Ist es noch Liebe?
Charlotte Hines
Julia 839 19 - 01/89
Gescannt von suzi_kay
Korrigiert von almut k.
1. KAPIT...
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Ist es noch Liebe?
Charlotte Hines
Julia 839 19 - 01/89
Gescannt von suzi_kay
Korrigiert von almut k.
1. KAPITEL
„Liz Langdon! Was machst du denn hier am Krankenhaus? Es ist doch hoffentlich alles in Ordnung?" „Ja, Sara." Liz lächelte die kleine korpulente Frau, der man ihren anspruchsvollen Beruf nicht unbedingt ansehen konnte, freundlich an. „Ich nehme nur die Abkürzung zur Klinik. Ich dachte, ich könnte meinen gutaussehenden Gemahl dazu überreden, mich heute mittag zum Essen zu begleiten." „Wie geht es denn dem berühmtesten Kinderarzt von Rochester?" Sara ging auf den scherzhaften Ton ein. „Er ist sehr beschäftigt." Liz lächelte. „Er ist sogar mehr beschäftigt als gewöhnlich. In der vergangenen Nacht wurde, er zweimal gerufen. Bei einem Kind bestand der Verdacht auf Hirnhautentzündung. Später wurde er dann zu einem Kaiserschnitt geholt." „Ja, das eine war das Baby von den Peters. Eine Zeitlang stand es auf des Messers Schneide, ob das Baby durchkommt. Es ist allein deinem Mann zu verdanken, dass alles noch einmal gutgegangen ist. Er ist wirklich ein ganz ausgezeichneter Arzt, Liz." „Ich weiß." Liz' Lächeln war von Stolz erfüllt. „Jedesmal, wenn ich mir gerade wünsche, dass er besser Klempner, Elektriker oder irgend etwas anderes wäre, damit er jeden Abend zu Hause verbringen kann, treffe ich auf eine Mutter, die mir erzählt, dass John ihrem Kind das Leben gerettet hat. Dann komme ich mir immer sehr selbstsüchtig vor." „So schlimm ist es?" fragte Sara mitfühlend. „Es ist fast unerträglich." Die Wahrheit entschlüpfte Liz. „Wir haben nahezu überhaupt keine Zeit mehr füreinander. John hält sich fast nur noch in der Klinik auf. Gott sei Dank habe ich unsere Zwillinge, die mich sehr beschäftigen." „Übrigens - wo sind Jaimie und Rob eigentlich?" „In der Schule. Sie haben heute ihren ersten Schultag, und ich bin völlig erschöpft." Liz musste lächeln. „Ich habe mir immer vorgestellt, dass ich glücklich sein würde, wenn sie erst einmal den ganzen Tag über zur Schule gingen. Dann könnte ich endlich all das nachholen, was ich schon lange tun wollte. Leider habe ich mich geirrt. Heute morgen, gleich nachdem die beiden das Haus verlassen hatten, fühlte ich mich schon einsam, und der Tag erschien mir auf einmal endlos lang zu sein." „Das ist typisch für die sogenannte Hausfrauen-Psychose." Die Psychiaterin sprach aus Sara. „Mach dir darüber keine Sorgen. Daran wirst du dich schnell gewöhnen." „Da wird mir wohl nichts anderes übrigbleiben. Auf jeden Fall fiel mir dann nach meiner ungefähr fünften Tasse Kaffee ein, dass John und ich uns früher oft zum Mittagessen verabredet haben. Das war, bevor die Zwillinge geboren waren und John noch nicht so von seiner Praxis beansprucht wurde. Heute habe ich mich entschlossen, ihn zu ,Sibleys' einzuladen." „Wenn er die Zeit dazu hat", erwiderte Sara zweifelnd. „Ich bin gegen zehn Uhr an seiner Praxis vorbeigegangen. Sie war voll mit schreienden und weinenden Kindern. Es hörte sich an wie in einem Zoo." „Vor einer halben Stunde habe ich mit seiner Sprechstundenhilfe telefoniert. Sie sagte mir, er habe nur noch zwei Patienten, die er sich noch ansehen müsste. Dann hätte er bis dreizehn Uhr dreißig frei." „Für den Fall, dass sie sich geirrt hat und er doch länger beschäftigt ist, komm doch zu mir herunter und trink eine Tasse Kaffee mit mir. Ich kann dir auch ein belegtes Brötchen und einen Joghurt anbieten."
„Danach steht mir nicht gerade der Sinn." Liz rümpfte leicht die hübsche Nase. „Mir scheint, deine Geschmacksnerven sind nicht gerade Gutes gewöhnt." Liz lachte, während sie es sagte. Inzwischen hatten Liz und Sara die Tür, die zu Johns Praxisräumen führte, erreicht. Sara verabschiedete sich von Liz und ging weiter. JOHN LANGDON, M. D., F.A.A.P., stand auf dem glänzenden Messingschild, das an der Tür angebracht war. Liz seufzte, als sie sich an den Tag erinnerte, an dem es aufgehängt worden war. John hatte damals versucht, sich nichts anmerken zu lassen. Liz jedoch wäre vor lauter Stolz fast geplatzt. All die Jahre des Studierens und der Entbehrungen erschienen ihr damals, als sie diese Buchstaben las, nicht umsonst gewesen zu sein. John hatte letztlich sein hochgestecktes Ziel erreicht, und sie hatte ihn dabei unterstützt. Aber nun, einige Jahre älter und sehr viel erfahrener geworden, wusste sie, dass das Namenschild für sie nicht mehr nur ein Versprechen, sondern auch eine Art Bedrohung darstellte. Das Messingschild wirkte auf Liz wie ein Symbol für eine ungeheuer lange Zeit, in der John für seine Karriere gearbeitet hatte. Der Beruf verschlang John mit Leib und Seele. Die Kinder und sie waren Nebensache. Nicht jetzt, ermahnte sie sich. Vergeude nicht die kostbare Mittagspause mit Grübeln. Als sie John geheiratet hatte, wusste sie genau, wie Johns Verhältnis zur Medizin war. Sie wusste, hinter diesem alles fordernden Beruf würde sie immer nur den zweiten Platz belegen. Ihr Problem war, dass sie sich niemals hätte vorstellen können, wie weit dieser zweite Platz vom ersten Platz entfernt sein würde. Ihr war klar, dass Johns Patienten stets Vorrang vor ihr und den Jungen haben würden. Diese Tatsache schmerzte sie mehr, als sie sich eingestehen wollte. Liz verdrängte diese Gedanken schnell, öffnete die Tür und betrat dann den Flur, der zu Johns Praxis gehörte. Sie schaute in das Wartezimmer und war beruhigt. Das Zimmer war leer und die Ruhe vielversprechend. Liz ging den Gang weiter entlang, dessen dicker brauner Teppichboden das Geräusch ihrer Schritte verschluckte. Sie versuchte, sich Johns Überraschung vorzustellen und lächelte. Seit der Geburt ihrer Zwillinge vor sechs Jahren, war sie nicht mehr an einem Wochentag in der Praxis gewesen. Die Tür zu Johns Sprechzimmer war halb geöffnet. Liz wollte sie gerade ganz aufstoßen und liebevoll „Guten Tag" sagen, als sie sah, was sich in dem Zimmer abspielte. Eine junge blonde Frau in weißem Kittel stand im Raum, eng an Johns breiten Oberkörper geschmiegt. Er hatte sich über sie gebeugt und hielt sie fest an sich gedrückt. Die Frau schluchzte. Ungläubig beobachtete Liz, wie die junge Frau nun begann, Johns Wangen zu streicheln. Dann strich sie ihm eine dunkle Haarsträhne aus der Stirn. Bei diesem Anblick kribbelte es Liz in den Fingerspitzen. Sie konnte förmlich Johns feines Haar und sein glatt rasiertes Kinn spüren, und sie ahnte, welche Empfindungen die Blondine bei der Berührung von Johns gesunder, straffer Haut hatte. Liz wurde wütend. Dieser aufgedonnerten Person sollte es erlaubt sein, Liz' Mann zu berühren? Liz wurde beinahe übel, ihr Herz begann zu rasen. Aber bevor sie dem Gefühl, verraten worden zu sein, Ausdruck verleihen konnte, hörte sie die leise, kindlich wirkende Stimme der blonden Frau sagen: „O Johnnie, es ist so furchtbar." Johnnie! Liz glaubte sich verhört zu haben. John hasste es, so genannt zu werden. Liz trat schnell den Rückzug an. Wie versteinert verließ sie die Praxisräume und schlug den Weg zu Saras Büro ein. Dabei hatte sie nur einen Gedanken: verschwinden, bevor Johnnie, der Name fraß wie eine Säure in ihr,
und die Blonde sie entdeckten. „Liz!" Sara unterbrach die Unterhaltung mit ihrer Sprechstundenhilfe und schaute Liz besorgt an. „Was ist los mit dir? Du bist ja weiß wie eine Wand, und du zitterst ja. Wo ist John?" „Du meinst wohl Johnnie." Liz folgte Sara in das mit Bücherregalen vollgestopfte, kleine Büro. Dankend nahm sie eine Tasse Kaffee an und setzte sich dann in einen weichen Ledersessel. „Johnnie?" wiederholte Sara. „Liz, was ist passiert?" Liz presste die zitternden Lippen aufeinander. Es erschien ihr treulos, wenn sie das, was sie soeben gesehen hatte, einer anderen Person, selbst wenn es ihre Freundin war, enthüllte. Dennoch brauchte sie unbedingt jemanden, dem sie ihr Herz ausschütten konnte. Schließlich war Sara nicht nur ihre Freundin, sondern auch Psychiaterin und daher relativ objektiv in der Beurteilung von Problemen. „Ich wünschte, ich wüsste es genau." Liz trank einen Schluck Kaffee und bemerkte nicht einmal, dass er brühendheiß war. „Warum erzählst du mir nicht einfach alles von Anfang an?" Sara lehnte sich in ihrem Sessel zurück. Der Blick, den sie Liz zuwarf, deutete nicht nur auf ein freundschaft liches, sondern auch auf ein berufsmäßiges Interesse hin. „Als wir uns vor noch nicht einmal fünf Minuten trafen, wolltest du noch sämtliche Fleischgerichte von Rochester ausprobieren. Und nun siehst du wie ein Gespenst aus." Liz begann zu erzählen: „Da ich John überraschen wollte, ging ich einfach in seine Praxis. Dort erwartete mich eine unangenehme Überraschung. Stell dir vor, ich fand ihn, als er gerade eine kleine blonde Frau umarmte. Und was heißt blond, die Frau hatte gefärbtes Haar", fügte Liz hinzu. „Und die Färbung ist noch nicht einmal gut gelungen. Sie nannte John 'Johnnie'. Ihre Stimme klang dabei so schwächlich, dass ich ihr dringend eine Übung empfehlen möchte, die ihr Lungenvolumen erweitert. Wie konnte er mir das nur antun, Sara?" Liz' Stimme zitterte vor Empörung. „Glaubst du, dass sie ein Verhältnis miteinander haben?" fragte Sara ruhig. „Nein", antwortete Liz leise, machte eine Pause und wiederholte mit nun fester Überzeugung: „Nein! John ist ein ehrenwerter, anständiger Mann. Wenn er sich in eine andere Frau verliebte, würde er mich um die Scheidung bitten. Hinter meinem Rücken würde er so etwas niemals tun. Außerdem hat er ja nicht einmal Zeit für seine eigene Frau, geschweige für eine Frau und eine Geliebte. Aber, kannst du mir sagen, wer sie ist? Ich habe sie vorher noch nie gesehen." „Die Frage kann ich dir beantworten. Sie heißt Mandy Rome und lässt sich hier zur medizinischen Sekretärin ausbilden. Dazu gehört unter anderem auch ein zweimonatiges Praktikum in der Praxis." „Dann ist wohl das, was ich gerade gesehen habe, ein Teil dieser Ausbildung? Sehe ich das so richtig?" „Das wohl nicht gerade, aber lass es mich erzählen", antwortete Sara. „John ist bereits Mandys zweite Anlaufstelle. Der erste Arzt, dem sie zugeteilt worden war, ist Geburtshelfer. Mandy setzte offenbar alles daran, diesem zu gefallen. Das missfiel natürlich seiner Frau, und so wurde Mandy versetzt." „Großartig, da haben wir es ja mit einer wahrhaft liebestollen Dame zu tun!" „Das stimmt nicht ganz." Sara wog ihre Worte sorgfältig ab, während Liz sie ungeduldig anschaute. „Komm, Sara, raus mit der Sprache. Du weißt genausogut wie ich, dass es in diesem Krankenhaus wie in einer Kleinstadt zugeht. Wenn du es mir nicht erzählst, bekomme ich es doch heraus, denn es gibt hier immer jemanden, der
nur darauf brennt, die neuesten Gerüchte zu verbreiten." „Also gut." Sara atmete tief durch. „Wie mir meine Sprechstundenhilfe berichtete, macht Mandy kein Geheimnis daraus, dass sie einen medizinischen Beruf nur aus einem einzigen Grund erlernen möchte. Sie sucht nämlich einen Arzt, der sie heiratet. Die Tatsache, dass der erste Mann, auf den sie es abgesehen hatte, bereits verheiratet ist, war für sie nicht mehr als eine kleine Hürde. Leider hatte sie sich etwas verrechnet, indem sie annahm, er würde sich von seiner Frau scheiden lassen." „Sie konnte doch wohl nicht so dumm sein, Sex mit ernsten Absichten auf eine Stufe zu stellen?" „Wer weiß schon, wie sie denkt oder was sie tut?" Sara zuckte die Schultern. „Ich hatte bisher noch nicht viel mit ihr zu tun. Aber mir ist bekannt, dass keiner von den anderen Ärzten bereit war, sie unter seine Fittiche zu nehmen, als Mandy eine neue Aufgabe zugeteilt werden sollte. Die Verwaltung setzte zwar alles daran, den Vorfall zu vertuschen, aber die Frau des Arztes sorgte dafür, dass die Geschichte durchsickerte." „Und so hat sich Mandy dann John an den Hals geworfen", stellte Liz fest. Sie kannte Johns Neigung, allen helfen zu wollen. „Ja, so war es", stimmte Sara zu. „Aber ich bin überzeugt, dass er keine Affäre mit ihr hat." „Noch nicht", sagte Liz nachdenklich. „Was soll das denn heißen?" „Ich bin mir nicht ganz sicher." Liz strich mit zitternden Händen durch das braune schulterlange Haar. „Vielleicht habe ich auch einfach zuviel darüber gelesen, dass Männer plötzlich aus der Ehe ausbrechen. John wird in diesem November fünfunddreißig, und dieses blonde Gift ist mit Sicherheit jünger als ich mit meinen siebenundzwanzig Jahren. Sie muss ungefähr so alt sein, wie ich war, als John um meine Hand anhielt." „Was ist nur los mit dir, Liz? Du bist doch sonst so ausgeglichen und vernünftig. Es passt so gar nicht zu dir, auf Grund eines einzigen Zwischenfalls gleich die Kontrolle über dich zu verlieren.“ „Mag sein, dass du recht hast." Dann schüttelte Liz unsicher den Kopf. „Als ich John so in der Umarmung mit einer anderen Frau gesehen habe, fielen mir die unterschiedlichsten Gedanken ein. Eins kann ich aber schon mit Gewissheit sagen. Diese Szene hat mir ganz und gar nicht gefallen." „Nun hör aber auf", widersprach Sara. „John zeigt nicht die geringsten Anzeichen dafür, dass er unglücklich ist." „Richtig, aber ebenso hätte ich auch wetten können, dass ich ihn niemals mit seiner Sekretärin in einer so eindeutigen Situation vorfinden würde", sagte Liz nachdrücklich. „Wahrscheinlich reagiere ich zu heftig, aber es passt alles nur zu genau in das klassische Muster. John zeigt nämlich alle Symptome, die auf einen gelangweilten Ehemann schließen lassen. Es gibt für ihn nur noch die Arbeit. Frau und Kinder sind Nebensache. Wir sprechen eigentlich nie mehr miteinander, wobei ich natürlich die tiefergehenden Aussprachen meine, in denen es um Dinge wie Gefühle, Hoffnungen oder Ängste geht. Ich muss schon glücklich darüber sein, wenn ich ihn am Abend überhaupt zu sehen bekomme. Von ausführlichen Diskussionen kann ich momentan nur träumen. Und zu alledem kommt nun auch noch diese andere Frau, die sich zwischen uns zu drängen versucht." Liz wirkte niedergeschlagen. „Ich glaube zwar nicht eine Sekunde daran, dass er mich bisher betrogen hat, aber langsam hege ich den Verdacht, er ist zumindest reif für eine Liebesaffäre." Sie schwieg einen Augenblick und fuhr dann fort: „Sara, ich könnte es nicht ertragen. Ich glaube, ich liebe John heute sogar noch mehr als vor zehn
Jahren, als wir geheiratet haben. Und das, obwohl er mir von Tag zu Tag mehr entgleitet." „Dann musst du schleunigst etwas unternehmen. Der erste Schritt, an die Lösung eines Problems heranzugehen, ist, erst einmal herauszufinden, um was für ein Problem es sich überhaupt handelt. Das hast du bereits getan. Du hast festgestellt, dass er sich in eurer Ehe langweilt. Jetzt gibt es nur eine Möglichkeit. Du musst versuchen, euer Zusammenleben interessanter zu gestalten." „Es hört sich an, als ob ich die Alleinunterhalterin spielen soll." Liz musste nun doch lachen. „Das stelle ich mir schwierig vor, da er mich, wenn er schon einmal zu Hause ist, kaum beachtet. Und außerdem ist da immer noch das Problem mit dem kleinen blonden Luder. Was kann ich gegen so eine Frau schon unternehmen?" „Du könntest zum Beispiel verlangen, dass er sie versetzen lässt", schlug Sara vor. „Nein, dann würde er denken, dass ich ihm nicht traue. Zudem wäre es ihm sicher peinlich, zum Leiter der Ausbildungsabteilung zu gehen und diesem vorzutragen, dass es der Wunsch seiner Frau sei, dass die Sekretärin versetzt wird. Das kann ich ihm nicht zumuten." „Was hast du statt dessen vor?" „Ich werde jetzt einfach in Johns Praxis zurückgehen, ihn von diesem skrupellosen männerverschlingenden Persönchen befreien und ihn mit zum Essen nehmen. Was ich danach mache, weiß ich nocht nicht." Zuletzt klang Liz' Stimme traurig. Johns Wartezimmer war immer noch leer. Dieses Mal ging Liz nicht direkt in Johns Sprechzimmer, sondern rief laut: „Hallo, ist hier jemand?" „Es ist Mittagspause", hörte Liz in diesem Augenblick Mandy antworten, die hinter einem Medizinschrank gestanden hatte. „Der Doktor ist nicht hier und wird auch nicht vor dreizehn Uhr dreißig zurück sein." Mandy schaute Liz gereizt an. Die Art, wie Mandy sie kurz abfertigte, ärgerte Liz, aber sie ermahnte sich, nicht überempfindlich zu reagieren. „Ich weiß, dass jetzt Mittagszeit ist", begann sie, wurde jedoch unterbrochen, weil John in diesem Augenblick aus seinem Zimmer kam. „Liz!" Johns Stimme drückte Freude aus. Die Wärme, mit der er sie ansah, ließ Liz die düsteren Gedanken vergessen. Sie wurde plötzlich ganz ruhig. Wie auch immer er ihrer Ehe gegenüberstehen mochte, in diesem Moment schien er sehr glücklich darüber zu sein, Liz zu sehen. „Was treibt dich denn in die Stadt? Sind Rob und Jaimie auch hier?" Er schaute sich suchend um. „Heute ist doch ihr erster Schultag", erinnerte Liz. Johns Vergesslichkeit überraschte sie nicht. Er war in der letzten Zeit so beschäftigt gewesen, dass er zeitweilig nicht einmal wusste, welcher Monat oder welcher Tag gerade war. „Und da ich mich heute morgen nicht um die Kinder kümmern muss, wollte ich dich zum Essen einladen." „Wir haben uns soeben ein paar Hamburger bestellt", mischte sich Mandy in das Gespräch ein. „Doktor Langdon ist sicherlich so nett und überlässt Ihnen auch seinen Hamburger, Miss ...?" Liz zwang sich, höflich zu bleiben, obwohl sie Mandy am liebsten aufgefordert hätte, zu verschwinden. Doch Liz war klug genug, sich ihre Gedanken nicht anmerken zu lassen. Sie wusste nur zu gut, dass John unhöfliche, unbeherrschte Frauen hasste. Und wenn er sich der Blonden wirklich angenommen hatte, würde er sie mit Sicherheit auch verteidigen, wenn
er es für nötig hielt. „Rome, Mandy Rome", stellte John vor. „Mandy is t für zwei Monate bei mir tätig, um ihr Praktikum zu machen. Mandy, darf ich Ihnen meine Frau Liz vorstellen?" „Mandy." Liz nickte und tat dabei so, als hätte sie diesen Namen noch nie gehört. „Mrs. Langdon." Mandys übertrieben respektvolles Benehmen zielte ganz offensichtlich darauf ab, Liz das Gefühl zu geben, dass sie einer anderen Generation angehörte als Mandy. Liz ärgerte sich. Und der Umstand, dass Mandy sie nicht endlich allein ließ, machte sie auch nicht gerade froher. „Lass uns gehen, John. Wir haben nur noch eine Viertelstunde Zeit", drängte Liz. „Aber..." Mandy versuchte wieder, etwas einzuwenden. Doch John hörte nicht mehr zu. Er schlüpfte aus seinem Arztkittel und ergriff das graue Jackett. „Das war heute das bisher beste Angebot." Auf Johns attraktivem Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. „Ich hoffe nur, dass du mehr als fünfunddreißig Cents mit hast. Denn ich bin sehr hungrig." „Habe ich nicht, aber dafür habe ich eine von deinen Kreditkarten dabei." Liz machte ein verschmitztes Gesicht. „Du gefällst mir." John hakte sie lächelnd unter. „Auf Widersehen, Mandy. Es war nett, Sie kennengelernt zu haben." Liz blickte die junge Frau, der die Enttäuschung anzusehen war, ungerührt an. Mandy tat ihr fast leid, denn sie war so leicht durchschaubar, dass es schon beinahe jämmerlich wirkte. „Lass mich fahren", schlug Liz vor, während sie mit John über den Parkplatz, der den Ärzten vorbehalten war, auf ihren grünen Kombiwagen zuschritt. „Du darfst dich zurücklehnen und dich ausruhen." „Ich soll mich ausruhen, während du fährst?" protestierte er und stieg auf der Beifahrerseite ein. „Du bist gemein. Du weißt ganz genau, dass ich bisher noch keinen Unfall hatte." „Es ist das ,bisher', was mich beunruhigt." John lehnte sich gegen die Kopfstütze, schloss die Augen und rieb sich den Nasenrücken. Liz setzte sich hinter das Steuerrad, drehte sich zu John hin und betrachtete ihn. Eine Welle von Zärtlichkeit durchströmte sie beim Anblick ihres offensichtlich sehr müden Mannes. Jedes einzelne seiner vierunddreißig Jahre war ihm anzusehen. Fast wirkte er noch etwas älter. „Müde?" fragte sie ihn liebevoll. „Ja", seufzte er, „sehr müde. Der Notfall gestern abend hat sich Gott sei Dank nicht als Hirnhautentzündung herausgestellt. Das Baby der Peters ist über den Berg. Mit ein wenig Glück bin ich zum Abendessen zu Hause. Ich werde es mir auf dem Sofa gemütlich machen, die Füße hochlegen und mir das Footballspiel im Fernsehen anschauen." „In Ordnung, Granpa." Liz beugte sich zu ihm hinüber, um ihm beim Anlegen des Sicherheitsgurtes zu helfen. Dabei berührte sie mit ihrem Busen flüchtig Johns festen, durchtrainierten Oberkörper. Mit einem Schlag hatte sie vergessen, was sie machen wollte. Ein prickelndes Gefühl breitete sich in ihr aus. Liz betrachtete Johns Gesicht und lächelte dabei. Er wirkte unbeteiligt. Sie wollte doch einmal sehen, wie lange er es aushalten würde. Nicht umsonst war sie zehn Jahre mit ihm verheiratet. Sie wusste, wie sie ihn erregen konnte. Behutsam zeichnete sie mit der Fingerspitze sein linkes Ohr nach, ließ die Hand ein wenig tiefer gleiten und fuhr nun sanft mit der Spitze des Fingernagels über Johns Kinn.
Johns Atem wurde schneller. Liz begann sein Ohr mit der Zungenspitze zu erforschen. „Liz, was tust du?" „Das müsstest du als studierter Mediziner doch wissen", neckte sie und küsste ihn zärtlich auf die Wangen, aufs Kinn und auf den Mund. „Es ist heller Tag, und wir befinden uns auf einem öffentlichen Parkplatz, der zu einem ehrenwerten Krankenhaus in Rochester gehört." John protestierte nur halbherzig. Er umfasste ihre Taille und zog sie sanft auf seinen Schoß. Liz schmiegte sich herausfordernd an John. „Du bist eine kleine Hexe." Johns Stimme klang rau, und Liz spürte, dass ihre Annäherungsversuche nicht ohne Wirkung geblieben waren. „Johnnie?" Eine zarte Stimme drang durch das Seitenfenster. „Q nein", seufzte Liz auf, als sie Mandys Stimme erkannte. „Was tun Sie denn hier?" rief Mandy aus. „Und ihr wollt Mediziner sein?" Liz verdrehte die Augen. „Nicht einer von euch scheint sich in Sachen Sex auszukennen." „Ich weiß nicht, wie es bei Mandy ist. Ich jedenfalls werde mich heute abend, während der Halbzeit des Footballspiels, näher mit diesem Thema befassen", sagte John lachend. „Schön zu wissen, welchen Platz ich in deiner Hitliste belege!" entgegnete Liz. „Hier ist es wohl etwas unpassend", bemerkte Mandy. Sie war durch den Anblick des aneinandergeschmiegten Paars sichtbar verstört. „Schauen Sie doch nicht so entsetzt. Mein Mann kann nichts dafür. Ich habe mich ihm einfach an den Hals geworfen. Er hatte keine andere Wahl." Liz konnte sich eine gewisse Schadenfreude nicht verkneifen, als sie den beleidigten Ausdruck in Mandys Gesicht sah. „Was können wir für Sie tun?" fragte Liz, während sie versuchte, von Johns Schoß zu rutschen. Das gelang ihr nicht, da John die Arme noch fester um sie legte. „Beweg dich nicht", flüsterte er ihr ins Ohr. „Wir wollen das arme Kind doch nicht mit den nackten Tatsachen des Lebens konfrontieren, oder?" „Hm." Liz amüsierte sich innerlich über seine Zwangslage und war überzeugt, dass Mandy den Schock überleben würde. „Was ist los, Mandy?" John klang ernst. „Mrs. Farber hat angerufen. Ihr Kind ist krank. Ich weiß nicht, was ich tun soll." „Worum geht es im einzelnen?" fragte John. „Im einzelnen?" Mandy sah verwirrt aus. „Mandy, das müsste Ihnen doch langsam klar sein. Also: Hat das Baby Fieber? Schmerzen? Erbricht es? Welche Symptome gibt es noch?" Liz bemerkte den ungeduldigen Unterton in Johns Stimme. War er bereits bedient von Mandys mädchenhaftem Getue? „Gehen Sie, und rufen Sie Mrs. Farber zurück. Wenn sie immer noch besorgt ist, versuchen Sie, nach vierzehn Uhr einen Termin abzumachen. Sonst werde ich sie nach der Mittagspause noch einmal anrufen. Mrs. Farber ist eine frischgebackene Mutter. Sie gerät leicht in Panik. Wahrscheinlich braucht sie nur eine kleine psychologische Unterstützung. Nun gehen Sie schon, und kümmern sich um die Angelegenheit." Mandy verzog das Gesicht und versuchte nicht einmal, ihren Ärger über Johns unfreundliche Behandlung zu verbergen. Liz lächelte Mandy freundlich an, obwohl sie fand, dass diese die Zurechtweisung durchaus verdient hatte. Mrs. Farbers Anruf war für Mandy sicher nur ein willkommener Anlass gewesen, Johns Mittagspläne
zu durchkreuzen. Mandy drehte sich widerwillig um und ging. „Das muss unbedingt heute abend vollendet werden." John küsste Liz heftig auf die leicht geöffneten Lippen und schob seine Frau auf den Fahrersitz. „Fahr los", kommandierte er scherzhaft und schnallte sich an. „Ich bin sehr hungrig, und wer weiß, was ich noch ank nabbere, wenn ich nicht sofort etwas zu Essen bekomme." Gehorsam startete Liz den Kombiwagen. „Ich würde mich nur zu gern anbieten, aber leider müssen wir ja an deine Stellung in der Klinik denken, Johnnie." Der Kosename rutschte ihr heraus. „Ärger dich nicht über Mandy. Sie hatte in der letzten Zeit nicht viel zu lachen." John gähnte. Und Mandy wird noch weniger zu lachen haben, wenn sie es nicht lernt, die Finger von Männern anderer Frauen zu lassen, dachte Liz, während sie rasant anfuhr. Zehn Minuten später lenkte sie den Kombi geschickt in eine winzige Parklücke. „Siehst du? Was habe ich gesagt?" triumphierte Liz. „Der Platz ist groß genug. Zumindest, wenn du mit auf meiner Seite aussteigst." „Kann ich die Hände wieder vom Gesicht nehmen?" John blinzelte durch die Finger und betrachtete den rosafarbenen Cadillac, der höchstens zehn Zentimeter von ihrem Auto entfernt stand. „Meine Frau ist lebensmüde. Ich kann mir einfach nicht erklären warum du bisher noch keinen Unfall verursacht hast." „Das liegt an meinem schnellen Reaktionsvermögen", sagte sie schmunzelnd. „Nun lass uns aber essen gehen. Ich bin sehr hungrig." „Ich auch." Er lächelte sie hingebungsvoll an, und Liz fühlte sich plötzlich wie von einem Druck befreit. Sie war dabei auszusteigen, als sie einen Schrei ausstieß. John hatte sie kräftig in den wohlproportionierten Po gekniffen. „John Langdon!" Liz holte mit der Hand nach ihm aus. „Entschuldige, ich konnte nicht widerstehen." Liz notierte die Parkplatznummer. Sie hatte es einmal geschafft zu vergessen, wo sie ihr Auto geparkt hatte. Seitdem war sie vorsichtig geworden. Sie fuhren mit dem Fahrstuhl bis zum Einkaufsgeschoß und bummelten durch die große überdachte Halle. Dann gingen sie auf Sibleys Kaufhaus zu. „Beschütz mich, John!" flehte Liz auf einmal. „Beschützen? Wovor?" fragte John verwundert. „Wir müssen direkt an Godivas Schokoladen-Auslagen vorbei." „Hast du etwa Angst, dass eine Pralinenschachtel nach dir greift?" „Nein, das nicht. Aber ich werde nach den Pralinen greifen", antwortete Liz. „Na und - ist das schlimm?" „Schlimm? Hast du überhaupt eine Ahnung, wie viele Kalorien so eine Praline hat? Bloß vom Anschauen nehme ich schon fünf Pfund zu." „Solange du die Pfunde an den richtigen Stellen zunimmst..." John betrachtete Liz' zierlichen Körper. Wie zufällig streifte er mit dem Arm die feste Wölbung ihres kleinen Busens. Liz erschauerte bei dieser Berührung. „Ich werde da mal ein bisschen nachhelfen." John betrat den Laden und lächelte die nicht mehr ganz junge Verkäuferin strahlend an. „Ich hätte gern drei Pfund Pralinen." „John!" Liz versetzte ihm einen Stoß in die Rippen. „Ich beeile mich ja schon, Darling." Der Verkäuferin erklärte er: „Sie hat einen Heißhunger auf Pralinen."
„Das ist unfair!" Liz warf ihm einen verärgerten Blick zu. „Dafür habe ich großes Verständnis. Ich kann mich genau daran erinnern, wie es mir ging, als ich schwanger war." Die Frau hinter dem Ladentisch sah die verlegene Liz mitfühlend an. „Ich hatte allerdings eine Schwäche für Bratkartoffeln." Sie überreichte John die Pralinen in einer goldfarbenen Plastiktüte. John durchsuchte seine Taschen nach Geld, seufzte dann und sah Liz bittend an. Liz reichte der Verkäuferin die Kreditkarte. „Danke, Liz. Ich muss meine Brieftasche irgendwo liegengelassen haben." „Wahrscheinlich zusammen mit deinen Kreditkarten", sagte Liz schlagfertig. Dieser Vermutung lagen immerhin zehn Jahre Erfahrung zugrunde.
2. KAPITEL „Zwei Plätze?" Die Bedienung sah John auf eine Art an, die Liz ärgerte. „Ja." John lächelte die Frau unpersönlich an. Er schien ihre eindeutigen Blicke nicht zu bemerken. Liz war sich selbst ein Rätsel, während sie der Frau durch den überfüllten Raum folgte. Was war nur los mit ihr? Plötzlich störte es sie, dass eine andere Frau John anschaute. Die Begebenheit von heute morgen - Mandy in Johns Armen - hatte, ihre heile Welt zerstört. Liz musste ihre Ehe nun wohl endlich so sehen, wie sie wirklich war, und nicht, wie sie sie sich wünschte. Die Bedienung blieb stehen, um einer jungen Frau mit einem Baby auf dem Arm und einem pummeligen kleinen Mädchen an der Hand Platz zu machen. Das kleine Mädchen stolperte und fiel auf das Hinterteil. Bevor die Kleine jedoch schreien konnte, stellte John sie wieder auf die Füße. Das Kind blickte John überrascht an und war offensichtlich fasziniert von dem großen Fremden. „Dada!" stieß die Kleine jubelnd hervor. „Entschuldigen Sie bitte", sagte die Mutter. „Dada ist ihr Wort der Woche." „Ihr Vater ist sicherlich sehr stolz auf sie." Liz bemerkte eine gewisse Traurigkeit in Johns Stimme. John liebte Kinder. Eigent lich hatten sich John und Liz eine größere Familie gewünscht. Leider war es Liz während ihrer Schwangerschaft nicht gutgegangen. Die Zwillinge mussten durch einen Kaiserschnitt ins Leben geholt werden. Liz zögerte daher, das Risiko eine r erneuten Schwangerschaft einzugehen. Als die Zwillinge drei Jahre alt wurden, hatte John angedeutet, dass er nun beabsichtige, die Familie zu vergrößern. Liz wollte jedoch lieber warten, bis sich Jaimie und Rob in die Kinderkrippe eingelebt hätten. Später schob Liz dann vor, warten zu müssen, bis die beiden in den Kindergarten gingen. Schließlich hatte John aufgehört zu fragen. Liz ergriff Johns Hand und drückte sie. Wer von ihnen beiden brauchte eigentlich mehr Trost? John, weil er sich so sehr eine Tochter wünschte? Oder sie selbst, weil sie nicht den Mut zu einer weiteren Schwangerschaft aufbrachte? Die Kellnerin wies ihnen einen Tisch zu und legte zwei Speisekarten darauf. Sie lächelte John noch einmal an und ging. John rückte Liz den Stuhl zurecht und nahm gegenüber Platz. „Was darf ich mir bestellen?" Liz erinnerte sich an Johns Medizinstudium und die Assistenzzeit in der Klinik. Während dieser Zeit hatten sie wenig Geld gehabt. Sie mussten sich immer erst besprechen, welches Menü sie sich leisten konnten. „Was immer du möchtest." Johns Blick ruhte auf ihren schimmernden Lippen. „Und wenn es nicht auf der Karte steht?" Liz sah ihn verschmitzt an. „Dann musst du wohl weiter hungern", antwortete er scheinbar ernst. „Heute abend..." „Ich weiß, während der Halbzeit." „Für spezielle Kunden wie dich bin ich eventuell bereit, mehrere Minuten des dritten Viertels zu opfern." „Oh, das nenne ich Ergebenheit." „Was möchten Sie bestellen?" unterbrach die Kellnerin in diesem Augenblick ihre Unterhaltung. „Für mich bitte nur Salat und Kaffee", bestellte Liz. John wählte Roastbeef. „Bitte bedienen Sie sich an der Salatbar", sagte die Kellnerin und stellte den Kaffee auf den Tisch. John und Liz gingen zum Salatbüfett, das reiche Auswahl bot. In Windeseile hatte Liz ihren Teller gefüllt. Bedauernd sah sie auf all die Delikatessen, die auf ihrem Teller keinen Platz mehr fanden. „Du kannst dir ja noch eine Tüte für zu Hause mitgeben lassen", neckte John, während er nur einen grünen Salat und ein Brötchen zu seinem Roastbeef auswählte.
„Und dann verspreche ich dir, dass wir nächste Woche wieder hierhergehen. Vor allem, wenn du mich wieder einlädst." „Ich dachte, Männer haben es nicht so gern, wenn Frauen zahlen", erwiderte Liz. Sie gingen zu ihrem Tisch zurück. „Das ist anders, wenn man verheiratet ist. Ich erinnere mich noch genau an das, was der Priester gesagt hat. Wir wären jetzt ein Leib, und das, was deins ist, ist meins, und was meins ist, ist auch deins." „Ja, aber ..." begann Liz und unterbrach sich, als ihr die Bedeutung seiner Worte klar wurde. „Moment mal, mein Freund. Das hast du dir aber klug zurechtgelegt. Ich habe es anders verstanden." „Vielleicht hast du recht", gab John zu. „Ich war während der Trauung nicht ganz bei der Sache. Ich musste immer daran denken, dass ich dich bald im Bett haben würde." „John Langdon! Und das vor dem Altar des Herrn!" Sie versuchte die Empörte zu spielen. „Das ist seine eigene Schuld. Wer sagte denn: Gehet hin und mehret euch." „Die Betonung lag doch wohl auf, Gehet hin'. Aber du warst ja so ungeduldig. Es hat mich ziemlich gewundert, dass wir es noch bis zum Hotelzimmer geschafft haben." „Das lag nicht an mir", entschuldigte er sich. „Du warst eine reizvolle Frau." Warst! Es traf Liz wie ein Hammerschlag. Hastig senkte sie den Kopf, um ihre Bestürzung zu verbergen. John hatte in der Vergangenheit gesprochen. Das Wort hallte in Liz nach. Es war ihm sicherlich nur herausgerutscht. Trotzdem fragte sie sich, ob sie ihren Sex-Appeal bereits verloren hatte. „Stimmt irgend etwas nicht, Liz?" Johns besorgter Blick beruhigte sie ein wenig. „Es ist alles in Ordnung, ich überlege nur gerade, was ich zuerst probiere." Ihr gelang ein strahlendes Lächeln. Zu ihrer Erleichterung ließ John das Thema fallen, und Johns Piepser ertönte. John sah Liz reuevoll an. „Beinahe hätten wir es geschafft", seufzte er. „Das macht nichts. Den Kaffee habe ich fast ausgetrunken. Geh du nur und ruf deine Zentrale an. Ich bin gespannt, wer jetzt wieder schwer verletzt ist. Währenddessen lass ich die Rechnung kommen." John ging. „Liz! Was machst du denn hier in der Stadt?" Eine schlanke Rothaarige kam in Begleitung eines Herrn an Liz' Tisch. „Wo sind die Zwillinge?" „Herrje, Carol, die Zwillinge und ich sind nicht unzertrennlich." Liz fühlte sich an einem wunden Punkt getroffen. „Hallo, Gary", begrüßte sie Johns Kollegen. „Dann sieht es wohl nur so aus?" witzelte Carol. „Nun aber mal im Ernst. Was tust du hier allein?" Sie schaute auf den zweiten Teller. „Hast du vielleicht ein Rendezvous?" flüsterte sie theatralisch. „Ja." Liz blickte sich um, als müsste sie sich vergewissern, dass ihnen niemand zuhörte. Dann fuhr sie fort: „Mit der Liebe meines Lebens." „Wo du gerade davon sprichst..." Gary lächelte, als John sich ihnen näherte. „Carol, Gary", grüßte John. Er legte seine Hand auf Liz' Nacken und drückte ihn zärtlich. „Ich fürchte, wir müssen jetzt gehen, Liebes. Es war die Notaufnahme." „Ich hoffe, es ist nichts Ernstes passiert." Liz packte ihre Sachen zusammen. „Nein. Ein Kind hat sich am Kopf verletzt. Die Wunde lässt sich mit einigen Stichen nähen. Die Mutter braucht ein Beruhigungsmittel, wie mir die Schwester sagte." „Trink in Ruhe deinen Kaffee aus, Liz", bot Gary an. „Ich bin gerade auf dem
Weg zurück ins Krankenhaus. Ich werde John mitnehmen, und du kannst mit Carol einkaufen gehen." Liz wollte nicht die Rückfahrt in Johns Begleitung gegen einen Einkaufsbummel mit Carol eintauschen. Doch John nahm Liz die Entscheidung ab. „Danke, Gary. Ich muss sowieso mit dir über das Baby der Willings reden. Wir treffen uns an der Kasse." „Ich gehe mir noch die Hände waschen. Treffen wir uns in der Halle, Liz?" fragte Carol. „Okay", stimmte Liz zu, obwohl sie nicht wusste, ob sie Lust dazu hatte, den Nachmittag mit Carol zu verbringen. Es war nicht so, dass sie Carol nicht mochte. Seit beide zusammen den Kindergarten besucht hatten, waren sie Freundinnen. Doch war Liz nicht bereit, sich Carol anzuvertrauen oder die Sorglose zu spielen. Aber noch weniger wollte Liz nach Hause, wo sie nur Stille erwartete. „Viel Spaß heute nachmittag. Denk einmal nicht an die Kinder und kauf dir selbst etwas Schönes." John streichelte zärtlich Liz' Wange. „Soll ich dir etwas mitbringen?" „Ich wüsste nicht, was." Besitzergreifend legte John den Arm um Liz und führte sie aus dem Raum. „Hast du alles, was du für dein Treffen in Washington brauchst?" fragte sie. „Tagung", verbesserte er. „Es ist die Jahrestagung der Kinderärzte." „Oh." Woher sollte sie es wissen? John hatte nicht mit ihr darüber gesprochen. Sie musste sich allerdings eingestehen, dass sie in den vergangenen Jahren kein großes Interesse für seinen Beruf gezeigt hatte. Diese Erkenntnis betrübte sie. „Ich wünsch' dir einen netten Nachmittag." Liz küsste ihn, und sie trennten sich in der Vorhalle. Liz fand Carol, die sich auf einem Sofa ausgestreckt hatte und vor sich hin murmelte. „Geht es dir gut?" Liz setzte sich dazu. „Sicher geht es mir gut. Ich spreche nur mein Mantra. Ich sammle Energien für heute nachmittag." „Mantra?" Liz runzelte die Stirn. „Ich habe einen neuen Kurs belegt. Meditatio n. Das soll helfen, mein Bewusstsein zu erweitern. Das einzige aber, was erweitert wird, ist mein Umfang. Die Frau des Ausbilders backt nämlich die köstlichsten Kekse." „Das sind eben die Schwierigkeiten der höheren Erziehung." „Woher willst du das wissen? Seit du das College verlasen hast, um John beim Studium zu unterstützen, hast du doch keinen Kursus mehr besucht." „Bildung erlangt man nicht nur durch Unterricht." Liz kannte Carols scharfe Zunge zu gut, um gekränkt zu sein. „Wenn ich ehrlich bin, muss ich gestehen, dass ich nur auf das College gegangen bin, weil ich nicht wusste, was ich mit meinem Leben anfangen sollte. Als ich John traf, wusste ich es." „Das klingt ja erniedrigend! Jeder Mensch braucht doch eine Aufgabe, eine Erfüllung." „Wenn das Hinmurmeln von ,oh mani padme hum' deine Erfüllung ist, kannst du es vergessen. Und wenn du dein Gerede von der Frauenbefreiung nicht ablegst, kannst du mich vergessen. Ich bin schließlich Mutter von Zwillingen, mehr Ärger brauche ich nicht." „Ärger!" Carol ve rzog das Gesicht. „Den heiligen Stand der Mutterschaft bezeichnest du als Ärger?"
„Ich warne dich, Carol." „Entschuldige", sagte Carol lachend, „ich konnte nicht widerstehen. Normalerweise bist du doch nur für deine Zwillinge da. Es ist ein Schock, von dir zu hören, dass Mutterschaft nicht nur aus Honigschlecken besteht." „Das ist also der Eindruck, den ich erwecke?" fragte Liz verunsichert. „Nur Mutter?" „Ich meine es ja nicht böse, aber alle Frauen begleiten ihre Männer auf Tagungen und Kongresse, du nicht." „Das wird anders, wenn die Zwillinge den ganzen Tag in der Schule sind. So, was steht heute nachmittag auf der Tagesordnung? Wir können eineinhalb Stunden totschlagen. Wir hingebungsvollen Mütter sind zu Hause, wenn der Schulbus eintrifft." Liz klang fröhlich, obwohl Carols Behauptungen sie seltsam berührt hatten. Sie sehnte sich nicht danach, im Ruf einer Supermutter zu stehen, die ihre Kinder abgöttisch liebt und darüber den Mann vergisst. Hatte sie John wirklich vernachlässigt? Mit aller Macht stürmten die Bedenken wieder auf sie ein. Entschlossen verdrängte sie sie. „Zuerst möchte ich in die Abteilung für Bücher und dann in die für Damenwäsche. Dieses Wochenende nimmt Gary mich mit nach Washington. Ich möchte sehr sexy aussehen." „Du Glückliche." Liz unterdrückte einen unerwarteten Anflug von Neid auf die kinderlose Carol. Die hatte die Möglichkeit, ihren Mann auf all seinen Geschäftsreisen zu begleiten. In der Bücherabteilung herrschte großes Gedränge. „Was ist hier denn los?" fragte Liz. „Ich habe lange nicht mehr so viele Frauen um einen guten Platz kämpfen sehen. Zuletzt vor zwei Jahren, als der Baseballspieler Autogramme gegeben hat. Du weißt doch, der Dressman für Herrenunterwäsche." „Ja!" Carol schwärmte. „Den Slip mit seiner Unterschrift habe ich immer noch. Erinnerst du dich?" „Wie kann ich die Freundin vergessen, die einem Mann eine Unterhose aufdrängt, damit er ihr ein Autogramm darauf gibt. Und die dann auch noch ausruft, er sähe in Unterhosen viel besser aus als ihr Mann." „Ich war aber auch so aufgeregt", entschuldigte sich Carol fröhlich. „Ich wusste doch nicht, dass er hier sein würde. Ich hatte nichts anderes, worauf er mir ein Autogramm hätte geben können. Nur die Unterhose, die ich gerade gekauft hatte. Es gab keinen Grund für dich, davonzurauschen, als würdest du mich nicht kennen." „Mach dir nichts mehr daraus", versuchte Liz sie zu beruhigen. „Wer ist denn heute hier?" „Bliss Storm." Carols Stimme klang ehrfürchtig. „Storm ... Storm..." überlegte Liz. „Was hat sie geschrieben?" „Was hat sie geschrieben?" Carol sah ihre Freundin entsetzt an. „Zu deiner Information, meine kleine Ungebildete, Bliss Storm ist zufällig die aufregendste Autorin der Gegenwart. Ihr Buch ‚Leidenschaft im Sand' ist seit Ewigkeiten an der Spitze der Bestsellerlisten." „Das klingt ungemütlich." „Das klingt eher nach Spaß, meinst du wohl", seufzte Carol. „Sie war in allen TalkShows zu Gast und ..." „Nein, das meine ich nicht", unterbrach Liz sie. „Ich meinte die Leidenschaft im Sand. All die kleinen Sandkörner im Haar und auf der Haut, gar nicht zu reden von den piksenden Pflanzen und Käfern oder..." „Liz Langdon, du bist kein bisschen romantisch!" „Warum sagst du das? Weil ich ein bequemes Bett einem sandigen Boden
vorziehe?" „Im Bett ist es langweilig", antwortete Carol verständnislos. „Im Bett kann es jeder. Was für eine Beziehung wichtig ist, ist das Element der Aufregung oder Gefahr." „Das kann ich haben, wenn ich meinen Mann auf dem Untersuchungstisch verführe. Diese Dinger sind hart wie Stein, schmal und hoch über der Erde. Nach einer Sandkiste brauche ich da wirklich nicht zu suchen." „Du bist ein hoffnungsloser Fall! Mir ist ein Rätsel, wie du einen so prächtigen Mann wie John mit deinen altmodischen Ansichten überhaupt halten kannst." Carol bemerkte nicht, dass Liz erblasste. „Warte hier, ich reihe mich in die Schlange ein, um mein Buch signieren zu lassen." Da sie ihrer Stimme nicht traute, nickte Liz nur. Carols Urteil traf offensichtlich zu. Es bestätigte nur, was Liz auch schon befürchtet hatte. Sie bangte um ihre Ehe. Liz starrte auf die Auslage von Kochbüchern, ohne sie wahrzunehmen. Konnte es sein, dass sich John nach zehn Jahren Ehe mit ihr langweilte, während sie doch zufrieden war? Sehnte er sich nach einer jungen Gespielin, die gern mit ihm im Sand herumtollen würde? Konnte Mandy diese Gespielin für ihn sein? „Kann ich Ihnen helfen?" unterbrach eine höfliche Verkäuferin Liz' düstere Gedanken. Liz drehte sich um. „Nein, vielen Dank. Ich warte auf meine Freundin, die sich von Miss Storni ein Autogramm geben lässt. Ich nehme an, es wird noch etwas dauern." Die Verkäuferin erwiderte stolz: „Die Autogrammstunde ent wickelt sich zu einem großen Erfolg. Miss Storm schreibt so wundervolle Bücher. Allerdings halte ich .Leidenschaft im Sand' für ihr bestes Buch. Sind Sie nicht auch dieser Ansicht?" Liz brauchte nicht zu antworten. Die Frau entfernte sich plötzlich, um eine Kundin daran zu hindern, sich vorzudrängeln. Liz nahm die Gelegenheit wahr, hinter einem Bücherstand zu verschwinden. Unbeobachtet schmökerte sie nun in der Abteilung für Selbsthilfebücher. Ihr Blick fiel auf die lebensgroße Abbildung einer üppigen Frau in den Armen eines attraktiven Mannes, bei dessen Statur Tarzan vor Neid erblasst wäre. Unter dem Pappbild stand in großen schwarzen Buchstaben: „Trägt Ihr Mann Sie auf Händen?" „Nein", sagte Liz zu sich selbst. „Mein Mann würde sich eher lustig darüber machen und behaupten, er könnte sich dabei ja einen Bruch heben." Sie nahm eins der Bücher in die Hand. Derselbe Kraftprotz, dieselbe halbnackte Frau schmückten den Umschlag. Darüber stand der Titel: „Zehn narrensichere Wege, eine müde Ehe zu beleben." Neugierig öffnete Liz das Buch und las das Vorwort. Der Autor ermahnte seine Leserinnen, die im Buch beschriebenen Methoden dazu zu benutzen, die Ehemänner rechtzeitig vor einer Midlife-Krise zu bewahren. Viele Frauen würden die Männer an jüngere Frauen verlieren, weil ihnen die Informationen fehlten. Interessiert überflog Liz das Inhaltsverzeichnis. Besonders fielen ihr folgende Kapitelüberschriften auf: „Der Konkurrenzkampf mit der jüngeren Frau", „Wie gelange ich auf die geistige Stufe meines Mannes?" und „Wie kann ich das Liebesleben aufregender gestalten?". Liz schloss das Buch und schaute sich um. Sie fühlte sich wie in ihrer Schulzeit, wenn sie einen verstohlenen Blick in ein Playboy-Magazin geworfen hatte. Sie hatte immer gedacht, sie würde eine perfekte Ehe führen. Aber jetzt, im Verlauf nur eines Vormittags, schien Liz in einem Meer von Unsicherheit zu versinken. Dieses Buch versprach ihr, sie durch die verwirrenden Tiefen zu führen. Entschlossen nahm sie die Kreditkarte heraus und ging auf die freundliche Verkäuferin zu. Vielleicht konnten ihr die Ideen des Buchs helfen, zumindest aber würde ihr das Lesen Klarheit über ihre Zweifel geben.
„Himmel!" Carol war ganz außer Atem, als sie fünfzehn Minuten später Liz traf. Das signierte Buch presste Carol stolz an die Brust. „Frauen können aber auch Biester sein. Eine hat mir doch ihren Schirm in den Rücken gestoßen, als ich versuchte, mit Miss Storni über ihr neues Buch zu reden." Sie bemerkte Liz' Tüte: „Hast du dir auch etwas gekauft? Lass mich raten. Etwas für die Zwillinge, stimmt's?" „Richtig", schwindelte Liz. „Also wirklich, Liz, du bist einfach spießig", beklagte sich Carol. „Da sitzt hier eine berühmte Autorin und verteilt Autogramme. Und statt dir eines geben zu lassen, kaufst du ein Kinderbuch!" „Wenigstens bin ich nicht in den Rücken gestoßen worden." „Das war mir die Sache wert", sagte Carol und fuhr in ihrer lebhaften Art fort: „Wenn du um halb drei zu Hause sein musst, gehen wir jetzt am besten in die Abteilung für Damenwäsche hinauf." Liz folgte Carol über den breiten grauen Teppich, der bis in die Wäscheabteilung führte. Die Regale und Ständer dort waren voll mit Seidenslips, Sets von Spitzenhöschen und BHs und verführerischen Chiffon-Hemdchen. Diese Artikel kosteten wesentlich mehr als Liz' gewöhnliche weiße BHs, Baumwollslips und leuchtende Flanellpyjamas. „Was suchst du denn, Carol?" „Etwas, was meinen Mann umhaut. Den ganzen Tag über mag er bei seinen Besprechungen sein. Nachts jedoch werde ich ihn für mich haben." Carol sah sich einige Babydolls an. „Wie findest du die?" „Wenn sie nach Quadratzentimetern berechnet werden, bekommst du sie für weniger als einen Dollar", hänselte Liz. „Und das bei unseren hohen Preisen." „Warum begleitest du John eigentlich nicht auf den Kongress der Kinderärzte?" Carol verlor das Interesse an den Kleidungsstücken. „Ich denke mir, dass du ihn doch gern hören würdest." „Ihn hören?" „Wie er die Eröffnungsansprache hält", sagte Carol ungeduldig. „Du weißt, dass es eine große Ehre ist, darum gebeten zu werden. Gary würde alles dafür geben, wenn er die Ansprache halten dürfte," Liz wandte sich ab und tat so, als betrachte sie ein Nachthemd, damit Carol nicht sehen konnte, welchen Schock sie Liz versetzt hatte. John sollte die Eröffnungsrede halten, und er hatte es ihr nicht einmal erzählt - geschweige denn sie dazu aufgefordert, ihm zuzuhören. Das letzte Mal hatte er sie vor fünf Jahren gebeten, mitzukommen. Er hatte eine Forschungsarbeit verlesen müssen und war sehr aufgeregt gewesen. Damals hatte sie ihn wirklich begleiten wollen, um ihm moralische Unterstützung zu geben. In der letzten Minute hatte einer der Zwillinge verrückt gespielt, und sie konnte die Jungen nicht allein lassen. Sie hatte sich damit entschuldigt, dass die Kinder - solange sie so klein wären - sie mehr benötigten als ein erwachsener Mann. Wenn sie John vor fünf Jahren begleitet hätte, müsste Liz heute nicht erst von Carol über seine hervorragenden Leistungen hören. Auf einmal wurde Liz klar, wie sehr sie sich im Laufe der Jahre von Johns Interessen entfernt hatte. Das war nicht immer so gewesen. Am Anfang hatte er all seine täglichen Erfolge und Niederlagen mit ihr besprochen. Dann kamen die Zwillinge zur Welt, und John und Liz hatten keine Zeit mehr, lange Unterhaltungen zu führen. Was ist passiert? fragte sich Liz. Hatte John ein verständnisvolleres Ohr gefunden? Mandy Rome ging ihr nicht aus dem Kopf. „Liz!" Die ungeduldige Carol befreite Liz von den beunruhigenden Gedanken. „Was ist nur los mit dir? Du starrst dieses scheußliche Nachthemd an, als würde es dich gleich anspringen."
„Entschuldige." Liz atmete tief durch und sah auf ein Regal mit Höschen aus reiner Seide. Und das gefällt den Männern? Sie konnte dafür wetten, dass es in dem gerade gekauften Buch ein vollständiges Kapitel über Reizwäsche gab. „Weißt du, Carol, ich werde einmal leichtsinnig sein." „Was hast du vor? Willst du dir geblümte Schlafanzüge anstelle von einfarbigen kaufen?" Carol lachte. „Nein, ich werde mich von oben bis unten in Reizwäsche kleiden. Wenn du Lust hast, kannst du mir beim Aussuchen helfen." „Meinst du das ernst?" Carol war verblüfft. „Du wirkst doch gar nicht sexy. Mehr wie das nette Mädchen von nebenan, weißt du, wie Doris Day." „Immerhin hat die in ihren Filmen den Mann jedesmal bekommen, den sie wollte." „Du hast bereits einen Mann. Und was für einen. Wenn ich nicht so fürchterlich in meinen kleinen Dicken verliebt wäre, würde ich dich beneiden." „Tatsächlich?" fragte Liz unsicher. Dass Carol John anziehend fand, hatte Liz bisher noch nicht bemerkt. Und sie kannte Carol nun schon so lange. „Honey, ich müsste ja blind sein, wenn er mir nicht aufgefallen wäre. Und ich meine nicht nur seine Erscheinung. Dein Mann ist ein unheimlich netter Kerl." „Danke." Liz fand es beunruhigend, dass die Freundin John sexy fand. Das war ein weiterer Schlag, der Liz heute traf. Wenn ihr heute morgen jemand erzählt hätte, dass der einfache Wunsch, mit John essen zu gehen, ihr geordnetes Leben derart durcheinanderbringen würde, hätte sie laut gelacht. Aber verlief ihr Leben wirklich so angenehm und ruhig? War das vielleicht nur die Oberfläche? Möglicherweise lagen darunter viele uneingestandene und ungelöste Probleme. Kamen die jetzt mit aller Gewalt ans Tageslicht? Liz wusste es nicht. Einer Sache war sie sich jedoch sicher: Das Alltagsleben war plötzlich aus der Bahn geraten.
3. KAPITEL
„Die erste Klasse ist einfach super, Mom", schwärmte Jaimie und stopfte noch einen Schokoladenkeks in den Mund. Da Jaimie mit vollem Mund nicht weitersprechen konnte, nutzte Rob schnell die Gelegenheit aus: „Das ist sie wirklich, Mom. Wir haben ganz hinten im Bus bei den großen Jungen gesessen. Einer von den Großen hat uns gezeigt, wie man die allerallerbesten Krampen macht." „Krampen!" Liz war bestürzt. „Ja." Jaimie schluckte den Keks hinunter. „Man muss das Papier ordentlich zusammenfalten und ganz fest drücken. Dann sind sie schön hart und fliegen ganz weit." „Wirklich, ganz weit." Robs schwarze Augen hatten bei diesen Worten einen verzückten Ausdruck. „Ich hab' einen fünf Sitze weit geschossen und die dumme Ellie Kaminsky am Rücken getroffen." „Es hat richtig geknallt." Jaimie machte ein anschauliches Geräusch und verteilte dabei Kekskrümel über den gesamten Küchentisch. „Sie hat fürchterlich geschrien", fügte Bob befriedigt hinzu. „Die Busfahrerin auch." „Du hast doch nicht etwa Mrs. Dickson getroffen?" fragte Liz drohend. „O nein." Rob sah aus wie ein Unschuldsengel. „Das würde ich nie tun. Du hast doch gesagt, dass wir die Busfahrerin nicht ablenken dürfen." „Okay, ihr beiden, jetzt hört mir einmal gut zu." Beschwörend sah Liz ihre Sprösslinge an. „Nie wieder, ich wiederhole: nie wieder beschießt ihr jemanden mit Krampen!" Sie bemerkte, dass Bob nachdenklich wurde, und sprach weiter: „Unter keinen Umständen. Ist das, klar?" „Aber Mom", protestierte Jaimie, „wir schießen doch nur auf Mädchen." „Würdet ihr bitte zur Kenntnis nehmen, dass auch ich ein Mädchen bin?" „Nein, das bist du nicht!" Rob schien empört über diese Behauptung zu sein. „Du bist eine Mom, und Moms sind viel zu alt, um Mädchen zu sein. Und alle Mädchen sind Waschlappen und heulen immer nur." „Das ist ja wohl auch kein Wunder, wenn ihr die Armen mit Krampen beschießt." „Aber Mom..." „Kein Aber. Das ist mein Ernst." Liz überlegte kurz, ob sie den Jungen damit drohen sollte, John von ihren Heldentaten zu berichten. Doch sie wollte John nicht als Drohmittel benutzen. Bisher hatte sie Erziehungsfragen immer allein entschieden. Sie war der Meinung, dass eine Bestrafung unmittelbar folgen musste, und deshalb konnte sie nicht warten, bis John abends nach Hause kam. Sie wünschte sich jedoch, John wenigstens einmal dabeizuhaben, wenn sie die Jungen bestrafen musste. „Habt ihr mich verstanden?" Liz kannte die Fähigkeit der Jungen, nur so zu tun, als gehorchten sie. Jedes Thema musste daher gründlich besprochen werden. „Dürfen wir jetzt nach draußen?" versuchte Rob abzulenken. „Ihr werdet nie wieder mit Krampen schießen. Verstanden?" „Ja, aber das gefällt mir überhaupt nicht", entgegnete Rob. „Jaimie?" Liz bedauerte sofort, ihn angesprochen zu haben, denn als er antworten wollte, versprühte er eine ungeheure Menge halbgekauter Kekse. „Ein Kopfnicken genügt, wenn du den Mund voll hast", sagte sie schnell. „So, was habt ihr sonst noch in der Schule erlebt?" Rob dachte nach und sagte dann: „Freddy Dryden hat fürchterlich geschrien, als seine Mutter ihn an der Schultür allein lassen wollte."
„Der arme Junge", sagte Liz mitfühlend. „Er ist nicht arm!" Rob trank einen .Schluck Milch. „Seine Mutter hat ihm einen Dollar gegeben, damit er ruhig ist. Er sagt, wenn er jeden Tag einen Dollar bekommt, macht das fünf Dollar die Woche." „Damit würde ich nicht rechnen. Früher oder später wird es seine Mutter schon merken", meinte Liz trocken. „Meinst du wirklich?" Offensichtlich hielt Jaimie Mrs. Dryden für nicht sehr intelligent. „Das schwöre ich dir." „Aber..." begann Rob, wurde jedoch durch ein lautes Klopfen an der Tür unterbrochen. „Jaimie, Rob!" ertönte eine Jungenstimme. „Beeilt euch, ich warte!" „Wir müssen gehen, Mom." Rob trank die Milch aus, während Jaimie die Hosentaschen mit Keksen vollstopfte. „Die brauche ich für später", erklärte Jaimie. Liz nickte nur. Sie wusste schon seit langem, dass der Appetit der beiden durch nichts verdorben werden konnte. „Und sagt Ryan, wenn er nicht sofort aufhört, gegen die Tür zu treten, werde ich ihn ..." Doch die Zwillinge waren bereits hinausgestürmt. Krachend fiel die Tür hinter ihnen ins Schloss. „Soviel zur ersten Klasse." Liz wischte die Krümel vom Tisch. Sie musste an den ersten Tag der Jungen im Kindergarten denken. Damals hatten sie, nachdem sie wieder zu Hause waren, den Rest des Tages an ihrem Rockzipfel gehangen. Und nun, im fortgeschrittenen Alter vo n sechs Jahren, erzählten sie ihr nicht einmal das Wichtigste vom ersten Schultag. Außerdem waren ihnen Schokoladenkekse viel wichtiger als alles andere. Die Zwillinge werden größer, dachte Liz traurig. Sie wachsen heran und werden mich irgendwann verlassen. Meine Babys sind keine mehr, sondern kleine Persönlichkeiten mit eigenen Gedanken und Ideen. Wie schön war es doch, als die beiden noch Säuglinge waren. Würde es mit einem kleinen Mädchen genauso sein? Liz versuchte sieh vorzustellen, wie es wohl aussehen würde. Auf jeden Fall müsste es sich immer vor fliegenden Krampen in acht nehmen. Liz musste lächeln. Sie dachte daran, welche Meinung die Zwillinge vom weiblichen Geschlecht hatten. Plötzlich bemerkte Liz, dass die Phantasie mit ihr durchging. Sie wollte doch kein weiteres Kind mehr. Woher kamen diese Gedanken nur auf einmal? Liz führte sie auf den bisher sehr aufregend verlaufenen Tag zurück. Sie durchdachte noch einmal die Ereignisse. Dabei fiel ihr das neue Buch wieder ein. Jetzt hatte sie Zeit, einen Blick hineinzuwerfen. Sie goss sich lauwarmen Kaffee in eine Tasse, nahm das Buch aus der Tüte und ging ins Wohnzimmer. Dort setzte sie sich auf das gelbe Sofa. Sie genoss es, einfach so dazusitzen. In diesem Zimmer fühlte sie sich immer sehr wohl. Die anderen Räume hatten sie mit praktische n Möbeln in unterschiedlichen Brauntönen eingerichtet, damit es nicht so auffiel, wenn die Kinder etwas beschädigten. Das Wohnzimmer jedoch war für umsichtige Erwachsene ausgestattet und hatte helle Frühlingsfarben. Liz trank einen Schluck Kaffee und schlug dann entschlossen das Buch auf. Das erste Kapitel hatte den Titel: „Wie lerne ich, mich wirkungsvoll zu verständigen?" Der Autor erklärte, dass es wichtig war, zwischen der Abneigung gegen die Gewohnheiten des Partners und der Abneigung gegen den Partner selbst zu unterscheiden. Liz stellte gerade fest, dass die Ausführungen unzureichend waren, als sie hörte, dass die Vordertür geöffnet wurde. „Benutzt den Hintereingang, Jungs", rief sie laut. „Ich bin es, Liz", antwortete John.
Sie war überrascht und schlug schnell das Buch zu. Verzweifelt suchte sie nach einem Versteck. Auf keinen Fall wollte sie, dass John das Buch sah. Er würde viel zu viele Fragen stellen. Und sie wusste ja selbst nicht einmal genau, warum sie es gekauft hatte. Schnell stopfte sie es hinter ein Sofakissen, bevor John den Flur entlang kam. „Was ist los?" fragte er. Liz stand in der Mitte des Raums und wirkte nervös. „Nichts", sagte Liz. Ein verstohlener Blick zum Sofa beruhigte sie. Das Versteck war sicher. „Ich bin überrascht, dich zu sehen. Das ist alles. Ich kann mich nicht erinnern, wann du das letzte Mal nachmittags zu Hause warst." „Ich muss wieder in die Klinik zurück. Ich will nur kurz duschen und mich umziehen. Ein Baby hat mich naßgemacht." John zeigte auf den feuchten Fleck an seinem linken Hemdsärmel. „Das ist nun mal dein Berufsrisiko", sagte Liz lachend. „Ich komme mit nach oben und leiste dir Gesellschaft." „Das ist schön." John zog sie an sich, und Liz spürte seine raue Hose an ihren unterhalb der kurzen Baumwollshorts nackten Beinen. Während sie auf die Treppe zugingen, unterdrückte Liz den Wunsch, Johns durchtrainierte Oberschenkel zu streicheln. „Wo sind die Jungen?" fragte John, der sich ihrer Nähe offenbar nicht so bewusst war wie sie sich seiner. „Sind sie noch nicht aus der Schule zurück?" „Zurück und wieder weg", antwortete Liz. „Sie waren lange genug hier, um ein paar Dutzend Kekse zu verdrücken und einen halben Liter Milch zu trinken. Dann sind sie mit Ryan weggegangen.« „Wie war denn ihr erster Schultag?" „Das weiß ich nicht. Das interessanteste Erlebnis war, dass ihnen die älteren. Jungen gezeigt haben, wie man Krampen herstellt. Damit haben die kleinen Rowdys dann die armen Mädchen beschossen." „Sie werden ihre Meinung über Mädchen noch ändern." John blieb stehen und ließ Liz als erste ins Schlafzimmer. „Für mich waren Mädchen früher auch nur dafür da, um hinter Flugbällen im Außenfeld herzujagen. Heute weiß ich, dass sie für alle möglichen Dinge gut sind." Er ließ die Hand unter Liz' dünnes gelbes T-Shirt gleiten. „Ja, wir sind sehr vielseitig, nicht wahr?" Liz löste sich von ihm. Sie ging über den dicken blauen Teppichboden zum Mahago nischrank an der gegenüberliegenden Wand. „Ihr könnt aber auch frustrierend sein." John folgte ihr und schaute zu, wie sie saubere Socken und Shorts aus der Schublade nahm. „Bitte schön, ist das nicht eine nette Bedienung?" fragte sie, warf die Sachen auf das riesige Doppelbett und setzte sich auf den Bettrand. Sie fühlte die kühle Satindecke an den nackten Beinen und genoss dieses Gefühl. „Von dir lass' ich mich gern bedienen", antwortete John schmunzelnd und knöpfte sein beschmutztes Hemd auf. Liz ergriff John beim Arm und zog ihn zu sich auf das Bett. Dann half sie ihm, das Hemd auszuziehen. Zärtlich küsste sie seine Brust. Ihre Liebkosungen entlockten ihm einen tiefen Seufzer. Liz war zufrieden. Sie befanden sich an keinem exotischen Ort, sondern nur im Schlafzimmer. Und John begehrte sie, auch wenn sie nur ein abgetragenes T-Shirt und alte Shorts trug. Langsam gewann Liz ihr Selbstvertrauen wieder, das durch die Erlebnisse des Tages stark erschüttert worden war. „Liz?" Johns Stimme klang rau. „Mm?" Spielerisch fuhr sie mit der Zungenspitze über seine Brust. Dann ließ sie die Hand an seinem Körper hinabgleiten und merkte dabei, dass sie auf dem richtigen Weg war. Bedeutungsvoll zerrte sie an Johns Gürtel. Ihre
Brustspitzen wurden hart, und wohlbekannte Gefühle breiteten sich nun in ihrem Körper aus. „Darling!" John umfasste Liz' bebende Schultern. Mit zittrigen Fingern öffnete sie seine Hose. John stand auf, und sie half ihm beim Ausziehen. Liebevoll betrachtete sie ihn. Man konnte ihm das Verlangen ansehen. Liz streichelte sanft seinen Rücken. Kleine Schauer durchliefen sie - sie war bereit. Liz war nicht mehr die überlegene Verführerin, sondern selbst gefangen im süßen Liebesspiel. „Verführerische kleine Hexe!" Ungeduldig zog er ihr das T-Shirt aus. Dann öffnete er schnell den BH und warf ihn achtlos auf den Boden. „Was hast du vor?" „Kannst du dir das nicht denken?" John betrachtete sie einge hend. Sein Blick ruhte auf ihren kleinen Brüsten, deren rosafarbene Spitzen hervorstanden. Behutsam nahm John Liz in die Arme. „Doch - ich glaube schon. Aber vor allem sieht man es dir an." Er legte die Hände auf die weiche Rundung ihrer Hüften und drückte Liz heftig an sich. Plötzlich hörten sie Rob, der polternd die Treppe heraufkam. „Warte auf mich, ich muss meinen Walkie-talkie holen!" „Beeil dich", antwortete Jaimie von unten. „Ach du liebe Güte!" rief John aus. Liz starrte nur auf die offenstehende Schlafzimmertür. Die hätten sie wohl besser schließen sollen. Aber Liz hatte ja nicht erwartet, dass es so weit kommen würde. „Schnell!" John ließ sich neben das Bett fallen und zog Liz mit sich. Nun konnten sie nicht mehr gesehen werden. Liz kuschelte sich an ihn. „In Zukunft müssen wir besser aufpassen." Während Rob am Schlafzimmer vorbeilief, umschloss John mit den Lippen zärtlich Liz' Mund. Sie gab sich ganz Johns Zungenspiel hin. Kurz darauf war zu hören, dass Rob seine Zimmertür zuschlug und nach unten lief. Liz genoss, wie John ihre Brüste liebkoste, und sie wehrte sich nicht, als er sie auf den Teppich niederdrückte. Sie bebte vor Verlangen, während er ihre Brustknospen küsste und heiße Ströme sie durchführen. „Jetzt - John!" „Ich tue alles, was du willst, Darling." Hastig zog er ihr Shorts und Slip aus und legte sich auf Liz. „Ich liebe dich, John Langdon." Sanft drang er in sie ein. Als sie aufschreien wollte, verschloss er ihr den Mund mit einem Kuss. Einen Moment lag er mit der ganzen Schwere seines Körpers auf ihr. Dann schob er die Hände unter ihre Hüften, hob sie ein wenig an und drang noch tiefer in sie ein. Er bewegte sich sehr langsam, was Liz noch mehr erregte. Sie versuchte, sich schneller zu bewegen, doch John ließ es nicht zu. Mit unglaublicher Selbstbeherrschung blieb er langsam. Liz konnte es kaum mehr ausholten. Dann bewegte er sich schneller, bis sie mit einer letzten heftigen Bewegung beide in einem Meer von Wonne versanken. Liz befand sich außerhalb von Zeit und Raum. Sie war einfach nur glücklich und ließ sich Zeit, in die Wirklichkeit zurückzukehren. John wirkte zufrieden, und sie umarmte ihn. Liebevoll streichelte sie seinen Rücken. Sie liebte ihn! Wenn jemals etwas geschehen sollte.... Sie dachte an Mandy Rome und drückte John noch fester an sich, als könne sie ihn allein mit der Kraft ihrer Arme halten. John hob den Kopf und betrachtete ihr erhitztes Gesicht. Es funkelte in seinen
Augen. „Das war schön, nicht? Meinetwegen können wir das gleich noch mal machen." Er beugte sich zu ihr hinunter. Liz staunte, als sie seine neu erwachende Leidenschaft spürte. „Mmm, ich weiß nicht." Verwirrt spürte auch sie ein neues Verlangen in sich aufsteigen. Und wieder liebkoste John ihre Brustspitzen mit der Zunge. Ein lautes Geräusch - es hörte sich wie das Stampfen einer Elefantenherde an - ließ beide zusammenfahren. John seufzte bedauernd. Er löste sich von Liz und schaute über das Bett. In dem Moment stürzte Rob auch schon zur offenen Tür herein. „Dad, was machst du denn auf dem Fußboden? Hast du Mom gesehen?" fragte Rob. „Bleib stehen. Mir ist ein Glas runtergefallen, und ich bin nicht sicher, ob ich alle Splitter aufgesammelt habe", antwortete John schnell. Liz lächelte über seine Schlagfertigkeit. Dann überlegte sie, ob sie wohl unter das Bett passen würde, falls Rob nicht gehorchte. „Gibst du uns Geld für Eis? Der Eismann ist da. Hast du nicht das Klingeln gehört, Dad?" „Nein, ich habe gerade nachgedacht." Liz musste an sich halten, um nicht laut loszulachen. Sie kannte viele Umschreibungen für das Wort „Sex", aber „nachdenken"? „Was ist nun mit dem Eis?" drängelte Rob. „Nimm, was du brauchst, vom Tisch in meinem Arbeitszimmer", sagte John. „Auch für Ryan? " Rob nutzte den für ihn günstigen Augenblick. „Meinetwegen für die ganze Nachbarschaft. Aber verschwinde endlich." „Okay." Rob stürmte jubelnd hinaus. „So." Liz stand auf. „Du bestichst also deinen Sohn. Dabei solltest du doch wissen, wie man Kinder behandelt." „Manchmal funktionieren diese Methoden eben am besten. Ich kann mich noch erinnern, dass mein Grandpa mich samstags nachmittags ins Kino schickte ..." Die Uhr schlug vier. „Heiliger Strohsack, ich sollte schon vor fünfzehn Minuten in der Klinik gewesen sein." Plötzlich war John wieder der unnahbare, gewissenhafte Arzt. Enttäuscht sah Liz ihm nach, als er ins Badezimmer eilte. Aber einen Trost hatte sie - er war mittags nach Hause gekommen. Sie hatte ihren ersten Sieg errungen. Das war also der richtige Weg. Liz sah vergnügt aus. Wer weiß, was sie noch alles erreichen konnte. Auch wenn sie sich heute unsicher fühlte, hatte sie doch bemerkt, dass John großes Vergnügen an ihr gefunden hatte. Wird in dem Buch nicht empfohlen, sich an ungewöhnlichen Orten zu lieben? dachte sie, während sie sich anzog. Der Fußboden war doch sicher ein ungewöhnlicher. Liz amüsierte sich darüber, dass sie sich hinter dem Bett verstecken mussten. Der Anfang war vielversprechend. Doch wie sollte es weitergehen? Auf jeden Fall musste sie ihre verfahrene Beziehung wieder in Ordnung bringen. Eine Schönheit bin ich wirklich nicht, dachte Liz, als sie in den Spiegel schaute. Sie hatte ein durchschnittlich aussehendes Gesicht, helle Haut, mittelbraune Augen und eine kleine Nase, deren Spitze ärgerlicherweise leicht nach oben zeigte. Ihr Kinn war eine Spur zu hart geformt. Das schulterlange braune Haar glänzte wie Seide. Der Haarschnitt trug nicht gerade zu ihrer Verschönerung bei. Sie sah nicht viel anders aus als vor zehn Jahren bei ihrer Heirat. Liz hatte lediglich
mehr Lachfältchen um die Augen. Was sie brauchte, war ein vollständig neues Äußeres. Etwas, was sie John in einem völlig anderen Licht erscheinen ließ. Sie wollte, dass John stolz auf sie war. Liz sah jedoch auch ihre Grenzen. Keine Frisur, keine neue Garderobe würde sie je in eine hinreißende Schönheit verwandeln. Aber Möglichkeiten hatte sie. Sie musste sie nur nutzen. Das Buch würde ihr dabei ein wenig helfen, hoffte sie. Es gab nämlich ein Kapitel „Wie kann ich das Beste aus meinem Typ machen?" Liz nahm ihre Notizen von der Frisierkommode und warf einen letzten Blick darauf. Heute abend würde sie das erste Kapitel in die Tat umsetzen und John in eine anregende Unterhaltung verwickeln. Sie überflog noch einmal die Liste. Eins von den Themen musste John doch interessieren. Liz hielt sich nicht für überdurchschnittlich intelligent, in einer Diskussion jedoch konnte sie sich schon behaupten. Ganz bestimmt ebensogut wie die geistlose Mandy. Der Gedanke an diese Frau bestärkte Liz in dem Willen, ihre Ehe aufzufrischen. Nachdem Liz die Notizen in ihrer Kommode versteckt hatte, ging sie nach unten, um das Mittagessen zu kochen.
4. KAPITEL „Du riechst aber gut." John küsste Liz auf die Wange. „John!" Liz stand am Herd. Sie freute sich. Er hatte es tatsächlich geschafft, pünktlich zum Essen zu Hause zu sein. Sie umarmte ihn. „Ich habe dich gar nicht kommen hören." „Das ist kein Wunder bei dem Geschrei, das die Jungen draußen veranstalten." „Ach, das höre ich schon überhaupt nicht mehr." Sie küsste ihm das Kinn, den Hals und gab ihm anschließend einen zärtlichen Nasenstüber. „Hmm." John zog sie enger an sich. Die Zeitschaltuhr des Herds klingelte, und Liz löste sich von John. Sie öffnete die Backofenklappe und nahm eine dampfende Apfelpastete heraus. John band den blauen Seidenschlips ab und warf ihn unbekümmert in Richtung Frühstücksbar. Dann nahm er sich einen gefüllten Sellerie vom Tablett auf dem Küchenschrank. „Niemand backt eine so gute Apfelpastete wie du, Liz." „Danke, Sie sind sehr freundlich, Sir." Vorsichtig schob sie die Pastete auf einen Untersatz. „Ich werde dir zeigen, dass noch viele verborgene Talente in mir stecken." „Wirklich?" Er grinste sie an. „Davon kannst du mir heute abend eine Kostprobe geben." „Ich weiß, während der Halbzeit." Sie wollte eine weitere witzige Bemerkung machen, erinnerte sich dann aber an ihren eigentlichen Plan. Sie atmete tief durch und begann mit ihrem Feldzug. „Wie war dein Tag heute?" „Einfach phantastisch. Zuerst wurde ich von einer prächtigen Brünetten zum Mittagessen entführt. Und dann...", verschwörerisch sprach er mit tiefer Stimme: „Heute nachmittag, als ich nichtsahnend nach oben gegangen bin, um mich umzuziehen, hat mich doch tatsächlich ein toll aussehendes Playgirl auf den Boden gezwungen und verführt. Und nun eine heiße Apfelpastete und die Aussicht auf ein gutes Footballspiel im Fernsehen. Was könnte sich ein Mann sonst noch wünschen?" Er seufzte leidenschaftlich, lehnte sich gegen die Anrichte und biss vom Sellerie ab. Liz beobachtete amüsiert, wie er das Gesicht vor Entsetzen verzog. Erbetrachfete die Füllung der Selleriestange genauer. „Da ist ja Erdnussbutter drin!" „Ja, das ist ein ‚Käferfloß'." „Wie bitte?" „Käfer auf einem Floß. Das ist ein altes Pfadfinderinnenrezept. Sellerie wird mit Erdnussbutter gefüllt und anschließend in Rosinen gewälzt." „Das klingt ja abscheulich." John warf den Rest des Selleries in den Abfalleimer. „Ist aber sehr gesund", erwiderte Liz. „Es enthält viel Eisen, Eiweiß und Ballaststoffe." Die Jungen essen das jeden Tag. Wenn du öfter zu Hause wärst, würdest du das wissen, dachte Liz. „Die Kinder durften heute aussuchen, was es gibt. Sie hatten doch ihren ersten Schultag." „O nein." John schüttelte sich. „Was gibt es denn noch außer diesem scheußlichen Spezialmenü?" „Das ist gar nicht so übel. Fleischspieß mit Pommes frites." „Keinen Salat oder Gemüse?" Liz sah John mitleidig an. „Sei nicht so naiv. Kein Kind würde freiwillig Salat oder Gemüse wählen. Rufst du bitte die Zwillinge herein? Ich mache das Essen fertig." „Natürlich." Bevor er jedoch ging, nahm er sich ein Stückchen von der Kruste des Apfelkuchens.
Liz sah nachdenklich aus, als sie die Fleischspieße in den Grill hängte. Sehr weit war sie mit ihrem Feldzug nicht gekommen. Die einleitende Frage hatte John mit einer spaßigen Erwiderung abgetan. Doch Liz tröstete sich damit, dass er den bisherigen Tag offensichtlich genossen hatte. Das Mittagessen war sehr nett gewesen, der Nachmittag noch schöner. Später, während der Halbzeit des Footballspiels, musste sie John unbedingt noch einmal verführen. Mit dreißig Minuten konnte man schon allerhand anfangen. Während des Abendessens werde ich noch einmal versuchen, ein ernsthaftes Gespräch mit ihm zu führen, dachte Liz und drehte die Fleischspieße im Grill. Da kann er wenigstens nicht weglaufen. Sie sah auf das weiße Telefon an der Wand. Sollte sie den Stecker rausziehen? Liz' gesunder Menschenverstand setzte sich durch. John wäre böse auf sie, und nützen würde es auch nichts. Die Klinik würde ihn einfach über den Pieper rufen. Liz hoffte, dass die Patienten einmal einen Abend ohne ihn auskommen würden. Während John das Tischgebet sprach, sah Liz ihren Mann liebevoll an. Sie konnte wirklich glücklich sein. Sie hatte zwei gesunde aufgeweckte Söhne und einen Mann, um den sie alle Freundinnen beneideten. Sicher gab es Probleme in ihrer Ehe, doch die konnten überwunden werden. Liz liebte John sehr und wollte ihn nicht verlieren. Es würde alles wieder gut werden. Sie unterdrückte die Panik, die in ihr aufstieg. Sie hatte doch bereits einen Plan, wie sie die Probleme lösen wollte. Sie musste ihn nur in die Tat umsetzen. Als John „Amen" gesagt hatte, atmete Liz tief durch und sagte dann: „Darling, warum erzählst du mir eigentlich nie, wie dein Tag so gewesen ist?" „Merkwürdig. Ich habe dir doch vorhin gerade erzählt, wie mein Tag gewesen ist." In seinen schwarzen Augen blitzte es übermütig auf. „Das meine ich nicht. Ich möchte wissen, was du sonst noch erlebt hast." Liz deutete warnend auf die zuhörenden Jungen. „Ach so. Das war ein ganz normaler Tag heute." John nahm Hob die KetchupFlasche weg. Der hatte bereits viel zuviel Ketchup auf seine Pommes frites geschüttet. „In unserem Haus gilt Ketchup nicht als Gemüse. Auch wenn die Gesundheitsbehörde das anders sieht." „Aber Dad", murrte Bob. „Mom erlaubt uns immer so viel, wie wir wollen." „Ich bin nicht eure Mutter", sagte John. „Erzählt mir, was ihr in der Schule erlebt habt." Wieder nichts, dachte Liz, als Rob zu sprechen begann. Anscheinend war Johns Arbeitstag kein Gesprächsthema. Sie fragte sich, ob es an Mandy lag, dass er nicht über seine Arbeit sprechen wollte. Liz verdrängte diesen Gedanken. Es gab doch wirklich keinen Grund anzunehmen, dass Mandy John etwas bedeutete. Liz wollte sich durch diese Frau nicht verrückt machen lassen. Die Situation war so schon schwierig genug. „Wer mag dich nicht leiden?" Liz tauchte gerade noch rechtzeitig aus ihrer Gedankenwelt auf, um Robs letzten Satz zu hören. „Monsignore Brennan", fuhr Jaimie fort. „Du kennst ihn, Mom, er wohnt bei Pastor David und ist sehr, sehr alt." „Er ist wirklich alt", sagte Rob. „Wohl noch älter als du." „Also uralt", sagte Liz. „Aber sicher irrst du dich, wenn du glaubst, dass er dich nicht mag." „Nein, ich irre mich nicht." Rob schüttelte nachdrücklich den Kopf. „Er hat zu uns gesagt, wir seien eine Satansbrut." „Der Mann hat offensichtlich ein gutes Urteilsvermögen", bemerkte John. Liz ging nicht auf Johns Bemerkung ein und versuchte, die gesamte
Geschichte aus den Jungen herauszubekommen. „Wo habt ihr den Monsignore getroffen?" „Wir haben auf den Bus gewartet. Da ging er gerade zur Schule hinüber", antwortete Rob. „Ja", sagte Jaimie und nickte. „Und Mrs. Dryden war auch da, um Freddy abzuholen." „Du weißt doch, Mom", erklärte Rob, da Liz sich nicht erinnern konnte, „die, die Freddy einen Dollar gegeben hat, damit er endlich ruhig ist." „Ach ja, Freddy, der kleine Erpresser." „Mrs. Dryden hatte Freddys neuen Bruder dabei. Der sah aber furchtbar aus, Dad. Total rot und verschrumpelt. So wie manchmal deine Hände, Mom", erzählte Jaimie. „Danke", erwiderte Liz trocken. „Ich habe ihr gesagt, sie soll zu dir gehen, Dad." Jaimie klang sehr ernst. „Du würdest das Gesicht vom Baby schon wieder glatt machen. Versprochen habe ich aber nichts, denn Wunder kannst du ja auch nicht vollbringen." „Heiliger Strohsack." John schüttelte ungläubig den Kopf. „Das hättest du nicht sagen dürfen", tadelte Liz ihren Sohn. „Warum? Das ist doch die Wahrheit." „Damit hast du aber bestimmt die Gefühle der armen Frau verletzt. Jede Mutter findet ihr Baby schön." „Wie kann man nur so dumm sein", widersprach Rob. „Ob wahr oder nicht. Bemerkungen dieser Art werdet ihr in Zukunft unterlassen. Und, um Himmels willen, lasst euren Vater aus dem Spiel." „Warum?" „Weil die Ärztekammer Werbung nicht gern sieht. Und mit der Kammer möchte ich es mir nicht verderben", erklärte John. „Okay", gab Rob nach. „Und darum ist Monsignore Brennan also böse geworden?" bohrte Liz weiter. Rob schüttelte den Kopf. „Nein, deshalb nicht. Ich weiß auch nicht, warum er so wütend geworden ist." „Was hast du denn noch gesagt?" „Ich habe gar nichts gesagt. Das war Jaimie!" antwortete Rob entrüstet. „Also - was hast du gesagt?" fragte Liz Jaimie. „Och, nicht viel." In Jaimies schwarzen Augen lag plötzlich ein unsicherer Ausdruck. „Der Monsignore hat bloß gesagt, dass er Babys so gern hat. Da habe ich ihn gefragt, ob er denn keine eigenen hätte." „Oh!" „Und dann hat er gesagt, dass die Störche ihm bisher noch keine gebracht hätten. Na, da habe ich geantwortet, dann sei das schließlich kein Wunder, wenn er immer noch denken würde, dass die Störche die Babys bringen." Liz stockte der Atem, während John in schallendes Gelächter ausbrach. „John!" Sie sah ihn wütend an. „Das ist eine ernste Ange legenheit." „Ist schon gut, Mom", versicherte Rob. „Schwester Rita sagt, das wäre bis zur Abschlussprüfung längst vergessen." „Schwester Rita unterrichtet eine achte Klasse", erklärte Jaimie. „Sie hatte Aufsicht an der Bushaltestelle." „Wie beruhigend", bemerkte Liz. „Schwester Rita sagte, wir hätten sie sehr glücklich gemacht. Sie sei froh, dass sie Nonne geworden sei. Was meint sie denn damit?" fragte Jaimie seinen Vater. Liz verschluckte sich am Kaffee. „Wenn ich du wäre, würde ich nicht weiter nachfragen", riet John. „Es ist unfassbar", stöhnte Liz. „Erst einen Tag in der Schule, und schon macht
ihr euch unbeliebt. Ich mag gar nicht daran denken, was morgen alles passieren kann." „Aber ich wollte doch nur helfen." Jaimie war ganz durcheinander. „Das weiß ich, aber..." Liz sah John hilflos an. „Mom versucht euch klarzumachen, dass ihr mit älteren Geistlichen nicht über Sex sprechen sollt. Und mit anderen Leuten auch nicht." „Warum denn nicht?" fragte Rob. „Ist Sex etwas anderes, wenn man alt ist, Dad?" „Sex ist eine intime Angelegenheit. Darüber darf man nicht sprechen", sagte Liz. „Natürlich darf man das." Jaimie unterstützte den Zwillingsbruder. „Im Fernsehen wird doch immerzu darüber geredet." „Ihr sprecht mit niemandem über Sex außer mit Mom oder mir, basta!" Johns bestimmter Ton duldete keinen Widerspruch. Es war still. Schnell nutzte Liz die Ruhe aus, um endlich ihren Plan durchzuführen. John wollte nicht über die Arbeit reden. Nun gut. Es gab schließlich noch andere Themen. Nicht umsonst hatte sie am Nachmittag mehr als eine Stunde die Tageszeitung gelesen. „Was denkst du über die Situation in Südamerika, John?" „Nicht viel", antwortete er. Jaimie bedrohte Rob mit dem Fleischspieß. Geschickt nahm John seinem Sohn den Spieß aus der Hand. „Hast du den Artikel über den bevorstehenden Zusammenbruch des Weltwährungssystems gelesen?" versuchte sie es noch einmal. John nickte. „Ja." „Dad, nimmst du uns zum nächsten Footballspiel mit?" fragte Rob. Er wollte beachtet werden. Liz suchte nach einem anderen Thema. Eine neue Frage fiel ihr ein. „Wodurch könnten wohl die Unruhen im Mittleren Osten beigelegt werden?" „Durch ein Wunder." „Du kannst doch keine Wunder machen", sagte Jaimie. „Das habe ich doch gerade Mrs. Dryden erzählt." Und ein Gespräch kann oder will er auch nicht führen. Liz hatte das Gefühl, losschreien zu müssen. Doch so schnell wollte sie nicht aufgeben. „Ich habe einen interessanten Bericht über die sino-sowjetischen Beziehungen gelesen." „Sino?" unterbrach Rob. „Was ist sino?" „Das heißt chinesisch", antwortete Liz ruhig. „Und warum sagst du dann nicht chinesisch? Warum sagst du sino?" „Ich weiß nicht. Das sagt man eben so." Liz hatte nie darüber nachgedacht. John half ihr. „Das Wort stammt aus dem Griechischen. Das heißt, eigentlich ist es nur eine Vorsilbe und kein vollständiges Wort." Liz wollte gerade ihr Thema wieder aufgreifen, als das Telefon klingelte. „Ich geh schon ran." John nahm den Hörer ab. Nach Johns ersten Worten wusste Liz, dass es die Klinik war, und fühlte einen Wutanfall in sich aufsteigen. „Entschuldige, Liz", sagte John. Er wirkte abwesend, nachdem er den Hörer aufgelegt hatte. „Ich muss gehen. Ein Kind wird in die Notaufnahmestation eingeliefert. Ich muss mich beeilen." „Du hast noch nicht einmal alles aufgegessen." „Ich werde später noch etwas essen." John band sich den Schlips um. Obwohl Liz wusste, dass sie einen Fehler machte, ließ sie nicht locker. „Willst du nicht abwarten, was der diensthabende Kinderarzt über den Fall sagt? Wenn der nicht weiter weiß, kannst du immer noch hinfahren."
„Nein, Darling." John zog sein Jackett an. „Ich muss dabeisein. Das Mädchen ist meine Patientin. Die Eltern verlassen sich auf mich." „Und was ist mit uns?" Liz' Stimme klang schrill, obwohl sie es nicht wollte. „Wir möchten uns auch auf dich verlassen können. Ich verlange ja nicht von dir, dass du das Kind im Stich lassen sollst. Du weißt genausogut wie ich, dass die Notaufnahmestation mit jeder Situation fertig wird." „Verdammt, Liz!" brüllte John. „Mach es mir nicht noch schwerer, als es schon ist. Die Verantwortung für meine Patienten werde ich nicht auf andere Mensche n abwälzen. Ich fahre in die Klinik und damit basta!" Als John ging, sah er Liz noch einmal wütend an. „Oh, Mist!" Sie knüllte die Serviette zusammen und warf sie auf den noch halbgefüllten Teller. Sie hatte sich gehenlassen und sich darüber beschwert, dass er in die Klinik musste. Sie wusste doch genau, wie er über seine Patienten dachte, wenn die ihn brauchten. Niemals zuvor hatte Liz John angeschrien. Nicht einmal als die Zwillinge noch Babys gewesen waren. Sie hatte sich immer zusammengerissen und gewartet, bis John das Haus verlassen hatte, und erst danach sich hingesetzt und geweint. Warum musste es dann heute sein? Warum war sie explodiert? Die einzige Entschuldigung, die Liz hatte, war, dass der heutige Tag sie gründlichst aus dem Gleichgewicht gebracht hatte. „Mom?" Eine zögernde leise Stimme unterbrach ihre düsteren Gedanken. Liz bemerkte, dass die Jungen sie besorgt anschauten. Sie nahm sich zusammen und versuchte, die beiden beruhigend anzulächeln. Offensichtlich gelang es ihr nicht. Die Zwillinge wirkten noch besorgter. „Mom", begann Jaimie. „Werdet ihr euch jetzt scheiden lassen?" „Scheiden lassen!" Sie fragte sich, ob die Kinder mehr wussten als sie selbst. „Nein." Sie sprach das Wort mit großer Zuversicht aus. „Aber", widersprach Jaimie, „du ha st Dad angeschrien, und er hat zurückgeschrien." „Jawohl", fuhr Rob fort. „Dannys Mom und Dad haben sich auch immer angeschrien. Da gab es ebenfalls eine Scheidung." „Das mag wohl sein. Aber wir werden uns nicht scheiden lassen", sagte Liz mit Nachdruck. „Schau einmal, du schreist doch Jaimie auch manchmal an, oder?" „Nur weil er mich wütend macht." „Du hast ihn aber doch trotzdem lieb, nicht wahr?" „Das ist doch was ganz anderes. Jaimie ist nur mein Bruder. Du bist meine Mom. Und Moms sollen Dads nicht anschreien." Nachdenklich sah Liz in die ernsten kleinen Gesichter. Vielleicht war es nicht richtig gewesen, dass sie ihren Ärger über Johns Arbeitseifer stets vor den Kindern verborgen hatte. Sie hätte ihren Unmut ruhig einmal zeigen sollen. „Moms und Dads sind auch Menschen", versuchte sie zu erklä ren. Der Gesichtsausdruck der Jungen wurde weniger skeptisch. Aber sie zweifelten immer noch. „Manchmal sind wir einander böse. Das heißt aber nicht, dass wir uns nicht lieben. Wir sind einfach ein wenig durcheinander." „Bist du ganz sicher, dass ihr euch nicht scheiden lasst?" Hartnäckig wiederholte Jaimie seine ursprüngliche Frage. „Ja, ich bin ganz sicher. Nun esst aber auf. Ich schneide jetzt den Apfelkuchen an, in Ordnung?" Sie lächelte den Jungen aufmunternd zu und hoffte, dass sie die Erklärung verstanden hatten. Zu Liz' Erleichterung war der Kuchen jetzt viel wichtiger für die Zwillinge. Sie begannen zu essen. Das ungewöhnliche Benehmen der Eltern war eine Zeitlang vergessen. Gegen neun Uhr war Liz ein Nervenbündel. Das Essgeschirr hatte sie längst abgewaschen und weggeräumt. Die Kinder schlie fen schon. John hatte durch die
Schwester von der Notaufnahme ausrichten lassen, dass er hoffe, um neun Uhr zu Hause zu sein. Normalerweise rief John selbst an. Hoffentlich war er Liz nicht mehr böse. Wahrscheinlich hatte er zuviel zu tun. Wenigstens hatte er eine Nachricht übermitteln lassen. Liz saß im Wohnzimmer und schaltete von einem Fernsehsender auf den anderen in der Hoffnung, sich von ihren beunruhigenden Gedanken ablenken zu können - vergeblich. Sie überlegte ununterbrochen, was sie John sagen sollte, wenn er endlich nach Hause kam. Sollte sie den ersten Schritt tun und sich entschuldigen? Auch wenn sie ihre Worte nicht bereute? Sie hatte doch nur ausgesprochen, was sie schon seit Jahren dachte. Eine Entschuldigung würde bestimmt unaufrichtig klingen. Liz war keine gute Lügnerin. Leid tat ihr nur der Zeitpunkt, zu dem sie die Worte gesagt hatte. Sie dachte an die besorgten Gesichter der Zwillinge. Nein, entschied sie sich. Ich werde mich nicht entschuldigen. Ich werde einfach so tun, als wäre nichts vorgefallen, und John wie immer begrüßen. Soll ich vielleicht eines meiner neuen sexy Hemdchen anziehen? Sie betrachtete sich im großen Spiegel über der Stereoanla ge und verwarf die Idee. Das wäre zu offensichtlich. So, als wolle sie mit Sex den Streit vergessen machen. Nein, sie blieb besser angezogen. Liz sah an sich hinunter und war unzufrieden. Was sie trug, passte zwar farblich gut zu ihrem braunen Haar und den Augen und unterstrich ihren zarten Teint. Doch der Schnitt der schlichten Bluse und der weite Rock konnten niemanden umwerfen. Was hatte Carol zu ihr gesagt? Hoffnungslos spießig. Und Carol hatte recht. Wütend zog Liz die Sandaletten aus und versetzte ihnen einen Stoß. Hätte sie doch nur ein paar raffinierte Kleider. Etwas, das interessanter machte. Ich kann doch jederzeit einkaufen gehen, dachte sie. Carol würde sie sicherlich begleiten. Und schließlich gab es in dem neuen Buch ein ganzes Kapitel darüber, wie man durch Kleidung und Make-up das Interesse eines gelangweilten Ehemannes wecken kann. Einen Anfang hatte sie bereits gemacht. Ihr fiel der atemberaubende Bodystock ein, den sie unter ihrer Bluse und unter ihrem Rock trug. Liz hörte die Tür klicken, drehte sich um und sah John eintreten. „Hallo Darling." Er sah sie so unsicher an, dass Liz ganz gerührt war. Auch er hatte den Streit nicht ertragen können. „Hallo." Sie erwiderte sein Lächeln. „Ich habe den Fernseher schon für dich eingeschaltet." Nervös deutete sie auf den Bildschirm. „Danke." Plötzlich zog John einen Strauß Löwenzahn hinter seinem Rücken hervor. „Für dich", sagte er. „Was anderes wächst leider nicht im Hof." Liz nahm die Blumen entgegen. Bei dem Gedanken, dass John den Hof nach ihnen abgesucht hatte, kamen ihr die Tränen. „Freunde?" fragte er. Liz sah in seine ängstlich blickenden Augen. „Beste Freunde." Sie lächelte ihn zaghaft an. „Warum setzt du dich nicht? Ich stelle schnell die Blumen ins Wasser." Fünf Minuten später standen die gelben Blumen in einer Vase mitten auf dem Küchentisch. Liz schenkte für John ein Glas Whisky ein, fügte ein Stück Eis hinzu und ging dann zurück in das Wohnzimmer. Dort saß John mit geschlossenen Augen vor dem Fernseher. Er hatte es sich im braunen Ledersessel bequem gemacht und sah völlig erschöpft aus. Liz dachte an die Klinik und die Patienten und fühlte Hass in sich aufsteigen. Es wurde zuviel von John verlangt. Mehr als ein normaler Mensch ertragen konnte. Er musste unbedingt kürzer treten. Irgendwie musste sie ihn zur Vernunft bringen.
Sie stellte das Getränk auf den kleinen Tisch neben dem Sessel. Dann zog sie John die Schuhe aus, band ihm die Krawatte ab und öffnete zwei Knöpfe seines Oberhemds. Sie beugte sich über ihn und begann, ihm die verspannten Schultermuskeln zu massieren. „Besser?" fragte sie. Die Hitze seines Körpers übertrug sich auf ihre Fingerspitzen und von dort auf ihren Körper. Unbestimmte Sehnsüchte verspürte Liz auf einmal. „Mm." John sah Liz verschmitzt an. „Du brauchst nur bei mir zu sein, und schon geht es mir besser." „Du bist ein alter Schmeichler. Soll das vielleicht ein Annäherungsversuch sein?" Sie fühlte, dass er sich unter ihren Händen entspannte. „Nein, ich möchte nur gern unter deinen Rock fassen." „John Langdon!" „Wenn du es nicht hören willst, solltest du nicht fragen." Plötzlich zog er sie zu sich hinunter. „John!" schrie Liz auf, als sie auf seinem Schoß landete. John stellte mit der Fernbedienung den Fernseher lauter. Dann trank er mit einem Schluck die Hälfte seines Whiskys aus. Liz wunderte sich. Normalerweise trank er den gesamten Abend über nur einen Whisky. Vorsichtig versuchte sie es wieder mit einem Gespräch. „Wie war es denn in der Klinik?" fragte sie. Sofort wirkte Johns Gesicht angespannt. Liz erwartete, dass er, wie sonst immer, das Thema wechselte. Zu ihrer Erleichterung tat er es nicht. „Es war die Hölle!" stieß er hervor. Bestürzt beobachtete Liz, wie er die linke Hand zur Faust ballte. „Ein Mädchen, fünfzehn Monate alt, mit einem Schädelbruch, einem gebrochenen Arm und schlimm zerschnittenem Gesicht. Man wird alle Künste der plastischen Chirurgie benötigen, um sie wiederherzustellen. Wenigstens konnten wir das Auge retten." Ärgerlich trank er einen kräftigen Schluck Whisky. „Was ist passiert?" Liz umarmte John. „Die Mutter saß auf dem Beifahrersitz und hatte das Mädchen auf dem Schoß. Der Vater musste plötzlich bremsen. Dabei wurde das Kind gegen das Armaturenbrett geschleudert. Der offenstehende Aschenbecher hat der Kleinen das ganze Gesicht zerschnitten." „Aber im Staat New York muss man sich doch anschnallen!" „Ja, natürlich", sagte John bitter. „Die Eltern glauben aber nicht daran, dass Sicherheitsgurte einen Sinn haben. Sie glauben, dass alles, was geschieht, Gottes Wille ist. Gottes Wille! Es ist unfassbar. Ich schwöre dir, Liz, ich war noch nie so nahe daran, einen Mann zu schlagen. Dieser scheinheilige Kerl. Er selbst hat das Leben seines Kindes aufs Spiel gesetzt und behauptet, es war Gottes Wille!" „Die Kleine wird doch wieder in Ordnung kommen?" „Ja, vielleicht", seufzte John. „Aber sie wird sehr lange im Krankenhaus bleiben müssen. Die Eltern können sich auf einen Besuch der Polizei gefasst machen." Er schüttelte den Kopf. „Die wird allerdings wohl nichts gegen die Eltern unternehmen können." Zärtlich küsste Liz John auf die Wange und lehnte sich an ihn. Sie wollte ihn dazu bringen, abzuschalten. Er brauchte dringend eine Ruhepause. Das war seit langer Zeit das erste Mal, dass er ihr etwas von seiner Arbeit in der Klinik erzählt hatte. In einigen Minuten, wenn er sich beruhigt hatte, würde sie ein anderes Thema anschneiden. Das würde ihn von der Sache ablenken. Im Moment jedoch benötigte er wahrscheinlich nichts mehr als die Wärme, die
von ihrem Körper ausging.
5. KAPITEL
John wirkte entspannt, als das erste Viertel des Footballspiels vorüber war. „John?" sagte Liz leise. Sie streichelte sein Kinn. „Hm? " Er sah weiter dem Footballspiel im Fernsehen zu. Da Liz ihm jetzt die Sicht versperrte, drückte er sanft ihren Kopf beiseite. „Das gibt es doch nicht!" schimpfte er. „Er hat ihn von der Seite genommen." Liz war enttäuscht, weil John sie kaum wahrnahm. Aber sie wollte nicht aufgeben. Nicht oft hatte sie die Gelege nheit, mit John allein zu sein. Meistens waren die Jungen dabei und wollten im Mittelpunkt stehen. Bis heute war Liz nicht klar gewesen, wie wenig Zeit John und sie eigentlich füreinander hatten. Sie musste den Zwillingen unbedingt beibringen, wie sie sich in einem Gespräch zu verhalten hatten. Die Kinder durften nicht ständig den Ton angeben. Die Frage war nur, wie sie es ihnen erklären konnte. Liz hatte das Gefühl, dass sich die Probleme nur so vor ihr auftürmten. Entschlossen verdrängte sie diese Gedanken. Eins nach dem anderen. Zunächst musste sie ihre Beziehung zu John auffrischen. Danach würde sie die Probleme mit den Kindern angehen. Alles andere würde sich ergeben. Sie benötigte dringend einen Gesprächsstoff, der John vom Footballspiel ablenkte. Aber Liz wollte nichts sagen, was ihn wieder aufregen würde. Es sollte ein reger Ideenaustausch werden, Südamerika und der Mittlere Osten waren nicht die richtigen Themen gewesen. Sollte sie es mit einem häuslichen Thema versuchen? In der Abendzeitung hatte sie über Kapitalanlagen gelesen. „John, sollten wir uns nicht einmal überlegen, wie wir unser Kapital anlegen wollen?" „Wie bitte?" Liz lehnte sich gegen John und sah ihm ins Gesicht, während sie wiederholte: „Wie wollen wir unser Kapital anlegen?" „Habe ich mich also doch nicht verhört. Schau dir das an!" brüllte er. „Sie haben den Quarterback schon wieder raus geschmissen." „Das ist mir egal", sagte Liz ehrlich. „Das sollte es aber nicht. Ich habe schließlich zwei Dollar auf Sieg gesetzt." „Wo du gerade von Geld redest", warf sie ein. Tapfer weigerte sie sich aufzugeben. „Was ist nun mit unseren Kapitalanlagen?" „Die interessieren mich nicht. Warum lässt du dir die Möglichkeiten nicht einfach von unserem Steuerberater erklären, wenn dich das so interessiert? Blockier ihn! Heiliger Strohsack - schon wieder der Quarterback." John war offensichtlich wütend. Schweigend nahm Liz Johns Reaktion hin. Sie verstand seine Wut, ärgerte sich aber darüber, dass sie nicht weiterkam. Er wollte über nichts anderes sprechen als über Football. Liz überlegte, ob sie dieses Thema anschneiden sollte. Doch sie wusste nicht genug über Sport. Soweit sie es beurteilen konnte, war Footballspiel nur eine Form von organisierter Körperverletzung. Ihr blieb wohl nichts anderes übrig, als zu schweigen. Mit halbgeschlossenen Augen verfolgte John gespannt das Geschehen. Konnte Liz John lange genug vom Fernsehen ablenken, um ihn zu verführen? Ihr wurde ganz warm bei dem Gedanken an den vergangenen Nachmittag. Sie überlegte, wo sie anfangen sollte. Auf jeden Fall musste sie raffiniert vorgehen und seine Gefühle erwecken. Bevor er es dann merkte, würde sie zum Angriff übergehen. Sie hauchte John viele zarte Küsse auf den Hals und die Schultern. „Ist das denn die Möglichkeit?" John schien ihre Bemühungen nicht zu bemerken. „Drittel und sechzehn. Und er ruft: Spielzug von der Mitte!" „Spielzug von der Mitte", flüsterte Liz und öffnete langsam zwei Hemdknöpfe direkt
über seinem Gürtel. Dann steckte sie die Hand in das Hemd. „Welchen Spielzug soll ich machen?" Sie streichelte Johns Haut, zuerst in kleinen, dann in immer größeren Kreisen. Liz lächelte, als John bei dieser Berührung zusammenzuckte. „Pass doch auf, Liz." „Ich pass ja auf." Sie sah ihn mit großen unschuldigen Augen an. „Du hast doch gerade gesagt, ich soll von der Mitte aus spielen." Sie ließ die Hand höher gleiten und knöpfte sein Hemd dabei ganz auf. „Ich brauche mehr Platz. Ich will ein großes Spielfeld haben." Sie sah John herausfordernd an. „Liz!“ „Lenk mich nicht ab. Ich zeichne gerade das Spielfeld auf. Lehn dich zurück, entspann dich und schau dir dein Spiel an." „Wie kann ich mich entspannen, wenn du ..." Er atmete tief durch, als Liz zärtlich mit der Zunge über seine Brust fuhr. John streckte sich noch mehr in seinem Sessel aus. Nicht, um sich zu entspannen, wie Liz mit Genugtuung feststellte. Sein Körper war angespannt, aber nic ht vor Wut. Mit dieser Anspannung würde sie fertig werden. „Schau dir nur das Spiel an. Währenddessen bereite ich deine Mitte vor. Stell dir vor, du wärst eine leere Leinwand, und ich male mit der Zunge ein Bild darauf." „Wenn du so weitermachst, werde ich nicht lange eine leere Leinwand bleiben." Er atmete schwer, während Liz mit Zunge und Mund zarte Konturen auf seiner Brust beschrieb. „In kürzester Zeit bin ich durchschaubar wie ein Röntgenbild." „Das hoffe ich", flüsterte sie. Dann öffnete sie geschickt Johns Gürtelschnalle und legte die Hände auf seine heiße Haut. „Liz Langdon, ich fürchte, ich bin zu müde, um nach oben zu gehen und mit dir zu schlafen." „Warte doch, bis du gefragt wirst. Ich möchte mich nur ein bisschen amüsieren." „Du spielst mit meinen Gefühlen, nicht wahr?" „Nein, mit deinem Körper." Sie hob den Kopf und bedeckte seinen gesamten Oberkörper mit liebevollen Küssen, dabei ließ sie die Hände noch tiefer gleiten. Liz schloss die Augen, um sich besser konzentrieren zu können. „Liz", stöhnte John und zog sie an sich hoch, den Mund nahe ihren sanft geöffneten Lippen. „Du bist der Inbegriff des verführerischen Weibes." „Danke", murmelte Liz zerstreut. John küsste sie. Liz stöhnte auf. Eine wohlige Schwäche durchlief sie. Er schob ihren Rock hoch und begann die samtweiche Haut ihrer Schenkel zu streicheln. Unruhig bewegte sich Liz auf seinem Schoß. Sie spreizte die Beine ein wenig. Langsam, viel zu langsam, glitt seine Hand höher - zum Zentrum all ihrer Wünsche. Doch er berührte sie nicht. Liz wollte, dass er weitermachte. „John!" Sie bedeckte seinen Hals mit wilden Küssen. „Liz!" Sie zuckte zusammen, als John sanft ihre weichste und empfindlichste Stelle berührte. Die Wärme in ihren Lenden wurde immer größer. Sie drängte den Unterkörper stärker gegen Johns Hand. Sie wollte kräftiger gestreichelt werden. Liz wand sich auf seinem Schoß. Auch sie wollte ihn mit der Hand berühren, ihn noch mehr erregen. Doch John lachte leise und hielt ihre Hände fest. „Hab Geduld, mein Liebes", flüsterte er und begann Liz den Rock auszuziehen. „Das ist hübsch, sogar sehr hübsch." Liz bemerkte, dass seine Hand, die auf ihrer Taille lag, leicht zitterte. Er war
also doch nicht so unbeteiligt, wie er erscheinen wollte. Sanft streichelte er über das Seidenhöschen, bis Liz vor Verlangen brannte. John berührte sacht ihren Bauch, dann knöpfte er ihre Bluse auf und betrachtete Liz anerkennend. „Prächtig." Er bewunderte den festen kleinen Busen. Die aufge richteten Brustspitzen zeichneten sich durch das elfenbeinfarbene Seidenoberteil ab. John sah Liz tief in die braunen Augen. Er umfasste zärtlich ihre harten Brüste. Liz erschauerte, ihr Herz begann zu rasen. Sie wollte ihm noch näher sein und drängte sich gegen ihn. Aber John gab ihrem Drängen nicht nach. Enttäuscht seufzte sie auf und atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Dabei sog sie den Duft seines After-shaves ein, der ihre Sinne nur noch mehr berauschte. „Das ist das aufregendste Kleidungsstück, was ich je gesehen habe." Nun fing er an, ihr den seidenen Bodystocking auszuziehen und enthüllte ihre Brüste. Einen Punkt für das Buch, dachte Liz, bevor John mit den Lippen die Brustspitze umschloss. Ein Strom des Verlangens floss durch Liz' Körper. „Ich habe eine Frage", sagte John und liebkoste dann die andere Brust. „Welche?" fragte Liz. „Wie kann ich dich von diesem Ding befreien?" „Befreien?" wiederholte sie. „Ja, damit ich mir meine verwerflichen Wünsche erfüllen kann. Und das am liebsten sofort." Zärtlich küsste er Liz' erhitztes Gesicht. „Ach, das meinst du. Das Ding ist unten aufknöpfbar." John fand schnell den Verschluss und öffnete ihn. „Nun, Darling, wirst du gleich deinem Schicksal ins Auge sehen." „Das wird aber auch langsam Zeit." Liz versuchte, ihr Verlangen zu unterdrücken. „Möchtest du nach oben gehen?" „Nein." John klang heiser. „Solange kann ich es nicht mehr aushalten. Die Jungen schlafen doch sicher schon." Mit einer ungeduldigen Handbewegung schob er das Unterteil des Body-stocks hoch. „Ich habe eine viel bessere Idee." Er umfasste ihre schmalen Hüften, hob Liz ein wenig hoch und schob sie dann in die richtige Position. Endlich spürte Liz ihn in sich. Sie verhielt sich ruhig. Es genügte ihr, dass sie mit ihm vereint war. Durchdringend blickte sie in sein Gesicht und sah, dass seine Erregung wuchs. Leicht küsste er ihre geöffneten Lippen und drang tiefer in Liz ein. „John!" Sie seufzte tief, warf den Kopf zurück, wölbte den Körper und versuchte, John noch tiefer in sich aufzunehmen. Fest hielt er sie in den Armen. „Du bist so schön", flüsterte er, als er zärtlich ihre rosafarbenen Brustknospen küsste. Dann begann John, sich zu bewegen. Der Rhythmus seiner Bewegungen löschte jeden Gedanken in Liz aus. Es gab nichts anderes mehr als John. Seine starken Arme, seine Männlichkeit. Liz schloss die Augen und ließ sich von seiner Leidenschaft mitreißen. Die Spannung wurde immer größer, ja fast unerträglich, bis sie sich auf dem Höhepunkt der Leidenschaft entlud. Wie in weiter Feme hörte Liz ihr eigenes Stöhnen im Wechsel mit Johns schnellen Atemzügen. Dann, langsam, kehrte Liz aus der Versunkenheit zurück, kuschelte sich eng an Johns Brust. Er streichelte zärtlich ihren zitternden Körper. Sie blieb einfach so sitzen und genoss Johns Umarmung. „Sieben zu null!" Die Empörung in seiner Stimme zerstörte Liz' glückselige Stimmung. „Sie haben gewonnen!" „Sie sind aber nicht die einzigen, die gewonnen haben", sagte Liz zufrieden.
Sie küsste John auf die Wange, kletterte von seinem Schoß und suchte die achtlos auf dem Boden verstreuten Kleidungsstücke zusammen. Als sie sich hinunterbeugte, um ihren Rock aufzuheben, berühr te John ihre Hüften. „Das ist die bezauberndste Reizwäsche, die ich je gesehen habe." „Das ist ein Bodystocking." Plötzlich genierte sich Liz. Sie hatte das Gefühl, dass nicht nur ihr Körper, sondern auch ihre Pläne entblößt waren." „Der gefällt mir aber viel besser als deine sonstige Unterwäsche." Er machte seinen Gürtel zu. „Irgendwo passt er besser zu dir." Liz sah ihn unsicher an. Sie wusste zwar nicht, was er damit meinte, mochte aber nicht nachfragen. Stattdessen nickte sie nur und ging dann nach oben, um zu duschen. John sah weiter auf den Bildschirm. Der heutige Tag hatte Liz völlig erschöpft, und sie hatte nur noch den Wünsch, sich ins Bett fallen zu lassen und zu schlafen. Morgen würde sie weitere Pläne schmieden. „Nein, ich werde Sie irgendwann am Morgen abholen. Danke, das ist sehr nett von Ihnen." Liz legte die Telefonhörer auf. Gedankenvoll blickte sie auf die gelbgestrichene Wand. So, das wäre erledigt. Mrs. Wyvern würde sich am Wochenende um die Jungen kümmern. Und das Reisebüro hatte auch gerade ihre Buchung bestätigt. Sie hatte noch einen Platz neben John bekommen. Nun musste sie es noch den Zwillingen beibringen. Die würden das bestimmt nicht gern hören. Ja, sie würden gewiss unglücklich über den unerwarteten Verlauf der Dinge sein. Denn sie waren so daran gewöhnt, der Dreh- und Angelpunkt in Liz' Alltag zu sein. Zumindest John wird sich freuen, ermutigte sie sich, ja, entzückt würde er darüber sein, dass sie ihn begleiten wollte, um seine Ansprache zu hören. Die Reise passte außerdem wunderbar in ihre Pläne, die Partnerschaft wieder aufzufrischen. Nun musste sie sich nur noch einige Stunden mit dem Buch beschäftigen und eine Strategie entwickeln. Bisher hatten sich die Tips des Buches als unbezahlbar erwiesen. Liz' Herz schlug schneller, als sie an Johns Reaktion auf die neue Reizwäsche zurückdachte. Wie er wohl auf die noch ausgefalleneren neuen Nachthemden reagieren würde? „Guten Morgen, Darling." John küsste Liz flüchtig auf die Wange. Er setzte sich an den Tisch und nahm sich die Tageszeitung. John hatte die Angewohnheit, morgens als erstes die Zeitung zu lesen. Bevor er damit anfing und bevor die Jungen herunterkamen, wollte Liz ihm schnell von den Neuigkeiten berichten. „John, ich möchte mit dir über die Reise nach Washington reden." „Da muss ich hin, Liz", sagte er und, bevor sie antworten konnte, sprach er weiter: „Aber ich werde dich entschädigen. Vielleicht können wir im Lauf dieses Monats noch etwas zusammen unternehmen." „Sicher." Liz konnte sich nicht mehr beherrschen. Mit aller Bitterkeit rief sie aus: „Ja, natürlich. Du hast ja auch so viel Freizeit." Als sie es gesagt hatte, wünschte sie, sie hätte es nicht getan. John machte ein verschlossenes Gesicht. So sah er immer aus, wenn sie etwas gegen seine Arbeitsüberlastung sagte. Liz holte tief Luft und versuchte, die Situation zu retten. „Tut mir leid, das ist mir nur so rausgerutscht. Eigentlich wollte ich mich nicht über diese Reise beschweren. Tatsache ist, dass ich heute morgen ebenfalls einen Platz in der Maschine gebucht habe. Ich werde dich begleiten." Sie strahlte John an und wartete darauf, dass er sich freute. Zu ihrem Entsetzen tat er es nicht. Sekundenlang sah er sogar richtig bestürzt aus. Dann setzte er das „Doktorgesicht" auf. Er wirkte ruhig, unpersönlich und völlig rätselhaft.
Liz fühlte, wie sich Panik in ihr ausbreitete. Sie hatte niemals an die Möglichkeit gedacht, dass er sie gar nicht mithaben wollte nach Washington. Sorgen hatte sie sich nur wegen der Reaktion der Zwillinge gemacht. Nun hatte sie das Gefühl, als sei ihr gesamtes Weltbild ins Wanken geraten. Sie versuchte, sich ihre Besorgnis nicht anmerken zu lassen, und fuhr ruhig fort: „Mrs. Wyvern wird sich um die Jungen kümmern. Außerdem werde ich Chris Reed fragen, ob er die beiden am Samstag mit zum Footballspiel und Sonntag mit ins Kino nimmt. Dann kann Mrs. Wyvern sich wenigstens ein bisschen ausruhen." „Aber Liz..." John stand auf, schenkte sich eine Tasse Kaffee ein und goss langsam Milch hinzu. Viel zu langsam für Liz' angespannte Nerven. „Der Kongress wird nicht gerade unterhaltsam für dich sein. Den Tag über bin ich auf Seminaren. Abends treffe ich mich mit Kollegen. Und danach muss ich noch meine Vorlesungsnotizen ins reine schreiben." Liz bekam einen fürchterlichen Verdacht. Ob John Mandy für seine Schreibarbeiten mitnehmen wollte? John würde sich nichts dabei denken. Aber dieses Flittchen würde die Gelegenheit bestimmt ausnutzen. Mandy könnte alles mögliche versuchen. Und John konnte in Bezug auf Frauen unglaublich naiv sein. Auch wenn er der intelligenteste Mensch war, den Liz jemals getroffen hatte. Sie mochte gar nicht weiter darüber nachdenken. Die beiden spät nachts allein im Hotelzimmer... Liz musste es sofort herausbekommen. „Hm — nimmst du eigentlich eine Sekretärin mit?" „Nein." John lehnte sich gegen die Arbeitsplatte und trank seinen Kaffee in kleinen Schlucken. „Das lohnt sich nicht. Im Hotel gibt es bestimmt geeignetes Büropersonal." Liz war sehr erleichtert, wollte es sich jedoch nicht anmerken lassen. Deshalb drehte sie ihm den Rücken zu und begann, Eier in eine Schüssel zu schlagen. „Du würdest die meiste Zeit allein sein." „Ich weiß, dass du sehr beschäftigt sein wirst. Trotzdem, Carol fährt doch auch mit. Ich kann mich ja mit ihr amüsieren." „Großartig", rief John aus, „das fehlt mir gerade noch zur Beruhigung. Du im Gefolge einer Kämpferin für den Feminismus. Wahrscheinlich endest du angekettet am Zaun vorm Kapitol, um gegen die Erschießung irgendeiner Terroristin zu demonstrieren." „Ich bin sicher nicht die intelligenteste Person auf der Welt, John Langdon", wehrte sich Liz. „Aber ich bin auch nicht so dumm, mich in solche Sachen hineinziehen zu lassen. Ein bisschen gesunden Menschenverstand solltest du mir schon zutrauen." John trat hinter Liz und umarmte sie. „Es tut mir leid, Darling." Er rieb zärtlich seine Nase an ihrem Hals. Dann spielte er mit der Zunge unterhalb ihres Ohrläppchens. Sie atmete den angenehmen Zitronenduft seines After-Shaves in und wurde langsam ruhig. Sie schmiegte sich eng an John. „Ich bin nicht gerade sehr entgegenkommend, nicht wahr?" sagte John. „Ich glaube, ich bin ein wenig nervös. Ich muss eine Rede halten und habe Angst, dass ich sie verpatze." „Du?" Liz drehte sich in seinen Armen um, schaute ihn mit großen Auge n an und war erstaunt über sein Eingeständnis. „Du und nervös? Deinen Zuhörerinnen ist es egal, was du sagst. Die wollen nur deinen prächtigen Körper ansehen. Und die Ärzte werden von deinen Ausführungen so fasziniert sein, dass es ihnen gleichgültig ist, wie du sie vorträgst." „Liebste Liz." Er küsste sie. „Du tust meinem Selbstbewusstsein gut." „Dann hast du also nichts dagegen, dass ich mitkomme?" Sollte sie vielleicht doch lieber zu Hause bleiben? John schäumte nicht gerade über vor Freude.
Trotzdem, Liz musste diese gute Gelegenheit nutzen, um ihrer Ehe neuen Schwung zu geben. „Nein, ich habe nichts dagegen. Ich werde Mandy anrufen, damit sie ein Doppelzimmer bucht." Da wird sich Mandy aber freuen! dachte Liz schadenfroh. Sie schämte sich kein bisschen über ihren herzlosen Gedanken. „Wir werden ...", begann sie, als die Zwillinge in die Küche stürzten. Seufzend küsste sie Johns Wange und wandte sich dann den Jungen zu. Die Unterhaltung war zu Ende. Wenigstens hatten John und Liz heute ein wenig mehr Zeit füreinander gehabt. Meistens kamen John und die Jungen gleichzeitig zum Frühstück herunter. „Guten Morgen, Rob. Guten Morgen Jaimie." Liz beobachtete die Zwillinge, wie sie Orangensaft tranken. „Langsam, langsam", warnte sie automatisch. Dann sah sie stirnrunzelnd auf Jaimies dunkelgrünen Schlips, der mit weißlichen Flecken übersät war. „Jaimie, was sind das für Flecken auf deiner Krawatte? Du kannst dich doch unmöglich jetzt schon dreckig gemacht haben?" „Worum wollen wir wetten?" scherzte John. „Oh - das ist kein Schmutz, Mom", versicherte Jaimie. „Die flüssige Seife ist ganz von allein rausgespritzt. Die habe ich dann gleich aufgewischt." Er strahlte Liz an. „Natürlich. Wofür sind Schlipse denn auch sonst da?" Liz sprach leise vor sich hin; Sie war froh, dass sie in weiser Voraussicht gleich ein Dutzend dieser grünen Dinger gekauft hatte. „Bind ihn ab, Jaimie. Ich gebe dir einen sauberen, bevor du gehst." „Okay." Gehorsam band er die Krawatte ab. Er war aber offensichtlich verwirrt darüber, dass irgend jemand etwas gegen Seife haben konnte. „Dad", fragte Bob, „Rayans Mom sagt, wenn man mit den Fingerknöcheln knackt, dann fallen die Finger ab. Stimmt das?" „Nein", antwortete John. Das Telefon klingelte. John griff nach dem Hörer, und Liz sah das verhasste Ding böse an. Das war bestimmt der Auftragsdienst. Und richtig! „Entschuldige, Liz", sagte John, nachdem er aufgelegt hatte. „Ich muss sofort los." „Aber du hast noch nicht einmal gefrühstückt", entgegnete Liz. „Ich werde in der Klinik etwas essen." Er nahm das Jackett von der Stuhllehne und zog es an. Dann tastete er suchend die Ta schen ab. „Mm - Liz, leihst du mir deine Schlüssel?" „Sie sind in meiner Tasche." Er nahm die Schlüssel aus der Handtasche. Mit einem abwesenden Lächeln in Liz' Richtung ging er hinaus. „Setzt euch, Kinder. Eure Eier sind gleich fertig." „Ich möchte keine Eier. Ich will Toast und Müsli", antwortete Hob. „Keine Eier? Wie kommt denn das?" „Justin hat gesagt, Eier sind so schleimig", erklärte Jaimie. „Justin?" Liz konnte den Namen nicht unterbringen. „Justin. Der aus dem Bus", half Jaimie ihr. „Einer von den beiden, die uns das Krampenschießen beigebracht haben." „Er geht schon in die dritte Klasse!" sagte Rob ehrfurchtsvoll. „Wenn Justin so weitermacht, wird er die größten Schwierigkeiten bekommen", flüsterte Liz vor sich hin, während sie Müsli aus dem Schrank nahm. Es hört sich so an, als hätte Justin großen Einfluss auf die Zwillinge. Liz schenkte sich Kaffee ein und setzte sich zu den Jungen, die begannen, ihr
Müsli hinunterzuschlingen. Hör endlich mit dem Gerede auf, und sag es ihnen schon, ermahnte sie sich. Bring es hinter dich! Irgendwann müssen sie es ja erfahren. Sie atmete einmal tief durch und begann: „Kinder, ich..." Neugierig schauten die beiden sie an. „Ihr wisst, dass Dad an diesem Wochenende zu einem Kongress fliegt?" „Ja, das hat er uns erzählt", sagte Rob. „Er hat uns versprochen, die Seifenstückchen aus seinem Hotelzimmer mitzubringen." Jaimie bekam ganz leuchtende Augen. „Damit kann man viele nette Sachen machen." Liz wusste zwar nicht, was er mit „viele nette Sachen" meinte, aber bestimmt gehörte die Verwendung im Badezimmer nicht dazu. Sie musste unbedingt mit John sprechen, bevor er den Jungen die Seifen schenkte. „Dad wird einen Vortrag halten. Und er möchte unbedingt, dass einer von uns dabei ist." „Ich nicht!" Rob schüttelte nachdrücklich den Kopf. „Ich verstehe kein Wort von dem ganzen Zeug." „Ich auch nicht", erklärte auch Jaimie sofort. Wer tut das schon? dachte Liz entmutigt. „Du begleitest ihn, Mom", schlug Rob vor. „Ja - du fliegst mit", sagte Jaimie. „Ihr wollt wirklich, dass ich Dad nach Washington begleite?" Liz war völlig überrascht. Keine Tränen? Kein Geschrei? „Tscha...", sagte Jaimie nachdenklich. „Wenn Dad möchte, dass einer von uns oder du ihn begleitest..." „Dann ist es besser, wenn ich mitfliege?" „Ja, er mag dich doch viel lieber als uns." Es war offensichtlich, dass Rob die „Opferung" der Mutter herunterzuspielen versuchte. „Er hat dich doch am allermeisten lieb", sagte Jaimie. „Schmeicheleien führen zu nichts, Jungs, Aber ich bin doch froh, dass ihr nichts dagegen habt. Mrs. Wyvern wird herkommen und für euch sorgen." „Sie ist nett", sagte Jaimie. „Und sie hat so schöne weiche Hüften." „Das liegt daran, dass sie viel zu dick ist", erwiderte Liz ge istesabwesend. „Wirklich?" Zu spät bemerkte Liz ihren Fehler. „Erwähnt das ja nicht Mrs. Wyvern gegenüber. Verstanden?" „Aber...“ „Kein Aber und keine Bemerkungen über ihr Gewicht. Ihr könntet ihre Gefühle verletzen. Dann macht sie vielleicht eine Diät und backt euch keine Kekse mehr," Liz gratulierte sich zu dieser klugen Erklärung. „Wir sagen nichts", versprach Rob hastig; „Wo wir doch ihre Lebkuchenmännchen so gern mögen." „So, jetzt beeilt euch aber. In zehn Minuten kommt der Bus. Ihr müsst noch die Zähne putzen." „Ach - Mom", stöhnte Rob. Liz überhörte es einfach. Rob beschwerte sich ständig über das Zähneputzen. Und Liz hatte andere Sorgen im Kopf. Niemand reagierte so, wie sie es erwartet hatte. Zuerst John. Statt sich darüber zu freuen, dass sie ihn am Wochenende begleiten wollte, war er zunächst dagegen gewesen. Dann die Jungen. Liz hatte Tränen erwartet. Doch die Zwillinge waren geradezu eifrig, sie loszuwerden. Liz wollte zwar nicht, dass die Kinder traurig sind. Aber über ein flüchtiges „Wir werden dich vermissen" hätte sie sich gefreut. Weder für John noch für die
Kinder war sie also so unentbehrlich, wie sie vermutet hatte. Sie fühlte eine gewisse Unruhe in sich, die sie dann aber schnell unterdrückte. Die Situation war ja nicht hoffnungslos. Sie tröstete sich damit, dass es so doch viel einfacher war, sich auf den Feldzug zur Erneuerung ihrer Partnerschaft zu konzentrieren. Die Zwillinge hatten den Bus bestiegen. Liz wollte es sich gerade mit einer Tasse Kaffee und dem Buch gemütlich machen. Da klingelte das Telefon. Das konnte doch nicht schon wieder die Klinik sein? Liz nahm den Hörer ab und sagte nur knapp: „Hallo." „Was ist denn mit dir los, Liz?" fragte Carol am anderen Ende. „Du hörst dich ja fürchterlich an." „Entschuldige, aber ich dachte, es wäre schon wieder die Klinik. Der arme John musste heute sogar ohne Frühstück aus dem Haus gehen." „Ihm hat sicher nicht nur das Frühstück gefehlt, wie ich deiner genervten Stimme entnehme", neckte Carol. Liz ging nicht auf den Scherz ein, und so fuhr Carol fort: „Ich wollte nur mal hören, wie deine neue Reizwäsche angekommen ist." „Ganz gut. Übrigens, das trifft sich gut. Ich wollte dich heute auch anrufen." Liz überlegte kurz, wie sie am besten ihre Bitte formulierte, ohne alles erzählen zu müssen. Carol war zwar eine gute Freundin, aber intime Einzelheiten musste sie nicht wissen. „Bist du noch dran, Liz?" „Ja. Ich fliege mit nach Washington." „Wirklich?" fragte Carol verblüfft. „Und was sagen die Zwillinge dazu, dass sie von ihrer Muttersklavin verlassen werden?" Liz dachte daran, wie gleichgültig es den Jungen gewesen war. „Ich dachte", sagte sie, indem sie Carols Frage einfach überhörte, „es wäre eine gute Gelegenheit, vorher mein Äußeres ein wenig aufzustylen. Du weißt schon, ein paar neue Kleider und neues Make- up. Hättest du Lust, morgen mit mir einkaufen zu gehen? Die Ratschläge einer Expertin in Modefragen könnte ich gut gebrauchen." „Du willst dein Aussehen verändern? Liz, was ist nur los mit dir? Zuerst kaufst du neue Unterwäsche, dann willst du die Jungen tatsächlich ein ganzes Wochenende allein lassen. Und jetzt erzählst du mir, du willst dich aufstylen?" „Hast du etwas dagegen? Ich will doch nur das tun, was du mir schon seit Jahren rätst." „Schon, aber ich habe doch nie im Leben geglaubt, dass du mir überhaupt zuhörst", erwiderte Carol offen. „Nun, jetzt habe ich aber doch zugehört. Ich habe nicht die Absicht, nach Washington zu fliegen und dabei auszusehen wie eine langweilige alte Hausfrau. Hilfst du mir nun oder nicht?" „Nur unter der Bedingung, dass du es John nicht erzählst. Ich will nicht schuld daran sein, wenn er dich nicht mehr leiden mag." „Das geht in Ordnung. Ich hole dich dann morgen um zehn Uhr ab. Bis dann." Liz legte den Hörer auf. Jetzt war sie zufrieden. Nun musste sie nur noch schnell das Kapitel „Wie verschönere ich mein Äußeres" durchlesen. Sie lächelte. John wurde sie nicht wiedererkennen.
6. KAPITEL
„Na, wie findest du mich, Carol?" Liz drehte sich in einem Kleid aus smaragdgrüner Seide. „Mein neues Ich." „Jetzt, wo ich dich dazu überredet habe, bin ich mir gar nicht mehr so sicher, ob ich die alte Liz nicht lieber mochte", sagte Carol zögernd. „Du siehst so ... so ...", sie zuckte die Schultern, „anders aus." „Ja, das tue ich." Liz wandte sich wieder dem Spiegel in der Ankleidekabine zu. Sie betrachtete sich mit grenzenloser Zufriedenheit. „Endlich habe ich einen modernen Haarschnitt." Sie strich sich über die kurzen Locken. Der Friseur hatte sich mit der Dauerwelle große Mühe gegeben. „Weißt du eigentlich, dass ich seit dem Schulabschluss das erste Mal eine neue Frisur habe?" „Mir hat dein Haar vorher aber besser gefallen", bemerkte Carol. „Das war keine unmoderne, sondern eine klassische Frisur." „Frauen müssen modern sein. Und niemand kann behaupten, mein neuer Haarschnitt wäre unmodern." „Das mag ja stimmen", gab Carol zu, „aber ich finde trotzdem, dass du dich für einen hättest entscheiden sollen, der mehr deinem Naturell entspricht." „Du meinst wohl einer langweiligen Vorstadtmatrone?" spottete Liz. „Nie im Leben. Ich bin doch gerade dabei, aus meiner alten Haut zu schlüpfen." „Ja, man kann dich kaum wiedererkennen mit deinem farbenfrohen Make-up. Du hast doch sonst nur einen Lippenstift benutzt." „Sieht doch super aus, nicht?" Liz ging näher an den Spiegel heran, um sich das dezente Rouge auf ihren Wangen genauer anzusehen. Der Lidschatten war perfekt und ließ ihre braunen Augen größer erscheinen. „Die Kosmetikerin hat meisterhafte Arbeit geleistet. Ich hoffe, dass ich das genausogut hinkriege." „Du wirst schon auf den Dreh kommen", beruhigte Carol. „Aber was ist mit dem neuen Kleid? Also, ich könnte es ja tragen, aber du..." Sie schüttelte den Kopf. „Mir gefallt es." Liz drehte sich noch einmal, nur um das Rascheln der Seide zu hören. „Ich mag es auch leiden. Aber bist du sicher, dass du den Mut hast, es zu tragen? Ich wette, dass nicht einmal deine Nachthemden so offenherzige Ausschnitte haben." „Es ist ein bisschen gewagt, nicht?" Nachdenklich betrachtete Liz ihr Spiegelbild. Das Oberteil des Kleides bedeckte kaum die Spitzen ihrer Brust. Eine Sekunde lang war Liz unsicher, dann unterdrückte sie ihre Zweifel. Das Kleid war nicht unanständig, es war nur ein wenig aufreizend. In ihrem Buch wurde betont: Wenn sie wollte, dass John sie sexy und unwiderstehlich fand, musste sie so etwas tragen. Bisher hatte der Autor ja recht behalten. John liebte ihre neue erotische Unterwäsche. Es gab keinen Grund anzunehmen, dass er dieses Kleid weniger schön finden würde. Liz zog es aus und hängte es auf einen Bügel. „So, jetzt habe ich für die Tagung in Washington genug anzuziehen." „Bist du sicher, dass wir nichts vergessen haben?" fragte Carol. „Vielleicht noch einen Fächer und Modeschmuck? Das würde gut zu deinem neuen Aussehen passen. Du scheinst ja geradezu darauf versessen zu sein, dich zu verändern." Liz versuchte sich Vorzustellen, wie John wohl reagierte, wenn sie ihm einen Flamenco vortanzte. Ihre Augen strahlten bei die sem Gedanken. Doch schnell wurde sie wieder sachlich. Das würde sie niemals wagen. Und wahrscheinlich würde John sowie so nur lachen.
„Das können wir später noch besorgen." Liz zog sich an und prüfte noch einmal ihr Spiegelbild. „Ich brauche nur noch ein neues Parfüm." „Bestimmt kein Kölnisch Wasser, habe ich recht?" „Deine Vermutung ist richtig. Ich möchte etwas unglaublich Verführerisches. Etwas, das zu der neuen Liz passt." „Ich nehme nicht an, dass du damit bis nach Washington warten willst, oder? Ich sterbe nämlich vor Durst." Liz schüttelte eigensinnig den Kopf. Im Buch stand, dass man Männer mit Moschusduft sexuell erregen kann. „Zu Hause habe ich nur leichte Blütendüfte, und die passen wirklich nicht zu dem neuen Kleid." „Nein, das kann man wohl sagen. Dann komm." Carol nahm die Hälfte der Kleider, die Liz ausgesucht hatte, über den Arm. „Lass uns bezahlen gehen. Je eher wir ein neues Parfüm für dich finden, desto früher bekomme ich etwas zu trinken." Doch der Kaufeines Parfüms war nicht so einfach, wie Liz sich das vorgestellt hatte. Es gab so viele verschiedene, und nicht eins davon gefiel ihr. Die schweren Parfüms, die das Buch vorschlug, erschienen ihr einfach zu aufdringlich. Liz probierte weiter, obwohl sie den Punkt erreicht hatte, an dem alle Parfüms gleich rochen. „Versuch dies mal." Carol reichte ihr einen Zerstäuber. Liz tat ihr den Gefallen. „Das riecht ja wie eine Gartenparty an einem sonnigen Sommertag. Ich möchte aber etwas, das wie eine heißblütige Nacht riecht." „Liz", Carol sah ihre Freundin unsicher an, „stimmt mit dir etwas nicht?" „Was sollte denn nicht stimmen?" Nicht einmal ihrer langjährigen Freundin Carol wollte Liz anvertrauen, dass John vielleicht der süßen Mandy zugetan war. Oder einer anderen. „Nun hör aber auf. So dumm bin ich wirklich nicht. Wie lange kenne ich dich jetzt schon? Über zwanzig Jahre? Und eigentlich hast du dich immer gleich verhalten. Und jetzt, innerhalb von wenigen Tagen, hast du dich auf einmal total verändert. Woran liegt das?" „Vielleicht stecke ich in einer Krise." Liz schnupperte weiter an Parfüms. „Was sollte die ausgelöst haben? Wenn John dich hinterginge, wüsste ich es bestimmt." „Der CIA ist nichts gegen dich", sagte Liz. Carols Worte erleichterten sie. Im Grunde ihres Herzens wusste sie, dass sie nichts zu befürchten brauchte. Aber wie beruhigend, es auch von anderer Seite zu hören. Carol gab nicht auf. „Hast du dich so über die Polianski-Affäre aufgeregt? Ich muss zugeben, dass auch ich etwas schockiert war. Aber deshalb muss du dich doch nicht so verändern." „Was ist denn mit den Polianskis?" „Hast du noch nichts darüber gehört?" fragte Carol überrascht. „Du solltest wirklich mehr unter die Leute gehen." „Das werde ich. Erzähl schon, was ist passiert?" „Don hat bei einer Selbsterfahrungsgruppe mitgemacht, um sein Selbstbewusstsein wiederaufzurichten. Er hat sich in die Leiterin der Gruppe verliebt, hat Be tty und die Kinder verlassen und ist zu dieser Frau gezogen." „Das hört sich ja ganz danach an, als habe die Leiterin mehr als nur sein Selbstbewusstsein aufgerichtet." „Wie unanständig, Liz", sagte Carol lachend. Dann stöhnte sie auf, als Liz nach der nächsten Parfümflasche griff. „Liz, hab' Erbarmen! Ich habe furchtbaren Durst." „Na gut", gab Liz nach. Da ihr keins der Parfüms gefiel, war es egal, für welches sie sich entschied. Hauptsache, John mochte es. Schließlich kaufte sie
zwei, die in dem Buch als besonders verführerisch bezeichnet wurden. Liz wandte sich der durstigen Freundin zu und sagte: „Ich bin dir für deine Hilfe sehr dankbar und möchte dich zum Kaffee einladen." „Du hast doch überhaupt nicht auf mich gehört. Ich möchte nicht wissen, was John zu dem grünen Kleid sagt. Du musst ihm aber bestimmt erzählen, dass ich versucht habe, dich vom Kauf abzubringen." „Mach dir keine Sorgen. Er wird es mögen. Er ist doch ein Mann, oder?"
Als Liz am Abend die Jungen zu Bett gebracht hatte, war sie sich gar nicht mehr so sicher, dass John ihr neues Äußeres gefallen würde. Er hatte angerufen und gesagt, Liz solle nicht mit dem Essen auf ihn warten. Er würde nach Hause .kommen, sobald er könnte. Das war Liz nur recht gewesen. So konnte sie ihn überraschen, ohne dass die Zwillinge dabei waren. Sollte das Buch recht haben, wäre Johns Reaktion so eindeutig, dass Kinder dabei nur störten. Als Rob und Jaimie aus der Schule nach Hause gekommen waren, hatte Liz' Vorfreude einen Dämpfer bekommen. Die beiden hatten sie nur kurz angeschaut und bemerkt, das Parfüm würde riechen wie der Toilettenreiniger von Ryans Mom, und Liz sollte sich doch die Haare kämmen. Obwohl Liz' Zuversicht nicht mehr ganz so groß war, hatte sie es bis zum Abendessen geschafft, die Unsicherheit abzuschütteln. Sie sagte sich, dass Kinder auf Veränderungen immer negativ reagieren. In einigen Tagen würden sie sich an ihr neues Aussehen gewöhnt haben. Aber John wird bestimmt begeistert sein. Mindestens zum zehntenmal sagte sie sich diesen Satz. Nervös betrachtete sie ihr Spiegelbild. Liz hatte sich frisch geschminkt und eins der neuen Parfüms an all den Stellen aufgetragen, die im Buch empfohlen wurden. Außerdem trug sie ein neues Kleid. Zufrieden strich sie über den weichen Stoff. Das leuchtende Zitrone ngelb passte gut zu ihrem dunklen Haar. Der tiefe Ausschnitt ließ den Ansatz der Brüste sehen und wirkte sehr sexy. Liz hörte, dass die Garagentür geöffnet wurde. Schnell lief sie in die Küche, um John entgegenzugehen. Er betrat den hell erleuchteten Raum, und Liz fühlte Zärtlichkeit in sich aufsteigen. John sah blass aus und wirkte erschöpft. Sicherlich hatte er nicht eine Sekunde Ruhe gehabt, seit er heute morgen gegangen war. „Hallo Darling", begrüßte Liz ihn. „Hast du schon gegessen?" „Nein", erwiderte er und rieb sich den Nacken. „Ich bin nicht hungrig." „Wie war's?" „Nichts Besonderes." Er warf sein Jackett über eine Stuhllehne. Liz dachte an ihren Plan und wollte diese nichtssagende Ant wort nicht hinnehmen. John hatte sich ihr am Montagabend anvertraut. Vielleicht würde er es wieder tun. „Wenn nichts Besonderes passiert ist, warum kommst du dann erst jetzt nach Hause?" fragte Liz, während sie ihm Kaffee einschenkte. „Es war wirklich nichts Besonderes", erklärte John, bevor er sich an den Küchentisch setzte. Er konnte sich kaum mehr auf den Beinen halten. „Eine Frühgeburt mit akuten Atembeschwerden. Ich wollte so lange bleiben, bis die Gefahr vorüber ist. Ich habe die Zeit genutzt und meinen Schreibkram aufgearbeitet. Morgen fliegen wir ja schon." War Mandy auch in der Klinik gewesen, um ihm zu helfen? Liz ballte die Faust bei dem Gedanken. Sie wollte John aber nicht danach fragen. Wenn sie anfing, auf dem Thema Mandy herumzureiten, würde John nur noch mehr Notiz von der Sekretärin nehmen. Johns folgende Worte beseitigten ihre Ängste. „Als ich fast fertig war, habe ich doch am Diktiergerät den falschen Knopf
gedrückt und alles wieder gelöscht." Liz wurde ruhiger. Mandy war also nicht dagewesen. „Und dann, als ich gerade gehen wollte, wurde ich zu Mrs. Fazzino gerufen. Sie hatte eine Steißgeburt." „Sind Mrs. Fazzino und das Baby okay?" „Ja." John trank seinen Kaffee. „Wir mussten dem Baby ein bisschen Sauerstoff geben. Es bestand aber keine ernsthafte Gefahr. Bis morgen wird..." Er hielt inne und sah Liz an, als sähe er sie zum erstenmal. Sein müdes Gesicht wirkte auf einmal sehr lebhaft. Er runzelte die Stirn, und ein ungläubiger Ausdruck trat in seine dunklen Augen. „Was, zum Teufel, hast du denn mit dir angestellt?" stieß er so heftig hervor, dass Liz vor Schreck einen Schritt zurücktrat. „Ja, am ... ich ..." Sie atmete tief durch. Was war nur los mit ihm? Faszinieren wollte sie ihn, nicht verärgern. John stand auf, umkreiste Liz nachdenklich und betrachtete sie eingehend. Bei dieser gründlichen Prüfung wurde Liz ganz unruhig. Nichts lief so, wie sie es erwartet hatte. Er sollte sie doch bewundern, und dann wollte sie ihn verführen. Mit dem seidenen Bodystocking hatte es doch auch so gut funktioniert. Hatte sie etwas falsch gemacht? John schien überhaupt nicht begeistert zu sein. Liz unterdrückte einen Seufzer und verschob die Pläne des Abends. Einen müden Mann zu verführen, fand sie nicht schlimm. John schien immer irgendwo verborgene Kraftreserven zu haben, auf die er zurückgreifen konnte. Aber einen müden und zornigen Mann zu verführen, war eine Völlig andere Sache. Mit Sex und Wut wollte Liz es lieber nicht aufnehmen. „Was hast du nur mit deinem Haar gemacht?" John zupfte an einer Locke. „Warum stehen deine Haare auf einmal so ab?" fragte er. „Weil ich eine Dauerwelle habe." Liz musste sich beherrschen, um ruhig zu antworten. Wie sprach er von ihrer topmodernen Frisur? „Magst du es nicht leiden?" Unter seinen abwertenden Blicken strich sie sich unsicher übers Haar. „Das ist modern!" „Vieles, was mir nicht gefällt, ist modern." Er schwieg einen Augenblick und betrachtete nun ihr Gesicht genauer. „Und was ist das für eine Schmiererei um deine Augen?" „Make-up", sagte Liz gereizt. Sie fühlte, dass sie die Kontrolle verlor. „Jede Frau trägt Make- up." „Du bisher aber nicht", sagte John. „Du hast immer wie du selbst ausgesehen und nicht wie ein aufgedonnertes Mannequin." Dann roch John das neue Parfüm. „Was ist das für ein Duft?" Liz starrte ihn an. „Dieser ,Duft' ist zufällig mein neues Parfüm." „Du riechst ja wie ein Freudenhaus." „Freudenhaus!", Liz rang nach Luft. „Du scheinheiliger Reaktionär! Du wagst es, nach Hause zu kommen und kein gutes Haar an mir zu lassen!" „Das fällt mir nicht schwer. So wie du aussiehst." „Oh ..." Liz sah ihn böse an. Wie konnte er nur so mit ihr sprechen? „Was verstehst du denn von Mode?" „Sicher nicht viel", fuhr er Liz an. „Aber ich weiß, was mir gefällt. Und das", er deutete ärgerlich auf ihren Kopf, „gefällt mir ganz und gar nicht." "Du gefühlloser..." Liz brach in Tränen aus. Bevor John aber bemerken konnte, wie verletzt sie war, drehte sie sich um und rannte die Treppe hinauf ins Badezimmer. Soviel zu ihrer großen Verführungsszene. Sie schaltete das Licht ein und blinzelte, als die grelle Lampe den Raum erleuchtete.
Sah sie wirklich aus wie... Wie hatte er sie genannt? Ein aufgedonnertes Mannequin? Liz betrachtete sich kritisch im Spiegel über dem Waschbecken. Im Auftragen von Lidschatten hatte sie keine Übung. Vielleicht war sie wirklich etwas zu großzügig mit der Schminke umgega ngen. Aber aufgedonnert konnte man das bestimmt nicht nennen. Der schwere Moschus-Geruch stieg Liz in die Nase. Na ja, auf das Parfüm kann ich ja verzichten. Das hatte gänzlich seine Wirkung verfehlt. Freudenhaus! Langsam gewann Liz ihren Humor wieder und musste kichern. Dann fiel ihr etwas ein: Woher wusste John, wie es in einem Freudenhaus roch? Im gleichen Moment verwarf sie die Frage. Das war sicherlich nur so eine Redensart gewesen. Liz konnte sich gut vorstellen, wie John reagieren würde, wenn sie ihn danach fragte! „Sei ehrlich. Die Veränderung deines Äußeren hat sich als totale Pleite erwiesen", sprach sie zu ihrem Spiegelbild. John war wütend geworden bei ihrem Anblick. Trotzdem, erinnerte sie sich, nicht alle Vorschläge des Buches waren unbrauchbar gewesen. Sie lächelte, als sie an den Erfolg am vergangenen Nachmittag dachte. Sie öffnete die durchsichtige Tür der hellblauen Duschkabine und drehte das Wasser auf. Johns Worte kränkten noch immer, aber Liz entschied sich, die Niederlage gelassen hinzunehmen. Sie entkleidete sich, trat unter den warmen Wasserstrahl und ließ sich Make-up und Parfüm abspülen. Mit meiner neuen Frisur wird John sich abfinden müssen, dachte Liz befriedigt. Ihr gefiel der neue Schnitt. Auch wenn John ihn nicht leiden konnte. Er sollte nicht erwarten, dass sie sich völlig seinem Geschmack unterordnete. Nachdem sie sich mit diesem Gedanken getröstet hatte, drehte Liz die Wasserhähne zu und trocknete sich ab. Dann schlüpfte sie in ihr Nachthemd. Das hatte sie früher am Abend ausgesucht, als sie John noch verführen wollte. Es war ein Hauch von Spitzen, Falten und Bändern und ging ihr bis zu den Knien. Nervös sah Liz auf die geschlossene Badezimmertür. Sie sollte wirklich hinausgehen und John gegenübertreten. Er war so müde, dass es unfair war, ihn auf seine Dusche warten zu lassen, trotz seiner hässlichen Bemerkungen. Bei dem Gedanken wurde sie zunächst zornig. Das legte sich aber schnell wieder. Sie wollte den Streit nicht in die Länge ziehen. Aber entschuldigen wollte sie sich auch nicht. Eigensinnig redete sie sich ein, dass sie nichts getan hatte, wofür sie sich entschuldigen musste. Okay, sie hatte ihn einen Erzreaktionär genannt. Das bedauerte sie jedoch nur, weil sie dadurch die Stimmung zerstört hatte, die sie für die Verführung brauchte. Es wäre sicherlich besser gewesen, lachend über Johns gebieterisches Benehmen hinwegzugehen. Aber im nachhinein war man ja immer schlauer. Ich bin einfach nicht raffiniert genug, dachte sie. Und verlor sie einmal die Nerven, nannte sie ihren Mann gleich „Erzreaktionär"! Sie hätte ihn besser mit einigen witzigen Worten treffen sollen. Liz nahm allen Mut zusammen, öffnete die Tür und ging in das Schlafzimmer. Zu ihrer Bestürzung war es leer. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. John war doch bestimmt nicht so böse, dass er im Gästezimmer schlafen würde. Wahrscheinlich war er einfach noch nicht nach oben gekommen. Sie musste unbedingt wissen, wo er war. Deshalb öffnete Liz die Tür und sah hinaus. Nur der Schein der Nachtlampe an der Treppe erhellte den Korridor. Ruhig ging Liz hinunter. Lauschend blieb sie an der Badezimmertür der Jungen stehen. Hier duschte John also. Jetzt wusste sie aber immer noch nicht, wo er die Nacht verbringen wollte. Liz nagte an ihrer Unterlippe. Das kam ganz darauf an, wie verärgert er war. Sie überdachte die Situation. Dann fiel ihr Blick auf die Tür des kleinen
Gästezimmers. Sie musste ihm einfach die Wahl nehmen. Entschlossen ging sie in das kleine Zimmer, nahm hastig Laken, Decken und Kissen vom Bett und stopfte sie darunter. So. Wenn John hier schlafen wollte, würde es eine unbequeme Nacht für ihn werden. Eilig ging Liz ins Schlafzimmer zurück und schlüpfte unter die Decke, denn durch die Klimaanlage war es, ziemlich kühl im Raum. Und sie trug ja nur einen Hauch von Seide. Liz knipste die Nachttischlampe aus, drehte sich zur Wand und überlegte: Soll ich mich schlafend stellen? Als John fünf Minuten später eintrat, hatte sie sich immer noch nicht entschieden. Sie hielt den Atem an, als John sich auf das Bett setzte. „Liz?" flüsterte er. Sie antwortete nicht. „Mein Liebes!" John streckte die Arme nach ihr aus, zog sie auf seine Seite und drückte Liz an seine Brust. „Schmoll doch nicht. Ich gebe zu, ich war nicht gerade feinfühlig." „Nicht ein bisschen", erwiderte Liz. So schnell wollte sie nicht nachgeben. Aber sie fühlte, wie sie ihre Selbstkontrolle langsam verlor. Liz genoss die Wärme, die von John ausging, und entspannte sich. „Ich wollte deine Gefühle nicht verletzen, Darling." Er drückte Liz' Kopf fest an seinen Hals. „Die Überraschung war einfach zu groß. Das war schon ein Schock, nach Hause zu kommen und eine völlig veränderte Frau vorzufinden. Besonders, weil ich dein natürliches Aussehen immer so gern hatte." „Wirklich? Aber ich kann doch nicht ewig die gleiche bleiben." „Aber jetzt siehst du aus wie eine verführerische kleine Hexe." Wie meinte er das denn? fragte sie sich. Liz stellte ihm jedoch keine Frage, da sie ihn nicht unterbrechen wollte. „Weißt du was", sagte John und gähnte herzhaft, „wir schließen einen Kompromiss." „Wie?" fragte Liz vorsichtig. „Wenn du zu Hause nicht mehr soviel Make-up aufträgst und wieder dein gewohntes Parfüm benutzt, habe ich gegen deine neue Frisur nichts mehr einzuwenden." „In Ordnung", sagte Liz. Sie war überglücklich, dass sie sich wieder vertragen hatten. Das neue Parfüm gefiel ihr ja selbst nicht. Und den Lidschatten hatte sie wohl wirklich ein bisschen zu dick aufgetragen. „Schön." John drückte sie an sich. „Ich liebe dich, Liz." Seine schläfrige Stimme klang sehr zärtlich. Liz beherrschte sich. Sie wusste ganz genau, dass John jetzt unbedingt seinen Schlaf brauchte. Auch wenn sie sich das Ende des Abends anders vorgestellt hatte. Und morgen flogen sie nach Washington. Sie freute sich darauf, denn dort hatte sie ja alle Möglichkeiten! Liz lächelte und kuschelte sich noch enger an John. Einige Stunden später wurde Liz vom Klingeln des Telefons aus dem Schlaf geschreckt. Sie stöhnte und griff nach dem Hörer. „Hallo?" Liz stützte sich auf und blinzelte verschlafen auf die Leuchtziffern des Radioweckers. Fast ein Uhr! „Mrs. Langdon?" fragte eine klare Stimme. Wen erwartete sie sonst? dachte Liz mürrisch. „Ja, hier ist Mrs. Langdon." „Ist der Doktor auch da? Hier ist der Auftragsdienst." „Einen Moment bitte." Liz drehte sich um und sah John an. Der lag auf dem Bauch, den Kopf in die Kissen vergraben.
„Telefon, John." Sie stieß ihn behutsam an. Liebevoll betrachtete sie ihn, wie er jetzt den Kopf hob und noch ganz benommen die Augen öffnete. „Hmm?" Seufzend streckte John die Hand nach dem verhassten Telefonhörer aus. „Einen Moment", sagte er ins Telefon. Dann nahm er Block und Bleistift vom Nachttisch. „Bitte wiederholen Sie ... Danke." Zuerst drückte er auf die Gabel und dann auf den Knopf, damit er ein Freizeichen erhielt. „Wie spät ist es, Liz?" „Beinahe ein Uhr." Schläfrig betrachtete Liz die nackte Brust ihres Mannes. „Was ist passiert?" „Mrs. Carnaby hat angerufen und wollte mich sprechen. Sie hat dem Auftragsdienst gesagt, es wäre ein Notfall." John dachte nach. „Ich möchte bloß wissen, was nun wieder los ist. Sie hat nur ein Kind. Und das habe ich heute gerade gründlich untersucht. Es erfreute sich bester Gesundheit." „Gestern." Liz rollte sich zu John hinüber. „Das war gestern. Es ist schon nach zwölf." John wählte bereits die Nummer. Als er dann sprach, erkannte Liz, die mit allen Nuancen seiner Stimme vertraut war, dass sein Ton ein wenig gereizt klang. Neugierig sah sie John an. Er sah ärgerlich aus. „Sie können keinen sofortigen Erfolg erwarten, Mrs. Carnaby. Wenn er sie in zwei Wochen immer noch nicht isst, rufen Sie mich während der Sprechstunde wieder an. Dann können wir noch einmal darüber sprechen. Gute Nacht!" John beugte sich über Liz und legte den Hörer auf. Einen Moment versperrte er ihr mit seinem Oberkörper die Sicht. Liz lächelte verschlafen. „Was war denn los?" fragte sie. „Ihr Baby will seine Haferflocken nicht essen." „Was?" Liz blinzelte. „Ich habe Mrs. Carnaby heute gesagt, sie soll die Nahrung langsam auf Haferflocken umstellen. Sie hat angerufen, um mir zu berichten, dass der Kleine sie wieder ausspuckt." „Und deshalb ruft sie um diese Zeit an?" „Sie arbeitet wohl in der Spätschicht und ist gerade erst nach Hause gekommen." „Warum hast du ihr nicht gesagt, was du von Leuten hältst, die dich mitten in der Nacht mit einem falschen Notruf stören?" „Weil sie wahnsinnig empfindlich ist. Wenn ich sie jetzt angeschrien hätte, würde sie mir erst recht keine Ruhe lassen. Dann hätte mich nur ein wirklicher Notfall aus dieser Situation gerettet. Ach, manchmal wünschte ich, ich wäre Hautarzt geworden." John seufzte, drehte das Licht aus und nahm Liz in die Arme. Das wünsche ich mir schon seit langem, dachte Liz.
7. KAPITEL
„Geht's dir wieder gut?" John ließ Liz' feuchte Hand los. Das Flugzeug hatte seine Flughöhe erreicht. Liz beobachtete John, der einen raschen Blick auf seinen alten Lederkoffer warf. Sie wusste, was John in Gedanken beschäftigte. „Ja." Liz lächelte tapfer. „Nur Start und Landung machen mich ein wenig nervös. Ehe wir in Washington sind, ist alles wieder in Ordnung. Ich versuche jetzt ein wenig zu schlafen." John schien erleichtert, was Liz' ersten Eindruck bestätigte. „Ich denke, ich werde das Manuskript für meine morgige Rede noch einmal durchgehen" sagte John, während er nach seinem Koffer griff. Ich darf das nicht persönlich nehmen, dachte Liz und lehnte den Kopf gegen die Kopfstütze des weichen beigefarbenen Sitzes. Müsste sie einen Vortrag vor Kinderärzten halten, hätte sie sich genauso verhalten. Außerdem konnte sie die Ruhepause nutzen, ihren Plan zu überdenken. Seit sie Mandy in Johns Büro gesehen hatte, war sie - so kam es ihr jedenfalls vor - von einer Verwirrung in die andere gestürzt. Also, was habe ich bis jetzt erreicht? fragte sie sich und versuchte, die Ereignisse der letzten Tage kritisch zu betrachten. Mit Hilfe des Buches war es ihr gelungen, vier wesentliche Probleme ihrer Ehe zu erkennen: ihr beiderseitiger Mangel an wirklicher Gesprächsbereitschaft; ihre ausschließliche Beschäftigung mit den Zwillingen; die Vernachlässigung ihrer eigenen Persönlichkeit und die nachlassende Spannung ihres Liebeslebens. Den Anfang, etwas zu ändern, hatte sie gemacht. Auch wenn sie nicht auf allen Gebieten Erfolg gehabt hatte. Die Versuche, sich mit John zu unterhalten, waren fehlgeschla gen. Woran lag das? Liz war dem Ratgeber gefolgt und las jetzt eine Wochenzeitung und das Lokalblatt sehr aufmerksam. Sie wollte in der Lage sein, mit John über gemeinsame Interessen reden zu können. Leider gab das Buch weder Tips, wie man auf einsilbige Antworten reagieren sollte, noch wie man zwei äußerst geschwätzige Sechsjährige aus der Diskussion ausschließen konnte. Eines war Liz jedoch klar: Sie wollte John nicht ständig mit jemandem teilen. Aber um ihn allein für sich zu haben, war er viel zu selten zu Hause. Doch, abgesehen von den Rückschlägen, hatte sie auch Erfolg gehabt. John hatte ihr einige Vorfälle aus seiner Praxis erzählt. Zugegeben, das war nicht viel und konnte noch nicht als ein Gedankenaustausch gesehen werden, aber es war wenigstens ein Anfang. „Möchten Sie etwas trinken?" Die Frage der Stewardess unterbrach Liz' Gedankengang, und sie öffnete die Augen. Die gutaussehende rothaarige Stewardess schenkte John ein bezauberndes Lächeln. „Schwarzen Kaffee, bitte", sagte er geistesabwesend. Er blickte nur flüchtig von seinem Manuskript auf. „Mein Mann ist sehr beschäftigt", sagte Liz. Dann hätte sie sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Was ist bloß los mit mir? Musste sie so überheblich zeigen, dass John zu ihr gehörte? War sie sich Johns nicht sicher? Liz weigerte sich, weiter darüber nachzudenken. Doch eins wusste sie: John sollte nur ihr allein gehören. „Ich möchte nichts, danke", fügte Liz hinzu, als die Stewardess sie fragend ansah. „Ich habe alles, was ich brauche." Oder ich hätte es, wenn ich mich zusammenne hmen würde. Sie lehnte sich zurück und schloss die Augen, um die hübsche Rothaarige nicht mehr sehen zu müssen. Wo war sie in ihren Überlegungen stehengeblieben? Sie war eine Supermutter geworden und hatte dabei die Rolle der Frau vernachlässigt. Liz hatte nicht
absichtlich mehr Zeit mit den Jungen und weniger mit John verbracht. Das hatte sich einfach so entwickelt. Die Zwillinge waren immer da gewesen - John nicht. So hatte sie viel mit Rob und Jaimie unternommen, um sie dafür zu entschädigen, dass sie ihren Vater so wenig zu sehen bekamen. Und - das musste sie gestehen - weil sie sich selbst so einsam gefühlt hatte. Sie zog nicht die Gesellschaft der Kinder der ihres Mannes vor. Sie hatte sich lediglich damit abgefunden, zu nehmen, was sie bekommen konnte. Aber, was konnte sie schon ändern? Der Buchtip für Supermütter war kaum durchführbar. John konnte nicht an ihren Unternehmungen teilnehmen, weil er nie da war. Also, was konnte sie überhaupt ändern? Sicherlich könnte sie weniger Zeit mit den Jungen verbringen. Durch die Schule war ihre Zeit ja sowieso schon sehr beschnitten worden. Außerdem änderte das nichts daran, dass sie ihn so selten sah. Selbst wenn sie einmal etwas gemeinsam unternehmen wollten, kam mit fünfzigprozentiger Sicherheit etwas dazwische n. Meistens wurde John zu einem Kranken gerufen. Liz konnte sich nicht daran erinnern, wann sie zuletzt mit ihm auf eine Party gegangen und zusammen mit John nach Hause gekommen war. Nicht einmal in der Nacht, als die Zwillinge geboren wurden, war er bei ihr gewesen! Immer gingen die Patienten vor. Wenn Liz tot umfiele, würde er es wahrscheinlich erst merken, wenn er kein sauberes Hemd mehr hätte. Na ja, wenigstens hatte sie endlich ihr Äußeres verändert. Der Gedanke an die neuen Kleider und die neue Frisur munterten Liz vorübergehend auf. Dann fiel ihr Johns entsetzte Reaktion ein, und die Freude legte sich. Doch die hätte Liz eigentlich nicht so überraschen sollen. Denn im Buch wurde davor gewarnt, dass die meisten Männer Veränderungen ablehnten. Aber, wenn das stimmte, warum ließen sich dann so viele Männer scheiden und freundeten sich mit jüngeren Frauen ah? Dieser Widerspruch verunsicherte Liz, nervös bewegte sie sich auf ihrem Sitz. Sie glaubte zwar nicht bedingungslos an die Ratschläge, aber so krasse Fehlschlüsse hätte der Autor vermeiden müssen. Wäre John nicht so ein wunderbarer Mensch, und würde sie ihn nicht so wahnsinnig lieben, dann hätte sie die ganze Sache schon vergessen. Aber er war es wert, dass sie um ihn kämpfte, denn er war ein fabelhafter Liebhaber. Da war Liz bei ihrem letzten Problem angelangt. Sie musste das Liebesleben aufregender ge stalten. Einen guten Anfang habe ich bereits gemacht, überlegte sie ein wenig selbstgefällig. Sie errötete bei der Erinnerung an ihre Zärtlichkeiten im Ledersessel. Das verlängerte Wochenende ohne die Jungen und Johns Praxis sollte doch wohl genügend Gelegenheiten bieten, sich unge zwungen zu lieben. Liz schmunzelte, als sie daran dachte, dass sie sich hinter dem Bett versteckt hatten. Liz fühlte, dass jemand ihr Ohr streichelte und bekam eine Gänsehaut. Sie öffnete die Augen und sah Johns lachendes Gesicht vor sich. Einen verrückten Augenblick überlegte sie, John auf der Stelle zu verführen. Aber die Wirklichkeit kehrte sofort zurück. Man sollte nicht zu weit gehen, wenn man dem Liebesleben mehr Würze geben wollte. Spielerisch küsste Liz Johns Handfläche. „Fertig? fragte sie. „Lady, ich habe noch nicht einmal angefangen." An der Art, wie er ihre leicht geöffneten Lippen küsste, erkannte Liz, dass sie über völlig unterschiedliche Dinge redeten. „Ich meinte mit deiner Rede." Liz zeigte auf den Stapel Papiere auf seinem Schoß.
„Nein, ich war zu beschäftigt damit, dich zu beobachten. Dein Mienenspiel war unbeschreiblich. Woran hast du bloß gedacht?" „An unser Wochenende. Ich habe viele Pläne." Sie sagte John lieber nicht die ganze Wahrheit. „Ich auch." Er lächelte verführerisch. „Meinst du deine Rede?" Liz zwinkerte bedeutungsvoll. „Was ich vorhabe, braucht keine Worte. Es hat etwas mit Berührung zutun." „Klingt sehr gewagt." „Du hast es erfasst. Schön, dass wir uns verstehen." John lachte. Wenn das nur stimmte, dachte Liz verzweifelt. Ängstlich suchte sie in dem geliebten Gesicht nach einem Hinweis auf Johns wahre Gefühle. „Was ist los, Darling?" fragte John sanft und streichelte liebevoll ihre Wange. „Bist du immer noch beleidigt, weil ich dein Zelt nicht leiden mag?" „Das ist kein Zelt!" entgegnete sie schroff. „Das ist eine Tunika, und die sind sehr modern." „Das ist mir gleichgültig. Mich erinnert sie an meine Pfadfinderzeit. Unsere Zelte hatten die gleiche Farbe." Er sah verächtlich auf Liz' khakifarbene Seidentunika. „Ich wette, die haben aber nicht soviel gekostet", erwiderte Liz. „Weißt du, wieviel ich für diese Tunika bezahlt habe?" „Ich meine, eher hätten sie dich dafür bezahlen müssen, dass du sie überhaupt trägst." „Du hast doch keine Ahnung!" "Ich bin ein Mann. Männer möchten wenigstens angedeutet sehen, wie eine Frau gebaut ist. Nur übermäßig dicke oder dünne Frauen sollten solche Säcke tragen. Aber keine Frau, die eine so schöne Figur hat wie du." Er umfasste zärtlich ihre Brust. „John!" Liz schaute sich besorgt um. „Hab keine Angst, ich habe mich schon vergewissert", gestand er fröhlich. „Du brauchst nicht schockiert zu sein. Der Mann nebenan schläft." „Ja, aber du solltest das trotzdem lassen." „Es macht mich ganz krank, immer nur das zu tun, was ich tun sollte", entgegnete er. Liz wurde unsicher und fragte sich, was er damit wohl gemeint hatte. War das eine Anspielung auf ihre Ehe? Seine Arbeit? Oder beides? Sie wusste es nicht, wollte ihn aber auch nicht fragen. Es könnte ja sein, dass sie die Antwort nicht gern hören würde. „Liz..." John nahm ihre Hand und streichelte mit dem Daumen die Innenfläche. „Liebste Liz." Sie versuchte, die sie durchströmenden Gefühle nicht zu beachten. Sie wollte sich auf Johns Worte konzentrieren. „Ich habe mich nicht gerade fair benommen." Er sah Liz von der Seite an. Liz wurde schwindelig. Ihr Körper hatte sich bei Johns Worten verkrampft. Was war, wenn die Jungen doch recht hatten mit der Scheidung? War es nun soweit? Wollte John ihr anbieten, sie freizugeben? Er tat es nicht, und Liz war unbeschreiblich erleichtert. John hatte an etwas ganz anderes gedacht als sie. Es dauerte eine Weile, bis seine Worte zu ihr vordrangen. „Du hast dir soviel Mühe gegeben. Eine neue Frisur", er sah missbilligend auf ihre Locken, „neue Kleider. Und anstatt mich darüber zu freuen, habe ich dich nur kritisiert. Das ist unverzeihlich." „Du hättest mich auch belügen können. Aber ich glaube, Ehrlichkeit ist mir lieber. Nein, ich weiß, dass ich Ehrlichkeit bevorzuge", fügte sie mit
Bestimmtheit zu. „Nicht deine neue Aufmachung hat mich gestört. Sie kam nur zu unerwartet." John suchte nach den richtigen Worten. „Weißt du, du bist das einzige in meinem Leben, auf das ich mich verlassen kann. Und die einzige, auf die ich wirklich zählen kann. Du hast zwar nicht immer gute Laune, aber du bist immer da. Der Mittelpunkt meiner Welt. Ich war erschüttert, als ich nach Hause kam und du dich plötzlich total verändert hattest." Liz war nun völlig erleichtert und strahlte ihn an: „Aber im Innern bin ich doch noch dieselbe." „Da bringst du mich auf eine Idee. Das muss ich unbedingt untersuchen." Er lächelte verschmitzt. „Die Kinder sind doch jetzt den Tag über nicht da. Deshalb habe ich mir die Zeit genommen, mich zu verschönern." „Liz", unsicher hielt er inne und fuhr nach einer Weile fort: „Wenn du die Zwillinge vermisst, könnten wir doch noch ein Kind bekommen." „Du hast noch nicht einmal genügend Zeit für die Zwillinge." Liz' Ton klang gereizt. John zuckte bei diesen Worten zusammen. Liz bedauerte sofort ihre heftige Reaktion. „O John." Sie berührte seinen Ärmel. Da John aber gerade die Notizen aufnahm, ließ sie ihn wieder los. „Du hast recht, ich bin nicht gerade ein prächtiger Vater", sagte er kühl. Dann begann er, das Manuskript zu lesen und nahm keine Notiz mehr von Liz. Unglücklich lehnte sie sich in ihren Sitz zurück. So hatte sie es nicht gemeint! John war kein schlechter Vater. Die wenige Freizeit, die ihm blieb, verbrachte er mit den Zwillingen. Irgendwie erübrigte er immer etwas Zeit für die Jungen. Zwar nicht für die Mutter, aber immerhin für die Söhne, dachte Liz bitter. Sie sah John sowieso schon selten genug. Wenn sie aber noch ein Kind hätten, um das er sich kümmern müsste ... Liz wollte den Gedanken nicht zu Ende führen. War sie eifersüchtig auf die Zeit, die John mit den Zwillingen verbrachte? Nein, das nicht. Keine gute Mutter wäre das. Seufzend nahm sie ihren neuen Roman aus der Tasche und versuchte, sich damit abzulenken. Wenn Johns momentane Laune andauerte, würde Liz an diesem Wochenende viel Zeit mit Lesen verbringen müssen. Vielleicht habe ich einen großen Fehler gemacht, dachte sie, während sie auf die erste Seite des Buches starrte. Ich hätte zuerst herausfinden sollen, ob ich überhaupt wieder eine aktive Rolle in Johns Leben spielen kann. Und zwar bevor ich damit anfing, mich ein wenig von den Jungen zu lösen. Sicher will John mich um sich haben, dachte sie und erinnerte sich an seine Worte. Aber einfach nur dasein konnte keine dauerhafte Grundlage für eine Ehe sein. Liz versuchte, sich auf den Roman zu konzentrieren. Doch immer wieder musste sie John anblicken. Er sah unversöhnlich aus. Liz war ganz niedergeschlagen. Das heißersehnte Wochenende schien schon jetzt verdorben. Und Schuld daran war nur ihre unbeherrschte Zunge. Als sie das Hotel erreichten, schien sich Johns Ärger gelegt zu haben. Zögernd stellte Liz ihm Fragen in Bezug auf die Tagung. Er antwortete mit dem gewohnten Humor. Darüber war Liz sehr dankbar. Das Hotel war das eleganteste, das sie jemals gesehen hatte. Zu Anfang ihrer Ehe war es schon eine große Sache gewesen, wenn sie einmal essen gingen. Wochenendtrips konnten sie sich nicht leisten. Später, als sie keine Geldsorgen mehr hatten, waren die Zwillinge da. Und nicht einmal eine vernarrte Mutter wie Liz nahm an, dass zwei lebhafte Kinder in so einem Hotel gern gesehen waren.
Sie lächelte dem uniformierten Portier zu, der ihnen die Tür öffnete. Instinktiv drängte sich Liz an John, während sie über den dicken Teppichboden gingen. John sah sie an. „Was hast du?" „Diese Umgebung macht mich nervös", gab sie zu. „Ich möchte immer wieder nachsehen, ob mein Unterrock auch nicht rausguckt." „Er ist nicht zu sehen", sagte John lächelnd. „Das einzige, was man sieht, sind deine schönen Beine." Liz freute sich über das Kompliment. Langsam fand sie ihr Selbstvertrauen wieder. Gelassen trat sie an den Marmortresen der Rezeption. Anstelle des hochmütigen Angestellten, den Liz befürchtet hatte, begrüßte sie ein gutgekleideter, freundlicher Mann in den Fünfzigern und überreichte ihnen den Zimmerschlüssel. Dabei lächelte er John so verständnisvoll an, dass Liz sich wunderte. War ihr Plan erfolgreicher verlaufen, als sie gedacht hatte? Sah sie so entzückend aus, dass der Hotelangestellte dachte, sie wäre Johns Geliebte und nicht seine Frau? So muss es sein, dachte sie vergnügt. Sie sah John an und überlegte, ob der wohl den bewundernden Blick, den der Mann ihr zugeworfen hatte, bemerkt hatte. Obwohl John normalerweise nichts entging, zeigte er doch manchmal eine bemerkenswerte Schwerfälligkeit. Das letztere schien diesmal der Fall zu sein. Liz schüttelte nur den Kopf. Dann folgten sie dem Hotelpagen. Der Fahrstuhl fuhr geräuschlos bis zum dritten Stockwerk. Der Page schloss eine mit Schnitzereien verzierte Doppeltür auf. Dann trat er zurück, um Liz und John eintreten zu lassen. „Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Aufenthalt", sagte er. „Der Champagner und die Rosen sind ein Willkommensgruß des Hauses." Liz ging über den cremefarbenen Teppich und sah sich ungläubig um, während John dem Pagen ein Trinkgeld gab. Das Wohnzimmer der Suite sah aus wie im Film. Die Tür eines hochpolierten Schrankes war einen Spaltbreit offen. Darin waren viele Flaschen aufgereiht. Zwischen zwei weißen Leinensofas stand ein großer Glastisch und darauf eine Silberschale mit einem Dutzend roter Rosen. Rote Rosen als Zeichen von Johns Liebe? fragte sich Liz, ließ diesen Gedanken aber schnell wieder feilen. Der Page hatte ausdrücklich gesagt, dass die Rosen ein Geschenk des Hauses waren. Aber er hatte doch auch etwas von Champagner gesagt! Suchend sah Liz sich um, konnte jedoch keinen Champagner entdecken. An der gegenüberliegenden Wand erblickte Liz eine Tür, die sie neugierig öffnete. Liz war sprachlos. Das luxuriöse Wohnzimmer war nichts - verglichen mit diesem Raum. Direkt vor ihr stand auf einem Podest ein riesiges herzförmiges Bett unter einem ebenfalls herzförmigen Baldachin aus rosa Seide. Liz stieg die drei Stufen zum Bett hinauf. Wo man wohl die dazu passenden Bettlaken kaufen konnte? Sie riss sich von diesem Anblick los, sah sich um und entdeckte den Champagner in einem Eiskübel neben einer rosafarbenen Liege. Plötzlich verstand Liz das merkwürdige Verhalten des Rezeptionisten. Dies musste die Flitterwochensuite sein! Und John hatte sie reserviert! Liz war überglücklich. Eine zweite Tür führte offenbar ins Badezimmer. Liz öffnete sie und trat ein. Ungläubig blickte sie auf die herzförmige, rosafarbene Marmorbadewanne. Kleine goldene Engel dienten als Wasserhähne. Nur die Dusche hatte eine normale Ausstattung. Die übersah Liz einfach und wandte sich den herzförmigen Waschbecken zu. In Elfenbeinschalen lagen, wie nicht anders zu erwarten, kleine herzförmige Seifenstücke. Nachdenklich betrachtete Liz die Badewanne. Dann kam ihr eine glänzende
Idee. Im Buch stand doch, man sollte sich an ungewöhnlichen Orten lieben. Ob eine Badewanne wohl ausgefallen genug war? Entschlossen drehte Liz die Wasserhähne auf. „Ach, hier bist du." John stand in der Tür. Liz erschrak. „O John, ich danke dir!" Sie strahlte ihn an. „Das ist vollkommen..." Sie breitete die Arme aus. „Kitschig." Er nahm ein Stück Seife in die Hand, blickte es kopfschüttelnd an und ließ' es sofort wieder fallen. „Ich würde es romantisch nennen." Liz umarmte ihn und schmiegte sich an ihn. „Einfach romantisch, mir gefällt es." „Na gut." Er küsste sie auf die Nase. „Früher konnte ich mir so etwas nicht erlauben. Dafür wollte ich dich endlich einmal ent schädigen." „Mich entschädigen, wofür denn?" Liz lehnte den Kopf zurück und sah ihm in die Augen. „Für die beiden Nächte in diesem unmöglichen Motel, das nicht mehr als eine Raststätte war. Länger waren unsere Flitterwochen ja nicht." „John Langdon, dafür musst du dich doch nicht entschuldigen!" sagte Liz heftig. „Ich habe sie sehr genossen. Du warst ein phantastischer Liebhaber. Einen besseren hätte sich keine Braut wünschen können. Das Zimmer war doch nicht wichtig. Wir sind ja sowieso nicht aus dem Bett herausgekommen." „Das stimmt." John lachte und bemerkte dann: „Das Wasser in der Badewanne läuft gleich über." Rasch drehte Liz den Hahn zu. „Du kannst dich schon hineinlegen. Ich gehe inzwischen nach unten und suche den Mann, der für die Tagungseröffnung zuständig ist", schlug John vor. „Muss das gleich sein?" „Ich habe dem Tagungsleiter versprochen, gleich nach meiner Ankunft die Rede mit ihm durchzugehen." „Aber es ist doch noch früh", schmollte Liz. Zärtlich fuhr sie mit der Fingerspitze über seine Lippen. „Und so kannst du dich da unten nicht sehen lassen. Du bist ja ganz erhitzt und aufgeregt" „Das ist deine Nähe, die mich so erhitzt und aufregt." „Dagegen weiß ich ein gutes Heilmittel. Und eine halbe Stunde Zeit haben wir noch, oder?" flüsterte Liz lachend und ließ sich langsam an seinem Körper hinuntergleiten. Ihre Brustspitzen richteten sich auf, und ein heftiges Verlangen stieg in ihr auf. „Steig schon in die Wanne. Ich seife dir den Rücken ein." John wurde schwach. „Ein heißes Bad wäre jetzt himmlisch. Du hast recht, eine halbe Stunde früher oder später macht keinen Unterschied." „Schön." Liz zog John an der Krawatte zu sich herunter und küsste ihn liebevoll. „Dann hinein mit dir. Ich lege dir nur noch schnell frische Wäsche hin." Sie riss ein riesiges rosafarbenes Badelaken von dem beheizbaren Handtuchhalter und eilte ins Schlafzimmer. So weit, so gut, ermutigte sie sich. In die Badewanne hatte sie John gelockt. Nun war es kein Problem mehr, ihn zu verführen, das hatte sie während der Umarmung deutlich gespürt. Sie mussten nur aufpassen, dass sie in der großen Wanne nicht ertranken. Nun ja, das Leben hatte nun mal seine Risiken. Liz lächelte zufrieden. Schnell entkleidete sie sich und ließ die Sachen einfach zu Boden fallen. Sie musste im Bad sein, bevor Johns ausgeprägtes Pflichtgefühl wieder Oberhand gewann. Liz legte sich das flauschige rosafarbene Handtuch um, knotete es über der Brust zusammen und betrachtete sich im Spiegel. „Nun fehlt nur noch die Rose zwischen den Zähnen." Sie kicherte. „Liz", rief John, „du wolltest mir doch den Rücken einseifen."
„Ich komme schon!" Sie schüttelte die Locken zurecht, nahm das untere Ende des Handtuchs in die Hand und lief ins Bad. John lag ausgestreckt in der riesigen Wanne, den Kopf entspannt gegen die eine Rundung gelehnt. Die Augen hatte er geschlossen. Liz kniete nieder und nahm ein Stück Seife zur Hand und begann, John einzureihen. Liz genoss das Gefühl, seine geschmeidige Haut zu berühren. Dampf stieg aus der Wanne auf und hüllte sie ein. Sanft massierte sie Johns Schultern, die ganz verkrampft waren. Liz sah ihm ins Gesicht, aber er hielt die Augen immer noch geschlossen. Es reizte sie, seinen Mund zu küssen, aber sie beherrschte sich. Sie wollte John ruhig ein wenig quälen. Er sollte verrückt werden vor Verlangen. Hoffentlich halte ich das selbst aus, dachte Liz besorgt. Bringe ich die Geduld auf, um aus dieser Situation ein wirklich unvergessliches Erlebnis zu machen? John seufzte zufrieden. Das ermutigte Liz, die Hände tiefer in das heiße Wasser gleiten zu lassen. Sie schloss die Augen und streichelte seinen Oberkörper. Sie berührte seine Brustspitzen, umkreiste sie mit dem Fingernagel. John zuckte zusammen. Liz hörte nicht auf, ihn zu liebkosen. Seine Haut zu fühlen und die Hitze im Bad verminderten ihre Konzentrationsfähigkeit. Das Verlangen, selbst gestreichelt zu werden, wurde fast schmerzhaft. Liz atmete heftiger. Die Sehnsucht war nun beinahe unerträglich. Aber trotzdem hielt sie sich zurück. Sie war fest entschlossen, den erlösenden Moment noch länger hinauszuzögern. Sie spielte mit Johns Bauchnabel. Und dann endlich ließ sie ihre Hand noch tiefer gleiten und spürte Johns Erregung. Während sie ihn zärtlich berührte, überlegte sie ihren nächsten Schritt. Doch plötzlich nahm John ihr die Entscheidung ab. Er zog Liz in das heiße Wasser, riss ihr das Badelaken ab und umarmte sie. „Liz, ich kann mich nicht mehr beherrschen. Ich brauche dich so sehr." Er drückte sie ganz fest an sich. Ein freudiger Schauer durchlief Liz. Sie stöhnte, als John sie ein wenig hochhob und ihre empfindlichen Brustspitzen küsste. „John!" Sie drückte seinen Kopf noch mehr an ihre Brüste und genoss die Gefühle, die sie durchströmten. „Es tut mir leid, Liz", keuchte John. „Ich kann mich nicht mehr zurückhalten.“ Heftig drang er in sie ein. Die beiden heißen Körper verschmolzen zu einem und gemeinsam strebten sie dem Höhepunkt zu. Liz zitterte und griff nach Johns Schultern, als sich ihre fieberhaft gesteigerte Erregung endlich entladen durfte. Das rhythmische Plätschern des Wassers, der seltsam hohle Klang ihrer unregelmäßigen Atemzüge und John in sich zu spüren, das allein war im Moment ihre Wirklichkeit. Liz konnte nicht mehr klar denken. Sie wollte nur noch genießen und Erfüllung finden. Endlich erreichten sie den Höhepunkt, der einzigartig und vollkommen war. Einige Minuten verstrichen. Unendlich zärtlich liebkoste John Liz' feuchte Stirn. „Liz?" „Hmm?" Glücklich legte sie das Gesicht auf seine Brust, dabei schluckte sie Wasser und musste husten. „Liz, jetzt muss ich aber gehen." „In Ordnung", sagte sie und gähnte. „Geh nur. Ich werde ein ausgedehntes Nickerchen machen."
„Das ist eine gute Idee." Er hob sie aus der Wanne, setzte sie auf der dicken weißen Badematte ab und stützte Liz, da sie schwankte. „Dann bist du bis heute abend ja wieder in Form." „Du bist wohl unersättlich." Liz lächelte ihn an. „Ich glaube, du hast mich nur aus diesem Grund mit nach Washington genommen. Nein, ich muss mich berichtigen. Ich hoffe, dass das der Grund war."
8. KAPITEL
„Fertig!" Liz nahm noch ein wenig von dem leicht blumigen Parfüm, das John am liebsten mochte, trat einen Schritt zurück und betrachtete sich im Spiegel. „Sehr hübsch." Sie zupfte an dem tiefen Ausschnitt ihres sma ragdgrünen Kleides. „Wirklich sehr hübsch." Die Seide raschelte, als sie sich drehte. Dabei blieb sie mit einem der hohen Absätze im dicken Teppichflor hängen und verlor das Gleichgewicht. Als Liz sich gefangen hatte, blickte sie betrübt auf ihre schwarzen Sandaletten. Sie würde sich noch den Hals brechen, bevor der Abend zu Ende war. Trotzdem würde sie auf keinen Fall auf die topmodernen Schuhe verzichten, denn darin sahen ihre Füße viel zierlicher aus. Sie nahm die Abendtasche von der Frisierkommode und wollte gerade den Raum verlassen, als ihr Blick auf das riesige herzförmige Bett fiel. Sie fühlte eine freudige Erwartung in sich aufsteigen. „Später", flüsterte sie. Es klopfte laut an der Apartmenttür. Liz hoffte, dass es John war. Er hatte zwar gesagt, er wolle sie in der Hotelhalle treffen, aber vielleicht hatte seine Besprechung doch nicht so lange gedauert wie erwartet, und er kam, um Liz abzuholen. Schnell lief sie durchs Wohnzimmer, um zu öffnen. Doch Liz wurde enttäuscht. Carol stand vor der Tür. „Freu dich bloß nicht zu sehr, mich zu sehen", sagte Carol bissig. „Ich könnte mir sonst etwas darauf einbilden." „Entschuldige." Liz trat zurück, um Carol hereinzulassen. „Ich dachte, es wäre John." „Oh, der ist mit Gary unten in der Halle. Wir haben ihn getroffen, als wir nach Post fragten. Er hat uns eingeladen, mit euch zusammen zu essen." Carol sah sich im Raum um und war sprachlos. Liz versuchte, sich die Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Wie hatte sie sich auf ein Abendessen zu zweit gefreut, ohne dass John zwischendurch abgerufen werden konnte. Wollte er den Abend nicht mit ihr allein ve rbringen? Aber darüber hat er bestimmt gar nicht nachgedacht, überlegte sie betrübt. Er hatte Freunde getroffen und ganz selbstverständlich eingeladen. Liz bemühte sich, Carol freundlich anzulächeln. Es war nun einmal passiert und nicht mehr zuwandern. Es gab keinen Grund, auch noch Carol zu verletzen. Aber, wenn John sich einbildete, er könne den gesamten Abend mit Gary fachsimpeln, würde er eine Überraschung erleben. Liz beabsichtigte, mit allen Mitteln Johns Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. In Gedanken ging sie noch einmal die Liste der Methoden durch, die das Buch für derartige Gelegenheiten empfahl. „O Liz!" Carol hatte die mit Getränken gefüllte Bar entdeckt. „Das soll ein Hotelzimmer sein? Nicht einmal auf Möbelausstellungen habe ich so elegante Räume gesehen." „Das ist noch nicht alles. Sieh dir erst einmal die anderen Zimmer an." Liz führte Carol ins Schlafzimmer. „Ich kann es nicht glauben!" Das herzförmige Bett verschlug Carol den Atem. „Wir haben auch eine herzförmige Badewanne aus rosafarbenem Marmor. Mit vergoldeten Engelchen als Wasserhähnen", berichtete Liz. „Die muss ich sehen!" Carol verschwand im Bad. Einen Moment später kam sie wieder heraus. „Dass sie auch groß genug für zwei Personen ist, hast du mir wohlweislich verschwiegen", spaßte Carol. Liz wurde rot, und Carol brach in ein fröhliches Lachen aus. „Ja, ja, Wunder gibt
es immer wieder. Die gute alte Liz herumtollend in so einer Badewanne. Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Darüber würden sich sogar die Engelchen über der Wanne amüsieren." Carol sah sich noch einmal im Schlafzimmer um. „Dies Zimmer wirkt so romantisch, das muss die Suite für Frischverheiratete sein." „Merkst du das erst jetzt?" sagte Liz schmunzelnd. „Das fiel mir sofort auf, als ich das Bett sah." „Wieso? Wusstest du das nicht vorher? Glaubst du, man hat euch zufällig hier einquartiert?" „Nein, John hat es natürlich bestellt. Aber es sollte eine Überraschung für mich sein." „Hast du ein Glück." Es gab keine Zweifel, Carol war neidisch. „Gary würde mich höchstens damit überraschen, dass er vergessen hat, ein Zimmer zu bestellen. Da wir gerade über unsere Männer reden. Wir sollten nach unten gehen. Wir müssen zeitig essen. Um neun Uhr sollen Gary und ich auf einer Party sein." „Einer Party?" Liz ging hinter Carol her. „Ihr seid nicht eingeladen", antwortete Carol geradeheraus. „Eine meiner Schwestern ist mit einem hohen Diplomaten verheiratet. Sie hat die Einladungen für Gary und mich ergattert. Ich könnte versuchen. . . " „Nein, danke." Liz verdrängte den Wunsch, Carol und Gary auf die Party zu begleiten. Wenigstens hatte sie die Aussicht, John nach dem Abendessen für sich allein zu haben. Sie dachte an das riesige Bett. „Hast du auch schon Pläne für den Abend?" fragte Carol. „Ja, ich wollte schon immer einmal das Lincoln Memorial besichtigen." „Das sieht dir ähnlich, Besichtigungen machen. Du bist hoffnungslos provinziell, Liz." Liz dachte an das nachmittägliche Liebesspiel in der Badewanne und musste unwillkürlich lächeln. „Aber nicht durch und durch", sagte sie leise. Carols gutmütiger Spott traf sie aber nicht. Auf Liz' rätselhaften Ausspruch reagierte Carol nur mit einem ironischen Blick. Als Liz nicht weitersprach, verlor Carol das Interesse an diesem Thema.
Die beiden Männer warteten in der geräumigen Hotelhalle. Liz' Herz quoll über vor Liebe, als sie John dort stehen sah. Vom glänzenden schwarzen Haar bis zu den polierten Schuhspitzen war er für sie der Inbegriff des vertrauenerweckenden, erfolgreichen Mannes. „Hallo Darling." John lächelte Liz verschmitzt an. Die gemeinsame Erinnerung an den Nachmittag schuf eine innige Verbindung zwischen ihnen. Johns Blick weilte auf Liz' Dekollete, das den Brustansatz deutlich sehen ließ. „Du siehst wunderbar aus." „Du siehst aber auch sehr gut aus." Sie berührte seinen makellosen weißen Hemdkrägen und zupfte dann seine marineblaue Krawatte zurecht, obwohl dies nicht nötig war. John ergriff Liz' Hand und drückte sie. „Ich liebe dich", flüsterte er und küsste sie zur Begrüßung auf die Wange. Liz versuchte, ihn unter halbgeschlossenen Augenlidern verführerisch anzulächeln. Es zuckte um Johns Mundwinkel, und sie wusste, dass es ihr nicht gelungen war. „Lasst uns gehen", sagte Carol ungeduldig. „Ich bin sehr hungrig. Wohin gehen wir eigentlich?"
John hakte Liz ein. „Ich hab' einen Tisch für Liz und mich im ,Le Bavarois' bestellt. Aber sicher bekommen wir auch einen Tisch für vier Personen." „Was ist das für ein Restaurant?" fragte Carol neugierig. „Ein französisches. Es ist sehr teuer", antwortete Gary. Jetzt hakte Carol auch Gary unter. „Das hört sich an, als sei das genau nach meinem Geschmack." Nach meinem nicht, dachte Liz. Sie sprach kein Wort Französisch, und es würde darauf hinauslaufen, dass sie vor einem Teller mit eingelegten Froschschenkeln saß. Liz schüttelte sich bei dem Gedanken, und John sah sie fragend an. Sie wollte ihre Bedenken nicht aussprechen und gab sich zuversichtlicher als sie sich fühlte. Der Abend sollte offensichtlich etwas Besonderes werden. Sie wollte ihn nicht durch ihre Unsicherheit verderben, bevor er begonnen hatte. Sie hatte doch alle Tips des Buchs beachtet, oder? Energisch verdrängte sie den Gedanken an mögliche Katastrophen. Sie wollte sich amüsieren, auch wenn es sie das Leben kosten würde. Es zeigte sich, dass selbst die weltgewandte Carol von der Eleganz des „Le Bavarois" beeindruckt und sogar etwas verunsichert war. Sie folgten dem Maitre de maison, der sie mit der Würde eines Erzbischofs an einen weit von den anderen Gästen entfernten Tisch führte. Liz setzte sich auf einen mit rotem Damast bezogenen Stuhl und bewunderte ein prächtiges Blumenarrangement in einer Porzellanschale. Das Geschirr sah so erlesen aus, dass Liz nur zu gern den Teller umgedreht hätte, um das Markenzeichen zu lesen. Doch diesen Wunsch unterdrückte sie. Carol war nicht so gehemmt. Sie klopfte mit dem Fingernagel an ihr Weinglas. Dem wohlklingenden Ton nach zu urteilen, war es aus reinem Bleikristall. Liz beobachtete den Maitre. Der lächelte und zwinkerte ihr zu. Sie lächelte zurück und entspannte sich. Liz war nicht gewöhnt, in Restaurants zu essen, wo man für eine Mahlzeit drei Gabeln und vier Löffel benötigte. Da war es ermutigend zu erfahren, dass die Menschen, die hier arbeiteten, eben auch nur Menschen waren. Es würde ein schöner Abend werden. Liz sah John glücklich an. Plötzlich erinnerte sie sich an ihren Plan und streichelte sanft Johns Handrücken. „Du suchst immer sehr schöne Restaurants aus." „Ja, ich habe eben einen ausgezeichneten Geschmack", antwortete John und hielt ihre Hand fest. „Hört auf damit, ihr beiden. Dafür habt ihr später Zeit. Wir wollen jetzt bestellen", befahl Carol. Liz nahm die große ledergebundene Speisekarte von dem Kellner entgegen. Jetzt wollte sie sich auf das Essen konzentrieren, aber später... Bei dem Gedanken an den späteren Abend wurde ihr ganz anders zumute. Das Essen hatte Liz vorzüglich geschmeckt, danach fühlte sie sich entspannter denn je. Sie nippte noch einmal an ihrem Drink und sah John mit ein wenig verschwommenen Augen an. Einen Cocktail vor dem Essen, Wein während der Mahlzeit und jetzt einen Likör, an so viel Alkohol war sie nicht gewöhnt. Bestimmt war sie ein wenig beschwipst. Ein Spaziergang an frischer Luft würde ihr jetzt guttun. Liz setzte das noch fast volle Glas ab. Sie hätte es gar nicht erst bestellen sollen, Es wäre furchtbar, wenn sie einschliefe bevor sie und John sich geliebt hatten. Bei dem Gedanken musste sie lächeln. „Liz Langdon", sagte Carol neckend, „ich glaube, du bist betrunken." „Nein, bin ich nicht. Nur müde." Liz gähnte. „Um diese Zeit?" fragte Carol ungläubig. „Du bist wie deine Jungen. Ich wette, du kannst es kaum erwarten, ins Hotel zurückzukehren und sie anzurufen."
„Das habe ich schon erledigt, bevor ich mich umgezogen habe", gestand Liz. „Können sie ohne dich überleben?*' fragte Gary freundlich. „Ja, natürlich. Es geht ihnen gut. Sie erzählten mir, dass Mrs. Wyvern ihnen nach der Schule Schokoladenkekse gebacken hat. Und dann wollten sie wissen, was ich ihnen aus Washington mitbringe." Liz strahlte Gary an und hoffte, dass niemand bemerkte, wie betroffen sie war. Denn ihre Söhne hatten sich offensichtlich völlig mit der Abwesenheit der Mutter abgefunden. „Du verdienst ein Lob, dass du sie zur Selbständigkeit erzogen hast", sagte Gary ruhig. „Danke." Liz schaute ihn dankbar an und freute sich über die Anerkennung. „Ich weiß nicht, was ihr beiden vorhabt, aber Gary und ich müssen jetzt gehen", verkündete Carol, nachdem sie auf ihre kleine goldene Armbanduhr geblickt hatte. „Sollen wir euch irgendwohin fahren?" fragte John. „Liz und ich haben für das Wochenende ein Auto gemietet." „Nein danke, wir rufen ein Taxi", entgegnete Gary. „Wir wollen uns das Lincoln Memorial ansehen. Im Reiseführer steht, das müsse man unbedingt besichtigen", erzählte Liz Gary. „Reiseführer!" Carol verzog das Gesicht. „Wage nicht, einen Reiseführer mitzunehmen, wenn ich dabei bin. Man wird sofort erkennen, dass wir aus der Provinz kommen." „Rochester ist nicht Provinz", konterte Liz, während sie aufstand. Carol reagierte nicht auf diese Worte.
Zwanzig Minuten später standen Liz und John vor dem riesigen Lincoln-Denkmal. Liz war froh, dass sie nicht auf einer Party in verräucherter Luft herumstehen musste. Die untergehende Sonne tauchte das Denkmal in ein wunderschönes Licht. Sie würde diesen Anblick niemals vergessen. Liz sah zu dem im Halbschatten sitzenden marmornen Präsidenten auf und fühlte den Zauber, der selbst von dem Bildnis noch auszustrahlen schien. „Man kann fast seine Gegenwart spüren", flüsterte John. „Als beobachte er seine Betrachter." „Ich würde gern wissen, wie er darüber dächte, was wir aus seinem Vermächtnis gemacht haben." „Ich denke mir, es würde ihm gefallen." John legte Liz den Arm um die Schultern und zog sie an seine Seite. „Wir haben zwar nicht alle Ziele Lincolns erreicht, aber wir streben noch danach, und mehr kann niemand verlangen." Die fast unnatürliche Ruhe wurde plötzlich durch laute Musik zerstört. Liz erschrak und sah sich überrascht um. Eltern mit einem offensichtlich gelangweilten Teenager, der ein plärrendes Radio am Ohr hielt, kamen die große Freitreppe herauf. Als der unpassende Lärm unerträglich wurde, drehten sich John und Liz in schweigender Übereinstimmung um und traten den Rückweg an. Sie gingen an einem Spielplatz vorbei und hörten Stimmen. Unwillkürlich hörten die beiden genauer hin. Eine Mutter versuchte, ihren Sohn zu überreden, mit nach Hause zu gehen. „Mit süßen Worten bekommt sie ihn nie nach Hause", bemerkte John. „Sie sollte ihn am Kragen packen und ihn daran nach Hause ziehen." „Ja, mir ist auch schon aufgefallen, dass man Männern mit Vernunft nicht beikommen kann. Ich würde gern wissen, ob sie auf andere Reize auch so unberechenbar reagieren", erwiderte Liz herausfordernd.
„Das müsste man erforschen." Johns Augen glänzten sogar im Dämmerlicht. Liz sah noch einmal in Richtung Spielplatz und fühlte sich plötzlich ganz unbekümmert. In ihrem Ratgeber stand auch, man sollte unerwartete Dinge tun. Das galt sicher nicht nur für das Liebesleben. „Komm." Liz zog John am Arm. „Lass uns schaukeln gehen. Seit die Zwillinge klein waren, war ich auf keine m Spielplatz mehr. Damals musste ich den Kindern immer Anschwung geben. Ich selbst habe nie geschaukelt." „Du willst schaukeln?" John sah sie an, als zweifelte er an ihrem Verstand. „In einem Abendkleid und hochhackigen Sandaletten. Du wirst dir den Knöchel brechen." „Keine Angst, zum Schaukeln braucht man nicht die Füße, sondern das Hinterteil, und meins ist in bester Form." „Okay." John gab nach und folgte Liz zum Spielplatz, der ihnen mittlerweile allein gehörte. Liz setzte sich auf eine der großen Scha ukeln und hielt sich an den Ketten fest. „Stößt du mich an?" bat sie John, der sich an einen Träger lehnte. „Das hört sich verführerisch an." Er trat hinter Liz und gab ihr einen sanften Schubs. „Höher, John, höher!" Sie legte den Kopf zurück und ließ sich den leisen Abendwind übers Gesicht streifen. Sie dachte an nichts mehr. Genoss nur noch dieses wundervolle Gefühl, lebendig und frei zu sein. In diesem Moment liebte sie das Leben. Sie hatte ein ausgezeichnetes Abendessen zusammen mit ihrem Mann genießen dürfen, hatte geflirtet, und wenn sie ins Hotel zurückkamen, würde sie John verführen. Oder er würde sie verführen. Oder sie wechselten sich ab. Liz lachte laut. „Liz Langdon. "John hielt die Schaukel an. „Du hast zuviel getrunken!" „Glaubst du?" Sie legte den Kopf in den Nacken, um John ins Gesicht zu sehen. „Da könntest du recht haben. Aber vielleicht bin ich auch nur von diesem wundervollen Abend berauscht. Weil der Mond so schön scheint, oder der Wind so sanft weht. Oder weil mein Mann sehr sexy ist." Sie richtete sich auf und berührte sein Kinn. „Du, mein Liebling, steigst mir schneller zu Kopf als der stärkste Brandy." „Zu Kopf steigst du mir gerade nicht, Liz." „Ich weiß, was du meinst." Sie lehnte sich gegen John. „Warum gehen wir dann nicht ins Hotel zurück?" Sie neigte sich weiter nach hinten und rieb den Kopf an Johns Schenkeln. „Das ist eine sehr gute Idee." John half ihr aus der Schaukel. „Ich erwarte nämlich einen Anruf..." Er brach empört ab, da Liz, die nichts dergleichen hören wollte, einfach davonging. „Liz, wohin gehst du?" „Ich möchte da hinuntersausen." Sie zeigte auf eine gewaltige Rutsche. „Du wirst dir das Genick brechen. Vielleicht bist du nicht betrunken, aber du selbst bist du auch nicht." „Ich bin eine Frau." Liz warf die Arme in die Höhe. „Ich bin das ewige Weib, ich bin eine Zauberin." „Du bist verrückt", sagte John. „Aber auch eine Zauberin." Liz stampfte mit dem Fuß auf. Irgendwie hatten sie Johns Worte verletzt. „Du bist schon verdammt verführerisch", stimmte er zu. „Aber das schließt nicht aus, dass du verrückt bist, du zügelloses Weib." „Zügellos." Liz sprach das Wort abwägend aus. „Ja, das gefällt mir. Genauso fühle ich mich. Zügellos. Wie fühlst du dich?" Sie versuchte, in der Dunkelheit sein Gesicht zu sehen.
„Gereizt." „Armer Junge." Liz klopfte John auf die Schulter, und dann küsste sie ihn aufs Kinn. „Ich mach' dir einen Vorschlag. Wie es sich in einer modernen Ehe gehört, werden wir einen Kornpromis schließen." „Und der wäre?" „Einmal die Rutsche hinunter, und dann gehen wir ins Hotel zurück. Es stimmt nicht, dass ich betrunken bin. Ich bin eine Fee, nein, ich bin nur ein wenig verdreht. Das ist genau das richtige Wort." „Wenn die Feen dir nur etwas ähnlicher gesehen hätten, wäre die Rasse nicht ausgestorben. Ich hoffe, du entschuldigst, wenn ich den Rest meines Urteils für mich behalte." „Du behältst dein Urteil, und ich behalte dich." Vorsichtig begann Liz, die Stufen der großen Rutsche hinaufzusteigen. Sie hielt an, da sie John hinter sich hörte. „Du kommst auch?" fragte sie und sah hinunter. „Ich habe solche Angst, dass du fällst." „Okay, wenn ich falle, musst du mich auffangen." Sie drehte sich um und stieg weiter hinauf. Als sie oben angekommen war, sah sie sich eine Sekunde lang um. Dann wickelte sie ihren Rock um sich, setzte sich und rutschte los. Lachend sauste sie hinunter und blieb am Rand der Rutsche sitzen. Dann blickte sie zu John hoch. „Komm runter, das macht Spaß", rief sie ihm zu. Zu Liz' Überraschung tat John es lässig und gekonnt, wie bei allem, was er anpackte. Er bremste ein wenig, als er sich dem Ende der Rutsche näherte. Zuerst berührte er Liz mit den Beinen, und dann prallte sein Körper sanft auf ihren. „Das ist schön." Liz presste sich noch stärker zwischen seine Beine. „Ich habe ganz vergessen, wieviel Spaß Rutschen macht. Ist es nicht erstaunlich, was ein paar Abwechslungen ausmachen?" „Was zum Beispiel?" „Oh." Liz legte den Kopf zurück und begann, seinen Nacken zu liebkosen. „Dies oder das." Sie drehte sich zu John um, fuhr mit der anderen Hand unter sein Jackett und streichelte die Brust. „Oder das." John zog Liz an sich und küsste sie leidenschaftlich. Sie seufzte zufrieden und umarmte John noch fester. Plötzlich traf sie ein greller Lichtstrahl, Liz schnellte zurück, so dass das Taschenlampenlicht eines Nachtwächters jetzt John blendete. „Halten Sie das verdammte Ding tiefer", sagte John aufgebracht. „Oh, es tut mir leid, Senator", entschuldigte sich der Nachtwächter. „Ich wusste nicht, dass Sie es sind." Er schwieg verlegen. „Wenn ich im Augenblick nichts weiter für Sie tun kann, geh ich wieder." „Tun Sie das." Johns Stimme ließ keinen Widerspruch zu. Der Mann nickte nervös und verschwand. Liz wartete, bis er außer Hörweite war. Dann flüsterte sie: „Für wen hat der dich wohl gehalten?" „Das werden wir wohl niemals erfahren", antwortete John lachend. „Ich kenne mich in politischen Kreisen nicht gut genug aus. Ich weiß nicht, welcher unserer hart arbeitenden Senatoren die Gewohnheit hat, sich mit schönen Frauen auf Spielplätzen herumzutreiben." „Wenn man bedenkt, was sich einige Senatoren schon geleistet haben, wäre dieses hier nicht einmal erwähnenswert." John half Liz aufzustehen. „Da müssen wir wohl noch ein bisschen üben. Mir gefällt gar nicht, wenn das, was ich gerade getan habe, nicht erwähnens wert ist." Liz kicherte, während sie neben John herging. Es war eine schöne Nacht, und sie war noch lange nicht vorüber. Liz spürte Johns Verwirrung über ihr
provozierendes Verhalten. Aber das störte sie nicht. Das Buch wies ausdrücklich darauf hin, dass es gefährlich wäre, wenn ein Mann sich seiner Frau zu sicher fühlte. Ab und dann sollte er ein wenig aus dem Gleichgewicht gebracht werden. Das habe ich bei John sicherlich erreicht, dachte Liz selbstzufrieden. Und ich habe noch nicht einmal meinen Trumpf ausgespielt. Lächelnd stieg sie ins Auto.
„Nach Ihnen, Lady." John öffnete die Apartmenttür und ließ Liz eintreten. Plötzlich fiel ihr das Poster im Buchladen ein: Ein attraktiver Mann umarmt eine ebenso attraktive Frau. Also lehnte sich Liz gegen John und versuchte, verführerisch zu lächeln. Eigentlich hätte er sie jetzt auf Händen in das Schlafzimmer tragen sollen. Stattdessen legte er die Hände um ihre Taille und schob sie sanft ins Zimmer. „Geht es dir wieder gut? Du hast dich heute abend so seltsam beno mmen." Seltsam! Liz starrte John an. Sie wurde wütend, dass er ihre Versuche, verführerisch zu wirken, als „seltsam" bezeichnete. Als sie den Mund öffnete und John deutlich machen wollte, wie sie über seine Auswahl von Eigenschaftswörtern dachte, drehte er sich um und ging. „Warum duschst du nicht, während ich höre, ob Nachrichten für mich vorliegen?" Liz dachte an ihre Pläne und schwieg lieber. Sie würde ein Bad nehmen und John dann verführen. Vielleicht in dem schwarzen Neglige? Wenn ihn das kalt ließ, war ihm nicht mehr zu helfen. Sie ging in Richtung Badezimmer, denn sicher würde John einige Minuten telefonieren. „Gut, ich treffe Sie in der Bar." Johns Worte ließen Liz aufhorchen, und sie drehte sich um. Als er aufgelegt hatte, blickte er gedankenvoll vor sich hin. Liz war enttäuscht. Sie kannte diesen Gesichtsausdruck. Irgendjemand oder irgendetwas hatte seine Aufmerksamkeit gefesselt. Liz zweifelte, dass er sich in diesem Augenblick an ihre Anwesenheit erinnerte. „John?" fragte sie. Er hörte nicht. „John!" wiederholte sie lauter. Er blinzelte und sah sie dann völlig geistesabwesend an. „Entschuldige, Darling, aber ich muss für einige Zeit nach unten gehen." „Ach, John! Musst du wirklich?" „Ja, ich muss." Er küsste sie auf die Augenbraue. „Ich treffe zwei Männer, mit denen ich seit langem im Briefwechsel stehe. Es ist wichtig." Wichtiger, als seine Frau zu lieben? Liz war wütend. Aber sie wusste auch, dass ihre Enttäuschung sie ungerecht machte. John war nach Washington gekommen, um zu arbeiten, nicht, um sie zu unterhalten. Wenn sie noch länger darauf bestand, dass er bei ihr blieb, würde er noch bedauern, sie überhaupt mitgenommen zu haben. Also unterdrückte sie ihre Enttäuschung. Immerhin hatte er ihr erzählt, was er tat und warum. Das war mehr, als sie in letzter Zeit gewohnt war. „Gut, ich glaube, du hattest doch recht, dass ich zuviel getrunken habe. Ich werde ins Bett gehen." „Mach das." John berührte ihre Schulter. In Gedanken war er ganz woanders. „Ich versuche, dich nicht zu wecken, wenn ich zurückkomme." Als er gegangen war, zwang sich Liz, gelassen zu sein. Sie konnte schließlich nicht nur gewinnen. Die Erinnerung an den Abend tröstete sie genauso wie der Gedanke, dass sie und John zwei weitere Nächte in Washington vor sich hatten.
9. KAPITEL
„Eine eindrucksvolle Versammlung, nicht wahr?" Carol beugte sich zu Liz hinüber. „Ja, ja", stimmte Liz halbherzig zu. „Nur ersticke ich gleich unter so viel Würde." „Das kannst du ruhig laut sagen." Carol blickte sich in dem überfüllten Hörsaal um. „Seit wir im letzten Jahr bei dem Ausverkauf in der Kleiderfabrik waren, habe ich nicht mehr so viele Anzüge mit Weste auf einmal gesehen." „Psst", warnte Liz. „Dich könnte jemand hören." „Unsinn", spottete Carol. „Sieh dir doch die gelangweilten Gesichter an. Ich bezweifle, dass die Leute überhaupt etwas hören. Schau dir nur die da drüben an." Sie zeigte auf eine Frau, die ungefähr fünf Reihen vor ihnen saß. „Die sieht ja wirklich unmöglich aus." „Carol!" Liz musste lachen. „Wahrscheinlich ist das eine sehr fachkundige und gewissenhafte Kinderärztin." „Und das weiß sie auch. Sie tut so, als trüge sie einen Heiligenschein. Wieso sind Leute, die mit Medizin zu tun haben, eigentlich immer so eingebildet?" „Hör mit den Verallgemeinerungen auf." Liz sah sich weiter unter den Zuhörern um. „Werden sie jemals anfangen?" „Kennst du einen Arzt, der pünktlich ist?" fragte Carol. „Mir ist schleierhaft, warum ich mich zu dieser Vorlesung mitschleppen ließ." „Weil du ein gutmütiges Herz hast." Liz lächelte sie an. „Du weißt, wie gern ich Johns Rede hören möchte. Ich hätte nie den Mut aufgebracht, allein herzugehen. Man sieht mir doch förmlich an, dass ich nicht hierhergehöre." „Genau", stimmte Carol fröhlich zu. Sie musterte Liz' beigefarbenes Leinenkostüm und die hellgemusterte Seidenbluse. „Keine Ärztin hat jemals so gut ausgesehen wie du." Aufgeregt strich Liz über ihren Rock. „Hübsch, nicht?" „Das Kostüm ist nicht hübsch, es ist bezaubernd." „Danke. Ich wünschte, sie würden anfangen." Liz rutschte unruhig hin und her. „Ich auch", sagte Carol. „Je eher sie anfangen, desto schneller können wir uns von hier verdrücken. Wann, hat John gesagt, wird er seine Rede halten?" „Er hat gar nichts gesagt", antwortete Liz. Sie erwähnte nicht, dass sie ihn seit dem vergangenen Abend nicht gesehen hatte. Als er endlich ins Apartment zurückgekommen war, schlief sie schon. Und als sie heute morgen aufwachte, war er schon wieder verschwunden. Aber er hatte einen Zettel dagelassen, auf dem stand, dass er bis halb sechs Uhr an Tagungen teilnehmen würde. Liz sollte den Tag genießen. Wäre die Nachricht nicht gewesen, hätte Liz nicht einmal gewusst, dass John dagewesen war. Dass Liz seiner Rede zuhören würde, erwähnte John nicht, obwohl sie ihm gesagt hatte, dass sie kommen wollte. Vielleicht legte er keinen Wert darauf. Vielleicht hatte er auch einfach nicht zugehört, als sie es erwähnte. Liz presste die Lippen aufeinander. Es wäre schlimm, wenn er ihre Anwesenheit nicht wünschte. Nun, sie war hier, und sie würde auch hierbleiben. Dies war ein Teil seines Berufslebens, an dem sie endlich einmal teilnehmen konnte. Wahrscheinlich konnte John sie sowieso nicht sehen, sie saßen in der letzten Reihe. Falls er die Rede verpatzte, konnte sie immer noch so tun, als sei sie nicht dabeigewesen. Liz dachte über einen möglichen Misserfolg nach. Ihr wurde ganz unbehaglich zumute. Sie wäre nicht aufgeregter gewesen, wenn sie selbst diese Rede hätte halten müssen.
„Na endlich", sagte Carol erleichtert. Der Tagungsleiter ging zum Podium, begrüßte die Zuhörer und stellte John vor. „Sieh ihn dir an!" flüsterte eine junge Frau, die direkt vor Carol und Liz saß, ihrer Nachbarin zu. „Den würde ich nicht von der Bettkante jagen." „Die Gelegenheit wirst du nicht haben", erwiderte die Freundin. „Wer ist das überhaupt?" Liz hielt den Atem an und beugte sich vor, um besser hören zu können. „Der hat eine steile Karriere vor sich. Er kommt aus New York. Mein Freund aus dem Organisationsausschuss sagte mir, es gäbe ein Gerücht, dass ..." Liz hätte den Satz zu gern zu Ende gehört. Was für ein Gerücht ging um? Aber zu ihrer Enttäuschung hatte John den Tagungsleiter abgelöst. Die Frau vor ihr sagte nur noch zu ihrer Freundin: „Später..." Dann schenkten beide John ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Liz beobachtete John. Man konnte ihn kaum wiedererkennen. Der maßgeschneiderte dreiteilige Anzug stand ihm sehr gut. Die kastanienbraune Seidenkrawatte betonte das Blütenweiß seines Hemdes. Aber John machte nicht nur durch die Kleidung einen guten Eindruck. Er sprach ruhig und mit großer Sachkenntnis. Man spürte sofort, das war ein berufener Arzt. Liz lehnte sich zurück, schloss die Augen und genoss es, seine wohlklingende Stimme zu hören. Langsam wurde sie ruhiger. Sie hatte sich unnötig Sorgen um John gemacht. Er war durchaus allein in der Lage, sein Publikum zu fesseln. Der Gedanke machte Liz ein wenig traurig. John brauchte ihren Beifall nicht. Den bekam er schon. Mürrisch betrachtete Liz die beiden Frauen vor sich, die gebannt zuhörten. Lautes Lachen riss Liz aus ihren Gedanken. Schnell konzentrierte sie sich wieder auf Johns Rede. Doch bemerkte sie sehr bald, dass sie eigentlich überhaupt nichts verstand. Es kam ihr vor, als spräche er eine andere Sprache. Liz sah sich um. Carol las in ihrem Taschenbuch. Aber sonst schien niemand Schwierigkeiten zu haben, Johns sicher sehr interessanten Ausführungen zu folgen. Liz hätte jedoch wetten können, dass die beiden Frauen vor ihr mehr Interesse an dem Mann als an der Rede hatten. Liz war sehr niedergeschlagen, weil sie John nicht verstehen, geschweige denn mit ihm über diese Dinge diskutieren konnte. Es war zum Heulen! Wenn John mit ihr reden wollte, musste er alles erst in eine für sie verständliche Sprache übersetzen. Viel zu ermüdend für einen sowieso schon überarbeiteten Mann! Angst durchfuhr Liz. Er musste sich bei ihr ja langweilen. Sie steigerte sich so hinein in diesen Gedanken, dass sie einen Moment glaubte, John schon verloren zu haben. Doch dann gewann ihr gesunder Menschenverstand die Oberhand. Ich übertreibe mal wieder, .sprach sie sich selbst Mut zu. Was macht es schon, wenn ich nicht so intelligent bin. Ich bin es nie gewesen, und trotzdem hat John mich geheiratet. Hätte er eine hochbegabte Frau gewollt, die ihm beruflich Konkurrenz macht, hätte er eine genommen, an Verehrerinnen hatte es nie ge mangelt. Selbst jetzt nicht. Liz dachte an Mandy Rome. Aber John hat mich geheiratet, obwohl ich nicht besonders klug bin. Vielleicht habe ich nur nicht die richtige Einstellung zu seiner Arbeit gefunden. Ich sollte versuchen, eine gute Zuhörerin zu werden, anstatt mit ihm über die Arbeit diskutieren zu wollen. Diskussionspartner hatte er unter den Kollegen genug, aber nur wenige verfügten über Zeit und eine genügende Unvoreingenommenheit. Ja, das ist zweifellos die beste Lösung: Eine gute Zuhörerin sein und sich auf
Themen beschränken, die nichts mit Medizin zu tun haben. Und da habe ich bereits Fortschritte gemacht, ermutigte sich Liz.. John begann, auf ihre Annäherungsversuche zu reagieren. In Gedanken listete sie ihre kleinen Erfolge auf: Gestern abend hatte er ihr gesagt, wohin er ging. Und vor einigen Tagen hatte er, wenn auch nichts Bedeutendes, aber von seiner Arbeit erzählt. Jetzt lag es an ihr, alles daran zu setzen, die zarte neue Bindung zu erhalten. Aber es gibt noch ein stärkeres Band zwischen uns, davon war Liz überzeugt, das sich über Jahre hinweg entwickelt hatte. Das körperliche Vergnügen aneinander, das sie ebenfalls noch steigern konnte. Sie lächelte zufrieden, als sie an das gestrige Zwischenspiel in der Badewanne dachte. Liz' Herz schlug schneller. In dem Kapitel „Wie kann ich das Liebesleben aufregender gestalten?" gab es einen außergewöhnlichen Tip. Das Hotel war genau der richtige Ort, ihn auszuprobieren. Hier brauchte sie sich keine Sorgen zu machen, dass die Jungen sie überraschen würden. Ich muss nur ein Lebensmittelgeschäft linden, bevor John heute abend zurückkommt... Liz' Gedanken wurden durch tosenden Beifall unterbrochen. Sie klatschte mit, als John das Podium verließ. „Bist du jetzt zufrieden?" fragte Carol, während sie ihr Buch in die Tasche steckte. „Ja", antwortete Liz zögernd. Dann konnte sie nicht anders, sie musste Carol fragen. „Hast du irgend etwas verstanden?" „Nein, natürlich nicht." „Gut." Liz lächelte erleichtert. „Es ist gut zu wissen, dass ich mit meiner Dummheit nicht allein dastehe." „Wenn man von solch speziellen Dingen nichts versteht, ist das kein Zeichen von Dummheit", widersprach Carol entrüstet. Liz lachte. Es war beruhigend, wie Carol alles wieder ins rechte Lot rückte. „Okay, beruhige dich, und lass uns einkaufen gehen. Ich muss spätestens um fünf Uhr im Hotel sein." „Mach dir keine Sorgen. John ist doch sowieso nicht pünktlich", sagte Carol mit Überzeugung. „Ärzte sind immer unpünktlich. Irgendein Typ hält ihn bestimmt auf, um mit ihm über seinen Vortrag zu diskutieren." „Ich kann mir schon vorstellen, welche Typen das sein werden", fügte Liz hinzu. Sie warf einen Blick in Richtung der beiden Frauen, die eben noch vor ihr gesessen hatten und jetzt durch den überfüllten Gang zum Podium drängten. Dort stand nämlich John und unterhielt sich mit einigen Kollegen. Zu gern hätte Liz noch erfahren, welches Gerücht über John im Umlauf war. Vielleicht war es auch besser, sie kannte es nicht, denn sie hatte im Moment sowieso schon mehr Probleme, als ihr lieb war. Sie brauchte keine zusätzlichen. „Komm endlich, Liz", mahnte Carol. „Ich möchte jetzt in die Wisconsin Avenue und die Geschäfte ansehen." „Ich komme." Liz nahm ihre Tasche und folgte Carol. „Wohin gehen die jetzt alle?" fragte sie neugierig, während sie die Menschenmenge beobachtete. „Zu Arbeitsgruppen, Vorlesungen und Seminaren. Vergiss sie und freue dich aufs Einkaufen." „Okay." Liz nahm sich zusammen. „Ich möchte einige Mitbringsel für die Kinder besorgen." „Du und deine Kinder!" stöhnte Carol. „Mich wundert, dass du nicht noch mehr Kinder hast." „Die hätten wir wohl auch, wäre John öfter zu Hause!" verplapperte sich Liz. „Du hast vergessen zu sagen: ,Das geschieht ihm recht'", sagte Carol verschmitzt.
„Wie bitte?" Liz sah die Freundin verwirrt an. „Ja, dein Ton klang so", erläuterte Carol. „Als wir noch Kinder waren und Streit hatten, endete alles mit: ,Das geschieht dir recht'. Beeil dich, da wird gerade ein Taxi frei. Lass uns das nehmen." Sie zog Liz durch die Tür. Gedankenverloren stieg Liz in das Auto. Sie dachte über Carols Worte nach. „Das geschieht ihm recht." Der Satz ging ihr immer wieder durch den Kopf. Liz wollte es nicht wahrhaben. Sie hatte sich nicht geweigert, noch ein Kind zu bekommen, um John dafür zu bestrafen, dass er sie so viel allein ließ. Oder? Tief bestürzt ließ sie sich in den Sitz sinken. Mit leerem Blick starrte sie aus dem Fenster. Carols fröhlichem Geplapper hörte sie nicht zu. Das konnte doch nicht wahr sein! Nur ein böser, rachsüchtiger Mensch könnte so etwas tun. Oder ein verzweifelter. Eine Frau, die glaubte, die Weigerung noch ein Kind zu bekommen, würde ihren Mann dazu bringen, weniger zu arbeiten. Du lieber Himmel! Liz biss sich auf die Lippe. Was hatte sie getan? Hatte sie wirklich Johns Liebe zu Kindern als Waffe benutzt? Wollte sie ihn auf diese Weise zwingen, mehr Zeit zu Hause zu verbringen? Wenn das stimmte, war sie sich dessen nicht bewusst gewesen. Aber die Tatsache, dass sie unbewusst so gehandelt hatte, machte die Sache fast noch schlimmer. Das war ja so, als schämte sie sich ihres Verhaltens. Wagte sie nicht, sich ihre eigenen Gedanken einzugestehen? Erst Carols sorglose Bemerkung hatte ihr die Augen geöffnet. „Raus!" Carol gab Liz einen Schubs. „Ich hab schon bezahlt. Der Taxifahrer hat noch anderes zu tun." „Natürlich." Liz versuchte, sich zusammenzunehmen und stieg aus. „Liz?" Carol sah sie kopfschüttelnd an. „Liz, was ist los mit dir? Du benimmst dich eigenartig, seitdem wir bei Sibleys' waren in der letzten Woche. Du hast eine neue Frisur, neue Kleider. Langsam wirst du mir unheimlich. Für die Pubertät bist du zu alt, für die Wechseljahre viel zu jung. Was zum Teufel, ist also eigentlich los mit dir?" Liz kannte Carol gut genug, um zu wissen, dass hinter dem barschen Ton Besorgnis lag. Doch Liz wollte sich nicht einmal ihrer besten Freundin anvertrauen. „Nichts. Ich bin nur dabei, mein wahres ,Ich' zu finden", schwindelte sie. „Na gut, behältst du es eben für dich. Sogar ich verstehe eine Andeutung, wenn sie nur häufig genug wiederholt wird. Ich werde mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern. Komm! Lass uns an dieser Straßenseite anfangen. Auf dem Rückweg nehmen wir uns die andere vor." Liz war dankbar, dass die Freundin das Thema gewechselt hatte. „Okay", stimmte sie sofort zu. „Ich muss aber um fünf Uhr zurück sein."
Es war bereits nach fünf Uhr, als Liz wieder im Hotel ankam. Zu ihrer Erleichterung war John noch nicht im Apartment. Offensichtlich wurde er noch aufgehalten. Also hatte sie Zeit, sich in eine verführerische Sexbombe zu verwandeln. Sie versuchte sich Johns Gesicht vorzustellen, wenn er die Tür aufmachte. Liz lachte. „John Langdon, es wird dich umhauen!" schwor sie ihm. Die Uhr schlug einmal. Liz eilte ins Badezimmer. Sie duschte, trocknete sich ab und griff nach der Rolle mit der Klarsichtfolie. Liz betrachtete sich im Spiegel. Dann sah sie auf die Rolle in ihrer Hand. Wie konnte sie aus der Folie einen Cellophan-Bikini basteln? Außer der Grundidee gab es in dem Buch leider keine weitere Anleitung. Die Folie wird
doch wohl selbstklebend sein? Ja, na türlich, das wusste sie doch vom Einwickeln der Lebens mittel. Bei ihrem ersten Versuch saß die Folie zu eng. Der Bikini riss, als Liz versuchte, sich zu bewegen. Der zweite Anlauf war zufriedenstellender. Liz hatte ein längeres Stück genommen, es locker um sich gewickelt und die Enden miteinander verknotet. Kritisch betrachtete sie ihr Werk. Es wirkte sexy, außergewöhnlich und überraschend. Und das war schon der halbe Weg zum Erfolg. Schließlich wird ein Ehemann nicht jeden Tag von seiner Frau in einem durchsichtigen Bikini an der Tür empfangen. Verträumt überlegte Liz, wie John sie ungeduldig auswickelte, denn sie kannte die Stärke seiner neu erwachten Begierde. Die Uhr schlug zweimal. Hastig schüttelte Liz die Locken zurecht und betupfte sich noch schnell mit Johns Lieblingsparfüm. Für den Erfolg war ausschlaggebend! dass sie John an der Eingangstür empfing. Liz blickte ins Wohnzimmer. John war noch nicht da. Schnell lief sie zur Tür und legte die Sicherheitskette Vor. Sie hätte zwar wetten können, dass John wie üblich seinen Schlüssel nicht dabei hatte. Aber sie wollte kein Risiko eingehen. Dann ging Liz zum Sofa und versuchte sich hinzusetzen. Es knisterte laut, und so verzichtete sie lieber darauf. Stattdessen begann sie, zwischen Tür und Fenster auf- und abzugehen. Im Stillen betete sie, dass John pünktlich kommen möge. Denn die Klimaanlage, die Liz zuerst so gepriesen hatte, gab ihr jetzt das Gefühl, am nördlichen Polarkreis zu sein. Sie rieb sich die Arme, um die Gänsehaut zu vertreiben. Liz wollte sich gerade eine Wolldecke holen, als sie ein Geräusch an der Tür hörte. John! Vor Aufregung und Kälte zitternd, eilte Liz zur Tür. „Einen Moment, Darling!" rief sie und löste die Sicherheitskette. Da meldete sich ihr gesundes Misstrauen, und vorsichtshalber spähte sie durch das Guckloch. Liz blinzelte und schaute noch einmal durch. Da standen doch drei Männer vor der Tür! Liz erstarrte vor Schreck. „Liz?" rief John. „O Mist", stöhnte sie. „Verdammter Mist." Damit hatte sie nun überhaupt nicht gerechnet. „Eine Sekunde!" rief sie zurück. Dann raste Liz ins Schlafzimmer, um sich schnell etwas anzuziehen. Sie riss die Schranktür auf und brach sich dabei einen Fingernagel ab. Mit einer Hand versuchte sie, den Bikini auszuziehen. Das gelang ihr nicht. Sie hatte natürlich eine Folie gekauft, die richtig haftete! John klopfte jetzt ungeduldiger. Verzweifelt zog sich Liz Jeans und einen Rollkragenpullover über. Sie machte sich nicht die Mühe, nach Schuhen zu suchen und eilte barfuss zur Tür. Im Vorbeigehen warf sie einen Blick in den Spiegel und erschrak. Das Haar durcheinander, barfuss, und der Rollkragen saß schief. Es war hoffnungslos! Schnell versuchte sie, wenigstens noch den engen Kragen zu richten. Sie musste die Besucher hereinlassen und es fertigbringen, gelassen zu wirken. Ihr einziger Trost war, dass sie die beiden Männer nicht kannte und ihnen wahrscheinlich auch nie wieder begegnen würde. Als sie die Tür endlich öffnete, wollte John gerade noch einmal klopfen. „Hallo." Liz brachte ein schwaches Lächeln zustande. „Entschuldigung, dass ich jetzt erst aufmache. Ich war gerade dabei ..." Ihre Stimme versagte. So schnell fiel Liz keine gute Ausrede ein. „Kommen Sie doch herein." Sie ließ die Männer eintreten. „Hallo, Darling." John küsste sie auf die Wange, legte ihr den Arm um die Schultern und drehte Liz so, dass sie den Fremden gegenüberstand. Liz' Anspannung ließ in Johns Umarmung ein wenig nach. Langsam fand
sie ihr Selbstvertrauen wieder. Ich habe keinen Grund, beunruhigt zu sein, sagte sie sich. Viele Frauen mussten damit fertig werden, dass ihre Männer unangemeldet Kollegen mit nach Hause brachten. Wenigstens wurde nicht von ihr erwartet, dass sie sie auch noch bewirtete. „Liz, ich möchte dir Dr. Jason Irving und Dr. Neu Tinsdale vorstellen. Sie kommen aus Cambridge." „Freut mich", erwiderte Liz. „Mrs. Langdon." Der ältere der beiden, ein freundlicher Herr mit schneeweißem Haar, lächelte sie aus blauen Augen sanft an. „Nehmen Sie doch bitte Platz. Ich hole uns etwas zu trinken", sagte John. Liz folgte den Gästen durch das Zimmer. Sie setzte sich auf das Sofa. Bei jeder Bewegung hörte sie das Knistern des Plastik-Bikinis. Besorgt sah sie die Gäste an. Hörten die das Geräusch auch? Der jüngere Arzt, Jason Irving, sah etwas verwirrt aus. Also schien er es gehört zu haben. Um ihn abzulenken, sagte Liz rasch: „Sind sie auch Kinderazrt, Dr. Irving?" Etwas Dümmeres konnte man einen Teilnehmer einer Kinderarzttagung wohl kaum fragen, dachte Liz verzweifelt. „Ja." Er nickte ernst. „Ich beschäftige mich mit Kinderpsychiatrie." „Oh", erwiderte Liz. Ihr gefiel ganz und gar nicht, wie Dr. Irving sie ansah. Glücklicherweise brachte John jetzt die Getränke, und Dr. Irving wurde abgelenkt. „Bitte schön, Liz." John reichte ihr ein Glas Weißwein. Liz streckte die Hand aus, um ihm das Glas abzunehmen, hielt aber mitten in der Bewegung inne, denn es knisterte einfach zu verdächtig. Dann nahm sie John aber doch das Glas ab und versuchte, einfach nicht an das Geräusch zu denken. Sie suchte Johns Blick. Doch John war so damit beschäftigt, die Getränke zu verteilen, dass er Liz' Verlegenheit nicht bemerkte. Liz sah die beiden Gäste an. Und Wieder stellte sie fest, dass der junge Psychiater sie forschend anblickte. Wer waren die beiden eigentlich? Und wie wichtig waren sie für John? „Arbeiten Sie, Mrs. Langdon?" fragte Dr. Irving. „Ja", antwortete Liz kühl, über ihre Schlagfertigkeit selbst überrascht, „aber ich werde nicht dafür bezahlt." „Oh, Sie sind Hausfrau." Der Psychiater lächelte ein wenig herablassend. „Ja, aber nicht in diesem Moment." Liz lächelte ebenfalls. Und dann bemerkte sie, dass Dr. Tinsdale schmunzelte. Auf einmal fühlte sie sich viel wohler. Wenigstens er hatte Humor, und wie sich nun herausstellte auch Taktgefühl. Denn er lenkte das Gespräch auf die Tagung. So konnte Liz es sich auf dem Sofa bequem machen und versuchen, ihr Gleichgewicht wiederzufinden. Nach schier endlos scheinenden dreißig Minuten tranken die Gäste ihre Drinks aus und erhoben sich, um zu gehen. Unter lautem Geknister stand auch Liz auf. Sie war viel zu erleichtert, als dass sie sich darüber Sorgen gemacht hätte, dass Dr. Irving sie wieder ansah, als sei sie seine nächste Patientin. Liz verabschiedete sich und gab sich Mühe, nicht zu zeigen, wie froh sie war. Dr. Tinsdale hatte sie beinahe ins Herz geschlossen. Nachdem er die Tür hinter den beiden geschlossen hatte, sagte John: „Was ist los mit dir, Liz? Du warst nicht so freundlich wie sonst." Liz sah John an und wurde von Selbstmitleid überwältigt. Wie konnte er von ihr erwarten, freundlich zu sein, wenn sie in Folie eingewickelt war und sich nicht bewegen konnte, ohne dass es laut knisterte? Wenn sie nicht angemessen angezogen war und dazu noch die misstrauischen Blicke des Psychiaters aushalten musste? Völlig verwirrt brach Liz in Tränen aus. Sie war selbst genauso überrascht darüber wie John.
„Liz!" Seine Stimme klang besorgt. „Wein doch nicht. Ich wollte dich nicht kritisieren." Er nahm sie in die Arme. Sie setzten sich aufs Sofa. Er drückte sie fest an sich und wiegte sie sanft wie ein Kind. „Wein nicht, Liebste. Bitte, Darling, keine Tränen." Liebevoll küsste er ihr die Tränen von den Wangen. „Es tut mir leid", schluchzte Liz. „Es war nur ..." Und wieder schluchzte sie. „Ich wusste doch nicht... Es war der Bikini." „Bikini?" Zärtlich strich John ihr die Locken aus dem Gesicht. „Hast du dir einen neuen Bikini gekauft?" „Nein", antwortete Liz weinend. „Ich meine ... Weißt du, ich hab' gelesen, dass ... Ach, ich wollte dich an der Tür in einem Plastik-Bikini und mit einem verführerischen Lächeln begrüßen. Und dann hast du diese Männer mitgebracht, und ich musste das erste beste, was mir in die Hände fiel, anziehen." „Darum hast du nicht gleich geöffnet." „Und jedesmal, wenn ich mich bewegt habe, hat es geknistert", jammerte Liz. „Der Psychiater hat mich schon ganz komisch angeschaut." Zu ihrer Verwirrung brach John nun in schallendes Gelächter aus. „John Langdon!" schrie sie ihn an. „Für mich war das überhaupt nicht komisch. Es war erniedrigend. Und du lachst darüber." Liz war so wütend wie noch nie zuvor. Sie griff nach einem der herzförmigen Sofakissen und schlug John damit. „Liz!" Er hielt ihre Handgelenke fest und drückte Liz auf die Polster nieder. Dann legte er sich auf sie. „Beruhige dich doch. Es tut mir leid, dass ich gelacht habe, aber..."Schon wieder zuckte es um seine Lippen. Dann wurde er ernst und fuhr fort: „Das war eine bezaubernde Idee von dir. Schade, dass ich sie dir verdorben habe." Er küsste Liz' Nase. „Ich habe noch nie einen Cellophanbikini gesehen.“ Liz schaute ihm misstrauisch in die Augen. Er bemühte sich noch immer, das Lachen zu unterdrücken. Selbst Liz musste jetzt lächeln. „Ein bisschen komisch war es wohl", räumte sie ein. „Du armes Ding." John begann, ihr Ohr zu liebkosen. „Ich verspreche, dass ich morgen allein nach Hause komme. Dann versuchen wir es noch einmal, okay?" Er küsste ihren Hals. „Abgemacht." Liz bewegte sich unter ihm. Sie spürte Johns Erregung und war zufrieden. „Leider treffen wir uns in zwanzig Minuten mit Carol und Gary zum Essen. Du kennst sie doch, wenn wir nicht kommen, werden sie uns suchen." „Wir öffnen einfach nicht. Vielleicht gehen sie dann wieder weg." Liz ließ ihre Hand unter seinen Gürtel gleiten. „Du kennst doch Carol. „Ja", seufzte Liz, als John aufstand. „Aber mach dich morgen auf etwas gefasst!" „Ich bekomme jetzt schon Herzklopfen vor Aufregung", sagte er und zog Liz vom Sofa hoch.
10. KAPITEL „Hallo", murmelte Liz schläfrig in das rosa Telefon. „Liz?" fragte Carol mit schriller Stimme. „Bist du es?" „Nein, ich bin es nicht." „Um Himmels willen, wach auf, Liz. Es ist elf Uhr, und du schläfst immer noch?" Das war doch nur natürlich, wenn man eine so herrlich anstrengende Nacht hinter sich hatte. Liz kuschelte sich tiefer in die rosafarbenen Satinkissen. Der Cellophan- Bikini war ein toller Erfolg gewesen. „Liz, wag nicht, wieder einzuschlafen, während ich mit dir spreche!" „Warum nicht?" fragte Liz und gähnte. „Weil die Konferenz unserer Männer im letzten Moment aus irgendwelchen Gründen abgesagt wurde und sie bis vierzehn Uhr freihaben." „Oh", Liz wurde langsam wach. Sie stellte sich vor, was sie in dieser Zeit alles erreichen konnte. Aber mit den nächsten Worten machte Carol diese Überlegung zunichte. „Und ich habe sie überredet, mit uns zum Smithsonian zu fahren. John musste noch kurz mit jemandem sprechen. Da habe ich gedacht, ich hol' dich inzwischen aus dem Bett." „Das Smithsonian", wiederholte Liz ungläubig. „Du willst ein Museum besuchen? Seit wann denn das?" „Seit ich weiß, dass es dort eine Juwelensammlung gibt." Carol schien es nichts auszumachen, dass Liz ihrem Bedürfnis nach kulturellen Genüssen misstraute. „Das erklärt alles!" sagte Liz lachend. „Dann beeil dich. Wir dürfen keine Zeit verlieren. Das ist unsere einzige Chance. Ich würde mich ärgern, wenn ich heute abend nach Hause fahre, ohne diese Juwelen gesehen zu haben." „Na gut, aber nur unter der Bedingung, dass ich den Stein vom Mond zu sehen bekomme." „Den Stein vom Mond?" „Ja. Jedem das Seine. Die Jungen werden mich sicher danach fragen." „Du und deine Kinder", beschwerte sich Carol gutmütig. „In Ordnung, aber beeil dich, wir warten nicht auf dich!" „John wartet bestimmt auf mich", widersprach Liz. Dann gab sie nach: „Fünfzehn Minuten brauche ich. Wir treffen uns nachher unten." Zwanzig Minuten später war Liz unten in der Hotelhalle. „Du hast dich verspätet", beklagte sich Carol. „Aber das Warten hat sich gelohnt", sagte John anerkennend. Liebevoll betrachtete er das dunkelrote Blousonkleid, das Liz trug. Johns Blick ruhte auf ihrem Busen, der sich unter der dünnen Seide abzeichnete. Liz überlief ein wohlbekannter Schauer. Johns und Liz' Blicke trafen sich. Sie verstanden sich auch ohne Worte. Carol und ihre verflixten Juwelen. Liz wollte. nicht mitgeschleppt werden, nur um einen Haufen bunter Steine anzusehen. Dies war für lange Zeit die letzte Gelegenheit, mit John allein zu sein, die konnte sie besser nutzen, dachte Liz mit Bedauern. Eine halbe Stunde nach Johns letzter Sitzung flogen sie nach Roche ster zurück. Aber was sollte sie Carol und Gary erzählen? Entschuldigt mich, aber ich möchte lieber mit John schlafen. Das wagte Liz nun doch nicht. „Das Flitterwochen- Apartment passt zu euch beiden", sagte Carol. „Ihr müsstet euch sehen, wie ihr dasteht und euch tief in die Augen bückt. Kommt!"
Sie hakte Gary unter und strebte dem Ausgang zu. „Konntest du ein wenig schlafen?" fragte John, während sie Gary und Carol folgten. „Ja." Liz hakte John ein und zog ihn an sich. „Und was ist mit dir, mein Armer?" Sorgenvoll musterte sie sein Gesicht. Zu ihrer Erleichterung sah John erholter aus, als es in den letzten Jahren der Fall gewesen war. „So kannst du mich nächtelang vom Schlaf abhalten. Wann immer du möchtest", sagte John neckend. „So erfrischt habe ich mich lange nicht mehr gefühlt." Liz überkam ein wohliges Gefühl bei seinen Worten. Zu guter Letzt hatte ihr Plan doch noch Erfolg. Sie seufzte glücklich. Wenn sie gewusst hätte, wie schön das Liebesleben mit ein wenig Phantasie sein konnte, hätte sie schon vor Jahren etwas ändern können, dachte sie, als John ihr ins Auto half. „Wo ist das Museum?" fragte Carol, während John den Wagen in ein riesiges Parkhaus lenkte. „Wie mir der Empfangschef des Hotels sagte, ist es unmöglich, direkt am Museum zu parken. Wir werden das Auto hierlassen und fünf Häuserblocks weit laufen." „Laufen?" fragte Carol ungläubig. „Fünf Häuserblocks weit laufen?" „Nun hör aber auf, Carol!" sagte Liz. „Gestern während des Einkaufsbummels hast du wenigstens, zehn Kilometer geschafft. Von vorgestern wollen wir gar nicht reden." „Aber das war ein Einkaufsbummel", jammerte Carol. „Dann bilde dir einfach ein, du wolltest etwas kaufen", schlug Liz vor. „Das wird mir leider auch nicht helfen", sagte Carol mutlos und stieg aus. Liz beachtete die Worte der Freundin nicht. Sie zog den Reiseführer aus ihrer schwarzen Ledertasche. „O nein", sagte Carol entsetzt. „Ich will nichts mehr aus dem Reiseführer hören. Weißt du, Gary, am Freitag hat Liz mir stundenlang über George Washington daraus vorgelesen." „Hat sie dich etwa beim Einkaufen damit belästigt?" fragte Gary schmunzelnd. „Ich dachte immer, du bist diejenige, die Bildung für so wichtig hält, Carol", neckte Liz. „Nur in der Theorie." Gary lachte, während Carol nur etwas vor sich hinmurmelte. „Da - das ist das Schloss." Liz freute sich nun doch auf die Besichtigung, als sie das Museum erreicht hatten. „Dort ist der Stein vom Mond ausgestellt." Gary zeigte auf ein Gebäude auf der rechten Seite. „Wollen wir uns den zuerst ansehen, dann die Juwelensammlung und anschließend schnell etwas essen?" Alle waren einverstanden. Sie betraten das Gebäude und reihten sich in die Schlange der Besucher ein, die den Stein vom Mond besichtigen wollten. Als sie an der Reihe waren, betrachtete Liz den in einem gläsernen Kasten ausgestellten Mondstein und sagte: „Aber das ist ja nur ein schlichter grauer Stein!" „Was hast du denn erwartet?" fragte Carol. „Trompeten und Posaunen?" Liz versuchte ihre Enttäuschung zu erklären. „Er sieht so - so gewöhnlich aus. Er kommt doch immerhin vom Mond. Aber wenn man ihn fallen ließe, könnte man ihn nicht von anderen Steinen unterscheiden. Ich finde, so ein Stein sollte außergewöhnlicher aussehen." „Vielleicht kannst du die NASA überreden, ihn mit Goldfarbe zu besprühen." Carol zwickte Liz in den Arm. „Du hast überhaupt keine Phantasie."
„Und du hast zuviel", entgegnete Carol. „Vergiss das Stück Schlacke und lass uns den ‚Diamanten der Hoffnung' ansehen. Das ist ein Stein, der dich bestimmt nicht enttäuscht." Etwas später stand Liz vor einem anderen Stein. „Jetzt wissen wir, wie der größte blaue Diamant der Welt aussieht", sagte Liz, während sie ihn betrachtete. „Vierundvierzig Karat", erklärte John. „Nun, mit dem könnte ich wohl etwas anfangen", flüsterte Carol ehrfürchtig. „Solange du ihn nur aus der Ferne bewunderst, ist es gut", warnte Gary. „Es liegt nämlich ein Fluch auf ihm." „Ein Fluch?" Carol lachte. „Du glaubst doch nicht ernsthaft an Flüche?" „Gary hat recht", sagte Liz und begann zu erzählen: „Im Reiseführer steht, dass viele seiner Besitzer vom Unglück heimgesucht worden sind oder eines grausamen Todes starben, seit der Diamant im siebzehnten Jahrhundert aus Indien herausgeschmuggelt wurde. Ich möchte ihn nicht geschenkt. Aber das blaue Ding ist hübsch." Liz zeigte auf das nächste Ausstellungsstück. „Das Ding ist zufällig ein Saphir von vierhundert Karat", sagte John trocken. „Der ist mir zu protzig", sagte Liz. „Niemand würde glauben, dass er echt ist." „Oh, seht euch die an." Carol deutete auf eine Auslage schwarzer Perlen. Sie trat näher heran. „Sind die nicht herrlich?" Auf Carols bewundernde Worte brauchte man nic ht zu antworten. Und Liz wollte es auch gar nicht. Sie war einfach zufrieden, John an ihrer Seite zu haben. „Haben wir noch Zeit, etwas anderes anzuschauen?" fragte Liz, nachdem Carol endlich genug gesehen hatte. „Wir könnten noch das erste Sternenbanner oder George Washingtons dritte Zähne bewundern." „Ach du liebe Güte", sagte Gary. „Ist denn gar nichts mehr heilig?" „Entschuldige, Darling", sagte John bedauernd. „Wir sollten uns langsam auf den Rückweg machen, wenn wir zur Nachmittagssitzung pünktlich sein wollen. Wir werden noch in diesem Jahr ein verlängertes Wochenende hier verbringen. Dann nehmen wir die Jungen mit. Die werden ganz verrückt danach sein, den Mondstein und vor allen Dingen George Washingtons dritte Zähne zu sehen." „Ich werde dich daran erinnern." Liz war durch Johns Vorschlag mutig geworden. Er hatte noch nie angeboten, mit ihr und den Kindern irgendwo hinzufahren. Vielleicht war es nur so dahergesagt. Aber immerhin. Und ein weiterer Erfolg in ihrem Feldzug. Liz blinzelte, als sie in die helle Septembersonne hinaustraten. Die feuchte heiße Luft warf sie fast um. Von Herbst war in Washington, D. C., noch nichts zu spüren. „Parken kann man hier zwar nicht", sagte Carol, während sie die! überfüllten Straßen beobachtete. „Aber Fahren scheint kein Problem zu sein." „Was willst du damit sagen?" fragte Liz. „Lass uns hier warten, während die Männer das Auto holen. Meine Füße bringen mich noch um." Carol hob einen Fuß. Sie trug hochhackige Sandaletten. Liz erwähnte den langen Einkaufsbummel nicht, bei dem Carol keinerlei Fußprobleme zu haben schien. Statt dessen nutzte sie dein Vorschlag der Freundin, um sich ein paar Minuten mit John allein zu verschaffen. „Du Arme", sagte Liz mitleidig. „Warte du nur hier mit Gary. John und ich
holen den Wagen." „Ist schon gut, Liz", warf Gary ein. „Ich gehe mit John. Du kannst bei Carol bleiben." „Stell dich nicht so dumm, Gary", sagte Carol. „Die beiden wollen allein sein." „Da hast du recht." Liz ergriff Johns Arm und zog ihn mit sich fort. „Amüsierst du dich gut?" fragte John. „Ja." Glücklich lächelte sie ihn an. Seine Nähe bereitete ihr mehr Freude, als alles, was sie gesehen hatten. „Ich bin so froh, dass ich mit dir gefahren bin." „Ich auch." John umarmte sie. „Ich habe nicht gewusst, wieviel Spaß man auf einem Kongress haben kann." „Sir, Sie sind ein ausgewachsener Wüstling." „Ein ausgewachsener? Du schmeichelst mir!" „Ich fühle mich auch geschmeichelt." Liz schmunzelte. „Und nicht nur das. Worum geht es in deiner Sitzung heute nachmittag?" „Um psychisch bedingtes Asthma." Er antwortete zunächst in gewohnter Kürze. Aber dann begann er, zu Liz' großer Freude, Genaueres zu berichten. Er erzählte auch von einem besonders schwierigen Fall, an dem er gerade arbeitete. Liz erinnerte sich an ihren Entschluss, eine gute Zuhörerin zu werden. Sie unterbrach John nur, um Fragen zu stellen, wenn sie etwas nicht ganz verstanden hatte. Es war zwar kein Thema, was sie sonderlich interessierte. Aber die Tatsache, dass John ihr von sich aus etwas erklärte, ermutigte Liz sehr. Nun musste sie nur noch dafür sorgen, dass John zu Hause nicht in seine alte Verhaltensweise zurückverfiel. „Ich bringe dich zu deiner Sitzung, bevor ich nach oben gehe", bot Liz an, nachdem sie im Hotel angekommen waren. „Hast du heute nachmittag noch etwas vor?" fragte John. „Das würde sich nicht lohnen. Wir müssen spätestens um halb fünf am Flughafen sein. Jetzt ist es fast zwei Uhr. Ich denke, ich werde ein letztes Mal in dieser unglaublichen Wanne baden und dann unsere Sachen packen." „Das hättest du mir lieber nicht sagen sollen", seufzte John. „Wie soll ich mich auf das Thema Asthma konzentrieren, wenn ich weiß, dass du in dieser Badewanne liegst. Das Wasser wird deine zarte Haut berühren, deinen hübschen Bauch und deinen wunderschönen Busen. Es wird überhaupt überall dort sein, wo ich auch gern wäre." „John, hör auf. Ich werde den ganzen Nachmittag Sehnsucht nach dir haben." „Gut." John bereute seine Worte offensichtlich nicht. „Warum soll ich allein leiden?" „Konzentriere dich nur darauf, ein hingebungsvoller Arzt zu sein", schlug Liz lächelnd vor. „Verstandesmäßig bin ich wohl ein hingebungsvoller Arzt. Aber körperlich gebe ich mich nur dir hin." „So soll es auch sein." Sie standen vor der Tür, nach der John gesucht hatte. Liz küsste ihn auf die Wange. „Ich ... ich liebe dich, John!" „Liz ..." Zärtlich streichelte er ihre Wange. „Was ist los?" Der nachdenkliche Ausdruck verschwand, und er lächelte sie an. „Es ist wirklich nichts. Ich sehe dich in einigen Stunden." Bevor sie ging, beobachtete Liz, wie er entschlossen den überfüllten Raum
betrat. Noch immer spürte sie das entspannte Wohlbehagen, das ihr die Liebesspiele der letzten Nacht gebracht hatten. Liz betrat den Aufzug und drückte den Knopf für die dritte Etage. Einige Zeit später sah sie sich im Zimmer um und seufzte bedauernd. Sie sehnte sich zwar nach den Zwillingen, aber nach Hause wollte sie eigentlich noch nicht. John und sie hatten drei wunderbare Tage erlebt. Körperlich und auch seelisch waren sie sich so nahe gekommen, wie seit Jahren nicht. Mit ihrem Feldzug zur Wiederbelebung ihrer Ehe war sie ein ganzes Stück vorangekommen, und hatte es auch geschafft, die Drohung Mandy Romes ein für allemal zu vertreiben. Verstandesmäßig war ihr wohl immer klar, dass sie von Mandy nichts zu fürchten hatte. Doch jetzt wusste Liz es auch im Herzen. Aber eins stand fest: Erst durch Mandy war sie sich der Probleme in ihrer Ehe bewusst geworden und hatte rechtzeitig etwas dage gen unternehmen können. Dafür müsste ich Mandy eigentlich dankbar sein. John liebt mich. Diese Liebe will ich erhalten und stärken, schwor sich Liz. Einen Grundstein hatte sie gelegt, nun brauchte sie nur noch darauf aufzubauen.
„Nur Kaffee, Liz, ich habe keine Zeit zu frühstücken." John warf seinen braunen Aktenkoffer auf den Küchentisch, nahm ein Glas Orangensaft und trank es aus. „Ich muss heute früh in die Klinik. Ich möchte die O'Reillys sprechen, bevor Michael operiert wird." John nahm die Tasse Kaffee, die Liz ihm reichte, und bedankte sich mit einem Kuss dafür. „Michael", sagte Liz nachdenklich. „Ich habe dir letzte Woche von ihm erzählt, nachdem wir aus Washington zurückgekommen waren." "Ach ja, ich erinnere mich. Der kleine Junge mit der Gaumenspalte." Entgegen ihren anfänglichen Befürchtungen hatte John weiterhin von seiner Arbeit erzählt. Leider nicht so oft und so ausführlich wie Liz es sich wünschte. Das Problem bestand jedoch nicht darin, dass er nicht wollte. Der Grund war, John war einfach zu selten zu Hause. Außer einmal einer Stunde hier und da hatten die Kinder und sie ihn kaum zu Gesicht bekommen. Aber an diese wenigen Stunden würde sie sich immer erinnern. Liz lächelte vor sich hin. „Woran denkst du?" John nahm Liz in die Arme und küsste sie zärtlich auf das Ohr. „Daran", sagte Liz lachend und schob die Arme unter sein Jackett. „Und an das." Sie schmiegte sich ganz fest an ihn. „Hm", seufzte er. „Du hast aber nette Gedanken." Er umfasste ihre Hüfte und hob Liz ein wenig hoch. „Und der Rest von dir ist auch nicht übel." Er küsste sie. Unter seinem Kuss öffnete sie die Lippen. Sie verschloss die Augen und versuchte nicht, ihr Verlangen vor ihm zu verbergen. Nach Washington schien diese Sehnsucht noch stärker geworden zu sein. John ließ sie Wieder herunter, und Liz Seufzte bedauernd. „Wie gut, dass ich zehn Minuten bis zur Klinik brauche", sagte John grinsend. „Das ist Zeit genug, wieder normal zu werden." „Normal? Ist das hier nicht normal? Ich dachte, du hättest immer Lust auf Sex." „Ich geb mir alle Mühe." Er lachte und griff nach seinem Aktenkoffer. „Such einen Babysitter für morgen abend. Ich will mit dir essen gehen." „Um wieviel Uhr?" rief Liz hinter ihm her.
„Ungefähr um sieben Uhr." Liz freute sich schon jetzt auf den Abend. Sie sah auf die Sandwichs, die sie gerade vorbereitete. Plötzlich fiel ihr etwas ein, das sie bedrückte. Gereizt wischte sie die Brotkrumen vom Tisch und wünschte, sie könnte ihre Gedanken auch so wegwischen. Und sie würde bald etwas dagegen tun müssen. Wie sollte sie es John sagen? Ich weiß auf einmal, warum ich kein weiteres Kind mehr haben wollte. Ich wollte dich bestrafen, weil du so selten zu Hause bist. Und nicht nur das, ich war auch eifersüchtig auf die Zeit, die du mit den Jungen verbracht hast? Das würde sich zu egoistisch anhören. Was sollte sie also tun? Liz schnitt die Sandwichs durch und legte sie für die Zwillinge in die Brotdose. Einfach schwanger werden? Aber das erschien ihr zu hinterlistig. Wie ... „Mom, Jaimie hat meinen Schlips weggenommen, nur weil er seinen in der Toilette runtergespült hat." Rob stürmte in die Küche. „Ich will ihn wiederhaben!" Liz wandte sich ihrem zornigen Sohn zu. Sie war dankbar für die Ablenkung. Die Entscheidung, ein weiteres Kind zu bekommen, konnte nicht länger aufgeschoben werden. Es genügte Liz nicht, die wahren Gründe für ihr Zögern erkannt zu haben. Sie konnte nicht die Ehe führen, die sie wollte, solange sie John nicht die Wahrheit gesagt hatte. „Weißt du was, Rob, ich kaufe nachher einen Wäschestift, und heute abend darfst du auf all deine .Schlipse deinen Namen schreiben." „Wirklich?" Seine dunklen Augen glänzten. Schnell sagte Liz: „Ja, aber nur dort, wo man es nicht sehen kann." „Och." Rob machte ein betrübtes Gesicht. „Komm, ich habe noch Schlipse in meinem Zimmer. Du kannst dir einen aussuchen." „Okay." Rob nahm ihre Hand. „Ich nehme den besten. Dann wird der dumme Jaimie sich ärgern!" „Sprich nicht so über deinen Bruder", sagte Liz automatisch. „Ja?" Unaufmerksam sprach Liz ins Telefon. Sie war gerade in ein Plätzchenrezept vertieft. „Wer ist dort?" Sie kannte den Namen nicht. „Mr. Fawlet", wiederholte die Frau am anderen Ende. „Mein Anwalt, nein ihr Arzt... Oh!" Vor Verzweiflung wurde die junge Stimme ganz schrill. „Bleiben Sie ruhig", schlug Liz vor. „Und lassen Sie es uns noch einmal gemeinsam versuchen. Sie möchten Dr. Langdon im Auftrag von Mr. Fawlet, seinem Anwalt, sprechen?" „Ja, so ist es." Das Mädchen atmete erleichtert auf. „Ich bin nur die Vertretung und allein im Büro. Es ist einfach schrecklich!" „Das ist schlimm." Liz hatte Mitleid und wartete darauf, dass die junge Frau zum Thema kam. „Nun." Das Mädchen holte tief Luft und begann noch einmal. „Mr. Pawlet lässt ihrem Mann ausrichten, dass er alle Probleme beseitigt und einen Gerichtstermin auf den vierzehnten November, zehn Uhr dreißig, gelegt hat. Haben Sie alles verstanden?" „Um zehn Uhr dreißig am vierzehnten November", wiederholte Liz, bevor sie den Hörer auflegte. Welche Probleme hatte Dr. Fawlett beseitigt? Und warum, um Himmels willen, musste John vor Gericht? Und noch dazu an seinem Geburtstag. War das nur Zufall? Liz schaltete den Mixer wieder ein. Ihre Phantasie ging mit ihr durch, als sie die verschiedenen Möglichkeiten durchdachte. Hatte John sich bei der Arbeit etwas zuschulden kommen lassen? War er anderweitig mit dem Gesetz in Konflikt geraten? So etwas wäre sehr schnell bekannt geworden in
Medizinerkreisen, und irgend jemand hätte es ihr sicher erzählt. Was bedeutete das alles? In Gedanken ging sie noch einmal ihr Ratgeber-Buch durch. Aber in diesem Fall wusste selbst das keine Lösung. Ich pfeife auf alle spitzfindigen Methoden, dachte Liz. Dann schlug sie Eier in eine Schüssel. Wenn jemals eine Situation eine offene Aussprache erforderte, dann diese. Wenn John nach Hause kam, würde sie ihn sofort fragen, was los ist. Gerade heute kam er sehr spät. Liz' Nerven waren bis aufs Äußerste angespannt. Er hatte von der Klinik aus angerufen, um ihr zu sagen, dass sie nicht mit dem Abendessen auf ihn warten sollte und dass er hoffe, um zehn Uhr zu Hause zu sein. Es war beinah elf Uhr, als Liz den Wagen vorfahren hörte. Hastig warf sie das Buch, das sie zu lesen versucht hätte, beiseite. Sie stand auf und schenkte John einen Drink ein. Und dann kam John durch die Küchentür. Er sah sehr erschöpft aus. Vor Sorge vergaß Liz nun Fawlets geheimnisvolle Nachricht für den Augenblick. „Ich liebe dich, John Langdon", sagte sie, bemüht, ihn aufzumuntern. John lächelte matt. „Hier, bitte." Sie gab ihm das Glas. „Du siehst aus, als könntest du einen Drink brauchen." „Danke." John nahm ihn ihr ab und umarmte Liz flüchtig. „Komm. Setz dich erst einmal." Sie hatte ihn mit schlechtem Gewissen ins Wohnzimmer geführt, weil John eigentlich seinen Schlaf brauchte. Aber vorher musste sie unbedingt mit ihm reden, wer weiß, wann sie wieder eine Gelegenheit dazu bekamen. Morgen würde er früh das Haus verlassen. Abends wollten sie zwar essen gehen, aber es konnte, immer noch etwas dazwischenkommen. Liz beobachtete, wie John sich in den Ledersessel fallen ließ. „John", begann sie zögernd. „Setz dich." Er zog Liz auf seinen Schoß. „Heute bin ich so müde, dass ich bezweifle, ob du mit deiner phantastischen Bikini- Vorstellung etwas erreichen könntest." „Du meinst wohl meine verrufene", sagte Liz kichernd. „Das ist mir egal. Jetzt will ich dich fühlen, warm und lebendig. Und ich will spüren, dass du mir gehörst. Nur mir." Das waren nicht die Worte eines Mannes, der schlechte Absichten hat, dachte Liz und kuschelte sich an ihn. Sie genoss es, seinen Körper zu spüren. John mochte müde sein, sie war es nicht. Sie legte das Gesicht an seine Brust und rümpfte leicht die Nase, weil sein Hemd immer noch ein wenig nach Desinfektionsmitteln roch. Dann knöpfte sie die Weste auf, um es John bequemer zu machen. John legte einen Arm um Liz und lehnte in aller Ruhe den Kopf an den Sessel. „John?" Liz versuchte es noch einmal. „Liz?" sagte er neckend. „Jetzt wissen wir, wie wir heißen, und können darauf kommen, was dir am Herzen liegt." „Wie kommst du darauf, dass mir etwas am Herzen liegt?" „Weil du so unruhig bist. Was ist passiert? Haben die Jungen es endlich geschafft, dass wir exkommuniziert werden?" Liz gab es auf, sich behutsam an das Thema heranzutasten: „Dein Anwalt hat heute angerufen!" „Unser Anwalt", berichtigte John beiläufig. Aber Liz fühlte, dass er sich bei
ihren Worten verkrampft hatte. Sie verlor den Mut. John wollte nicht, dass sie etwas erfuhr. „Deine Wortklaubereien interessieren mich im Moment nicht", sagte sie wütend. „Ich möchte wissen, was das alles zu bedeuten hat." „Wenn ich wüsste, was er gesagt hat..." John trank einen Schluck aus seinem Glas. „Er sagte, er habe alle Probleme beseitigt und dass ihr einen Gerichtstermin am vierzehnten November um zehn Uhr dreißig habt." „Danke." „Danke? Ist das alles, was du mir zu sagen hast?" Liz war empört. „Wenn du glaubst, ich lass' mich mit einem ,Danke' abspeisen..." Vor Wut fing Liz an zu stottern. „Liz! Jetzt nicht, ich bin müde." „Und ich mach' mir Sorgen." „Worüber machst du dir Sorgen?" John öffnete die Augen und sah Liz überrascht an. „Darüber, dass du plötzlich einen Anwalt brauchst. Darüber, dass es vielleicht etwas mit mir zu tun hat. Darüber..." Sie verstummte, da sie Zorn in Johns Augen aufsteigen sah. „Du Närrin!" Sein Ton hörte sich alles andere als Hebevoll an. „Nach zehn Jahren weißt du immer noch nicht, dass ich bereit wäre, für dich zu sterben?" „Und was nützt mir ein toter Körper? Ich will einen Mann, am liebsten einen, der ab und zu einmal zu Hause ist." John leerte sein Glas und stellte es auf den Beistelltisch. „Liz, ich weiß, dass wir uns unterhalten müssen. Darum wollte ich ja morgen mit dir essen gehen." „Das freut mich. Vorausgesetzt, du wirst nicht wieder zu einem Notfall gerufen." „Also gut." John gab nach. „Mr. Fawlets Nachricht hat nichts Schlimmes zu bedeuten. Es geht um das Treuhand vermögen meines Großvaters." „Du meinst den Großvater, der dich aufgezogen hat, nachdem deine Eltern gestorben waren?" „Ja. Er starb, als ich im ersten Semester in Cornell war. In seinem Testament verfügte er, dass meine gesamten Ausbildungs kosten bezahlt wurden. Der Rest des Vermögens wurde einem Treuhänder übergeben, der es bis zu meinen fünfunddreißigsten Geburtstag verwalten sollte. Mein Großvater glaubte, dass der Ehrgeiz meines Vaters zerstört wurde, weil er zu früh zuviel Geld ausgeben konnte. Mir sollte es nicht genauso ergehen. Es ist zwar kein großes Vermögen, aber zusammen mit den aufgelaufenen Zinsen kann man schon etwas damit anfangen." Liz sprang auf und sah John mit großen Augen an. „Willst du damit sagen, dass Geld da war, während wir in deiner Studentenzeit hungern mussten?" fragte sie wütend. „Ja, und nicht wenig. Mein Urgroßvater war ein guter Freund von George Eastman, dem Erfinder der Kodak-Fotoapparate, und von dem hat er Aktien gekauft." Liz schwieg eine Zeitlang. Sie musste diese völlig unerwartete Neuigkeit erst verkraften. Schließlich fragte sie: „Warum hast du mir nichts davon erzählt?" „Aus Schuldgefühlen, aus Verlegenheit, ich weiß es nicht." John zuckte die Schultern. „Ich habe immer ein schlechtes Gewissen gehabt, weil du wie eine Sklavin gearbeitet hast, um mir das Studium zu ermöglichen. Ich hätte dich so gern verwöhnt. Außerdem hoffte ich anfänglich, das Testament ändern zu
können. Aber das Gericht entschied, dass mein Großvater nicht unberechenbar, sondern nur kurzsichtig gehandelt hat, als er in seiner Überlegung nicht berücksichtigte, dass ich vielleicht noch eine Facharzt-Ausbildung machen wollte. Aber Kurzsichtigkeit ist kein ausreichender Grund, ein Testament anzufechten." „Aus alledem..." Liz überlegte. Ihr fielen die Worte ein, die John vorhin gesagt hatte. „Was kann man damit anfangen?" „Ja." John zog das Wort in die Länge. „Das ist es, worüber ich mit dir sprechen wollte." Er brach ab. „Dann rede", drängelte Liz. „Die Sache geht mir schon seit langem durch den Kopf." John sah an die Decke, als suche er die richtigen Worte. „Ich glaube, dass ich noch mehr Gutes tun und viel mehr Patienten erreichen kann, wenn ich eine andere Aufgabe übernehme." „Welche denn?" „Zuerst einmal ist da meine Forschung. Ich bin an einem Punkt angelangt, an dem ich mehr Zeit brauche, als ich habe. Der mögliche Nutzen wäre gewaltig. Und dann ist mir durch den Kursus, den ich im letzten Jahr an der medizinischen Fakultät gegeben habe, etwas klargeworden. Ich halte eine gründlichere Ausbildung der jungen Kinderärzte für notwendig. Man muss ihnen beibringen, in ihren kleinen Patienten auch die Persönlichkeit zu beachten. Sie dürfen sie nicht nur als Krankenfälle ansehen. Und genauso wichtig ist es, dass die Studenten lernen, wie die Einstellung der Eltern das Verhalten des Kindes beeinflussen kann. Zu viele Medizinstudenten behandeln die Eltern, als ob die sie nichts angingen. Ich denke, ich kann einen großen Beitrag leisten, wenn ich helfe, die Kinderärzte von morgen auszubilden." „Das hört sich vernünftig an." Liz nickte. Sie war unglaublich erleichtert. Lehren bot zudem den Vorteil, dass John mehr Freizeit hätte. Er wusste genau, woran Liz dachte, und sagte: „Die Tatsache, dass ich selten zu Hause bin, mag ich genausowenig wie du. Und ich wollte schon immer mehr Zeit für die Zwillinge haben." Und für die anderen Kinder, die sie vielleicht noch bekommen würden, Liz sah, dass John sie erwartungsvoll anblickte. Er war ehrlich zu ihr gewesen. Jetzt musste auch sie ihm die Wahrheit sagen, auf die Gefahr hin, dass sie selbst nicht gerade gut dabei abschneiden würde. „Hm, John?" Sie begann mit dem obersten Knopf seiner Weste zu spielen. „Gefällt dir die Idee nicht?" John war sich seiner selbst nicht sicher. „Sie gefällt mir ausgezeichnet. Das ist es nicht. Es geht um ... Es ist etwas, das Carol in Washinghton zu mir gesagt hat." „Und was hat Carol gesagt?" „Das geschieht ihm recht." „Das geschieht ihm recht?" John klang verwirrt. „Ja. Du weißt doch. Manchmal sagt jemand etwas, und auf einmal versteht man den Zusammenhang." John nickte ihr ermutigend zu. „Gut ..." Liz drehte den Westenknopf in die andere Richtung und war ganz überrascht, als sie ihn plötzlich in der Hand hielt. „Wir sprachen über Kinder. Und da wurde mir klar, dass ich die ganze Zeit versucht habe, ein weiteres Kind als Druckmittel zu benutzen. Durch meine Weigerung wollte ich dich zwingen, weniger zu arbeiten." Verlegen sah Liz ihn an. Aber Johns Miene war undurchdringlich. „Aber so unwahrscheinlich es auch klingt, das war mir vorher nicht klar. Ich glaubte wirklich an meine Begründung, ich hätte Angst, es noch einmal zu versuchen."
„Sei nicht zu hart dir selbst gegenüber." John strich ihr über das Haar. Zärtlich drückte er ihren Kopf an seine Brust. „Bist du nicht böse?" fragte Liz zögernd. „Du bist nicht die einzige, deren Motive man besser nicht zu genau durchleuchtet", sagte er trocken. „Ich wünschte mir zwar mehr Kinder, aber damit wollte ich dich an mich binden, mit so vielen Fesseln wie nur möglich. Du hast versucht, deine Unzufriedenheit zu verbergen, aber mir ist trotzdem nicht entgangen, wie sehr du meine Überstunden hasst. Im Grunde meiner Seele hatte ich Angst, du könntest dich deshalb entschließen, mich zu verlassen." „Was?" Liz sprang auf. „John, weißt du denn nicht, dass ich dich wahnsinnig liebe?" „Ich dich auch." Er lachte und sah gar nicht mehr unsicher aus. „Ich war entsetzt, dich mit krausen Haaren zu sehen", gestand er. „Mit Dauerwellen", sagte Liz kichernd. „Sag einer Dame niemals, ihr Haar sei kraus. Davon einmal abgesehen, habe ich alles nur getan, um dir zu gefallen. Ich habe mir ein Buch gekauft, das Rat gibt, wie man seine Ehe verjüngt. Darin wurde auch empfohlen, das Aussehen auf den neuesten Stand der Mode zu bringen." „Lass dein Aussehen in Ruhe." John zog Liz an sich. „Du fühlst dich wunderbar an, so wie du bist." Sanft streichelte er ihre Brüste, und sie erschauerte. „Obwohl, dein Cellophan-Bikini hat mir schon sehr gefallen. Und erst die Massage in der Badewanne ..." Er schwelgte in Erinnerungen an die unvergesslichen Wonnen. „Und bis jetzt habe ich mich noch nicht einmal durch das ganze Buch durchgearbeitet..." Liz senkte verschwörerisch die Stimme. „Aber ich habe gehört, der Autor schreibt eine Fortsetzung." „Das gibt mir Hoffnung." John gab Liz einen kräftigen Kuss auf den Mund. „Wirst du versuchen, eine Stellung als Dozent zu finden?" Mit klopfendem Herzen wartete Liz auf seine Antwort. „Man hat mir bereits eine Stellung angeboten. Ich wollte es dir morgen abend bei romantischem Kerzenlicht erzählen." „Ich mag es lieber, wenn du es mir unter Küssen erzählst." Selig schmiegte sie sich an ihn. „Bist du gar nicht neugierig, wo wir leben werden?" „Eigentlich nicht." Sie begann sein Kinn zu liebkosen. Bei dieser Berührung lief ihr ein Schauer über den Rücken. „Solange wir zusammen sind, ist es mir egal, wo wir leben." „Ich liebe dich." John zog Liz an sich und sagte: „Was hältst du von Boston." „Wer ist Boston'?" „Nicht wer, sondern wo ist Boston, musst du fragen. Man hat mir eine Professur in Harvard angeboten." Stolz schwang in seiner Stimme mit. „Harvard!" Liz war sichtbar beeindruckt. „Die medizinische Fakultät der Harvard Universität? Einen Moment mal." Plötzlich erinnerte sie sich an etwas. „Harvard ist in Cambridge, nicht wahr?" Sie erschrak, ihre Freude war verschwunden. „Ja." „Diese beiden Männer, die du auf einen Drink in unser Hotelzimmer eingeladen hast. Der Weihnachtsmann und der Psychia ter mit dem stechenden Blick..." „Sie gehören dem Gremium der Universität an, das über die Berufung der Professoren entscheidet. Ich verhandle schon seit sechs Monaten mit ihnen. Dir habe ich nichts davo n erzählt, weil ich nicht wollte, dass du enttäuschst
bist, wenn sie mich doch ablehnten. Am nächsten Morgen im Hotel haben sie mir ein offizielles Angebot gemacht." „Oh." Liz lehnte Sich an ihn. „Hast du ihnen erklärt, warum ich mich so seltsam benommen habe?" „Natürlich nicht. Du kannst dich benehmen wie du willst. Wenn es ihnen nicht gefällt, ist das ihr Problem. Aber trotzdem, ich glaube, der ,Weihnachtsmann' hat herausgefunden, warum es bei dir so geknistert hat." „Der Psychiater nicht?" John lachte. „Nun, ich glaube Irving war zu sehr damit beschäftigt, einen tief verborgenen Grund zu finden, als dass er den offensichtlichen hätte erkennen können." „Wann ziehen wir um?" fragte Liz. „Anfang des nächsten Jahres. Da habe ich noch genug Zeit, die Praxis meinem Nachfolger zu übergeben. Ich schlage vor, dass wir an diesem Wochenende alle zusammen nach Boston fliegen, um uns nach einem Haus umzusehen." „Es muss ein großes Haus sein." Liz lächelte ihn schelmisch an. „Ein großes?" „Ja, mit mindestens fünf Schlafzimmern. Dann haben wir ge nug Platz, wenn wir noch einmal Zwillinge bekommen." John betrachtete Liz' strahlend glückliches Gesicht und umfasste es zärtlich. „Ich hatte unrecht", sagte er schließlich. „Womit?" „Ich bin doch nicht zu müde." John lächelte vielsagend. „Lass uns nach oben gehen und ausprobieren, was der Verfasser deines Buchs im letzten Kapitel vorschlägt." - ENDE