise.
Sein wilder Blick machte ihr Angst, noch mehr aber ihre eigene Erregung. Als er die Lippen
hart auf ihren Mund presste, konnte sie nur noch daran denken, wie sehr sie diesen Mann
begehrte.
Logan hatte den Kuss als Strafe gedacht. Er wollte Nicole eine Lektion erteilen. Wenn sie ihn
provozierte, spielte sie mit dem Feuer. Doch als ihre Lippen nachgaben und sich öffneten,
vergaß er alles andere. Jetzt wurde es ein Kuss voll Verlangen, und Nicole reckte sich, kam
ihm entgegen und schlang die Arme um seinen Nacken.
Erst als er Besitz von ihrem Mund nahm und sie leise stöhnte, merkte er, wie sehr sie beide
die Beherrschung verloren hatten. Trotzdem kostete es ihn große Mühe, den Kuss
abzubrechen.
Nicole schwankte leicht, als er sie von sich schob, und holte tief Atem. Bevor er sie noch
einmal packte, ergriff sie die Flucht und lief so schnell wie möglich zum Haus.
Logan hielt sich weder für dumm noch für impulsiv, doch während er Nicole nachblickte,
wurde ihm klar, dass er soeben beides gewesen war.
Jetzt musste er überlegen, wie er alles wieder hinbiegen konnte. Sie durfte Belle Rouge nicht
verlassen, weder jetzt noch irgendwann später.
2. KAPITEL Als Nicole am nächsten Morgen die Augen öffnete, dämmerte gerade erst der neue Tag.
Fahles Licht fiel durch die Blätter der Eichen ins Zimmer herein. Auf der Terrasse hörte sie
Darcy, die Haushälterin, ein Lied über einen Mann singen, der eine Frau schlecht behandelt
hatte.
Vermutlich gefiel es Logan nicht, schon so zeitig gestört zu werden. Es war ihr jedoch völlig
gleichgültig, ob er ausschlafen konnte. Logan ging sie nichts mehr an.
Nicole war jetzt hellwach, stand auf und zog einen blauen Morgenmantel über ihr langes
Nachthemd. Danach bürstete sie das Haar und hielt es mit einem weißen Band zusammen.
Direkt vor ihrem Zimmer warf Darcy schmutzige Wäsche in einen Korb. Die Haushälterin
war groß und massig, und die grauen Locken fielen ihr meistens ungekämmt ins Gesicht und
verdeckten die hellblauen Augen. Heute hatte sie das Haar jedoch auf dem Kopf
hochgesteckt.
Die Haushälterin hatte für Lyle McNally schon gearbeitet, als Nicole und ihre Mutter nach
Belle Rouge kamen. Darcy wusste alles über die Familie. Nicole hatte sie stets wie eine
zweite Mutter geliebt.
"Guten Morgen, Darcy."
Die Haushälterin lächelte fröhlich. "Nicole! Habe ich dich geweckt? Tut mir Leid. Ich bin
heute Morgen einfach gut aufgelegt. Da jetzt das Begräbnis vorüber ist, dachte ich, dass in das
alte Haus vielleicht wieder Fröhlichkeit einzieht."
"Ich weiß nicht, ob es hier jemals wieder fröhlich sein wird, Darcy", erwiderte Nicole. "Aber
ich hoffe es für dich."
"Für dich auch", erwiderte die Haushälterin. "Ich weiß, wie sehr du deine Mom geliebt hast
und sie vermisst. Sie wollte aber bestimmt nicht, dass du nur dasitzt und trauerst."
"Ich weiß", erwiderte Nicole düster. "Aber im Moment bin ich mir nicht sicher, ob ich jemals
wieder glücklich sein werde."
Darcy klopfte ihr auf die Schulter. "Gehen wir in die Küche. Ich mache dir Eier und
Haferbrei."
Nicole schüttelte den Kopf. "Gib dir keine Mühe. Ich bin nicht hungrig."
Die Haushälterin lächelte geduldig. "Das ist keine Mühe, Schatz. Der Haferbrei ist noch von
Mr. Logans Frühstück warm."
"Logan hat schon gefrühstückt?"
Darcy nickte. "Er hat das Haus vor wenigen Minuten verlassen. Er wollte zu den Feldern
fahren, ich weiß aber nicht, warum. Im Moment sind sie so schlammig, dass man sie gar nicht
betreten kann."
"Vielleicht will er sich sein Erbe ansehen", erwiderte Nicole trocken und ging die steile
Treppe hinunter. "Ich nehme nur Kaffee und Brötchen. Heute Morgen habe ich viel zu tun."
"Und was?" Darcy griff nach dem Wäschekorb und folgte ihr. "Du solltest dich lieber einige
Tage ausruhen."
"Das geht nicht. Ich muss packen und mir eine Wohnung suchen."
"Wovon sprichst du, Schatz? Du wohnst auf Belle Rouge. So war das, seit ich dich kenne."
"Stimmt, Darcy, aber seit Mutters Tod hat sich einiges geändert. Die Plantage gehört jetzt
Logan. Du weißt, dass ich mit diesem Mann nicht unter einem Dach leben kann."
In der Küche duftete es nach Kaffee und gebratenem Schinken. Nicole schenkte sich eine
Tasse ein und trat an den Herd, auf dem Darcy Buttermilch-Brötchen vorbereitet hatte.
Sie legte zwei Brötchen auf einen Teller und setzte sich an den Tisch, an dem sie am
Vorabend mit Logan die Sandwiches gegessen hatte. Während sie die Brötchen mit Butter
und Zuckersirup bestrich, versuchte sie, den Vorfall zu verdrängen. Sie hatte völlig gegen ihre
Natur gehandelt. Und sie musste darauf achten, dass es nie wieder dazu kam.
"Logan wohnt nicht mehr hier, seit er ein junger Mann war." Darcy polierte die ohnedies
saubere Arbeitsplatte. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass er auf der Plantage glücklich wird,
nachdem er so lange in Shreveport gelebt hat."
Nicole seufzte. "Das dachte ich auch, aber gestern Abend sagte er, dass er bleibt.
Wahrscheinlich ist ihm die Erbschaft zu Kopf gestiegen."
Darcy warf den Putzlappen in die Spüle und stemmte die Hände in die breiten Hüften. "Kann
schon sein, aber Mr. Lyle würde sich im Grab umdrehen, wüsste er, dass du fort willst."
Nicole biss in ein Brötchen. "Dann muss er sich eben umdrehen, weil ich einfach nicht mit
Logan leben kann."
Schon gar nicht, nachdem sie ihm in die Arme gesunken war! Was er jetzt wohl von ihr
dachte? Wahrscheinlich vermutete er, dass sie ihn aus Geldgier verführen wollte. Seiner
Meinung nach hatte ihre Mutter das mit seinem Vater gemacht.
Besorgt setzte Darcy sich zu Nicole. "Schatz, denk noch einmal gründlich nach. Vielleicht ist
es gar nicht so schlimm, dass Logan hier ist. Außerdem bleibt er meiner Meinung nach nicht
lang. Er hat viel von seiner Mom in sich. Auf Belle Rouge war es ihr zu ruhig, und ihm wird
es nicht anders ergehen. Vor allem gibt es hier keine Frauen für ihn."
"Du stellst ihn geradezu als Frauenhelden hin. Ist er so?"
Darcy zuckte die Schultern. "Eigentlich weiß ich das nicht aus eigener Erfahrung, aber ich
habe es gehört. Der Mann ist immerhin vierunddreißig Jahre alt und hat noch nicht geheiratet.
Sieht so aus, als hätte er nur Spaß gesucht."
"Oder er mag Frauen nicht", entgegnete Nicole.
"Und ich mag keinen Fisch und keine Kartoffelpuffer", sagte Darcy lachend.
Nicole aß weiter und redete sich ein, dass es ihr völlig gleichgültig war, wie viele Frauen
dieser Mann schon gehabt hatte. Ganz sicher wollte sie sich nicht in diese lange Liste
einreihen. Er hatte sie gestern Abend in einem kritischen Moment überrumpelt, und sie hatte
kurzzeitig den Verstand verloren. Doch dieser Fehler würde sich nie wiederholen.
Nach dem letzten Bissen nahm sie einen Schluck von dem starken Kaffee. "Höchste Zeit zum
Packen." Als Darcy die Lippen aufeinander presste, griff Nicole nach ihrer Hand. "Mach dir
keine Sorgen, Darcy. Du wirst deine Stelle nicht verlieren. Logan weiß, dass niemand so gut
wie du auf das Haus aufpasst."
"Das ist mir gleichgültig", erwiderte die Haushälterin. "Ich finde immer eine andere Arbeit.
Aber dieses alte Haus wäre nicht mehr, was es ist, wenn du nicht hier bist. Wenn du gehst,
will ich auch nicht bleiben."
"Ach, nicht, Darcy! Es ist ohnedies schon schlimm genug!" Nicole stand rasch auf und verließ
die Küche, damit die Haushälterin ihre Tränen nicht sah.
Eine Stunde später hatte Nicole einen Schrank geleert und packte den Inhalt sorgfältig in
Kartons. Um nicht völlig in einer Depression zu versinken, summte sie bei der Arbeit.
So ist es besser, sagte sie sich. Nichts bleibt ewig unverändert. Und es bringt nichts, hier zu
bleiben und sich an einen Teil von Belle Rouge zu klammern. Logan hätte garantiert dafür
gesorgt, dass sie sich nicht wohl fühlte. Nein, es hatte keinen Sinn.
Sie holte soeben die letzten Schuhkartons aus dem Ankleidezimmer, als es an der
Schlafzimmertür klopfte.
"Ich bin im Ankleidezimmer, Darcy!" rief sie. "Hast du noch Kartons gefunden?"
Die Haushälterin antwortete nicht. Nicole dachte schon, sich nur etwas eingebildet zu haben,
als sie hinter sich eine Männerstimme hörte.
"Was machst du da?" fragte Logan. Er stand in der Tür und trug ein verwaschenes rotes T-
Shirt zu einer alten Jeans.
Nicole ließ ungewollt den Blick über seinen schlanken Körper wandern, bevor sie so rasch
aufstand, dass ihr schwindelig wurde. "Ich ..." Sie stützte sich an der Wand ab. "Ich packe.
Was hast du gedacht?"
"Dass du dich zum Narren machst."
"Behauptest du", sagte sie gepresst und trat auf ihn zu. "Wenn du erlaubst. Ich habe viel zu
tun. Würdest du mich bitte vorbeilassen?"
Er stützte sich links und rechts gegen den Türrahmen. "Nein. Wir sprechen jetzt, du da
drinnen und ich hier draußen."
Es gefiel Nicole nicht, dass er sie in die Enge getrieben hatte. Selbst in einem großen Raum
fühlte sie sich von ihm bedrängt. In dem kleinen Zimmer bekam sie kaum Luft.
"Wir haben nichts mehr zu besprechen, Logan. Gestern Abend wurde schon alles gesagt." Sie
konnte ihn nicht direkt ansehen, weil es ihr peinlich war, wie sie ihn geküsst hatte.
"Nein", wehrte er ab. "Nur du hast viel gesagt, aber du hättest mir zuhören sollen."
"Ich hätte dir bestimmt zugehört, wäre es die Mühe wert gewesen."
Er betrachtete ihr zerzaustes Haar und das ungeschminkte Gesicht. "Du hast ein freches
Mundwerk, nicht wahr, Mädchen?" fragte er leise.
"Zu deiner Information - ich bin schon ziemlich lange kein T Mädchen mehr."
Logan lächelte amüsiert. "Wärst du die erwachsene Frau, für die du dich offenbar hältst,
würdest du nicht packen."
Sie lachte abfällig. "Es überrascht mich, dass du nicht eine Flasche Champagner öffnest. Es
muss für dich doch wundervoll sein, die Carringtons endlich loszuwerden."
"Ich habe dir gestern Abend gesagt, dass du bleiben sollst. Und das gilt auch jetzt noch."
Während er es sagte, fragte er sich bereits, ob er den Verstand verloren hatte. Dabei war ihm
das noch nie wegen einer Frau passiert - schon gar nicht nach der Lektion, die Tracie ihm
erteilt hatte.
Er lernte die Grundstücksmaklerin kurz nach der Hochzeit seines Vaters kennen. Damals hatte
er sich von seiner Familie und von Belle Rouge gelöst. Aus Einsamkeit war er für Tracies
sagenhaftes Aussehen und ihre geistreiche Art empfänglich gewesen. Er zog sogar bei ihr ein
und ahnte nicht, dass sie verheiratet war und ihr Mann sich außer Landes aufhielt. Das änderte
sich erst, als er Tracie bat, ihn zu heiraten.
Bis heute hatte er die Demütigung nicht vergessen. Der Gedanke an Tracie genügte, um
seinen Entschluss zu festigen, niemals eine Frau so sehr zu brauchen oder zu begehren, dass
seine Welt auf den Kopf gestellt wurde. Trotzdem hatte er gestern Abend unter der Eiche alles
vergessen. Er hatte Nicole dermaßen begehrt, dass es ihn noch jetzt verblüffte.
Seufzend schüttelte sie den Kopf. "Ich weiß nicht, Logan, worauf du hinauswillst, aber ich
werde dir nie glauben. Du willst mich nicht hier haben."
"Ich war seit vier Jahren nicht mehr auf der Plantage. Woher willst du mich so genau
kennen?"
Sie wünschte sich, er würde die Tür freigeben, damit sie den Raum verlassen konnte. Je
länger er redete, desto mehr fühlte sie sich eingeengt. Und wäre er noch näher gekommen,
hätte sie nicht ausweichen können.
"Sieh mal, Logan, es hat keinen Sinn, um den heißen Brei zu reden. Du magst mich nicht, und
ich mag dich nicht. Mir ist klar, dass dies die Plantage deines Vaters ist. Trotz seines
großzügigen Testaments gehört sie rechtmäßig dir. Dagegen ist nichts einzuwenden. Ich
verlange nur, dass du mir jetzt aus dem Weg gehst."
Er betrachtete ihr Gesicht so lange, bis sie rot wurde. "Du überlässt alles mir?" fragte er.
"Nachdem du hier so lange gelebt hast? Das glaube ich nicht."
"Weil du nicht begreifst, dass ich nicht wie du bin, Logan", erwiderte sie bedauernd. "Geld ist
für mich nicht das Wichtigste im Leben."
"Denkst du so über mich?" fragte er neugierig. "Hältst du mich für ge ldgierig?"
"Ich halte dich für vieles, Logan. Ja, du hattest immer Geld, und es wird für dich auch immer
wichtig sein."
Er war enttäuscht. Es stimmte, dass er Geld mochte. In den letzten zehn Jahren hatte er sogar
hart gearbeitet, um viel zu verdienen. Trotzdem ärgerte es ihn, dass sie so über ihn dachte.
"Wenn du nicht auf der Plantage bleibst, wohin willst du dann?" fragte er. "Hast du denn
Geld?"
"Meine finanziellen Angelegenheiten gehen dich nichts an."
"Doch, tut mir Leid."
"Wie bitte?" entgegnete sie ungläubig.
"Das Geld, das dir aus dem Gewinn der Plantage zufiel, wurde von deiner Mutter kontrolliert,
nicht wahr?"
"Das stimmt, aber Mutter lebt nicht mehr."
"Wenn du auf deinen Anteil an Belle Rouge verzichtest, verlierst du dieses Einkommen. Und
selbst wenn das nicht der Fall ist, kontrolliere ich jetzt dieses Geld. Dabei bleibt es, bis du
heiratest oder fünfundzwanzig wirst."
Das war für sie ein Schock. "Das kann doch nicht wahr sein! Nur weil Mutter tot ist, hast du
nicht das Recht, meine Finanzen zu kontrollieren!"
"Bedaure, du irrst dich. Mein Vater sorgte dafür, dass du einen Beschützer hast, bis du alt
genug bist, um finanzielle Entscheidungen selbst zu treffen. Und im Moment bin ich dieser
Beschützer."
Wenn Logan Recht hatte, konnte sie nicht ausziehen. Dann musste sie sich zuerst Arbeit
suchen und Geld verdienen, um nicht von der Dividende abzuhängen, die sie durch die
Plantage bezog. Und das konnte Monate dauern.
"Wieso hast du mir das nicht schon gestern gesagt?" fragte sie zornig.
"Ich habe es versucht, aber du wolltest mir nicht zuhören."
Vom gestrigen Abend erinnerte sie sich nur an seine hasserfüllten und herabsetzenden Worte
und den Kuss, der sie um den Verstand brachte. "Was wirst du nun machen? Du gestehst mir
doch bestimmt genug Geld zu, dass ich mir eine eigene Wohnung nehmen kann."
Als er den Kopf schüttelte, geriet Nicole in Panik.
"Du brauchst keine eigene Wohnung", erklärte er. "Dein Zuhause ist hier."
Sie wollte ihm ihren Zorn entgegenschreien, begriff jedoch schlagartig eines: Es hatte keinen
Sinn, mit Logan McNally zu diskutieren. Er ließ sich durch nichts beeinflussen.
"Willst du dir nicht von der Seele reden, was dich bedrückt?" fragte er, als sie ihn nur stumm
ansah.
"Geh bitte zur Seite und lass mich aus der Garderobe."
Er hatte sich auf Vorwürfe, Drohungen und sogar Tränen eingestellt. Ihre Ruhe überraschte
ihn. Vielleicht war Nicole Carrington doch stärker als vermutet.
Nachdem er die Tür freigegeben hatte, ging Nicole an ihm vorbei und packte weiter.
"Was machst du nun?" fragte Logan.
"Das sage ich dir, sobald ich mit dem Anwalt gesprochen habe."
"Wie du möchtest", meinte er lässig. "Du kannst mit Anwälten reden, so viel du willst. Jeder
wird dir raten, hier zu bleiben."
Sie warf einen Stapel T-Shirts in einen Karton mit Jeans. "Ach ja, wirklich?"
Logan sah zu, wie sie hastig Kleidungsstücke zusammenfaltete und wahllos in Kartons warf.
Sie arbeitete zielstrebig. Offenbar hatte er sie nicht davon abgebracht, Belle Rouge zu
verlassen. Sie wollte unbedingt weg von ihm.
"Nicole, ich bin nicht hier, um mit dir zu streiten. Auch wenn es schlecht begonnen hat, kann
es zwischen uns klappen."
Sie ließ eine Bluse fallen und drehte sich zu ihm um. Logan blickte in ihre braunen Augen
und achtete bewusst nicht auf die rosigen Lippen. Trotzdem hatte er den Kuss nicht
vergessen.
"Warum solltest du dein Zuhause mit mir teilen?" fragte sie. "Worum geht es dir wirklich,
Logan? Wir wissen beide, dass du mich nicht im Haus haben willst. Warum drängst du mich
zu bleiben? Dabei springt für dich etwas heraus. Es geht dir nicht um mein Wohl."
Als Professor an der Louisiana State University hatte Logan mit etlichen mächtigen Männern
zu tun gehabt, die ihm das Leben hätten schwer machen können. In ihrer Gegenwart hatte er
sich nie unsicher gefühlt. In diesem Moment hielt er Nicoles Blick jedoch kaum stand.
"Hältst du mich für ein Ungeheuer, Nicole? Ich will dich nicht auf die Straße werfen!"
"Sicher, du erträgst mich lieber, damit die Leute dich nicht für herzlos halten."
"Aber du hältst mich für herzlos", schloss er und unterdrückte den Wunsch, sie zu berühren.
"Ich halte dich nicht dafür, sondern ich weiß, dass du es bist. Sei ehrlich, Logan. Warum soll
ich bleiben?"
Wie konnte er zu ihr ehrlich sein? Die halbe Nacht hatte er überlegt, wie er wirklich zu Belle
Rouge und Nicole stand. Letztlich war es ihm nicht gelungen, die beiden voneinander zu
trennen. Ob es ihm gefiel oder nicht, Nicole gehörte mittlerweile zur Plantage.
Seufzend schob er die Hände in die Hosentaschen und trat ans Fenster. Während er in den
Garten blickte, tauchten alte Erinnerungen auf. Der Geruch frisch gepflügter Felder, das
Zuckerrohr, das dicht und grün dem Himmel entgegenwuchs, die Nussbäume, deren Äste sich
unter der Last der Nüsse bogen, der träge dahinströmende Fluss. In Shreveport hatte er nur
selten an sein Zuhause gedacht. Erst auf Belle Rouge merkte er, wie sehr ihm die Plantage
gefehlt hatte.
"Hättest du mir gestern Abend zugehört, anstatt zu fauchen und zu kratzen ..."
Er warf ihr einen Blick zu, doch Nicole achtete nicht me hr auf ihn, sondern auf eine kleine
Spieldose in ihrer Hand.
"Nicole, was ist?"
Sie blickte so verloren und traurig hoch, dass Logan ihr nicht noch mehr Neuigkeiten zumuten
konnte. Es ging jedoch nicht anders. Trotz des ungünstigen Zeitpunkts musste sie verstehen,
was Lyles Testament für sie beide bedeutete.
"Es ... tut mir Leid. Ich war ... mit den Gedanken woanders" sagte sie heiser und verstaute die
Spieldose behutsam zwischen den Kleidungsstücken.
"Hat die Spieldose für dich eine besondere Bedeutung?"
"Meine Mutter schenkte sie mir zum Geburtstag, kurz nachdem wir hier eingezogen waren.
Wie lange das schon her ist."
Logan hätte Nicole am liebsten in die Arme genommen, um sie zu trösten. Er stand im Ruf,
hart zu sein, und er brachte für gefühlsbetonte Leute nur wenig Geduld auf. Doch sie war so
einsam und traurig, dass es ihn berührte.
"Der Schmerz über den Verlust wird nachlassen. Warte ab, Nicole."
Sie sah ihn an, als könnte sie nicht glauben, dass er ihr Mitgefühl zeigte. "Du weißt nicht, was
ich empfinde. Simone war nicht nur meine Mutter, sondern auch meine beste Freundin."
"Du vergisst, dass ich beide Elternteile verloren habe."
Daran wollte Nicole nicht denken, weil Logan damals Simone den Tod seiner Mutter
angelastet hatte. Das war natürlich Unsinn. Clara war betrunken gegen einen Brückenpfeiler
gefahren. Trotzdem hatte Logan behauptet, seine Mutter hätte nicht getrunken, hätten Simone
und Lyle keine Affäre miteinander gehabt.
"Ja, ich weiß", sagte sie seufzend und ging zur Garderobe zurück.
Logan hielt sie am Arm fest. "Lass doch das Packen! Du bleibst."
Sie blickte auf seine Hand und dann in sein hartes Gesicht. Sie wollte ihn für seine Arroganz
und den Mangel an Verständnis für ihre Gefühle hassen. Doch gestern Abend hatte sie eine
Seite von ihm kennen gelernt, die sie nicht vergessen konnte.
"Du hast mir noch immer keinen guten Grund zum Bleiben genannt."
Er atmete tief durch und ließ den Blick über ihr Gesicht, den Hals und die Lippen wandern.
"Ich habe dir sogar mehrere genannt. Der wichtigste is t, dass Belle Rouge seit Jahren dein
Zuhause ist und du deshalb gar nicht fortwillst."
"Du hast Recht", räumte sie ein. "Ich wollte nicht fort, bis ich erfuhr, dass du bleibst."
"Ich habe gar keine andere Wahl."
Plötzlich ertrug sie den Blick aus seinen grauen Augen nicht und drehte sich zu den Kartons
auf dem Bett um. "Ich habe auch keine andere Wahl. Wenn du bleibst, muss ich gehen."
"Du hasst mich wirklich."
Sie wandte sich wieder um und betrachtete sein markant geschnittenes Gesicht. Vielleicht war
sie verrückt, aber für einen Moment glaubte sie, Bedauern in seinen Augen zu erkennen. Doch
es wäre dumm von ihr gewesen, diesem Mann gegenüber weich zu werden.
"Meine Mutter hat mir beigebracht, niemanden zu hassen. Das schließt dich ein, Logan. Sie
wollte, dass ich dir verzeihe und vergesse, was du uns antun wolltest."
"Sie hat mich einmal angerufen", erklärte er. "Das war kurz nach der Heirat mit Dad. Sie
wollte, dass wir die Vergangenheit vergessen und neu anfangen."
"Warum hast du das nicht gemacht?" fragte Nicole.
"Ich dachte, Dad hätte sie zu dem Anruf gedrängt. Ich glaubte nicht, dass sie mir wirklich
verziehen hätte. Du hast es jedenfalls nicht getan."
"Das stimmt allerdings. Ich habe dir nicht verziehen. Und ich ertrage es nicht, mit dir immer
wieder darüber zu streiten. Und das würde passieren, falls ich bleibe."
Er hoffte inständig, dass sie sich irrte, weil er diese feindselige Stimmung nicht ertragen hätte.
"Also gut, Nicole, ich werde es dir erklären. Mein Vater hat dir und mir jeweils ein Viertel der
Plantage hinterlassen."
Ihres Wissens nach hatte Lyle keine anderen Verwandten. "Je ein Viertel? Wer bekommt die
andere Hälfte?"
"Unsere Ehepartner."
"Unsere Ehepartner?" wiederholte sie betroffen. "Keiner von uns ist verheiratet."
"Allerdings, aber so hat es mein Vater bestimmt."
Sie überlegte eine Weile, bevor sie sagte: "Also, ich sehe noch immer kein großes Problem.
Ich überschreibe dir einfach meine beiden Viertel."
Logan schüttelte den Kopf. "So einfach ist das nicht."
"Wieso nicht? Es geht um meinen Anteil. Damit kann ich doch machen, was ich will."
"Erstens müssen wir beide für die nächsten sechs Monate hier wohnen, sonst fällt die Plantage
als historisches Denkmal an den Staat Louisiana."
Allmählich begriff Nicole, wurde zornig und fühlte sich hintergangen.
"Jetzt endlich kommen wir zum Kern der Sache", hielt sie ihm vor. "Wenn ich nicht hier
wohne, verliere nicht nur ich meinen Anteil an Belle Rouge, sondern du auch den deinen."
"Tut mir Leid, so hat mein Vater nun einmal die Karten verteilt. Mir ist klar, dass du darüber
so wenig glücklich bist wie ich."
"Glücklich?" rief sie. "Wahrscheinlich werde ich nie wieder glücklich sein. Was hat Lyle sich
dabei bloß gedacht? Und wieso ließ meine, Mutter überhaupt zu, dass er ein dermaßen
unsinniges Testament aufsetzt?"
In den zurückliegenden Jahren hatte Lyle oft darauf gedrängt, dass Logan heimkam. Sie alle
sollten eine Familie bilden. Logan hatte sich geweigert, weil er sich als Außenseiter fühlte.
"Deine Mutter und mein Vater nahmen vermutlich an, wir würden Frieden schließen, wenn
wir unter einem Dach leben müssen."
"Das ist verrückt." Nicole wandte sich ab. "Außerdem hat er nicht mit seinem baldigen Tod
gerechnet, als er das Testament schrieb. Und was wäre denn gewesen, wenn jeder von uns
bereits verheiratet wäre? Dann könnten wir nicht alle in diesem Haus leben. Lyle hätte das
bedenken müssen." Nicole trat ans Bett. "Ich glaube, dein Vater war nicht mehr klar bei
Verstand!" Sie sah Logan erwartungsvoll an. "Glaubst du, dass du etwas gegen das Testament
unternehmen kannst?"
"Du meinst, weil mein Vater angeblich nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war, als er
es schrieb? Nein, das tue ich ihm nicht an ... obwohl es ein verlockender Gedanke ist",
gestand er.
"Ich könnte das auch nicht", gestand Nicole, schob einen Stapel Kleidung beiseite und setzte
sich auf das Bett.
"Was machst du nun?" fragte er.
Was blieb ihr denn übrig? Logan kontrollierte ihr Geld, und wenn sie nicht blieb, fiel Belle
Rouge an den Staat. "Was kann ich schon machen?"
Er zuckte die Schultern, als würde die Entscheidung tatsächlich bei ihr liegen. In Wahrheit
hätte er nicht kampflos auf die Plantage verzichtet. Nicole wusste nur nicht, warum er den
Besitz haben wollte - ob es um das Geld oder sein Zuhause ging.
"Nicole, ich habe das alles nicht eingefädelt. Sieh mich also nicht an, als wäre ich hinterrücks
mit einem Messer auf dich losgegangen."
"Du bist ein kluger Geschäftsmann, Logan. Du findest bestimmt eine Lösung für unsere
Lage."
Er trat vor sie hin. Als sie zu ihm hochblickte, vergaß er Belle Rouge und kannte nur noch den
Wunsch, sie auf das Bett zu drücken und ihr zu zeigen, wie es war, von einem Mann geliebt
zu werden. Von ihm.
"Ich kann nichts machen. Und komm gar nicht erst auf die Idee, wir sollten nur so tun, als
würden wir auf der Plantage leben. Dads Anwalt wird das überprüfen lassen. Und zwar oft."
Sie schloss die Augen, als ihr die ganze Tragweite bewusst wurde. "Ich kann nicht glauben,
dass Lyle so hinterlistig war."
"Oder so großzügig", fügte Logan hinzu. "Vergiss das nicht. Du hast schließlich gedacht, gar
nichts zu bekommen."
Als sie die Augen öffnete, stockte ihr der Atem. Sie sah Logan an, dass er in Gedanken nicht
ausschließlich mit Belle Rouge beschäftigt war. Ob er sich an den Kuss erinnerte? Oder war
dieser Vorfall für ihn bedeutungslos?
"Ich habe bisher gar nichts bekommen", erwiderte sie knapp. Selbst wenn er noch an den
Kuss dachte, musste sie ihn vergessen.
"Du wirst, sofern du bleibst."
"Sechs Monate?" Nicole seufzte. "Bei dir? Das ist unmöglich. Außerdem könnte ich in der
Zeit heiraten."
Logan ließ sich nicht anmerken, wie wenig ihm diese Vorstellung gefiel. "Nicole, ich habe in
den letzten Tagen über alles nachgedacht. Und ich habe eine Lösung für unsere Probleme
gefunden."
"Tatsächlich?" fragte sie ho ffnungsvoll. "Wieso hast du das nicht gleich gesagt?"
"Weil du zuerst alle Bedingungen des Testaments erfahren solltest."
Als er nicht weitersprach, fragte sie vorsichtig: "Warum?"
"Damit du begreifst, dass mein Vorschlag die einzig logische Schlussfolgerung ist."
"Irgendwie hört sich das bedrohlich an."
Logan runzelte die Stirn. "Ich bin überzeugt, dass du es so sehen wirst."
"Warum?" Nicole bekam Herzklopfen. "Was sollten wir denn deiner Meinung nach tun?"
"Heiraten." Er richtete die grauen Augen kühl auf sie. "Und zwar wir beide."
3. KAPITEL Nicole sprang auf. "Hast du den Verstand verloren? Wir hassen uns doch!"
Logan lächelte spöttisch. "Gestern Abend hast du dich nicht aufgeführt, als würdest du mich
hassen."
"Gestern Abend war ich nicht ganz bei mir." Sie wollte an ihm vorbeigehen, doch er legte ihr
die Hand auf die Schulter.
"Nicole, eines solltest du wissen. Dieser Vorfall unter der Eiche hatte nichts damit zu tun,
dass wir heiraten."
Sie wich seinem Blick aus. "Ich werde dich auf gar keinen Fall heiraten."
"Nicht einmal, um Belle Rouge zu retten?" fragte er leise.
Das Bedauern, das sie in seinem Gesicht fand, verwirrte sie. Es sollte ihr gleichgültig sein, ob
er enttäuscht war oder litt. Das war es allerdings nicht.
"Ich kann nicht glauben, dass du dermaßen an der Plantage hängst."
Logan ließ den Blick über ihr sanftes Gesicht gleiten. "Sie ist mein Zuhause."
"Du warst seit vier Jahren nicht mehr hier", erinnerte sie ihn. "Aber hinter deinem Interesse an
Belle Rouge steckt ja auch keine Sentimentalität. Es geht nur um Geld."
"Warum ich Belle Rouge behalten will, ist meine Sache", entgegnete er gereizt. "Die Plantage
ist so viel wert, dass du dumm wärst, darauf zu verzichten, nur weil du mich nicht magst."
"Geld ist nicht alles."
"Das stimmt", erwiderte er und ließ den Blick über sie wandern.
Obwohl sie gleichgültig bleiben wollte, setzte tief in ihr ein Prickeln ein. "Du verlangst, dass
ich meinen Körper, meinen Stolz und meine Selbstachtung verkaufe!"
"Ich verlange gar nichts. Es wird sich um eine reine Zweckehe handeln. Nach sechs Monaten
lässt du dich von mir scheiden und gehst deiner Wege. Belle Rouge gehört dann mir, und du
hast genug Geld zum Leben."
Das klang so logisch, praktisch und kalt, dass Nicole fröstelte. "Du meinst, wenn ich deine
Frau werde, kann ich dir nach sechs Monaten meine zwei Viertel der Plantage rechtmäßig
überschreiben?"
"Ja, und ich würde dir dafür den Marktwert deiner Anteile auszahlen. Was ist dagegen
einzuwenden?"
Nichts, wäre er nicht Logan gewesen. Doch er hatte ihre Mutter beleidigt und verletzt und war
zehn Jahre lang seinem Vater mehr oder weniger ausgewichen. Wie konnte Nicole den
Schmerz vergessen, den er den Menschen, die sie liebte, zugefügt hatte? Noch weniger konnte
sie den gestrigen Kuss vergessen - und ihre Reaktion darauf.
"Ich kann mich jetzt nicht entscheiden, sondern muss über alles nachdenken."
Erst in diesem Moment merkte Logan, dass er sie noch immer an der Schulter festhielt. Er zog
die Hand jedoch nicht zurück, weil er die Berührung genoss.
"Was gibt es da zu überlegen?"
"Ich kenne deine Einstellung nicht, Logan, aber für mich ist Heirat ein ernster Schritt. Ich
weiß nicht, ob wir unter demselben Dach leben können, schon gar nicht, nachdem wir uns so
... geküsst haben."
"Ich sagte doch, dass das nichts mit der Heirat zu tun hatte", versicherte er. "Du brauchst
keine Angst zu haben, es könnte sich wiederholen. Darauf werde ich achten."
"Willst du das?"
"Ja. Nein. Verdammt", sagte er leise, und bevor er sich zurückhalten konnte, schob er die
Hand in ihren Nacken.
Nicole riss die Augen weit auf, als er sie sachte zu sich heranholte. "Logan ..."
Als sie seinen Namen flüsterte, verschwand der gebannte Ausdruck aus seinen Augen.
Ruckartig zog er die Hand weg, drehte sich um und ging zur Tür.
"Ich schicke Darcy herauf, damit sie dir hilft, dein Zimmer wieder in Ordnung zu bringen",
sagte er schroff und trat auf den Korridor hinaus, bevor Nicole antworten konnte.
Als sich die Tür hinter ihm schloss, zitterten ihre Beine, und ihr Herz hämmerte heftig. Logan
wollte sie zu seiner Ehefrau machen, wenn auch nur auf dem Papier. Noch vor wenigen
Sekunden hätte sie jedoch geschworen, dass er sie in erster Linie lieben wollte.
Was bedeutete das? Auch wenn sie nie eine Familie gebildet hatten, war Logan ihr Stiefbruder. Sie konnte ihn sich nicht als ihren Ehemann vorstellen. Trotzdem konnte sie sich kaum davon abhalten, ihm nachzulaufen und ihn um einen Kuss anzuflehen. Sie durfte nicht vergessen, dass Logan ein McNally und sie eine Carrington war. Schon einmal hatte eine Verbindung zwischen den beiden Familien zur Katastrophe geführt. Eine zweite Verbindung musste Belle Rouge vernichten - und letztlich auch sie beide. "Es tut mir Leid, Miss Carrington, aber als Lyles Testamentsvollstrecker ist es meine Pflicht, darauf zu achten, dass alles nach seinen Wünschen ausgeführt wird. Ich kann seine Anweisungen nicht ändern, auch wenn ich verstehe, in welch schwierige Situation Sie dadurch geraten." Nicole hätte den lächelnden Anwalt am liebsten angeschrieen. Der Mann mittleren Alters hatte gar keine Ahnung, in welcher Lage sie sich befand. Vermutlich war es ihm auch völlig gleichgültig, solange er sein Honorar bekam. "Nun, um ehrlich mit Ihnen zu sein, Mr. Thorndyke", entgegnete sie, "würde Belle Rouge nicht an den Staat fallen, hätte ich schon vor einer Woche die Plantage verlassen." Schlagartig hörte er zu lächeln auf. "Bestimmt zählte Lyle auf Ihre Liebe zur Plantage, um Sie dort festzuhalten. Und wenn Sie darüber nachdenken, Miss Carrington, ist es nicht zu viel verlangt. Überlegen Sie, was Sie dafür alles bekommen. Allein schon die Gewinne aus dem Verkauf der jährlichen Zuckerrohrernte sind beträchtlich. Das Gleiche gilt für die Nussernte. Das Wohnhaus musste renoviert werden, aber der Wert ist enorm, sollte es auf dem Immobilienma rkt angeboten werden. Alles in allem sollten Sie die Erbschaft nicht auf die leichte Schulter nehmen." Nicole war völlig klar, um wie viel Geld es ging. Trotzdem gab es Dinge, die mehr wert waren - Stolz, Selbstachtung und vor allem innerer Friede. Seit Logan vor einer Woche eine Heirat als Lösung des Problems vorgeschlagen hatte, war Nicole ihm sorgfältig aus dem Weg gegangen. Sie hatte sich die meiste Zeit in ihrem Zimmer oder im Freien aufgehalten. Trotzdem hatte sie abends mit ihm essen und sich dabei gequält unterhalten müssen. Und ständig hatte sie sich gefragt, wann er auf eine Entscheidung über seinen Antrag drängen würde. Sie hatte schon genug Zeit in dem Anwaltsbüro verschwendet, griff nach der Handtasche und stand auf. "Glauben Sie mir, Mr. Thornd yke, ich nehme nichts auf die leichte Schulter." Der Anwalt erhob sich höflich und brachte sie zur Tür. "Freut mich zu hören. Ich würde es bedauern, sollten Sie Ihre Ansprüche an der Plantage verlieren. Und Mr. McNally möchte selbstverständlich auch nicht auf seinen Besitz verzichten. Als ich vor einigen Tagen mit ihm sprach, sorgte er sich sehr um Ihre Bedürfnisse." Das konnte Nicole sich kaum vorstellen. Logan hatte stets nur an seine eigenen Bedürfnisse gedacht. Alle anderen Menschen waren ihm gleichgültig gewesen. "Natürlich sorgt er sich um mich", erwiderte sie. "Er weiß, dass es ihm schlecht ergeht, wenn ich nicht zufrieden bin." Der Anwalt räusperte sich. "Nun, wenn ich noch etwas für Sie tun kann, Miss Carrington, rufen Sie mich bitte jederzeit an." Er hatte schon klar ausgedrückt, dass er wegen des Testaments nichts unternehmen konnte. Doch er war seit Jahren der Rechtsberater von Belle Rouge und eng mit Lyle befreundet gewesen. Darum wollte Nicole ihn nicht beleidigen. "Vielen Dank, Mr. Thorndyke, dass Sie mir alles erklärt haben. Sollte ich noch Fragen haben, setze ich mich mit Ihnen in Verbindung." Sie gab ihm die Hand, verließ das Büro und trat in die schwüle Hitze des Nachmittags hinaus. Nicole fuhr von der Innenstadt von Natchitoches Richtung Highway l, der nach Belle Rouge führte, überlegte es sich jedoch anders, steuerte den Fluss an und hielt erst in einer ruhigen Wohnstraße.
Die Temperatur betrug fast vierzig Grad, und die Luft war entsprechend feucht. Nicole war
für den Schatten dankbar, den die hundertjährigen Magnolienbäume warfen, als sie zur Tür
eines Hauses aus der Zeit vor dem Bürgerkrieg ging und nach dem schweren Klopfer griff.
Kurz darauf öffnete eine hoch gewachsene Brünette Anfang vierzig und stieß einen
begeisterten Schrei aus. "N icole! Was für eine schöne Überraschung! Komm herein!"
Sie zog die schwere Eichentür ganz auf, doch Nicole zögerte.
"Bist du beschäftigt, Amelia? Ich will dich nicht stören."
"Unsinn", wehrte sie lachend ab. "Du kannst mich gar nicht stören. Außerdem muss ich heute
nicht arbeiten und war bisher schrecklich faul."
Amelia war Physiotherapeutin an einem örtlichen Krankenhaus. Nicole hatte sie vor zwei
Jahren kennen gelernt, als Simone den ersten Schlaganfall erlitt. Sanft, aber unnachgiebig
hatte Amelia dafür gesorgt, dass Nicoles Mutter sich wieder so weit bewegen konnte, dass sie
die letzten zwei Jahre ihres Lebens genoss. Seit damals waren Nicole und Amelia gute
Freundinnen.
"Ich bleibe nicht lange", versprach Nicole, betrat das Haus und folgte Amelia durch das
Wohnzimmer und einen langen Korridor. "Darcy macht sich Sorgen, wenn ich nicht
rechtzeitig zum Essen daheim bin."
"Du hast aber bestimmt Zeit für einen Eistee", erwiderte Amelia. "Ich habe gerade welchen
gemacht. Gehen wir auf die Veranda", schlug sie vor.
"Klingt gut", stimmte Nicole zu. Der Besuch bei Thorndyke hatte sie körperlich und geistig
erschöpft. Sie hatte verzweifelt gehofft, der Anwalt wüsste ein Schlupfloch, damit sie und
Logan getrennter Wege gehen konnten. Jetzt musste sie sich damit abfinden, ihn mindestens
sechs Monate lang zu ertragen.
"Was führt dich in die Stadt?" fragte Amelia. "Ich habe nicht mit dir gerechnet."
"Ich habe mit einem Anwalt gesprochen", erwiderte Nicole niedergeschlagen.
Ihre Freundin holte einen gläsernen Krug aus dem Kühlschrank. "Geht es um den Nachlass
deiner Mutter?"
"Nein. Mom hatte nichts weiter als ihren Wagen und ein bescheidenes Sparbuch. Alles andere
gehörte Lyle. Ich war wegen ... eines Problems bei dem Anwalt."
"Tut mir Leid, dass du Probleme hast, aber ic h freue mich, dass du dich nicht auf Belle Rouge
vergräbst."
"Belle Rouge ist mein Zuhause, das ich liebe." Zumindest war das vor Logans Rückkehr so
gewesen.
Amelia stellte die Karaffe mit dem Tee, Gläser und einen Teller mit Plätzchen auf ein Tablett.
"Ja, ich weiß, aber ich wünschte ..." Sie unterbrach sich und gab Nicole einen Wink, vor ihr
auf die Veranda zu gehen.
"Du wünschst, ich würde in Natchitoches wohnen", vollendete Nicole den Satz und ließ sich
auf eine Chaiselongue sinken.
Amelia setzte sich ebenfalls und schenkte den Tee ein, reichte Nicole ein Glas und sagte: "Ich
hätte dich gern in meiner Nähe. Du bist für mich wie eine Tochter. Was dich angeht, solltest
du woanders leben als auf der Plantage. Da ist es zu einsam. Du findest dort nicht..."
"... die Gesellschaft, die ich brauche", vollendete Nicole ein zweites Mal für sie und lächelte.
"Du solltest mittlerweile wissen, dass ich lieber zurückgezogen lebe."
"Dein Leben hat sich um die Sorge um deine Mutter gedreht", erklärte Amelia. "Hast du
schon überlegt, was du jetzt machen wirst?"
Nicole seufzte. "Eigentlich nicht."
"Wieso nicht? Simone hätte bestimmt nicht gewollt, dass du nur herumsitzt und trauerst."
Nicole strich geistesabwesend über das kalte blaue Glas in ihrer Hand. "Das weiß ich. Und
das mache ich auch nicht."
Amelia nickte zufrieden. "Gut. Du hast hart gearbeitet, um dein Diplom in Buchhaltung zu
bekommen. Jetzt kannst du es endlich nutzen."
Es stimmte, dass Nicole hart gearbeitet hatte, um das College zu schaffen. Als ihr Traum,
Buchhalterin zu werden, zum Greifen nahe war, hatte ihre Mutter den Schlaganfall erlitten.
Aus Liebe hatte Nicole sich dafür entschieden, daheim zu bleiben und ihre Mutter zu
versorgen.
"Vielleicht mache ich das irgendwann", erklärte sie ihrer Freundin. "Im Moment hängt alles in
der Luft."
"In der Luft?" fragte Amelia. "Hast du denn keine Leute, die sich um die Plantage kümmern?
Was hält dich noch dort?"
Nicole schüttelte seufzend den Kopf. Vielleicht sollte sie Amelia die Lage genauer erklären.
"Alle Arbeiter sind geblieben. Das ist nicht das Problem. Es hat allerdings seit deinem letzten
Besuch einige wesentliche Veränderungen auf Belle Rouge gegeben."
Amelia lachte laut auf, und Nicole dachte, wie wunderbar es doch war, so heiter und
zuversichtlich zu sein. Trotz einer gescheiterten Ehe und der schlechten Behandlung durch
einen Mann war Amelia dem anderen Geschlecht gegenüber bei weitem nicht so misstrauisch
wie sie selbst.
"Veränderungen?" fragte Amelia amüsiert. "Die Plantage wurde Ende des achtzehnten
Jahrhundert erbaut, und seither hat sich nur verändert, dass es Badezimmer und Telefon gibt."
"Nun ja, ich meinte keine äußerlichen Veränderungen", räumte Nicole ein. "Aber ..." Sie trank
Tee und ließ Amelia warten. "Erinnerst du dich daran, dass ich einen Stiefbruder habe?"
"Vage", entgegnete ihre Freundin. "Du hast einmal erwähnt, dass er in Shreveport wohnt und
nie nach Belle Rouge kommt."
"Das stimmt. Als Mom und ich einzogen, zog Logan aus. Er hat uns abgelehnt. Aber jetzt ...
jetzt muss ich mit diesem Mann leben!"
Amelia setzte sich überrascht auf. "Mit ihm leben? Du meinst, dein Stiefbruder ist zurück?"
Nicole nickte. "Und er will bleiben. Für immer."
Amelia warf nur einen Blick in ihr Gesicht und stellte fest: "Du magst ihn offenbar nicht."
Mögen? Das Wort beschrieb bei weitem nicht, was sie für diesen Mann empfand. Mit jedem
Tag wurde deutlicher, dass sie sich nicht entscheiden konnte, ob sie ihn liebte, hasste oder
umbringen wollte - oder alles zusammen.
"Amelia, er hat meiner Mutter stets die Schuld für das Scheitern der Ehe seiner Eltern
gegeben. Er glaubt, seine Mutter wäre gestorben, weil sie wegen meiner Mutter Alkoholikerin
wurde."
"Klingt, als wäre dein Stiefbruder ja ein ganz reizender Kerl. Wie alt ist er?"
"Vierunddreißig."
"Hat er Frau und Kind er?"
"Nein." Vielleicht wäre dann alles anders gewesen. Wenigstens hätte er ihr keinen
Heiratsantrag machen können. Und er hätte sie mit Küssen auch nicht um den Verstand
gebracht. "Logan hat nie geheiratet. Dafür ist er wahrscheinlich gar nicht der Typ."
"Wie ist er eigentlich?" fragte Amelia.
"Groß, schlank, dunkler Typ. Er ist ein attraktiver Mann. Aber das gute Aussehen wird durch
sein Wesen aufgehoben, wenn du weißt, was ich meine."
Amelia lachte wissend. "Oh, ja, meine Liebe, ich war mit so einem Typ verheiratet.
Mittlerweile ziehe ich einen hässlichen Mann mit einem großen Herzen vor."
Nicole seufzte erneut. "Zu meiner Überraschung gehört mir jetzt ein Teil von Belle Rouge.
Und ich weiß nicht, wie sich das auf meine Pläne auswirkt, als Buchhalterin zu arbeiten."
"Du liebst Belle Rouge", erwiderte Amelia. "Ich finde die Plantage auch schön und
bedeutungsvoll für die Geschichte unseres Staates. Aber du solltest deinen Anteil an deinen
Stiefbruder verkaufen und dir etwas Eigenes suchen, mit jungen Männern ausgehen und das
Leben genießen. Bisher hast du nichts weiter getan, als Schulen zu besuchen und deine Mutter
zu versorgen."
"Mehr wollte ich nicht", wehrte Nicole ab.
"Ich weiß, aber du hättest dir trotz allem mehr Freude gönnen sollen." Nicole führte das Teeglas an die Lippen. "Damit ich wie meine Mutter ende? Schwanger und allein gelassen?" "Das kannst du einfach nicht vergessen, nicht wahr?" Nicole blickte durch das Fliegengitter zu einem Bogen, der mit roten, weißen und rosa Rosen bewachsen war. Doch sie bewunderte nicht die Blumen, sondern erinnerte sich daran, wie sie als kleines Mädchen auf dem Boden der Küche des Diners saß und mit Puppen spielte, während ihre Mutter vorne im Restaurant bediente. Damals hatte sie sich vorgestellt, ihr Vater würde kommen und sie beide an einen schönen Ort bringen. Das war nie geschehen. Sie hatte diesen Mann kein einziges Mal gesehen. Und nach so langer Zeit wollte sie das gar nicht mehr. "Ich habe versucht, es zu vergessen, Amelia, aber ich kann es nicht." Sie wandte sich wieder an ihre Freundin. "Erst letzte Woche hat Logan mich daran erinnert, dass ich ein uneheliches Kind bin und nicht nach Belle Rouge gehöre." Amelia sagte ein sehr undamenhaftes Wort. "Der Kerl wird mir immer sympathischer." "Oh, er kann sehr charmant sein, glaube mir." Besonders wenn er einen in die Arme nimmt und küsst, bis man keine Luft mehr bekommt... "Aber es geht nicht um Logan. Bisher habe ich einfach keinen Mann kennen gelernt, der von mir mehr wollte als Sex." Amelia griff nach einem Plä tzchen. "Das kommt daher, dass du gar keinen kennen lernen willst. Du lässt die Sache mit diesem ... Wie hieß er noch einmal?" "Bryce. wie könnte ich das vergessen?" "Das hättest du aber längst machen sollen", drängte ihre Freundin. "Glaubst du vielleicht, du wärst die Einzige, die als junges Mädchen von einem Mann mit reizenden Versprechungen eingewickelt wurde? Tausende haben das Gleiche erlebt. Du musst dich auf die Zukunft konzentrieren." "Das ist allerdings schwer", gestand Nicole. "Mir sind für die nächsten sechs Monate die Hände gebunden." "Und wieso?" Nicole wollte nicht darüber sprechen. Amelia wäre garantiert schockiert gewesen. "Weil dann erst mein Anspruch auf einen Teil von Belle Rouge gültig sein wird." Amelia betrachtete sie eingehend. "Und das ist dir sehr wichtig. Ich wünschte, es wäre anders. Nun gut, so ist es, und vielleicht hat das ja auch Vorteile. Wahrscheinlich kannst du nur auf Belle Rouge glücklich sein." "Ich glaube, du hast Recht, Amelia", bestätigte Nicole. "Und das macht mir am meisten Angst." 4. KAPITEL Als Nicoles Wagen durch die Eichenallee zum Haus kam, saß Logan auf der vorderen Veranda und trank Cola mit Kentucky Bourbon. Durch die Trockenheit der letzten Tage war die nicht asphaltierte Straße ausgetrocknet. Eine Staubwolke folgte dem dunkelblauen Wagen, bis das Auto vor dem weißen Gartenzaun hielt. Es gefiel Logan nicht, wie erleichtert er war, dass Nicole wieder hier war. Als sie ausstieg und langsam die Treppe zur Veranda heraufstieg, fand er sie in dem schlichten geblümten Kleid und mit dem breitkrempigen Strohhut wunderschön. Nicole wollte schon das Haus betreten, als sie Logan am Ende der Veranda in einem Korbsessel entdeckte. Jeans und Stiefel waren staubig, doch das weiße Hemd wirkte sauber und frisch. Was er wohl den ganzen Tag getan hatte? Der Kleidung nach zu schließen, war er in den Feldern gewesen. Keinesfalls wollte sie fragen. Er sollte bloß nicht glauben, sie würde sich für ihn interessieren.
Nach kurzem Zögern ging sie zu ihm. Sally, ihre Hündin, lag zu seinen Füßen. Nicole bückte
sich und streichelte Sally, ehe sie sich an Logan wandte.
"Was machst du hier?" fragte sie ohne Umschweife.
"Ich warte auf dich." Um dir zu sagen, dass du mich heiraten wirst, fügte er in Gedanken
hinzu.
"Warum?"
Er sah sie an, als wäre die Frage völlig albern. "Wegen des Essens, warum sonst?"
Sie zeigte ihm nicht, wie überrascht sie war. Niemals hätte sie damit gerechnet, dass Logan
sie in seinen Tagesablauf einbaute. "Du hättest nicht auf mich warten müssen", sagte sie und
stand wieder auf.
"Ich hätte das Essen kaum genossen, während du wer weiß wo herumkurvst", warf er ihr vor.
Sie nahm den Hut ab und strich sich durch das Haar. Logan betrachtete die seidigen rötlich
goldenen Strähnen, die durch ihre Finger glitten und ihren schlanken weißen Hals umspielten.
Als sie am Morgen das Haus verließ, hatte er mit Leo, dem Verwalter von Belle Rouge,
gesprochen. Logan hatte nicht gewusst, wohin sie gefahren war, und den ganzen Nachmittag
hatte er sich gefragt, was sie machte. Und er hatte auf ihre Rückkehr gewartet.
"Darcy wusste, wo ich war. Du hättest sie nur fragen müssen."
"Warum sollte ich eine bezahlte Angestellte fragen, wohin meine Stiefschwester gefahren ist?
Du hättest es mir aus Höflichkeit selbst mitteilen sollen. Du warst den ganzen Tag weg."
Zornig sah Nicole zu, wie er nach dem Glas griff. "Darcy ist keine bezahlte Angestellte!"
"Ich bitte sehr um Verzeihung, aber ich habe erst heute Morgen ihren Gehaltsscheck
ausgestellt."
"Du weißt genau, was ich meine. Sie lebt seit Jahren in dieser Familie!" Sie zog die Augen zu
schmalen Schlitzen zusammen. "Aber ich vergesse, dass du ja nie hier warst. Daher gehört sie
für dich nicht zur Familie. Wer tut das in deinen Augen schon?"
Damit drehte sie sich um und ging ins Haus. Logan sprang auf und folgte ihr. Sally hob den
Kopf und winselte, weil sie nicht allein sein wollte.
"Was heißt denn das wieder?" fauchte Logan.
Im Wohnzimmer warf Nicole den Hut auf ein Sofa und ging durch den Korridor weiter zur
Küche. "Du weißt gar nicht, was es bedeutet, Teil einer Familie zu sein. Du willst es auch gar
nicht."
"Ach ja, großartig, dass ausgerechnet du das sagst", bemerkte er spöttisch. "Mir lag verdammt
viel an meiner Familie, bis du zusammen mit deiner Mutter aufgetaucht bist und diese Familie
zerstört wurde!"
"Sagst du", wehrte sie ab. "Deine Familie war schon längst zerstört, bevor meine Mutter und
ich auftauchten."
"Wie du meinst, wenn du dadurch dein Gewissen beruhigst."
Während Nicole die Hände an der Küchenspüle wusch, beobachtete sie aus dem
Augenwinkel, wie Logan das Glas leerte. Offenbar war er wütend auf sie, weil sie den ganzen
Tag fort gewesen war. Allerdings verstand sie nicht, was ihn daran so ärgerte. Er sprach mit
ihr kaum mehr als zehn Worte am Tag. Der heutige Abend bildete eine klare Ausnahme.
"Wie viel hast du denn schon getrunken?" fragte sie.
"Ein Glas. Wieso? Glaubst du, ich muss betrunken sein, um die Wahrheit auszusprechen?
Oder fürchtest du, ich könnte Alkoholiker werden? Das liegt in meinen Genen."
Sie achtete nicht auf seinen herausfordernden Blick, trat an den Gasherd und öffnete das
Backrohr, in dem Darcy das Essen warm hielt.
"Du bist heute Abend einfach reizend", stellte sie fest.
"Meine Stimmung war gut, bis ich hungrig länger als eine Stunde auf dich warten musste."
"Ich sagte dir doch, dass du nicht auf mich hättest warten müssen. Du hättest jederzeit allein
anfangen können."
Genau das war ja so schlimm! Logan wusste genau, dass er in die Küche hätte gehen können,
um sich etwas zu holen. Trotzdem hatte er es nicht getan. In der letzten Woche war Nicole nur
beim Abendessen in seine Nähe gekommen. Und heute hatte er sich eingestanden, dass er sich
daran gewöhnt hatte, mit ihr zu essen. Er wollte nicht allein am Tisch sitzen.
"Darcy hat sich deinetwegen Sorgen gemacht", sagte er leise und wechselte bewusst das
Thema. "Sie meinte, du wolltest schon um fünf Uhr zurück sein."
"Ich habe noch jemanden besucht,"
Mit Ofenhandschuhen trug sie eine Platte mit Schinken zu dem kleinen Tisch und holte
danach das Gemüse. Logan ließ sie dabei keinen Moment aus den Augen.
"Vermutlich einen Freund."
Sie staunte über seine Bemerkung. Ihm konnte es doch gleichgültig sein, wen sie besuchte. Es
sei denn, er rechnete damit, dass es sich irgendwie auf ihn auswirkte.
"Was spielt es schon für eine Rolle, ob ich einen Mann besucht habe? Du kannst nicht
bestimmen, mit wem ich befreundet bin. Und falls ich heirate, kannst du gar nichts dagegen
machen."
Es traf ihn hart, dass sie Recht hatte, obwohl er sich selbst für verrückt erklärte. "Du warst
also bei einem Mann", sagte er gepresst.
Sie deutete auf den Tisch. "Bis auf die Getränke ist alles bereit. Willst du noch einen
Bourbon, oder erträgst du mich auch, wenn du nur ein Glas Brunnenwasser trinkst?"
Er stand von dem Stuhl auf, den sie normalerweise wählte, und bot ihr den Platz an. "Ich hole
die Getränke. Und du erzählst mir mehr über diesen Mann."
Nicole geriet in Versuchung, eine tolle Geschichte über einen Freund zu erfinden, um Logans
Reaktion zu sehen. Doch dafür war sie zu ehrlich. Außerdem redete sie sich ein, dass ihr seine
Meinung völlig gleichgültig war.
"Was ist denn los, Logan? Hast du Angst, ein anderer Mann könnte mich heiraten, und du
verlierst die Hälfte von Belle Rouge? Was willst du dagegen machen? Mich hier anketten und
jeden männlichen Besucher verjagen, der zum Haus kommt?"
Logan wünschte sich, die Erbschaft wäre der einzige Grund, aus dem er bei Nicole dermaßen
besitzergreifend reagierte. Doch seit er wusste, dass sie Jungfrau war, schwankte er zwischen
dem Wunsch, sie zu beschützen, und purem Begehren. Es war verrückt, doch er konnte nichts
dagegen machen.
"Notfalls mache ich das. Du bist zu jung, um an eine ernsthafte Beziehung zu denken."
"Aber ich bin nicht zu jung, um deine Frau zu werden", hielt sie spöttisch dagegen.
"Ich sagte dir doch schon, dass es nur eine Scheinehe wäre, sonst nichts", erwiderte er schroff.
Sonst nichts, dachte Nicole und ließ den Blick über seinen schlanken, muskulösen Körper
gleiten. Wieso wurde sie dann das Gefühl nicht los, dass es doch viel mehr wäre?
Er brachte zwei hohe Gläser mit Eistee an den Tisch und setzte sich. "Du hast keine Ahnung
von den Problemen, die ein Mann dir verursachen kann", stellte er fest. "Und damit meine ich
mehr als eine Schwangerschaft."
"Was könnte noch schlimmer sein?"
"Eine Heirat wegen deines Geldes. Meinst du nicht, dass das viel schlimmer wäre?"
"Ich halte mich für eine gute Menschenkennerin", behauptete sie. Doch stimmte das? Bryce
hatte sie hereingelegt. Und Logan hatte sie vielleicht nur geküsst, um sie dadurch zur Heirat
zu verleiten.
Nein, das traf sicher nicht zu. Lieber hätte er auf Belle Rouge und das Vermögen verzichtet,
als vorzutäuschen, sie, eine Carrington, zu lieben. Nein, er hatte sie aus Zorn geküsst. Das war
der einzige Grund.
"Männer sind geschickte Lügner", behauptete er. "Das gehört zu unserem Wesen, vor allem,
wenn es um Frauen geht. Du solltest das wissen, Nicole."
Sie wusste, dass Männer dazu geboren wurden, charmant zu sein, zu lügen und sich aus dem
Staub zu machen. Ihr unbekannter Vater und Bryce hatten sie diese Lektion gelehrt. Doch mit
Logan wollte sie nicht über diese demütigende Erfahrung sprechen. Er hielt sie ohnedies für
zu naiv, um für sich selbst zu sorgen.
"Nun, ich habe heute keinen Mann besucht, sondern eine Freundin. Allerdings war ich auch
bei einem Mann, bei Mr. Thorndyke."
Logan hörte zu essen auf. "Du warst bei Dads Testamentsvollstrecker?"
Sie nickte. "Es wird dich freuen, dass er nicht bereit ist, mir einen Ausweg zu bieten."
"Hast du ernsthaft damit gerechnet?"
Nicole zuckte die Schultern. "Er ist schließlich ein Mann, nicht wahr? Du hast mir soeben
erklärt, wie hinterhältig das männliche Geschlecht ist. Also bestand immerhin die
Möglichkeit, dass er mir einen Handel anbietet, sofern ich ihn davon überzeuge, dass es sich
für ihn lohnt."
Logan sah sie finster an. "Was hast du gemacht? Hast du ihm angeboten, mit ihm zu schlafen,
falls er einige Paragraphen des Testaments ändert?"
Sie warf das Besteck auf den Tisch. "Traust du mir das wirklich zu?"
"Die Tochter wie die Mutter."
Sie sprang auf, doch Logan hielt sie blitzartig fest.
"Setz dich!" befahl er.
"Ich setze mich nicht zu dir!"
Sie rechnete damit, dass er sie wieder auf den Stuhl ziehen würde. Stattdessen stand er auf.
"Sei nicht kindisch", sagte er heftig.
Nicole betrachtete wütend sein hartes Gesicht. Wie konnte jemand so gut aussehen und dabei
so schlecht sein!
"Es wäre kindisch von mir, noch länger sitzen zu bleiben und mir deine hässlichen
Bemerkungen anzuhören. Nein, vielen Dank. Ich esse später."
"Du isst jetzt!"
Sie versuc hte, sich loszureißen, doch er gab sie nicht frei. "Du hast mir keine Befehle zu
erteilen, Logan!"
Ihre Brüste unter dem hellrosa Kleid hoben und senkten sich unter heftigen Atemzügen.
Logan ließ den Blick instinktiv über die Rundungen wandern. "Glaubst du, ich dulde es
einfach, wenn du dich selbst und den Namen meiner Familie zum Gespött machst?"
"Ich habe niemanden zum Gespött gemacht, auch nicht mich selbst!" fauchte sie ihn an.
"Ach nein?" Sein Blick glitt tiefer zu dem Schlitz im Kleid, der ihre gut ge formte Wade
entblößte. "Was hat denn dieser alte Kerl deiner Meinung nach gedacht, als er dein nacktes
Bein betrachtete?"
"Er hat nicht..."
Logan zog sie zu sich heran. "Vermutlich hat er überlegt, was du darunter trägst und wie
lange es dauert, bis er ans Ziel kommt."
Im nächsten Moment landete ihre Hand auf seiner Wange. "Du bist so schmutzig! Ich ..."
"Du weißt gar nicht, was ich bin! Aber wenn du einen Mann willst, musst du dir nicht erst
einen in der Stadt suchen", sagte er mit zusammengebissenen Zähne n und zog sie hart in seine
Arme.
Nicole wehrte sich, konnte jedoch nicht verhindern, dass er die Lippen auf ihren Mund
drückte. Gleichzeitig legte er ihr die Hände an die Hüften und schob sie gegen einen Schrank.
Als er sie nach hinten über die Arbeitsfläche bog, fiel ein Plastikbecher zu Boden. Tropfen
spritzten gegen ihre Beine. Ihr Ellbogen tauchte in eine weiche Masse. Für einen Moment
dachte sie an den vorbereiteten Kuchen, doch nichts war jetzt so wichtig, wie sich aus dieser
Umarmung zu befreien.
Logan drängte die Zunge zwischen ihre Zähne und strich mit der Hand an ihrem Schenkel
hoch. Sie musste ihn aufhalten, so lange sie ihm noch widerstehen konnte, sonst taten sie
etwas, das sie später beide bereuen würden.
Mit aller Kraft drückte Nicole gegen seine Brust. Für einen Moment lockerte sich sein Griff,
und sie riss sich von ihm los und rannte zur Tür.
Als sie den Pavillon erreichte, schluchzte sie und versuchte, die Tränen wegzuwischen.
Logans Schritte waren dicht hinter ihr zu hören.
"Komm mir nicht in die Nähe!" verlangte sie, ohne sich umzudrehen.
"Ich werde dir nicht wehtun", versicherte er gepresst.
Als sie nicht antwortete, ergriff er sie behutsam an den Schultern. "Es tut mir Leid, Nicole, es
tut mir Leid." Er beugte sich zu ihr und drückte die Lippen an ihr Ohr. "So habe ich mich
noch nie einer Frau gegenüber verhalten."
Sie wirbelte zu ihm herum und suchte in seinem Gesicht nach Antworten. "Ich hatte keine
Angst, du könntest mir wehtun, Logan. Aber du warst zornig und ..."
"Die Vorstellung, wie du Thorndyke gereizt hast ..." Er legte ihr die Hände an die Wangen.
"Das hat mir nicht gefallen."
"Ich habe Thorndyke nicht gereizt", sagte sie und schniefte.
"Ich weiß. Es ist nur ... Verdammt, Nicole, ich will nicht, dass ein Mann dich berührt!"
"Logan!" stieß sie betroffen hervor.
Er lächelte voll Selbstverachtung. "Sag ruhig, wie dumm das von mir ist. Das weiß ich selbst.
Ich weiß auch, dass es aufhören muss. Aber jetzt..."
Er sprach nicht weiter, und Nicole blickte fasziniert auf seine Lippen. Er kam immer näher
und küsste sie endlich. Und als sie den Kuss erwiderte und die Arme um seinen Nacken
schlang, ahnte sie, dass nicht nur ihr Körper ihn begehrte. Auch ihr Herz war beteiligt.
Logan konnte sich nicht von ihrem herrlichen Mund lösen. Ihre weiche n Arme hielten ihn
gefangen, und ihr warmer Körper drückte sich an ihn.
Er sollte sie nicht küssen, festhalten und begehren. Sie war wie eine verbotene Frucht, nach
der er ausgehungert war und die er genoss, ohne sich um die Folgen zu kümmern.
Er zog sie fester an sich und küsste sie leidenschaftlicher, und die Zeit hörte zu existieren auf.
Doch irgendwann nahm er doch das Geräusch eines Motors vor dem Haus und das
Zuschlagen einer Wagentür wahr.
Widerstrebend löste er sich von Nicole. "Es ist jemand gekommen", flüsterte er. "Ich sehe
nach, wer es ist."
Nicole schaffte es, stumm zu nicken. Logan drehte sich um und verließ eilig den Garten.
Sobald sie ihn nicht mehr sah, sank sie auf die Stufen des Pavillons und versuchte, sich zu
fassen.
Ihre Hände zitterten, ihre Wangen glühten. Tief in sich verspürte sie ein geradezu
schmerzliches Sehnen, und sie atmete noch immer heftig. Es war wie ein Wirbelwind über sie
hereingebrochen. Eben hatten sie noch gestritten, und im nächsten Moment hatte sie in seinen
Armen gelegen, und nur noch seine Küsse hatten gezählt.
Was sollte sie machen? Sie wollte Logan nicht begehren. Er hatte ihr nie auch nur den
geringsten Respekt gezeigt. In seinen Augen war sie nicht gut genug, um auf Belle Rouge zu
leben. Doch das alles war nicht wichtig, wenn sie bei ihm war.
Stöhnend strich sie sich durch das Haar und blickte zum Himmel. Von allen Männern, die sie
auf dem College und danach kennen gelernt hatte, war keiner auch nur annähernd wie Logan
gewesen. Wenn er sie berührte, verlor sie den Verstand.
Wie konnte sie ihn heiraten? Innerhalb kürzester Zeit würde sie in seinem Bett landen. Bei der
Vorstellung lächelte sie spöttisch. Vor wenigen Minuten wäre es beinahe schon so weit
gewesen - und das ohne Ehe. Ganz bestimmt wollte sie nicht wie ihre Mutter enden und allein
ein Kind großziehen, verlassen von dem Mann, von dem sie geglaubt hatte, er würde sie
lieben.
Nein, sagte sie sich verzweifelt. Ob sie Logan nun heiratete oder nicht, sie musste sich in den
Griff kriegen. Sie konnte diesem Mann ihren Körper und ihr Herz nicht schenken. Bestimmt
würde er beides irgendwann verschmähen.
Logan stand auf der Veranda und sah zu, wie Leo wegfuhr. Es wurde schon dunkel unter den
Eichen. Er konnte nicht erkennen, ob Nicole noch im Garten war, und er ging bestimmt nicht
nachsehen.
Es war gut, dass der Verwalter ausgerechnet jetzt wegen eines Problems mit einem Traktor zu
ihm gekommen war. Wären sie nicht gestört worden, hätte er Nicole womöglich ins Haus
getragen und geliebt.
Der Gedanke war für ihn ein Schock. Sie war seine Stiefschwester und noch dazu Jungfrau!
Wieso begehrte er sie? Im Lauf der Jahre hatte er viele Frauen kennen gelernt und Lust mit
ihnen genossen. Doch bei keiner dieser Frauen war es ihm wie bei Nicole ergangen.
Was sollte er bloß machen, wenn sie ihn tatsächlich heiratete? Er hatte darauf bestanden, dass
diese Ehe nur auf dem Papier existierte. Außerdem hatte er Nicole versprochen, sie nicht zu
berühren. Es hatte allerdings nicht lange gedauert, bis er dieses Versprechen brach.
Verheiratet oder nicht - wie wollte er sie in den nächsten sechs Monaten in Ruhe lassen?
Er drehte sich um und betrat das Haus. Irgendwie musste er diese starke Anziehung
überwinden. Weder körperlich noch gefühlsmäßig durfte er von Nicole abhängig werden. Er
wünschte sich nichts weiter als Belle Rouge. Die Plantage war der einzige Grund für seine
Rückkehr und sollte auch der einzige Grund bleiben.
Am nächsten Morgen blieb Nicole in ihrem Schlafzimmer, bis Logan genug Zeit gehabt hatte,
um zu frühstücken und das Haus zu verlassen.
Allmählich kannte sie seinen Tagesablauf. Vormittags hielt er sich auf den Feldern auf,
nachmittags im Arbeitszimmer, wo er sich um die Geschäfte der Plantage kümmerte.
Seit Lyles Tod hatte die Plantage mehr oder weniger von allein funktioniert. Die Arbeiter
hatten sich weiterhin um die Ernte gekümmert, während Lyles Anwälte die Gehälter zahlten
und die geschäftlichen und juristischen Entscheidungen trafen.
Nicole hatte die Buchhaltung erledigt. Sie und ihre Mutter hatten jedoch keinerlei
Entscheidungsrecht gehabt. Das hatte ihres Wissens nach auch für Logan gegolten - bis jetzt.
Sie wusste nicht, wieso Lyle seinen Sohn nicht sofort nach seinem Tod zum Leiter von Belle
Rouge bestellt hatte. Oder er hatte es getan, und Logan hatte die Aufgabe abgelehnt, weil
Simone noch hier lebte. Das hätte Nicole nicht überrascht. Logan hatte nie versucht, seine
Gefühle für seine Stiefmutter zu verbergen. Nun hatte sich allerdings alles gründlich geändert.
Logan kontrollierte alles. Und zwar in mehr als nur einer Hinsicht.
Das wollte sie ebenfalls ändern. Nach dem leidenschaftlichen Kuss im Garten gestern Abend
hatte Nicole lange nachgedacht und beschlossen, sich Logan gegenüber kühl und gleichgültig
zu geben, mochte es ihr auch noch so schwer fallen.
"Guten Morgen, Nicole."
Auf der untersten Stufe drehte sie sich um. Er kam hinter ihr die Treppe herunter. Das dunkle
Haar war feucht und nach hinten gekämmt. Die Ärmel des grauen Arbeitshemds hatte er bis
zu den Ellbogen hochgekrempelt. Die Jeans war alt. Trotzdem konnte er seine stolze Herkunft
nicht verleugnen. Er war und blieb ein McNally - reich, mächtig und hinreißend attraktiv.
Sie seufzte und stützte sich auf das Geländer. "Guten Morgen, Logan."
Er blieb eine Stufe über ihr stehen. Sie roch sein After Shave, während sie das scharf
geschnittene Gesicht und den kräftigen Hals betrachtete. Das graue Hemd betonte seine
Augen, und sekundenlang konnte sie sich nicht von seinem Blick befreien.
"Du kommst heute Morgen spät herunter", stellte er fest. "Fühlst du dich nicht gut?"
Sie wurde rot. Es sah ihm nicht ähnlich, sich um sie zu sorgen. Vielleicht war das aber auch
nur ein Spiel, zu dem er sich entschlössen hatte.
"Nein, es geht mir gut. Ich wollte soeben frühstücken."
"Dann warte ich", sagte er.
"Worauf?"
"Dass du fertig bist. Ich möchte, dass du mit mir auf die Felder fährst."
"Warum?" fragte sie vorsichtig.
"Weil ich mit dir sprechen möchte."
Sie erinnerte sich deutlich an seine Arme, seinen Mund und seine Hand an ihrem Schenkel.
Sie hatte nicht gewollt, dass er aufhörte. Und sie hätte gern gewusst, ob er ahnte, wie sehr sie
ihn begehrt hatte.
"Wir können hier sprechen." Sie räusperte sich, weil ihre Stimme heiser klang, und zwang
sich dazu, ihn anzusehen. "Es ist nicht nötig, zu den Feldern zu fahren."
Er hatte die Arme verschränkt und runzelte die Stirn. "Das ist mir klar, aber ich habe schon
einige Tage nicht mehr nach der Ernte gesehen. Ich möchte auch nicht, dass wir durch
irgendetwas gestört werden."
"Logan, wenn du denkst, dass ich noch einmal wie gestern Abend..."
Sie verstummte, als er ihr die Hand auf die Schulter legte. "Nicole, wollte ich dich verführen,
müsste ich dich nicht zu den Zuckerrohrfeldern mitnehmen."
Die Wirkung seiner Hand auf ihrer Schulter bestätigte, wie Recht er hatte. Es wäre von ihr
kindisch gewesen, ihn nicht zu begleiten, und diesen Eindruck sollte er nicht von ihr
bekommen.
"Also gut, Logan", entschied sie. "Lass mich rasch frühstücken. Dann komme ich zu dir."
"Gut", stimmte er zu. "Ich warte in zwanzig Minuten auf der Veranda auf dich."
In der Küche aß Nicole Haferbrei und Schinken und trank Kaffee, ehe sie vor das Haus trat.
Als sie die Fliegengittertür öffnete, lehnte er an einer der weißen Säulen und hielt eine
Kaffeetasse in der Hand. Sally saß neben ihm. Er passte so perfekt hierher, dass Nicole kaum
glauben konnte, dass er der Plantage vor zehn Jahren den Rücken gekehrt hatte.
Er ließ den Blick über ihren duftigen weiten Rock und das passende Top mit den dünnen
Trägern gleiten. "Bereit?"
Als sie nickte, stellte er die Tasse weg.
Nicole folgte ihm die Stufen hinunter zu dem dunkelblauen Pick-up, der in der Zufahrt stand.
Sally sprang auf die Ladefläche, und da Logan nichts einwandte, ließ Nicole die Hündin
mitfahren.
Nachdem er Nicole auf den Beifahrersitz geholfen hatte, fuhr Lo gan los. Das grüne Dach der
Eichen hielt die Sonnenstrahlen ab, doch auf der Landstraße brannten sie ungehindert auf das
flache Land.
"Heute wird es heiß", bemerkte Logan.
Nicole war bereits zu heiß, seit sie in den Pick-up gestiegen war. "Genau richtig für das
Zuckerrohr."
"Viele Leute würden uns für verrückt erklären, weil wir in diesem Klima leben."
Sie warf ihm einen Blick zu. "Ich möchte nirgendwo sonst sein."
Er wusste nicht, ob sie von Belle Rouge oder dem Süden ganz allgemein sprach. Und er fragte
auch nicht. Er hatte ihr viel zu sagen und wollte die Reihenfolge nicht stören. So hielt er es
auch mit seinem Leben. Alles nach Plan und ohne Überraschungen oder Abweichungen.
Früher war er nicht so starr, sondern mehr wie sein Vater gewesen, impulsiv und lebensfroh.
Doch seit Tracie ihn betrogen hatte, gab er keinen Impulsen oder spontanen Wünschen nach.
Sein Hauptaugenmerk hatte der Arbeit an der Louisiana State University gegolten. Und wenn
er die Gesellschaft einer Frau wünschte, sorgte er dafür, dass es nur zu kurzen Beziehungen
kam.
Nach einigen Kilometern bog Logan auf eine unbefestigte Straße am Rand eines großen
Feldes von Belle Rouge ein. Diese Zufahrtsstraße reichte bis zum Fluss, an dem Eichen,
Weiden und wilde Magnolienbäume wuchsen.
Logan hielt im Schatten einer Eiche und stellte den Motor ab. Mittels Knopfdruck öffnete er
beide Fenster.
"Ich verstehe nicht, wieso du mich hierher bringen musstest, um mit mir zu sprechen. Falls du
Angst hattest, Darcy könnte etwas hören ..."
"Darcy hört alles", unterbrach er sie.
"Du magst sie nicht", hielt Nicole ihm vor.
"Das habe ich nicht gesagt. Aber wenn du schon damit anfängst, so ist Darcy diejenige, die
mich nicht mag. Sie hält mich für einen Yankee, einen Feind, der in ihr Territorium
eingedrungen ist. Genau wie du", fügte er hinzu.
Nicole seufzte. "Darum geht es hier doch nicht, oder? Ich bin nicht in der Stimmung, mit dir
deshalb zu streiten."
"Im Moment ist es mir gleichgültig, was du von mir hältst. Vielleicht wirst du eines Tages
verstehen, wie ich damals empfand und weshalb ich der Plantage fernblieb. Allerdings rechne
ich nicht damit."
Er sagte es ohne Zorn oder Spott, und Nicole bekam plötzlich den Eindruck, einen anderen
Logan vor sich zu sehen. Vielleicht kannte sie diesen Mann ja doch nicht richtig.
Er deutete durch die Windschutzscheibe auf das scheinbar endlose Feld mit grünem
Zuckerrohr. "Die Pflanzen sehen gut aus. Wenn uns das Wetter vor der Ernte keinen Streich
spielt, wird Belle Rouge einen guten Gewinn machen."
"Es ist schön", meinte Nicole nachdenklich.
"Nirgendwo ist es schöner", bestätigte er.
Sie richtete den Blick auf sein Gesicht. "Ich glaube, du meinst das ehrlich", sagte sie leise.
"Wieso überrascht dich das?"
"Wieso nicht?" fragte sie. "Seit ich hier lebe, hast du kein Interesse für die Plantage gezeigt.
Ich dachte, sie wäre dir gleichgültig."
Er holte tief Atem. "Sie hat mir immer etwas bedeutet."
Nicole drehte sich auf dem Sitz zu ihm. "Warum bist du dann nicht zurückgekommen und
hast die Aufsicht nach dem Tod deines Vaters übernommen?"
"Das konnte ich nicht."
"Warum nicht?" drängte sie. "Weil meine Mutter noch hier lebte?"
"Ja", bestätigte er seufzend. "Doch nicht aus dem Grund, den du annimmst."
Nicole schloss die Augen und lehnte sich zurück. "Vermutlich hattest du einen guten Grund."
Ihr spöttischer Ton ärgerte ihn. "Ich wollte nicht, dass deine Mutter sich hier unwohl fühlt."
Sie sah ihn verblüfft an. "Das behauptest ausgerechnet du? Logan, du wolltest nicht, dass
meine Mutter hier lebt. Dabei war es dir gleichgültig, ob sie sich wohl oder unwohl fühlt."
"Damals war ich noch sehr jung, Nicole. Das war, bevor deine Mutter und mein Vater
heirateten. Als Dad starb, hatte ich die Abneigung gegenüber Simone schon längst
überwunden."
"Auf mich hat es nicht so gewirkt", erwiderte sie zweifelnd.
"Nach Lyles Begräbnis hast du dich hier überhaupt nicht mehr gezeigt."
"Ich hielt Kontakt zu Thorndykes Büro, damit alles glatt lief. Aber ich hatte deine Mutter sehr
verletzt, als ich ihr Geld bot, damit sie meinen Vater in Ruhe lässt und wegge ht. Ich dachte,
sie wollte mich nicht auf der Plantage haben, selbst wenn ich mich bei ihr entschuldige."
"So war meine Mutter nicht. Sie war ein sehr nachsichtiger Mensch. Sie hatte mir sogar schon
vor langer Zeit gesagt, dass sie dir verziehen hat... und dass ich das auch machen sollte."
"Ich wünschte, du hättest es getan", sagte er leise. "Das würde alles viel einfacher machen."
Am liebsten wäre sie aus dem Wagen gesprungen, um nicht in Logans Nähe zu sein.
Trotzdem rührte sie sich nicht von der Stelle und wartete. "Was meinst du mit alles?"
"Uns beide. Unsere Heirat."
Nicole blickte aus dem offenen Wagenfenster. "Der Kuss gestern Abend im Garten hat mich
überzeugt, dass es falsch wäre zu heiraten."
Er legte eine Hand auf ihren nackten Arm und schob die andere in ihr Haar. Nicole zwang
sich, ihn anzusehen, und hielt den Atem an, weil er sie so durchdringend betrachtete.
"Hm, sehr merkwürdig", sagte er leise. "Der gestrige Kuss hat mich nämlich zur Ansicht
gebracht, dass eine Heirat die einzige Möglichkeit ist."
5. KAPITEL Es dauerte eine Weile, bis Nicole wieder richtig atmen konnte.
"Logan, was ... was soll das heißen? Willst du mich richtig heiraten?"
Bei der Frage zog er die Hände zurück. "Was meinst du mit richtig?"
"Eben wie Mann und Frau ... die das Bett miteinander teilen."
Es entfachte sein Verlangen, sie so sprechen zu hören. Was war mit ihm los? Hatte es etwas
mit der Rückkehr zu tun? Die meisten seiner Studenten waren älter als Nicole, und sie war
noch dazu Jungfrau! Sie hatte keine Ahnung, wie es war, mit einem Mann ins Bett zu gehen.
Und er begriff nicht, wieso er sie so begehrenswert fand.
"Nein", erwiderte er frustriert. "Das habe ich nicht gemeint."
Sie sah ihn verwirrt an. "Aber du hast eben gesagt..."
"Verdammt, ich weiß, was ich gesagt habe! Aber ich meinte ... angenommen, etwas würde
passieren ... wir wären wenigstens verheiratet."
Das schmerzte. Nicole verkrampfte die Hände ineinander. "Du tust gerade so, als wäre ich
eine ansteckende Krankheit, vor der du dich hüten musst, und als wäre die Heirat eine
Impfung, falls du dir doch etwas holst."
Mit dieser Reaktion hatte er nicht gerechnet. Seit seiner Rückkehr nach Belle Rouge hatte
Nicole sich hart und zynisch gegeben und hatte ihn ständig beleidigt. Jetzt wirkte sie verletzt,
weil er nicht mit ihr ins Bett gehen wollte.
"Ich gebe zu, Nicole, dass ... dass da etwas ist, wenn wir uns nahe kommen. Und wir wissen
beide, dass es nicht schlecht ist. Ich heirate dich aber nicht, um mit dir ins Bett zu gehen. Das
wäre eine Beleidigung für uns beide."
Wäre es das? fragte sie sich. Sie empfand es keineswegs als Beleidigung, wenn er sie in die
Arme nahm. Nur wenn er sich nicht um sie kümmerte, hatte sie das Gefühl, dass dieser Mann
sie nicht begehrte und auch nicht brauchte.
"Verstehe. Eine Heirat in Verbindung mit Sex kommt nicht in Frage. Aber eine Heirat, um
Belle Rouge ganz in deine Hände zu bekommen, ist absolut moralisch."
"Du genießt es, mich zum Ungeheuer zu stempeln, nicht wahr?" fragte er hart.
"Ich verstehe dich nicht, Logan!" warf sie ihm vor. "Außerdem glaube ich, dass du lügst. Du
willst mit mir ins Bett, gibst es aber nicht zu, weil ich eine Carrington bin. Würdest du es
nämlich eingestehen, wärst du wie dein Vater."
War das der Grund? Nein, sagte Logan sich. Der Gedanke war ihm nie gekommen. Der
eigentliche Grund, aus dem er Nicole nicht lieben durfte, war viel komplizierter.
"Das kommt der Wahrheit nicht einmal nahe", behauptete er.
"Und wie sieht diese Wahrheit aus?"
Er betrachtete sie sekundenlang, ehe er sie zu sich zog, bis ihre Gesichter nur noch eine Hand
breit voneinander entfernt waren. "Verdammt, ja", sagte er gepresst. "Ich will dich lieben,
Nicole! Gleich hier und jetzt in diesem heißen Wagen, während die Heuschrecken über
unseren Köpfen zirpen."
Völlig überrumpelt von seiner Veränderung streichelte sie seine Wange. "Warum tust du es
dann nicht?" flüsterte sie.
Logan konnte dem Drang, sich mit ihr zu vereinen, beinahe nicht widerstehen. Doch er zog
sich zurück und wandte sich ab. "Weil ich nicht will, dass irgendeine Frau an mich gebunden
ist."
Irgendeine Frau! Vielleicht spielte es wirklich keine Rolle, dass sie eine Carrington war. Das
verwirrte Nicole ebenfalls. Sie begriff noch, wieso er einer Beziehung mit ihr aus dem Weg
ging. Aber wieso galt das auch für andere Frauen?
"Als deine Ehefrau wäre ich nicht an dich gebunden?"
"Nicht, wenn die Ehe nur auf dem Papier existiert.";
Sie stemmte sich gegen seine Brust, doch er gab sie nicht vollständig frei, sondern ließ die Hände auf ihrem Rücken liegen. "Ich glaube, ich verstehe", sagte sie langsam. "Du willst niemanden lieben." "Richtig", bestätigte er, obwohl es ihn schmerzte. "Das will ich nicht." In all den Jahren, die sie Logan kannte, und in den Tagen seit seiner Rückkehr nach Belle Rouge hatte Nicole geglaubt, genau zu wissen, wer und was er war. Ein harter Mann, dem es gleichgültig war, ob er anderen Menschen Schmerz zufügte, weil er keine Gefühle besaß. Doch jetzt fand sie in seinem Gesicht und seiner Stimme etwas ganz anderes. Und diese Erkenntnis traf sie wie ein Schock. "Aber, Logan", sagte sie so lässig wie nur möglich. "Ich bin überrascht. Gerade du solltest Liebe und Sex voneinander trennen können." Bisher hatte er das stets getan, doch Nicole hatte etwas an sich, das ihn durcheinander brachte. Wenn er sie berührte, kannte er keine Zurückhaltung, und das machte ihm Angst. Keinesfalls wollte er ihr zeigen, wie verletzlich er durch sie wurde. Diese Macht wollte er weder ihr noch einer anderen Frau geben. "Ich kann sehr wohl trennen. Du bist diejenige, um die ich mir Sorge n mache." "Ich?" Es fiel ihr schwer, sich nicht gedemütigt zu fühlen. "Du glaubst, ich würde Sex mit Liebe verwechseln? Lieber Himmel, Logan, du bist unglaublich eingebildet!" Er streichelte ihren Rücken. "Nein, und ich bin auch nicht dumm. Du bist noch Jungfrau, weil du dich einem Mann hingeben willst, den du liebst. Und ich ... will nicht dieser Mann sein." Das traf sie schwer, doch sie zeigte ihm nicht ihren Schmerz. "Glaube mir, Logan, du musst dir keine Sorgen machen. Ich würde Lust und Liebe niemals miteinander verwechseln. Du kennst keine wahren Gefühle." Er zog die Hände von ihrem Rücken und sah sie kalt an. "Sehr gut. Das macht es für uns beide leichter. Dann können wir ja heiraten und alle juristischen Bedingungen erfüllen, ohne dass uns dabei irge ndwelche gefühlsmäßigen Bindungen stören." Dieser Mann wollte zwischen ihnen alles kühl geschäftsmäßig halten, und Nicole beschloss, ihm zu geben, was er begehrte. Selbstverständlich musste sie in den nächsten sechs Monaten hier leben. Und wenn sie das Geld haben wollte, um sich woanders eine neue Existenz aufzubauen, musste sie ihre Anteile an Logan verkaufen. Heiratete sie ihn , wurde alles vereinfacht. "Du hast Recht, Logan. Warum habe ich eigentlich gezögert, deinen Antrag anzunehmen? Schließlich bedeutet es gar nichts. Du hast mir die Augen geöffnet. Wenn ich die Heiratsurkunde unterschreibe, ist das, als würde ich eine Quittung ausstellen." Der Vergleich ärgerte ihn zwar, doch er konnte nichts dagegen sagen. Er hatte die Grundregeln für diese Ehe erstellt und musste sich nun damit abfinden. "Dann wirst du mich also heiraten?" Es schmerzte sie, und sie blickte bewusst aus dem Fenster und versuchte, sein Gesicht aus ihrem Gedächtnis zu löschen. "Wieso denn nicht? Wir müssen diese Geschichte hinter uns bringen. Du willst unbedingt Belle Rouge haben, und ich ..." "Was willst du?" drängte er. Sie warf ihm einen Blick zu. "Ich möchte an niemanden gebunden sein. Aus keinem Grund." Ihre Haltung drückte Abneigung, wenn nicht sogar Hass aus. Gut, so muss es sein, sagte er sich. Kühl, mit Abstand und dadurch ungefährlich. Nach sechs Monaten gehörte Belle Rouge gesetzlich ihm, und Nicole zog fort. Ob er dann glücklich war? Doch, ja, redete er sich ein. Zehn Jahre lang hatten ihn die Carrington-Frauen von seinem Zuhause fern gehalten, und noch länger hatten sie sich zwischen ihn und seinen Vater gestellt. Trotz der Blutsbande hatte Logan sich damit abfinden müssen, dass Lyle mehr an seiner Ehefrau "und seiner Stieftochter als an seinem eigenen Sohn lag. Natürlich machte es ihn glücklich, wenn er die Plantage zurückbekam und Nicole verschwand. Verdammt glücklich!
Sie wandte ihm noch immer den Rücken zu, als er sagte: "Wir fahren heute Nachmittag nach
Natchitoches und besorgen die Heiratslizenz. Ende der Woche können wir dann heiraten.
Willst du die Zeremonie im Haus oder im Amtszimmer des Richters?"
Nicole hatte stets davon geträumt, eines Tages in der Kirche zu heiraten, die sie in ihrer
Kindheit besucht hatte. Diesen Vorschlag machte sie jedoch nicht. Es wäre ein Sakrileg
gewesen, hätten sie und Logan in einer Kirche geheiratet, eine Verhöhnung von allem, woran
sie glaubte. "Da es sich um eine rein juristische Verbindung handelt, reicht das
Gerichtsgebäude."
"Ich treffe noch heute die nötigen Vorbereitungen."
"Wenn du nun alles gesagt hast, was nötig war, möchte ich zurück ins Haus. Ich habe noch
einiges zu erledigen", erklärte sie kühl.
Logan fiel nichts mehr ein. Nicole war einverstanden, ihn zu heiraten. Er hatte bekommen,
was er wollte. Trotzdem war nichts richtig oder in Ordnung. So hatte er sich das nicht
vorgestellt.
"Da ist nur noch etwas", sagte er ruhig.
"Und was?"
"Danke, Nicole, dass du mich heiraten willst."
Es schnürte ihr die Kehle zu. So sollte das alles nicht sein. Sie sollte einen Mann heiraten, den
sie liebte und der diese Liebe erwiderte. Ihre Mutter hatte stets davon geträumt, sie in weißer
Spitze und zwischen Blumen und Kerzen zu schöner Musik zum Altar schreiten zu sehen.
Simone hatte das ihr ganzes Leben lang nicht geschafft und wünschte es sich daher für ihre
Tochter.
Als Nicole mit Bryce zusammen war, hatte ihre Mutter insgeheim schon glücklich
Hochzeitspläne geschmiedet. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass Bryce es nicht ehrlich
meinte, war Simone am Boden zerstört gewesen. Sie wäre auch wegen der lieblosen
Verbindung, auf die ihre Tochter sich jetzt einließ, tief deprimiert gewesen. Nicole war
dankbar, dass ihre Mutter das nicht mehr erlebte.
"Du brauchst dich nicht bei mir zu bedanken, Logan. Wir bekommen beide, was wir wollen."
"Heute heiraten? Du und Mr. Logan? Kind, hast du den Verstand verloren?"
Nicole warf Darcy einen Blick zu. Die Haushälterin stand in ihrem Schlafzimmer und hatte
die Hände in die ausladenden Hüften gestützt.
Nicole griff nach der Haarbürste und zog sie durch die langen rötlich blonden Strähnen.
"Nein, ich habe nicht den Verstand verloren. Im Gegenteil, ich bin endlich vernünftig
geworden. Ich habe mich damit abgefunden, Darcy, dass alle Männer selbstsüchtig sind. Man
darf ihnen nicht vertrauen und sie schon gar nicht lieben."
Die Haushälterin kam sichtlich verwirrt zum Schminktisch. "Warum heiratest du dann? Ich
dachte, du verachtest Logan."
Nicole hatte Logan eigentlich nie wirklich verachtet. Sie hatte ihm verübelt, dass er ihre
Mutter bestechen wollte. Doch je länger sie darüber nachdachte, desto klarer wurde eines.
Dass er Simone beleidigt hatte, war nicht der eigentliche Grund für die Gefühle, die sie Logan
all die Jahre über entgegengebracht hatte.
Als sie ihn kennen lernte, hatte er soeben an der Louisiana State University den Abschluss in
Agrikultur gemacht. Sie hatte ihn sagenhaft attraktiv, ehrgeizig und erfahren gefunden. Für
ein dreizehnjähriges Mädchen, das keine Geschwister hatte, war er ein Prinz gewesen, ein
Held, der nun ihr Stiefbruder wurde. Bestimmt würde er sie lieben und beschützen und für sie
Drachen töten. Sie war so dumm gewesen, das zu glauben. Stattdessen konnte er gar nicht
schnell genug aus ihrer Nähe verschwinden.
Er wollte nichts mit dem unehelichen Kind der Geliebten seines Vaters zu tun haben.
"Ich habe Logan nie gehasst, Darcy."
"Aber du liebst ihn auch nicht!"
Seufzend schlang Nicole das volle Haar im Nacken zu einem schweren Knoten. "Nein. Diese
Heirat hat nichts mit Liebe zu tun."
"Der Himmel stehe uns bei", meinte Darcy abfällig. "Bin ich froh, dass deine Mom das nicht
mehr sieht. Es würde ihr nicht gefallen. Nein, gar nicht!"
Nicole steckte das Haar mit einigen Nadeln fest, stand vom Schminktisch auf und ging zum
Bett, auf das sie ein Kleid und Unterwäsche gelegt hatte.
Es war ein schlichtes Kleid aus zartrosa Leinen. Logan erwartete keine schöne Braut. Ihm
ging es nur um den Besitzanspruch auf Belle Rouge.
"Mutter lebt nicht mehr, und ich muss tun, was in meinen Augen das Beste ist."
Darcy schüttelte heftig den Kopf. "Das klingt eher danach, dass du nicht nachdenkst. Wolltest
du nicht einen Mann, der dich liebt und mit dem du Kinder haben kannst? Und was ist mit der
Arbeit, die du angestrebt hast? Du hast diesen Traum schon lange aufgeschoben. Was wird
denn nach der Heirat daraus?"
"Du stellst zu viele Fragen, Darcy." Sie setzte sich auf das Bett und zog die Strumpfhose an.
"Ich wünsche mir alles, was du aufgezählt hast, und ich werde es auch bekommen. Ich
schiebe nur meine Träume und Pläne eine Weile auf."
Auf Darcys faltigem Gesicht zeichnete sich Unglauben ab. "Eine Weile? Missy, die Ehe soll
ein Leben lang dauern, oder hast du noch nichts davon gehört?"
"Diese Ehe nicht", wehrte Nicole ab. "Nach sechs Monaten ist alles vorüber. Mach dir also
keine Sorgen. Ich vergeude mein Leben schon nicht."
"Wenn du dein Leben nicht vergeudest, was machst du dann?"
Nicole stand auf und zog die Strumpfhose über die Hüften hoch. "Ich sichere mein Leben ab."
Darcy schlug stöhnend die Hände vors Gesicht.
"Bitte, reg dich doch nicht so auf", bat Nicole die Haushälterin. "Es kommt alles in Ordnung,
das verspreche ich dir. Es handelt sich nur um ein Geschäft zwischen Logan und mir."
Darcy hatte Tränen in den Augen, als sie Nicole ansah. "Bei einer Heirat sollte es nicht um
Geld oder Geschäft gehen", tadelte sie.
Nicole wich dem vorwurfsvollen Blick der Haushälterin aus. "Manchmal hat man keine
andere Wahl."
"Kann schon sein." Die Haushälterin schniefte. "Aber ich sage dir noch etwas, Nicole. Logan
ist ein besitzergreifender Mann. Er verzichtet auf nichts, das ihm gehört. Wenn du erst seine
Frau bist, gilt das auch für dich."
Bei diesen Worten lief Nicole ein Schauer über den Rücken. Was geschah, wenn Logan sie
als seinen Besitz betrachtete und sich weigerte, nach sechs Monaten in die Scheidung
einzuwilligen? Wenn er wollte, konnte er ihr das Leben schwer machen.
Nein, versicherte sie sich. Logan wollte sie gar nicht. Das hatte er vor vier Tagen bei den
Zuckerrohrfeldern klar zum Ausdruck gebracht, als sie in die Ehe einwilligte. Nein, er wollte
nichts weiter als Belle Rouge, und er bekam die Plantage nur, wenn sie beide heirateten.
Eine Stunde später fuhren Logan und Nicole am Cane River entlang nach Natchitoches.
Nicole hatte nicht damit gerechnet, wegen der bevorstehenden Trauung nervös zu werden.
Doch je weiter sie sich von Belle Rouge entfernten, desto schneller schlug ihr Herz.
Das hatte bestimmt nichts mit Logans Aussehen zu tun. Dieser Mann sah immer gut aus, was
er auch anzog. An diesem Nachmittag war er in dunkler Hose und weißem Hemd ein
würdiger Nachfahre der mächtigen McNallys, die während des Bürgerkriegs die
Baumwollkönige von Natchitoches gewesen waren.
Logan stammte von Iren ab, von denen jeder auf seine Art Belle Rouge seinen Stempel
aufgedrückt hatte. Logan war der Letzte in der Reihe und würde auch der Letzte bleiben,
sofern er keinen Sohn in die Welt setzte.
Darüber dachte Nicole jetzt zum ersten Mal nach. Wieso fiel ihr das ausgerechnet am Tag
ihrer Hochzeit ein? Das ging sie doch gar nichts an. Bestimmt heiratete Logan eines Tages
eine Frau, die er sich selbst aussuchte, und sie bekamen zusammen einen Sohn oder eine
Tochter oder vielleicht auch mehrere Kinder.
Logan hatte zwar angedeutet, dass er nie eine Frau lieben wollte, doch bestimmt hielt ihn das
nicht von einer richtigen Ehe mit Kindern ab. Dann ging es eben nicht um Liebe, sondern um
Belle Rouge.
"Erwartet uns deine Freundin Amelia im Gerichtsgebäude?" fragte Logan und durchbrach
damit die Stille im Wagen.
Nicole bekam erneut Herzklopfen, als sie ihn ansah. "Ja. Ich habe ihr halb drei als Uhrzeit
genannt, und sie verspätet sich nie."
"Was sagte sie zu unserer Heirat?"
"Sie hat mir gratuliert."
Er lächelte ironisch. "Hast du ihr die näheren Umstände erklärt?"
Nicole zuckte die Schultern. "Ich sagte, dass es sich um eine geschäftliche Verbindung
handelt."
"Und?"
"Sie antwortete: Schatz, wie du aussiehst, will dieser Mann mit dir bestimmt mehr als nur
Geschäfte verbinden."
Zu ihrer Überraschung lachte er. "Diese Amelia scheint sich mit Männern auszukennen."
"Das stimmt, aber ich versicherte ihr, dass sie sich diesmal gründlich irrt."
Bei dem kühlen Klang ihrer Stimme hörte er sofort zu lachen auf und konzentrierte sich
wieder auf die Straße. "Nun, in einer Hinsicht hat sie Recht. Du bist eine schöne Frau, Nicole.
Unabhängig von deiner Meinung schäme ich mich nicht, dich als meine Ehefrau
vorzuzeigen."
Er sagte das so sanft, dass sie sich plötzlich verzweifelt wünschte, zwischen ihnen könnte
alles gut und richtig sein. Sanft, zärtlich und liebevoll. Es ergab keinen Sinn. Trotzdem
wünschte sie sich das von ihm - und brauchte es sogar.
Hätte er ihre Gedanken erraten, hätte er sich bestimmt amüsiert, vielleicht sogar geärgert.
Doch er sollte nie etwas ahnen. Nachdem sie endgültig aus seinem Leben verschwunden war,
suchte sie sich einen anderen Mann, der sie tatsächlich liebte. Und damit befreite sie sich dann
auch von dieser seltsamen Fixierung auf Logan McNally.
"Danke, Logan. Ich werde mich auch bemühen, dich nie zu beschämen, solange wir
verheiratet sind. Es ist deine Sache, ob du in dieser Zeit Affären hast. Ich werde mich
jedenfalls wie eine verheiratete Frau verhalten."
Er sah sie überrascht an. "Machst du das meinetwegen, oder um den Schein zu wahren?"
"Meine Mutter hat den Großteil ihres Lebens versucht, einen gewissen Ruf abzuschütteln. Ich
habe aus ihrem Kampf gelernt."
Er richtete den Blick wieder auf die Straße. Simone Carrington McNally hatte auch ihn etwas
gelehrt. Man durfte nichts nach dem ersten Eindruck beurteilen. Er hatte Simone für eine
Goldgräberin gehalten, änderte jedoch allmählich seine Meinung.
Von Thorndyke und dessen Partnern hatte er erfahren, dass Simone sich zu Lebzeiten
geweigert hatte, irgendetwas von Wert aus dem Besitz von Belle Rouge anzunehmen. Jetzt
stand er im Begriff, Nicoles Mann zu werden, und er fragte sich, ob er diese Heirat vielleicht
falsch betrachtete. War es verrückt zu glauben, diese Ehe würde nur auf dem Papier bestehen?
Doch es musste so sein, weil Nicole ihn nicht liebte. Und er wollte sie ganz sicher nicht
lieben.
Bestimmt herrschte eine Temperatur von vierzig Grad, als sie über den Parkplatz zum alten
Gerichtsgebäude gingen. Nicole fühlte die Hitze jedoch kaum. Alles um sie herum machte
einen unwirklichen Eindruck, und sie dachte an nichts weiter als daran, dass sie gleich Mrs.
Logan McNally wurde.
Vor dem Aussteigen hatte Logan ihr eine einzelne weiße Kamelie überreicht. Ihre Hände
hatten leicht gezittert, als sie die Blume ans Kleid steckte.
Während der Zeremonie bekam Nicole so heftiges Herzklopfen, dass sich die Blume bewegte,
als entwickelte sie ein Eigenleben. Und Nicole fragte sich ständig, wieso Logan sich zu einer
so romantischen Geste hatte hinreißen lassen. Bevor ihr jedoch ein vernünftiger Grund einfiel,
schob er ihr schon einen goldenen Ring auf den Finger, und der Richter erlaubte ihm, die
Braut zu küssen.
Sie wandte sich Logan zu. Ihre Lippen berührten sich, und der Kuss schien nicht mehr zu
enden. Jemand räusperte sich. Als Logan sie wieder freigab, sah sie aus dem Augenwinkel,
wie Amelia sie erstaunt betrachtete.
Nachdem alle die Heiratsurkunde unterschrieben hatten, sagte Amelia: "Ich habe eine Torte
und Punsch gemacht. Fahrt doch zu mir."
Nicole sah Logan an. Bisher war sie gar nicht auf die Idee gekommen, sie könnten als Paar
behandelt werden. Sie wusste ja nicht einmal, ob es sich um einen Freudentag handelte, der
gefeiert werden sollte.
"Es liegt bei dir", sagte sie zu ihm.
Logan lächelte Amelia zu, als würde er sie schon lange kennen. "Natürlich kommen wir gern.
Es ist schließlich unser Hochzeitstag."
Falls es Amelia überraschte, dass Logan sich nicht Nicoles Beschreibung entsprechend wie
ein Schuft benahm, zeigte sie es nicht. "Großartig", meinte sie erfreut. "Wir sehen uns dann
gleich bei mir zu Hause."
Sobald Nicole und Logan vom Gerichtsgebäude wegfuhren, sagte sie: "Du hättest um
meinetwillen Amelias Einladung nicht annehmen müssen. Wir hätten auch heimfahren
können."
"Das hätten wir", bestätigte er. "Aber es war doch nett von ihr, sich unseretwegen Mühe zu
machen."
Sie strich über den goldenen Ring an ihrem Finger. Ein solch schlichter Ehering besaß eine
besondere Bedeutung. Es handelte sich um kein sagenhaftes Schmuckstück, und es ging dabei
auch nicht um den Anschaffungspreis. Vielmehr war er ein Symbol.
"Warum hast du mir einen Ehering gekauft?"
Er antwortete so lange nicht, dass Nicole schon dachte, er würde die Frage übergehen.
"Du bist jetzt meine Ehefrau. Ich wollte, dass daran kein Zweifel besteht."
Sie erinnerte sich an Darcys Worte. Logan ist ein besitzergreifender Mann. Er verzichtet auf
nichts, das ihm gehört. Doch sie verdrängte den beunruhigenden Gedanken.
"Auch wenn es sich nur um eine vorübergehende Verbindung handelt", bemerkte sie, "hätte
ich doch erwartet, dass du jemanden einlädst."
"Meine engen Freunde sind alle in Shreveport. Es kam so schnell zur Hochzeit, dass sich
keiner von ihnen von der Arbeit frei nehmen konnte."
Sie wandte den Blick vom Ring zu ihm. "Du hast bisher weder über deine Freunde noch über
deine frühere Arbeit gesprochen. Was wird jetzt aus deiner Stelle als Dozent?"
"Ich habe gekündigt."
"Du gibst viel auf."
"Bestimmt denken viele Leute so. Aber ich habe das Diplom in Agrikultur erworben, um
eines Tages nach Belle Rouge zurückzukehren und mein Wissen zum Vorteil der Plantage
einzusetzen. In Wahrheit habe ich viel aufgegeben, als ich nach Shreveport ging, um dort zu
lehren."
Ja, Nicole wusste genau, was er aufgegeben hatte. Sein Zuhause, seine Arbeit, sein ganzes
Leben. Es stand nicht fest, wann ihr das klar geworden war. Seit seiner Rückkehr hatte sie
allmählich erkannt, dass er die Plantage geliebt hatte und noch immer liebte. Letztlich hätte
sie deshalb nicht fortgehen können, weil er dann sein Zuhause ein zweites Mal verloren hätte.
"Glaubst du, dass du jetzt auf Belle Rouge glücklich sein kannst? Du hast jahrelang in
Shreveport gelebt. Bestimmt hast du dort viele Freunde ungern zurückgelassen. Oder auch
eine bestimmte Frau."
Er lächelte schwach. "Was sollen denn alle diese Fragen? Ist das weibliche Neugierde?"
"Vielleicht", räumte sie verlegen ein. "Wir haben seit deiner Rückkehr nach Belle Rouge kein
einziges Mal über diese normalen Dinge gesprochen. Nun haben wir die Probleme mit dem
Testament deines Vaters geklärt. Ich hatte gehofft, wir könnten dadurch höflicher miteinander
umgehen."
Er wandte sich ihr für einen Moment zu. "Willst du tatsächlich mit mir Frieden schließen?"
Sie lächelte über sein ungläubiges Gesicht. Es war so schön, endlich wieder lächeln zu
können, dass sie ihm die Hand hinstreckte.
"Das würde ich sogar sehr gern machen", versicherte sie.
Er griff nach ihrer Hand, drückte sie und strich mit dem Daumen über den goldenen Ring.
"Ich auch."
Der Händedruck und Logans sanfte Miene nahmen ihr eine Last von den Schultern. Vielleicht
wurden die nächsten sechs Monate doch nicht so schlimm, wie sie gefürchtet hatte.
Möglicherweise gelang es ihnen beiden endlich, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und
als Freunde und Partner die Zukunft in Angriff zu nehmen.
Nicole lächelte, als ihr noch eine Idee kam. "Was würde dein Vater wohl sagen, könnte er uns
jetzt so sehen?"
Logan lachte leise. "Er würde kaum glauben, dass wir verheiratet sind."
Nicole lachte ebenfalls. "Ganz sicher nicht. Meiner Meinung nach hat Lyle dieses unsinnige
Testament geschrieben, um uns beide dafür zu bestrafen, dass wir nicht miteinander
auskommen konnten."
"Wahrscheinlich hast du Recht", bestätigte Logan. "Aber wir sind diejenigen, die zuletzt
lachen. In sechs Monaten zählt Lyle McNallys Testament nichts mehr. Dann bekommt jeder
von uns, was er will. Siehst du das nicht auch so?"
Sie stimmte ihm zu. Er bekam Belle Rouge, und sie hatte genug Geld und die Freiheit, eine
Laufbahn als Buchhalterin anzustreben und vielleicht sogar ein Buchhaltungsbüro zu
eröffnen. Weshalb fühlte sie sich aber jetzt schon seltsam leer?
"Genau", versicherte sie trotzdem und deutete auf die nächste Kreuzung. "Hier musst du
abbiegen. Amelias Haus liegt auf der anderen Seite des Flusses."
Nachdem Logan in die kurze Einfahrt gebogen war und den Motor abgestellt hatte, wandte er
sich an Nicole. "Bevor wir hineingehen, möchte ich deine Frage beantworten."
"Welche Frage?"
"Die nach der besonderen Frau, die ich in Shreveport zurückgelassen habe."
"Und?" fragte sie vorsichtig.
Er sah ihr in die Augen. "Es gibt keine."
Sie unterdrückte den heftigen Wunsch, sich an ihn zu lehnen und ihn zu küssen. "Das hä ttest
du mir nicht sagen müssen", erwiderte sie heiser. "Es spielt keine Rolle."
"Vermutlich nicht, aber du bist jetzt meine Ehefrau. Ich finde, du hast ein Recht darauf, es zu
wissen."
Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Was bedeuteten Worte, wenn sie nichts weiter wollte,
als ihn zu küssen und seine Arme zu fühlen? Lieber Himmel, nein, dachte sie! Dieser Mann
durfte ihr nicht das Herz brechen!
"Gehen wir hinein", sagte sie leise.
"Gleich." Er beugte sich näher zu ihr und streichelte ihre Wange. "Du bist heute sehr schön,
Nicole. Eine strahlend schöne jungfräuliche Braut."
Der zärtlichen Berührung und dem verlangenden Blick konnte sie nicht widerstehen. "Logan,
nicht", flüsterte sie.
Er achtete nicht auf ihre Bitte, sondern zog sie an sich und küsste sie.
Nicole schlang die Arme um seinen Nacken und presste sich an ihn. Und als er ihren Mund
erkundete, dämmerte ihr, was sie wirklich von ihm brauchte.
Nicht Geld und nicht Belle Rouge, sondern ihn selbst. Ihn und seine Liebe.
6. KAPITEL Logan rammte die Klinge des Taschenmessers am Stiel der Pflanze tief ins .lockere Erdreich
und grub sich zur Wurzel vor.
"Ich habe erst gemerkt, dass etwas nicht stimmt, als einige Pflanzen welkten", sagte der
Verwalter. "Ich wünschte, mir wäre schon früher etwas aufgefallen."
"Machen Sie sich keine Vorwürfe, Leo. Ich habe auch sämtliche Felder kontrolliert und kein
Problem erkannt." Logan blickte zum Verwalter hoch, der schon seit vielen Jahren auf der
Belle Rouge arbeitete. Obwohl Logan eine bessere Ausbildung besaß, respektierte und
bewunderte er Leos praktische Erfahrung. "Glauben Sie, dass nur diese Stelle betroffen ist?"
"Die Männer und ich haben auf allen Feldern Probegrabungen durchgeführt und nur hier ein
Problem gefunden."
"Das ist gut. Vielleicht kommen wir hinter die Ursache, bevor sich das Phänomen ausbreitet."
Logan schnitt einen Teil der kranken Wurzel ab und stand wieder auf. Heute Nachmittag
schien die Sonne endlich wieder, aber in den letzten zwei Wochen hatte es fast täglich
geregnet. Wenn nicht einige trockene Tage folgten, wurde alles von Mehltau befallen.
"Glauben Sie, es hat mit dem nassen Boden zu tun?" fragte der Verwalter.
"Hier befindet sich die tiefste Stelle der Plantage." Logan reichte Leo die Wurzeln. "Genau
wissen wir es aber erst nach einem Test. Bringen Sie die Probe zur Universität in Shreveport
und lassen Sie im Labor feststellen, was los ist. Stellt sich heraus, dass wir etwas unternehmen
können, besorgen Sie gleich die nötigen Chemikalien in der Stadt. Falls nicht, müssen wir
diesen Teil des Feldes vernichten."
Leo verlor keine Zeit, nickte und ging zu einem weißen Pick-up mit der roten Aufschrift
Belle-Rouge-Plantage an der Tür.
"Ich rufe Sie an, sobald ich etwas erfahre."
Logan winkte ihm zu und wollte schon zu seinem Wagen zurückkehren, als er hinter sich ein
Geräusch hörte. Nicole ritt auf Dumpling näher. Das graue Pferd schwitzte, und Nicoles
Gesicht war ebenfalls erhitzt.
"Was machst du hier draußen?" frage er und hielt das Pferd, als Nicole das Bein über den
Sattel schwang.
"Nach dem, vielen Regen genieße ich die Sonne", antwortete sie lächelnd.
Aber sicher nicht so sehr wie er den Anblick seiner frisch angetrauten Ehefrau. Das dichte,
rötlich goldene Haar hatte sie im Nacken locker mit einem breiten blauen Band
zusammengebunden. Eine ausgebleichte Jeans schmiegte sich um die langen, schön
geformten Beine. Der V-Ausschnitt der weißen Bluse gab den Blick auf zarte, glatte Haut frei.
Ihr Lächeln berührte Logan jedoch am stärksten.
In den zwei Wochen ihrer Ehe war der Friede nicht gebroche n worden. Und abgesehen von
dem leidenschaftlichen Kuss vor Amelias Haus war es Logan gelungen, sich zurückzuhalten.
Es war ihm allerdings schwer gefallen.
Er trat neben den linken Steigbügel und hob die Arme. "Steigst du ab?"
Sie nickte. "Ich muss mir die Beine vertreten."
Nicole hielt sich an seinen Schultern fest, und er legte ihr die Hände an die Taille, als er sie
neben sich auf den Erdboden stellte.
Dir Haar und ihre Haut dufteten verlockend nach Blumen. Er hätte sie gern in die Arme
gezogen, fürchtete jedoch die möglichen Folgen, gab Nicole frei und wich zurück.
"Du hast Dumpling zum Schwitzen gebracht", bemerkte er und betrachtete den Hals des
Pferdes.
"Das war nicht ich, sondern er selbst. Er wollte laufen. Ich hatte es nicht so eilig."
"Kannst du ihn denn nicht kontrollieren?"
Nicole lachte. Wie sehr er das genoss. Seit der Katastrophe mit Tracie hatte er auf solche Dinge bei Frauen nicht mehr geachtet. Ihr Lachen, ihr Seufzen, der Duft ihrer Haut, ihre Blicke. Er hatte vergessen, wie berauschend das alles sein konnte. Oder er hatte es nie gewusst, bis er nach Belle Rouge zurückkehrte und Nicole zu seiner Frau machte. "Natürlich, Dumpling macht alles, was ich von ihm verlange. Aber ich habe ihn eine Weile laufen lassen, wie er wollte." "Mit anderen Worten, du hast ihn verwöhnt." Lächelnd streichelte sie den Wallach. "Er ist es wert. Nicht wahr, mein Junge?" Logan holte tief Atem, als er sich vorstellte, wie es wäre, wenn sie ihn so sachte streichelte. "Wahrscheinlich willst du Dumping mitnehmen, wenn du Belle Rouge verlässt", sagte er. Sie sah ihn nicht an. "Nein, er gehört auf die Plantage. Sie war immer sein Zuhause." "Aber du liebst offenbar dieses Pferd", hielt Logan ihr vor. "Gerade deshalb möchte ich, dass es hier bleibt." "Ich verstehe dich nicht." Sie lächelte ihm schwach zu. "Dumpling soll glücklich sein. Es wäre grausam, ihn zu entwurzeln und ihm sein Zuhause wegzunehmen. Das Gleiche gilt für Sally. Sie wäre unglücklich, könnte sie nicht Eichhörnchen und Waschbären jagen, auf der Veranda schlafen und Darcys Essensreste fressen." Nicole hatte Recht. Trotzdem gefiel es Logan nicht, dass sie ihre Tiere, die sie liebte, und ihr Zuhause auf Belle Rouge aufgab. Doch er rief sich rasch in Erinnerung, dass sie dafür großzügig entschädigt wurde. Wenn sie auf ihren Anteil an der Plantage verzichtete, bekam sie genug Geld in die Hand, um sich jeden Wunsch zu erfüllen. Und er war dann wieder selbstständig. Und allein. Er brauchte sich dann um niemanden mehr zu kümmern, nur noch um sich selbst. Und das war die Sache wert. "Ich habe Leo nach Shreveport geschickt", erklärte er. "Er soll verrottete Wurzeln untersuchen lassen." "Ihr habt beide nicht erkannt, worum es sich handelt?" fragte sie beunruhigt. "Ich habe im Lauf der Zeit viele Krankheiten von Pflanzen kennen gelernt, so etwas aber noch nicht gesehen." Sie betrachtete das Zuckerrohrfeld. In den Wochen seit Logans Rückkehr hatte er ständig zusammen mit den Plantagenarbeitern zugepackt. Zuerst hatte sie gedacht, es würde ihm nur darum gehen, Autorität zu ze igen. Die Männer sollten wissen, wer der Chef war und das Sagen hatte. Doch im Lauf der Zeit war immer deutlicher geworden, dass er mit den Männern arbeitete und sich nicht über sie stellte. Er respektierte seine Angestellten. Und Nicole bewunderte ihn dafür und für seine bedingungslose Aufopferung für Belle Rouge. "Könnte ein großer Teil der Ernte verloren gehen?" fragte sie. "Ich werde dafür sorgen, dass das Problem nicht außer Kontrolle gerät. Hoffentlich finden wir ein Mittel, um die Ausbreitung zu verhindern." Sie war davon überzeugt, dass er dieses Problem kontrollieren konnte, wie er auch sich selbst seit der Hochzeit eisern unter Kontrolle hatte. Das überraschte sie ziemlich. Der Kuss in Amelias Einfahrt am Tag der Hochzeit war alles andere als zurückhaltend gewesen. Noch jetzt war Nicole nicht sicher, ob sie es überhaupt ins Haus geschafft hätten, wäre es im Wagen nicht unerträglich heiß gewesen und hätte nicht der neugierige Hund der Nachbarn laut gebellt. "Mir ist schon klar, wie wichtig für dich eine gute Ernte ist", sagte sie. "Und nicht nur wegen des Gewinns." Ihre Bemerkung überraschte und freute ihn. "Vielleicht kennst du mich ja doch. Ein wenig", fügte er amüsiert hinzu. "Ich lerne ständig hinzu." Je mehr sie lernte, desto mehr respektierte sie diesen vielschichtigen Mann, den sie geheiratet hatte. "Nun, du bist sicher beschäftigt", fuhr sie fort. "Bevor ich zum Haus reite, wollte ich dir noch etwas sagen. Thorndyke hat für uns die Papiere zur
Unterschrift vorbereitet. Ich habe ihn gebeten, heute Nachmittag jemanden herzuschicken.
Wir würden uns dann zur Unterschrift bereit halten."
"Ich werde da sein", versprach er.
Als sie nach Dumplings Zügeln griff, legte Logan ihr die Hände an die Taille. Heute hatte er
zum ersten Mal seit Tagen einen Grund, sie zu berühren. Als sie die Wärme seiner Hände
fühlte, merkte sie erst, wie sehr sie seine Umarmung und seine Küsse vermisste.
"Nicole?" Ta "
"Jd.
"Du willst es, oder? Ich zwinge dich nicht, deine Anteile an Belle Rouge aufzugeben."
In gewisser Weise zwang er sie doch, aber Nicole musste eingestehen, dass es nicht allein
seine Schuld war. Hätten sie normal wie Stiefgeschwister miteinander leben können, hätten
sie beide für immer, auf der Plantage bleiben können. Doch die erotische Spannung zwischen
ihnen war so heftig, dass es keinesfalls länger als sechs Monate möglich war.
"Ich verstehe das. Es muss so sein, Logan", erwiderte sie leise.
Bevor er noch etwas sagen konnte, schob sie die Spitze des Stiefels in den Steigbügel. "Hilfst
du mir?"
Er hob sie mühelos in den Sattel, und nachdem sie den richtigen Halt gefunden hatte, wollte
sie Dumpling zum Haus zurücklenken. Logan hielt sie jedoch am Fuß fest.
"Stimmt etwas nicht?" fragte sie.
Nichts stimmt, dachte er. Er wollte ihr nicht die Plantage und damit alles, was sie liebte,
wegnehmen. Er wollte sie nicht verletzen. Und vor allem wollte er nicht dieses ständige
Verlangen nach ihr empfinden. Was war mit ihm los? Warum konnte er Nicole nicht
vergessen und sich auf den eigentlichen Grund für seine Rückkehr konzentrieren - auf Belle
Rouge?
"Es ist nichts. Ich komme auch bald nach."
Einer von Thorndykes Mitarbeitern traf um vier Uhr nachmittags ein. Darcy führte den jungen
Mann ins Wohnzimmer, und Nicole brachte ihn ins Arbeitszimmer, in dem Logan am
Schreibtisch saß.
"Möchten Sie etwas trinken, Mr. Denton?" fragte Nicole, als sich der Anwalt auf das
Ledersofa setzte.
"Einen Scotch mit Wasser, bitte, Miss Carrington."
Logan warf ihm einen harten Blick zu. "Ihr Name ist Mrs. McNally."
"Ja", erwiderte der junge Mann betroffen, "sicher, das ist ihr legaler Name."
"Das ist ihr einziger Name", sagte er schroff und rief Nicole, die zu einem kleinen Tisch mit
Flaschen ging, zu: "Lass es! Darcy macht dem Mann einen Drink."
Sie sah ihn verwundert an und kehrte zu den beiden zurück.
Logan griff nach dem Hörer und tippte eine Nummer ins Telefon. "Darcy, wir brauchen Sie
im Arbeitszimmer", sagte er und warf den Hörer auf den Apparat.
Der junge Anwalt griff nervös nach der Aktentasche. "Sie werden feststellen, dass die
Bedingungen der Vereinbarung in Ordnung sind. Selbstverständlich sollten Sie beide das
überprüfen, bevor Sie unterschreiben." Er wandte sich an Logan, der aufgestanden und vor
den Schreibtisch gekommen war. "Wir möchten, dass Sie und Miss ... ich meine Mrs.
McNally nach der Scheidung zufrieden sind."
Scheidung. Das Wort klang für Logan bitter. Und der junge Anwalt betrachtete Nicole so
anerkennend, dass er es offenbar gar nicht mehr abwarten konnte, bis sie frei war.
"Lies du zuerst, Logan", bat Nicole. "Meine Stärke sind Zahlen. Du könntest mir die
juristischen Fachausdrücke erklären."
"Dafür bin ich hier", bot der Anwalt hastig an.
Zum Glück kam Darcy ausgerechnet in diesem Moment herein. Logan hätte Denton sonst
vielleicht hinausgeworfen.
"Ich möchte, dass mein Mann mir alles erklärt", sagte Nicole zur Überraschung der beiden.
Denton reichte Logan die Papiere, und während dieser las, trank der Anwalt den Scotch, den
Darcy ihm gebracht hatte.
Nicole beobachtete Logan aus dem Augenwinkel. Sein Gesicht wirkte immer hä rter. Sie
wusste nicht, ob das mit dem Vertrag oder mit den verstohlenen Blicken zu tun hatte, die ihr
der Anwalt zuwarf. Es war jedoch unsinnig anzunehmen, Logan könnte eifersüchtig sein.
Andererseits konnte sie den Abend nach ihrem Besuch in Thorndykes Büro nicht vergessen.
Logan hatte zugegeben, dass er sich nicht einmal vorstellen wollte, ein anderer Mann könnte
sie berühren.
Und Nicole wollte nicht, dass sich ein anderer außer Logan für sie interessierte. Denton
machte einen netten Eindruck. Anzug und Krawatte wirkten teuer, das dunkelblonde Haar war
perfekt gekämmt, und er lächelte strahlend. Doch er war viel zu weich und zu sehr von sich
eingenommen, um ihr zu gefallen.
Sie blickte wieder zu Logan. An seinen Arbeitsstiefeln klebte Lehm. Die alte Jeans schmiegte
sich um die harten, muskulösen Schenkel. Das dunkelblaue T-Shirt spannte sich über der
breiten Brust und ließ die starken Arme frei. Er war ein sehr intelligenter und gebildeter, aber
auch ein schlichter Mann vom Land. Die Mischung sprach Nicole stark an. Doch es ging nicht
nur darum, wie Logan aussah oder was er tat. Nicole konnte es nicht genauer erklären. Etwas
an ihm steigerte ihre Sehnsucht, sooft er lächelte.
"Nun, mir erscheint alles richtig." Er kam zu ihr und überreichte ihr die Vereinbarung. "Lies
es sorgfältig durch. Ich möchte, dass du alles verstehst."
Sie nahm ihm die Papiere aus der Hand und las sie gründlich durch. Ließ man die ganzen
juristischen Phrasen weg, ging es letztlich darum, dass sie den Anteil ihres Ehemannes und
ihren eigenen Anteil an Belle Rouge an Logan überschrieb. Das wurde allerdings erst gültig,
wenn sie sechs Monate zusammengelebt hatten. Sobald die Anteile in Logans Besitz
übergingen, zahlte er ihr dafür einen marktgerechten Preis, der bei Auflösung der Ehe
ausgehandelt werden musste.
Es ging um eine schlichte geschäftliche Vereinbarung. Hier stand nichts von Begehren,
Sehnsucht, Liebe und Schmerz. Allerdings gehörte das eigentlich auch nicht zu dieser Ehe.
Das galt für sie wie für Logan.
"Mir erscheint das alles klar und deutlich." Sie stand auf und gab Logan die Papiere zurück.
"Ich bin zur Unterschrift bereit."
Logan wandte sich noch einmal an Thorndykes Mitarbeiter. "Was ist, wenn einer von uns es
sich vor Ablauf der sechs Monate anders überlegt?"
"Das hätte keine Auswirkungen mehr. Sobald Sie beide den Vertrag unterschreiben, sind Sie
daran gebunden."
Logan sah Nicole fragend an. "Stört dich das?"
"Wenn Sie möchten", warf Denton ein, "können wir einen Paragraphen hinzufügen, dass jeder
von Ihnen am Ende der sechs Monate die Möglichkeit hat, anders zu entscheiden. Diesen
Zusatz müssten Sie natürlich auch beide unterschreiben. Außerdem ist Ihnen sicher klar, dass
dadurch der ganze Vertrag aufgeweicht würde."
"Ich brauche keinen Notausgang", versicherte Nicole ha stig. Sie musste an Logan verkaufen.
Etwas anderes kam nicht in Frage. Es wäre verrückt gewesen zu versuchen, weiterhin mit ihm
in diesem Haus zu leben. Sie wünschte in den nächsten sechs Monaten keine Unsicherheit,
was ihre Zukunft anging. Der Bruch zwischen ihnen sollte sauber und schnell erfolgen und
sich nicht schmerzhaft hinziehen. "Ich bin bereit, den Vertrag zu unterschreiben, wie er jetzt
lautet."
"Sie haben eine kluge Entscheidung getroffen, Mrs. McNally." Denton stand lächelnd auf und
holte einen Federhalter aus der Innentasche des Anzugs. "Ich zeige Ihnen, wo Sie
unterschreiben."
"Nicht so schnell", wandte Logan ein. "Ich habe noch nicht zugestimmt."
"Aber, Logan!" rief Nicole. "Du wolltest diesen Vertrag. Wieso möchtest du jetzt einen Zusatz? Wir wissen beide, dass es so am besten ist." Ist es das, fragte sich Logan. Wurde er tatsächlich glücklich, wenn Nicole ihn verließ und er Belle Rouge mit niemandem teilte? Es muss so sein, redete er sich ein. Er konnte nicht mit Nicole zusammenleben, ohne sie zu begehren. Auf keinen Fall wollte er ihr sein Herz anvertrauen. Sie mochte nicht so hinterhältig wie Tracie sein, aber sie war eine Frau. Und was ihn anging, vertraute er keiner. Allein schon die Alkoholsucht seiner Mutter hatte ihn dazu gebracht. Clara hatte geglaubt, immer glücklich zu sein, wenn sie nur Lyle McNallys Frau war. In Wahrheit hatte sie jedoch das ruhige Leben auf Belle Rouge verrückt gemacht. Nicole war noch sehr jung und sollte sich eigentlich nicht auf der Plantage vergraben. Ihm war das klar, wenn auch vielleicht nicht einmal ihr selbst. "Du hast Recht", sagte er knapp. "Unterschreiben wir und bringen wir es hinter uns." Ohne noch mehr Zeit zu verschwenden, ging er mit dem Vertrag zu einem Tisch. Denton und Nicole folgten ihm, und fünf Minuten später war alles vorüber. Der Anwalt nahm die Papiere mit, um sie notariell beglaubigen zu lassen und sie zu hinterlegen. "Nun", sagte Nicole und versuchte zu lächeln. "Von jetzt an brauchen wir uns darüber nicht mehr den Kopf zu zerbrechen. Vielleicht sollten wir uns jetzt etwas zu trinken gönnen." "Weshalb?" fragte Logan knapp. "Um zu feiern. Es muss dich freuen, dass Belle Rouge jetzt endlich dir allein gehört." "Nicole, bitte, lass uns nicht streiten!" "Logan, ich meine das ganz ernst", unterbrach sie ihn und staunte, wie sehr sich ihre Einstellung ihm gegenüber innerhalb der letzten Wochen verändert hatte. Seit der Hochzeit hatte sie viel nachgedacht. Es war schmerzhaft gewesen, doch sie hatte alles durch Logans Augen betrachtet. Er hatte seine Mutter bei einem tragischen Unfall verloren. Danach hatte sein Vater sehr rasch seine Geliebte geheiratet und sie nach Belle Rouge geholt. An Logans Stelle hätte Nicole sich vielleicht auch verdrängt gefühlt. Es war für ihn höchste Zeit gewesen, endlich nach Hause zu kommen. "Ich freue mich, dass die Plantage jetzt dir allein gehört", versicherte sie. "So sollte es auch sein." Er betrachtete sie mit schmal zusammengekniffenen Augen. "Du meinst das tatsächlich ernst?" Sie nickte, trat ans Fenster und blickte auf den Nussbaum-Hain hinaus. Die Reihen der mächtigen Bäume erstreckten sich, so weit das Auge reichte. Die dichten Blätter bildeten ein grünes Dach. Oft war sie mit Sally unter den Bäumen spazieren gegangen. Im Herbst hatte sie abgefallene Nüsse eingesammelt und Darcy geholfen, daraus Pralinen zu machen. Das war nun endgültig vorbei. Belle Rouge würde ihr fehlen, doch sie fürchtete, dass das auf Logan noch viel stärker zutraf. "Ja, ich meine es ernst", sagte sie heiser, drehte sich zu ihm um und lächelte. "Deine Vorfahren haben das Haus erbaut. Es sollte immer einem McNally gehören." Sie war durch die Heirat nun auch eine McNally, doch daran erinnerte er sie nicht. Ihre Ehe bestand nur auf dem Papier. Logan trat zu ihr. "Du bist sehr großzügig." Sie lächelte flüchtig. "Und das überrascht dich." "Sehr sogar. Vor wenigen Wochen hast du mich nicht gerade mit offenen Armen aufgenommen." "Nein, ich fühlte mich bedrängt", gestand sie. Mittlerweile stand fest, dass er in ihr Herz und nicht in ihr Zuhause eingedrungen war. Doch das dufte er nicht erfahren. "Tut mir Leid." Die schlichten Worte berührten sie tiefer als alles andere. Damit hatte sie bei ihm nicht gerechnet.
"Das ist nicht nötig" erklärte sie sanft. "Ich trauerte um Mom. Aber jetzt... Nun,
wahrscheinlich habe ich zu dir ziemlich hässliche Dinge gesagt, an die ich mich nicht einmal
mehr erinnere. Vergiss sie bitte."
Seit sie nach der Hochzeit einen Waffenstillstand geschlossen hatten, fragte Logan sich,
welche Nicole die echte war - diejenige, die er beim Heimkommen vorgefunden hatte, oder
diese sanfte, verständnisvolle junge Frau, die jetzt vor ihm stand. Es spielte allerdings keine
Rolle. Beiden konnte er kaum widerstehen.
"Ich habe bereits alles vergessen", erwiderte er.
Sie lächelte leicht. "Wollen wir nicht doch etwas trinken? Ich finde, wir sollten anstoßen."
Wenn es für sie ein freudiger Anlass war, machte er eben mit. "Wir trinken heute Abend zum
Essen Wein", erwiderte er und hatte eine Idee. "Warst du schon einmal in Lafayette?"
"Einmal. Warum?"
"Wir könnten hinfahren und dort essen."
"Das sind hundertfünfzig Kilometer!"
"Sogar etwas weiter", meinte er lachend. "Was macht es schon? Ich kenne ein großartiges
Fischrestaurant mit der besten Cajun-Musik, die du jemals gehört hast."
Wären sie nicht schon verheiratet gewesen, hätte sich das verdächtig nach einer Verabredung
angehört. Bei der Vorstellung bekam Nicole Herzklopfen. "Ich meinte, wir sollten anstoßen
und nicht ausgehen."
"Das habe ich auch nicht angenommen", erwiderte er. "Aber es war für keinen von uns
einfach. Ausgehen tut uns beiden gut."
Plötzlich wurde sie von Vorfreude ergriffen. Es war endlos lange her, dass sie Belle Rouge
aus einem anderen Grund verlassen hatte, als das College zu besuchen oder Besorgungen zu
erledigen. Die Freude am Ausgehen hatte Bryce ihr gründlich verdorben. Seither hatte sie
keinem Mann genug vertraut, um sich von ihm in den Supermarkt begleiten zu lassen, viel
weniger zu einem intimen Abendessen für zwei Personen. Doch bei Logan war das anders. Er
war ihr Ehemann.
"Du hast Recht", stimmte sie zu. "Wann fahren wir los?"
Er sah auf die Uhr. "In einer halben Stunde."
"Das schaffe ich", versicherte sie.
Die Fahrt nach Lafayette dauerte drei Stunden, doch Logan störte sich nicht daran oder an
seinem Hunger. Nicoles Anb lick lenkte ihn ausreichend ab.
Der lange Rock und die Stiefel verbargen zwar ihre Beine, doch die aprikosenfarbene
Seidenbluse war am Hals ausgeschnitten und entblößte die zarte helle Haut über den Brüsten.
Wie andere Frauen der Südstaaten schützte sie sich vor der Sonne, und das zahlte sich bei ihr
aus. Ihre Haut war glatt wie Satin. Mehrmals hatte er sich schon gefragt, ob das auch auf jene
Teile ihres Körpers zutraf, die er nicht zu sehen bekam.
Nicht nur ihr Aussehen fesselte ihn. Bisher war sie nicht so lebhaft und an ihrer Umgebung
interessiert gewesen. Sie freute sich dermaßen, dass er ein schlechtes Gewissen bekam, weil
er sie nicht schon früher ausgeführt hatte. Obwohl er sich den Grund nicht erklären konnte,
sollte sie während ihrer Ehe glücklich sein.
"Wie lange ist es schon her, dass du aus warst?" fragte er beiläufig.
"Ungefähr drei Jahre. Genau weiß ich es nicht mehr. Warum?"
"Einfach so. Ich dachte nur, dass du nach dem Schlaganfall deiner Mutter wahrscheinlich
nicht mehr oft fort warst."
Das Lächeln schwand aus ihrem Gesicht. "Ich ließ sie mit einer Pflegerin nur allein, wenn es
nötig war."
"Deine Mutter war über zwei Jahre behindert. Du warst lange gefesselt."
"Ich war nicht gefesselt, sondern habe das College beendet", widersprach sie.
Aber sie war bestimmt nicht oft mit einem Mann ausgegangen, sonst wäre sie keine Jungfrau mehr. "Nach unserer Hochzeit hat deine Freundin Amelia erwähnt, dass du Arbeit als Buchhalterin suchst. Ist das deine Absicht?" "Ich habe immer gern mit Zahlen gearbeitet. Und ich wollte nie auf Belle Rouge untätig herumsitzen. Nach dem Schlaganfall meiner Mutter war es allerdings schon schwierig genug, das College abzuschließen. Ich musste meinen Plan, mir eine Stelle als Buchhalterin zu suchen, aufschieben. Zuerst wollte ich als Selbstständige arbeiten, doch Moms Gesundheit war dermaßen angegriffen, dass ich keine Verpflichtungen einging, die ich vielleicht doch nicht halten konnte. Also habe ich auch das verschoben." Logan hörte deutlich die Enttäuschung in ihrer Stimme. Für sie war ein eigener Beruf offenbar sehr wichtig. Und das überraschte ihn. Früher war er überzeugt gewesen, Nicole wäre damit zufrieden, von den Einkünften von Belle Rouge zu leben. Nun stellte sich immer klarer heraus, dass sie nicht so war, wie er gedacht hatte. Sie war stark und stolz. "Du hast jetzt noch nicht nach Arbeit gesucht?" "Nein, noch nicht", erwiderte sie. "Ich fange nicht bei einer Firma an, kündige und ziehe um. Damit warte ich, bis die sechs Monate auf Belle Rouge um sind. Erst dann treffe ich endgültige Entscheidungen. Außerdem habe ich keine Berufserfahrung. Wahrscheinlich muss ich in eine größere Stadt ziehen, um etwas zu finden." Sie hatte also keine festen Pläne für die Zeit nach der Ehe. Das erleichterte Logan. Es gefiel ihm nicht, dass sie in eine Großstadt zog, in der alle möglichen Gefahren drohten und er sie nicht wieder sah. "Eigentlich musst du gar nicht arbeiten, wenn du nicht willst, Nicole. Das Geld für deine Anteile an Belle Rouge reicht bequem. Du musst es nur geschickt anlegen." "Ich soll nicht arbeiten, Logan? Ich muss etwas Sinnvolles machen, um glücklich zu sein." Zuerst zuckte er die Schultern, und dann sagte er unvermittelt: "Ehefrau und Mutter zu sein ist sehr sinnvoll." Früher hatte Nicole sich das mehr als alles andere gewünscht. Sie war ohne Vater und Geschwister aufgewachsen und hatte sich daher stets nach einer eigenen Familie gesehnt. Doch seit der Demütigung durch Bryce betrachtete sie das Leben und vor allem die Männer mit anderen Augen. Ihr Vater war verschwunden und hatte ihre Mutter nicht geheiratet. Ihren Stiefvater hatte Nicole zwar geliebt, doch Lyle hatte seine dem Alkohol verfallene Ehefrau betrogen und seine Geliebte geheiratet. Logan hatte seinen Vater zehn Jahre lang im Stich gelassen und sie und Simone ignoriert. Bryce hatte ihr geschworen, sie für immer zu lieben, und war danach ebenfalls verschwunden. Für Nicole stand fest, dass man sich auf Männer nicht verlassen konnte. Das durfte sie nie vergessen. "Um Ehefrau und Mutter zu sein, braucht man einen Ehemann", erwiderte sie gepresst. "Und ich will keinen." "Niemals?" fragte Logan. Sie blickte aus dem Fenster. "Nein." "Aber du bist erst zweiundzwanzig", hielt er ihr vor. "Du warst auch einmal zweiundzwanzig", entgegnete sie. "Und du bist trotzdem mit keiner Frau zusammen." "Ich habe eine Ehefrau." "Aber nicht richtig. Du hast selbst gesagt, dass du keine Frau und keine Familie haben willst." Das hatte er tatsächlich gesagt. Und er hatte es sich immer wieder eingeredet, bis er überzeugt war, allein leben zu müssen. Nicole berührte den goldenen Ehering. "Eines Tages wirst du eine richtige Ehefrau haben", fuhr sie fort. "Du lässt nicht zu, dass die McNallys mit dir aussterben. Darum musst du einen Sohn zeugen."
Einen Sohn. Ein Teil von ihm und ... Er blickte zu Nicole. Und ein Teil von ihr? Daran durfte
er nicht einmal denken!
Trotzdem stellte er sich während der Fahrt Nicoles nackten Körper unter dem seinen vor. Sie
schlang die Arme um ihn, während er sie küsste. Und er malte sich aus, wie ein Kind in ihr
heranwuchs und schließlich ein Baby an ihrer Brust trank.
Verlor er jetzt den Verstand, oder kam er endlich zur Vernunft? Logan warf einen Blick in
Nicoles schönes Gesicht. Niemand brauchte ihn daran zu erinnern, dass der Name McNally
mit ihm endete, wenn er keinen Erben hatte, der die Belle-Rouge-Plantage übernahm. Daran
dachte er oft, vor allem seit dem dreißigsten Geburtstag.
Aber für ein Kind brauchte er eine Ehefrau und vor allem Bindungen, die nicht so leicht zu
lösen waren. Spielte es denn wirklich eine Rolle, wenn der Name McNally mit ihm ausstarb?
Das Ende der Familie McNally war mit Sicherheit nicht so schlimm wie eine Scheidung oder
eine hässliche Schlacht um die Vormundschaft. Dabei wäre ein unschuldiges Kind das Opfer
gewesen. Und er wusste nur zu gut, wie es war, Eltern zu haben, die einander bekämpften.
Nicole war jedoch schon in sein Leben getreten, und er fühlte, dass sie seinem Kind eine gute
Mutter gewesen wäre. Das zeigten der Respekt und die Hingabe, die sie ihrer eigenen Mutter
entgegengebracht hatte.
"Nicole, bietest du mir vielleicht an, mir einen Sohn zu gebären?"
Sie war überzeugt, dass er es nicht ernst meinte. Bestimmt wollte er irgendwann ein Kind,
aber nicht jetzt und ganz sicher nicht mit ihr.
Sie holte tief Atem. "Ein Kind sollte aus Liebe entstehen. Anders käme das für mich nicht in
Frage. Und wir wissen beide, dass das nicht in deine Pläne passt."
Nein, es passte nicht, und er konnte ihr nichts vorspielen, nur um einen Erben zu bekommen.
Dafür respektierte er sie zu sehr.
"Du hast Recht", lenkte er ein. "Ein Paar sollte nur aus Liebe ein Kind bekommen. Nun ja",
fügte er hinzu. "Dad lebt nicht mehr. Er wird nie erfahren, dass die Familie mit mir endet.
Außerdem gibt es Schlimmeres."
"Zum Beispiel, eine Frau aus Liebe zu heiraten", bemerkte sie und sah erleichtert vor sich die
Lichter von Lafayette. "Wir sind da. Ich habe großen Hunger. Du nicht auch?"
Erst in diesem Moment begriff Logan, wonach er wirklich hungerte. Nicht nur nach dem
Körper einer Frau, sondern nach Liebe, Gemeinsamkeit und einer Familie. Das alles sollte ein
Mann sich verdienen und es auch genießen. Doch würde er dazu jemals den Mut finden?
"Ich habe Hunger", gab er zu. "Aber ich kann warten."
7. KAPITEL "Ich habe noch nie etwas so Köstliches gegessen", versicherte Nicole, während sie geschickt
den Panzer eines Flusskrebses aufbrach, das Fleisch in den Mund schob und den einzigartigen
Geschmack genoss.
"Ich kann noch mehr bestellen, wenn du möchtest", scherzte Logan.
Nicole lachte. Zwischen ihnen stand auf dem Tisch ein Korb mit gekochten Flusskrebsen, und
das war erst die Vorspeise. Später gab es noch Gumbo, einen Fischeintopf, sowie Jambalaya,
ein Reisgericht mit Fleisch und Krabben, und danach Katzenwels und Krabben.
"Du musst mir bei den Krebsen helfen, sons t bekomme ich hinterher keinen Bissen mehr
hinunter", behauptete sie.
Er schüttelte lächelnd den Kopf. "Ich bin kein Freund von Flusskrebsen."
"Wieso denn nicht? Du hast doch sicher schon welche gegessen."
"Nein."
Sie sah ihn an, als hätte er ihr soeben eröffnet, dass er vom Mars kam. "Lieber Himmel,
Logan! Du bist in Louisiana geboren und aufgewachsen und hast noch nie Flusskrebse
gegessen? Was für eine Schande!"
Er lachte. "Ich konnte einfach nichts essen, womit ich als kleiner Junge gespielt habe."
Sie löste das Fleisch aus dem nächsten Krebsschwanz, tauchte es in die würzige Soße und
hielt es ihm hin. "Los, versuch es!"
Bei einer anderen Gelegenheit und einer anderen Person hätte Logan sich geweigert. Doch sie
waren im Randall's, einem gemütlichen Restaurant. Der Speisesaal hatte einen Holzfußboden,
und Balken stützten die Decke. An den Tischen standen die gleichen Stühle, die man auch auf
Veranden benutzte. Junge und ältere Paare waren hier, manche mit Kindern, andere ohne. Nur
wenige Meter von ihnen beiden entfernt wärmte sich eine Cajun-Band am Rand der
Tanzfläche auf. Hier gab man sich lässig, vergaß allen Ärger und genoss die Gesellschaft, in
der man sich gerade befand.
"Also schön", stimmte er zu. "Aber wenn mir schlecht wird, musst du nach Hause fahren."
Sie lachte über die Warnung. "Dir wird nur schlecht, wenn du zuvielisst."
Der Flusskrebs besaß einen ausgeprägten Geschmack, der Logan völlig fremd war. "Das ist
wirklich gut. Jetzt musst du mir noch einen auslösen."
"Oh, nein, das kannst du selbst machen."
"Ich weiß aber nicht, wie das geht", behauptete er.
"Du lernst bestimmt schnell. Ich zeige es dir."
Nach einigen verunglückten Versuchen, über die Nicole lachte, bekam er heraus, wie man die
harte Schale vom Krebsschwanz entfernte. Wenig später tür mten sich vor ihnen die leeren
Panzer, und die Flasche Wein war nur noch halb voll.
"Woher kennst du dieses Restaurant?" fragte Nicole und lehnte sich zurück. Die Krebse
hatten ihren Appetit angeregt, und vom Wein war sie entspannt. Zum ersten Mal seit langer
Zeit fühlte sie sich wohl.
"Während meiner Zeit an der Louisiana State University musste ich zu verschiedenen
Vorträgen reisen. Vor einigen Jahren war ich in Lafayette, und jemand empfahl mir das
Randall's. Seither esse ich immer hier, wenn sich die Gelegenheit bietet."
Sie betrachtete ihn eingehend. "Du vermisst deine Arbeit nicht."
"Woher willst du das wissen?" Logan griff nach dem Weinglas.
"Ich weiß es einfach. Du wurdest für die Arbeit auf dem Land geboren. Du darfst nicht in
einem Hörsaal eingeschlossen sein. In gar keinem Raum."
Es überraschte ihn, dass sie ihn so gut durchschaute. Trotz einiger leidenschaftlicher Küsse
hatten sie nicht viel Zeit zusammen verbracht. Die Gespräche waren stets kurz ausgefallen
und hatten sich um belanglose und unpersönliche Themen gedreht. Er hatte nicht erwartet, sie
könnte seine Gefühle verstehen.
"Du hast Recht. Und es tut mir Leid, dass ich der Plantage so lange fernblieb."
"Wirklich?" fragte sie überrascht. "Das kann ich kaum glauben. Bei deiner Rückkehr warst du
verbittert."
Er richtete den Blick auf ihre Augen und dann auf ihre vollen Lippen. "Du auch."
Nicole seufzte. "Wir beide wurden von unseren Eltern verletzt."
Er versuchte, nicht an ihre Lippen zu denken, doch wenn sie lächelte oder ihn auch nur ansah,
wollte er sich über den Tisch beugen und sie küssen.
"Du hast stets zu deiner Mutter gehalten", hielt er ihr vor.
"Das stimmt. Ich liebte sie. Aber sie hätte nie eine Affäre mit einem verheirateten Mann
haben sollen."
Noch vor wenigen Wochen hätte Logan bei diesem Geständnis triumphiert. Es wäre für ihn
ein großer Sieg gewesen, dass Nicole einen Fehler ihrer Mutter zugab. Jetzt machte es ihn nur
traurig. Zu deutlich erkannte er, wie sehr Nicole unter den Entscheidungen ihrer Mutter
gelitten hatte.
Er nickte. "Auch wenn mein Vater mit meiner Mutter unglücklich war, hätte er sich nicht
nach einer anderen Frau umsehen dürfen. Simone und Lyle haben falsch gehandelt."
"Sie waren eben nur Menschen", erwiderte Nicole leise.
Ich bin auch nur ein Mensch, dachte Logan. Wie lange sah er in Nicole nichts weiter als eine
Frau, die seinen Namen trug?
Der Hauptgang wurde gebracht, und sie ließen sich das köstliche Essen schmecken. Als sie
nicht mehr konnten, spielte die Band bereits schwungvoll.
Nicole konnte bei den schnellen Rhythmen nicht still sitzen. Auch wenn sie kein Wort der
französischen Texte verstand, klopfte sie doch mit den Füßen den Takt, wiegte die Schultern
und beobachtete mit leuchtenden Augen die Tänzer, die sich auf der vollen Tanzfläche
drehten.
"Wenn du mit dem Kaffee fertig bist, sollten wir es auch versuchen", schlug Logan vor.
"Kannst du tanzen?" fragte sie ihn erstaunt.
"Unter anderem", erwiderte er lachend.
Rasch stand sie auf und griff nach seiner Hand. "Zeig es mir, Mr. McNally!"
Logan erfüllte ihr die Bitte nur zu gern und wirbelte mit ihr herum, bis sie atemlos lachte.
Nach jedem Song rechnete sie damit, dass Logan sie wieder an den Tisch führte, doch er
dachte gar nicht daran.
Er war auf der Tanzfläche in seinem Element. Bisher hatte sie ihn nicht so unbekümmert
lächeln oder lachen gesehen. Diese Verwandlung berührte sie so, dass sie sich an ihn
schmiegte, als die Band eine langsame Nummer spielte und er sie an sich zog. Sie hielt seine
Hand fest, schlang den anderen Arm um seinen Nacken und drückte die Wange an die seine.
Logan hatte schon vorher gewusst, dass es ein Fehler war, mit Nicole so eng zu tanzen. Sie
fühlte sich weich an, ihr Haar und ihre Haut dufteten verlockend, und sie kam ihm
vertrauensvoll entgegen. Bei jeder Bewegung drückten ihre Brüste gegen seine Brust,
berührten ihre Schenkel die seinen.
Der wenige Wein, den er getrunken hatte, wirkte schon längst nicht mehr. Trotzdem fühlte er
sich berauscht - vor Verlangen. Die Zeit mit Nicole sollte nicht enden. Doch nach diesem
Song packten die Musiker die Instrumente ein.
"Zeit zum Aufbruch", sagte er, als Nicole sich langsam aus seinen Armen löste.
Sie nickte verträumt und ließ sich von der Tanzfläche ins Freie führen. Die Nacht war warm
und schwül.
Als Logan ihr in den Wagen half, merkte Nicole erst, wie müde sie war. Dankbar sank sie in
den Sitz und lehnte den Kopf zurück.
Während Logan durch die nächtliche Stadt fuhr, lenkte Nicole ihn nicht ab, doch auf der
offenen Fernstraße streckte sie die Hand nach ihm aus.
Er drückte ihre Hand und lächelte ihr flüchtig zu.
"Es war ein wunderbarer Abend, Logan, vielen Dank."
"Gern geschehen."
"Bist du für die Heimfahrt nicht zu müde?"
Das schmerzliche Sehnen in seinem Körper würde ihn sowieso stundenlang nicht schlafen
lassen. Zurück auf Belle Rouge würde er erst einmal eine halbe Stunde kalt duschen müssen
und hoffen, Nicole damit aus seinen Gedanken zu vertreiben.
"Nein, ich schaffe das schon. Du kannst ruhig schlafen."
Zufrieden seufzend schloss sie die Augen. "Ich will nicht schlafen, sondern an das Essen, die
Musik und die Menschen denken. Alle waren glücklich und sorgenfrei."
"Wir auch", erwiderte er bewegt.
"Ja, wir auch", bestätigte sie. Bevor sie traurig wurde, weil sie ihn und Belle Rouge verlassen
musste, drückte sie noch einmal seine Hand und schlief ein.
In den frühen Morgenstunden hielt Logan den Wagen endlich vor dem großen alten Haus an.
Nicole schlief noch immer und hatte den Kopf an seine Schulter gelegt.
Behutsam schob er sie auf ihren Sitz zurück, stieg aus und ging zur Beifahrertür. Als er
Nicole aus dem Wagen hob, stöhnte sie widerwillig.
"Leg die Arme um meinen Nacken", verlangte er sanft.
Im Halbschlaf gehorchte sie und drückte das Gesicht an seine breite Schulter. Erst auf der
Treppe zum ersten Stock merkte sie, dass sie daheim waren und Logan sie trug.
"Logan", flüsterte sie, "ich bin jetzt wach. Du kannst mich absetzen, bevor du dir den Rücken
verletzt."
"Keine Gefahr", erwiderte er mit einem seltsamen Funkeln in den Augen. "Für mich fühlt es
sich an, als würden wir noch immer tanzen."
Die Erinnerung an die Nähe zu Logan im Randall's war herrlich. Sie hob den Kopf und hielt
den Atem an, als sie den verlangenden Ausdruck in seinem Gesicht sah. Sie flüsterte seinen
Namen, und er küsste sie.
Logan ließ sie in seinem Schlafzimmer auf das Bett sinken und küsste sie leidenschaftlich,
während er an den Knöpfen ihrer Bluse zerrte.
Sobald der seidige Stoff zur Seite glitt, drückte er die Lippen auf den Ansatz ihrer Brüste
oberhalb des dünnen BHs. Tief in ihr setzte heißes Verlangen ein.
Lustvoll stöhnend schob sie die Hände in sein Haar und drängte ihn, sie wieder zu küssen.
Nur zu gern erfüllte er ihr den Wunsch, nahm Besitz von ihrem Mund und erforschte ihn.
"Das sollte nicht geschehen", flüsterte er, "aber ich will dich, Nicole!"
Sie bege hrte ihn so heftig wie er sie. Die Vergangenheit spielte keine Rolle mehr, auch nicht
die Zukunft. Im Moment konnte Nicole nur daran denken, wie sein kraftvoller Körper sich
mit dem ihren verband.
"Ich weiß, Logan", stieß sie hervor und hielt sich an seinen Schultern fest. "Bei keinem habe
ich bisher so empfunden. Niemals. Zeig mir alles! Mach mich zu deiner Frau!"
Ihre leidenschaftliche Bitte fegte den letzten Rest seiner Zurückhaltung weg. Mit bebenden
Händen zog er sie weiter aus. Durch das Fenster fiel das Mondlicht zwischen den Ästen einer
Eiche ins Zimmer und auf Nicoles helle Haut, über die seine dunklen Finger wanderten.
Er beugte sich tiefer und ließ die Zunge durch das Tal zwischen ihren Brüsten gleiten und bis
zum Nabel wandern, legte die Hände an ihre vollen Brüste und hob sie mit ihren erregten
Spitzen seiner Zunge entgegen.
Nicole wand sich vor Verlangen und versuchte, sein Hemd zu öffnen, schaffte es jedoch nicht.
Er löste sich lange genug von ihr, um sich seiner Kleidung zu entledigen, kam dann wieder zu
ihr und zog sie fest in die Arme.
Sie rang nach Luft, als sie seinen nackten Körper fühlte, und er stockte.
"Das ist verrückt", flüsterte er. "Du brauchst mich nicht, um..."
Sie schnitt ihm das Wort mit einem hingebungsvollen Kuss ab. "Du bist mein Ehemann,
Logan. Mein Mann. Ich will dich!"
Er konnte ihr nicht widerstehen. Es war dumm gewesen, das überhaupt jemals zu glauben.
"Nicki, o Nicki, du bist so schön! Viel zu schön!"
Das dichte rötlich blonde Haar fiel in Wellen auf ihre hellen Schultern. Er schob die Finger in
die seidigen Strähnen und küsste Nicole. "Lass nicht zu, dass ich dir wehtue", flehte er
erstickt.
Sie schlang die Arme fest um seinen Nacken. "Das wirst du nicht, Liebling. Denk nicht daran,
sondern liebe mich."
Sie legte die Beine um ihn, und mehr als diese Einladung brauchte er nicht. Er rollte sie auf
den Rücken, durchbrach die Barriere ihrer Unschuld und senkte sich in ihren warmen Körper.
Trotz des Ansturms der Lust hörte er, wie sie seinen Namen stöhnte. Er zwang sich zum
Stillhalten und küsste den Schmerz weg.
"Alles in Ordnung?" flüsterte er.
Wie benommen blickte sie zu ihm hoch. Verlangen malte sich in ihrem Gesicht ab.
"Ja, oh, ja! Nicht aufhören. Lass mich nicht los, Logan! Nie wieder."
Sie hob sich ihm entgegen, und er bewegte sich in ihr. Es war, als hätte er Nicole schon sein
Leben lang begehrt. Sie war alles, was er hatte und jemals brauchen würde.
Viel zu früh packte er sie hart, presste sie gegen die Matratze und stöhnte ihren Namen, als er
den Gipfel erreichte.
Nur allmählich merkte er, dass er auf Nicole gesunken war und sie nach Luft rang.
Rasch rollte er sich von ihr, ließ jedoch eine Hand auf ihrer Brust liegen. "Alles in Ordnung?"
Sie lächelte erschöpft, aber glücklich. "Das fragst du mich schon zum zweiten Mal. Hast du
Angst, ich könnte wie eine Porzellanpuppe zerbrechen?"
"Du warst Jungfrau", sagte er heiser.
Sie wandte ihm das Gesicht zu und ließ den Blick verträumt über ihn gleiten. "Ja, aber du hast
das geändert."
Du bist noch Jungfrau, weil du dich nur einem Mann hingeben willst, den du liebst ... Ein
Kind sollte aus Liebe entstehen ... Anders käme das für mich nicht in Frage... Logan fiel
ausgerechnet jetzt ein, was sie zueinander gesagt hatten. Doch darüber wollte er nicht
nachdenken. Er wollte überhaupt nicht denken, sondern nur Nicole neben sich fühlen.
"Ich bin nicht sonderlich stolz auf mich", gestand er.
Lächelnd stützte sie den Kopf in die Hand und strich von seiner verschwitzten Brust zu
seinem flachen Bauch hinunter. "Willst du alles ungeschehen machen?"
"Nein, verdammt! Du weißt, dass ich nichts ändern kann."
"Das möchte ich auch gar nicht", sagte sie leise.
Stöhnend hielt er ihre Hand fest und drückte einen Kuss in die Handfläche. "So denkst du im
Moment, aber du wirst mich bald dafür hassen."
"Nein", wehrte sie heftig ab.
Er wollte nicht streiten und keine Zeit verlieren. Stattdessen zog er die Decke über ihre
nackten Körper und drückte Nicoles Kopf an seine Schulter.
Logan wollte nicht schlafen, doch die lange Nacht und die Lust mit Nicole forderten ihren
Tribut. Als er erwachte, fiel schon das erste Tageslicht durch das Fenster herein. In der Ferne
krähte ein Hahn.
Nicole drückte sich im Schlaf an ihn und bewegte sich, als er ihren Rücken und ihre Hüfte
streichelte. Sie öffnete die Augen und brauchte eine Weile, um zu begreifen, wo sie war.
"Ich bin eingeschlafen", stellte sie leicht überrascht fest.
"Ich auch."
"Wie spät ist es?"
" Kurz nach Tagesanbruch."
Nicole seufzte, weil die Nacht fast vorüber war. Sie wollte nicht, dass es schon endete,
fürchtete sich sogar davor.
"Darcy wird bald kommen", warnte sie.
Er streichelte ihre Brüste und ließ den Blick über ihr Gesicht wandern. Dass er sie erneut
begehrte, erstaunte und erregte sie. "So bald auch wieder nicht", flüsterte er.
Nicole summte vor sic h hin, während sie sich eine zweite Tasse Kaffee einschenkte. Darcy
stand am Herd und hob den Deckel von einem Topf, in dem sie Bohnen kochte.
"Klingt ganz so, als wärst du heute Morgen gut gelaunt."
Nicole wurde rot, doch das sah die Haushälterin zum Glück nicht. "Ja, stimmt."
Darcy rührte mit dem Kochlöffel um. "Hat das mit dem gestrigen Abendessen mit Logan zu
tun?"
Waren sie beide tatsächlich erst gestern Abend nach Lafayette gefahren? So viel war in kurzer
Zeit geschehen.
"Es war großartig", berichtete Nicole. "Ist das nicht erstaunlich? Noch vor wenigen Wochen
erschien es mir unerträglich, dass Logan auf Belle Rouge ist, und jetzt..."
Sie verstummte, weil sie nicht wusste, was sie sagen sollte und ob es überhaupt klug war, über
ihre Gefühle zu sprechen. Noch war alles zu neu, um mit jemandem darüber zu reden.
Darcy warf ihr einen bedeutungsvollen Blick zu. "Was ist jetzt?"
Nicole schob den letzten Bissen eines Brötchens in den Mund. "Du musst zugeben, dass Logan sich seit der Rückkehr verändert hat." Darcy legte den Deckel wieder auf den Topf. "Hm! Der Mann ist mittlerweile netter geworden. Das kann ich nicht bestreiten. Ich glaube, ihm liegt tatsächlich etwas an der Plantage. Zum Beispiel heute Morgen ... Er hat nur schnell Kaffee getrunken und die Eier gegessen und ist gleich auf die Felder hinausgefahren." Als Nicole am Morgen zum zweiten Mal erwacht war, hatte sie allein im Bett gelegen. Logan machte sich wegen der Wurzelkrankheit Sorgen, die Leo entdeckt hatte. Sie hätte ihm gern geholfen. Sein Glück stand bei ihr an erster Stelle. "Höre ich in deiner Stimme einen Vorbehalt, Darcy?" Die Haushälterin kam an den Küchentisch. "Ich habe nicht vergessen, wie er Mr. Lyle behandelt hat. Der alte Mann wollte, dass sein Sohn hier lebt und ihm auf der Plantage hilft, aber Logan hat ihn verurteilt, weil er deine Mutter geheiratet hat. Und jetzt hat Logan dich geheiratet. Wenn das keine Heuchelei ist, dann weiß ich nicht!" Noch vor wenigen Wochen hatte Nicole genauso gedacht. Sie hatte in Logan einen Mann gesehen, der seinen Vater absichtlich verletzt hatte. Für sie war er ein Schuft gewesen. Doch nun begriff sie, dass er wie sie das Opfer der verbotenen Liebesaffäre ihrer Mutter und seines Vaters gewesen war. "Das stimmt schon alles, Darcy, aber man muss verzeihen. Und du darfst nicht vergessen, dass Logan durch den Verlust seiner Mutter tief verletzt wurde. Noch schmerzhafter war es für ihn, dass Lyle die Frau heiratete, mit der er Clara betrogen hatte." "Na ja, Mr. Lyle war kein Heiliger", räumte Darcy ein. "Aber Logan ist bestimmt auch keiner. Deshalb fürchte ich, dass er dir das Herz brechen wird." Nicole versuchte, Darcys Warnung zu überhören. Logan lag etwas an ihr, sonst hätte er sie nicht so wunderbar geliebt. Sie hatten einen Vertrag unterschrieben, der besagte, dass in sechs Monaten alles endete. Doch Nicole glaubte nicht, dass nach der letzten Nacht eine Scheidung in Frage kam. Voll Leidenschaft hatte er sie Nicki genannt. Das hatte noch nie jemand getan. Logan war kein Mann, der Kosenamen benutzte. Wahrscheinlich war das seine Art gewesen, ihr seine Liebe zu zeigen. "Du brauchst keine Angst zu haben, Darcy. Logan und ich, wir verstehen uns. Früher waren wir verfeindet, aber das gehört der Vergangenheit an. Er wird mir nie absichtlich wehtun." "Hoffentlich hast du Recht, Nicole, sonst jage ich ihn mit Sallys Hilfe nach Shreveport zurück." Am Nachmittag war Logan noch nicht ins Haus zurückgekehrt. Das war nicht ungewöhnlich. Oft blieb er bis zum Feierabend bei den Plantagenarbeitern. Nicole sehnte sich jedoch nach ihm, wollte ihn berühren und küssen und sich davon überzeugen, dass sie sich die Leidenschaft der letzten Nacht nicht nur eingebildet hatte. Seufzend blickte sie von den Unterlagen hoch, an denen sie arbeitete. Wie wohl ihr gemeinsames Leben von jetzt an aussehen würde? Mehrmals hatte sie heute schon ihre Sachen in Logans Zimmer bringen wollen, hatte sich jedoch zurückgehalten. Vielleicht war es voreilig zu glauben, dass er sie nun wirklich als seine Ehefrau betrachtete. Doch jedes Mal erinnerte sie sich daran, wie er sie geliebt hatte, und sie konnte sich nicht vorstellen, dass er etwas anderes wünschte. Je mehr sie über die letzte Nacht nachdachte, desto sicherer war sie, dass sie beide von jetzt an eine Liebesehe führen würden. Logan hatte nicht an Verhütung gedacht. Es war zwar nicht der richtige Zeitpunkt für eine Empfängnis gewesen, doch das konnte er nicht wissen. Dass er überhaupt die Möglichkeit eines Kindes in Kauf genommen hatte, war für Nicole ein Beweis, dass er das Risiko, sie zu lieben, einging. Und das wiederum reichte aus, um Hoffnung und Freude in ihr zu wecken.
Er hatte den Verstand verloren! Nur so konnte Logan sein Verhalten in der letzten Nacht entschuldigen. Was war ihm bloß eingefallen, Nicole in sein Bett zu tragen? Offenbar hatte er nicht nachgedacht. Aber sie war seine Ehefrau, und es war nicht falsch, seine Ehefrau zu lieben. Wie gern hätte er das geglaubt! Am liebsten wäre er nach Hause geeilt, um Nicole in die Arme zu nehmen und ihr zu versichern, dass sie beide für immer zusammenbleiben mussten. Doch das hatte er schon einmal zu einer Frau gesagt, und sie hatte ihn dafür ausgelacht und erklärt, sie könnte ihn nicht heiraten, weil sie schon verheiratet war. Sie hätte ihn nur im Bett benutzt, bis ihr Mann von einem langen Ausla ndsaufenthalt zurückkam. Der Schock darüber, dass Tracie verheiratet war, hatte ihn wie ein Schlag getroffen. Sie hatte ihn belegen und betrogen, wie es schlimmer nicht ging. Und er hatte einen Mann hintergangen, den er nicht einmal kannte. Sicher, er hatte es in gutem Glauben getan. Trotzdem fühlte er sich schuldig. Nach Tracies Geständnis hatte er jeden Kontakt zu ihr abgebrochen. Um danach nicht zu riskieren, noch einmal für dumm verkauft zu werden, hatte er sich bei Frauen auf keine ernsthaften Bindunge n mehr eingelassen. Rückblickend war ihm klar, dass es nicht nur an seinem Zorn auf Tracie und seinen Schuldgefühlen gegenüber ihrem Mann gelegen hatte. Diese ganze Sache hatte ihn zur Ansicht gebracht, dass er in die Fußstapfen seines Vaters trat. Er hatte sich seiner Lust hingegeben, ohne über die Folgen nachzudenken und ohne sich daran zu stören, wen er damit verletzte. Natürlich wusste er, dass Nicole ihn nicht belog. Sie konnte ihn nicht mit einem heimlichen Ehemann überraschen. Nicht einmal mit einem Liebhaber. Trotzdem durfte er nicht zulassen, dass sich die letzte Nacht wiederholte. Wenn er Nicole berührte, konnte er sich nicht zurückhalten. Wenn er sie liebte, gab er sich ihr ganz hin. Zum ersten Mal im Leben vermochte er es nicht, Lust und Liebe zu trennen. Nicht bei Nicole. Er biss die Zähne zusammen, startete den Wagen und verließ die Zuckerrohrfelder. Die Arbeiter waren schon heimgefahren. Er hatte noch so lange am Flussufer gesessen, dass er jetzt die Scheinwerfer einschalten musste. Er musste zurück zum Haus, mochte er nun bereit sein oder nicht. Die Vorstellung, dass Nicole ihn mit einem herzlichen Lächeln erwartete, schmerzte. Nicole saß auf der Veranda, als Logan den Wagen in der Einfahrt abstellte. Sally lief ihm bellend entgegen. Nicole folgte der Hündin etwas langsamer. Logan stieg aus. "Was machst du hier?" fragte er. Zuerst war sie überrascht, doch dann streckte sie lächelnd die Hand nach ihm aus. "Ich habe auf dich gewartet, was sonst? Mein Magen knurrt. Darcy hat rote Bohnen mit Reis ge macht." Er antwortete nicht, sondern ging zum Haus und zwang Nicole, seinen Arm loszulassen. Sie bekam Herzklopfen, während sie neben ihm herging und sein ausdrucksloses Gesicht betrachtete. "Was ist denn los?" Logan ertrug ihren Anblick kaum. Das weiche türkisfarbene Kleid schmiegte sich sanft um ihre Rundungen und ließ die Arme frei. Es war an einer Seite bis zum Schenkel geschlitzt und enthüllte bei jedem Schritt ihr Bein. Doch nicht nur ihre Schönheit schmerzte ihn, wenn er sie ansah, sondern auch ihr zärtliches Lächeln. Sie glaubte offenbar, dass sie jetzt richtig Mann und Frau waren. "Es ist nichts." Sie atmete erleichtert auf: "Dann ist es ja gut. Ich dachte schon, es wäre etwas passiert." Auf der Veranda wandte er sich ihr zu. Sie lächelte ihn erneut an und traf ihn damit mitten ins Herz. War er vielleicht noch verrückter, als er geglaubt hatte? Diese schöne junge Frau begehrte ihn. Sie war seine Ehefrau. Warum reichte das nicht? "Wir reden nach dem Essen", sagte er rau.
Besorgt hielt sie ihn am Arm fest. "Nein. Wenn etwas nicht stimmt, will ich es jetzt wissen.
Bist du krank? Hast du dich womöglich verletzt?"
"Nein, es ..." Seufzend legte er ihr die Hand auf die Schulter. "Es geht um dich und mich."
"Du meinst die letzte Nacht?"
Er nickte grimmig.
"Oh."
Er holte tief Atem und stieß ihn langsam wieder aus. "Das wird sich nicht wiederholen,
Nicole. Falls du das angenommen hast, vergiss es ganz schnell wieder."
8. KAPITEL Nicole blieb die Luft weg. Nicht einmal der Tod ihrer Mutter hatte dermaßen geschmerzt.
"Ich..." Sie versuchte zu lachen. "Ich war wohl leicht verwirrt, aber jetzt ist ja alles klar."
"Nicole, ich ..."
Bevor er noch ein Wort sagen konnte, drehte sie sich um und lief ins Haus. In ihrem Zimmer
angekommen, schloss sie mit zitternden Händen die Tür ab, trat an den Schminktisch und
betrachtete sich im Spiegel.
Der Schmerz ließ allmählich nach und wurde durch ein benommenes Gefühl ersetzt, das vom
Schock stammte. Die Beine zitterten jedoch so heftig, dass sie auf den Sitz sank.
Wenigstens hatte sie nicht geweint, das Haar war unverändert zu einem eleganten Knoten
geschlungen, und der rosa Lippenstift war nicht verwischt.
Sie hatte sich nie schön gefunden, aber auch nicht hässlich. Ihre Züge waren ebenmäßig, die
Haut glatt, die Zähne gerade und weiß. Ein Mann brauchte sich nicht zu schämen, wenn er mit
ihr gesehen wurde. Trotzdem musste sie sich erst damit abfinden, dass Männer sie nicht
lieben konnten. Zuerst ihr Vater, dann Bryce und jetzt Logan.
"Du bist albern", sagte sie zu ihrem Spiegelbild. "Du hast wirklich gedacht, Logan könnte
dich lieben? Er ist ein Mann. Er wollte nichts weiter als Sex. Und jetzt will er nicht einmal
mehr das."
Verstört drehte sie sich um und ließ den Blick durch das Schlafzimmer wandern. Zum Glück
befanden sich Kleid ung und alles andere noch an seinem Platz. Hätte sie bereits alles in
Logans Zimmer gebracht, wie sie eigentlich gewollt hatte, wäre die Demütigung noch viel
schlimmer ausgefallen.
Sie fuhr herum, als es an der Tür klopfte.
"Nicole, bist du da drinnen?"
Sie schluckte zweimal und war erleichtert, als ihre Stimme völlig normal klang. "Ja. Was
willst du?"
"Kommst du nicht zum Abendessen?"
"Nein. Ich ... Wahrscheinlich habe ich gestern Abend zu viel gegessen. Ich glaube nicht, dass
ich heute auch noch rote Bohnen vertrage."
Logan versuchte, die Tür zu öffnen, doch sie war verschlossen. Nicole hatte noch nie
abgeschlossen. Sie hatte einmal bemerkt, dass man auf Belle Rouge nicht abschließen musste.
"Weinst du?"
Die Frage machte sie zornig. Wieso glaubte er, ihr könnte so viel an ihm liegen? Wieso war er
dermaßen eingebildet zu denken, sie könnte seinetwegen weinen?
Sie ging zur Tür und riss sie so schnell auf, dass Logan überrascht zurückwich.
"Sehe ich aus, als würde ich weinen? Hältst du dich für dermaßen großartig?" Sie tippte ihm
mit dem Zeigefinger hart gegen die Brust. "Schlag dir das aus dem Kopf! Ich breche schon
nicht zusammen, nur weil du mit mir keinen Sex willst!"
Zornig packte er ihre Hand. "Tu jetzt nicht so, als hättest du nicht auf der Veranda auf mich
gewartet."
"Ich habe auf dich gewartet! Warum auch nicht?" fragte sie herausfordernd.
"Und sag jetzt nicht, du hättest nach dem Abendessen nicht mit mir ins Bett gehen wollen."
Sie atmete heftig und sah ihn wütend an. "Soll ich mich dafür schämen?" rief sie und sprach
weiter, ehe er antworten konnte. "Ich belüge dich nicht, Logan. Ich habe mich darauf gefreut,
mit dir zusammen zu sein. Im Bett und auch außerhalb. Aber jetzt... jetzt hast du alles
zerstört!"
"Nein, letzte Nacht habe ich alles zerstört", verbesserte er sie.
Nicole wollte sich auf ihn werfen, ihn schlagen und ihm den gleichen demütigenden Schmerz
zufügen, den er bei ihr ausgelöst hatte. Doch dafür war sie zu gut erzogen.
"Warum?" fragte sie herausfordernd.
"Warum?" wiederholte er ungläubig. "Das fragst du noch, Nicole? Wir lassen uns in weniger
als sechs Monaten scheiden!"
"Was hat das damit zu tun? Als du mit mir ins Bett gegangen bist, hast du nicht an Scheidung
gedacht!"
"Du auch nicht." Er zog die Hand zurück.
"Ich bin nicht so beherrscht und kaltblütig wie du. Warum sollte ich dir das vorspielen?"
Kaltblütig? Allein schon bei ihrem Anblick glühte er innerlich vor Verlangen.
"Also gut, Nicole, ich gebe zu, dass alles mein Fehler war. Ich habe versprochen, dich nicht
zu berühren, und daran habe ich mich nicht gehalten. Es tut mir Leid. Wir können nichts
weiter machen, als alles zu vergessen."
"Hat es dir so wenig bedeutet, dass du es einfach vergessen kannst?" fragte sie ungläubig.
Bis an sein Lebensende würde er nicht vergessen, wie es gewesen war, sie zu lieben. Er hatte
sich in ihrem Körper verloren. Bei ihr hatte er alles andere vergessen. Doch das durfte sie
nicht wissen. Diese Macht konnte er ihr nicht zugestehen. Das Leben seines Vaters war von
Frauen beherrscht worden. Logan folgte keinesfalls dem Vorbild seines Vaters.
"Du hast mir versichert, du würdest Lust nicht mit Liebe verwechseln", hielt er ihr vor.
Das schmerzte wie seine Worte auf der Veranda, doch sie zeigte es nicht. "Ich bin nicht
dumm, Logan. Ich weiß, dass du mich nicht liebst, nie geliebt hast und auch nie lieben wirst."
Betroffen strich er sich durch das dunkle Haar. "Aber ..."
"Hatten wir nicht einen Waffenstillstand geschlossen?" unterbrach sie ihn. "Ich war albern
genug zu glauben, wir könnten uns in der Zeit unserer Ehe nahe sein und die Bitterkeit, die du
offenbar nicht los wirst, durch Freude und Gemeinsamkeit ersetzen."
"Sex ohne Bindung", stellte er fest. "Dafür bist du nicht die richtige Frau, Nicole."
Sie war mit Logan ins Bett gegangen, weil sie ihn liebte, und sie hatte verzweifelt gehofft, er
würde diese Liebe erwidern.
"Vielleicht hast du mich zur richtigen Frau dafür gemacht", erwiderte sie kalt, kehrte ins
Schlafzimmer zurück und schlug ihm die Tür vor der Nase zu.
Stunden später wollte Nicole sich gerade ins Bett legen, als Logan wieder klopfte. Sie
verknotete den Gürtel des Morgenmantels und ging zur Tür.
"Ich will schlafen, Logan. Lass mich in Ruhe."
"Lass mich herein, Nicole."
Es klang nicht nach einer Bitte. Logan bat doch niemanden! Trotzdem öffnete sie. Er stand
mit einem Essenstablett vor ihr.
"Was willst du?"
Er trat ein. "Ich habe dir das Abendessen gebracht."
Sie sah zu, wie er das Tablett auf den Nachttisch stellte. Er hatte beteuert, keine Nähe zu ihr
zu suchen, und doch handelte er jetzt so, als würde ihm tatsächlich etwas an ihr liegen.
"Ich will nichts."
"Du hast immer Hunger und lässt nie eine Mahlzeit ausfallen."
Er setzte sich in einen Sessel, um zu zeigen, dass er nicht gleich wieder gehen wollte.
Nicole seufzte. "Du brauchst kein schlechtes Gewissen zu haben, weil ich nichts gegessen
habe. Das war schließlich meine freie Entscheidung."
"Du willst einfach nicht, dass ich etwas für dich mache, nicht wahr?" Wenn sie nichts aß, blieb er nur umso länger bei ihr. Also setzte sie sich auf die Be ttkante. Auf dem Tablett stand eine Schüssel mit roten Bohnen und Reis, eine kleinere mit Kohl, ein Teller mit zwei Scheiben Maisbrot und ein Stück Apfelkuchen. Das war eines ihrer Lieblingsessen, und sie hatte sich darauf gefreut, es mit Logan zu teilen. Trotz der schwierigen Beziehung hatten sie abends stets zusammen gegessen. Aber vielleicht hatten sie das gar nicht aus gegenseitiger Zuneigung heraus gemacht. Vielleicht wollten sie sich damit nur selbst bestrafen. Sie griff nach dem Besteck und begann zu essen. Nachdem sie die Teller fast vollständig geleert hatte, sagte Logan: "Ich möchte mit dir reden. Hör mir bitte zu. Und zwar genau!" Sie warf ihm einen Blick zu. "Du hast doch schon alles gesagt. Ich weiß genau, wie du zu mir stehst. Du brauchst nicht zu fürchten, ich könnte dich noch einmal verführen." Das wäre gar nicht nötig, dachte er. Schon ihr Anblick, der Klang ihrer Stimme und eine flüchtige Berührung verführten ihn. "Du nimmst das alles persönlich, Nicole, und das ist..." Sie legte das Besteck aus der Hand und wandte sich ihm erstaunt zu. "Persönlich? Lieber Himmel, Logan, kann denn etwas noch persönlicher sein? Sicher, ich bin jung, und ich war noch Jungfrau. Also, sag mir bitte, ob es noch etwas gibt, das ich nicht kenne. Können ein Mann und eine Frau miteinander noch etwas machen, das auch du persönlich nennst?" Sie wurde wieder zornig, und genau das wollte er vermeiden. Damit sie es sechs Monate miteinander aushielten, mussten sie einander verstehen. "Davon spreche ich nicht. Ich meinte ..." Er unterbrach sich, stand auf und setzte sich zu ihr auf das Bett. Als er nach ihrer Hand griff, zog sie sich zurück. "Fass mich nicht an, Logan! Nie wieder!" Er hatte die Ablehnung verdient. Trotzdem schmerzte es. Noch vor knapp vierundzwanzig Stunden hatte Nicole ihn angefleht, sie nicht mehr loszulassen, und bei der Erinnerung verkrampfte er sich innerlich. "Begreifst du nicht, Nicole, dass es gar nicht um dich geht? Du bist schön, intelligent und begehrenswert. Alles, was ein Mann sich wünschen kann." "Aber du wünschst es dir nicht." "Stimmt", gestand er. "Weil ich ... Ich bin vierunddreißig Jahre alt, Nicole. Ich war nie verheiratet, und ich wäre es auch jetzt nicht, hätte Dad das Testament anders abgefasst. Meine Entscheidung hat aber nichts mit dir zu tun. Ich habe dir bereits erklärt, dass ich weder dir noch einer anderen Frau nahe sein will." Letzte Nacht war er ihr mehr als nahe gewesen, doch für ihn war das offenbar nur körperlich gewesen. Er hatte nicht die gleiche gefühlsmäßige Bindung wie sie erlebt. Es war ihm nicht zu Herzen gegangen, wenn sie ihn berührte. "Mit anderen Worten", erwiderte sie traurig, "du willst nicht lieben und nicht geliebt werden." Er wandte sich ab. "Das stimmt. Und ich will dich nicht körperlich, wenn ... Du verdienst mehr. Aber das kann ich dir nicht geben. Stell dir bloß vor, Nicole, du wärst jetzt schwanger!" Es brach ihr das Herz. "Keine Angst, ich bin bestimmt nicht schwanger." Seine Erleichterung steigerte ihren Schmerz. "Gut. Ich hätte es mir nie verziehen, hätte ich dir das angetan. Ein Sohn würde zwar die Tradition von Belle Rouge und den Namen McNally fortführen, aber ich würde dich nie dafür missbrauchen. Hoffentlich weißt du das. Du sollst mir nicht nur einfach einen Erben schenken. Ein Kind sollte nur aus Liebe entstehen, und ich kann nicht..." "Du willst auch kein Kind lieben", fiel sie ihm ins Wort. "Du willst niemanden lieben. Warum nicht?" Er starrte gegen die Wand. "Weil es nicht von Dauer ist." "Das stimmt nicht", widersprach sie sanft. "Ich kenne Menschen, die einander seit langer Zeit lieben."
"Dann gilt das eben nur für mich."
"Woher weißt du das?"
Er sah sie so schmerzlich an, dass es sie tief traf.
"Nicki, meine eigene Mutter konnte nie lange genug nüchtern bleiben, um sich um mich zu
kümmern, geschweige denn, um mich zu lieben."
"Lyle hat dich geliebt."
"Vielleicht auf seine Art. Nach Moms Tod widmete er sich ganz dir und Simone. Deshalb
wollte ich ihr auch das Geld geben, damit sie fortgeht. Für mich war das, als hätte ich meine
ganze Familie verloren. Als das nicht klappte und mein Vater deine Mutter heiratete und euch
beide ins Haus holte, hatte er sich entschieden. Ich war ihm völlig gleichgültig. Um meine
Gefühle hat er sich nicht gekümmert." Logan schüttelte den Kopf. "Ich weiß jetzt, dass ich
mich in deiner Mutter getäuscht habe. Sie war nicht auf Geld aus. Damals war ich so verletzt,
dass mir das nicht klar wurde."
"Du hättest nicht weggehen sollen", sagte Nicole leise.
"Stimmt. Aber ich redete mir ein, dass ich nichts mit euch zu tun haben wollte. Ich war
einsam, Nicki, sehr einsam. Dann traf ich eine Frau, in die ich mich verliebte. Mit ihr wollte
ich eine Familie gründen, damit Belle Rouge keine Rolle mehr in meinem Leben spielt."
Nicole wollte nicht hören, dass er eine andere Frau geliebt hatte. Doch sie musste alles
erfahren, um Logan zu verstehen.
"Was ist geschehen? Starb sie?"
Er schüttelte den Kopf über die unschuldige Frage. Natürlich dachte Nicole so. Wahre Liebe
endete ihrer Meinung nach nur mit dem Tod.
"Nein, Nicole, es war bei weitem nicht so tragisch. Wir lebten eine Zeit lang zusammen, bis
ich sie bat, mich zu heiraten. Daraufhin brach sie in schallendes Gelächter aus. Für sie war
alles nur Vergnügen gewesen. Sie war verheiratet. Ihr Mann arbeitete im Ausland und sollte
in einigen Monaten heimkommen."
"Das hast du nicht gewusst?"
"Natürlich nicht. Ich hätte sie am liebsten umgebracht, und ich hasste mich selbst, weil ich
einen anderen Mann betrogen hatte."
"Du hast doch gar nicht gewusst, dass es ihn gibt. Also war es nicht deine Schuld."
"Doch", wehrte er ab. "Ich hätte einfach vorsichtiger sein müssen. Nach Tracie kam ich zu
dem Schluss, dass Liebe nichts für mich ist. Zu riskant und zu schmerzhaft."
Sie betrachtete ihn eingehend. "Wie kannst du mich mit ihr vergleichen, Logan?"
"Das tue ich nicht. Ich weiß, dass du absolut nicht wie sie bist. Wie ich schon sagte, du bist
nicht das Problem. Das sitzt hier drinnen." Er zeigte auf seine Brust. "In mir. Ich werde nie
wieder für einen Menschen so viel empfinden."
"Das ist feige", warf sie ihm vor.
Er stand auf und ging zur Tür. "Nein, nur vorsichtig, Nicki. Iss den Kuchen und versuche
wenigstens, mich nicht zu hassen."
Nicole legte das Taschentuch auf den Tisch und blickte von der hinteren Veranda des Hauses
in den Nussbaum-Hain. Der ange nehme Schatten unter den Bäumen lud zu einem
Spaziergang ein, doch sie fand nicht die Energie, von der Chaiselongue aufzustehen.
Seit zwei Wochen war sie schon so lustlos, und das hatte nichts mit der schwülen Hitze zu
tun. Es gab gar keine körperliche Ursache. Sie war gefühlsmäßig und geistig ausgelaugt, weil
sie so viel nachgedacht und sich danach gesehnt hatte, es würde mit Logan anders laufen.
Sie musste diesen Mann vergessen, mochte er auch ihr Ehemann sein. In seinen Augen
bestand diese Ehe nur auf dem Papier. Der Ring an ihrem Finger bedeutete so wenig wie das
Ehegelöbnis. Die gemeinsame Nacht war nichts weiter als Sex gewesen.
Sie setzte sich auf und verbarg das Gesicht in den Händen. Es war schon am Vormittag heiß,
aber sie wollte nicht ins Haus gehen. Drinnen bekam sie Platzangst. Wie sollte sie es hier
noch fünf Monate aushalten?
"Hier bist du. Darcy sagte, du wärst auf der Veranda."
Beim Klang von Amelias Stimme hob Nicole überrascht den Kopf. "Amelia! Was machst du
hier?"
Ihre Freundin lächelte. "Eine so reizende Begrüßung habe ich nicht von dir erwartet."
Nicole stand auf und umarmte sie. "Natürlich freue ich mich, dich zu sehen. Ich bin nur
überrascht, sonst nichts." Sie winkte Amelia zu einem Korbsessel.
"Ich war in Alexandria", erklärte ihre Freundin. "Gestern Abend habe ich ein
Gesundheitsseminar besucht. Heute Morgen habe ich eingekauft."
Nicole bemühte sich um ein Lächeln. "Freut mich, dass du auf dem Rückweg nach Belle
Rouge gekommen bist."
Amelia machte es sich im Sessel bequem und betrachtete Nicole genauer. "Du siehst
schrecklich aus."
"Danke. Das habe ich gerade noch gebraucht, vor allem aus deinem Mund."
"Ich treffe nur eine Feststellung. Du bist blass und hast Ringe unter den Augen. Und ich
schätze, dass du mindestens zehn Pfund abgeno mmen hast."
Nicole wich dem forschenden Blick ihrer Freundin aus. "Keine zehn Pfund. Außerdem war es
in der letzten Zeit sehr heiß."
"In Louisiana ist es neun Monate im Jahr heiß", wehrte Amelia ab. "Dir hat die Hitze nie
etwas ausgemacht. Komm schon, was ist denn los?"
Seufzend wandte Nicole sich wieder ihrer Freundin zu. "Amelia, du solltest dem Himmel auf
Knien danken, dass du nicht verheiratet bist."
Amelia lächelte. "Das habe ich täglich getan, als Carl endlich in die Scheidung einwilligte."
"Dann solltest du es wieder machen, weil du wahrscheinlich nicht ahnst, wie viel Glück du
hast."
Amelia beugte sich zu ihr. "Was ist los? Will Logan die Abmachung brechen?"
Wäre es doch bloß das, dachte Nicole verzweifelt. "Nein, wir haben sogar schon den Vertrag
unterschrieben. Juristisch ist alles in Ordnung. Wir brauchen nur noch abzuwarten, bis es
vorüber ist."
Amelia zog die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. "Sag jetzt bloß, du hast dich in
diesen Mann verliebt!"
Seufzend schloss Nicole die Augen. Wozu sollte sie ihre Freundin belügen? Amelia war
weder dumm noch blind.
"Ich weiß, dass es verrückt ist", gestand Nicole. "Ich bin dumm. Aber ich kann nichts dagegen
machen, Amelia. Es ist nach der Hochzeit passiert. Ich kann es gar nicht richtig erklären, aber
wir haben uns beide schrittweise verändert. Plötzlich wurde mir klar, dass ich nie den wahren
Logan kennen gelernt habe."
Sie betrachtete die ineinander verkrampften Hände. Weshalb trug sie eigentlich noch den
Ehering? Er war schließlich kein Zeichen einer liebevollen Bindung, sondern nur Symbol für
ein Tauschgeschäft - ihr Anteil an Belle Rouge gegen Geld. Es widerte sie an.
"Jetzt sehe ich Logan ganz anders", fügte Nicole traurig hinzu.
"Er hat die Finger nicht von dir gelassen", stellte Amelia fest.
"Das ist es nicht", behauptete Nicole.
"Schatz, ich habe dich gewarnt. Es ist mir nicht entgangen, wie er dich bei der Trauung
geküsst hat. Er ist ein ganzer Mann, und du bist eine schöne Frau. Jetzt will er dich in seinem
Bett haben, bis er dich hinauswirft."
"Nein. Wir lieben uns nicht. Logan hält das nicht für richtig."
"Was soll denn das heißen?" fragte Amelia verblüfft.
"Ach, Amelia, ich weiß nicht, was ich machen soll! Ich liebe ihn. Aber er ... er will
niemanden lieben."
"Warum nicht?"
"Wahrscheinlich weiß er gar nicht, was Liebe ist. Erinnerst du dich noch daran, dass seine
Mutter Alkoholikerin war? Ich habe dir von Clara erzählt."
Amelia nickte.
"Offenbar hat sie sich nie um ihn gekümmert und ihm auch keine Liebe gezeigt. Lyle war so
mit Simone beschäftigt, dass auch er nicht sonderlich auf Logan geachtet hat. Dann hinterging
ihn eine Frau in Shreveport, und danach ... Er kam wohl zu dem Schluss, dass niemandem
etwas an ihm liegt. Und darum will er für niemanden etwas empfinden."
"Wenn das seine Einstellung ist, Schatz, solltest du endlich aufwachen und die Dinge sehen,
wie sie sind. Er meint es eben nicht ernst."
"Das weiß ich", bestätigte Nicole niedergeschlagen.
"Gut. Dann nimm es nicht persönlich. Millionen Männer auf der Welt sind wie er. Sie wollen
und brauchen nur sich selbst, sonst niemanden."
Nicole stand auf und trat an das Fliegengitter, mit dem die Veranda geschützt war. Wenige
Meter von ihr entfernt drängten sich zwei Vögel an der Vogeltränke. "Du hast Recht, Amelia,
aber dadurch wird es für mich nicht leichter."
"Du kannst niemanden zwingen, dich zu lieben, Nicole", gab ihre Freundin zu bedenken. "Ein
Mann liebt dich, oder er liebt dich nicht."
Und Logan liebt mich nicht, dachte Nicole. "Du hast auch in diesem Punkt Recht." Sie drehte
sich verzweifelt um. "Was mache ich bloß, Amelia? Ich muss hier bleiben, bis unsere
Abmachung gültig wird. Das sind noch fünf Monate. Ich kann aber nicht in diesem Haus
leben und mich die ganze Zeit grämen. Wenn Logan abends heimkommt, ist es die reinste
Qual!"
"Warum suchst du dir keine Arbeit?" schlug Amelia vor. "Das willst du doch schon seit dem
College. Was hält dich zurück?"
"Ich werde in wenigen Monaten umziehen und weiß noch nicht wohin. Kein Arbeitgeber stellt
jemanden ein, der keinen festen Wohnsitz hat."
Amelia überlegte und lächelte plötzlich. "Wie wäre es mit Natchitoches? Ich wünsche mir seit
langer Zeit, dass du in meiner Nähe lebst. Die Stadt bietet viel. Und du findest dort bestimmt
jemanden, der eine Buchhalterin braucht."
Nicole setzte sich wieder auf die Liege. "In Natchitoches wollte ich schon früher arbeiten.
Jetzt halte ich es aber für besser, weiter wegzugehen. Du kannst dir den Grund denken."
"Warum? Es ist doch schlimm genug, wenn dieser Mann dich aus deinem eigenen Zuhause
vertreibt. Wieso willst du dir von ihm auch noch vorschreiben lassen, wo du lebst?"
Nicole überlegte und kam zu dem Schluss, dass ihre Freundin Recht hatte. "Ich könnte mich
an Thorndyke wenden. Er und seine Partner kümmern sich schon seit Jahren um die
Angelegenheiten von Be lle Rouge. Und er hat mir mehrmals seine Hilfe angeboten. Vielleicht
kann er mir Arbeit besorgen."
"Das klingt schon mehr nach der Nicole, die ich kenne", meinte Amelia aufmunternd. "Fahr
doch heute Nachmittag zu ihm. Du musst dich ablenken und aus dem Haus kommen."
Nicole sah ein, dass Arbeit für sie genau richtig war. Früher war es ihr einziges Ziel gewesen,
Buchhalterin zu werden, eine Stelle zu finden und unabhängig zu sein. Jetzt wäre sie durch
Logans Liebe glücklich geworden - und durch seine Kinder. Am liebsten hätte sie ihm ein
Zuhause und eine Familie geschenkt. Doch das waren unerfüllbare Wünsche.
Vielleicht fand sie eines Tages Liebe und hatte auch eine Familie, doch nicht mit Logan.
Damit musste sie sich abfinden.
Sie stand auf. "Komm, gehen wir ins Haus", sagte sie zu Amelia. "Darcy hat bestimmt Eistee
gemacht. Wir trinken ein Glas, und ich rufe bei Thorndyke an und erkundige mich, ob er
heute Nachmittag Zeit für mich hat."
"Ich folge deinen Spuren, Schatz."
"Ich freue mich sehr über Ihren Besuch, Mrs. McNally. Wenn ich kann, helfe ich gern meinen
Klienten."
Nicole stand Thorndyke am Schreibtisch gegenüber und zog den Rock tiefer. Logans Worte fielen ihr ein. Vermutlich hat er überlegt, was du darunter trägst und wie lange es dauert, bis er ans Ziel kommt... Am liebsten hätte sie ihn für diese Bemerkung umgebracht. Stattdessen war sie in seinen Armen gelandet. Doch jetzt wollte Logan ihr nie wieder so nahe kommen. "Vielen Dank, dass Sie sich für mich Zeit nehmen, Mr. Thorndyke." "Hoffentlich gibt es kein juristisches Problem mit der Vereinbarung, die Sie und Mr. McNally vor einigen Wochen unterschrieben haben", meinte er lächelnd. "Mr. Denton hat Ihnen erklärt, dass der Vertrag für Sie beide bindend ist." Allein schon bei dem Gedanken an die Vereinbarung fröstelte sie. "Mein Besuch bei Ihnen hat nichts mit dem Vertrag zwischen meinem Mann und mir zu tun. Ich möchte als Buchhalterin arbeiten und hoffe, dass Sie mir einen Tipp geben könnten, wo ich mich bewerben soll." Der Anwalt war so überrascht, dass es Nicole schon peinlich war. "Tut mir Leid", fuhr sie fort. "Mir ist natürlich klar, dass Sie nichts mit Stellenvermittlung zu tun haben. Aber Sie haben mir mehrmals angeboten, mich an Sie zu wenden, falls ich Hilfe brauche. Und Sie haben zu vielen Geschäftsleuten in der Stadt Kontakt." Er winkte ab. "Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Mrs. McNally. Ihr Stiefvater war nicht nur mein Klient, sondern auch mein Freund. Ich helfe seinen Angehörigen gern auf jede erdenkliche Art und Weise. Ich war nur sehr überrascht, dass Sie arbeiten wollen. Kümmert Logan sich nicht um Ihre finanziellen Bedürfnisse?" Das waren die einzigen Bedürfnisse, um die er sich kümmerte. "Natürlich tut er das. Ich möchte einfach arbeiten." "Nun, lassen Sie mich überlegen. Sie führen seit geraumer Zeit die Bücher von Belle Rouge, nicht wahr?" Nicole nickte. "Eine unserer Buchhalterinnen wird demnächst gehen", fuhr er fort. "Sie erwartet ein Kind, und wir müssen sie ersetzen." Er betrachtete Nicole durch seine Brille vom Scheitel bis zur Sohle. Am liebsten hätte sie ihm erklärt, dass ihr Körper nichts mit ihrer Arbeitskraft zu tun hatte, doch sie schwieg, weil sie die Stelle wollte. Und sie war ohnedies längst zu dem Schluss gekommen, dass alle Männer wie Schlangen waren. Man vermied es am ehesten, von ihnen gebissen zu werden, wenn sie sich nicht bedroht fühlten. "Nun, jede Firma hat eigene Arbeitsmethoden, aber Sie werden sich bestimmt bald einarbeiten. Könnten Sie nächste Woche anfangen?" "Sie wollen mich einfach so einstellen?" fragte sie verblüfft. Thorndyke stand lächelnd hinter dem Schreibtisch auf. "Kommen Sie, Mrs. McNally. Ich mache Sie mit unseren Mitarbeitern bekannt." 9. KAPITEL Durch ein Fenster des Arbeitszimmers sah Logan zu, wie Nicole den Wagen in der Einfahrt abstellte und die Stufen zum Haus heraufkam. Ein kaffeebraunes Kleid schmiegte sich um ihre Gestalt, und durch die hohen Absätze wirkten die schlanken Beine noch länger. Offenbar war sie nicht nur zum Einkaufen weggefahren. Bei seiner Rückkehr aus den Feldern vor einer Stunde war sie nicht hier gewesen. Er hatte Darcy gefragt, wohin seine Frau gefahren war, doch die Haushälterin war ihm ausgewichen. Sie mochte ihn noch immer nicht und vertraute ihm auch nicht. Gelegentlich kam er in Versuchung, sie zu entlassen, tat es dann aber doch nicht. Sie gehörte zu Belle Rouge. Unerklärlicherweise wollte er den Respekt der Haushälterin gewinnen.
Er wartete fünf Minuten darauf, dass Nicole zu ihm ins Arbeitszimmer kam. Doch die Zeiten
waren vorüber. Sie suchte seine Nähe nur noch, wenn es unvermeidlich war. Und er störte
ihre Privatsphäre nicht, auch wenn er Nicole schrecklich vermisste.
Heute hatte er noch mehr als sonst an sie gedacht und so gut wie keine Arbeit geschafft.
Schließlich hatte er Leo gesagt, dass er aufhörte. Das Haus hatte er leer vorgefunden, und es
machte ihm Angst, wie sehr sie ihm fehlte.
"Wie lang dauert es noch bis zum Abendessen, Darcy?" Nicole sah der Haushälterin über die
Schulter. "Ich habe Hunger."
"Ungefähr zwanzig Minuten." Darcy briet Okra in der Pfanne. "Ich beeile mich, damit dir der
Appetit nicht wieder vergeht, bevor ich das Essen auf den Tisch stelle. In letzter Zeit isst du
wie ein Vögelchen."
Nicole rang sich ein Lächeln ab. "Von jetzt an werde ich wieder mehr essen."
Die Haushälterin betrachtete sie zweifelnd. "Und wieso, wenn ich fragen darf? Ich habe dich
vergeblich zum Essen gedrängt, und jetzt hast du auf einmal Hunger?"
Nicole ging zum Kühlschrank und schenkte sich ein Glas Wasser ein. Nachdem sie getrunken
hatte, erklärte sie: "Ich habe eine Neuigkeit."
Die Haushälterin stemmte die Hände in die Hüften und wandte sich vom Herd ab.
"Hoffentlich eine erfreuliche. Hat Mr. Logan beschlossen, auf die Plantage zu verzichten und
nach Shreveport zurückzufahren?"
"Ich weiß, dass Sie sich das wünschen, Darcy, aber dazu wird es bestimmt nicht kommen."
Beim Klang von Logans Stimme drehten sich beide Frauen um.
Die Haushälterin war nicht im Geringsten verlegen, weil er sie ertappt hatte. Nicole blieb
nicht so ruhig, zumindest nicht innerlich. Das konnte sie nicht, wenn Logan den Blick
langsam über sie wandern ließ.
"Was ist das denn für eine Neuigkeit, Nicole?"
Schlagartig wurde sie nervös. Obwohl Logan vor dem Gesetz ihr Ehemann war, hatte er doch
nichts mit ihrem Leben und ihren Entscheidungen zu tun. Dieses Recht hatte er aufgegeben,
als er ihr erklärte, dass er sich nicht an sie band.
"Ich fange nächste Woche an, als Buchhalterin zu arbeiten."
Darcy stieß einen Freudenschrei aus und klatschte in die Hände. Logan reagierte völlig
anders. Er sah Nicole an, als hätte er nicht begriffen, was sie soeben gesagt hatte.
"Wo?" fragte er und ging auf sie zu. "Wer hat dich eingestellt?"
"Thorndyke."
Wortlos führte er sie am Arm aus der Küche.
Nicole wartete, bis Darcy nichts mehr hören konnte, ehe sie sich losriss. "Was fällt dir ein?"
fauchte sie Logan an.
"Das sollte ich dich fragen", entgegnete er und griff erneut nach ihrem Arm. "Gehen wir ins
Arbeitszimmer", sagte er mit zusammengebissenen Zähnen. "Ich will nicht, dass Darcy etwas
hört."
"Ich will auch nichts hören", entgegnete Nicole spröde, während sie das kühle Arbeitszimmer
betraten.
Sobald er sie losließ, wich sie von ihm zurück. Es schmerzte ihn, doch das hatte er selbst
gewollt. Nicole sollte ihm nicht nahe sein.
"Du willst vielleicht nichts hören", sagte er, "aber du wirst mir trotzdem zuhören. Was fällt dir
ein, dich von Thorndyke einstellen zu lassen?"
"Was glaubst du wohl? Ich führe mein eigenes Leben."
Er presste die Lippen fest aufeinander und ließ den Blick über sie gleiten. Das rötlich blonde
Haar verdeckte ein Auge, während sie den Rest zu einem Knoten geschlungen hatte. Das
Kleid wurde in der Taille von einem Gürtel zusammengehalten, der ihre Rundungen betonte.
Im V-Ausschnitt hing ein kleines Kreuz aus Perlen. Perlen schimmerten auch an ihren Ohren.
Logan war von ihrer Schönheit stets beeindruckt gewesen. Heute Abend fand er sie jedoch
besonders schön. Und es ärgerte ihn fürchterlich, dass sie sich für den Anwalt und nicht für
ihn zurechtgemacht hatte.
"Willst du nicht antworten?" fragte sie. "Du hast mich schließlich ins Arbeitszimmer geführt,
um mir etwas zu sagen."
Das stimmte, aber im Moment dachte er nur daran, sie in die Arme zu nehmen. "Ich ... du
willst dich an mir rächen."
"An dir rächen?" fragte sie erstaunt. "Hast du den Verstand verloren?"
Vielleicht .stimmte das sogar. Alles hatte sich verändert, seit er Nicole geliebt hatte. Was ihm
einst wichtig gewesen war, interessierte ihn nicht mehr. Jahrelang hatte er genau gewusst, wie
er sich das Leben vorstellte. Sein Ziel hatte darin bestanden, sein geliebtes Zuhause
zurückzubekommen. Das hatte er erreicht. Belle Rouge würde bald ihm allein gehörte. Doch
um welchen Preis? Er verlor Nicole. War ihm die Plantage das wert?
Verdammt, er hatte Nicole nie wirklich besessen!
"Sieh mal", meinte er seufzend, "wir haben in den letzten zwei oder drei Wochen kaum
miteinander gesprochen. Nach dieser Nacht... Also, ich verstehe, dass du es mir verübelst,
dass ich dir die Jungfräulichkeit genommen habe."
Sie schüttelte ungläubig den Kopf. "Du hast keine Ahnung von mir, Logan. Ich nehme dir das
doch nicht übel. Das war mein Geschenk für dich. Mich hat beleidigt, dass es dir so wenig
bedeutet. Doch das gehört der Vergangenheit an. Dass ich von jetzt an arbeiten werde, hat
nichts mit dir zu tun."
Er war nicht überzeugt. "Auf der Fahrt nach Lafayette hast du noch behauptet, dass du mit der
Arbeit wartest, bis du dich entschieden hast, wo du wohnen wirst."
Sie musste sich abwenden, um nicht die Fassung zu verlieren. "Ja, das habe ich gesagt, aber
jetzt ist es eben anders."
Logan sollte es gleichgültig sein, dass sie sich Arbeit gesucht hatte. Im Gegenteil. Auf diese
Weise löste sie sich weiter von ihm.
Trotzdem gefiel es ihm nicht. Er hasste sogar die Vorstellung.
"Du willst nicht länger als unbedingt in meiner Nähe sein."
"Ich muss mit meinem Leben weitermachen, Logan. Meine Arbeit hat nichts mit dir zu tun.
Wieso auch? Du hast selbst gesagt, dass wir uns in wenigen Monaten scheiden lassen."
"Und du willst das?"
"Natürlich", erwiderte sie erstaunt. "Du willst es doch auch. Darauf haben wir uns geeinigt.
Du willst keine richtige Ehefrau, oder hast du das schon vergessen?"
Plötzlich wurde ihm alles zu viel. In den letzten drei Wochen hatte er sich nach ihr gesehnt,
und sie hatte ihm gefehlt. Und er hasste sich selbst dafür, dass er zu feige war, um sie zu
lieben.
Bevor er sich zurückhalten konnte, zog er sie in die Arme. "Was weißt du schon", flüsterte er
und bedeckte ihr Gesicht mit Küssen. "Du hast keine Ahnung, was ich empfinde und wie es
ist, dich zu sehen und zu berühren und dich nicht lieben zu können! Und wenn ich mir
vorstelle, dass Thorndyke und dieser lüsterne Denton ihre Hände auf dich ..."
Sie schob ihn von sich. "Kein Mann wird mich berühren, auch du nicht!" sagte sie heftig.
"Lüge nicht", wehrte er ab. "Du begehrst mich so sehr wie ich dich,"
Nicole wollte ihn schlagen und kratzen, bloß damit er sie losließ, doch seine Worte hielten sie
zurück. Er begehrte sie wie sie ihn. Er litt genau wie sie, und sie sehnte sich nach ihm.
"Logan, ich kann dir nichts vormachen", flüsterte sie stöhnend. "Du weißt, dass ich dich
begehre."
Schlagartig entspannte sich seine Miene, und er streichelte ihr Gesicht, während er sie
hingebungsvoll betrachtete. "Du bist so kostbar", sagte er leise.
Sie schloss die Augen und kam ihm entgegen, als er ihren Mund eroberte und sie küsste, als
hinge sein Leben davon ab. Es raubte ihr den Atem, und sie musste sich an ihm festhalten, um
nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
Logan hob sie hoch und trug sie zur Ledercouch. Nicole erinnerte sich daran, was geschehen
war, als er sie das letzte Mal trug. Sie hatte Liebe erlebt. Er hatte Sex gehabt. Doch trotz
dieser Gegensätze konnte sie ihm nicht widerstehen.
Auf der Couch schlang sie die Arme um seinen Nacken und zog ihn auf sich. Seine Hände
glitten an ihre Brüste, die er durch den Stoff hindurch streichelte. Sie stöhnte an seinen
Lippen, drückte sich an ihn und fühlte unter der Jeans seine Erregung.
Doch als sie sich ihm entgegenbog, damit er sie liebte, hob er den Kopf. "Darcy wird uns
gleich zum Abendessen rufen."
Darcy! Die Haushälterin war in der Küche ganz in ihrer Nähe. Nicole hatte nicht mehr an sie
gedacht. Und sie hatte auch die Demütigung vergessen, die Logan ihr vor drei Wochen
zugefügt hatte.
"Du hast Recht", erwiderte sie enttäuscht. "Ich habe das Abendessen und viel mehr
vergessen."
Er löste sich widerstrebend von ihr. Sie setzte sich auf und strich über das Haar.
"Was meinst du damit?" fragte er.
"Ich meine, dass dir das alles nichts bedeutet."
Frustriert streckte er die Hand nach ihr aus. "Nicole, versuche nicht..."
Rasch wich sie vor ihm zurück und stand auf. "Bitte, Logan, sag nichts. Es tut zu weh."
Er kam zu ihr und legte ihr von hinten die Hände auf die Schultern. "Ich möchte nicht, dass du
für Thorndyke arbeitest. Ich bitte dich nur, die Stelle nicht anzutreten."
"Nicht anzutreten?" Betroffen drehte sie sich um. "Wie kannst du so etwas von mir verlangen,
Logan?"
Er hielt sie fester. "Weil ich ... ich kenne Thorndyke. Er hatte immer Geliebte. Und Denton
wünscht sich nichts mehr, als mit dir ins Bett zu gehen. Ich will gar nicht wissen, wie die
anderen dort sind."
"Soll das heißen, dass du eifersüchtig bist?"
"Verdammt, ja! Was hast du denn gedacht?"
Verächtlich ging sie zur Tür. "Das reicht aber nicht, Logan."
"Was soll das heißen?" fragte er.
Sie blieb noch einmal stehen und sah ihn an. "Es heißt, dass deine Eifersucht nicht ausreicht,
um mich ans Haus zu binden."
Wütend hielt er sie am Arm fest. "Du versuchst bewusst, mich zu verletzen. Und ich sage dir,
Nicole, wenn du das machst, werde ich..."
"Was wirst du?" forderte sie ihn heraus. "Dich von mir scheiden lassen? Das machst du doch
ohnedies. Mir meinen Anteil an Belle Rouge wegnehmen? Das hast du bereits getan. Wie
willst du mich denn noch verletzen?"
"Du bist meine Frau", erklärte er. "Du solltest die Wünsche deines Mannes respektieren."
Sie bemühte sich um ein spöttisches Lächeln, doch es fiel traurig aus. "Ich würde deine
Wünsche gern respektieren, wärst du tatsächlich mein Mann."
Als sie sich diesmal von ihm losriss und den Raum verließ, folgte Logan ihr nicht. Hätte er es
getan, hätte es ihn zerstört.
"Vielleicht liebt er dich wirklich, Nicole, und ich habe alles falsch gesehen."
Nicole wandte sich vom Kleiderständer zu Amelia um. Den ganzen Nachmittag hatten sie für
Nicoles neue Arbeit eingekauft, die in drei Tagen begann. Anfangs hatte Amelia das Thema
Logan vermieden, doch jetzt hielt sie sich trotz Nicoles Einwänden nicht mehr zurück.
"Wie kannst du das sagen?"
Amelia prüfte den Stoff eines Seidenkleides. "Das hier ist hübsch, Nicole, und das Moosgrün
passt wunderbar zu deinem Haar."
Nicole sah sich in der kleinen Boutique um. Außer ihnen hielten sich nur zwei Kundinnen
hier drinnen auf, und die beiden konnten nichts hören. "Amelia, du machst mich wahnsinnig.
Ich habe dir gesagt, dass ich nicht über Logan sprechen will, und du tust es trotzdem. Dann
lässt du eine solche Bemerkung fallen und willst das Thema wechseln! Wieso hast du das
gesagt? Ich dachte, du magst ihn nicht, und er wäre in deinen Augen ein Schuft."
Amelia zuckte erneut die Schultern. "So habe ich tatsächlich über ihn gedacht, aber
wahrscheinlich weiß ich gar nichts über ihn. Ich meine, ich war sehr kurz mit ihm zusammen.
Ich habe mir meine Meinung nur auf Grund deiner Erzählungen gebildet."
"Glaubst du vielleicht, ich hätte dich belogen?" fragte Nicole fassungslos.
"Natürlich nicht, aber vielleicht kennst du ihn auch nicht. Ich meine damit sein tiefstes
Inneres."
Nicole wandte sich wieder den Kleidern zu und schob einen Bügel quietschend über die
Stange. "Du irrst dich, Amelia. Ich kenne Logan."
"Schatz, ich habe dir vorgeschlagen, eine Arbeitsstelle anzunehmen", sagte ihre Freundin
leise. "Aber allmählich glaube ich, dass Logan ernsthaft etwas an dir liegt. Wenn er dich
bittet, daheim zu bleiben, wieso stellst du dich dann gegen seine Wünsche und bringst ihn
gegen dich auf? Es dreht sich doch nur um wenige Monate."
Nicole traute ihren Ohren nicht. So hatte ihre Freundin noch nie gesprochen. Trotz der
Scheidung mochte Amelia Männer und ging gelegentlich mit einem aus. Sie hatte sogar
erwähnt, dass sie eines Tages gern wieder heiraten würde, falls sie den richtigen Mann kennen
lernte. Doch Amelia beugte sich auf keinen Fall den Wünschen eines Mannes. Sie war
überzeugt, dass eine Frau ihren Stolz und ihre Unabhängigkeit wahren musste.
"Er versucht, über mein Leben zu bestimmen, Amelia. Das kann ich nicht zulassen. Dazu hat
er kein Recht."
"Das verstehe ich ja", bestätigte ihre Freundin. "Aber er ist dein Ehemann, und wenn er dich
bittet, nicht bei Thorndyke zu arbeiten, will er dir damit meiner Meinung nach etwas anderes
sagen."
"Und was?" fragte Nicole spöttisch.
"Dass er dich liebt und bei sich daheim haben will."
"Nein!" wehrte Nicole heftig ab und fügte niedergeschlagen hinzu: "Logan wird mich nie
lieben. Und jetzt lass uns gehen. Für heute habe ich genug vom Einkaufen."
"Wollen Sie nicht mit dem Abendessen auf Nicole warten? Sie kommt in einer halben Stunde
von der Arbeit nach Hause."
Logan saß am kleinen Küchentisch und warf der Haushälterin einen finsteren Blick zu. "Nein,
ich habe etwas Besseres zu tun, als auf sie zu warten."
Darcy warf Kartoffelschalen in den Mülleimer. "Was denn?"
"Fragen Sie nicht. Ich kann gar nicht alles aufzählen."
"Ach ja! Wahrscheinlich wollen Sie nur allein essen und überhaupt allein bleiben, nicht
wahr?"
Er lehnte sich zurück. "Sie riskieren heute Abend eine große Lippe. Wollen Sie, dass ich Sie
hinauswerfe?"
"Das würde mich auch nicht stören", entgegnete die Haushälterin und tauchte die Hände ins
Spülwasser. "Dieses alte Haus kennt ohnedies kein Glück mehr."
Er griff nach dem Besteck und widmete sich dem Schweinekotelett auf dem Teller. "Es ist
nicht meine Schuld, dass Simone starb."
"Ist das Ihrer Meinung nach der Grund, wieso auf Belle Rouge eine Stimmung wie auf dem
Friedhof herrscht?"
Er warf ihr noch einen gereizten Blick zu. "Ich wäre nicht hier, würde Simone noch leben.
Und das würde Ihnen bestimmt gefallen."
Darcy drehte sich an der Spüle um. "Als Sie zurückkamen, Mr. Logan, war ich bereit, Ihnen
noch eine Chance zu geben. Ich weiß, dass es hier für Sie nicht leicht war. Sie hatten das
Gefühl, aus Ihrem eigenen Zuhause verdrängt zu werden. Das hat mir gar nicht gefallen,
ehrlich nicht. Und seit Sie wieder da sind, arbeiten Sie sehr hart. Auch das gestehe ich Ihnen
gern zu."
Er betrachtete sie freundlicher. "Und was habe ich in Ihren Augen falsch gemacht, Darcy?"
Sie kam an den Tisch und setzte sich auf Nicoles Stuhl. "Es liegt daran, wie Sie Nicole
behandeln. Es schmerzt mich, was Sie ihr antun."
"Das mache ich nicht absichtlich", behauptete er.
"Möglich, aber Sie müssten schon blind sein, um nicht zu erkennen, wie sehr Nicole Sie liebt.
Ist Ihnen das völlig gleichgültig?"
Logan zuckte zusammen. "Sie irren sich, Darcy. Nicole liebt mich nicht."
"Sie ist Ihre Frau."
"Wir haben geheiratet, um die Besitzverhältnisse an der Plantage zu klären, aus keinem
anderen Grund."
"Sie hatten vielleicht keinen anderen Grund, aber Nicole hat es ernst genommen."
Er schob einen Bissen in den Mund und zwang sich zu essen. "Aber ja, sie nimmt es sehr
ernst, richtig! Deshalb arbeitet sie auch für Thorndyke. Deshalb sitzt sie auch nicht hier und
isst nicht mit ihrem Mann. Sehr ernst hat sie die Ehe genommen." Er fluchte leise.
"Versuchen Sie nicht, mich zu verwirren, Darcy. Wir lassen uns in wenigen Monaten
scheiden. Das ist bereits vertraglich vereinbart und geregelt."
Darcy winkte ab. "Nicole will doch gar nicht arbeiten, und sie will auch keine Scheidung. Sie
wartet nur darauf, dass Sie endlich zu Verstand kommen."
"Und dass ich was mache?"
"Ihr sagen, dass Sie sie lieben."
Logan verzichtete auf das Essen und stand auf. "Sie mischen sich in alles ein, Darcy. Ich weiß
nicht, wieso Dad Sie so lange ertragen hat. Wenn Nicole geht, sollten Sie das auch tun."
Die Haushälterin lachte. "Das würde Ihnen so passen, nicht wahr, Mr. Logan? Sie allein in
diesem großen alten Haus. Dann wäre in weitem Umkreis keine Frau mehr, die Sie ärgert."
"Verdammt richtig!"
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, stand Darcy auf und kehrte an die Spüle zurück.
Logan setzte zum Sprechen an, verzichtete und verließ die Küche.
Als Nicole endlich in der Einfahrt hielt und die Stufen zur Tür hinaufstieg, war alles auf der
Plantage dunkel. Sally begrüßte sie winselnd. Nicole streichelte den Hund. "Wie geht es denn
meinem Mädchen? Bist du einsam?"
Sally drückte sich seufzend an Nicoles Bein.
"Ich weiß, dass ich dich vernachlässige. Nach dem Essen komme ich noch einmal heraus und
gehe mit dir spazieren."
Das Essen stand im Backofen. Nicole bediente sich und trug den Teller und eine Tasse Kaffee
an den Tisch. Es interessierte sie nicht, ob Logan bereits gegessen hatte. Schon lange hatten
sie nicht mehr gemeinsam an dem kleinen Tisch gesessen.
Seit einer Woche fuhr sie zur Arbeit. Logan zog sich immer mehr zurück und sprach kaum
noch mit ihr. Sie wusste, dass er auf sie wütend war. Allerdings war ihr der Grund nicht klar,
abgesehen davon, dass sie ihm nicht gehorcht hatte.
Sein Verhalten ergab keinen Sinn, und sie versuchte gar nicht erst, darüber nachzudenken. Es
war jedoch unmöglich, ihn aus ihren Gedanken zu verbannen. Sogar bei der Arbeit konnte sie
ihn nicht vergessen.
Es schmerzte, mit ihm unter einem Dach zu wohnen und doch nicht mit ihm zu leben. Sie
vermisste die Gespräche mit ihm. Es war fast, als hätte sie Belle Rouge bereits verlassen,
ohne umgezogen zu sein.
Vielleicht hatte Amelia sogar Recht. Ob es Logan tatsächlich etwas bedeutete, wenn sie nicht
für Thorndyke arbeitete? Was geschah, wenn sie ihm sagte, dass sie die Arbeit aufgab, weil
sie ihn liebte?
Nicole verdrängte die quälenden Probleme, so gut es ging, und beendete die Mahlzeit. Mit der
Kaffeetasse in der Hand stieg sie die Treppe hinauf und hatte ihr Zimmer fast schon erreicht,
als sie Licht in Logans Schlafzimmer sah.
Sie blieb davor stehen und blickte durch die offene Tür hinein. Er stand am Bett und warf
Kleidungsstücke in eine Reisetasche.
Betroffen trat Nicole ein. "Was machst du da?"
Er warf ihr nur einen flüchtigen Blick zu. "Ich reise morgen früh ab."
Sie erstarrte. "Du fährst weg? Wohin?"
"Shreveport."
Sie tat einen Schritt ins Zimmer hinein. "Warum?"
"Ich habe ... etwas zu erledigen."
"Betrifft es die Plantage?"
Er seufzte. "Ja."
"Wieso schickst du nicht Leo?"
"Er war schon einmal dort." Logan legte eine Jenas in die Tasche. "Diesmal kümmere ich
mich selbst darum."
"Du fährst meinetwegen weg, nicht wahr? Du willst mir heimzahlen, dass ich für Thorndyke
arbeite."
Er drehte sich seufzend um. "Verdammt Nicole, ich bin es leid, dass wir uns gegenseitig
Vorwürfe machen. Das bringt doch nichts!"
Tausend Fragen schössen ihr durch den Kopf. Sie ging näher zu ihm. "Wie lange bleibst du
weg?"
Er wandte sich ab. "Einige Tage. Ich weiß es noch nicht."
"Was ist mit den Vorschriften des Testaments? Müssen wir nicht ständig hier wohnen?"
"Es gibt bestimmt eine Ausnahme bei Notfä llen. Außerdem wird Thorndyke gar nicht
erfahren, dass ich einige Tage nicht hier bin. Es sei denn, du erzählst es ihm." Er warf ihr
einen harten Blick zu. "Seid ihr zwei miteinander schon so vertraut?"
Sie ließ sich nicht von dem Vorwurf reizen. Wenn auch nur die geringste Möglichkeit
bestand, dass diese Eifersucht aus Liebe entstand, konnte sie Logan nicht böse sein.
"Nein. Ich habe noch gar nicht mit ihm gesprochen."
Logan strich sich durch das dunkle Haar. "Das hätte ich nicht sagen sollen. Es geht mich
nichts an, was du bei Thorndyke machst. Das hast du klar zum Ausdruck gebracht."
"Logan", begann sie sanft, doch er schnitt ihr das Wort ab.
"Lass uns nicht wieder darüber sprechen, Nicole. Mir ist klar, dass du Recht hattest. Ich
wollte mich wie ein Ehemann verhalten, obwohl ich ... obwohl ich dir nichts bedeute."
"Wieso sagst du so etwas?" hielt sie ihm verletzt vor.
"Weil es stimmt."
Sie stellte die Kaffeetasse neben dem Telefon auf den Nachttisch und kehrte zu Logan zurück.
"Du weißt, dass das nicht wahr ist. Aber du belügst dich selbst, um dich besser zu fühlen.
Dadurch wirkt dein Handeln in deinen Augen vernünftig und richtig."
"Du weißt nicht, wovon du redest", wehrte er ab. Als sie ihm die Hand auf den Arm legte, sah
er sie an, als fürchtete er die nächsten Worte.
"Ich weiß sehr wohl, wovon ich rede", behauptete sie entschieden. "Und tief in deinem
Inneren weißt du, wie viel mir an dir liegt. Das gefällt dir nicht, weil du dich dadurch
gefangen fühlst. Es macht dir Angst."
"Was weißt du denn schon vo n solchen Gefühlen?" fragte er spöttisch.
"Sehr viel." Sie kehrte ihm den Rücken zu. "Du wolltest mir nicht glauben, dass ich noch
Jungfrau war und mir keinen Mann wünschte. Dir hätte klar sein müssen, dass das auf Angst
zurückzuführen war."
Erst nach einer Weile legte er ihr die Hände auf die Schultern. "Angst? Vor Männern?"
Sie holte tief Atem. "Vor Zurückweisung. Du bist nicht der Einzige, der das durchgemacht
hat, Logan. Am College dachte ich, den Mann gefunden zu haben, mit dem ich den Rest
meines Lebens verbringen würde. Er beteuerte, sich das Gleiche zu wünschen. Mutter plante
schon die Hochzeit. Bryce wollte aber ohne Heirat ins Schlafzimmer. Als ich mich weigerte,
kam die Wahrheit ans Tageslicht. Er liebte mich nicht und wollte mich schon gar nicht
heiraten."
Logan konnte sich schwer vorstellen, dass sie so verletzlich und naiv gewesen war. Sie
machte dafür einen viel zu klugen Eindruck. Doch wenn man liebte, begab man sich
automatisch auf eine Einbahnstraße, die in Schmerz endete.
"Er hatte dich belogen?"
"Er war ein sehr guter Schwindler", sagte sie bitter. "Er redete davon, wo wir leben, wie viele
Kinder wir haben und was wir alles zusammen unternehmen würden. Er hat mich sogar
seinen Eltern vorgestellt."
Während des Studiums hatte Logan etliche solcher Typen kennen gelernt, aber keiner von
ihnen hatte dermaßen unverfroren gelogen, um von seiner Freundin etwas zu bekommen.
Kein Wunder, dass Nicole darauf hereingefallen war.
"Der armselige Mistkerl", sagte er. "Hast du ihn gefragt, wieso er es so weit getrieben hat?"
Sie nickte. "Er meinte, ich wäre das schärfste Mädchen, das er je gesehen hätte. Deshalb
wollte er mich unbedingt haben."
Logan biss die Zähne zusammen, als er sich vorstellte, wie sehr dieser Mann sie verletzt hatte.
"Hast du ihn geliebt?"
"Damals war ich davon überzeugt." Sie wandte sich ihm zu. "Bis du heimkamst."
"Wo ist da der Zusammenhang?" fragte er verwirrt.
Sie lächelte schwach. "Ich dachte, Bryce zu lieben, bis ich erkannte, dass das im Vergleich zu
meinen Gefühlen für dich nur eine Schwärmerei war."
"Nein!" wehrte er ab. "Wieso sagst du so etwas?"
"Weil ich ehrlich zu mir selbst und zu dir bin. Weil ich hoffe, dass es etwas bewirkt, wenn du
endlich begreifst, dass ich ... dass ich dich liebe."
Logan stöhnte schmerzlich und ging an die Kommode. "Es bewirkt gar nichts", sagte er
heftig, während er in eine Schublade .fasste. "Auch in Zukunft nicht."
Sie hatte das Schlimmste von ihm erwartet - und sie hatte es auch bekommen. Trotzdem war
der Schmerz fast unerträglich. Ob er jemals wieder abklingen würde?
"Warum?" flüsterte sie.
Er konnte sie nicht ansehen. "Nicole, begreifst du das denn nicht? Du hast mir soeben eine
Geschichte erzählt, die eigentlich alles über Männer und Frauen sagt. Nicht Liebe treibt dich
oder mich an, sondern Lust, pure Lust. Sobald sie verschwindet, stirbt alles andere ebenfalls."
"Du irrst dich, Logan. Du wehrst dich nur gegen die Tatsache, dass du jemanden außer dir
selbst liebst oder brauchst."
Er drehte sich wieder um. "Ich habe dich gewarnt, Nicki. Warum hast du nicht auf mich
gehört?"
"Weißt du", sagte sie erschöpft und traurig, "Amelia hat mich daran erinnert, dass man
niemanden zwingen kann, einen zu lieben. Entweder wird man geliebt oder nicht. Sie hat
allerdings nicht erwähnt, dass man sich auch nicht daran hindern kann, jemanden zu lieben.
Und dabei spielt es keine Rolle, ob man diesen Menschen überhaupt lieben sollte."
"Hat sie denn wenigstens erwähnt, wie schnell alles endet?"
Für einen Moment fand Nicole in seinen grauen Augen Traurigkeit. "Logan, wenn dir an mir
irgendetwas liegt, sag es mir", flehte sie ihn an. "Dann gebe ich die Arbeit bei Thomdyke auf.
Ich will sie ohnedies nicht. Ich will dir eine richtige Ehefrau und die Mutter deiner Kinder
sein."
Er konnte sie nicht ansehen. "Glaube mir, über diesen Wunsch kommst du hinweg. Meiner
Mutter ist das auch gelungen - und zwar verdammt schnell."
Am liebsten hätte sie ihm ins Gesicht geschrieen, dass sie nicht Clara McNally war, doch sie
akzeptierte die Niederlage. Es hatte keinen Sinn, noch länger zu kämpfen.
Sie drehte sich um und blickte an der Tür noch einmal zurück. "Diese Angelegenheit in
Shreveport - geht es um eine Frau?"
Das traf zwar nicht zu, aber Logan hielt es für das Beste, wenn sie es annahm. "Ein Mann
muss seine Bedürfnisse irgendwie befriedigen."
Wortlos ging sie hinaus und die Treppe hinunter. Auf der Veranda rief sie Sally zu sich und
wanderte mit ihr in den dunklen Nussbaum-Hain.
10. KAPITEL "Um ehrlich zu sein, Logan, ich weiß nicht weiter. Ich habe alle mir bekannten Tests
durchgeführt und keinen Grund gefunden, aus dem die Wurzeln verfault sind."
"Es muss am Grundwasser liegen", sagte Logan zu dem Professor. "Auf Belle Rouge haben
wir erfolglos alle Chemikalien ausprobiert."
Der grauhaarige Wissenschaftler blickte vom Mikroskop hoch. "Und das Problem breitet sich
aus?"
"Langsam, aber es breitet sich aus." Logan sah sich im Labor des Colleges um. Eine Woche
lang hatte er gehofft, seine früheren Kollegen könnten eine Lösung finden, doch jetzt sah es
ganz nach einem Misserfolg aus.
Der Wissenschaftler stand auf und klopfte Logan aufmunternd auf die Schulter. "Machen Sie
kein so finsteres Gesicht. Es betrifft schließlich nur ein Feld."
"Ich wollte gar keinen Teil der Ernte verlieren, Cecil. Es ist der erste Frühling, in dem ich
wieder auf der Plantage bin. Darum wünschte ich mir in diesem Jahr einen besonderen
Erfolg."
"Erfolg lässt sich nicht immer an der Menge messen."
"Sie meinen also, ich sollte das Feld umpflügen?"
Cecil nickte. "Das ganze Feld. Lassen Sie es von der Sonne austrockne n. Im nächsten
Frühjahr sind dann sämtliche Bakterien, die an dem Problem schuld sein könnten,
abgestorben."
"Ich mache das nur ungern."
"Das ist schon klar, aber manchmal muss man sich des Schlechten entledigen, um das Gute zu
retten."
"Ich verstehe. Vielen Dank, Cecil. Ich halte Sie auf dem Laufenden."
Die beiden Männer gingen zur Tür des Labors. Als Logan es schon verlassen wollte, sagte
Cecil: "Ich freue mich darauf, wieder von Ihnen zu hören, Logan. Und ich wünsche Ihnen viel
Glück in Ihrem neuen Leben auf Belle Rouge."
Logan reichte ihm die Hand. "Danke, Cecil. Glück kann ich gebrauchen. Ich hatte nicht
gerade einen guten Anfang." Weder bei der Ernte noch bei seiner Frau ...
Die ganze Woche hatte er versucht, nicht an Nicole zu denken. Er hatte Freunde und
ehemalige Mitarbeiter besucht, doch sein früheres Leben interessierte ihn nicht mehr. Jetzt
dachte er nur noch an Belle Rouge und die Frau, die dort auf ihn wartete.
Wenn das bedeutete, dass er verliebt war, so war es das heftigste und hartnäckigste Gefühl,
das er jemals erlebt hatte. Er wollte es abschütteln, doch es wich nicht. Vielleicht hatte Nicole
sogar Recht, und wahre Liebe starb nicht.
Nachdem Logan sich von seinem Freund verabschiedet hatte, verließ er das Gebäude. Die
Nachmittagssonne brannte auf den Parkplatz. Verschwitzt, müde und niedergeschlagen
schloss er seinen Wagen auf. Die Woche in Shreveport hatte weder seiner Stimmung noch
dem Zuckerrohr geholfen.
Er musste zurückfahren und das Feld vernichten. Was Nicole anging, wusste er nicht, wie er
sich verhalten sollte oder ob ihm überhaupt noch eine Möglichkeit blieb. Vielleicht hatte er
durch die Abreise die letzten schwachen Bande zwischen ihnen durchtrennt.
"Logan! Logan McNally! Bist du das wirklich?"
Er drehte sich um. Zwei Frauen kamen von der anderen Seite des Parkplatzes näher. Auf den
ersten Blick erkannte er beide nicht. Doch dann blieb die Blondine im Schatten einer Zypresse
stehen, während die Dunkelhaarige weiter auf ihn zuging. Erst als sie nur noch drei Meter von
ihm entfernt war, traf ihn der Schock.
Er hatte Tracie nicht wieder gesehen, seit er vor Jahren ihr Haus verlassen hatte. Später hatte
er zu seiner Erleichterung gehört, dass sie nach Biloxi umgezogen war. Keinesfalls hatte er
mit ihr oder ihrem Mann zusammentreffen wollen.
"Logan, du bist es tatsächlich!" rief sie, eilte zu ihm und küsste ihn auf die Wange.
Er schob sie ein Stück von sich. "Wie geht es dir, Tracie?" fragte er beherrscht.
Sie lächelte strahlend, während sie ihn genauer betrachtete. "Mir geht es gut, Schatz,
ausgezeichnet. Du siehst aus ... das kann man mit Worten gar nicht beschreiben! Unglaublich,
dich hier zu treffen! So ein Glücksfall!"
Wohl kaum, dachte er, während sie ihn weiterhin sehr eindeutig musterte. Sie war noch
immer attraktiv, dunkelhaarig, zierlich und schick gekleidet. Ein harter Zug in ihrem Gesicht
verriet jedoch, dass sie im Leben nichts ausgelassen hatte.
"Ich dachte, du wohnst nicht mehr in Shreveport", sagte er, weil ihm nichts anderes einfiel.
Sie winkte ab. "Tue ich auch nicht, Schatz. Ich besuche nur eine alte Freundin. Heute hat sie
etwas an der Universität zu erledigen, und ich begleite sie. Lehrst du noch hier?"
"Nein. Ich bin nach Hause zurückgekehrt."
"Hast du denn nicht immer hier gewohnt?"
In diesem Moment begriff er, dass sein Zuhause niemals hier gewesen war - und schon gar
nicht bei dieser Frau. Seltsam, wie klar das jetzt wurde.
"Ich lebe südlich von Natchitoches", erklärte er. "Ich bin nur beruflich in Shreveport."
"Großartig", sagte sie verführerisch und warf ihrer Freund in einen kurzen Blick zu. "Meine
Freundin kommt ohne mich aus. Wir könnten etwas zusammen unternehmen."
Es war unglaublich! Sie dachte, er wollte weitermachen, wo sie vor acht Jahren aufgehört
hatten. "Tut mir Leid, Tracie, aber ich bin jetzt verheiratet."
Sie lachte und flüsterte: "Keine Angst, deine Frau wird nichts erfahren."
Er sah Nicoles sanftes, liebevolles Gesicht vor sich. Sie mit dieser Frau zu vergleichen, wäre
eine Beleidigung gewesen. Und er war ein Narr gewesen, Tracie und Simone, seine Mutter
und alle anderen Frauen, die versagt hatten, mit Nicole in einen Topf zu werfen. Seit er nach
Belle Rouge zurückgekehrt war, hatte Nicole sich ihm gegenüber stets großzügig gezeigt. Er
war nur zu blind und verängstigt gewesen, um ihre Geschenke anzunehmen.
"Sie würde nichts erfahren, doch ich wüsste es", erwiderte er schroff.
"Aber, aber." Das Lächeln schwand aus Tracies Gesicht. "Noch immer prüde, wie ich sehe."
Logan war froh, dass Tracie ihm jetzt über den Weg gelaufen war. Acht Jahre lang war sie für
ihn die Frau gewesen, die er geliebt hatte. Er hatte sich daran festgehalten, dass ihr einziger
Fehler darin bestand, verheiratet zu sein. Nun war klar, wie verdorben und selbstsüchtig sie
war.
"Wo ist denn dein armer Mann? Arbeitet er noch im Ausland?"
Sie lachte schroff. "Robert? Von dem habe ich mich schon vor Jahren scheiden lassen. Seither
habe ich noch zweimal geheiratet."
"Das passt." Er stieg in den Pick- up. "Das Wiedersehen mit dir war sehr aufschlussreich,
Tracie."
Sie verstand ihn offenbar nicht und lächelte wieder. "Tatsächlich?"
"Ja. Jetzt weiß ich, dass ich dir gerade noch rechtzeitig entkommen bin."
Sie sah ihm wütend nach, als er den Parkplatz verließ.
"Bin ich froh, dass du endlich da bist!" rief Darcy, als sie mit Nicole vor der Haustür zusammentraf. "Ich habe mir schon Sorgen gemacht." "Warum? Ist etwas passiert?" Sie reichte der Haushälterin den nassen Regenschirm und zog hastig den Regenmantel aus, in den sie geschlüpft war, bevor sie aus dem Wagen gestiegen war. "Nein, aber es ist schon dunkel, und es regnet. Die Straßen sind glatt." Gemeinsam gingen sie in die Küche. "Nach der Arbeit war ich in einem Kaufhaus", erklärte Nicole. "Ich habe ein Geschenk für die Frau gekauft, deren Platz ich einnehme. Wickelst du es für mich ein?" "Gern. Was hast du denn besorgt?" "Ich wollte auf Nummer sicher gehen und habe mich für Strampelhöschen entschieden. Davon kann man angeblich nie genug haben." Nicole verriet Darcy nicht den wahren Grund, aus dem sie so spät heimkam. In der Kinderabteilung hatte sie sich lange aufgehalten und mit offenen Augen geträumt. Während sie die hübschen Kleidchen und winzigen Jeans und T-Shirts für Babys berührte, stellte sie sich vor, wie es wäre, ein eigenes Kind zu haben. Ihr und Logans Kind. Hinterher war sie natürlich noch trauriger gewesen als in der letzten Woche. Keinesfalls blieb sie Logans Frau, und die Mutter seines Kindes wurde sie schon gar nicht. "Ich habe Krabbensalat gemacht, mehr nicht. Da Mr. Logan noch immer weg ist, hätte es keinen Sinn gehabt, viel zu koche n." "Ist schon gut, Darcy. Salat ist fein. Aber zuerst gehe ich nach oben und ziehe mich um. Trotz des Schirms bin ich ziemlich nass geworden." An der Küchentür blieb sie stehen. "Du hast heute nichts von Logan gehört, oder?" "Nein, kein Wort." "Wahrscheinlich ist er sehr beschäftigt." "Zu beschäftigt, um zum Telefon zu greifen?" fragte Darcy. "Er will herausfinden, was mit dem Zuckerrohr nicht stimmt", sagte sie seufzend und versuchte, ihn sich nicht mit einer anderen Frau vorzustellen. Sie war krank vor Eifersucht, wenn sie sich ausmalte, wie er eine andere liebte. Darcy schniefte. "Wenn du mich fragst, sollte er erst einmal herausfinden, was mit ihm nicht stimmt." Nicole antwortete nicht. Sie wollte mit der Haushälterin nicht über Logan streiten. Der Tag war besonders anstrengend gewesen. Sie hatte versucht, ein Konto in Ordnung zu bringen, das seit einem halben Jahr vernachlässigt worden war. Dazu kam, dass Denton zweimal zu ihr ins Büro gekommen war. Beim ersten Mal hatte sie keinen Grund erkannt. Beim zweiten Mal hatte er sie um eine Verabredung gebeten. Sie hatte ihn kühl daran erinnert, dass sie verheiratet war. Er hatte lachend erwidert, dass man eine geschäftliche Verbindung wohl kaum Ehe nennen konnte. Am liebsten hätte sie ihn geohrfeigt, weil er so unverschämt war. Und weil er Recht hatte. Ihre Ehe mit Logan bestand nur auf dem Papier. Trotzdem wünschte sie sich, es handelte sich um eine echte Bindung. Deshalb musste sie auch Belle Rouge verlassen, bevor Logan zusammen mit ihren Hoffnungen und Träumen auch ihr Herz zerstörte. Nachdem sie das Kleid gegen Jeans und T-Shirt getauscht hatte, widmete sie sich dem Abendessen und schaltete den Fernseher für die Lokalnachrichten ein. Nach dem Wetterbericht schaltete sie wieder aus und ging nach oben. Vor Logans Abreise nach Shreveport war ihr das Haus schon still vorgekommen, doch ohne ihn war die Stille förmlich mit Händen greifbar. Gewöhne dich daran, Nicole ... So wird es immer sein, wo du auch bist... Auf dem Weg zu ihrem Zimmer kam sie an Logans offener Tür vorbei und blieb stehen. Drinnen war es dunkel. Deutlich erinnerte sie sich daran, wie er sie die Treppe herauf und zu seinem Bett getragen hatte.
Nicht Liebe treibt dich oder mich an, Nicole, sondern Lust, pure Lust. Sobald sie verschwindet, stirbt alles andere ebenfalls ... Vielleicht hatte Logan Recht. Ihr Schmerz hatte jedoch sicher nichts mit Lust zu tun. Der Wind peitschte den Regen gegen die Windschutzscheibe des Pick-ups. Die Sicht reichte nur wenige Meter weit. Über den Bäumen zuckten Blitze und beleuchteten kurzzeitig die Straße vor Logan. Hätte er auch nur einen Funken Verstand besessen, hätte er sich schon vor einer Stunde ein Hotel gesucht. Doch der Gedanke, noch einen Tag oder auch nur eine Stunde auf Nicole zu verzichten, trieb ihn weiter. Er lächelte ironisch. Vor einer Woche war er nach Shreveport gefahren, um Nicole zu vergessen. Die Trennung von ihr hatte jedoch das Gegenteil bewirkt. Er merkte, dass er nicht ohne sie leben wollte. Jetzt hoffte er nur, dass es nicht schon zu spät war. Als er endlich vor dem alten Haus hielt, ließ er das Gepäck im Wagen und lief durch den Wolkenbruch zur Tür. Es war noch nicht einmal zehn Uhr, doch das Haus war dunkel und still. Er ging durch das Wohnzimmer zur Treppe. Vielleicht war Nicole fort! Nein, er hatte ihren Wagen in der Einfahrt gesehen. Möglicherweise war sie mit einem Mann ausgegangen. Würde mir recht geschehen, dachte er grimmig und stieg die Treppe hinauf. Er hatte sie immer wieder abgewiesen. Was erwartete er denn? Bei Nicole durfte er gar nichts erwarten, sondern konnte nur hoffen. Als er ihr Zimmer erreichte, packte ihn tiefe Enttäuschung. Es brannte zwar kein Licht, doch im Schein der Blitze sah er das leere Bett. Sie war nicht zu Hause. Manchmal muss man sich des Schlechten entledigen, um das Gute zu retten ... Wieso hatte er das nicht schon vor langer Zeit erkannt? Wieso waren erst schmerzerfüllte Wochen nötig gewesen, um zu dieser Einsicht zu gelangen? Niedergeschlagen und auf sich selbst wütend, wollte Logan sich schon umdrehen, als er Nicole entdeckte. Sie saß im Schaukelstuhl und beobachtete durch das Fenster das Unwetter. Um sie nicht zu erschrecken, sagte er leise ihren Namen, bevor er eintrat. Sie wandte den Kopf. "Logan." Sie sprach seinen Namen so kühl aus, als fürchtete sie ihn wie die schwarzen Wolken über Belle Rouge. "Ich dachte, du wärst fort", sagte er. "Wieso sitzt du in der Dunkelheit?" Seit seiner Abreise lebte sie in Dunkelheit. Nein, das stimmte nicht - seit sie sich in ihn verliebt hatte. Allmählich gewöhnte sie sich daran. Nicole stand auf und schaltete die Nachttischlampe ein. "Ich habe das Gewitter beobachtet." "Es ist schlimm. Ich wusste nicht, ob ich es nach Hause schaffe oder von der Straße abkomme." Gegen ihren Willen verschlang Nicole ihn mit Blicken. Er wirkte mitgenommen und erschöpft - so erschöpft wie ihr gequältes Herz. Am liebsten wäre sie zu ihm gegangen, um ihn in die Arme zu nehmen, doch er hatte sie so oft zurückgewiesen, dass sie das nicht noch einmal ertragen hätte. "Warum bist du auch bei solchem Wetter gefahren? Es gab kaum einen dringenden Grund, nach Hause zu kommen. Oder hast du etwas über das Zuckerrohr herausgefunden, das keinen Aufschub duldet?" "Das Feld muss vernichtet werden." Aus Angst und Freude bekam er Herzklopfen, als sie näher trat. "Aber ich habe mich nicht deshalb so beeilt. Ich habe etwas über mich herausgefunden. Und über dich." "Über mich?" fragte sie verblüfft. "Was könnte das sein? Ich bin noch immer der Mensch, der ich bei deiner Abreise war." "Das hoffe ich", sagte er sanft. Sie horchte auf. "Logan, was soll das heißen? Es wäre nicht nötig gewesen, so schnell zurückzukommen, um mir zu sagen, dass du in Shreveport eine Frau hast. Ich werde dich
nicht an einer Affäre hindern. Heute Abend habe ich sogar überlegt, ob wir beide noch einmal
mit Thorndyke sprechen sollten."
Als er noch einen Schritt näher kam, zog Nicole den Morgenmantel am Hals enger
zusammen.
"Und warum sollten wir das tun?" fragte er. "Hat er dir vielleicht einen Antrag gemacht?"
Später konnte sie ihm von Denton erzä hlen. Im Moment wollte sie eine Last loswerden.
"Nein. Bisher war er ganz Gentleman. Ich möchte mit ihm über ... über unser Zusammenleben
sprechen."
"Was ist damit?"
Es ärgerte sie, dass er sich ahnungslos stellte. "Das weißt du ganz genau. Ich halte das nicht
länger durch. Und du fühlst dich so schlecht, dass du sogar nach Shreveport fährst, um nicht
in meiner Nähe zu sein. So kann ich nicht weitermachen, Logan. Ich will nicht, dass du Belle
Rouge verlierst, aber ich muss weg. Du brauchst mir auch nichts für meine Anteile zu
bezahlen. Ich lebe eben von dem Geld, das ich bei Thorndyke verdiene. Mehr brauche ich
ohnedies nicht."
"Ich hoffte, dass du mich noch immer brauchst."
Langsam drehte sie sich um und sah ihn ungläubig an. "Warum? Damit du mir noch einen
Tritt versetzen und mir sagen kannst, wie dumm ich bin, weil mir etwas an dir liegt?"
Bevor er antworten konnte, ging sie ans Fenster. Im Freien tobte das Unwetter, doch ihre
Gefühle befanden sich in einem heftigeren Aufruhr als die Natur.
"Nicole, ich war dumm. Während der Heimfahrt habe ich überlegt, wie ich dir erklären kann,
was für ein Narr ich war."
Rasch unterdrückte sie die aufkeimende Hoffnung. Sie wollte nicht mehr verletzt werden.
"Was war dumm? Dass du mich überhaupt geheiratet hast?"
Er atmete tief durch. "Dass ich dich nicht gleich richtig geheiratet habe."
Sie weigerte sich, ihn anzusehen und ihm zu glauben. "Du bist nicht deshalb nach Shreveport
gefahren."
"Nein, aber ich habe es trotzdem erkannt."
Sie lachte spöttisch. "Ist das nicht köstlich? Nun ja, es spielt keine Rolle. Unsere Ehe war
schon zu Ende, bevor sie überhaupt begann. Das ist erledigt. Was immer mit dir in Shreveport
auch passiert ist, du wirst darüber hinwegkommen. Wie du selbst gesagt hast - wenn die Lust
verschwindet, stirbt auch alles andere."
Er drehte sie zu sich herum. "Verdammt, Nicole, ich möchte, dass du das alles vergisst!"
"Warum?"
Stöhnend zog er sie an sich. "Weil ich dich liebe."
"Ahnst du, was ich noch vor einer Woche dafür gegeben hätte, diese Worte von dir zu
hören?" fragte sie schmerzlich. "Alles!"
"Ich weiß, Nicole", flüsterte er. "Aber ich konnte sie nicht aussprechen. Ich wusste bis heute
nicht, was sie wirklich bedeuten."
Verwirrt betrachtete sie ihn. "Bis heute? Was ist heute anders als gestern oder am Tag unserer
Hochzeit? Man fängt nicht plötzlich an, jemanden zu lieben."
"Das stimmt. Nicole, ich glaube, ich habe immer etwas für dich empfunden, wusste aber
nicht, was das war. Sogar als du noch eine Jugendliche warst, habe ich mich seltsam zu dir
hingezogen gefühlt. In den folgenden Jahren habe ich oft an dich gedacht."
Sie war nicht überzeugt. "Bei deinen seltenen Besuchen auf Belle Rouge hast du mich wie
eine Aussätzige behandelt. Und du warst stets hässlich und gemein zu mir."
"Aber nur, weil ich nicht wo llte, dass du mir etwas bedeutest. Ich wollte nicht, dass es
zwischen uns eine Bindung durch die Ehe unserer Eltern oder auf eine andere Weise gibt,
weil... Schon damals wollte ich nicht geliebt werden - weder als Stiefbruder noch als Freund.
Das war einfach ungefährlicher."
Sie hätte ihm gern geglaubt, doch sie fürchtete wieder eine Zurückweisung, wenn sie ihm
vertrauensvoll die Hand reichte.
"Logan, als du nach Shreveport fuhrst..."
"Ich wollte dich vergessen", gestand er. "Ich begriff nicht, dass dir mein Herz schon gehörte.
Und ich hätte es wahrscheinlich nie begriffen, hätte ich nicht zufällig Tracie getroffen."
"Tracie?" fragte sie erstaunt. "Du meinst diese verheiratete Frau, mit der du gelebt hast? Du
hast sie gesehen?"
"Es war purer Zufall. Ich verließ gerade die Universität, als auf dem Parkplatz eine Frau
meinen Namen rief. Ich hatte sie nicht mehr gesehen, seit dem Abend, an dem ich erfuhr, dass
sie verheiratet war."
Nicole wehrte sich gegen die Eifersucht, verlor jedoch den Kampf, als sie sich Lo gan mit
seiner ehemaligen großen Liebe vorstellte. "Hast du dich noch immer zu ihr hingezogen
gefühlt?"
Er lachte und schüttelte sie sanft. "Zu ihr hingezogen? Lieber Himmel, Nicole! Etwas
Besseres als das Wiedersehen mit Tracie hätte mir gar nicht passieren können. Das hat die
Scheuklappen von meinen Augen entfernt. Sicher, sie ist noch hübsch, aber hart. Ich habe
mich gefragt, wie mir früher etwas an einer so selbstsüchtigen Frau liegen konnte. Wieso ließ
ich mein Leben so lange von ihr beeinflussen? Sie war es nicht wert."
Er zog Nicole an die Brust und strich durch ihr Haar.
"Als ich sie ansah, konnte ich nur an deine Schönheit denken, an deine Wärme und die Liebe,
die du mir so großzügig angeboten hast. Nicole, es tut mir Leid, dass ich das nicht schon
früher akzeptiert habe."
Sie konnte vor Rührung kaum sprechen. "Mir tut es auch Leid, Logan."
Er sah ihr tief in die Augen. "Vor meiner Abreise hast du gesagt, ich würde mich irren, was
Liebe angeht. Du hast geschworen, dass es sie gibt und dass wahre Liebe Bestand hat."
"Ja, das habe ich gesagt", bestätigte sie mit bebender Stimme.
"Meinst du es noch?" Behutsam streichelte er ihre Wange. "Liebst du mich noch, Nicole?"
Eine Träne fiel auf seine Hand, und als er sie wegwischte, nickte Nicole. "Ja, ich liebe dich,
Logan, und werde dich immer lieben."
Wortlos hob er sie hoch und trug sie zum Bett. Nachdem er sie darauf gelegt hatte, setzte er
sich zu ihr. "Ich habe dich oft verletzt, und du hast kein einziges Mal geweint. Jetzt endlich
sage ich dir, dass ich dich liebe, und du weinst. Das verstehe ich nicht."
"Alles andere war es nicht wert, deswegen eine Träne zu vergießen", erwiderte sie lächelnd.
"Aber jetzt ..." Sie richtete sich auf und schlang ihm die Arme um den Nacken. "Du machst
mich sehr glücklich, Logan."
Er drückte sie fest an sich und presste das Gesicht an ihren Hals. Sie duftete nach Flieder,
Magnolien und Rosen - nach dem Süden, nach Belle Rouge, nach seinem Zuhause.
"Als deine Mutter starb und ich zurückkam, dachte ich, dass ich das wegen Belle Rouge
mache. Ich glaubte, die Plantage wäre wichtig. Dabei warst du das. Thorndyke soll unseren
Vertrag vernichten. Wir lassen uns nicht scheiden."
"Nein, wir lassen uns nicht scheiden", bestätigte sie glücklich. "Und ich brauche die Anteile
nicht. Ich brauche nur dich."
"Die Plantage fällt zu gleichen Teilen an unsere Kinder."
Sie lachte. "Du willst mehr als ein Kind? Noch vor wenigen Tagen hast du geschworen, dass
du dir keine Familie wünschst."
"Vor wenigen Tagen war ich noch ein Narr. Ich bin vierunddreißig, Nicole. Ich habe nie
erlebt, wie es ist zu lieben, meine eigenen Kinder im Arm zu halten und zuzusehen, wie sie
heranwachsen. Du kannst mir alles zeigen, und wir können viel zusammen machen. Ich will
jede Minute eines jeden Tages voll auskosten."
Sie lächelte herausfordernd. "Dann sollten wir mit dem Reden aufhören und mit dem
Auskosten anfangen."
Logan ging nur zu gern auf den Vorschlag ein, küsste sie und streifte ihr den seidenen
Morgenmantel von den Schultern.
Schmerz und Zweifel der letzten Wochen schwanden unter verlangenden Küssen. Selbst das
Unwetter geriet in Vergessenheit, sobald die Kleidungsstücke auf dem Fußboden landeten.
Als Nicole sich viel später in Logans Arme schmiegte, sagte er besorgt zu ihr: "Ich habe
wieder nicht an Empfängnisverhütung gedacht. Du könntest schwanger werden."
"D äs hoff eich."
Er blickte ihr in die schläfrigen Augen und fand darin pure Liebe. "Was ist mit deiner Arbeit
bei Thorndyke?"
"Die habe ich nur angenommen, weil ich mich elend fühlte. Ich wollte so viel Zeit wie
möglich außer Haus verbringen, weil ich dachte, dann über dich hinwegzukommen."
"Zum Glück hat das nicht geklappt", scherzte er. "Nicole, ich bin nicht selbstsüchtig. Es war
unvernünftig, von dir zu verlangen, daheim zu bleiben und nicht für Thorndyke zu arbeiten.
Ich war eifersüchtig und ertrug die Vorstellung nicht, ein anderer Mann könnte deine Liebe
erringen."
Sie strich mit dem Zeigefinger über seine Wange. "Dazu wird es nie kommen", versicherte
sie. "Und damit du weißt, dass ich dir nie etwas verschweigen werde - während du in
Shreveport warst, hat Denton mich um eine Verabredung gebeten."
Logan stützte sich auf die Ellbogen und blickte auf sie hinunter. "Was hast du geantwortet?"
"Ich habe ihn daran erinnert, dass ich verheiratet bin." Als er lachte, sah sie ihn vorsichtig an.
"Was ist daran so komisch?"
"Tracie hat mich auch gebeten, mit ihr auszugehen."
Nicole hob ruckartig den Kopf. "Was?"
Lächelnd drückte er sie zurück. "Ich habe abgelehnt und erklärt, ich wäre verheiratet. Das hat
sie nicht gestört. Sie ist auch verheiratet. Es ist ihr dritter oder vierter Mann. Jedenfalls
erkannte ich dadurch, dass ich für dich mehr empfinde als körperliche Anziehung wie einst
für sie. Zwischen uns geht es viel weiter."
"Dann muss ich froh sein, dass du diese Frau getroffen hat", räumte Nicole ein.
"Da wir von Frauen sprechen ... Ich muss mich noch sehr anstrengen, damit Darcy mir
verzeiht. Bevor ich nach Shreveport fuhr, sagte ich ihr, sie könnte gleichzeitig mit dir packen
und gehen. Ich möchte aber nicht, dass sie kündigt. Ich habe sie immer gemocht und konnte
es nur nicht zeigen."
Nicole lächelte verständnisvoll. "Ich glaube, Darcy weiß, wie du über sie denkst. Du wirst
dich wahrscheinlich nur entschuldigen müssen, damit sie bleibt. Sie will nichts weiter, als
dass wir beide zusammen glücklich werden."
Er streckte sich wieder neben ihr aus. "Apropos Glück. Wenn dich die Arbeit bei Thorndyke
glücklich macht, möchte ich, dass du bei ihm bleibst. Ich weiß, wie lange und hart du für dein
Diplom gearbeitet hast. Das soll nicht vergeblich gewesen sein."
Zufrieden seufzend schmiegte sie sich an seine Schulter. "Ich will bei dir sein, Logan. Und bei
den Kindern, die wir hoffentlich bald bekommen."
"Bist du sicher? Du sollst nicht so unzufrieden wie meine Mutter sein."
"Niemals."
Er seufzte. " Sie hatte eine gestörte Persönlichkeit. Früher wollte ich das nicht zugeben, aber
jetzt sehe ich das klar."
"Lyle wollte sie bestimmt nicht verletzen", behauptete Nicole. "Aber er brauchte jemanden,
der die Leere ausfüllte, die Clara erzeugte. Und das war eben meine Mutter."
Logan strich ihr zärtlich durch das seidige Haar. "Ich hielt Dad für schwach, doch das war er
nicht. Trotz des daraus entstehenden Geredes und der Einwände seines Sohnes heiratete er die
Frau, die er liebte." Er küsste Nicole auf die Stirn. "Jetzt verstehe ich es, weil ich weiß, wie er
fühlte. Nichts besitzt Wert, wenn man es nicht mit dem richtigen Menschen teilt. Nicht einmal
Belle Rouge."
Nicole lächelte verträumt. "Was würde dein Vater wohl denken, könnte er uns hier sehen?"
Er lachte leise. "Wahrscheinlich würde er sagen, dass es lange genug gedauert hat, bis wir
endlich zu Verstand gekommen sind."
Sie betrachtete ihn erstaunt. "Meinst du, er hat das geplant, als er dieses verrückte Testament
schrieb? Er rechnete damit, wir könnten uns letztlich ineinander verlieben?"
"Da bin ich ganz sicher."
"Wie können wir ihm bloß dafür danken?"
Logan stützte sich auf den Ellbogen und lächelte. "Indem wir dieses alte Haus mit Liebe
erfüllen."
Leise lachend zog Nicole ihn zu sich heran. "Sehr gern."
-ENDE