Otto Benkert, Hanns Hippius Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie
Otto Benkert • Hanns Hippius
Kompendium ...
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Otto Benkert, Hanns Hippius Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie
Otto Benkert • Hanns Hippius
Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie 5., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage
Unter Mitarbeit von I. Anghelescu • E. Davids • C. Fehr • G. Gründer • C. Hiemke C. Lange-Asschenfeldt • M.J. Müller • A. Szegedi Mit 5 Abbildungen und 59 Tabellen
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Professor Dr. med. Otto Benkert, Mainz Professor Dr. med. Hanns Hippius, München Dr. med. Ion Anghelescu, Berlin
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Privatdozent Dr. med. Eugen Davids, Essen Dr. med. Christoph Fehr, Mainz
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Professor Dr. med. Gerhard Gründer, Aachen Professor Dr. rer. nat. Christoph Hiemke, Mainz Dr. med. Christian Lange-Asschenfeldt, Ulm Privatdozent Dr. med. Dipl.-Psychol. Matthias J. Müller, Mainz Professor Dr. med. Armin Szegedi, Berlin
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Anregungen bitte an: www.OttoBenkert.de/kontakt
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1. korrigierter Nachdruck 2005 ISBN 3-540-21893-9 5. Auflage Springer Medizin Verlag Heidelberg Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek. Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblio-grafie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer Medizin Verlag. Ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2000, 2001, 2002, 2003, 2005 Printed in Italy Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Planung: Renate Scheddin Projektmanagement: Renate Schulz Lektorat: Ursula Illig, Stockdorf Umschlaggestaltung: deblik Berlin Satz: medio Technologies AG, Berlin Gedruckt auf säurefreiem Papier
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Vorwort
Das Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie liegt jetzt in der 5. Auflage vor. Mit dieser Auflage gilt es ein Jubiläum zu feiern: 30 Jahre Psychiatrische Pharmakotherapie von Benkert/Hippius bei Springer. Das Kompendium ist in der Nachfolge der seit 1974 in sechs Auflagen erschienenen Psychiatrischen Pharmakotherapie entwickelt worden. Danach wuchsen aber die Erkenntnisse in der Grundlagenforschung so schnell, dass sie zusammen mit dem klinischen Fortschritt nicht mehr in einem praktikablen Leitfaden integriert werden konnten. So erschien 1996 die erste Auflage des Kompendiums. Im Handbuch der Psychopharmakotherapie, das 2005 erscheinen soll, werden wieder Grundlagenforschung und Klinik vereint; die Herausgeber sind F. Holsboer, G. Gründer und O. Benkert. Die große Akzeptanz des Kompendiums bestätigt uns, dass das hier angewandte Konzept seine eigene Berechtigung hat, nämlich das klinisch psychopharmakologische Wissen in einem sehr kompakten, zuverlässigen und aktuellen Leitfaden zusammen zu fassen. Die Aktualität wird jetzt durch das regelmäßige Erscheinen in einem Zwei-Jahres-Rhythmus untermauert. Weitere Charakteristika des Kompendiums sind die Bewertungen von Psychopharmaka und die Empfehlungen von Therapiestrategien; sie erlauben eine schnelle Orientierung. Es ist unser Ziel, das gesicherte Wissen ausgewogen in das Kompendium einzubringen. Neue Ergebnisse werden gesichtet, kritisch hinterfragt und sorgfältig aufgearbeitet. Daraus ergibt sich oft eine Wertung möglicher Therapiestrategien, z. B. die Empfehlung, sich für SSRI als Mittel der ersten Wahl bei Zwangsstörungen zu entscheiden. Wir scheuen uns auch nicht, mögliche risikoreiche Nebenwirkungen immer wieder zu betonen (etwa den erhöhten Prolaktinspiegel oder die Gewichtszunahme bei einigen atypischen Antipsychotika). Wir begründen und verteidigen Positionen, die wir für wichtig erachten, etwa den vorsichtigen Umgang mit Antidepressiva bei der bipolaren Depression. Durchaus wollen wir auch Trends in der Psychiatrischen Pharmakotherapie setzen. Es war uns schon früh ein Anliegen, die Verordnung von Medikamenten für Indikationen,
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die bisher als Randgebiete unseres Fachgebietes galten, zu betonen, etwa die Medikamente bei sexuellen Funktionsstörungen. Mit unserem Bewertungsvorgehen stehen wir einerseits zum Prinzip der evidenzbasierten Medizin (EBM), lassen uns aber andererseits nicht in ein steifes, noch längst nicht abgesichertes Kriteriengerüst zwängen. Auch große Metaanalysen sind vielen Einflussfaktoren ausgesetzt, die ihre Interpretation erschweren. Das gilt auch für die Flut von konkurrierenden Leitfäden und Algorithmen, die von nationalen und internationalen Gremien herausgegeben werden; ihnen ist oft ein einheitlicher und nutzbarer Therapieplan nicht zu entnehmen. In die Beurteilung der klinisch-therapeutischen Wirkung (»effectiveness«) gehen so viele Variablen ein, dass diese in »Efficacy-Studien« nicht regelmäßig kontrolliert werden können. So geben uns zwar diese Studien eine breite Basis, von der aus wir unsere Bewertungen vornehmen können; letztlich werden unsere Empfehlungen aber durch die klinische Erfahrung, durch die Beurteilung der den Studien zugrunde liegenden Methodik und die strikte Nutzen-Risiko-Abwägung geprägt. In den letzten Jahren hat auch die öffentliche Diskussion um die »Offlabel«-Anwendung von Psychopharmaka zugenommen. Der Leser des Kompendiums kennt unser Bemühen, auf wissenschaftlich und klinisch bedeutsame Erkenntnisse bei der Indikation von Psychopharmaka, auch ohne BfArM- Zulassung, frühzeitig hinzuweisen. Ein zulassungsüberschreitender Einsatz von Psychopharmaka ist heute auf Grund eines Urteils des Bundessozialgerichts vom März 2002 noch sorgfältiger abzuwägen. Da auf der einen Seite Konsens darüber besteht, dass dem Versicherten eine wirksame Therapie nicht vorenthalten werden darf, müssen auf der anderen Seite Kriterien für die Kostenübernahme erfüllt sein: es darf keine andere Therapie verfügbar sein, es müssen zur Wirksamkeit und Zuverlässigkeit des Präparates ausreichend Daten publiziert sein, die für eine baldige Zulassung sprechen und der voraussichtliche Nutzen muß in Fachkreisen akzeptiert sein. Am einfachsten werden diese Kriterien erfüllt, wenn eine erweiterte Zulassung bereits beantragt ist. Durch eine neue Kennzeichnung des Zulassungsstatus im Präparateteil des Kompendiums (s. Leseanweisung S. XXV) kann der Leser die Indikationen genau zuordnen. Auf eine noch fehlende Zulassung bei wichtigen Indikationen und auf neue Indikationen, die durch erste Studienergebnisse angedeutet oder schon begründet sind, wird jeweils hingewiesen. Bei einer Jubiläumsausgabe ist eine Rückschau erlaubt. Dem jungen Leser möchte ich die psychopharmakotherapeutische Landschaft Anfang der 70er-Jahre aufzeigen. Wir waren begeistert von den Möglichkeiten der Biologischen Psychiatrie. Norbert Matusseks Optimismus färbte auf uns ab. Sein Ziel war es, der klinischen Psychiatrie Impulse aus der
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Grundlagenforschung heraus zu geben, die er im Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München gestaltete. Die damals neue Noradrenalin- und Serotonin-Hypothese der Depression war ein fruchtbarer Boden für diese Forschungsrichtung. Sehr früh sah auch Hanns Hippius in dieser Forschungsrichtung eine große Chance für die Psychiatrie und versammelte alle Gleichgesinnten in der Psychiatrischen Klinik der Universität München. Er gab uns einen wertvollen Freiraum für die klinische Forschung und die Grundlagenforschung. Die Erfolge, die mit Psychopharmaka damals erreicht werden konnten, waren für uns sehr stimulierend. Die Sozialtherapie baute auf ihnen auf und die damals dominierende Psychoanalyse verlor um so mehr an Boden, als das Wissen um die Zusammenhänge zwischen Gehirnfunktionsstörungen und psychischen Störungen evident wurde. Um die Aussage, dass die Depression eine Gehirnfunktionsstörung sei, musste damals noch gekämpft werden. Ich selbst wollte diesen Ansatz erweitern und war auf Grund meiner ersten Tierversuche und klinischen Untersuchungen mit Aminen zum sexuellen Verhalten davon überzeugt, dass auch bei sexuellen Dysfunktionen eine Ursache im gestörten zentralnervösen Stoffwechsel zu finden wäre. Mir lag daran, die psychodynamischen Hypothesen zu ergänzen. Nachdem die ersten pharmakotherapeutischen Untersuchungen mit Aminpräkursorn erfolgreich abgeschlossen werden konnten, rückten aber immer mehr die urologischen Therapien, insbesondere dann die Zufalllsentdeckung mit den PDE-5-Hemmern, in den Vordergrund, so dass ich die Forschungen zur zentralen Regulation der sexuellen Dysfunktion zurückgestellte. Ich hoffe aber, dass diese später wieder aufgenommen werden können. Im klinischen Alltag vor 30 Jahren gab es ebensowenig eine operationalisierte Diagnostik wie die Begriffe Panikstörung, Bipolare Störung oder Negativsymptomatik. Wir kannten aber auch keine Systematik in der Behandlung psychischer Störungen mit Psychopharmaka. Es gab damals nur ältere Handbücher, die sich vorwiegend mit der Entdeckung der ersten Psychopharmaka der fünfziger und sechziger Jahre auseinander setzten; auch die großen englischsprachigen Bücher zur Pharmakotherapie waren noch nicht geschrieben. Aus dem Wunsch heraus das aktuelle Wissen aus Klinik und Grundlagenforschung zusammenzutragen, zu strukturieren und für die praktische Anwendung auf zu arbeiten, entstand die erste Auflage der Psychiatrischen Pharmakotherapie. Das Wissen in der Grundlagenforschung ist in den 30 Jahren enorm gewachsen; es ist aber auffällig, dass der Fortschritt bei der Entwicklung wirklich neuer Therapiestrategien dann nicht mehr mithalten konnte. Dennoch ist etwa die Ablösung der trizyklischen Antidepressiva durch SSRI und andere neue Antidepressiva
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wegen der geringeren Nebenwirkungen im klinischen Alltag wertvoll; dies trifft ebenso für die Ablösung der konventionellen durch die atypischen Antipsychotika zu. Bipolare Störungen behandeln wir heute durch den gezielten Einsatz von Stimmungsstabilisierern besser als früher. Angst- und Zwangserkrankungen sprechen auf SSRI gut an und ergänzen sich mit der Verhaltenstherapie; das wussten wir damals noch nicht. Es ist aber auffällig, dass es in unserem Fach in den 30 Jahren zu keinem Therapiesprung gekommen ist, so wie wir ihn gerade mit den PDE5-Hemmern bei den sexuellen Funktionsstörungen oder mit den Statinen bei den Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder mit den Protonenpumpenhemmern in der Gastroenterologie erleben. Die erste klinische Studie zur Beeinflussung der HPA-Achse bei depressiven Patienten mit dem »Corticotropin-Releasing«-Hormon haben wir schon 1982 in Mainz durchgeführt, aber immer ist noch nicht absehbar, ob aus dieser Entwicklung die erhoffte Gruppe neuer Antidepressiva mit einem wirklich entscheidenden Fortschritt für den Patienten entsteht. Dabei ist unverkennbar, dass wir in der Zwischenzeit ganz Wesentliches über die Bedeutung der HPA-Achse in der Psychiatrie gelernt haben. Auch die schnell wachsenden Kenntnisse über molekularbiologische Zusammenhänge ermutigte uns schon in der vorherigen Auflage, eine individuelle Pharmakotherapie in absehbarer Zeit zu erhoffen. Aber zunächst wird der Hiatus zwischen Grundlageforschung und Klinik eher größer. Liegt es an der Komplexität der Gehirnfunktionsstörung bei psychisch Kranken im Vergleich zu Krankheiten der Inneren Medizin? Liegt es an der schwierigen klinischen Evaluationsmöglichkeit von Psychopharmaka? Der Wirkunterschied zwischen Antidepressiva und Placebo liegt in klinischen Studien tatsächlich nur bei ca. 15%. Oder ist der Hiatus auf die verkrustete Gesetzgebung bei der Durchführung von klinischen Studien zurückzuführen? Spontane klinische Entdeckungen können ja gar nicht mehr evaluiert werden. Der junge Forscher wird heute vielmehr durch die moderne Technologie verführt, ein einmal als richtig erkanntes Wirkprinzip einer Substanz konsequent zu verfolgen und auch das nur in abgestimmter Teamarbeit. Die Möglichkeit ist sehr groß, dass er bei der systematischen Suche am Computer nach noch spezifischeren Psychopharmaka, die etwa an den Dopamin- und Serotoninrezeptoren binden, erfolgreich ist. Die Grundlagenforschung wird bereichert; aber eine neue Wirkidee wird nicht geboren. Hat der kreative Forscher noch genug Freiraum, dem Zufall die ersehnte Chance zu geben? 30 Jahre Psychiatrische Pharmakotherapie bedeutet zunächst den Dank an unsere treuen Leser. Besonders freuen wir uns, dass wir eine wachsende Zahl neuer Leser gewinnen können. Es ist jetzt schon die dritte Psychiatergeneration, die an unserem Beitrag zur Diskussion unseres Fachgebie-
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tes teilnimmt. Das ist für ein medizinisches Fachbuch etwas Besonderes. Gelingen konnte das nur, weil das Kompendium geprägt ist durch das Wissen und die sorgfältige Bewertung neuer wissenschaftlicher Befunde aller Koautoren; ohne ihre Arbeit hätte auch diese Neuauflage nicht entstehen können. Meine Dankbarkeit für ihr Vertrauen und ihre Mitarbeit ist groß. Es gilt nicht nur ihnen mein Dank, sondern auch der früheren Mitarbeit von I. Vernaleken an der 4. Auflage und besonders von H. Wetzel in den Jahren von 1986–2000. Die gemeinsame Arbeit mit H. Wetzel ist dauerhaft in die Psychiatrische Pharmakotherapie eingegangen. Und nicht zuletzt: Ich habe gerne 30 Jahre lang mit dem Springer-Verlag zusammengearbeitet.
Mainz, im Herbst 2004
Otto Benkert
Inhaltsverzeichnis
1
1.1 1.2 1.3 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4 1.4.5 1.4.6 1.4.7 1.4.8 1.4.9 1.4.10 1.4.11 1.4.12 1.4.13 1.4.14 1.5 1.6 1.7 1.8 1.8.1 1.8.2 1.8.3 1.9 1.10 1.10.1 1.10.2
Antidepressiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung der Antidepressiva . . . . . . . . . . . . . Wirkmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Therapieprinzipien . . . . . . . . . . . . Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Depressive Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Panikstörung mit/ohne Agoraphobie . . . . . . . . . Generalisierte Angststörung . . . . . . . . . . . . . . Phobische Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwangsstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Posttraumatische Belastungsstörung . . . . . . . . . Somatoforme Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . Schmerzsyndrome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chronic-Fatigue-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . Prämenstruell-dysphorisches Syndrom. . . . . . . . Entzugssyndrome verschiedener Substanzgruppen und Rezidivprophylaxe der Alkoholabhängigkeit . . Essstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlafstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Persönlichkeitsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . Antidepressiva und Psychotherapie . . . . . . . . . . Nebenwirkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interaktionen trizyklischer Antidepressiva . . . . . . Interaktionen selektiver Serotoninrückaufnahmehemmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interaktionen neuer Antidrepressiva . . . . . . . . . Routineuntersuchungen. . . . . . . . . . . . . . . . . Dosierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Plasmakonzentrationen . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkungseintritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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39 41 43 43 45 47
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1.11 1.12 1.13
Behandlungsdauer und Rezidivprophylaxe. . . . . . . . Therapieresistenz und ungenügende Response . . . . . Präparate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
Medikamente zur Behandlung bipolarer affektiver Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1 2.1.1 2.1.2 2.2 2.3 2.4 2.4.1 2.4.2
Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Basistherapeutika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Adjuvante Pharmakotherapeutika . . . . . . . . . . Wirkmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Therapieprinzipien . . . . . . . . . . . Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Manische Episode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bipolare affektive Störung . . . . . . . . . . . . . . Bipolare Depression . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gemischte Episode. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phasenprophylaxe bei bipolarer affektiver Störung Rapid cycling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phasenprophylaxe bei schizoaffektiver Störung . . Phasenprophylaktika und Psychotherapie . . . . . Nebenwirkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Routineuntersuchungen. . . . . . . . . . . . . . . . Dosierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Präparate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
2.5 2.6 2.7 2.8 2.9 2.10 2.11
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Antipsychotika (Neuroleptika) . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3.1 3.1.1
Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung der Antipsychotika nach der chemischen Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung der Antipsychotika nach der antipsychotischen Wirksamkeit (»neuroleptische Potenz«). Einteilung der Antipsychotika nach ihren »atypischen« Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . Klinische Wirkungsprofile der Antipsychotika. . . . Wirkmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Therapieprinzipien . . . . . . . . . . . . Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schizophrene Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . Akutphase/Positiv-Symptomatik . . . . . . . . . . . Negativsymptomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.2 3.3 3.4 3.4.1
47 50 55
101 101 102 103 103 105 107 107 114 115 118 118 122 123 123 124 125 126 126 131 132
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160 164 166 169 173 173 175 176
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XIII
Inhaltsverzeichnis
3.4.2
3.4.3 3.4.4 3.4.5 3.4.6 3.4.7 3.4.8 3.4.9 3.4.10 3.5 3.6 3.7 3.8 3.9 3.10 3.10.1 3.10.2 3.10.3 3.11 3.11.1 3.11.2 3.12 3.13 3.13.1 3.13.2 3.13.3 3.13.4 3.14
Depressive Symptomatik und Suizidalität . . . . . . . . Kognitive Störungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katatone Symptomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schizotype Störung, wahnhafte Störungen, akute vorübergehende psychotische Störungen, induzierte wahnhafte Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schizoaffektive Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Affektive Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neurologische Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . Zwangsstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angststörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Demenzielle Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . Andere organische Psychosen . . . . . . . . . . . . . . . Schmerzsyndrome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antipsychotika und Psycho-/Soziotherapie bei Schizophrenie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nebenwirkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Routineuntersuchungen und -hinweise . . . . . . . . . . Dosierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pharmakokinetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antipsychotika-Plasmakonzentrationen . . . . . . . . . Wirkungseintritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Behandlungsdauer und Langzeitmedikation . . . . . . . Depotmedikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umsetzen von Antipsychotika . . . . . . . . . . . . . . . Nonresponse, Therapieresistenz und Therapieversagen Maßnahmen bei Nonresponse und Therapieresistenz unter Antipsychotika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Behandlungsoptimierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . Wechsel des Antipsychotikums . . . . . . . . . . . . . . Kombination von zwei oder mehreren Antipsychotika . Augmentationsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . Präparate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
Anxiolytika. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1 4.2 4.3 4.4 4.4.1
Übersicht . . . . . . . . . . . . . Wirkmechanismen . . . . . . . Allgemeine Therapieprinzipien Indikationen . . . . . . . . . . . Phobische Störung . . . . . . . .
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XIV
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
4.4.2 4.4.3 4.4.4 4.4.5 4.4.6 4.4.7 4.4.8 4.4.9 4.4.10 4.4.11 4.4.12
Inhaltsverzeichnis
. . . . . . . . . .
280 280 281 281 281 281 282 282 282 282
. . . . .
282 283 284 284 285
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286 287 288
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288 288 289 289 291 291 293 294
5
Hypnotika (Antiinsomnika) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.8.1 5.8.2 5.8.3
Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Therapieprinzipien . . . . . . . . . . . . . Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hypnotika und Psychotherapie . . . . . . . . . . . . . Nebenwirkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pharmakokinetik und Interaktionen . . . . . . . . . . Pharmakokinetik der Benzodiazepinhypnotika . . . . Pharmakokinetik der Non-Benzodiazepinhypnotika . Pharmakokinetik der übrigen Hypnotika . . . . . . .
313 313 315 317 321 322 323 324 325 325 327 327
4.5 4.6 4.6.1 4.6.2 4.6.3 4.6.4 4.6.5 4.6.6 4.7 4.8 4.8.1 4.8.2 4.9 4.10 4.11
Panikstörung mit/ohne Agoraphobie . . . . . . . . . . Generalisierte Angststörung . . . . . . . . . . . . . . . Depressive Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Somatoforme Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Manische Episode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schizophrene Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Extrapyramidalmotorische Störungen . . . . . . . . . Neurologische Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . Alkoholentzugssyndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . Psychiatrische Akutsituationen . . . . . . . . . . . . . Benzodiazepine im Alter und bei organischen Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anxiolytika und Psychotherapie . . . . . . . . . . . . . Nebenwirkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abhängigkeitsrisiko bei Benzodiazepinen . . . . . . . Absetzproblematik bei Benzodiazepinen . . . . . . . . Vorbeugung von Benzodiazepinentzugssymptomen und Benzodiazepinentzugsbehandlung . . . . . . . . . Andere Nebenwirkungen von Benzodiazepinen . . . . Symptome bei Überdosierung von Benzodiazepinen . Symptome bei chronischer Einnahme von Benzodiazepinen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pharmakokinetik und Interaktionen . . . . . . . . . . Pharmakokinetik der Benzodiazepine . . . . . . . . . Interaktionen der Benzodiazepine. . . . . . . . . . . . Routinehinweise bei Benzodiazepingabe . . . . . . . . Dosierung und Behandlungsdauer . . . . . . . . . . . Präparate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13 14 15 16 17
. . . . . . . . . . .
XV
Inhaltsverzeichnis
5.8.4 5.9 5.10 5.11
. . . .
327 329 329 329
6
Antidementiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.1 6.2 6.3 6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.4.4 6.4.5
Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Therapieprinzipien . . . . . . . . . . . Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Demenz bei Alzheimer-Krankheit . . . . . . . . . . Vaskuläre Demenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Demenz vom Lewy-Körperchen-Typ . . . . . . . . Frontotemporale Demenz. . . . . . . . . . . . . . . Leichte kognitive Störung (»mild cognitive impairment«). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antidementiva, Psycho-/Soziotherapie und pflegerische Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Präparate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . .
351 351 352 353 356 357 359 359 360
. . .
361
. . . . . .
361 362
6.5 6.6
Interaktionen . . . . . . . . . . . . . Routinehinweise . . . . . . . . . . . Dosierung und Behandlungsdauer Präparate . . . . . . . . . . . . . . .
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7
Medikamente zur Behandlung von Abhängigkeit und Entzugssyndromen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.1 7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.2.4
Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Suchtmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alkohol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Benzodiazepine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Opiate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kokain, Amphetamine und andere Substanzen aus der Gruppe der Psychostimulanzien. . . . . . . . . . . Ecstasy (MDMA, 3,4-Methylendioxymetamphetamin) und Eve (MDA, 3,4-Methylendioxyamphetamin) . . . Psychotomimetika (LSD, Meskalin, Psilocybin und ähnliche Substanzen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cannabis (THC, ∆-9-Tetrahydrocannabinol) . . . . . . Nikotin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Medikamente in der Behandlung von Abhängigkeit und Entzugssyndromen . . . . . . . . . Präparate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . .
375 375 378 378 384 384
.
387
.
388
. . .
389 390 390
. .
391 393
8
Medikamente zur Behandlung von sexuellen Störungen
8.1 8.2
Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
421 421 422
7.2.5 7.2.6 7.2.7 7.2.8 7.3 7.4
XVI
1 2 3 4
8.2.1 8.2.2 8.2.3 8.2.4 8.2.5 8.2.6 8.3
Inhaltsverzeichnis
Vermindertes sexuelles Verlangen . . . . . . . . . . . . Erektionsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Störungen der sexuellen Erregung bei Frauen . . . . . Ejaculatio praecox und andere Ejakulationsstörungen Gesteigertes sexuelles Verlangen und Paraphilien . . . Substanzinduzierte sexuelle Funktionsstörungen . . . Präparate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . .
422 423 426 427 428 429 434 445 445 447 447 448 449 450 452
9
Medikamente zur Behandlung von Essstörungen . . . . .
9.1 9.2 9.2.1 9.2.2 9.2.3 9.2.4 9.3
Übersicht . . . . . . . Indikationen . . . . . Anorexia nervosa . . Bulimia nervosa . . . Binge-eating-Störung Adipositas. . . . . . . Präparate . . . . . . .
8
10
Psychostimulanzien und weitere Medikamente zur Behandlung von ADHS und Hypersomnien . . . . . . . . .
9
10.1 10.2 10.2.1
Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bei Erwachsenen. . . . . . . . . . . . . . . Narkolepsie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlaf-Apnoe-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . Restless-legs-Syndrom (RLS) und Periodic limb movements in sleep (PLMS) . . . . . . . . . . . . . Primäre Hypersomnie. . . . . . . . . . . . . . . . . Präparate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5 6 7
10 11 12
10.2.2 10.2.3 10.2.4 10.2.5 10.3
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
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. . . . . . .
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. . . . . .
457 457 457
. . . . . . . . .
457 460 461
. . . . . . . . .
461 463 463
13 14 15 16 17
11
Medikamente zur Behandlung von Persönlichkeitsund Verhaltensstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.1 11.2 11.3 11.3.1 11.3.2
Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Therapiehinweise . . . . . . . . . . . . . . . Spezifische Therapiehinweise . . . . . . . . . . . . . . . Therapie von spezifischen Persönlichkeitsstörungen . . Zielsyndromorientierte Psychopharmakotherapie bei Persönlichkeitsstörungen. . . . . . . . . . . . . . . . Psychopharmaka bei Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antidepressiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antipsychotika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.4 11.4.1 11.4.2
471 471 472 474 474 475 479 479 480
XVII
Inhaltsverzeichnis
11.4.3 11.4.4 11.4.5 11.4.6
Benzodiazepine . . . . . . . . . . . . Betarezeptorenblocker und Clonidin Stimmungsstabilisierer . . . . . . . . Naltrexon . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
480 481 481 482
12
Pharmakotherapie psychiatrischer Akutsituationen . . .
12.1 12.2 12.3 12.4 12.4.1 12.4.2 12.5 12.6 12.6.1 12.6.2 12.7
Übersicht und allgemeine Gesichtspunkte . . . Psychomotorische Erregungszustände . . . . . Delirante Syndrome . . . . . . . . . . . . . . . . Störungen des Bewusstseins . . . . . . . . . . . Quantitative Bewusstseinsstörungen . . . . . . Qualitative Bewusstseinsstörungen . . . . . . . Stuporöse Zustände . . . . . . . . . . . . . . . . Suizidalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umgang mit suizidalen Patienten . . . . . . . . Suizidprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . Psychopharmaka als Ursache psychiatrischer Akutsituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Störungen. . . . . . . . . . . . . . . Spezielle Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . Andere Pharmaka als Ursache psychiatrischer Akutsituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
483 483 488 489 492 492 493 493 496 497 498
. . . . . . . . . . . . . . .
499 499 500
. . . . .
502
12.7.1 12.7.2 12.8
. . . .
. . . .
. . . .
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. . . .
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. . . . . . . . . .
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. . . . . . . . . .
13
Psychopharmaka im Alter und bei internistischen Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13.1 13.2 13.2.1 13.2.2 13.2.3 13.2.4 13.2.5 13.2.6 13.2.7 13.3 13.3.1 13.3.2 13.3.3 13.3.4 13.3.5 13.3.6 13.3.7
Psychopharmaka im Alter . . . . . . . . . . . . . . . Psychopharmaka bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen Allgemeine Gesichtspunkte. . . . . . . . . . . . . . . Antidepressiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stimmungsstabilisierer . . . . . . . . . . . . . . . . . Antipsychotika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Benzodiazepine und Non-Benzodiazepine . . . . . . Antidementiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andere Pharmaka/Psychopharmaka . . . . . . . . . Psychopharmaka bei Lebererkrankungen . . . . . . Allgemeine Gesichtspunkte. . . . . . . . . . . . . . . Antidepressiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stimmungsstabilisierer . . . . . . . . . . . . . . . . . Antipsychotika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Benzodiazepine und Non-Benzodiazepine . . . . . . Antidementiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andere Pharmaka/Psychopharmaka . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . .
509 509 512 512 514 515 516 518 518 518 520 520 520 523 523 525 525 526
XVIII
1 2 3 4
13.4 13.4.1 13.4.2 13.4.3 13.4.4 13.4.5 13.4.6 13.4.7
Inhaltsverzeichnis
Psychopharmaka bei Nierenerkrankungen . Allgemeine Gesichtspunkte. . . . . . . . . . Antidepressiva . . . . . . . . . . . . . . . . . Stimmungsstabilisierer . . . . . . . . . . . . Antipsychotika . . . . . . . . . . . . . . . . . Benzodiazepine und Non-Benzodiazepine . Antidementiva . . . . . . . . . . . . . . . . . Andere Pharmaka/Psychopharmaka . . . .
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. . . . . . . .
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527 527 527 529 530 531 532 533
14
Psychopharmaka in Schwangerschaft und Stillzeit . . . .
14.1 14.2 14.2.1 14.2.2 14.2.3 14.2.4 14.3 14.4 14.5 14.6 14.7
Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antidepressiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Trizyklische Antidepressiva. . . . . . . . . . . . . . . Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer . . . . Monoaminooxidasehemmer . . . . . . . . . . . . . . Andere Antidepressiva . . . . . . . . . . . . . . . . . Lithium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antikonvulsiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antipsychotika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Benzodiazepine und Non-Benzodiazepinhypnotika Elektrokrampfbehandlung . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
535 535 536 536 536 537 537 538 539 540 541 543
10
15
Psychopharmaka und Fahrtüchtigkeit . . . . . . . . . . . .
545
11
16
Pharmakokinetik und Arzneimittelinteraktionen . . . . .
549
17
Intoxikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17.1 17.2 17.2.1 17.2.2 17.2.3 17.2.4 17.3 17.3.1 17.3.2 17.3.3 17.4 17.4.1 17.4.2 17.4.3 17.5
Allgemeine Gesichtspunkte. . . . . . . . . . Antidepressiva . . . . . . . . . . . . . . . . . Trizyklische Antidepressiva . . . . . . . . . Selektive Serotoninrückaufnahmehemmer Monoaminooxidasehemmer . . . . . . . . . Andere Antidepressiva . . . . . . . . . . . . Stimmungsstabilisierer . . . . . . . . . . . . Lithium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Carbamazepin . . . . . . . . . . . . . . . . . Valproinsäure. . . . . . . . . . . . . . . . . . Antipsychotika . . . . . . . . . . . . . . . . . Butyrophenone und Phenothiazine . . . . . Clozapin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Atypische Antipsychotika (außer Clozapin) Benzodiazepine . . . . . . . . . . . . . . . .
559 559 560 560 561 562 563 563 563 564 565 565 565 566 567 567
5 6 7 8 9
12 13 14 15 16 17
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. . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
17.6 17.6.1 17.6.2 17.6.3 17.6.4 17.6.5 17.6.6
Drogenintoxikationen . . . . . . . . . . . . . . . Opiate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kokain. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Amphetamine und -derivate . . . . . . . . . . . Ecstasy (MDMA) und Eve (MD) . . . . . . . . . Cannabis (∆-9-Tetrahydrocannabinol, THC) . . Psychomimetika (Halluzinogene: Lysergsäurediethylamid, LSD) . . . . . . . . . . . . . . . . .
XIX
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
568 568 569 570 571 572
. . . . .
572
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
575
Diagnoseverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
577
Pharmakaverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
581
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
593
Abkürzungsverzeichnis
AAP ACE ACh AD ADAS-Cog ADH ADHD ADHS ADL AIDS Amp. AP ApoE ARDS ASS BB BfArM BMI BPS BPSD BRA BtM BtMVV BZ CBT CCK CCT CERAD cGMP CPAP CPZ CRH CYP D1-D5 DA DAR
atypische Antipsychotika »angiotensin converting enzyme« Azetylcholin Antidepressiv(a/-um) »Cognitive Section of the Alzheimer’s Disease Assessment Scale« antidiuretisches Hormon »attention deficit hyperactivity disorder Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom »activities of daily living« »acquired immune deficiency syndrome« Ampulle(n) Antipsychotik(a/-um) Apolipoprotein »adult respiratory distress syndrome« Azetylsalizylsäure Blutbild Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Body-Mass-Index Borderline-Persönlichkeitsstörung »behavioral and psychological symptoms in dementia« Benzodiazepinrezeptoragonisten Betäubungsmittel Betäubungsmittelverschreibungsverordnung Benzodiazepin kognitiv-behaviorale Therapie Cholezystokinin kraniale Computertomographie Consortium to Establish a Registry for DAT zyklisches Guanosinmonophosphat »continuous positive airways pressure« Chlorpromazin »corticotropin releasing hormone« Cytochrom P450 Dopaminrezeptor Typ 1–5 Dopamin Disulfiram-Alkohol-Reaktion
XXII
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
Abkürzungsverzeichnis
DAT DD DHEA Diff.-BB DLB Drg. DSM-IV EBM EE EEG EKB EKG EMG EPS FSAD GABA GAD GFR GH GHRH H1 HAMD-17 HDS HEE HLA 5-HT 5-HTT ICD-10 INR IPT KT LSD mACh MAO MAOH MCI mCPP MDA MDMA MMSE MRT NA NAT NINCDS-ADRDA
Demenz vom Alzheimer-Typ Differenzialdiagnose Dehydroepiandrosteron Differenzialblutbild Demenz vom Lewy-Körperchen-Typ Dragée(s) Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen (IV. Revision) evidenzbasierte Medizin »expressed emotions« Elektroenzephalogramm Elektrokrampfbehandlung Elektrokardiogramm Elektromyographie extrapyramidal-motorische Störung(en) oder extrapyramidal-motorische(s) Symptom(e) »female sexual arousal disorder« Gammaaminobuttersäure generalisierte Angststörung glomeruläre Filtrationsrate »growth hormone“ »growth hormone releasing hormone« Histaminrezeptor Typ 1 Hamilton-Depressionsskala (17-Itemversion) hyperkinetisches Syndrom »high expressed emotions« »human leucocyte antigen« 5-Hydroxy-Tryptophan (Serotonin) Serotonintransporter Internationale Klassifikation Psychischer Störungen (10. Revision) International Normalized Ratio interpersonelle Psychotherapie kognitive Therapie Lysergsäurediethylamid muskarinischer Azetylcholinrezeptor Monoaminooxidase MAO-Hemmer (Monoaminooxidasehemmer) »mild cognitive impairment«, leichte kognitive Störung meta-Chlorophenylpiperazin 3,4-Methylendioxyamphetamin, »Eve« 3,4-Methylendioxymetamphetamin, »Ecstasy« »mini-mental state examination« Magnetresonanztomographie Noradrenalin Noradrenalintransporter National Institute of Neurological and Communicative Disorders and Stroke –Alzheimer‘s Desease and Related Disorders Associated
Abkürzungsverzeichnis
NMDA NO NUB NYHA OROS OSAS PDE PET PIP2 PLMS PMDS PRL PT PTSD REM RLS SAD SIADH SIDAM s.l. SKAT SKT SODAS SRI SSRI Susp. SVV t½ T3 T4
99mTc-DTPA TDM TFDD
THC Tmax TMS TRH TSH TZA UAW VD VT WPW-Syndrom ZNS ZVD
XXIII
N-Methyl-D-Aspartat Stickstoffoxid neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden New York Heart Association »osmotic controlled release delivery system« obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom Phosphodiesterase Positronenemissionstomographie Phosphatdylinositol-4,5-biphosphat »periodic limb movements during sleep« prämenstruell-dysphorisches Syndrom Prolaktin Psychotherapie posttraumatische Belastungsstörung »rapid eye movement« Restless-leg-Syndrom »seasonal affective disorder« Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion »strukturiertes Interview zur Diagnostik der DAT« sublingual Schwellkörper-Autoinjektionstherapie Syndrom-Kurz-Test »spheroidal oral drug absorption system« Serotoninrückaufnahmehemmer selektive(r) Serotoninrückaufnahmeinhibitor(en)/ -hemmer Suspension selbstverletzendes Verhalten β-Eliminationshalbwertszeit bzw. bei Depotpräparaten: Freisetzungshalbwertszeit Trijodthyronin Thyroxin (Tetrajodthyronin) Technetium-99m-Diethylentriaminpentaantat therapeutisches Drug-Monitoring Test zur Früherkennung der Demenz mit Depressionsabgrenzung Tetrahydrocannabinol Zeit bis zum maximalen Plasmaspiegel repetitive transkranielle Magnetstimulation »thyreotropin releasing hormone« thyreoideastimulierendes Hormon (Thyreotropin) trizyklische(s) Antidepressiv(a/-um) unerwünschte Arzneimittelwirkung(en) vaskuläre Demenz Verhaltenstherapie Wolff-Parkinson-White-Syndrom Zentralnervensystem zentraler Venendruck
Leseanweisung
5 Die Kapiteleinteilung richtet sich primär nach den Psychopharmaka der großen Substanzgruppen (7 Kapitel 1–11). Am Ende des Buches folgen allgemein wichtige Kapitel der psychiatrischen Pharmakotherapie (7 Kapitel 12–17). 5 Die ersten sechs Kapitel (Antidepressiva, Medikamente zur Behandlung bipolarer Störungen, Antipsychotika, Anxiolytika, Hypnotika, Antidementiva) sind einheitlich gegliedert: Nach Übersichtskapiteln im jeweils ersten Teil werden im zweiten Teil die einzelnen Präparate beschrieben. Das Kapitel 7 (Medikamente zur Behandlung von Entzugssyndromen und Abhängigkeit) ist im Allgemeinen Teil nach den einzelnen Suchtmitteln geordnet. In den Kapitel 9–11 gibt die Diagnose die Ordnungsstruktur vor. 5 Die Beschreibung der Präparate folgt immer der gleichen Systematik: – Auflistung der Handelspräparate unter Einschluss der Generika: ist die Zahl der Generika hoch, werden die Darreichungsformen nur für das zuerst zugelassene Präparat beschrieben; ist die Zahl der Generika sehr hoch (z. B. bei Vitamin E), wird für die Darreichungsformen auf die Rote Liste verwiesen. Die Handelsnamen mit ihren Dosierungen und Darreichungsformen sind der neuesten Roten Liste entnommen. Es wurden alle bis zum Sommer 2004 neu eingeführten Präparate berücksichtigt. Die Handelsnamen in Österreich und der Schweiz, soweit sie eigene Bezeichnungen haben, sind in das Pharmakaverzeichnis mit aufgenommen. Präparate, die für die Therapie wichtig, aber noch nicht zugelassen sind oder demnächst erst zugelassen werden, sind in Kurzfassung (und mit einer weißen statt blauen Überschriftenhinterlegung) dargestellt. – Pharmakokinetik: Neu sind Angaben zu mittleren Plasmakonzentrationen bei therapeutischen Dosierungen im Steady State. Für die Hauptindikation ist der Zielbereich der Plasmakonzentration dann mit p gekennzeichnet, wenn therapeutisch wirksame Konzentrationen in Studien nachgewiesen wurden. Wenn der therapeutische Be-
XXVI
1 –
2 3 4 5 6 7 8 9
–
10
–
11 12 13 14
–
–
15 16 17
–
Leseanweisung
reich durch Studien weniger gut belegt ist, sind die zu erwartenden mittleren Plasmakonzentrationen mit (p) hervorgehoben. Indikationen und Behandlungshinweise: Neu ist in der 5. Auflage der Hinweis auf den Zulassungsstatus beim BfArM. Das zugelassene Medikament und die entsprechende zugelassene Indikation sind mit z gekennzeichnet. Die Ausweisung bezieht sich immer auf das zuerst zugelassene Präparat. Der Zulassungsstatus für die Generika und für nicht-psychiatrische Indikationen wird nicht berücksichtigt. Bei Alt-Zulassungen ist oft die Diagnose nicht hinreichend definiert (z. B. Neurose) oder kann nicht mit einer ICD-10-Diagnose in Einklang gebracht werden; auf diese Fälle soll durch die Kennzeichnung (z) aufmerksam gemacht werden. Die Zulassungsdiagnosen auch bei neuen Substanzen sind für verschiedene Präparate oft nicht immer identisch und beziehen sich nicht unbedingt auf die ICD-10-Nomenklatur; es wird i. d. R. die Zulassungsdiagnose übernommen. Für die Zuordnung kann keine Gewähr übernommen werden. Durchgängig werden ICD-10-Diagnosen verwendet; falls Studien überwiegend an Patienten mit DSM-Diagnosen durchgeführt wurden, werden auch diese benutzt. Dosierung: Die Angaben beziehen sich, wenn nicht anders erwähnt, auf alle zugelassenen Indikationen. Nebenwirkungen: Die wichtigsten und oft auch sehr seltenen Nebenwirkungen werden beschrieben, aber es können nicht alle Nebenwirkungen erfasst werden; sie müssen aus der Roten Liste und den Fachinformationen entnommen werden. Zeichnet sich ein Präparat durch (weitgehend) fehlende Nebenwirkungen aus, wird dieser Vorteil im Abschnitt »Indikationen und Behandlungshinweise« erwähnt. Kontraindikationen: Die wichtigen Kontraindikationen werden aufgezählt; darüber hinaus erfolgt jeweils ein Seitenverweis auf die ergänzenden Ausführungen im Allgemeinen Teil. Interaktionen: Es werden im Präparateteil ab der 5. Auflage neu nur mehr die klinisch relevanten Interaktionen erwähnt. Die weiteren Interaktionen finden sich in den Tabellen der einzelnen Kapitel und im Kapitel 17. Bewertung: Zu Präparaten, die zwar zugelassen, aber unseres Erachtens nach entbehrlich oder mit zu großen Risiken behaftet sind, werden nur kurze unerlässliche Informationen gegeben.
Leseanweisung
XXVII
5 Im Anhang finden sich drei Verzeichnisse: – Diagnosenverzeichnis: Der Leser, der primär die Therapie für eine bestimmte Diagnose sucht, findet hier den Seitenverweis. – Pharmakaverzeichnis: Präparate, die sich nur in Österreich und der Schweiz im Handel befinden, sind gesondert gekennzeichnet. – Sachverzeichnis. 5 Die Empfehlungen des Kompendiums gelten für das Erwachsenenalter.
1 Antidepressiva
1.1
Einteilung der Antidepressiva
Antidepressiva (AD) sind eine heterogene Gruppe von Pharmaka, die bei depressiven Syndromen unterschiedlicher nosologischer Zuordnung und Charakteristik einen stimmungsaufhellenden und/oder antriebsverbessernden Therapieeffekt haben. Zusätzlich sind sie bei einer Reihe weiterer Störungsbilder wirksam, so dass der Begriff »Antidepressiva« nur einen Aspekt ihrer therapeutischen Potenz darstellt. Die frühere Einteilung bezog sich auf die chemische Struktur: 5 Trizyklische Antidepressiva (TZA): abgeleitet von Imipramin; in der chemischen Struktur charakteristische Anordnung von 3 Ringen (»Trizyklus«); Unterschiede der Substanzen am Zentralring und/oder an der Seitenkette sind zwar strukturchemisch häufig nur gering, doch resultieren daraus oft erhebliche qualitative Änderungen des pharmakologischen und klinischen Wirkungsbildes. 5 Tetrazyklische Antidepressiva: Maprotilin, Mianserin, strukturchemisch auch Mirtazapin. 5 Chemisch neuartige Antidepressiva: Sie zeigen untereinander keine strukturchemische Ähnlichkeit mehr, z. B. Reboxetin, Venlafaxin oder verschiedene selektive 5-HT-Rückaufnahmeinhibitoren (SSRI). Heute werden die Antidepressiva nach dem primären Angriffspunkt im ZNS eingeteilt. Dieses Einteilungsprinzip ist zu bevorzugen, da es pharmakologisch aussagekräftiger ist. 5 Überwiegende oder selektive 5-HT-Rückaufnahmeinhibitoren, 5 überwiegende oder selektive Noradrenalin- (NA) Rückaufnahmeinhibitoren, 5 kombinierte 5-HT- und NA-Rückaufnahmeinhibitoren, 5 Monoaminooxidasehemmer, 5 andere Wirkmechanismen. Bislang gibt es keinen eindeutigen Nachweis einer Überlegenheit einer Substanz/Substanzklasse bei allen Indikationen, aber Hinweise für differenzielle Wirksamkeit bei besonderen Symptomkonstellationen.
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Kapitel 1 · Antidepressiva
5
Wirkmechanismen
Bei der Pathophysiologie depressiver Syndrome sind Veränderungen des zentralnervösen Stoffwechsels einiger Neurotransmitter (als Ursache oder als Folge anderer Einflussgrößen wie etwa psychosozialer Stressoren) besonders relevant für die Entstehung oder Unterhaltung klinischer Symptome. Dies gilt für Serotonin (5-HT), Noradrenalin (NA) und Dopamin (DA); für DA wahrscheinlich bei einer Untergruppe von Patienten. Der eigentliche Wirkmechanismus von AD ist noch unbekannt. Die meisten heute bekannten AD beeinflussen pharmakologisch eines oder mehrere dieser Neurotransmittersysteme im ZNS. Darauf wird u. a. ihre Wirksamkeit zurückgeführt. Viele AD beeinflussen daneben auch andere Neurotransmittersysteme im ZNS (z. B. azetylcholinerge oder histaminerge Systeme). Effekte auf diese Transmittersysteme bestimmen das klinische Wirkprofil der Substanz neben dem eigentlichen antidepressiven Effekt und werden für eine Reihe unerwünschter Wirkungen verantwortlich gemacht. Antagonistische Effekte an bestimmten Rezeptorsystemen bewirken jeweils typische Effekte; für die eigentliche antidepressive Wirkung scheinen sie aber nicht immer notwendig zu sein (7 Kap. 1.3). Komplexe Zusammenhänge ergeben sich dadurch, dass für jedes Neurotransmittersystem Untergruppen von Rezeptoren, die die zelluläre Wirkung des Transmitters vermitteln, und Inaktivierungsmechanismen des Neurotransmitters (z. B. Rückaufnahmemechanismen und Abbauvorgänge) bekannt sind. So hat z. B. die Lokalisation eines Rezeptors Bedeutung für seine funktionelle Wirkung; ebenso ergibt sich eine differenzielle Wirkung, je nachdem, welcher Rezeptorsubtyp eines Neurotransmittersystems aktiviert wird. Darüber hinaus entfalten die einzelnen Pharmaka eine unterschiedlich starke Wirkung an den Komponenten eines Neurotransmittersystems. Die indirekte oder direkte Stimulation der Rezeptorsysteme führt auf der Ebene der intrazellulären Second-messenger-Systeme und der nachgeschalteten Genexpression zu einer Fülle von adaptativen Vorgängen, die man mit der antidepressiven Wirkung in Zusammenhang bringt. Zusätzlich stehen die verschiedenen Neurotransmittersysteme miteinander in funktionellen Beziehungen, so dass bei Beeinflussung eines Systems eine indirekte Wirkung auf ein zweites ausgeübt werden kann. Die Wirkung eines Medikaments hängt somit von einer Vielzahl von Faktoren ab. Den meisten bekannten AD ist eine Aktivierung eines oder mehrerer Neurotransmittersysteme gemeinsam. Dies geschieht entweder durch Hemmung der Rückaufnahme des Transmitters (am jeweiligen Trans-
1.2 · Wirkmechanismen
3
1
portermolekül) oder durch Hemmung eines abbauenden Enzyms (z. B. der Monoaminooxidase). Es gibt aber AD mit anderem zentralnervösen Angriffspunkt (z. B. Mirtazapin, Trimipramin). Bei manchen Substanzen ist der zentralnervöse Angriffspunkt noch weitgehend ungeklärt (z. B. Phytopharmaka). 5 Neue pharmakologische Ansätze antidepressiver Therapie stellen Corticotropin-releasing-Hormon-(CRH-)Rezeptor-1-Antagonisten dar. Diese Strategie leitet sich aus der Vielzahl von empirischen Befunden ab, die eine Hyperaktivität des hypothalamisch-hypophysär-adrenalen (HPA) Systems, das u. a. die Ausschüttung des Stresshormons Kortisol reguliert, bei depressiven Störungen annimmt. Auch der Einsatz von Kortisolsynthesehemmern liegt theoretisch hierin begründet. Eine weitere Strategie stellen Substanz-P-Antagonisten dar. Derzeit sind diese Ansätze klinisch noch nicht etabliert. 5 Nach wie vor besteht das Problem, dass bei allen verfügbaren medikamentösen Therapien der Depression die Wirkung nur sukzessive bei regelmäßiger Behandlung eintritt. Die Gründe für dieses Phänomen sind noch immer weitgehend unverstanden. Es werden komplexe Mechanismen der Adaptation von Signaltransduktionsmechanismen angenommen. Derzeit wird die Rolle von Neurotropinen und die Bedeutung der adulten Neuroneogenese für die Entstehung depressiver Episoden und der therapeutischen Beeinflussung intensiv untersucht. Besonders wichtig scheint die Neuroneogenese im Hippocampus zu sein. Einteilung der Antidepressiva nach dem primären Angriffspunkt im ZNS (. Tabelle 1.1) 5
Überwiegende oder selektive 5-HT-Rückaufnahmeinhibitoren – Clomipramin als TZA mit überwiegender 5-HT-Rückaufnahmeinhibitoren-Wirkung, – Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin, Sertralin als selektive Inhibitoren der 5-HT-Rückaufnahme (SSRI), – Venlafaxin als selektiver 5-HT- und NA-Rückaufnahmeinhibitor mit überwiegender 5-HT-Rückaufnahmehemmung. 5 Überwiegende oder selektive NA-Rückaufnahmeinhibitoren – TZA: Nortriptylin, Desipramin, Lofepramin und Reboxetin mit überwiegender NA-Rückaufnahmeinhibitoren-Wirkung, – Maprotilin als tetrazyklisches AD mit überwiegender NA-Rückaufnahmehemmung, – Viloxazin als AD, das seine Wirkung vermutlich über eine überwiegende NA-Rückaufnahmehemmung entfaltet, – Mianserin als NA-Rückaufnahmeinhibitor mit zusätzlich Histamin1-, 5-HT2- und α½-antagonistischen Effekten.
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4
. Tabelle 1.1. Übersicht der pharmakologischen Angriffspunkte von Antidepressiva mACh
H1
α1
α2
++
(+)
+++
0
++
0
++
0
0
(+)
0
NAT
MAO
5-HT2
Amitriptylin
++
++
0
++
+++
Amitriptylinoxid
++
++
0
++
++
Citalopram
+++
(+)
0
0
(+)
0
Clomipramin
+++
++
0
++
+
+
(+)
++
0
Desipramin
+
+++
0
+
+
+
(+)
+
0
Doxepin
+
++
0
+
+++
++
0
+++
0
Duloxetin
+++
++
0
(+)
(+)
0
+
(+)
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Escitalopram
+++
(+)
0
0
(+)
0
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(+)
0
Fluoxetin
+++
+
0
(+)
(+)
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(+)
(+)
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Fluvoxamin
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(+)
(+)
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Hypericum
+
+
0
?
?
?
?
?
?
Imipramin
+++
++
0
+
(+)
+
0
+
0
Maprotilin
0
++
0
++
+++
+
0
+
0
Milnacipran
++
++
0
0
0
0
0
0
0
Mirtazapin
0
0
0
0
+++
++
0
+
++
Moclobemid
0
0
++
0
0
0
0
0
0
Kapitel 1 · Antidepressiva
DA
5-HTT
α1
α2
5-HTT
NAT
MAO
mACh
H1
5-HT2
DA
Nortriptylin
+
+++
0
+
+
+
0
+
0
Paroxetin
+++
0
0
+
0
0
0
0
0
Reboxetin
0
+++
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0
0
0
0
0
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Sertralin
+++
0
0
0
0
0
0
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0
Tranylcypr.
0
+
+++
0
0
0
0
0
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Trimipramin
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++
+++
+
+
+++
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Venlafaxin
+++
++
0
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1.2 · Wirkmechanismen
. Tabelle 1.1. (Fortsetzung)
5-HTT 5-HT-Transporter; NAT NA-Transporter; MAO Monoaminooxidase. Blaue Markierung zeigt an, dass diese Strukturen für den antidepressiven Effekt verantwortlich gemacht werden; Fettdruck = TZA; Ausnahme Mirtazapin, Trimipramin s. S. 3. mACh Antagonismus an muskarinischen Azetylcholinrezeptoren, H1 Antagonismus an Histaminrezeptoren (Typ 1), 5-HT2 Antagonismus an 5-HT2-Rezeptoren, DA Antagonismus an DA-Rezeptoren, α1 Antagonismus an α1-Adrenorezeptoren, α2 Antagonismus an α1-Adrenorezeptoren, +++: stark wirksam, ++: wirksam, +: schwach wirksam, (+): sehr schwach wirksam 0: nicht wirksam Es sind nur die AD aufgelistet, die im Präparateteil ausführlich besprochen werden.
5
1
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Kapitel 1 · Antidepressiva
5
Kombinierte 5-HT- und NA-Rückaufnahmeinhibitoren – TZA: Amitriptylin, Amitriptylinoxid, Dibenzepin, Doxepin, Imipramin, – Milnacipran und Duloxetin als selektive kombinierte 5-HT- und NA-Rückaufnahmeinhibitoren. 5 Überwiegende oder selektive DA-Rückaufnahmeinhibitoren – Bupropion (in Deutschland zur Depressionsbehandlung nicht zugelassen). 5 Monoaminooxidasehemmer – Tranylcypromin als irreversibler nichtselektiver MAO-Hemmer (beeinflusst werden 5-HT und NA über die MAO-A, DA über die MAOB), – Moclobemid als reversibler selektiver Hemmer der MAO-A. 5 Andere Wirkmechanismen – Trimipramin: fehlende Monoaminrückaufnahmehemmung; antagonistische Eigenschaften an Histamin-, Azetylcholin-, 5-HT2-, DAund α1-adrenergen Rezeptoren – Trazodon: schwache 5-HT-Rückaufnahmehemmung; antagonistisch an 5-HT2- und α1-adrenergen Rezeptoren. – Mirtazapin: Verstärkung der serotonergen und noradrenergen Neurotransmission bei weitgehend fehlender Monoaminrückaufnahmehemmung; durch antagonistische Eigenschaften an 5-HT2-und 5HT3-Rezeptoren werden antidepressive Effekte wahrscheinlich über indirekte 5-HT1-Rezeptorstimulation vermittelt. – Phytopharmaka: Wirkmechanismus von Hypericum-Extrakten beruht nach bisherigen Untersuchungen auf einer insgesamt schwachen, aber etwa gleich stark ausgeprägten Rückaufnahmehemmung von 5-HT, NA und DA (Hyperforin) sowie MAO-Hemmung (Hypericin); entspricht damit keinem der bislang bekannten Präparate.
14
1.3
15
Die hier aufgeführten allgemeinen Therapieprinzipien beziehen sich auf den Einsatz von AD zur Behandlung von depressiven Störungen. Soweit sich in anderen Indikationen abweichende Empfehlungen ergeben, sind diese bei den jeweiligen Indikationen gesondert aufgeführt. 5 Grundsätzlich soll die Verordnung von AD im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplans erfolgen, der neben der medikamentösen Behandlung auch psycho- und soziotherapeutische Maßnahmen umfasst (7 Kap. 1.5).
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Allgemeine Therapieprinzipien
1.3 · Allgemeine Therapieprinzipien
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5
5
5
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1
Die Therapie sollte von Beginn an unter Berücksichtigung der Schwere und Art der aktuellen Symptomatik unter Vermittlung eines Krankheits- und Therapiekonzepts mit dem Patienten besprochen werden: – Therapiemotivation, – Vermittlung eines Krankheitskonzepts, – Förderung und Festigung der Compliance. Die Behandlung depressiver Störungen mit AD umfasst eine Akut- und Erhaltungstherapie, ggf. eine Rezidivprophylaxe (7 Kap. 1.11). Bei der Behandlung mit AD ist damit zu rechnen, dass sich erwünschte Therapieeffekte erst im Verlauf von 2–4 Wochen voll ausbilden. Typischerweise treten im Behandlungsverlauf zunächst Nebenwirkungen, danach erst der antidepressive Effekt auf. Darüber sollte der Patient informiert werden, um die Compliance zu sichern. Bei der Behandlung mit AD besteht kein Risiko einer Abhängigkeitsentwicklung. Dieser häufig vom Patienten geäußerten Befürchtung sollte der Arzt zur Compliancesicherung entgegentreten. Die Auswahl des AD erfolgt besonders nach: – dem früheren Ansprechen und Bevorzugung durch den Patienten, – dem Nebenwirkungsprofil und – dem Zielsyndrom. Prinzipiell ist zur besseren Steuerbarkeit eine Monotherapie mit einem AD anzustreben. Kombinationsbehandlungen sollten mit einem klaren Rationale erfolgen; sie beinhalten ein erhöhtes Risiko von pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Wechselwirkungen (7 Kap. 16). Behandlungsbeginn bei schwerer depressiver Episode möglichst frühzeitig (mögliche Eigen- oder Fremdgefährdung!). Bei akuter Suizidalität muss sofort ein AD und ggf. ein Benzodiazepin gegeben werden. Bei leichter bis mittelschwerer Symptomatik ist ein Aufschub für einige Tage zu Untersuchungsmaßnahmen, zur Diagnosesicherung und zur Vermittlung eines Therapiekonzepts vor Beginn der Medikation erwägenswert. Bei Non-Compliance sollte eine Diskussion mit dem Patienten über dessen Gründe für die Nichteinnahme mit gleichzeitiger erneuter Informationsvermittlung über die Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen; ggf. Umsetzversuch auf ein AD mit günstigerem Nebenwirkungsprofil. Bei der Erhaltungstherapie bzw. Rezidivprophylaxe sind folgende Nebenwirkungen für die Entwicklung von Non-Compliance von besonderer Bedeutung: – sexuelle Funktionsstörungen, – Gewichtszunahme, – Sedierung.
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Kapitel 1 · Antidepressiva
1.4
Indikationen
1.4.1
Depressive Störungen
Antidepressiva sind nosologieübergreifend wirksam. Die Vielfalt von Symptommustern, die bei depressiven Störungen auftreten können, führte zu Unterteilungen, die jeweils deskriptiv bestimmte Aspekte des depressiven Syndroms hervorheben, z. B. den Längsschnitt (unipolar-bipolar, Dysthymie, »recurrent brief depression«, »rapid cycling«), die aktuelle klinische Symptomatik (gehemmt, ängstlich-agitiert, atypisch, melancholischer Subtyp), den Schweregrad (leichte, mittelschwere, schwere depressive Episode, mit oder ohne psychotische Merkmale, Major Depression, Minor Depression) oder das Auftreten im Rahmen anderer Störungen (bei Schizophrenien, Alkoholabhängigkeit, Demenz). Depressive Episode (nach ICD-10)/Major depression (nach DSM-IV)
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Sie kann im Rahmen einer uni- oder bipolaren affektiven Störung auftreten und zeigt oft Merkmale des melancholischen Typs (entspricht dem früheren Konstrukt der endogenen Depression). 5 Bei schwerer Ausprägung sind SSRI wahrscheinlich etwas weniger wirksam im Vergleich zu Substanzen mit direkter Beeinflussung von mindestens 2 Monoaminsystemen (z. B. Mirtazapin, Venlafaxin, Clomipramin). Ein letzter Beweis liegt noch nicht vor. 5 Bei ängstlich-agitierter Ausprägung kann ein sedierendes AD (z. B. Mirtazapin, Amitriptylin) indiziert sein. Jedoch wirken auch nichtsedierende AD (z. B. SSRI und MAO-Hemmer) im Behandlungsverlauf angstreduzierend. Werden AD ohne sedierende Komponente eingesetzt, sollte bei Patienten mit Suizidtendenzen der Verlauf engmaschig beobachtet werden. 5 Bei psychomotorisch-gehemmter Ausprägung kann ein nichtsedierendes AD vorteilhaft sein. Dysthymie
Chronisch-depressives Syndrom, meist leichter bis mittelschwerer Ausprägung. 5 Die Wirksamkeit von AD in dieser Indikation ist gesichert. SSRI sind aufgrund ihrer Verträglichkeit besonders geeignet. Zu Amisulprid gibt es mehrere Studien, die eine positive Wirkung von niedrigsten Dosen (50 mg/Tag) bei Dysthymie zeigen. Eine ausreichend lange Behandlungsdauer (3–6 Monate) ist notwendig.
1.4 · Indikationen
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1
Chronische Major Depression/«double depression« (aktuelle Major Depression bei vorbestehender Dysthymie) 5
Die Ergebnisse einiger kontrollierter Studien besagen, dass auch chronische Formen von depressiven Störungen gut auf eine verschiedene AD ansprechen. Klassifikatorische Konzepte spielen für den Therapieerfolg eine untergeordnete Rolle. Die Kombination von AD und speziellen Psychotherapietechniken ist einer alleinigen Pharmako- bzw. Psychotherapie offenbar überlegen. In jedem Fall ist bei chronischen Verlaufsformen eine längerfristige Behandlung sinnvoll.
Atypische Depression
Depressives Syndrom mit erhaltener affektiver Modulationsfähigkeit, Hyperphagie/vermehrtem Appetit, vermehrtem Schlafbedürfnis, ausgeprägtem körperlichem Schweregefühl, Empfindlichkeit gegenüber Zurückweisungen. 5 Über bevorzugtes Ansprechen auf MAO-Hemmer und SSRI wird berichtet. Minor Depression
Depressives Syndrom mit ähnlicher Symptomatik wie Major Depression, aber mit geringerem Ausprägungsgrad (weniger Diagnosekriterien sind erfüllt). 5 Der Einsatz von AD (besonders von TZA) ist umstritten. SSRI scheinen bei guter Verträglichkeit wirksam zu sein. Rezidivierende kurze depressive Episoden (»recurrent brief depression« nach DSM-IV) 5
Bislang ist keine antidepressive Pharmakotherapie etabliert.
Rapid cycling (7 Kap. 2.4.2) Depressive Episode mit psychotischen Merkmalen (»wahnhafte Depression«) (7 Kap. 3.4.2 und 3.4.3) Depression bei schizophrenen Störungen (7 Kap. 3.4.4) Saisonal abhängige affektive Störung (SAD, Winterdepression)
Phasische Stimmungsschwankungen in Abhängigkeit von den Jahreszeiten (meist mit depressiven Episoden im Winter); oft atypische Symptomausprägung (Hypersomnie, Hyperphagie mit Kohlehydratheißhunger). 5 Eine serotonerge Dysfunktion wird postuliert; SSRI und MAO-Hemmer werden empfohlen.
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Kapitel 1 · Antidepressiva
5
Wiederholt wurde über Therapieerfolge mit Lichttherapie (s. u.) berichtet; die Wertigkeit dieser Behandlung wird kontrovers diskutiert, kann aber bei gesicherter Diagnose als nichtinvasives Verfahren versucht werden. 5 Eine pathophysiologische Rolle konnte Melatonin (7 Kap. 3.1) nicht zugeschrieben werden. Depression bei geriatrischen Patienten (7 Kap. 13)
Sie ist oft mit körperlichen Erkrankungen assoziiert; kann den Beginn einer Demenz anzeigen oder als »depressive Pseudodemenz« durch kognitiv-mnestische Defizite imponieren. 5 SSRI sind generell sicherer und besser verträglich als TZA; gute Verträglichkeit auch von Mirtazapin, Reboxetin und Venlafaxin. 5 Die Behandlung mit TZA im Alter ist besonders risikoreich (arrhythmogene Wirkung) und sollte vermieden werden. Wird dennoch ein TZA gewählt, sind sekundäre Amine (Nortriptylin, Desipramin) wegen besserer Verträglichkeit zu bevorzugen (weniger anticholinerge und α1-antagonistische Wirkungen). Es sind niedrige Anfangsdosen und langsame Dosissteigerung zu empfehlen; bei ausgeprägten Nebenwirkungen sind die Plasmakonzentrationen zu bestimmen. ! Anticholinerge zentralnervöse Nebenwirkungen (Delir, Verwirrtheits-
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und Desorientiertheitszustände) sind auch bei üblichen TZA-Dosen möglich.
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! Bei MAO-Hemmern orthostatische Hypotonie (Sturzgefahr mit dem
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Risiko von Schenkelhalsfrakturen) möglich; mangelnde Compliance mit diätetischen Maßnahmen. Depression bei kardiovaskulären Erkrankungen
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Eine Reihe von Studien zeigen, dass depressive Störungen die Prognose kardiovaskulärer Erkrankungen verschlechtern, und insbesondere beim Myokardinfarkt als mortalitätserhöhender Faktor zu werten sind. 5 Hingegen bessert eine erfolgreiche antidepressive Therapie mit SSRI die Prognose in relevantem Ausmaß. Es wird zurzeit geprüft, ob auch Patienten direkt nach einem Infarkt von einer antidepressiven Therapie profitieren. Dosulepin scheint aber das Risiko einer Myokardischämie zu erhöhen. (Risiko von TZA 7 Kap. 1.6) »Post-stroke-Depression«
Depressive Symptome nach zerebralen Ischämien sind häufig (bei ca. 20% der Patienten im Verlauf von 3–6 Monaten nach cerebraler Ischämie) und verschlechtern in vielen Fällen Prognose und Rehabilitationserfolge.
1.4 · Indikationen
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AD sind auch in dieser Indikation wirksam. Akute Therapie mit AD führt zudem langfristig zu einer deutlichen Senkung der Sterblichkeit.
Depression bei anderen körperlichen Erkrankungen 5
Depressive Störungen stellen einen behandlungsbedürftigen und prognostisch relevanten Komplikationsfaktor bei körperlichen Erkrankungen dar, weil eine begleitende Depression die Prognose der körperlichen Erkrankung verschlechtert. Es gilt als gesichert, dass die Behandlung depressiver Syndrome bei somatischen Erkrankungen einen signifikanten Vorteil gegenüber einer Placebobehandlung oder fehlender Behandlung darstellt.
Andere Medikamente und Verfahren zur Depressionsbehandlung Benzodiazepine 5
Es gibt keine Belege für eine spezifische antidepressive Wirkung von Benzodiazepinen. Zum kurzfristigen Einsatz in Kombination mit AD sind sie bei starker Unruhe, Angst, Suizidalität und Panikattacken gut geeignet. Nach 2–6 Wochen sollten sie langsam ausschleichend abgesetzt werden. 5 Feste Kombinationen von AD und Benzodiazepinen sind nicht sinnvoll. 5 Bei stark gehemmt-depressiven Patienten mit Stupor und Mutismus: Lorazepam (7 Kap. 12.5). Antipsychotika 5
Konventionelle Antipsychotika können aufgrund des höheren Nebenwirkungsrisikos nicht empfohlen werden; dies gilt besonders auch für Depotpräparate (7 Kap. 3.11.1). 5 Zur Wirkung von Amisulprid bei Dysthymie 7 Kap. 3.4.4. Andere atypische Antipsychotika haben in kleinen Studien antidepressive Effekte gezeigt, ihr Einsatz als Mittel der ersten Wahl kann bei depressiven Störungen noch nicht befürwortet werden. Ihre Eignung als Add-on-Therapie wird derzeit untersucht. Atypische Antipsychotika haben aber bei depressiven Störungen im Rahmen schizophrener und schizoaffektiver Störungen einen wichtigen Stellenwert (7 Kap. 3.4.3 und 3.4.4). Hormone 5
Schilddrüsenhormone sind als Monotherapie in der Regel keine Therapieoption der ersten Wahl. Einsatz am ehesten als Zusatztherapie (»Augmentation«) bei Therapieresistenz (7 Kap. 1.12). 5 Ein erfolgversprechender Einsatz von Östrogenen (17β-Östradiol; 100 µg) ist am ehesten bei Frauen in der Menopause sinnvoll. Frauen
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mit bekannter postpartaler Depression sind offenbar sensitiv für psychotrope Effekte von Östrogenen und Gestagenen. Der Einsatz einer Östrogensubstitution als Augmentationsstrategie ist bei diesen Patientinnen erwägenswert, als Monotherapie aber meist nicht ausreichend. Allerdings muss auf die laufende Diskussion über das erhöhte Risiko des Einsatzes von Hormonen bei der Frau hingewiesen werden. Ein Einsatz käme nur in enger Zusammenarbeit mit dem Gynäkologen in Frage. Testosteron zur Stimmungsregulation ist weiter sehr umstritten und kann derzeit bei Männern wegen der Gefahr der Induktion manischer Symptome und der Gefahr des Zellwachstums (besonders Prostatakarzinom) nicht empfohlen werden.
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Schlafentzug 5
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Kapitel 1 · Antidepressiva
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Bei vielen Patienten sinnvolle Zusatztherapie zur Gabe von AD. Der Effekt ist unmittelbar am Folgetag beobachtbar; er hält allerdings meist nur kurzfristig an. Behandlung meist in Serien (1- bis 2-mal pro Woche). Patienten wachen entweder die ganze Nacht oder die zweite Nachthälfte durch. Durchführung in Gruppen erleichtert das Wachbleiben. Aufsicht durch geschultes Pflegepersonal. Während der Schlafentzugsnacht darf keine (auch nicht vorübergehende) Schlafperiode eintreten. Zur Erhaltung des Schlafentzugeffektes kann eine Schlafphasenvorverlagerung sinnvoll sein. Hierbei wird versucht, den gestörten SchlafWach-Rhythmus im Anschluss an einen kompletten Schlafentzug durch stundenweise Vorverlagerung der Schlafphase im Verlauf von einer Woche wieder zu normalisieren.
Elektrokrampfbehandlung (EKB)
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Behandlungsverfahren, dessen Wirksamkeit und Verträglichkeit bei sachgemäßer Durchführung gut belegt ist (die Entstehung struktureller zerebraler Läsionen wurde bei sachgemäßer Anwendung nicht beobachtet); in bestimmten Indikationen (therapieresistente Depression) alleiniger Pharmakotherapie überlegen. Eine Stellungnahme der Bundesärztekammer zur EKT findet sich unter: http://www.aerzteblatt.de/ v4/archiv/artikel.asp?id=35741. 5 Der Vorteil der EKB liegt im raschen Therapieerfolg. 5 Wichtigste Indikationen: schwere gehemmte Depression (auch mit Suizidalität), Depression mit psychotischen Merkmalen, therapieresistente Depression; Schizophrenie 7 Kap. 3.13.4. 5 EKB wird mit Applikation von Kurzpulsstimuli in Kurzzeitvollnarkose und Muskelrelaxation durchgeführt.
1.4 · Indikationen
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Gefahren und Nebenwirkungen: Anästhesierisiko, kognitiv-amnestische Störungen (meist passager). Unilaterale Stimulation über der rechten Hemisphäre zu Behandlungsbeginn ist zu bevorzugen (weniger mnestische Störungen), begleitend EEG-Ableitung sinnvoll. Bei unilateraler Stimulation ist für die wirksame Behandlung mindestens die 2,5-fache Ladung der Krampfschwelle notwendig. Bei bitemporaler Stimulation reicht die einfache Auslösung eines generalisierten Krampfanfalles meist aus. Für die bitemporale Behandlung wurden schnellerer Wirkeintritt und/oder bessere Wirksamkeit beschrieben. Behandlung in Serien von 6–12 Sitzungen an nicht aufeinander folgenden Tagen (z. B. Montag, Mittwoch, Freitag). Meist ist eine Erhöhung der Ladung im Behandlungsverlauf wegen steigender Krampfschwelle notwendig. Nach erfolgreicher Behandlung Erhaltungstherapie mit AD notwendig (Vorteile für Paroxetin wurden beschrieben; in einer weiteren Studie war die Kombination aus Nortriptylin und Lithium der alleinigen Gabe von Nortriptylin in der Erhaltungstherapie überlegen), da sonst hohe Rückfallquoten zu befürchten sind; Erfahrungen aus kontrollierten Untersuchungen mit EKB als Erhaltungstherapie sind noch gering. Durchführung der EKB bevorzugt stationär.
! Benzodiazepine und Antikonvulsiva sollten vor der EKB abgesetzt
werden. Vorsicht ist geboten bei gleichzeitiger Gabe von Lithium, Clozapin und Bupropion (Verlängerung der Krampfaktivität) sowie Tranylcypromin (Narkoserisiko). Lichttherapie 5
Nichtinvasives, nebenwirkungsarmes Therapieverfahren, bei dem die Patienten täglich einer Lichtquelle mit artifiziellem weißen Licht ausgesetzt werden. 5 Der Wirkmechanismus ist noch ungeklärt; es wird eine Normalisierung (»phase advance«) von zirkadianen Rhythmen, die in der Depression verzögert sein sollen, postuliert. 5 In den letzten Jahren wurden mehrere kontrollierte Studien durchgeführt, die eine antidepressive Wirkung der Lichttherapie bei saisonaler Verlaufsform der Depression belegen. 5 Durchführung: je nach Stärke der künstlichen Lichtquelle erfolgt eine Exposition über 30–120 min täglich (bei 10000 Lux 30 min, bei 2500– 6000 Lux 60–120 min), bevorzugt morgens zwischen 6 und 8 Uhr, über 1–4 Wochen.
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Repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) 5
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Nach operativer Implantation eines Schrittmachers, der an den linken N. vagus angeschlossen wird, erfolgt eine intermittierende repetitive Stimulation, die über Mittelhirnstrukturen zu limbischen und kortikalen Arealen geleitet werden soll. Es liegen erste erfolgversprechende Ergebnisse bei therapieresistenten Depressionen vor.
Bewegungstherapie 5
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Nichtinvasives Verfahren, bei dem kortikale Neurone mit kurzdauernden Magnetfeldern hoher Intensität stimuliert werden. Die bisherigen Ergebnisse deuten darauf hin, dass repetitive Stimulationen des (bevorzugt linken) präfrontalen Kortex antidepressive Wirkungen haben können. Im Vergleich zur EKT scheinen die Effekte der bislang angewandten Verfahren deutlich schwächer zu sein.
Stimulation des Nervus vagus
5
7
Kapitel 1 · Antidepressiva
Es gibt eine Reihe neuer Befunde, die einen genuinen antidepressiven Effekt für regelmäßige körperliche Aktivitätsprogramme beschreiben.
1.4.2
Panikstörung mit/ohne Agoraphobie
Die Panikstörung ist gekennzeichnet durch rezidivierende paroxysmal auftretende Angstzustände mit vegetativen Begleitsymptomen (Herzklopfen, Atemnot, Schwindel, Übelkeit); initial oft unerwartet (spontan), später auch durch angstvoll besetzte Situationen auslösbar. Oft Ausbildung eines Vermeidungsverhaltens/Agoraphobie. 5 Antidepressiva sind bei der medikamentösen Behandlung der Panikstörung zu bevorzugen, zumal oft auch depressive Störungsbilder parallel vorhanden sind. Besonders gut untersucht sind: Imipramin, Clomipramin, SSRI, irreversible MAO-Hemmer. Wegen der guten Verträglichkeit bieten sich besonders SSRI als erste Wahl an. 5 Benzodiazepine (z. B. Alprazolam, Clonazepam, Lorazepam) haben den Vorteil eines schnellen Wirkungseintritts; der Nachteil liegt bei langfristiger Anwendung in der Gefahr einer Abhängigkeitsentwicklung. 5 Die (kognitive) Verhaltenstherapie zeigt in dieser Indikation eine gut belegte Wirksamkeit, besonders bei sachgerechtem Einsatz von Expositions- und Konfrontationsübungen. Ihr Vorteil liegt in der aktiven Teilnahme, dem Erlernen der Selbstexposition und den oft anhaltenden Effekten, auch nach Abschluss der Akuttherapie. Da nach Absetzen der AD das Risiko für einen Rückfall erhöht ist, ist zumindest im Rahmen einer Erhaltungstherapie eine VT vorrangig indiziert.
1.4 · Indikationen
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Bei der Panikstörung sollte schon vor Beginn der Akutbehandlung abgewogen werden, ob der Patient auch längerfristig zu der gewählten Therapieform steht. Es ist heute davon auszugehen, dass die Panikstörung eine chronische Erkrankung ist, so dass eine längerfristige, zumindest 1- bis 2-jährige Behandlung notwendig werden kann. Die Dosierung sollte langsam einschleichend erfolgen. Empfohlene Initialdosen pro Tag: Citalopram 10 mg, Escitalopram 5 mg, Fluoxetin 5–10 mg, Fluvoxamin 50 mg, Paroxetin 10 mg, Sertralin 25 mg; Zieldosis: Citalopram 20–40 mg, Escitalopram 5–10 mg Fluoxetin 20 mg, Fluvoxamin 150 mg, Paroxetin 20–40 mg, Sertralin 50–100 mg. Bei Clomipramin können Tagesdosen von 30–60 mg ausreichen. Zugelassen sind: Citalopram, Escitalopram, Paroxetin und Clomipramin. Da zunächst mit unerwünschten Wirkungen und erst später nach 2–4 Wochen mit dem Therapieeffekt gerechnet wird, muss der Patient hierüber informiert werden, um die Compliance zu sichern. Bei Panikstörung ist bei einer Therapie mit AD mit einer allmählichen Ausbildung der therapeutischen Effekte im Verlauf von 2–4 Wochen zu rechnen. Bei schwerer Panikstörung kann eine überlappende Behandlung mit Benzodiazepinen indiziert sein (Beginn mit beiden Substanzklassen, nach 2–4 Wochen Ausschleichen des Benzodiazepins). Derzeit sind zur Behandlungsdauer keine allgemeinen Empfehlungen möglich. In der Regel wird die Fortführung der Gabe des erfolgreichen AD über 1–2 Jahre empfohlen. Für Imipramin konnte gezeigt werden, dass die Rückfallrate nach Absetzen der Medikation dann niedriger ist, wenn zuvor eine 18-monatige statt einer 6-monatigen Erhaltungstherapie durchgeführt wurde. Bei Weiterführung der Erhaltungstherapie mit AD wird in einem hohen Prozentsatz der Behandlungserfolg beibehalten. Nicht empfehlenswert sind β-Blocker und Depotantipsychotika.
1.4.3
Generalisierte Angststörung
Die generalisierte Angststörung ist gekennzeichnet durch unrealistische oder übertriebene Angst und Besorgnis über Belange des Alltags (Beruf, Finanzen, Angehörige und Partner); damit verbunden Hypervigilanz, vegetative Übererregbarkeit, erhöhte Aufmerksamkeit, motorische Anspannung; die Symptome sind oft chronisch mit fluktuierender Intensität. 5 Antidepressiva wie Imipramin, Paroxetin, Venlafaxin waren in kontrollierten Studien wirksam; zugelassen sind Paroxetin und Venlafaxin. Langsamer Wirkungseintritt innerhalb von 2–4 Wochen; bevorzugt sprechen psychische Symptome der Angststörung auf AD an (chroni-
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Kapitel 1 · Antidepressiva
sche Besorgtheit, Anspannung, Grübelneigung, Ängste im interpersonellen Bereich). Die Dosierung erfolgt wie bei der Behandlung depressiver Störungen. Buspiron ist als nichtsedierendes Anxiolytikum wirksam; langsamer Wirkungseintritt wie AD. Benzodiazepine zeigen bei raschem Wirkungseintritt (wichtig bei Krisenintervention) bevorzugtes Ansprechen bei somatischen Angstsymptomen; bei längerfristigem Einsatz muss das Abhängigkeitsrisiko gegen die gute Wirksamkeit sorgfältig abgewogen werden (7 Kap. 4.3.). Wegen des chronischen Charakters der Störung und der meist guten Verträglichkeit der Substanzen sind Paroxetin und Venlafaxin den Benzodiazepinen vorzuziehen, obwohl Benzodiazepine schneller wirksam sind. Es ist von der Notwendigkeit einer längerfristigen Behandlung (1– 2 Jahre) auszugehen; somit würde sich sich das Problem einer Abhängigkeitsentwicklung bei einer Benzodiazepinentherapie stellen. Psychotherapeutische Verfahren scheinen wirksam zur Bearbeitung von ängstlich-dysfunktionalen Kognitionen zu sein. Eine begleitende Psychotherapie ist daher sinnvoll. Nicht indiziert sind Antipsychotika, weil es risikoärmere Behandlungsalternativen gibt.
1.4.4
Phobische Störungen
5
15
Soziale Phobie: Mehrere Studien haben die Wirksamkeit von MAOHemmern bei der generalisierten Form der sozialen Phobie gezeigt (zugelassen: Moclobemid). Wirksam sind auch Benzodiazepine (z. B. Clonazepam, 7 Kap. 4.3) und SSRI (zugelassen sind: Paroxetin, Sertralin). Wegen des günstigen Wirkungs-/Nebenwirkungsprofils sind SSRI Mittel der ersten Wahl. Bei umschriebenen Formen der sozialen Phobie (»performance anxiety«) können β-Blocker helfen. Expositiontherapie und kognitive Verfahren sind allein und in Kombination mit AD gut wirksam. 5 Einfache Phobie: in erster Linie Indikation für eine Verhaltenstherapie. 5 Agoraphobie im eigentlichen Sinne tritt häufig zusammen mit Panikattacken auf; dann Behandlung wie bei Panikstörung.
16
1.4.5
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Eine Zwangsstörung ist gekennzeichnet durch wiederkehrende, oft als unsinnig oder quälend erlebte Zwangsgedanken und/oder -handlungen. Sie betrifft besonders aggressive, religiös-blasphemische, sexuelle Gedankeninhalte; ferner Themen der Symmetrie, Kontamination und des Hor-
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Zwangsstörung
1.4 · Indikationen
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1
tens. Zwangshandlungen umfassen Kontroll-, Ordnungs-, Zähl-, Wiederholungs-, Reinigungs- und Sammelzwänge. Es ist empfehlenswert die Diagnostik mit der Y-Bocs-Skala zu stützen. 5 Überzeugende Wirksamkeitsnachweise sind für AD mit überwiegender oder selektiver 5-HT-Rückaufnahmehemmung mit Clomipramin bzw. Citalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin, Sertralin vorhanden (zugelassen sind Fluvoxamin und Paroxetin). Da inzwischen gezeigt werden konnte, dass kein Unterschied in der Wirksamkeit zwischen Clomipramin und den SSRI besteht, gelten SSRI aufgrund der geringeren Nebenwirkungen als Mittel der ersten Wahl. In einer ersten großen Studie ist auch für Venlafaxin eine Wirksamkeit gezeigt worden. – Es sind oft höhere Dosen als zur Depressionsbehandlung notwendig. – Der Therapieerfolg stellt sich oft erst nach 2–3 Monaten ein. – Meist wird nur eine graduelle Besserung von 40–50% erreicht. – Ein Absetzen der AD ist mit einer Rückfallquote von ca. 80% behaftet. 5 Eine Indikation für eine alleinige medikamentöse Therapie ist dann gegeben, wenn eine Motivation für eine Verhaltenstherapie nicht besteht oder die Wartezeiten dafür zu lang sind. 5 Eine Indikation für eine Kombination von medikamentöser Therapie und (kognitiver)Verhaltenstherapie ist besonders in der akuten Phase gegeben bei: – Vorherrschen von Zwangsgedanken (im Vergleich zu Zwangshandlungen), – Komorbidität mit einer Depression. 5 Bei Therapieerfolg mit AD ist eine längerfristige medikamentöse Erhaltungstherapie (mindestens 18 Monaten, oft über viele Jahre) erforderlich; Absetzversuche sollten langsam ausschleichend erfolgen. Eine Verhaltenstherapie kann einen erreichten Erfolg in der Regel auch ohne Antidepressiva dauerhaft erhalten. Deswegen sollte vor einem geplanten Absetzversuch der AD erwogen werden, ob die bestehende Verhaltenstherapie weiter allein fortgesetzt wird oder aber spätestens zu diesem Zeitpunkt angesetzt wird. 5 Bei Therapieresistenz zeigen erste Studien mit einer Add-on-Therapie von SSRI plus Risperidon 0,5–3 mg (auch in einer ersten Studie mit Quetiapin) gute Ergebnisse. Positive Berichte gibt es über die Kombination SSRI plus Lithium oder Buspiron. Benzodiazepine sind in der Regel nicht wirksam; allerdings gibt es eine positive Studie mit Clonazepam. In einer kleinen kontrollierten Studie bei Clomipram-Nonrespondern war Clomipramin i.v. in 14 Infusionen, beginnend mit 25 mg auf-
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Kapitel 1 · Antidepressiva
steigend bis 250 mg signifikant besser als Placebo. In einer großen kontrollierten Studie war bei SSRI-Nonrespondern das Umsetzen auf einen anderen SSRI (Paroxetin) wirksamer als das Umsetzen auf Venlafaxin. 1.4.6
Posttraumatische Belastungsstörung (PTSD)
Die PTSD ist ein Störungsbild, das sich in der Regel innerhalb von 6 Monaten nach einem traumatisierenden Ereignis von außergewöhnlicher Schwere entwickelt und sich in wiederholten unausweichlichen Erinnerungen oder Wiederinszenierungen des Ereignisses in Gedächtnis, Tagträumen oder Träumen äußert, die von starker Angst oder einem Gefühl der Hilflosigkeit geprägt sind. Dabei entwickeln sich häufig emotionaler und sozialer Rückzug, Gefühlsabstumpfung, Vermeidungsverhalten bezüglich an das Trauma erinnernder Stimuli, anhaltende Hypervigilanz, Schlafstörungen und kognitive Verzerrungen. 5 Empfehlenswert ist eine Kombination aus kognitiver Verhaltenstherapie und SSRI. 5 Die meisten positiven Ergebnisse gibt es zu Paroxetin und Sertralin (zugelassen: Paroxetin) Mit niedriger Dosis beginnen, dann mindestens 8 Wochen (eher hohe) Erhaltungsdosis. Unter SSRI manchmal gehäufte Alpträume. Es gibt Empfehlungen zu 1- bis 2-jähriger längerfristigen Behandlung. Es gibt Studien mit positiven Ergebnissen zu Mirtazapin und Venlafaxin (aber nicht zugelassen). 5 Es gibt keine Indikation für eine Monotherapie mit Benzodiazepinen. 1.4.7
Somatoforme Störungen
Der Begriff umfasst je nach Diagnosesystem verschiedene Störungsbilder (ICD-10: z. B. Somatisierungsstörung, undifferenzierte somatofome Störung, somatoforme autonome Funktionsstörung, hypochondrische Störung, somatoforme Schmerzstörung, DSM-IV: zusätzlich Konversionsstörung und Dysmorphophobie), bei denen körperliche Beschwerden im Vordergrund stehen, für die keine (ausreichende) organische Erklärung gefunden wird. Zur Beschreibung des Beschwerdekomplexes wurden bisher verschiedenste Begriffe verwandt: z. B. psychosomatische, psychogene oder funktionelle Beschwerden, vegetative Dystonie oder Dysregulation, Hysterie, nervöse Beschwerden, Psychoneurose. 5 Trotz hoher Prävalenz der Störungsgruppe sind methodisch einwandfreie Studien zur medikamentösen Therapie kaum vorhanden. Therapieempfehlungen beruhen zumeist auf Beobachtungen aus Studien mit affektiven oder psychotischen Störungen und Angstsyndromen, jeweils mit begleitenden somatischen Symptomen.
1.4 · Indikationen
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1
5 5
Erste Therapieoption sind psychotherapeutische Interventionen. Bei depressiven Störungen mit somatischen Symptomen sind AD oft wirksam. 5 Häufig bestehende Begleitsymptome wie Anspannung oder Angst rechtfertigen einen vorübergehenden Einsatz von Benzodiazepinen. Zur längerfristigen Behandlung sollten aber AD oder Opipramol vorgezogen werden. 5 Für die Dysmorphophobie (körperdysmorphe Störung nach DSM IV) wird über Behandlungserfolge unter SSRI berichtet. In einer Studie war Fluoxetin Placebo überlegen, besonders bei körperbezogenem Wahn. ! Problematisch ist der immer noch verbreitete langfristige Einsatz von
Depotantipsychotika (z. B. Fluspirilen) mit dem Risiko von Spätdyskinesien. Auch für Fluspirilen fehlen kontrollierte Studien zu operationalisiert definierten somatoformen Störungen.
1.4.8 5
5
5 5 5 5
Schmerzsyndrome
Antidepressiva können erfolgreich zur symptomatischen Behandlung chronischer Schmerzzustände unterschiedlicher Ätiologie eingesetzt werden; die gleichzeitige Gabe von Analgetika kann oft reduziert werden. Mögliche Indikationen sind Schmerzsyndrome bei Krebserkrankungen, Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, Kopfschmerzen, Lumbalgien, Polyneuropathien (z. B. diabetisch), neuralgiforme Schmerzen (Postzosterneuralgie, Trigeminusneuralgie) und Thalamusschmerz. AD selbst zeigen keine Toleranzentwicklung und besitzen kein Abhängigkeitspotenzial. Antinozizeptiver Effekt scheint bei allen AD vorhanden zu sein; am besten untersucht sind Clomipramin, Amitriptylin, Doxepin und SSRI. TZA sowie neuere Substanzen mit kombinierter serotonerger und noradrenerger Wirkung sind aber nach bisheriger Datenlage tendenziell besser wirksam als SSRI, vermutlich deshalb, weil beide Neurotransmittersysteme interaktiv über Interneurone in die deszendierende zentrale Hemmung der Schmerzleitung eingebunden sind. Oft sind bereits relativ niedrige Dosen wirksam (z. B. 50–75 mg eines TZA). Der antinozizeptive Effekt scheint von antidepressiver Wirkung weitgehend unabhängig zu sein. Bei Kopfschmerzen vom Spannungstyp sind AD in niedriger bis mittelhoher Dosierung wirksam. In der Rezidivprophylaxe der Migräne sind neben β-Adrenorezeptorantagonisten (Propranolol, Metoprolol), Valproat, Kalziumantagonis-
20
ten und 5-HT-Antagonisten auch AD mit gutem Erfolg eingesetzt worden (Amitriptylin, SSRI). Sie sind besonders bei parallelen depressiven oder ängstlichen Störungsbildern zu erwägen.
1 2
! Der Einsatz von SSRI könnte theoretisch den Einsatz von 5-HT-Agonis-
ten (etwa von Triptanen wie Sumatriptan, Zolmitriptan, Naratriptan, Rizatriptan) in der Akutbehandlung des Migräneanfalles wegen der Gefahr eines zentralen Serotoninsyndroms einschränken.
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Kapitel 1 · Antidepressiva
Fibromyalgiesyndrom: chronische (über mindestens 3 Monate anhaltende) polytope Schmerzen oder Steifheit im Stütz- und Bewegungssystem sowie druckschmerzhafte Muskelansätze an typischen Stellen (»tender points«), wobei definierte Kontrollpunkte nicht schmerzhaft sein dürfen. Zusätzlich treten oft Kopfschmerzen, Erschöpfbarkeit, Schlafstörungen, neuropsychiatrische Symptome, gastrointestinale Beschwerden, andere vegetative Symptome (Zyanose der Akren, Dermographismus) oder Schwellungsgefühl an Händen und Füßen auf. Die Ursache ist nicht geklärt. Häufig findet sich eine depressive Symptomatik. Über Behandlungserfolge mit TZA (Amitriptylin, Imipramin oder Clomipramin) in niedrigen Dosen bis 75 mg/Tag sowie von SSRI (Fluoxetin, Citalopram) wird berichtet.
10
1.4.9
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Das Chronic-Fatigue-Syndrom ist ein diagnostisch unscharfes Krankheitsbild mit chronischer (mindestens 6 Monate) übermäßiger körperlicher und geistiger Erschöpfbarkeit, begleitet von einer Vielzahl unspezifischer Symptome wie Hals-, Muskel-, Kopf- und Gelenkschmerzen, leichter Temperaturerhöhung, Frösteln, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen oder schmerzhaften Lymphknoten. Die Ursache ist unbekannt; objektivierbare Parameter für die Diagnose gibt es bislang nicht. Es besteht Ähnlichkeit zum Krankheitskonzept der Neurasthenie. Betroffene Patienten leiden oft an depressiven oder somatoformen Störungen sowie Angsterkrankungen. 5 Über Behandlungserfolge mit niedrigen Dosen von TZA (bis 75 mg/ Tag) und SSRI wird berichtet.
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Chronic-Fatigue-Syndrom
1.4.10 Prämenstruell-dysphorisches Syndrom (PMDS)
17
Das prämenstruell-dysphorische Syndrom zeigt körperliche und psychische Symptome, die zyklusgebunden während der späten Lutealphase auftreten und die Patientinnnen erheblich beeinträchtigen; Kardinalsymp-
1.4 · Indikationen
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1
tome sind Irritabilität und Dysphorie, ferner Anspannung, Schlafstörungen, vermehrter Hunger nach Kohlehydraten, Spannungsgefühl der Brüste, Wassereinlagerung, Gelenk- und Muskelschmerzen. 5 Die Wirksamkeit von überwiegenden 5-HT-Rückaufnahmeinhibitoren oder SSRI ist in vielen Studien belegt. Sertralin war in einer großen Studie dem NA-Rückaufnahmehemmer Desipramin überlegen. 5 AD können als Dauertherapie und als intermittierende Gabe (in der Lutealphase bis zum Ende der Menstruation) angewandt werden. Die Wirkung wird meist schon im ersten Zyklus gesehen, bereits niedrige Dosen sind wirksam. 5 Besonders bei intermittierender Gabe entsteht kein Wirkungsverlust bei längerfristiger Therapie (über mehr als 6 Zyklen); nach Absetzen der Medikation gibt es häufig Rezidive. 1.4.11 Entzugssyndrome verschiedener Substanzgruppen und Rezidivprophylaxe der Alkoholabhängigkeit AD werden in der klinischen Praxis auch bei der Behandlung von Entzugssyndromen eingesetzt. 5 Bei der Alkoholabhängigkeit kann bei nur leichten Entzugssyndromen Doxepin verordnet werden (7 Kap. 7.3). Bei mittelschweren oder schweren Entzugssyndromen oder bei Krampfanfällen in der Anamnese ist die alleinige Gabe eines AD nicht ausreichend. 5 Bei der Rezidivprophylaxe einer Alkoholabhängigkeit nach erfolgter Entgiftung scheinen AD bei Patienten mit komorbiden ängstlich-depressiven Störungen die Rückfallhäufigkeit zu verringern. Bei überwiegend ängstlichen Patienten wurde auch über Erfolge mit Buspiron berichtet. Zur alleinigen Rückfallprophylaxe sind AD nach dem jetzigen Wissensstand nicht geeignet. 5 Bei einer Benzodiazepinabhängigkeit können AD (7 Kap. 4.6.3) adjuvant hilfreich sein. 5 Bei einer Abhängigkeit von Stimulanzien (Kokain, Amphetamine, Ecstacy, 7 Kap. 7.2.4 und 7.2.5) können AD das oft auftretende depressive Syndrom im Rahmen eines Entzugssyndroms günstig beeinflussen. 1.4.12 Essstörungen 5
Bei Anorexia nervosa liegen keine überzeugenden Wirksamkeitsnachweise von AD vor (7 Kap. 9.2.1). 5 Bei Bulimie ist eine Wirksamkeit von mehreren AD gezeigt. Fluoxetin ist zugelassen (7 Kap. 9.2.2).
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1
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Kapitel 1 · Antidepressiva
Bei der "Binge-eating-Störung« ist gibt es mehrere Studien, die für eine Wirksamkeit von AD sprechen (7 Kap. 9.2.3).
2
1.4.13 Schlafstörungen (7 Kap. 5, für Hypersomnien 7 Kap. 10)
3
Schlafstörungen treten häufig im Rahmen einer Depression auf und bessern sich i. d. R. unter einer erfolgreichen antidepressiven Therapie. 5 AD mit antihistaminischen und 5-HT2-antagonistischen Wirkungen können auch direkt zur Schlafinduktion eingesetzt werden (Amitriptylin, Doxepin, Maprotilin, Mirtazapin, Trimipramin). Sedierende AD können als schlaffördernde Medikation auch zusätzlich bei einer antidepressiven Therapie gegeben werden.
4 5 6
! Mögliche Interaktionen, besonders mit SSRI, die zu Wirkungsverstär-
kungen (auch unerwünschter Effekte) führen können.
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Indikation v. a. bei abhängigkeitsgefährdeten Patienten mit Schlafstörungen. 5 Dosis: TZA 25–50 mg, evtl. bis 100 mg; Mirtazapin 7,5–15 mg abends. 1.4.14 Persönlichkeitsstörungen
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Bei depressiven und auch anderen Störungen i. R. von Persönlichkeitsstörungen, so bei Borderline-Persönlichkeitsstörungen gibt es immer mehr Ansätze, die für eine Wirksamkeit von AD sprechen (7 Kap. 11.3.2).
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Antidepressiva und Psychotherapie
Jedes Psychopharmakon sollte im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplans verordnet werden. Neben der antidepressiven Pharmakotherapie sind bei allen Patienten individuelle Faktoren, die zur Genese oder Aufrechterhaltung der Symptomatik beitragen, zu beachten und ggf. psychotherapeutisch zu behandeln (z. B. Partnerkonflikte, berufliche oder finanzielle Belastungen). 5 Generell ergeben klinische Beobachtungen und zunehmend auch Studien den Eindruck, dass eine Kombination aus kognitiver Verhaltenstherapie und AD einen synergistischen Behandlungseffekt haben. 5 Befindet sich ein Patient in psychotherapeutischer Betreuung – mit oder ohne AD – und kommt es zu einer vorübergehenden Verschlimmerung oder gar Suizidalität, kann im Bedarfsfall ein Benzodiazepin bereit gehalten werden. Es besteht i. d. R. keine absolute Kontraindika-
1.5 · Antidepressiva und Psychotherapie
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1
tion, auch im Rahmen einer längerfristigen Verhaltenstherapie, Benzodiazepine vorübergehend zu verordnen. Eine Ausnahme ist der Konfrontationsversuch bei einer Verhaltenstherapie. Psychotherapeutische Verfahren zur Depressionsbehandlung
Die Bedeutung einzelner psychotherapeutischer Verfahren zur Depressionsbehandlung kann nicht ausführlich dargestellt werden. Es werden aber prinzipielle Gesichtspunkte erwähnt. 5 Die empirische Validierung von psychotherapeutischen Behandlungsverfahren wurde intensiviert. Für folgende Psychotherapieverfahren wurden in methodisch guten kontrollierten Studien Wirksamkeitsnachweise bzgl. der Behandlung depressiver Störungen erbracht: – kognitive Therapie (CT), – Verhaltenstherapie (BT), – kognitiv-behaviorale Therapie (CBT), – interpersonelle Psychotherapie (IPT), – eine speziell zur Behandlung chronischer Depressionen entwickelte Psychotherapie auf der Grundlage kognitiv-behavioraler Techniken, die CBASP (»cognitive behavioral analysis system of psychotherapy«). 5 Für die Wirksamkeit aufwendiger klassischer psychoanalytischer Verfahren gibt es bislang keine empirischen Daten aus kontrollierten Studien. Auch die Bedeutung vieler anderer Ansätze, z. B. supportiver Verfahren, kann nicht auf der Basis empirischer Daten aus kontrollierten Studien bewertet werden. 5 Einen besonderen Stellenwert scheint eine psychotherapeutische Intervention bei Patienten mit chronischer Depression zu haben. 5 Besonderes Augenmerk wurde in den letzten Jahren auf den Wirksamkeitsvergleich von Antidepressiva und Psychotherapieverfahren gelegt. Die Ergebnisse lassen sich wegen methodischer Probleme und der Komplexität der Problematik nicht ohne weiteres generalisieren. Zwei Meta-Analysen kamen zu dem Ergebnis, dass auch bei schweren depressiven Episoden keine signifikante Überlegenheit der Pharmakotherapie gegenüber der Psychotherapie festzustellen sei. Eine Kombinationsbehandlung aus antidepressiver Medikation und IPT oder VT zeigte sich jedoch in einer weiteren Meta-Analyse von sechs Vergleichsstudien einer alleinigen Psychotherapie bei schweren Depressionen überlegen. Bei summarischer Bewertung der Studienlage kristallisiert sich als (nicht unwidersprochen gebliebene) Folgerung heraus, dass mit steigender Schwere der Depression doch eine zunehmende Überlegenheit der Pharmakotherapie gegenüber der Psychotherapie zu verzeichnen ist. Bei schweren Depressionen und bei Patienten mit Suizidalität
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Kapitel 1 · Antidepressiva
ist in der Regel ein AD unverzichtbar. Generell ergeben klinische Beobachtungen und zunehmend auch Studien den Eindruck, dass eine Kombination aus kognitiver Verhaltenstherapie und AD einen synergistischen Behandlungseffekt haben. 5 Neben der Akuttherapie haben sich psychotherapeutische Verfahren auch in der Erhaltungstherapie und in der Rückfallprophylaxe als wirksam erwiesen. Die Wirksamkeit scheint allerdings von der Rezidivneigung der Patienten beeinflusst zu werden. Bei der Langzeitbehandlung (7 Kap. 1.11) zeigte sich Imipramin der IPT bei der Rezidivprophylaxe rezidivierender Depressionen überlegen. Allerdings ist der medikamentöse Behandlungserfolg nur solange gegeben, bis die Pharmakotherapie fortgeführt wird. Bei psychotherapeutischen Verfahren gibt es Hinweise, dass eine erfolgreiche Therapie auch nach ihrer Beendigung einen rezidivprophylaktischen Effekt hat. 5 Einen langfristigen Benefit und eine signifikant geringere Rückfallrate bei Patienten mit persistierenden depressiven Symptomen trotz antidepressiver Behandlung konnte für die Kombinationsbehandlung aus CBT und AD im Vergleich zu einer AD-Monotherapie gezeigt werden. Gesamtbehandlungsplan der Depression 5
Entsprechend der Motivation wird in einem Gesamtbehandlungsplan die Richtung der Therapie festgelegt; entweder liegt der Schwerpunkt auf einer antidepressiven Pharmakotherapie und/oder einer psychotherapeutischen Behandlung (z. B. kognitive Verhaltenstherapie). Oftmals kann zu Beginn einer Therapie auf eine Begleitmedikation mit einem Benzodiazepin nicht verzichtet werden. 5 Da der notwendige und sinnvolle Einsatz einer Pharmakotherapie zur Depressionsbehandlung für viele Patienten nicht von vornherein verständlich und immer noch mit vielen Vorurteilen behaftet ist, ist die Vermittlung eines Krankheitsmodells, das für den Patienten verständlich und akzeptabel ist und das den Einsatz einer medikamentösen Behandlung psychischer Beschwerden erklärt, durch den Arzt unerlässlich. Dies gilt besonders dann, wenn eine langfristige Behandlung mit AD notwendig ist (7 Kap. 1.11), um die Compliance zu erhöhen und Rückfälle zu vermeiden. Es bietet sich an, das Krankheitsmodell einer »Stoffwechselstörung« zu vermitteln, die mit dem Auftreten von depressiven Symptomen verbunden ist und den Einsatz von AD zur symptomatischen, aber effektiven Therapie notwendig macht, analog der Behandlung eines Diabetes oder einer essenziellen arteriellen Hypertonie. Ein solches Krankheitsmodell behindert auch den psychotherapeutischen Zugang zu einem Patienten nicht, wenn man mit ihm die verschiedenen Aspekte seines Störungsbildes bespricht. Während die
1.6 · Nebenwirkungen
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1
medikamentöse Therapie den biologischen Aspekt der Störung symptomatisch, aber effektiv behandelt, kann z. B. eine kognitive Verhaltenstherapie den Patienten zunehmend in die Lage versetzen, auf der Ebene seiner Gedanken und des Verhaltens möglichst großen therapeutischen Nutzen aus der erzielten klinischen Besserung zu ziehen und so den Behandlungserfolg aktiv zu verstärken.
1.6
Nebenwirkungen
Aus dem Ausmaß einer Blockade verschiedener postsynaptischer Rezeptoren sind typische Nebenwirkungen abzuleiten (. Tabelle 1.2). Auch AD, die die o. g. Rezeptorsysteme nicht beeinflussen, können aufgrund ihrer zentralnervösen Wirkung typische Nebenwirkungen hervorrufen. Die selektive Hemmung der 5-HT- oder NA-Rückaufnahme führt zu einer Reihe charakteristischer, meist nur vorübergehender Nebenwirkungen bei Behandlungsbeginn (. Tabelle 1.3). 5 Nebenwirkungen treten bevorzugt zu Beginn (2–4 Wochen) einer Therapie auf. Es können einzelne oder alle der genannten Effekte auftreten; sexuelle Störungen können persistieren. 5 Oft Rückbildung im Verlauf einer Behandlung mit einem AD (besonders vegetative Symptome), ohne dass die Dosierung verändert werden muss. Einige der Effekte können jedoch persistieren (z. B. orthostatische Dysregulation, Mundtrockenheit). Eine Dosisanpassung oder ein Präparatewechsel kann zunächst notwendig werden. 5 Therapie bei stark ausgeprägten anticholinergen Effekten (z. B. Miktionsstörungen, ausgeprägte Obstipation): Carbachol (Doryl®, 1–4 mg p.o.), cholinerger Agonist, oder ein lang wirksamer peripherer Cholinesterasehemmer Distigmin (Ubretid®; 2,5–5 mg p.o.). Bei akutem Harnverhalt: parenterale Gabe von Carbachol (0,25 mg i.m. oder s.c.). Zur Therapie des zentralen anticholinergen Syndroms 7 Kap. 12.7.2. ! Paralytischer Ileus
Bei Tachykardien: Dosisanpassung, ggf. β-Rezeptorenblocker (z. B. niedrige Dosen von Propranolol). 5 Bei orthostatischer Hypotonie: Dihydroergotamin (z. B. Dihydergot®, bis zu 6 mg täglich) oder Etilefrin (z. B. Effortil®). 5
26
Kapitel 1 · Antidepressiva
1
. Tabelle 1.2. Nebenwirkungen bei Blockade verschiedener postsynaptischer Rezeptoren
2
Rezeptortyp
Nebenwirkungen bei Rezeptorantagonismus
3
Muskarinische Azetylcholinrezeptoren
Akkomodationsstörungen, Mundtrockenheit, Obstipation, Sinustachykardie, Miktionsstörungen, Gedächtnisstörungen, Verwirrtheit, Delir
Histamin-1-Rezeptoren
Müdigkeit, Sedation, Gewichtszunahme, Verwirrtheit
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5-HT2-Rezeptoren
Gewichtszunahme, Anxiolyse, Sedation
DA-Rezeptoren
Prolaktinanstieg, Libidoverlust, EPS
α1-adrenerge Rezeptoren
Orthostatische Hypotonie, Schwindel, Müdigkeit, reflektorische Tachykardie
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. Tabelle 1.3. Nebenwirkungen bei Hemmung der Rückaufnahme von Serotonin und Noradrenalin (z. B. durch SSRI oder selektive NA-Rückaufnahmehemmer)
10
Hemmung der Rückaufnahme
Nebenwirkungen
11
5-HT
Zu Behandlungsbeginn (erste 2–4 Behandlungswochen): Appetitminderung, Übelkeit, Kopfschmerzen, Schwitzen, Schlafstörungen, Agitiertheit, sexuelle Funktionsstörungen. Öfter bei langfristiger Therapie persistierend: sexuelle Funktionsstörungen
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Effekt vermittelt durch indirekte Rezeptorstimulation an den Rezeptorsubtypen – 5-HT2A
Ängstlichkeit, Agitiertheit, sexuelle Funktionsstörungen
– 5-HT2C
Appetitminderung, Reizbarkeit
– 5-HT3
Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen
NA
Tremor, Tachykardie, Unruhe, Kopfschmerzen, Miktionsstörungen, Schwitzen, Mundtrockenheit
1.6 · Nebenwirkungen
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1
Kardiale Erregungsleitung: Wichtigste kardiale Wirkung von TZA ist die Verlangsamung der Erregungsleitung (AV-Überleitung und His-Purkinje-System). Verantwortlich ist eine (Klasse-IA-Antiarrhythmika-ähnliche) chinidinartige Wirkung mit Blockade des Natriumkanals mit »membranstabilisierender«, erregungsleitungsverzögernder Wirkung. Im EKG resultieren Blockbilder. Vorbestehende Erregungsleitungsstörungen oder gleichzeitige Gabe anderer Medikamente, die solche induzieren können, sind daher kontraindiziert. Grundsätzlich gilt auch eine QTc-Verlängerung als Risikofaktor; dies insbesondere in Kombination mit Pharmaka, die selbst wiederum zu einer QTc-Verlängerung führen.
! Keine TZA bei kardialer Vorschädigung; keine Kombination mit An-
tiarrhythmika und Arzneimitteln, die zur QTc-Verlängerung oder Erregungsleitungsstörungen führen. Es ist zu bedenken, dass das Infarktrisiko schon bei Herzgesunden unter TZA verdoppelt ist. Zur Einschätzung kardialer Risiken 7 Kap. 13. 5
Allergische Exantheme: besonders unter TZA, aber auch bei allen anderen AD möglich. Meist ist ein Präparatewechsel indiziert. 5 Generalisierte zerebrale Krampfanfälle oder Myoklonien: treten unter TZA gehäuft auf. Begünstigend sind zerebrale Vorschädigungen, hohe Dosen, rasches Aufdosieren oder schlagartiges Absetzen hoher Dosen. 5 Leukopenien/Agranulozytose: sehr selten unter TZA, aber auch unter Mianserin. Meist muss die Substanz abgesetzt werden. Regelmäßige Blutbildkontrollen bei diesen Präparaten indiziert (7 Kap. 1.9). 5
5
Es ist möglich, Blutbildveränderungen entsprechend den Empfehlungen der . Tabelle 1.8 frühzeitig, aber niemals sicher zu erkennen. Die Empfehlungen können daher nur ein Kompromiss aus Risikoverhütung und Praxisnähe sein. Bei risikoreichen Substanzen müssen Patienten angewiesen werden, bei Auftreten von Symptomen wie Fieber, Halsschmerzen oder Infektionen der Mundschleimhaut keinen Behandlungsversuch durchzuführen, sondern den Arzt aufzusuchen.
Alteration der Thrombozytenfunktion: Unter SSRI kann das Risiko gastrointestinaler Blutungen aufgrund gestörter Thrombozytenfunkti-
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1 5
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5 6 7
5
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Kapitel 1 · Antidepressiva
onen (verminderte Aggregationsfähigkeit bei herabgesetztem Serotoningehalt) erhöht sein. Tremor, sehr selten rigorartige Tonuserhöhungen der Muskulatur oder dystone Bewegungsstörungen unter AD: subjektiv störender Tremor besonders zu Behandlungsbeginn, bildet sich aber in vielen Fällen im Verlauf spontan zurück. Bei Persistenz kann ein Präparatewechsel notwendig werden. Während einer Therapie mit irreversiblen MAO-Hemmern (Tranylcypromin) muss eine tyraminarme Diät eingehalten werden, um hypertensive Krisen zu vermeiden. Dies gilt nicht für Moclobemid in den vom Hersteller empfohlenen Dosierungen. Darüber hinaus tritt unter ansteigender Dosierung von Tranylcypromin öfter eine orthostatische Hypotonie auf, die sich aus dem Wirkprinzip der Substanz erklärt und besonders bei älteren Patienten beachtet werden muss. Sexuelle Funktionsstörungen: unter SSRI treten häufiger verzögerte Ejakulation, selten verminderte Libido und Erektionsfähigkeit auf. Sie scheinen größtenteils auf eine Erhöhung der serotoninergen Transmission an 5-HT2-Rezeptoren zurückzuführen zu sein. Substanzen mit zusätzlich antagonischer Wirkung an 5-HT2-Rezeptoren scheinen diesen Effekt seltener zu induzieren (Mirtazapin). Unter Reboxetin können schmerzhafte Ejakulationen auftreten. Andere AD, besonders mit anticholinerger Wirkung, führen häufiger zu Erektionsstörungen. Moclobemid scheint sexuelle Funktionsstörungen nur sehr selten zu induzieren. Therapie 7 Kap. 8.2.6. Gewichtszunahme kann besonders bei längerfristiger Therapie je nach pharmakologischem Wirkprofil eines AD auftreten und die Compliance des Patienten gefährden. Bei AD, die 5-HT2- und Histamin-1-Rezeptoren antagonisieren, tritt Gewichtszunahme häufiger auf. Da einer Gewichtszunahme oft eine Veränderung des Essverhaltens vorausgeht, können verhaltenstherapeutische Maßnahmen (z. B. Vermeiden hochkalorischer Zwischenmahlzeiten) hilfreich sein, ggf. Wechsel zu einem AD mit anderem Wirkprofil (. Tabelle 1.4, Spalte »Gewichtszunahme«). Sedierung: Eine klinisch relevante Sedierung kann bei AD, die 5-HT2und Histamin-1-Rezeptoren antagonisieren, auftreten. Die Sedierung wird klinisch genutzt, z. B. bei Agitation oder Schlafstörungen, sie kann aber auch störend oder gefährlich sein (bei Arbeit an Maschinen oder beim Führen von Kraftfahrzeugen). Eine Beeinträchtigung der Reaktionsfähigkeit kommt bei AD mit sedierender Komponente meist zu Behandlungsbeginn vor und bildet sich im Verlauf von 2–4 Wochen oft zurück. Patienten müssen über die Möglichkeit einer verminderten Reaktionsfähigkeit, z. B. beim Autofahren, aufgeklärt werden. AD mit fehlender oder geringer Sedierung . Tabelle 1.4, Spalte »Sedierung«.
1.6 · Nebenwirkungen
5
29
1
Absetzsyndrome sind nach schlagartigem Absetzen von AD nach langfristiger Therapie mit TZA, Venlafaxin oder SSRI (mit kurzer HWZ, besonders Paroxetin) möglich. Symptome: Schwindel, Gangunsicherheit, Übelkeit, Erbrechen, grippeähnliche Symptome (Abgeschlagenheit, Gliederschmerzen), sensible Störungen (Parästhesien, elektrisierendes Gefühl), Schlafstörungen. Auch Irritabilität, gedrückte Stimmung, psychomotorische Unruhe, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen bis hin zur Verwirrtheit können auftreten. Symptomatik meist leicht ausgeprägt, bildet sich spontan nach wenigen Tagen zurück. Wiederansetzen des AD bringt meist eine umgehende Rückbildung der Symptome. AD daher ausschleichend absetzen. 5 Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH): in sehr seltenen Fällen soll unter AD (meist in den ersten Behandlungswochen) ein SIADH ausgelöst werden können. Durch vermehrte ADH-Sekretion wird Flüssigkeit vermindert ausgeschieden, was sich klinisch als konzentrierte Harnausscheidung, laborchemisch in Form einer Hyponatriämie und verminderter Serumosmolarität äußert. Klinische Symptome: körperliche Schwäche, Lethargie, Gewichtszunahme, Kopfschmerz bis hin zu Verwirrtheit, Krampfanfällen und Koma. Im Verdachtsfall Absetzen des AD, nach klinischer Besserung des SIADH Prüfung des Kausalzusammenhangs zum AD, evtl. Präparatewechsel. Immer engmaschige Kontrolle der Elektrolyte anschließen. 5 Induktion einer (hypo)manischen Episode und eines häufigen Phasenwechsels durch AD werden in 7 Kap. 2.4.2, bipolare affektive Störungen, diskutiert. 5 Suizidalität: während der ersten Behandlungswochen kann unter AD besonders bei gehemmt-depressiven Patienten der Antrieb gesteigert sein, ohne dass die Stimmung bereits aufgehellt ist. Dies birgt ein Risiko erhöhter Suizidalität in sich. Ein AD mit sedierenden Eigenschaften kann bei suizidalen Patienten als Monotherapie Vorteile bieten. Beim geringsten Zweifel sollte begleitend passager ein Benzodiazepin-Anxiolytikum verordnet werden. Es gibt bislang keine überzeugenden Daten, die darauf hinweisen, dass SSRI bei Erwachsenen die Suizidalität erhöhen, sie haben eher einen (mittelfristig) suizidprotektiven Effekt (bei Kindern und Jugendlichen gibt es zurzeit eine kontroverse Diskussion, ob möglicherweise SSRI das Risiko für suizidale Handlungen erhöhen können). In den ersten Behandlungswochen ist unter SSRI bei suizidgefährdeten Patienten eine engmaschige Verlaufskontrolle wichtig. Auch für Lithium wird ein suizidprotektiver Effekt bei langfristiger Therapie berichtet; in einer neueren Studie war Lithium diesbezüglich Valproinsäure überlegen. Suizidversuche mit Überdosierungen von AD sind bei neueren Substanzen (SSRI, Venlafaxin, Mirtazapin) seltener
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Gewichtszunahme
++
+++
+++
++
+++
0
++
++
+++
++
+++
Citalopram
0
++
0
++
++
0
0
0
0 ++
Letalität bei Überdosierung
0
+++
EKG Veränderungen
+++
0
Orthostatische Hypotonie
0
++
Agitation, Schlafstörungen
Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö
+++
Amitriptylinoxid
Sedierung
Anticholinerge Nebenwirkungen Amitriptylin
Clomipramin
++
+
+
+
++
++
++
++
Desipramin
+
0
0
++
+
+
+
+
+++
Dibenzepin
+
0
+
+
+
+
+
+
++
Dosulepin
++
0
+++
0
++
+++
++
++
++
Doxepin
+++
0
+++
0
++
+++
++
++
+++
Duloxetin
0
++
0
++
++
0
0
0
?
Escitalopram
0
++
0
++
++
0
0
0
0
Fluoxetin
0
++
0
++
++
0
0
0
0
Fluvoxamin
0
++
0
++
++
0
0
0
0
Kapitel 1 · Antidepressiva
Sexuelle Funktionsstörungen
. Tabelle 1.4. Häufigkeit relevanter unerwünschter Wirkungen von Antidepressiva in der klinischen Praxis
Gewichtszunahme
Sexuelle Funktionsstörungen ?
?
?
0
?
++
+
++
++
++
+++
Letalität bei Überdosierung
0
+
EKG Veränderungen
+
0
Orthostatische Hypotonie
0
++
Agitation, Schlafstörungen
Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö
0
Imipramin
Sedierung
Anticholinerge Nebenwirkungen Hypericum
+
0
+
++
+
+
+
++
++
Maprotilin
++
0
++
0
+
++
++
+
+++
Mianserin
+
0
++
0
0
++
+
0
+
Milnacipran
0
++
0
++
++
0
0
0
0
Mirtazapin
0
0
++
0
0
+
+
0
0
Moclobemid
0
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0
+
0
0
0
0
0
Nortriptylin
+
0
+
+
+
+
+
+
+++
Paroxetin
0
++
0
++
++
0
0
0
0
Reboxetin
0
+
0
++
+
+
0
0
0
Sertralin
0
++
0
++
++
0
0
0
0
31
Lofepramin
1.6 · Nebenwirkungen
. Tabelle 1.4. (Fortsetzung)
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Letalität bei Überdosierung
EKG Veränderungen
Gewichtszunahme
Orthostatische Hypotonie
Sexuelle Funktionsstörungen
Agitation, Schlafstörungen
Sedierung
Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö
Tranylcypromin
0
0
0
++
0
+++
0
0
+++
Trazodon
0
+
++
0
++
++
+
0
+
Trimipramin
+++
0
+++
0
++
+++
+++
++
+++
Venlafaxin
0
++
0
++
++
0
0
0
0
Viloxazin
0
0
0
++
0
0
0
0
+
+++: häufig bis regelmäßig, ++: mäßig häufig, +: selten, 0: unerheblich oder nicht vorhanden
Kapitel 1 · Antidepressiva
Anticholinerge Nebenwirkungen
. Tabelle 1.4. (Fortsetzung)
1.8 · Interaktionen
33
1
mit vital bedrohlichen Komplikationen belastet als bei TZA (. Tabelle 1.4, Spalte »Letalität bei Überdosierung«). 5 Intoxikationen mit TZA (durch relative Überdosierung oder in suizidaler Absicht) können zu lebensbedrohlichen Arrhythmien führen. Diagnostisch hilfreich ist eine Plasmakonzentrationsbestimmung des TZA. Bei Anzeichen einer Intoxikation immer stationäre Überwachung, evtl. intensivmedizinische Maßnahmen (7 Kap. 17.2). 5 Zum zentralen Serotoninsyndrom 7 Kap. 12.7.2. 1.7
Kontraindikationen
Kontraindikation für alle AD ist eine bekannte Überempfindlichkeit gegen die entsprechende chemische Substanzklasse oder auch gegen andere Inhaltsstoffe der Präparate. Die wichtigsten Kontraindikationen für Antidepressiva sind: 5 5 5 5
5 5 5
5 5
Akute Alkohol-, Schlafmittel-, Analgetika und Psychopharmakainteraktionen Akute Manien Leber- und Nierenerkrankungen 7 Kap. 13.3 und 13.4. Nur für AD mit anticholinerger Begleitwirkung: – Prostatahypertrophie, Harnverhalt, – Engwinkelglaukom, Pylorusstenose, – paralytischer Ileus, – akute Delirien, Nur für TZA: kardiale Reizleitungsstörungen, zerebrale Krampfanfälle Nur für Bupropion und Maprotilin: zerebrale Krampfanfälle Risikoreiche Interaktionen 7 Kap. 1.8.
Hinweise zu Schwangerschaft und Stillzeit 7 Kap. 14. Hinweise zur Fahrtüchtigkeit 7 Kap. 15.
1.8
Interaktionen
Pharmakokinetische Interaktionen
Die folgenden Interaktionen müssen bei jeder Therapie mit AD bedacht werden.
34
1
5
2 3 4
Kapitel 1 · Antidepressiva
Werden mehrere Medikamente gleichzeitig mit AD verabreicht, kann es zu Interaktionen mit dem Resultat einer Erhöhung oder Verminderung der Plasmakonzentration von AD kommen. Besonders wenn die SSRI Fluoxetin, Paroxetin oder Fluvoxamin und TZA kombiniert werden, können die Plasmakonzentrationen des TZA stark ansteigen und zu toxischen Spiegeln führen (7 Kap. 16). Das Interaktionsrisiko von Fluoxetin hält nach Absetzen von Fluoxetin wegen der langen Halbwertszeit von Norfluoxetin noch 2–8 Wochen an.
5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
Pharmakodynamische Interaktionen 5
Überwiegende oder selektive 5-HT-Rückaufnahmeinhibitoren dürfen nicht mit MAO-Hemmern kombiniert werden, da die Gefahr eines seltenen zentralen Serotoninsyndroms besteht (7 Kap. 12.7.2). Symptomatik: Tremor, Agitation, erhöhter Muskeltonus, Hyperreflexie, Myoklonien, in schweren Fällen Bewusstseinstrübung, Krampfanfälle, Hyperthermie bis hin zum Tod. 5 Auch Kombinationen von MAO-Hemmern oder SSRI mit L-Tryptophan oder Lithium können, wenn auch seltener, wegen des synergistischen Effektes auf die serotoninerge Neurotransmission ein Serotoninsyndrom auslösen. 5 Irreversible MAO-Hemmer sollen mindestens 2 Wochen vor Beginn einer Therapie mit einem überwiegenden oder selektiven 5-HT-Rückaufnahmeinhibitoren abgesetzt werden. Umgekehrt soll nach Therapie mit einem SRI oder SSRI eine Karenzzeit von einigen Tagen (mindestens 5×t½; bei Fluoxetin mindestens 5 Wochen!) abgewartet werden, bis ein MAO-Hemmer verordnet wird. 5 Auch bei Kombination von MAOH mit anderen AD (z. B. TZA) besteht das Risiko einer toxischen Reaktion infolge einer zentralen Hyperaktivierung biogener Amine mit hypertensiven Krisen bzw. einer dem zentralen Serotoninsyndrom ähnlichen Symptomatik aus Übelkeit, Erbrechen, Hyperthermie, Hyperexzitabilität, Agitation, Kreislaufdysregulation und Krampfanfällen. Diese Reaktion ist wahrscheinlicher, wenn bei bestehender MAOH-Behandlung ein TZA hinzugegeben wird bzw. der MAOH ohne Einhaltung der Karenzzeit durch ein anderes AD ersetzt wird. Bei gleichzeitigem Beginn einer Kombinationstherapie von TZA und MAOH ist das Risiko wahrscheinlich geringer (viele Hersteller warnen allerdings vor einer solchen Kombination). Bei sukzessiver Verordnung sollten entsprechende Sicherheitsabstände eingehalten
35
1.8 · Interaktionen
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5
5 5
5 5
1
werden (14 Tage nach Absetzen des irreversiblen MAOH, mindestens 7 Tage nach absetzen eines TZA). Irreversible MAO-Hemmer sollen mindestens 2 Wochen vor geplanten Operationen abgesetzt werden, um Narkosezwischenfälle (z. B. mit Pethidin oder Dextromethorphan) zu vermeiden. Reversible MAO-Hemmer (Moclobemid) können bis kurz vor der Operation (2 Tage) gegeben werden. Kombinationen von anticholinerg wirkenden AD mit Anticholinergika oder anticholinerg wirkenden Antipsychotika sollten vermieden werden, ganz besonders bei älteren Menschen (Erregungszustände bis hin zum Delir möglich). Kombinationen von AD mit Sympathomimetika können zu hypertensiven Krisen führen. Kombination von AD mit α1-antagonistischer Wirkung können die Wirkung von Antihypertensiva verstärken (Prazosin, Doxazosin, Terazosin) oder vermindern (Clonidin). TZA sollen nicht mit Antiarrhythmika vom Chinidin-Typ kombiniert werden. Generell sollten AD und Alkohol (besonders in größeren Mengen) nicht kombiniert werden; Gefahr der wechselseitigen Wirkungsverstärkung bis hin zum Koma.
1.8.1
Interaktionen trizyklischer Antidepressiva
. Tabelle 1.5. Interaktionen trizyklischer Antidepressiva Komedikation
Art der Interaktion
Psychopharmaka Anticholinergika, z. B. Biperiden, Benztropin, Trihexiphenidyl, Metixen
Vermehrte anticholinerge Nebenwirkungen: Gefahr von Glaukomanfall, Harnverhalt, Erregungszustände bis hin zum Delir
Antihistaminika, z. B. Diphenhydramin, Doxylamin
Vermehrte Nebenwirkungen, insbesondere Müdigkeit und evtl. anticholinerge Begleiteffekte
Antidepressiva – MAO-Hemmer
Vermehrte Nebenwirkungen wie Hypotonie, Schwitzen, Tremor, Agitiertheit, Verwirrtheit, Halluzinationen, Krampfanfälle und Fieber möglich. Kombination wird von Herstellern als kontraindiziert erachtet, unter strengen Kautelen können bei Therapieresistenz unter stationären
36
1
Kapitel 1 · Antidepressiva
. Tabelle 1.5. (Fortsetzung) Komedikation
2
Behandlungsbedingungen Amitriptylin, Doxepin oder Trimipramin mit MAO-Hemmern kombiniert werden; s. hierzu Präparate, Kap. 1.13
3 4 5
– SSRI: Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin (weniger: Sertralin, Citalopram, Escitalopram)
Erhöhte Plasmaspiegel von TZA, dadurch vermehrte Nebenwirkungen; z. T. Hinweise für besseren antidepressiven Effekt
Antipsychotika (AP)
AD- und/oder AP-Plasmaspiegel können ansteigen; vermehrte Nebenwirkungen wie Sedierung, orthostatische Hypotonie und anticholinerge Nebenwirkungen bis hin zu Harnverhalt, Ileus und Delir möglich. Durch anticholinerg wirksame AD-Einsparung von Anticholinergika möglich
Barbiturate
Vermehrte Nebenwirkungen, insbesondere Müdigkeit und Sedierung; niedrigere AD-Plasmaspiegel, dadurch geringerer antidepressiver Effekt möglich
Benzodiazepine
Verstärkte Sedierung möglich
Bupropion
AD-Plasmaspiegel können ansteigen, dadurch vermehrte Nebenwirkungen; Risiko von Krampfanfällen
Carbamazepin
Enzyminduktion, dadurch erniedrigte Plasmaspiegel, evtl. geringere klinische Wirkung von Antidepressiva; jedoch auch Hinweise auf pharmakodynamische Wirkverstärkung
Disulfiram
Erhöhte AD-Plasmaspiegel beschrieben, vermehrte Nebenwirkungen bis hin zur Neurotoxizität möglich
Lithium
Evtl. verstärkter Tremor; evtl. bessere antidepressive Wirkung durch Lithium-Zugabe
Methadon, Morphin
Erhöhte Plasmaspiegel der Opiate (z. B. durch Desipramin), dadurch verstärkte analgetische Wirkung und Nebenwirkungen möglich; durch Methadon erhöhte Plasmaspiegel und vermehrte
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Art der Interaktion
37
1.8 · Interaktionen
. Tabelle 1.5. (Fortsetzung) Komedikation
Art der Interaktion Nebenwirkungen von Desipramin berichtet; unter Morphin niedrigere AD-Plasmaspiegel beschrieben
Psychostimulanzien, z. B. Methylphenidat
Gegenseitige Wirkungs- und Nebenwirkungsverstärkung, in Einzelfällen bis hin zu hypertensiven Krisen. Unter Methylphenidat höhere Imipramin- und Desipraminplasmaspiegel
Serotonin1B-RezeptorAgonisten,z. B. Sumatriptan, Zolmitriptan, Naratriptan
Potenzierung serotoninerger Effekte möglich (besonders unter Clomipramin)
Valproinsäure
Erhöhte Plasmaspiegel von TZA, dadurch vermehrte Nebenwirkungen möglich
Andere Pharmaka α1-Adrenozeptor-Antagonisten, z. B. Prazosin
Verstärkte Blutdrucksenkung
Anästhetika/Muskelrelaxanzien (Halothan/Pancuronium, Gallamin)
Risiko von Arrhythmien erhöht
Antazida, Adsorbenzien
Niedrigere AD-Plasmaspiegel möglich
Antiarrhythmika: Chinidin, Lidocain, Disopyramid, Procainamid, Propafenon
Verlängerung intrakardialer Leitungszeiten, verringerte Myokardkontraktilität bis hin zur Herzinsuffizienz
Antihypertensiva: Clonidin, α-Methyldopa, Guanethidin, Reserpin
Verminderte Wirkung des Antihypertensivums unter Methyldopa, jedoch auch verstärkte blutdrucksenkende Wirkung möglich
Antikoagulanzien (Warfarin, evtl. auch Phenprocoumon)
Verstärkung des Antikoagulanzieneffekts mit verlängerter Blutungszeit möglich
Antimykotika: Fluconazol, Ketoconazol
Erhöhte Plasmaspiegel von TZA, dadurch vermehrte Nebenwirkungen
β-Adrenozeptor-Antagonisten: Metoprolol, Propranolol
Verstärkte Blutdrucksenkung möglich. Anstieg der Plasmaspiegel von Propranolol und TZA, dadurch vermehrte Nebenwirkungen; unter Propranolol Verstärkung bzw. Auslösung einer depressiven Symptomatik beschrieben
1
38
1
Kapitel 1 · Antidepressiva
. Tabelle 1.5. (Fortsetzung) Komedikation
Art der Interaktion
Ca-Antagonisten vom Typ des Diltiazem bzw. Verapamil
Erhöhte Plasmaspiegel von z. B. Imipramin, dadurch vermehrte Nebenwirkungen möglich
Chinidin
Erhöhte Plasmaspiegel von z. B. Desipramin, dadurch vermehrte Nebenwirkungen
Cholestyramin
Erniedrigte Plasmaspiegel von TZA, dadurch geringere klinische Wirkung
Cimetidin
Erhöhte Plasmaspiegel von AD, dadurch vermehrte Nebenwirkungen möglich (Ranitidin: offenbar keine Interaktionen)
7
Cisaprid
Erhöhte Plasmaspiegel von AD mit vermehrten Nebenwirkungen möglich
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Dextropropoxyphen
Erhöhte Plasmaspiegel der AD möglich (hier: Doxepin)
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Diuretika
Verstärkte Blutdrucksenkung
Griseofulvin
Niedrigere AD-Plasmaspiegel, dadurch geringerer antidepressiver Effekt möglich
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10 Insulin
Verstärkter blutzuckersenkender Effekt möglich
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Omeprazol
Erhöhte Plasmaspiegel von TZA, dadurch vermehrte Nebenwirkungen möglich
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Oxybutynin
Enzyminduktion, dadurch evtl. erniedrigte Plasmaspiegel und ggf. verminderter antidepressiver Effekt
Phenylbutazon
Verringerte analgetische Wirkung durch geringere Absorption von Phenylbutazon möglich
Phenytoin
Evtl. höhere Phenytoinplasmaspiegel mit vermehrten Nebenwirkungen
Rauchen
Niedrigere AD-Plasmaspiegel möglich
Rifampizin
Niedrigere AD-Plasmaspiegel, dadurch geringerer, antidepressiver Effekt möglich
13 14 15 16 17
39
1.8 · Interaktionen
1.8.2
Interaktionen selektiver Serotoninrückaufnahmehemmer
. Tabelle 1.6. Interaktionen SSRI Komedikation
Art der Interaktion
Psychopharmaka Antipsychotika (AP), insbesondere trizyklische AP, aber auch Butyrophenone
Erhöhte Plasmaspiegel von AP bei Kombination mit Fluoxetin, Fluvoxamin oder Paroxetin möglich, dadurch vermehrte Nebenwirkungen, insbesondere EPS und Akathisie
Antidepressiva – MAO-Hemmer
Gefahr eines zentralen Serotoninsyndroms
– TZA
Erhöhte Plasmaspiegel von TZA durch Fluoxetin, Fluvoxamin oder Paroxetin, dadurch vermehrte Nebenwirkungen, in Einzelfällen bis hin zur Neurotoxizität
Benzodiazepine: Alprazolam, Diazepam (und andere Benzodiazepine mit Phase I-Metabolismus)
Unter Fluoxetin, Paroxetin evtl. höhere Benzodiazepinplasmaspiegel, evtl. verstärkte Sedierung
Buspiron
Anstieg der Plasmakonzentration von Buspiron (Fluvoxamin) und bessere Wirkung von SSRI bei Zwangsstörungen durch BuspironZugabe beschrieben; Bericht über Serotoninsyndrom bei Kombination mit Citalopram
Carbamazepin
Höhere Carbamazepinplasmaspiegel, dadurch vermehrte Carbamazepinnebenwirkungen bis hin zur Neurotoxizität
Fenfluramin, d-Fenfluramin
Potenzierung serotonerger Effekte (Komibination wird vom Hersteller für kontraindiziert erachtet)
Lithium
U. a. durch evtl. erhöhte Lithium-Serumspiegel, vermehrte Lithiumnebenwirkungen bis hin zur Neurotoxizität (Krampfanfälle); jedoch evtl. bessere antidepressive Wirkung durch Lithiumzugabe; in Einzelfällen auch niedrigere Lithiumserumspiegel
1
40
1 2
Kapitel 1 · Antidepressiva
. Tabelle 1.6. (Fortsetzung) Komedikation
Art der Interaktion
L-Tryptophan
Potenzierung serotonerger Effekte, dadurch vermehrt Nebenwirkungen bis hin zum zentralen Serotoninsyndrom
Methadon, Morphin
Erhöhte Plasmaspiegel der Opiate durch Fluvoxamin, möglich, dadurch verstärkte analgetische Wirkung und Nebenwirkungen der Opiate möglich
Phenytoin
Erhöhte Phenytoinplasmaspiegel, dadurch vermehrte Nebenwirkungen
Selegelin
Gefahr eines zentralen Serotoninsyndroms
Serotonin1D-Rezeptor-Agonisten, z. B. Sumatriptan, Zolmitriptan, Naratriptan
Potenzierung serotoninerger Effekte möglich (daher Kombination kontraindiziert)
Tacrin
Erhöhte Tacrinplasmakonzentrationen durch Fluvoxamin, dadurch vermehrte Nebenwirkungen möglich
Valproinsäure
Höhere Valproinsäureplasmaspiegel mit vermehrten Nebenwirkungen möglich; Valproinsäure kann Fluoxetinplasmaspiegel erhöhen, dadurch evtl. vermehrt Fluoxetinnebenwirkungen
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Andere Pharmaka Antiarrhythmika: Propafenon, Flecainid
Evtl. Hemmung der Metabolisierung mit erhöhten Plasmaspiegeln der Antiarrhythmika
Antihistaminika wie Terfenadin, Astemizol, evtl. auch Loratadin
Verlängerung intrakardialer Leitungszeiten und arrhythmogene Wirkung unter SSRI (Fluvoxamin oder Fluoxetin). Letale Zwischenfälle möglich!
Antikoagulanzien: Phenprocoumon, Warfarin
Wirkungsverstärkung der Antikoagulanzien bis hin zur Blutungsgefahr möglich
Cimetidin
Hemmung der Metabolisierung von Paroxetin, dadurch höhere Paroxetin-Plasmaspiegel mit evtl. vermehrten Nebenwirkungen
Cisaprid
Erhöhte Plasmaspiegel der Antidepressiva mit vermehrten Nebenwirkungen möglich
17
41
1.8 · Interaktionen
. Tabelle 1.6. (Fortsetzung) Komedikation
Art der Interaktion
Cyproheptadin
Fraglich Verminderung der SSRI-Wirkung (Einzelfallbericht unter Fluoxetin)
Digitoxin
Evtl. niedrigere Digitoxin-Plasmaspiegel mit geringerer Herzglykosidwirkung
Metoprolol, Propanolol
Hemmung der Metabolisierung von Paroxetin, dadurch höhere Paroxetinplasmaspiegel mit evtl, vermehrten Nebenwirkungen
Orale Antidiabetika: Sulfonylharnstoffe, z. B. Tolbutamid
Verstärkter blutzuckersenkender Effekt der oralen Antidiabetika möglich
Sibutramin
Gefahr eines zentralen Serotoninsyndroms
Theophyllin, Coffein
Hemmung der Metabolisierung von Theophyllin (und evtl. anderen Methylxanthien) durch Fluvoxamin, dadurch vermehrte Theophyllin-Nebenwirkungen
Tizanidin
CAVE: Bei Kombination mit Fluvoxamin drastischer Anstieg (über 10-fach) der Plasmakonzentration von Tizanidin mit ausgeprägten Nebenwirkungen (Somnolenz, verschlechterte Psychomotorik)
Tramadol
Gefahr eines zentralen Serotoninsyndroms
1.8.3
Interaktionen neuer Antidepressiva
. Tabelle 1.7. Interaktionen neuer Antidepressiva: Duloxetin Milnacipran, Mirtazapin, Reboxetin, Venlafaxin Komedikation
Art der Interaktion
Psychopharmaka Antidepressiva – MAO-Hemmer
Bei Kombination mit Duloxetin, Milnacipran, Mirtazapin, oder Venlafaxin serotonerge Potenzierung und damit Risiko eines zentralen Serotoninsyndroms. Kombination mit Reboxetin scheint möglich, wird aber vom Hersteller nicht empfohlen
1
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1
Kapitel 1 · Antidepressiva
. Tabelle 1.7. (Fortsetzung) Komedikation
Art der Interaktion
– TZA
Derzeit gibt es keine systematischen Untersuchungen, ob TZA mit neuen AD kombiniert werden können. Zur Kombination von Venlafaxin und TZA gibt es einen Fallbericht über ein zentrales Serotoninsyndrom
Bupropion
Bei Kombination mit Venlafaxin ist mit verlangsamtem Abbau und erhöhten Plasmaspiegeln von Venlafaxin zu rechnen
6
Carbamazepin, Phenobarbital, Phenytoin
Evtl. beschleunigter Abbau von Mirtazapin, Reboxetin oder Venlafaxin durch Induktion von CYP 3A4
7
Fenfluramin
Bei Kombination mit Duloxetin; Milnacipran oder Venlafaxin Risiko eines zentralen Serotoninsyndroms
Lithium
Bei Kombination mit Duloxetin, Milnacipran, Mirtazapin, Reboxetin oder Venlafaxin bisher keine Interaktionsprobleme
L-Tryptophan
Bei Kombination mit Duloxetin, Milnacipran, Mirtazapin, oder Venlafaxin Risiko eines zentralen Serotoninsyndroms
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Andere Pharmaka Tramadol
Bei Kombination mit Milnacipran, Mirtazapin, oder Venlafaxin Risiko eines zentralen Serotoninsyndroms.
Metroprolol, Propanolol, Proteaseinhibitoren
Bei Kombination mit Venlafaxin ist mit verlangsamtem Abbau und erhöhten Plasmaspiegeln von Venlafaxin zu rechnen. Bei Kombination von Mirtazapin, Reboxetin oder Venlafaxin mit Proteasehemmern, die CYP 3A4-Inhibitoren sind (Ritonavir, Indinavir, Nelfinavir, Efavirenz), ist mit einer Hemmung des AD-Abbaus zu rechnen
1.10 · Dosierung
1.9
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1
Routineuntersuchungen
5
Routineuntersuchungen werden zur Therapieüberwachung mit allen AD empfohlen, da es in seltenen Fällen zu Nieren- und Leberfunktionsstörungen sowie, besonders bei TZA, zu Blutbild- und EKG-Veränderungen kommen kann. SSRI und Mirtazapin, Reboxetin oder Venlafaxin haben den Vorteil, dass Routineuntersuchungen sehr viel seltener als bei den TZA durchgeführt werden müssen. 5 Eine Übersicht der empfohlenen Kontrollen gibt die . Tabelle 1.8. Häufigere Kontrollen sind nötig, wenn ein untersuchter Parameter pathologisch ausfällt oder klinische Symptome auftreten, die einer Abklärung bedürfen. 5 Bei anticholinerg wirkenden AD (Mundtrockenheit) sollen nach langfristiger Anwendung gehäuft Zahnkaries und Mundschleimhautveränderungen auftreten. Zahnärztliche Kontrollen können indiziert sein.
1.10 5
Dosierung
Generelle Dosisempfehlungen sind wegen der Heterogeneität der Substanzen nur schwer zu erstellen. Im Allgemeinen empfiehlt es sich, besonders im ambulanten Bereich, AD schrittweise bis zur Zieldosis aufzudosieren (in der Regel innerhalb 3–7 Tagen). Bei SSRI und Mirtazapin ist es aber möglich, von Beginn an mit der wirksamen Einmaldosis zu beginnen (20 mg Citalopram, 100 mg Fluvoxamin, 20 mg Fluoxetin, 30 mg Mirtazapin, 20 mg Paroxetin, 50 mg Sertralin). 5 Zieldosis für TZA bei der Depressionsbehandlung sollte i. d. R. 150 mg/ Tag sein, mindestens jedoch 75–100 mg, falls höhere Dosen nicht toleriert werden. Niedrigere Dosen können oft mit einer geringeren Erfolgsquote einhergehen. Bei einigen TZA gibt es die Möglichkeit, die Plasmakonzentrationen der Substanz zu bestimmen und damit die Dosierung besser zu steuern (7 Kap. 1.10.1). Eine Dosiserhöhung kann bei TZA erfolgreich sein, wenn niedrigere Dosen für einen Behandlungserfolg nicht ausreichend waren. 5 Bei SSRI ist ein verbesserter Therapieerfolg durch Dosiserhöhungen bei der Behandlung depressiver Störungen bisher nicht nachgewiesen. Bei einer Mehrzahl von Patienten sind Tagesdosen von 20 mg Citalopram, 20 mg Fluoxetin, 100 mg Fluvoxamin, 20 mg Paroxetin, oder 50–100 mg Sertralin ausreichend. Höhere Dosierungen sind am ehesten dann sinnvoll, wenn unter niedrigeren Dosen nur eine partielle Response eintrat.
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
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12
13
14
15
16
17
44
. Tabelle 1.8. Empfehlungen für Routineuntersuchungen unter Antidepressiva Vorher
Monate 2
3
4
5
6
XX
XX
XX
X
X
Vierteljährlich
Halbjährlich
TZA Blutbild
X
XX
Kreatinin
X
X
Transaminasen
X
X
EKG
X
X
EEG
X
X
RRb, Puls
X
X
Blutbildc
X
X
X
Xe
Kreatinin
X
X
X
Xe
Leberenzyme
X
Xe
X
X
X
X
X
X X X Xa, d
X
X
X
X
X
Andere AD
X
X
EKGd
X
X
RRb, Puls
X
X
Xf
X a
X = Anzahl der Kontrollen; der empfohlene Umfang der notwendigen Routinekontrollen ist bisher nicht empirisch abgesichert. Kontrolle bei allen Patienten über 60 Jahre empfehlenswert. bUnter Venlafaxin in hoher Dosierung ist der Blutdruck häufiger zu kontrollieren, weil es in seltenen Fällen zu anhaltend erhöhten werten kommen kann. c Für Mianserin empfehlen die Hersteller in den ersten Behandlungsmonaten wöchentliche Blutbildkontrollen. d Bei Patienten mit einem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. e Bei langfristig stabilen Patienten können jährliche Kontrollen ausreichen. f Bei langfristig stabilen Patienten können halbjährliche Kontrollen ausreichen.
Kapitel 1 · Antidepressiva
1
1.10 · Dosierung
5
5
5
5 5
5
45
1
Dagegen ist bei Venlafaxin und Moclobemid damit zu rechnen, dass eine Dosiserhöhung einen Therapieerfolg zeigt, wenn niedrigere Dosen nicht erfolgreich waren. Je nach Halbwertszeit der Substanz kann die Dosisverteilung auf täglich ein- bis dreimal erfolgen. Bei Einmalgabe ist die Compliance, wenn die Substanz gut vertragen wird, oft besser. Wenn Nebenwirkungen auftreten, kann eine Verteilung der Tagesdosis ohne Dosisreduktion bereits eine Verbesserung der Verträglichkeit bewirken (z. B. bei sedierenden AD Gabe der Hauptdosis zur Nacht; hierdurch kann sich auch ein zusätzliches Hypnotikum bei Schlafstörungen erübrigen). Bei Panikstörungen sollte die initiale Dosierung besonders vorsichtig erfolgen, da diese Patienten auf mögliche Nebenwirkungen oft empfindlich reagieren. Bei Zwangsstörungen sind in der Regel Dosen im oberen Dosierungsbereich der Substanzen erforderlich. Bei älteren Patienten und Patienten mit Risikofaktoren in Bezug auf unerwünschte Wirkungen sind meist niedrigere Dosen notwendig. SSRI, Mirtazapin und Venlafaxin werden auch in den empfohlenen Dosen gut vertragen (7 Kap. 13.2.2). Intramuskuläre oder intravenöse Applikation von AD 7 Kap. 1.12.
1.10.1 Plasmakonzentrationen Zu allgemeinen pharmakokinetischen Aspekten 7 Kap. 1.8 und 7 Kap. 16. 5 Für einige AD (insbesondere TZA) und für spezifische Indikationen ist die therapiebegleitende Kontrolle der Konzentrationen in Plasma oder Serum ("Plasmaspiegel") (therapeutisches Drug-Monitoring, TDM) zur Therapieoptimierung sinnvoll. Dies ermöglicht eine individuelle Dosisanpassung für den Patienten, da gleiche Dosierungen bei oraler Gabe in unterschiedlichem Ausmaß vom Patienten resorbiert und verstoffwechselt werden. Die Streuung der resultierenden Plasmakonzentrationen ist so hoch, dass von einer gegeben Dosis nicht zuverlässig auf die Plasmakonzentration geschlossen werden kann. Dies gilt für alte und neue AD. Die Konzentration am Wirkort ist die entscheidende Größe für Wirksamkeit und Nebenwirkungen. Plasmakonzentrationen korrelieren mit den Wirkspiegeln im Gehirn wesentlich besser als die Dosis. Daher ist der Plasmaspiegel von AD ein geeigneter Surrogatparameter für Konzentrationen im Gehirn. 5 Mögliche Beziehungen zwischen Plasmakonzentration und klinischer Wirkung: – Es existiert eine untere Schwellenkonzentration, die für einen Therapieeffekt überschritten werden muss.
46
1 2 3 4 5 6 7 8 9
Kapitel 1 · Antidepressiva
– Es existiert eine untere und obere Schwellenkonzentration, zwischen denen die Plasmakonzentration für einen optimalen Therapieerfolg eingestellt werden sollte (»therapeutisches Fenster«). – Es existiert kein Zusammenhang zwischen Plasmakonzentration und klinischer Wirkung. 5 Plasmakonzentrationen sollten immer im Steady state gemessen werden. Eine Übersicht gibt . Tabelle 1.9. 5 Ein Zusammenhang zwischen antidepressiver Wirkung und Plasmakonzentration ist bei vielen Substanzen nicht eindeutig; die unerwünschten Wirkungen zeigen jedoch meistens eine Abhängigkeit von der Plasmakonzentration. 5 Am besten belegt ist ein »therapeutisches Fenster« für Nortriptylin; Empfehlungen für Plasmakonzentrationen können zudem für Imipramin, Desipramin und Amitriptylin gegeben werden. Für viele TZA, SSRI und andere AD ist die Plasmakonzentrations-Wirkungs-Beziehung noch nicht geklärt. . Tabelle 1.9. Therapeutisches Drug Monitoring (TDM) Indikationen
– – – – – – – –
Durchführung des TDM
– Im Steady state (Gleichgewicht zwischen Zufuhr und Ausscheidung des Medikaments) – Faustregel: nach 5 Tagen gleicher Dosierung bei vielen TZA Steady state erreicht – Letzte Medikationsgabe abends; nach 12 h morgens Blutentnahme für TDM vor Tabletteneinnahme
Kontrolle von ausgeprägten unerwünschten Effekten
– Bei TZA steigt bei Konzentrationen oberhalb von 350 ng/ml das Risiko für delirante Symptome, Krampfanfälle, Überleitungsstörungen des Herzens (AV-Blockierungen)
10 11 12 13 14 15 16 17
Complianceverbesserung Kontrolle unerwünschter Effekte Kontrolle von Interaktionen Kontrolle bei unzureichendem Ansprechen Kontrolle bei Therapieresistenz Optimierung des Therapieerfolgs Kontrolle bei Rückfall Kontrolle bei Patienten mit Begleiterkrankungen – Kontrolle bei Alterspatienten (>65 Jahre)
1.11 · Behandlungsdauer und Rezidivprophylaxe
47
1
1.10.2 Wirkungseintritt 5
5
5
5
5
In der Regel beobachtet man unter einer Behandlung mit AD eine graduelle Besserung im Zeitverlauf. Voraussetzung ist eine kontinuierliche antidepressive Pharmakotherapie in einer ausreichend hohen Dosierung. Die graduelle Besserung lässt sich bei späteren Respondern in der Mehrzahl der Fälle bereits in den ersten 2 Behandlungswochen erkennen. Eine mindestens 20%ige Besserung der depressiven Symptomatik in den ersten 2 Behandlungswochen ist zumindest bei ambulanten Patienten ein hochsensitiver Prädiktor einer späteren stabilen klinischen Response. Dies scheint für AD unterschiedlicher pharmakologischer Wirkprofile zu gelten. Beobachtet man in den ersten 2 Wochen der Behandlung keine graduelle Besserung, sollte die Therapiestrategie überdacht und gegebenenfalls geändert werden (z. B. Dosiserhöhung, Augmentation, Präparatewechsel, Wechsel der Therapiestrategie). Eine langsame Aufdosierung kann den Wirkeintritt eines AD verzögern; eine zu rasche Aufdosierung, besonders bei TZA, kann zu vermehrten Nebenwirkungen und unbefriedigender Compliance führen. Gut verträgliche Substanzen, bei denen ein rasches Auftitrieren möglich ist, können zu einem schnelleren Wirkeintritt führen. Für Mirtazapin und Venlafaxin wurde ein solcher Effekt in kontrollierten Studien und in Metaanalysen im Vergleich zu SSRI beschrieben. Je nach dem pharmakologischen Wirkprofil des AD können einzelne Symptomkomplexe des depressiven Syndroms unterschiedlich schnell auf die Therapie ansprechen. Unter Mirtazapin besserten sich Schlafstörungen, Agitation und somatische Beschwerden im Behandlungsverlauf schneller als unter SSRI. Augmentationsstrategien eines AD mit Pindolol oder Buspiron haben in kontrollierten Studien nicht regelhaft zu einer überzeugenden Beschleunigung des Wirkeintritts geführt.
1.11
Behandlungsdauer und Rezidivprophylaxe
Patienten mit einer depressiven Episode entwickeln in mehr als 50% der Fälle im Verlauf weitere Episoden (unipolarer Verlauf, . Abb. 1.1; zu bipolaren Verläufen 7 Kap. 2). Bei mindestens jedem 5. Patienten klingt die depressive Symptomatik nicht vollständig ab, es persistieren subsyndromale Bilder, die den Patienten wesentlich beeinträchtigen. Etwa 15% der Patienten mit einer affektiven Störung suizidieren sich im Krankheitsverlauf. Ziel einer antidepressiven Therapie ist das Erreichen einer Vollremission. Depressive Residualsymptome sind ein hohes Risiko für einen Rückfall.
48
Kapitel 1 · Antidepressiva
1
A kuttherapie
E rhaltungstherapie
Ziel: Remission
Ziel: Erhaltung der Remission 6-12 Monate
2
Rezidivprophylaxe Ziel: Verhinderung neuer Episoden 1 Jahr u. länger
E uthym ie
3 Depression
4 5
Rückfall
Rezidiv
6 7
Z eit
8 B eginn der B ehandlung
9
. Abb. 1.1. Verlaufsschema bei unipolarer Depression (nach Kupfer, 1991)
10 11
Zur Therapieplanung unipolarer Verläufe werden unterschieden: Akuttherapie, Erhaltungstherapie und Rezidivprophylaxe . Tabelle 1.10 (bipolare Verläufe 7 Kap. 2).
12 13 14 15 16 17
Antidepressiva sind in der Akut- und Erhaltungstherapie sicher wirksam. Dagegen ist die rezidivprophylaktische Wirkung der AD durch prospektive Langzeitstudien nicht befriedigend abgesichert (nach einer neuen Metaanalyse 18% unter AD und 41% unter Placebo). Es fehlen auch weitergehende Studien im Vergleich zur VT (7 Kap. 1.5). Ungeklärt ist die Frage, wie häufig es unter einer Langzeittherapie mit AD zu paradoxen Reaktionen, »cycling acceleration« und Induktionen von Manien (wie bei der bipolaren Depression, 7 Kap. 2.4.2) kommen kann. 5
Die Weiterführung der antidepressiven Pharmakotherapie scheint einer Rezidivprophylaxe mit Lithium bei unipolarem Verlauf ebenbürtig zu sein; letztere wird aber aus Gründen der Verträglichkeit und Praktikabilität selten angewandt.
1.11 · Behandlungsdauer und Rezidivprophylaxe
49
. Tabelle 1.10. Übersicht über die Behandlungsabschnitte zur Therapieplanung bei depressiven Episoden (unipolar) Akuttherapie
Erhaltungstherapie
Rezidivprophylaxe
Durchführung gemäß den o. g. Empfehlungen bis zum Erreichen einer Remission (zumindest einer Teilremission)
Fortführung einer Behandlung, nachdem eine Remission erzielt wurde zur Verhinderung eines Rückfalles (= Wiederauftreten der depressiven Symptome derselben Episode)
Fortführung einer Behandlung zur Vermeidung eines Rezidivs (= Auftreten einer neuen Episode nach vollständigem Abklingen der letzten Episode und durchgeführter Erhaltullgstherapie)
Dauer: in der Regel 6–9, evtl. 12 Monate
Dauer: über Jahre, evtl. lebenslang
Dosis: in der Regel Beibehaltung der Dosis, die zur Remission führte
Dosis: in der Regel Beibehaltung der Dosis, die zur Remission führte
Indikation:
Indikation:
nach erfolgreicher Akuttherapie
– anamnestisch zwei weitere Episoden oder – anamnestisch eine weitere schwere Episode innerhalb der letzten 3 Jahre oder – eine weitere Episode und Positive Familienanamnese einer bipolaren Störung oder rezidivierende Depression oder – eine weitere Episode und früher Beginn der Störung
Beendigung:
Beendigung:
– möglich, wenn keine weitere Episode anamnestisch bekannt ist
Nach Abwägung des individuellen Risikos in Kenntnis der Vorgeschichte; bei bekannt schweren Verläufen lebenslange Behandlung erwägen
1
50
Kapitel 1 · Antidepressiva
. Tabelle 1.10. (Fortsetzung)
1
Akuttherapie
2
Erhaltungstherapie
Rezidivprophylaxe
– möglich, wenn eine leichte Episode mehr als 5 Jahre zurückliegt
3
– nicht indiziert, wenn Akuttherapie nicht zur vollständigen Remission führte
4 5
– nicht indiziert, wenn Akuttherapie nicht zur vollständigen Remission führte
6 7 8 9
Vorgehen bei Beendigung:
Vorgehen bei Beendigung:
schrittweise Ausschleichen der AD über mehrere Wochen
schrittweise Ausschleichen der AD über mehrere Woche
10 5
11 12 13 14 15 16 17
Auch bei erfolgreicher Psychotherapie sollte eine Erhaltungstherapie mit AD erwogen werden. 5 Da bei einer langfristigen Behandlung das Nebenwirkungsprofil für die Compliance eine große Rolle spielt, sind die Vorteile der neueren AD gegenüber den TZA in dieser Indikation besonders zu nutzen. Eine Umstellung ist i. d. R. zu erwägen. 5 Der Hintergrund einer langfristigen medikamentösen Behandlung nach Abklingen der subjektiven Beschwerden muss dem Patienten sorgfältig erläutert werden, um die Compliance zu sichern. Dem Patienten muss ein tragfähiges Krankheitsmodell vermittelt werden, das ihm eine Erklärung für die Notwendigkeit langfristiger Medikamenteneinnahme bei bereits überwundenen psychischen Beschwerden gibt (7 Kap. 1.5). 1.12
Therapieresistenz und ungenügende Response
Das eigentliche Ziel einer antidepressiven Therapie ist das Erreichen einer Symptomfreiheit sowie der Wiederherstellung des psychosozialen Funk-
1
51
1.12 · Therapieresistenz und ungenügende Response
Rem ission
E uthym ie
Besserung
tionsniveaus (Remission). In klinischen Studien wird eine Response meist als mindestens 50% Reduktion der depressiven Symptomatik, gemessen anhand einer Schweregradskala wie z. B. der Hamilton-Depressionsskala, definiert. Ein substanzieller Anteil von Patienten profitiert klinisch nicht in ausreichendem Maße von einem ersten Therapieversuch mit einem AD. Diese unzureichende Wirksamkeit/Response kann unterschiedlich operationalisiert werden (z. B. im Hinblick auf Behandlungsdauer, Dosierung und erreichte Symptomreduktion). Von einer partiellen Response spricht man meist, wenn die erreichte Besserung zwischen 25–50% nach etwa 4–6 Wochen Behandlung beträgt. Non-Response liegt also vor, wenn in diesem Zeitraum weniger als 25% Besserung eintreten (. Abb. 1.2). Für eine Therapieresistenz gibt es bislang keine unumstritten akzeptierte Definition. Als Minimalkonsens sollte von Therapieresistenz gesprochen werden, wenn zwei verschiedene AD mit unterschiedlichen Wirkprofilen jeweils nach 4–6 Wochen Behandlung in ausreichender Dosis wirkungslos waren. 5 Je nach erreichter Besserung und der Anzahl der erfolglosen Behandlungsversuche können unterschiedliche Strategien sinnvoll sein. Eine empirisch abgesicherte Reihenfolge der im Folgenden beschriebenen Therapiestrategien gibt es aber bislang nicht.
Depression
Response 50% P artielle Response Non Response Z eit
B eginn der B ehandlung
. Abb. 1.2. Grade der Besserung bei der unipolaren Depression
25%
52
Kapitel 1 · Antidepressiva
1
Therapieerfolg nicht ausreichend
2 Compliance überprüfen Plasmaspiegelkontrolle Diagnose überprüfen
3 4 5 6
Dosiserhöhung erwägen
Kombination von AD+ AD AD + PT AD+ SE
Wechsel des AD
Augmentation von AD+ Lithium AD + SD-Hormone AD + AAP …
7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
EKB
. Abb. 1.3. Wichtigste Maßnahmen bei nicht ausreichendem Therapieerfolg. PT Psychotherapie, SE Schlafentzug, SD-Hormone Schilddrüsenhormone, APP atypische Antipsychotika
5
Stellt sich in den ersten zwei Behandlungswochen eine partielle Response ein, kann zunächst mit der begonnenen Behandlung fortgefahren werden. Bleibt sie aus, kann schon früh im Behandlungsverlauf von einer geringen Chance, im Verlauf der nächsten 2–4 Behandlungswochen noch eine Response bzw. Remission zu erreichen, ausgegangen werden (7 Kap. 1.10). 5 Bei Vorliegen einer Non-Response oder Therapieresistenz sollte zunächst die Compliance des Patienten (z. B. Plasmaspiegelkontrolle) sowie die Diagnose überprüft werden. 5 Danach kann eine der nachfolgenden Strategien eingesetzt werden (. Abb. 1.3). Häufigste Strategien 5
17
Erhöhung der Dosis: Die Erhöhung der Dosis kann erfolgreich sein, ist aber durch Studien nur unbefriedigend belegt. Sie scheint aber besonders bei partieller Response eine plausible Strategie. Bei TZA kann die Dosis bis zu 300 mg/Tag betragen (dann häufigere Kontrollen von EKG und ggf. EEG). Die Bestimmung der Plasmakonzentration des TZA
1.12 · Therapieresistenz und ungenügende Response
53
1
kann eine relative Unterdosierung aufdecken (7 Kap. 1.10.1). Eine Dosiserhöhung unter SSRI ist nicht systematisch mit besseren Behandlungsergebnissen verknüpft und am ehesten dann erfolgversprechend, wenn niedrigere Dosen eine partielle Response brachten. 5 Wechsel auf ein anderes AD: Hierbei sollte ein AD mit anderem Angriffspunkt im ZNS gewählt werden, z. B. nach erfolgloser Gabe eines SSRI ein AD mit überwiegender NA-Rückaufnahmehemmung oder ein MAO-Hemmer. Augmentationsstrategien
Unter Augmentation versteht man die Zugabe einer Substanz, für die als Monotherapie keine regelmäßige antidepressive Wirksamkeit angenommen wird. 5 Augmentation eines AD mit Lithium: Bei der am besten belegten Augmentationsstrategie werden Lithiumkonzentrationen wie bei der Phasenprophylaxe (0,6–0,8 mmol/l) angestrebt. Es wird ein synergistischer Effekt über die serotonerge Transmission angenommen. Ein Therapieerfolg kann nach Tagen bis 1–2 Wochen eintreten. Die Kombination SSRI und Lithium führte bei 50% der Patienten nach 1–2 Wochen (selten nach 6 Wochen) zu einer Response. Gesicherte Prädiktoren fehlen bislang, die Wahrscheinlichkeit einer Response scheint aber mit zunehmender Dauer und Dosis der Vorbehandlung abzunehmen. Ergebnisse einer Studie sagen aus, dass eine erfolgreiche Lithiumaugmentation mindestens 1 Jahr fortgeführt werden soll. Ob ein Absetzen des Lithium dann allerdings sinnvoll ist, wurde nicht untersucht. 5 Augmentation eines AD mit Schilddrüsenhormonen: In kontrollierten Studien war die Gabe von T3 (L-Trijodthyronin) in einer Dosis von 25– 50 µg (z. T. auch höher) zu einem AD bei therapieresistenten Patienten, auch bei euthyreoter Stoffwechsellage, erfolgreich. Die Zugabe von T4 in supraphysiologischen Dosen kann ebenfalls zu einem Therapieerfolg führen. 5 Augmentation mit atypischen Antipsychotika: es gibt zunehmend positive Berichte für den Einsatz atypischer Antipsychotika in Verbindung mit AD. 5 Positive Behandlungsergebnisse an kleineren Patientenkollektiven gibt es für die Augmentation von AD mit Dopaminagonisten (Bromocriptin, Modafinil, Pergolid), mit Hormonpräparaten (Östrogenpräparaten bei Frauen, Dehydroepiandrosteron), Kortisolsynthesehemmern (Ketoconazol, Metyrapon), Amantadin, Buspiron. 5 Augmentation eines AD mit Psychostimulanzien: Methylphenidat zu einem AD kann sinnvoll sein. Risiken 7 Kap. 10.
54
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
Kapitel 1 · Antidepressiva
Kombinationsstrategien
Unter Kombination versteht man den gleichzeitigen Einsatz von 2 Substanzen mit nachgewiesener antidepressiver Wirksamkeit in jeweiliger Monotherapie. 5 Kombination zweier AD mit unterschiedlichen Wirkprofilen: Hierbei sind Kontraindikationen zu beachten (MAO-Hemmer mit AD mit überwiegender 5-HT-Rückaufnahmehemmung oder SSRI; Gefahr eines zentralen Serotoninsyndroms). Auch mögliche pharmakokinetische Interaktionen sind zu beachten. Es empfehlen sich Plasmakonzentrationsmessungen (7 Kap. 1.10.1). Bewährt hat sich z. B. die Kombination SSRI plus Mirtazapin. Auch die Kombination aus Amitriptylin (100–150 mg/Tag) mit langsam steigenden Dosen von Tranylcypromin (20 mg/Tag) kann erfolgreich sein, ist aber risikoreich (s. besonders Präparate, 7 Kap. 1.13). 5 Kombination eines AD mit Schlafentzügen: da ca. 50% der Patienten von dem nichtinvasiven Verfahren des therapeutischen Schlafentzugs profitieren können, ist ein solcher Therapieversuch bei vorhandenem klinischen Setting lohnend. 5 Kombination eines AD mit einem etablierten Psychotherapieverfahren: 7 Kap. 1.5. 5 Kombination eines AD mit Lamotrigin: Da Lamotrigin sowohl bei unipolarer als auch bei bipolarer Depression antidepressiv wirksam war, ist eine Kombinationstherapie bei Beachtung der Vorsichtskautelen (langsame Dosissteigerung) eine mögliche Strategie, für die es erste positive Berichte gibt. Andere Strategien 5
Sehr hoch dosierte Gabe von MAO-Hemmern und SSRI: Die hoch dosierte Gabe von MAO-Hemmern (Tranylcypromin in Dosen über 40 mg; bis zu 80 mg/Tag) führt oft zu einer Remission. Patienten müssen über mögliche Risiken aufgeklärt werden. Ein schriftliches Einverständnis wird empfohlen. Auf Diätfehler mit möglichen fatalen Folgen muss hingewiesen werden (hypertensive Krisen mit Blutungsgefahr). Zudem kommt eine orthostatische Hypotonie unter hohen Dosen von MAO-Hemmern häufiger vor. Unter 100–300 mg Fluoxetin wurde bei Non-Respondern bei ca. 50% ein Therapieerfolg gesehen. 5 AD-Gabe als Tropfinfusion: Eine überlegene Wirkung der i.v.-Applikation gegenüber oraler Verabreichung ist nicht belegt. Die AD-Tropfinfusion kann bei ausgewählten Patienten (orale Einnahme schwer möglich, Complianceprobleme) bereits im ersten Behandlungsschritt durchgeführt werden.
1.13 · Präparate
55
1
Elektrokrampfbehandlung (7 Kap. 1.4.1) ist nach wie vor eine Therapiestrategie mit gut belegter Wirksamkeit bei Therapieresistenz. Neuere Untersuchungen weisen auf die Möglichkeit hin, die EKB schon frühzeitiger einzusetzen. Allerdings ist weiterhin unklar, welche Erhaltungstherapie bei Therapieerfolg nach EKB anzuwenden ist. Daher erfolgt ihr Einsatz oft erst, nachdem andere Strategien nicht erfolgreich waren. 5 Repetitive transkranielle Magnetstimulation: 7 Kap. 1.4.1. 5 Stimulation des N. vagus: 7 Kap. 1.4.1. 5
1.13
Präparate1
Amitriptylin
Antidepressivum
Trizyklisches Antidepressivum Amineurin (Hexal) Tbl. 10, 25, 50, 100 mg (Amineurin retard) Kps. 25, 50, 75 mg (Amineurin retard) Amitriptylin (Declimed) Kps. 25, 50, 75 mg (retard Desitin) Amitriptylin beta (betapharm) Tbl. 10, 25 mg Kaps. 25, 50, 75 mg (Retard) Amitriptylin-neuraxpharm (neuraxpharm) Drg. 10, 25, 50 mg Tbl. 100 mg Lsg. 40 mg=20 Trpf.=1 ml Amitriptylin-RPh (Rodleben Pharma) Tbl. 25 mg Kps. 25, 50, 75 mg (Retard)
1
Amitriptylin-Teva (Teva Generics GmbH) Tbl. 10, 25 mg Kps. 25, 50 mg (Retard) amitriptylin von ct (ct-Arzneimittel GmbH) Tbl. 25, 75 mg Novoprotect (Wyeth) Tbl. 10, 25 mg Kps. 25, 75 mg (Retard) Saroten (Bayer Vital) Tbl. 10, 25, 75 mg (Saroten retard Tabs) (20, 50, 100 Tbl.) Kps. 25, 50, 75 mg (Saroten retard) (20, 50, 100 Kps.) Amp. 50 mg/2 ml (5 Amp.) Syneudon (Krewel Meuselbach) Tbl. 50 mg
Bei Generika wurde auf die Angabe der Packungsgröße verzichtet.
56
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
Kombinationspräparate Limbatril (Roche) Kps. 12,5 mg Amitriptylin + 5 mg Chlordiazepoxid Tbl. 12,5 mg Amitriptylin + 5 mg Chlordiazepoxid (Limbatril Tabs) Kps. 25 mg Amitriptylin + 10 mg Chlordiazepoxid (Limbatril F)
17
Longopax (Essex Pharma) Drg. 10 mg Amitriptylin + 2 mg Perphenazin (Longopax mite) Drg. 25 mg Amitriptylin + 2 mg Perphenazin
Pharmakodynamik 5
Etwa gleich starke Hemmung der NA- und 5-HT-Rückaufnahme (pharmakologisch aktiver Metabolit Nortriptylin inhibiert bevorzugt die NA-Rückaufnahme). 5 Stark ausgeprägte antiadrenerge, aber auch anticholinerge und antihistaminerge Wirksamkeit (bei Amitriptylin, weniger beim Metaboliten Nortriptylin). Pharmakokinetik 5 t½=10–28 h
nach oraler Gabe (Nortriptylin 30 h); Tmax=ca. 1–5 h; Bioverfügbarkeit ca. 45%; Plasmaproteinbindung 94–97%. 5 Hauptmetabolit: Nortriptylin, desweiteren hydroxylierte Metaboliten. 5 Plasmakonzentration (Summe Amitriptylin und Nortriptylin): 80– 200 ng/mlp. Indikationen und Behandlungshinweise 5 5 5 5
15 16
Kapitel 1 · Antidepressiva
5
5
Depressive Erkrankungenz: ausgeprägter (akuter) sedierender Effekt (bei Schlafstörungen oder Suizidalität vorteilhaft). Langfristige Schmerzbehandlung i. R. eines therapeutischen Gesamtkonzeptsz. Hinweise auf Wirksamkeit bei Bulimie. Schlafstörungenz: Es empfiehlt sich i. d. R. depressiver Störungen eine Dosisverteilung (z. B. ein Drittel morgens, zwei Drittel abends); bei Schlafstörungen ohne depressive Symptomatik ist ein Versuch mit 25– 100 mg Amitriptylin angezeigt. Auf Kombinationspräparate sollte verzichtet werden. Es besteht das Risiko einer Benzodiazepinabhängigkeit. Außerdem in aller Regel Unterdosierung des AD bei fixen Wirkstoffkombinationen. Routineuntersuchungen: 7 Kap. 1.9.
1.13 · Präparate
57
1
Dosierung 5
Oral: Beginn mit 2- bis 3-mal 25 mg, dann Erhaltungsdosis 3-mal 50 mg oder 2-mal 75 mg/Tag; bei älteren Patienten kann die halbe Dosis ausreichend sein. In der Klinik Erhöhung bis auf 300 mg/Tag möglich. Bei Schlafstörungen Erhöhung der Abenddosis. 5 Parenteral: als Tropfinfusion 25–100 mg in 500 ml Standardinfusionslösung in aufsteigender Dosierung (3–7 Tage über mindestens 90 min mit Tropfgeschwindigkeit von 1,5 ml/min; dann Übergang auf orale Medikation); auch i.m.-Injektion möglich, jedoch ohne klinischen Nutzen. Nebenwirkungen 5
Sehr häufig, insbesondere zu Beginn: Müdigkeit, vegetative Symptome wie Schwindel, Mundtrockenheit, Akkommodationsstörungen, Tachykardien. 5 Häufig: orthostatische Dysregulationen, insbesondere bei älteren Patienten; Störungen der Erregungsleitung des Herzens (Verlängerung des QT-Intervalls, Herzrhythmusstörungen); delirante Syndrome, insbesondere unter rascher Dosissteigerung; Gewichtszunahme. 5 Nebenwirkungsprofil 7 Kap. 1.6. Kontraindikationen 5
Harnverhalt, Engwinkelglaukom, Prostatahypertrophie, Delirien, Pylorusstenose. 5 Angeborenes langes QT-Syndrom, Bradykardie. 5 Relative Kontraindikationen: schwere Leber- und Nierenerkrankungen; erhöhte Krampfbereitschaft; kardiale Vorschädigung (insbesondere Erregungsleitungsstörungen und koronare Herzerkrankung); Kombination mit MAOH (unter stationären Bedingungen möglich, 7 Kap. 1.12). Interaktionen ! Unter Kombination mit Fluoxetin ist über schwere Intoxikationen be-
richtet worden. 5
Kombination mit Fluvoxamin oder Inhibitoren von CYP 2D6 wie Paroxetin, Bupropion oder Propranol (. Tabelle 1.4) führen zur Erhöhung der Plasmaspiegel von Amitriptylin und Nortriptylin. Kombination daher unter Plasmaspiegelkontrolle. 5 Weitere Interaktionen 7 Kap. 1.8.
58
1
Kapitel 1 · Antidepressiva
Bewertung
Gut bewährtes AD mit sedierender Wirkung, aber starken anticholinergen Eigenschaften.
2 3 4 5
Amioxid-neuraxpharm (neuraxpharm) Tbl. 30, 60, 90, 120 mg
6
Pharmakodynamik (siehe Amitriptylin)
7 8 9 10 11 12 13
Antidepressivum
Amitriptylinoxid
Trizyklisches Antidepressivum
5
Equilibrin (Aventis Pharma) Tbl. 30, 60 mg (20, 50, 100 Tbl.) Tbl. 90 mg (Equilibrin 90 Tabs) Tbl. 120 mg (Equilibrin 120 Tabs)
Geringere periphere anticholingere Wirkungen als unter Amitriptylin bei gleich starker zentraler anticholinerger Wirksamkeit.
Pharmakokinetik 5 t½=ca.
2 h; Tmax=20–80 min; Bioverfügbarkeit 77%; Plasmabindungskapazität 80%. 5 Metabolisierung zu Amitriptylin und Nortriptylin, die Metaboliten sind die eigentlichen Wirkstoffe (s. Amitriptylin). 5 Plasmakonzentration (Amitriptylin plus Nortriptylin): 80–200 ng/mlp. Indikationen und Behandlungshinweise (siehe Amitriptylin) Dosierung 5
Ambulant einschleichender Beginn bis auf Tagesdosis von 180 mg; in der Klinik Steigerung bis 300 mg möglich (in Ausnahmefällen höher). 5 Dosisverteilung wie Amitriptylin.
14
Nebenwirkungen
15
Kontraindikationen (siehe Amitriptylin)
16
Interaktionen (siehe Amitriptylin und 7 Kap. 1.8)
17
Bewertung
5
Wie Amitriptylin, vegetative Nebenwirkungen angeblich geringer.
Wirksames AD. Ein im Vergleich zu Amitriptylin günstigeres Nebenwirkungsprofil ist klinisch nicht abgesichert.
59
1.13 · Präparate
1
Antidepressivum
Citalopram
Selektiver Serotoninrückaufnahmehemmer (SSRI) Cilex (AWD PharmaLundbeck) Tbl. 10, 20,40 mg
Citalopram Hormosan (Hormosan) Tbl. 10, 20, 40 mg
Cipramil (Lundbeck) Tbl. 20, 40 mg (20, 50, 100 Tbl.) Amp. 20 mg Infusionslösungskonzentrat
Citalopram-neuraxpharm (neuraxpharm) Tbl. 10, 20, 40 mg
Citalopram-1A Pharma (1A Pharma) Tbl. 20, 30, 40, 60 mg
Citalopram-ratiopharm (ratiopharm) Tbl. 10, 20, 40 mg
Citalopram AL (ALIUD Pharma) Tbl. 10, 20, 40 mg
Citalopram Sandoz (Sandoz) Tbl. 10, 20, 40 mg
Citalopram beta (betapharm) Tbl. 20, 30, 40, 60 mg
Citalopram Stada (Stada) Tbl. 10, 20, 40 mg
Citalopram-biomo (biomo) Tbl. 10, 20, 40 mg
Sepram (Bayer/Vital) Tbl. 20, 40 mg
Citalopram HEXAL (HEXAL) Tbl. 10, 20, 30, 40, 60 mg
Serital (Temmler Pharma) Tbl. 20, 40 mg
Pharmakodynamik 5 5
Selektive Hemmung der 5-HT-Rückaufnahme. Keine anticholinergen oder antihistaminergen Eigenschaften.
Pharmakokinetik 5 t½=ca.
33 h; Tmax=ca. 3 h; orale Bioverfügbarkeit ca. 80%; Plasmaeiweißbindung ca. 80%. 5 Zwei schwach aktive Metaboliten: Desmethylcitalopram (t½=ca. 50 h), Didesmethylcitalopram (t½=ca. 100 h). 5 Plasmakonzentration: 30–130 ng/ml(p). Indikationen und Behandlungshinweise 5 5 5 5 5
Depressive Erkrankungenz. Panikstörung mit und ohne Agoraphobiez. Hinweise auf Wirksamkeit bei Zwangsstörungen. Erste Hinweise auf Wirksamkeit bei sozialer Phobie. Routineuntersuchungen: 7 Kap. 1.9.
60
1 2 3 4 5 6 7 8 9
Kapitel 1 · Antidepressiva
Dosierung 5
20 mg/Tag in einer morgendlichen Einzeldosis (niedrigste wirksame Dosis und Erhaltungsdosis); bei älteren Patienten mit 10–20 mg beginnen. 5 Bei Panikstörung mit 10 mg beginnen, Steigerung auf 20–40 mg. 5 Tageshöchstdosis 60 mg, bei älteren Patienten 40 mg. 5 Bei eingeschränkter Leberfunktion Dosisanpassung bzw. Verlängerung des Dosierungsintervalls; bei leichten bis mäßigen Nierenfunktionsstörungen ist keine Dosisanpassung erforderlich. Nebenwirkungen 5
Häufig: besonders in der Anfangsphase Appetitlosigkeit, Übelkeit, gelegentlich Erbrechen, Diarrhö. Vor allem bei höheren Dosierungen und zu Therapiebeginn innere Unruhe und Agitiertheit, Schlafstörungen; Kopfschmerzen; Tremor; Schwindel; Zwangsgähnen. 5 Gelegentlich: sexuelle Funktionsstörungen, insbesondere Ejakulationsverzögerungen, Libidominderungen, Orgasmusstörungen. 5 In Einzelfällen: SIADH (7 Kap. 1.6), dann v. a. bei älteren Patienten. 5 Nebenwirkungsprofil 7 Kap. 1.6. Kontraindikationen 5
12
Kombination mit MAOH: MAOH können frühestens 7 Tage nach Absetzen von Citalopram angesetzt werden; Citalopram kann 14 Tage nach Absetzen eines irreversiblen MAOH bzw. 2 Tage nach Absetzen von Moclobemid angesetzt werden. 5 Kombination mit Triptanen oder tryptophanhaltigen Arzneimitteln. 5 Relative Kontraindikationen: schwere Leber- und Nierenerkrankungen.
13
Interaktionen
14
5 5
10 11
15
Sehr geringes pharmakokinetisches Interaktionspotenzial. Bei Kombination mit Lithium sind pharmakodynamische Wirkungsund Nebenwirkungsverstärkungen möglich. 5 Siehe Kontraindikationen und 7 Kap. 1.8. Bewertung
16 17
Wirksames nichtsedierendes AD.
61
1.13 · Präparate
1
Antidepressivum
Clomipramin
Trizyklisches Antidepressivum Anafranil (Novartis) Drg. 10, 25 mg (20, 50, 100 Drg.) Tbl. 75 mg (Anafranil retard) Amp. 25 mg/2 ml Clomipramin von ct (ct-Arzneimittel) Tbl. 10, 25 mg
Clomipramin-ratiopharm (ratiopharm) Tbl. 10, 25, 75 (retard) mg Clomipramin Sandoz (Sandoz) Tbl. 10, 25, 75 (retard) mg
Clomipramin-neuraxpharm (neuraxpharm) Tbl. 10, 25, 75 (retard) mg
Pharmakodynamik 5
Starker, aber nicht spezifischer SRI; auch NA-Rückaufnahmehemmung v. a. durch den aktiven Metaboliten Desmethylclomipramin. 5 Leichte bis mäßige 5-HT2-, leichte DA2-Blockade. 5 Anticholinerge und α1-antagonistische Eigenschaften. Pharmakokinetik 5 t½=16–60 h
(Clomipramin) bzw. 36 h (Desmethylclomipramin); Tmax=3–4 h (unretardierte Form) bzw. 5–8 h (retardierte Form); orale Bioverfügbarkeit ca. 50%; Plasmaproteinbindung 98%. 5 Aktive Metaboliten: Desmethylclomipramin sowie Hydroxymetaboliten. 5 Plasmakonzentration (Summe Clomipramin und Desmethylclomipramin): 175–450 ng/mlp. Indikationen und Behandlungshinweise 5 5
5 5 5 5 5
Depressive Syndrome unabhängig von ihrer nosologischen Zuordnungz. Zwangsstörungenz: Die Wirkung setzt häufig später als bei einer Depression ein (gelegentlich erst nach 6–8 Wochen) und ist unabhängig vom antidepressiven Effekt. Panikstörungenz. Phobienz. Langfristige Schmerzbehandlung im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzeptsz. Schlaflähmung, Kataplexie und hypnagoge Halluzinationen bei Narkolepsiez. Routineuntersuchungen: 7 Kap. 1.9.
62
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Kapitel 1 · Antidepressiva
Dosierung 5
Oral: – Depressive Störungen: initial 25–75 mg, Erhaltungsdosis: Tagesdosen um ca. 100 mg (75–112,5 mg als retardiertes Präparat) können für viele Patienten adäquat sein, Erhöhung auf 3-mal 75 mg/Tag möglich (unter stationären Bedingungen raschere Aufdosierung möglich, z. B. innerhalb von 3 Tagen auf 225 mg); bei älteren Patienten niedrigere Dosis. – Zwangsstörung: zunächst oft höhere Dosen, nach Ansprechen langsame Reduktion auf übliche Erhaltungsdosis. – Panikstörung: Beginn mit sehr niedrigen Dosen (10–25 mg/Tag), da bei Therapiebeginn auftretende Nebenwirkungen als Verschlechterung verkannt werden können; zur Erhaltungstherapie ist i. Allg. die antidepressiv wirksame Dosis ausreichend (s. o.), möglicherweise auch niedrigere Dosierungen (30–100 mg/Tag), insbesondere bei längerfristiger Erhaltungstherapie. – Bei Kataplexie und Schmerzsyndromen: 25–75 mg/Tag. 5 Parenteral: – Tropfinfusion 25–75 mg in 250–500 ml Standardinfusion in aufsteigender Dosierung über 90 bis 180 min; Steigerung bis 150 mg/Tag möglich; nach Besserung Umstellung auf orale Medikation. – i.m.-Injektion möglich, jedoch ohne klinischen Nutzen. Nebenwirkungen
11 12 13 14
5
Häufig: besonders zu Therapiebeginn innere Unruhe, Agitiertheit, Schlafstörungen (ggf. Benzodiazepingabe). In den ersten Tagen anticholinerge Nebenwirkungen: Trockenheit der Schleimhäute, Akkomodationsstörungen, Obstipation, Harnverhalt. 5 Gelegentlich: Krampfanfälle in Dosen bis 250 mg/Tag bei ca. 0,5%, in Dosen ab 300 mg bei ca. 2% der Patienten; Störungen der Erregungsleitung des Herzens; sexuelle Funktionsstörungen. 5 Besonders bei Infusionstherapie Blutdrucksenkung möglich. 5 Nebenwirkungsprofil 7 Kap. 1.6.
15
Kontraindikationen
16
5 5
17
Harnverhalt, Engwinkelglaukom, Prostatahypertrophie. Kombination mit MAOH; sowohl vor als auch nach der Behandlung mit Clomipramin sollte ein Sicherheitsabstand von 2 Wochen zur Verordnung eines MAOH eingehalten werden; nach Absetzen des reversiblen MAOH Moclobemid ist ein Wechsel auf Clomipramin am übernächsten Tag möglich. 5 Kombination mit tryptophanhaltigen Arzneimitteln.
1.13 · Präparate
5 5
63
1
Bei Thrombosegefahr keine Infusionstherapie. Relative Kontraindikationen: schwere Leber- und Nierenerkrankungen; erhöhte Krampfbereitschaft, kardiale Vorschädigung (insbesondere Erregungsleitungsstörungen und koronare Herzerkrankung).
Interaktionen ! Kombination mit Fluvoxamin führt zur Erhöhung der Plasmaspiegel
von Clomipramin; Kombination daher ausschließlich unter Plasmaspiegelkontrolle. 5
Siehe auch Kontraindikationen und 7 Kap. 1.8.
Bewertung
Bewährtes gut wirksames AD mit anticholinergen Eigenschaften; Referenzsubstanz bei der Behandlung von Zwangsstörungen; Psychopharmakon der ersten Wahl bei der Therapie chronischer Schmerzsyndrome.
Desipramin
Antidepressivum
Trizyklisches Antidepressivum Petylyl (Arzneimittelwerk Dresden) Drg. 25 mg Pharmakodynamik 5 5 5
Demethylierter Hauptmetabolit von Imipramin. Starker, relativ spezifischer NA-Rückaufnahmehemmer. Geringere anticholinerge Eigenschaften als Imipramin.
Pharmakokinetik 5 t½=17–27 h
(im Alter erhöht); Tmax=3–6 h; orale Bioverfügbarkeit ca. 50%; Plasmaproteinbindung ca. 90%. 5 Metabolisierung bevorzugt durch CYP 2D6, Bildung hydoxylierter Metaboliten. 5 Plasmakonzentration: 100–300 ng/mlp. Indikationen und Behandlungshinweise 5 5
Depressive Störungenz. Routineuntersuchungen: 7 Kap. 1.9.
64
1 2 3 4 5
Kapitel 1 · Antidepressiva
Dosierung 5
In den ersten 3 Tagen Beginn mit 3-mal 25 mg, Erhaltungstherapie in der Regel mit 3-mal 50 mg/Tag, bei älteren Patienten niedriger dosieren. 5 Bei gleichzeitig bestehenden Schlafstörungen keine Verordnung am späten Abend. Nebenwirkungen 5
Häufig: vegetative Symptome (geringer als unter Imipramin); Unruhe, Schlafstörungen. 5 Gelegentlich: Störungen der Erregungsleitung des Herzens. 5 Nebenwirkungsprofil 7 Kap. 1.6.
6
Kontraindikationen
7
5 5
8 9 10
Harnverhalt, Engwinkelglaukom. Relative Kontraindikationen: Suizidalität (bei bestehender Suizidalität kann auf Desipramin zurückgegriffen werden, wenn eine vorübergehende Kombination mit Benzodiazepinen – auch in höherer Dosierung – vertretbar ist); Prostatahypertrophie; schwere Leber- und Nierenerkrankungen; erhöhte Krampfbereitschaft; kardiale Vorschädigung (insbesondere Erregungsleitungsstörungen und koronare Herzerkrankung); Kombination mit MAOH.
Interaktionen
11 12 13
5
Kombination mit Fluoxetin, Paroxetin, Bupropion, Methadon, Metoprolol oder anderen CYP-2D6-Hemmstoffen (Tabelle 16.4) erhöht die Plasmaspiegel von Desipramin. Kombination unter Plasmaspiegelkontrolle. 5 Weitere Interaktionen s. Kontraindikationen und 7 Kap. 1.8. Bewertung
14
Wirksames AD mit präferenzieller NA-Rückaufnahmehemmung; geringere anticholinerge Eigenschaften als Amitriptylin oder Imipramin.
15 16 17
Dibenzepin
Trizyklisches Antidepressivum Noveril (Novartis) Drg. 80 mg (50, 100 Drg.) (Noveril mite) Tbl. 240 mg (20, 50, 100 Tbl.) (Noveril retard)
Antidepressivum
1.13 · Präparate
65
1
Dosierung 5
Oral: höhere Dosis als bei anderen TZA. Wegen geringerer Nebenwirkungen schon initial Beginn mit höherer Dosierung: ambulant 240 mg/ Tag, stationär 2-mal 240 mg/Tag; Tageshöchstdosis: 720 mg/Tag. Bei gleichzeitig bestehenden Schlafstörungen keine Applikation am späten Abend (jedoch wurde gelegentlich auch eine schlaffördernde Wirkung beobachtet).
Bewertung
Durch die Entwicklung der SSRI und neuerer AD und das Fehlen moderner Studien zum Nachweis der Wirksamkeit bei depressiven Störungenz ist Dibenzepin für die psychiatrische Pharmakotherapie entbehrlich geworden.
Dosulepin
Antidepressivum
Trizyklisches Antidepressivum Idom (Boots Pharma) Kps. 25 mg (50 Kps.) (Idom mite) Drg. 75 mg (20, 50 Drg.)
Dosierung 5
Einschleichender Beginn; Steigerung bis auf Tagesdosis von 150 mg; Tageshöchstdosis 225 mg (unter stationären Bedingungen auch mehr).
Bewertung
Aufgrund der Vielzahl im Handel befindlicher AD ist Dosulepin bei depressiven Störungenz für die psychiatrische Pharmakotherapie entbehrlich.
Doxepin
Antidepressivum
Trizyklisches Antidepressivum Aponal (Boehringer Mannheim/ Arzneimittelwerk Dresden) Drg. 5, 10, 25 mg (20, 50, 100 Drg.) Tbl. 50 mg (Aponal 50) Lsg. 10 mg=20 Trpf.=1 ml (30, 3×30 ml Amp. 25 mg/2 ml (5 Amp.)
Doneurin (Hexal) Tbl. 10, 25, 50, 100 mg Kps. 10, 25, 50, 75, 100 mg Doxepia (Temmler Pharma) Tbl. 50, 100 mg
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Kapitel 1 · Antidepressiva
1
Doxepin (Holsten Pharma) Tbl. 25, 50, 75, 100 mg
Doxepin-RPh (Rodleben Pharma) Tbl. 50, 100 mg
2
Doxepin AL (Aliud) Tbl. 50, 100 mg
Doxepin Sandoz (Sandoz) Tbl. 10, 25, 50, 75, 100 mg
3
Doxepin beta (betapharm) Kaps. 10, 25, 50
Doxepin Stada (Stada) Tbl. 50, 100 mg
4
Doxepin beta T (betapharm) Tbl. 50, 100
Doxepin-Teva (Teva) Kps. 10, 25, 50, 75, 100 mg
5
doxepin-biomo (biomo) Tbl. 50, 100 mg Kaps. 10, 25, 50 mg
Doxe TAD (TAD pharma) Tbl. 25, 50 mg
Doxepin dura T (Merck dura) Tbl. 50, 100 mg
Mareen (Krewel) Tbl. 50, 100 mg
Doxepin-neuraxpharm (neuraxpharm) Tbl. 25, 50, 100 mg
Sinquan (Pfizer) Kps. 10, 25, 50 mg (20, 50, 100 Kps.)
6 7 8 9
Doxepin-ratiopharm (ratiopharm) Tbl. 50, 100 mg Kaps. 25 mg
10 Pharmakodynamik
11 12 13 14 15 16 17
5
Neben Amitriptylin wichtigster Vertreter der AD mit sedierender Wirkung; auch strukturchemisch besteht Ähnlichkeit mit Amitriptylin. 5 Besonders starke antihistaminerge Wirkung. 5 NA-Rückaufnahmehemmung etwas stärker als 5-HT-Rückaufnahmehemmung. 5 Anticholinerge und α1-antagonistische Effekte. Pharmakokinetik 5 t½=15–20 h
(Doxepin) bzw. das 2- bis 4fache (Desmethyldoxepin); Tmax=2–4 h (Doxepin) bzw. 2–10 h (Desmethyldoxepin), orale Bioverfügbarkeit 30%, Plasmaproteinbindung 80%. 5 Metabolisierung bevorzugt durch CYP 2C19, aktiver Metabolit: Desmethyldoxepin. 5 Plasmakonzentration: 50–150 ng/ml(p). Indikationen und Behandlungshinweise 5
Depressive Erkrankungenz: deutliche Sedierung nach oraler Medikation (stärkere Sedierung durch parenterale Anwendung, jedoch zeigt Dosi-
1.13 · Präparate
5 5 5 5 5
67
1
serhöhung bei oraler Applikation gleichen Effekt; daher i.v.- bzw. i.m.Verabreichung verzichtbar). Schlafstörungenz. Leichte Entzugserscheinungen bei Alkohol-, Medikamenten-, Drogenabhängigkeitz. Angstsyndromez. Hinweise auf Wirksamkeit bei chronischen Schmerzsyndromen. Routineuntersuchungen: 7 Kap. 1.9.
Dosierung 5
Oral: Beginn einschleichend mit 3-mal 25 mg, Erhaltungsdosis 3-mal 50 mg bis 3-mal 75 mg/Tag, bei älteren Patienten niedrigere Dosierung; in Ausnahmefällen Erhöhung bis 300 mg/Tag; bei Entzugssyndromen ist häufig die Höchstdosis notwendig (z. B. 3-mal 50 mg bis 6-mal 50 mg/Tag in den ersten 3 Tagen, dann schrittweise Reduktion). 5 Parenteral: als Tropfinfusion bis 150 mg/Tag in steigender Dosierung in einer Standardinfusionslösung, nach Besserung Umstellung auf orale Therapie in absteigender Dosierung; i.m.-Injektion möglich, jedoch ohne klinischen Nutzen. Nebenwirkungen 5
Häufig: anticholinerge Begleitwirkungen (Mundtrockenheit, Akkomodationsstörungen, Obstipation), besonders bei höherer Dosierung; initiale Müdigkeit. 5 Gelegentlich orthostatische Hypotonie, daher sorgfältige Kreislaufkontrollen besonders in der initialen Therapiephase; Störungen der Erregungsleitung des Herzens möglich, Gewichtszunahme. 5 Nebenwirkungsprofil 7 Kap. 1.6. Kontraindikationen 5 5
Harnverhalt, Engwinkelglaukom, Prostatahypertrophie. Relative Kontraindikationen: schwere Leber- und Nierenerkrankungen; erhöhte Krampfbereitschaft; kardiale Vorschädigung (insbesondere Erregungsleitungsstörungen und koronare Herzerkrankung); Kombination mit MAOH (unter stationären Bedingungen u. U. möglich, 7 Kap. 1.12).
Interaktionen 5
Kombination mit Fluvoxamin erhöht die Plasmaspiegel von Doxepin; daher Kontrolle der Plasmaspiegel. 5 Weitere Interaktionen 7 Kap. 1.8 und Kontraindikationen.
68
1
Kapitel 1 · Antidepressiva
Bewertung
Wirksames AD mit ausgeprägten sedierenden und anticholinergen Eigenschaften.
2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
Duloxetin Antidepressivum Selektiver Serotonin- und Noradrenalinrückaufnahmehemmer Cymbalta (Lilly und Boehringer Ingelheim) Kps 30mg (28 Kps)
Kps 60mg (28 und 98 Kps)
Pharmakodynamik 5 Selektive Hemmung der 5-HT- und NA-Rückaufnahme; keine anticholinergen oder antihistaminergen Eigenschaften, keine Blockade dopaminerger, serotonerger oder opioiderger Rezeptoren. Pharmakokinetik 5 t½=9–19 h (im Mittel 12,5 h): lineare Kinetik, extensiver Metabolismus, keine aktiven Metabolite. Indikationen und Behandlungshinweise 5 Episoden einer Major Depressionz. Indikation außerhalb der Psychiatrie: Behandlung von Frauen mit mittelschwerer bis schwerer Belastungsinkontinenz (2 × 40 mg Yentreve) Dosierung 5 Start und Erhaltungsdosis 60 mg/1 × täglich. Zulassung bis 120 mg. Nebenwirkungen 5 Häufig, besonders in den ersten 1–2 Wochen: Übelkeit, verminderter Appe-
tit, Mundtrockenheit, Obstipation, Diarrhö, Schwitzen; Müdigkeit, Somnolenz, Schwindel; Schlaflosigkeit. 5 Gelegentlich: sexuelle Funktionsstörungen, v. a. Ejakulationsverzögerungen, Libidominderungen, Orgasmusstörungen. 5 Nebenwirkungsprofil 7 Kap. 1.6. Kontraindikationen 5 Lebererkrankungen; Kombination mit Fluvoxamin, Ciprofloxacin oder Enoxacin (starke CYP1 A2-Inhibitoren), schwere Nierenfunktionseinschränkungen, Kombination mit MAOH. 5 Relative Kontraindikationen: schwere Leber- und Nierenerkrankungen; Kombination mit anderen serotonergen Arzneimitteln oder Lithium, Johanneskraut, Blutungen, Mydriasis. Interaktionen 5 Duloxetin wird vorwiegend durch CYP 1A2 und 2D6 metabolisiert. Bei Kombination eines Inhibitors dieser Cytochrome mit Duloxtetin kann es zu einer Erhöhung des Serumspiegels von Duloxetin kommen. Durch Induktion
1.13 · Präparate
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1
von CYP 1A2 kann es zu einer Verringerung des Serumspiegels von Duloxetin kommen. (Raucher weisen im Vergleich zu Nichtrauchern einen um 50% reduzierten Serumspiegel von Duloxetin auf.) 5 7 Kontraindikationen Bewertung Wirksames neues nichtsedierendes AD. Ein möglicher Vorteil bei Schmerzsyndromen gegenüber anderen AD ist noch nicht belegt.
Escitalopram
Antidepressivum
Selektiver Serotoninrückaufnahmehemmer (SSRI) Cipralex (Lundbeck) Tbl. 10, 20 mg (20, 50, 100 Tbl.) Pharmakodynamik 5 5 5
S-Enantiomer des razemischen Gemischs Citalopram. Selektive Hemmung der 5-HT-Rückaufnahme. Keine anticholinergen oder antihistaminergen Eigenschaften.
Pharmakokinetik 5 t½=ca.
30 h; Tmax=ca. 4 h; orale Bioverfügbarkeit ca. 80%; Plasmaeiweißbindung ca. 80%. 5 Zwei schwach aktive Metabolite (Demethylescitalopram, Didemethylescitalopram). 5 Plasmakonzentration: 15–80 ng/ml(p). Indikationen und Behandlungshinweise 5 5 5
Episoden einer Major Depressionz. Panikstörung mit oder ohne Agoraphobiez. Routineuntersuchungen: 7 Kap. 1.9.
Dosierung 5
Initial 5–10 mg/Tag in einer morgendlichen Einzeldosis, später 10 mg/ Tag; bei der Panikstörung mit 5 mg beginnen. 5 Tageshöchstdosis 20 mg, bei älteren Patienten 10 mg. 5 Bei eingeschränkter Leberfunktion in den ersten Wochen 5 mg täglich empfohlen; bei leichten bis mäßigen Nierenfunktionsstörungen ist keine Dosisanpassung erforderlich.
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Kapitel 1 · Antidepressiva
Nebenwirkungen 5
Häufig: besonders in der Anfangsphase Appetitlosigkeit, Übelkeit, gelegentlich Erbrechen, Diarrhö; v. a. bei höheren Dosierungen und zu Therapiebeginn innere Unruhe und Agitiertheit, Schlafstörungen; Kopfschmerzen; Tremor; Schwindel; Zwangsgähnen. 5 Gelegentlich: sexuelle Funktionsstörungen, insbesondere Ejakulationsverzögerungen, Libidominderungen, Orgasmusstörungen. 5 In Einzelfällen: SIADH (7 Kap. 1.6), dann v. a. bei älteren Patienten. 5 Nebenwirkungsprofil 7 Kap. 1.6. Kontraindikationen 5
Kombination mit MAOH; MAOH können frühestens 7 Tage nach Absetzen von Escitalopram angesetzt werden; Escitalopram kann 14 Tage nach Absetzen eines irreversiblen MAOH bzw. 2 Tage nach Absetzen von Moclobemid angesetzt werden. 5 Relative Kontraindikationen: schwere Leber- und Nierenerkrankungen; Kombination mit tryptophanhaltigen Arzneimitteln, anderen serotonergen Arzneimitteln oder Lithium. Interaktionen 5
Escitalopram besitzt ein geringes pharmakokinetisches Interaktionspotenzial. 5 Siehe Kontraindikationen und 7 Kap. 1.8. Bewertung
Wirksames nichtsedierendes AD. Ob ein klinisch relevanter Vorteil gegenüber Citalopram besteht, ist derzeit nicht sicher beurteilbar
Antidepressivum
Fluoxetin
Selektiver Serotoninrückaufnahmehemmer (SSRI)
14 15 16 17
Fluctin (Lilly) Kps. 20 mg (20, 50, 100 Kps.) Tbl.2 0 mg (20, 50, 100 Tbl.) Lsg. 4 mg=20 Trpf.=1 ml (70 ml) Fluneurin (Hexal) Tbl.1 0, 20 mg Tabs. 10, 20, 40 mg Lsg. 70 ml Fluox (AbZ-Pharma) Kps. 20 mg
Fluox basics (Basics) Kps. 20 mg FluoxeLich (Lichtenberg) Tbl. 20 mg Fluoxemerck (Merck dura) Tbl. 20 mg Fluoxe Q (Juta Pharma/Q-Pharm) Tbl.2 0 mg
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1.13 · Präparate
Fluoxetin 1A (1A-Pharma) Kps. 20 mg
Fluoxetin TAD (TAD Pharma) Kps. 20 mg
fluoxetin von ct (ct-Arzneimittel GmbH) Kps. 20 mg
Fluoxetin 1A (1A-Pharma) Kps. 20 mg
Fluoxetin-neuraxpharm (neuraxpharm) Tbl. 10, 20 mg Kps. 20 mg Fluoxetin-ratiopharm (ratiopharm) Tbl. 20 mg Lsg. 4 mg=20 Trpf.=1 ml Fluoxetin-RPh (Rodleben Pharma) Kps. 20 mg Fluoxetin Sandoz (Sandoz) Kps. 20 mg Fluoxetin Stada (Stada) Kps. 20 mg
1
Fluoxetin AL (Aliud Pharma) Kps. 20 mg Fluoxetin beta (betapharm) Kps. 20 mg Tbl. 20, 40 mg fluoxetin-biomo (biomo) Kps. 20 mg Fluoxgamma (Wörwag) Kps. 20 mg Fluox-puren (Alphapharma-Isis) Kps. 20 mg Fluxet (Krewel) Kaps. 20 mg
Pharmakodynamik 5
Selektive Hemmung der 5-HT-Rückaufnahme (auch durch den Hauptmetaboliten Norfluoxetin). 5 Keine anticholinergen oder antihistaminergen Eigenschaften. Pharmakokinetik 5 tmax=6–8 h (nach Gabe einer Einmaldosis); t½=4–6Tage (Norfluoxetin:
t½=4–16 Tage); wegen der langen Eliminationshalbwertszeit (= längste Halbwertszeit unter den SSRI) Erreichung eines Steady state erst nach einigen Wochen (Vorteil: Seltenes Auftreten eines »discontinuation syndrome«); Bioverfügbarkeit: 85%. 5 Aktiver Metabolit Norfluoxetin, wegen Autoinhibition der Metabolisierung nichtlineare Pharmakokinetik. 5 Plasmakonzentration (Summe Fluoxetin plus Norfluoxetin): 120– 300 ng/ml(p). Indikationen und Behandlungshinweise 5 5
Episoden einer Major Depressionz. Zwangsstörungenz.
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Bulimiez. Hinweise auf Wirksamkeit bei Panikstörungen, prämenstruellem Syndrom, posttraumatischer Belastungsstörung. 5 Erste Hinweise auf Wirksamkeit bei Migräne. 5 Routineuntersuchungen: 7 Kap. 1.9. 5 5
Dosierung 5
Depressive Störungen: 20 mg/Tag in einer morgendlichen Einzeldosis, Dosiserhöhungen bis 60 mg möglich. 5 Panikstörung: mit 10 mg beginnen, dann 20 mg; Zwangsstörung: 20– 60 mg, Tageshöchstdosis 80 mg; Bulimie: 60 mg; prämenstruelles Syndrom: 20 mg/Tag. 5 Bei eingeschränkter Leber- bzw. Nierenfunktion Dosisanpassung bzw. Verlängerung des Dosierungsintervalls. Nebenwirkungen 5
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Kapitel 1 · Antidepressiva
Häufig: besonders in der Anfangsphase Appetitlosigkeit, Übelkeit, gelegentlich Erbrechen, Diarrhö; v. a. bei höheren Dosierungen und Therapiebeginn innere Unruhe und Agitiertheit, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Tremor, Schwindel; Zwangsgähnen. Gelegentlich: sexuelle Funktionsstörungen, insbesondere Ejakulationsverzögerung, Libidominderungen, Orgasmusstörungen. Selten: allergische Hauterscheinungen; da solche gelegentlich im Rahmen schwerer systemischer Reaktionen mit Beteiligung von Leber, Lunge oder Niere vorkommen, muss Fluoxetin dann abgesetzt werden; seltene systemische Reaktionen auch ohne Hautbeteiligung. Bei Diabetikern sind häufigere Blutzuckerkontrollen anzuraten, da eine Hypoglykämie möglich ist, die nach Absetzen in eine Hyperglykämie umschlagen kann. In Einzelfällen: SIADH (7 Kap. 1.6), dann v. a. bei älteren Patienten; Zunahme der EPS bei Patienten mit vorbestehendem Morbus Parkinson. Nebenwirkungsprofil 7 Kap. 1.6.
Kontraindikationen 5
Bei Kombination mit MAOH sollten diese 14 Tage vor Behandlung mit Fluoxetin abgesetzt werden; nach Absetzen von Fluoxetin sollten wegen der langen Halbwertszeit des Metaboliten Norfluoxetin 5 Wochen verstreichen, bevor ein MAOH verordnet werden kann; nach Absetzen des reversiblen MAOH Moclobemid ist ein Wechsel auf Fluoxetin am übernächsten Tag möglich. 5 Relative Kontraindikationen: schwere Leber- und Nierenerkrankungen; erhöhte Krampfbereitschaft.
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1.13 · Präparate
1
Interaktionen 5
5 5 5
5
Bei Kombination mit TZA und bestimmten Antipsychotika bzw. Benzodiazepinen evtl. deutlicher Anstieg von deren vorher stabilen Plasmaspiegeln (bis auf das 2- bis 4-fache), da potenter Inhibitor von CYP 2D6 (Tabelle 1.6). Mögliche Erhöhung der Plasmaspiegel einiger Benzodiazepine wegen verzögerter Elimination. Mögliche Verstärkung von EPS bei Kombination mit Antipsychotika. Wegen der langen Halbwertszeiten von Fluoxetin und besonders von Norfluoxetin kann 2–3 Wochen nach Absetzen von Fluoxetin immer noch ein Interaktionsrisiko bestehen. Bei Kombination mit Lithium und Arzneimitteln mit serotonerger Wirkung (Tramadol, Triptane, Tryptophan, Johanniskrautpräparate) sind pharmakodynamische Wirkungs- und Nebenwirkungsverstärkungen möglich.
! Bei Kombination mit Amitriptylin oder Tramadol Berichte über Intoxi-
kationen. 5
Weitere Interaktionen s. Kontraindikationen und 7 Kap. 1.8.
Bewertung
Wirksames nichtsedierendes AD mit breitem Indikationsspektrum.
Antidepressivum
Fluvoxamin
Selektiver Serotoninrückaufnahmehemmer (SSRI) Fevarin (Solvay Arzneimittel) Tbl.50, 100 mg (20, 50, 100 Tbl.)
Fluvoxamin beta (betapharm) Tbl.50, 100 mg
Fluvohexal (Hexal) Tbl.50, 100 mg
fluvoxamin-neuraxpharm (neuraxpharm) Tbl.25, 50, 100 mg
Fluvoxadura (Merck dura) Tbl.50, 100 mg Fluvoxamin AL-neuraxpharm (Aliud Pharma) Tbl.50, 100 mg
Fluvoxamin-ratiopharm (ratiopharm) Tbl.50, 100 mg Fluvoxamin Stada (Stadapharm) Tbl.50, 100 mg
Pharmakodynamik 5 5
Selektive 5-HT-Rückaufnahmehemmung. Keine anticholinergen oder antihistaminergen Eigenschaften.
74
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
Kapitel 1 · Antidepressiva
Pharmakokinetik 5 t½=ca. 20 h; Proteinbindungskapazität 77%. 5 Keine aktiven Metaboliten. 5 Plasmakonzentration: 150–300 ng/ml(p).
Indikationen und Behandlungshinweise
Depressive Erkrankungenz. Hinweise auf Wirksamkeit bei Zwangsstörung, Panikstörung, sozialer Phobie, Binge Eating. Erste Hinweise auf Wirksamkeit bei Bulimie. 5 Routineuntersuchungen: 7 Kap. 1.9. 5 5
Dosierung 5 5 5
Depressive Störungen: 100 mg/Tag, später 200 mg/Tag möglich. Bei Panikstörung 150 mg/Tag. Bei Zwangsstörung sind wahrscheinlich höhere Dosierungen von ca. 250 mg/Tag erforderlich. 5 Tageshöchstdosis 300 mg. 5 Bei eingeschränkter Leber- bzw. Nierenfunktion Dosisanpassung bzw. Verlängerung des Dosierungsintervalls. Nebenwirkungen 5
Häufig: besonders in der Anfangsphase Appetitlosigkeit, Übelkeit, gelegentlich Erbrechen; Diarrhö; v. a. bei höheren Dosierungen innere Unruhe und Agitiertheit, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Tremor, Schwindel; Zwangsgähnen. 5 Gelegentlich: sexuelle Funktionsstörungen, insbesondere Ejakulationsverzögerung, Libidominderungen, Orgasmusstörungen (unter den SSRI wahrscheinlich aber geringste Rate). 5 In Einzelfällen: SIADH (7 Kap. 1.6), dann v. a. bei älteren Patienten. 5 Nebenwirkungsprofil 7 Kap. 1.6. Kontraindikationen 5 5
Kombination mit tryptophanhaltigen Arzneimitteln. Kombination mit MAOH; MAOH können frühestens 7 Tage nach Absetzen von Fluvoxamin angesetzt werden; Fluvoxamin kann 14 Tage nach Absetzen eines irreversiblen MAOH bzw. 2 Tage nach Absetzen von Moclobemid angesetzt werden. 5 Relative Kontraindikationen: schwere Leber- und Nierenstörungen, erhöhte Krampfbereitschaft.
1.13 · Präparate
75
1
Interaktionen 5
Erhöhte Plasmakonzentrationen von Clozapin, Amitriptylin, Clomipramin, Imipramin, Carbamazepin, Phenytoin sowie einigen Benzodiazepinen, da potenter Inhibitor von CYP 1A2 und CYP 2C19 (. Tabelle 16.1). Bei Kombination Kontrolle der Plasmaspiegel. 5 Weitere Interaktionen s. o. (Kontraindikationen) und 7 Kap. 1.8. Bewertung
Wirksames nichtsedierendes AD mit breitem Indikationsspektrum.
Hypericum Extract/Johanniskraut
Antidepressivum
Pflanzliches Antidepressivum Es werden nur die Präparate aufgelistet, bei denen zumindest in einer methodisch befriedigenden kontrollierten Studie die Wirksamkeit überprüft wurde:
Aristo 350 (Steiner) Neuroplant (Dr. Wilmar Schwabe Arzneimittel) Kps. 350 mg Trockenextrakt aus Johanniskraut (30, 60, 100 Kps.) Tbl. 300 mg Trockenextrakt aus Johanniskraut (60, 100 Tbl.) Esbericum forte (Schaper & Brümmer) Tbl. 600 mg (20, 60, 100 Tbl.) Kps. 250 mg Trockenextrakt aus (Neuroplant 1•1) Johanniskraut (60, 100 Kps.) Psychotonin 300 (Steigerwald) Drg. 250 mg Trockenextrakt aus Johanniskraut (30, 60, 100 Drg.) Kps. 300 mg Trockenextrakt aus Johanniskraut (60, 100 Kps.) Jarsin 300 (Lichtwer) Drg. 300 mg Trockenextrakt aus Remotiv (Bayer Vital) Johanniskraut (60, 100 Drg.) Tbl. 250 mg Trockenextrakt aus Johanniskraut (30, 60, 100 Tbl.) Dosierung 5
3-mal 300–350 mg/Tag Johanniskrauttrockenextrakt; jedoch sind Dosis-Wirkungs-Beziehungen bisher kaum untersucht. Die Dosis wird meist zu niedrig gewählt.
Nebenwirkungen 5
Johanniskrautpräparate können zur Photosensibilisierung führen. Sonst meist sehr gute Verträglichkeit: s. allerdings Interaktionsrisiken.
Interaktionen 5
Induziert CYP 3A4; über die Reduktion der Serumspiegel von Digoxin, Indinavir und andere Proteaseinhibitoren, Midazolam, Amitrip-
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Kapitel 1 · Antidepressiva
tylin, Theophyllin, Ciclosporin und Antikoagulanzien vom Cumarintyp (Phenprocoumon, Warfarin) wurde berichtet. In Einzelfällen kann es auch zu einer Wirkungsabschwächung von Kontrazeptiva und Zwischenblutungen kommen. 5 Bei gleichzeitiger Einnahme bestimmter Antidepressiva (insbesondere SSRI) können in Einzelfällen serotonerge Effekte (wie z. B. Übelkeit, Angst, Unruhe, Verwirrtheit) verstärkt auftreten. Unter der Kombination mit Sertralin und Paroxetin ist es zu einem Serotoninsyndrom gekommen. Bewertung
Nur bei den hier genannten Präparaten ist die Zusammensetzung und Stabilität des jeweiligen Extraktes bekannt (besonders der Anteil Hyperforin); der Gehalt sollte bekanntgegeben werden. Es gibt jetzt eine größere Anzahl von placebokontrollierten Studien bei leichter bis mittelschwerer Depression mit Überlegenheit für Johanniskrautpräparate. Neue Studien zeigen allerdings gegenüber Placebo und Standardantidepressiva uneinheitliche Ergebnisse. Für schwere depressive Störungen gibt es neue Studienergebnisse, die eine Wirksamkeit auch bei dieser Patientengruppe nahe legen (Extrakt WS 5570). Johanniskrautpräparate könnten nach neuen Studienergebnissen auch bei somatoformen Störungen klinisch nutzbare Effekte zeigen (Extrakt LI 160). Besonders zu beachten sind mögliche pharmakokinetische Interaktionen, insbesondere Wirkungsabschwächungen von gleichzeitig verabreichten Substraten von CYP3A4.
Imipramin
Antidepressivum
Trizyklisches Antidepressivum Imipramin-neuraxpharm (neuraxpharm) Drg. 10, 25 mg
Tofranil (Novartis) Drg. 10 mg (20, 50, 100 Drg.) (Tofranil mite) Drg. 25, 50 mg
Pryleugan (Arzneimittelwerk Dresden) Amp. 25 mg/2 ml (10 Amp.) Drg. 10, 25 mg
16 17
Pharmakodynamik 5 5
Etwa gleich starke Rückaufnahmehemmung von NA und 5-HT. Anticholinerge und α1-antagonistische Effekte.
1.13 · Präparate
77
1
Pharmakokinetik 5 t½=11–25 h; Tmax=2,2 h; orale Bioverfügbarkeit ca. 22–77%; Plasmapro5 5
teinbindung ca. 90%. Hauptmetabolit Desipramin (pharmakologisch aktiv). Plasmakonzentration (Imipramin plus Desipramin): 175–300 ng/mlp.
Indikationen und Behandlungshinweise 5 5 5
5 5 5
Depressive Syndrome unabhängig von ihrer nosologischen Einordnungz. Langfristige Schmerzbehandlung im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzeptesz. Zur Behandlung von Enuresis (ab einem Alter von 5 Jahren und Ausschluss organischer Ursachen) und Pavor nocturnus im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzeptsz. Hinweise zur Wirksamkeit bei Panikstörung, generalisierter Angststörung, Bulimie. Erste Hinweise zur Wirksamkeit bei Kataplexie bei Narkolepsie. Routineuntersuchungen: 7 Kap. 1.9.
Dosierung 5
Oral: – Depressive Störungen: in den ersten 3 Tagen 2- bis 3-mal 25 mg, Erhaltungsdosis 3-mal 50 mg bzw. 3-mal 75 mg, in Ausnahmefällen bis 3-mal 100 mg/Tag. – Panikstörung: Beginn mit niedrigeren Dosen (20–25 mg/Tag), da initial auftretende Nebenwirkungen zuweilen als Verschlechterung verkannt werden können; Erhaltungsdosis wie bei antidepressiver Therapie (jedoch auch Wirksamkeit von niedrigeren Dosen beschrieben – 50–100 mg/Tag). – Enuresis: Beginn mit 10 mg, dann Erhaltungsdosis bei 5- bis 7-jährigen Kindern 20 mg; bei 8- bis 14-jährigen Kindern 50 mg/Tag. – Kataplektische Symptomatik im Rahmen einer Narkolepsie: 25– 100 mg/Tag. 5 Parenteral: Möglichkeit der i.m.-Injektion (Anwendung kann generell nicht empfohlen werden, allenfalls beim depressiven Stupor nach Versuch mit Lorazepam; Beginn mit 3-mal 1 Amp. i.m./Tag, dann tägliche Steigerung um 1 Amp. [bis 8 Amp.], danach wieder tägliche Reduktion um 1 Amp., die jeweils um 50 mg und durch Dragée-Form ersetzt wird, anschließend Übergang auf orale Erhaltungsdosis). Nebenwirkungen 5
Häufig: besonders in den ersten Tagen anticholinerge Nebenwirkungen: Trockenheit der Schleimhäute, Akkommodationsstörungen, Obs-
78
1 2
Kapitel 1 · Antidepressiva
tipation, Harnverhalt; Hypotonie und Tachykardie; Störungen der Erregungsleitung des Herzens; Gewichtszunahme. 5 Selten: innere Unruhe, Schlafstörungen, Schweißausbrüche, Schwindel, Kopfschmerzen. 5 Nebenwirkungsprofil 7 Kap. 1.6.
3
Kontraindikationen
4
5 5
5 6
Harnverhalt, Engwinkelglaukom, Prostatahypertrophie. Relative Kontraindikationen: schwere Leber- und Nierenerkrankungen; erhöhte Krampfbereitschaft; kardiale Vorschädigung (insbesondere Erregungsleitungsstörungen und koronare Herzerkrankung); Kombination mit MAOH (unter stationären Bedingungen möglich, 7 Kap. 1.12).
Interaktionen
7 8 9 10 11 12 13
5
Kombination mit Fluvoxamin oder Inhibitoren von CYP 2D6 erhöht die Plasmaspiegel von Imipramin und Desipramin; daher Plasmaspiegel bei Kombination kontrollieren. 5 Weitere Interaktionen 7 Kap. 1.8. Bewertung
Wirksames AD mit deutlichen anticholinergen Eigenschaften.
Lofepramin
Antidepressivum
Trizyklisches Antidepressivum Gamonil (Merck) Tbl. 70 mg (20, 50, 100 Tbl.) Dosierung
14 15
5
Anfangs- und Erhaltungsdosis 2-mal 70 mg bzw. 4-mal 35 mg/Tag oral; Erhöhung auf 210 mg, ggf. auch höher; bei älteren Patienten niedrigere Dosis.
Bewertung
16 17
Aufgrund der Vielzahl der im Handel befindlichen und neu entwickelten AD für die psychiatrische Pharmakotherapie bei depressiven Störungenz entbehrlich.
79
1.13 · Präparate
1
Antidepressivum
Maprotilin Deprilept (Lundbeck) Tbl. 25, 50, 75 mg
Maprotilin-ratiopharm (ratiopharm)
Ludiomil (Novartis) Tbl. 25, 50, 75 mg (20, 50, 100 Tbl.) Amp. 25 mg/5 ml
Tbl.
25, 50, 75 mg
Maprotilin-neuraxpharm (neuraxpharm)
Maprolu (Hexal) Tbl. 10, 25, 50, 75 mg Amp. 25 mg/5 ml
Tbl. 25, 50, 75 mg Amp. 25 mg/2 ml
Maprotilin (Holsten) Tbl. 25, 50, 75 mg
Maprotilin von ct (ct-Arzneimittel)
Tbl.
25, 50, 75 mg
Pharmakodynamik 5
Relativ selektive NA-Rückaufnahmehemmung, außerdem antihistaminerge Wirkkomponente und α1-Antagonismus. »Tetrazyklisches« AD (strukturchemisch sehr enge Verwandtschaft zu TZA). 5 Etwas geringere anticholinerge Wirksamkeit als TZA. Pharmakokinetik 5 t½=20–58 h; Tmax=6–8 h; orale Bioverfügbarkeit 66–70%; Plasmaprote5 5
inbindung 88–89%. Hauptmetabolit N-Desmethylmaprotilin (pharmakologisch aktiv). Plasmakonzentration: 125–200 ng/ml(p).
Indikationen und Behandlungshinweise 5 5 5
Depressive Erkrankungen. Maprotilin hat sedierende Eigenschaften. Routineuntersuchungen: 7 Kap. 1.9.
Dosierung 5
Oral: Beginn mit 3-mal 25 mg oder 1-mal 75 mg abends, Erhaltungsdosis 1-mal 75 mg bis 2-mal 75 mg (oder 3-mal 50 mg)/Tag, auch höhere Dosen werden gut vertragen (dann jedoch erhöhtes Krampfrisiko); bei älteren Patienten geringere Dosis. 5 Parenteral: als Tropfinfusion 3–6 Amp. (75–150 mg) in 500 ml Standardinfusionslösung; Infusionsdauer 2–3 h; später Übergang auf orale Medikation.
80
1 2
Nebenwirkungen 5 5 5
3 4 5 6 7 8 9
Kapitel 1 · Antidepressiva
5 5 5
Ähnliches Nebenwirkungsspektrum wie TZA; Häufig: anticholinerge Nebenwirkungen (besonders Mundtrockenheit), v. a. in höheren Dosen. Gelegentlich: vorübergehende Schwindelgefühle, orthostatische Hypotonie; Störungen der Erregungsleitung des Herzens ; Gewichtszunahme. Krampfauslösung dosisabhängig häufiger als bei anderen AD. Häufiger allergische Hautreaktionen als bei anderen AD. Nebenwirkungsprofil 7 Kap. 1.6.
Kontraindikationen 5 5
Harnverhalt, Engwinkelglaukom, Prostatahypertrophie. Relative Kontraindikationen: schwere Leber- und Nierenerkrankungen; erhöhte Krampfbereitschaft; kardiale Vorschädigung (insbesondere Erregungsleitungsstörungen und koronare Herzerkrankung); Kombination mit MAOH. Interaktionen (siehe Kontraindikationen und 7 Kap. 1.8.)
Bewertung
Wirksames AD mit sedierenden und mäßig anticholinergen Eigenschaften.
10 Mianserin
Antidepressivum
11 12
Mianeurin (Hexal) Tbl. 10, 30 mg
13
mianserin von ct (ct-Arzneimittel) Tbl. 10, 30 mg
14
Mianserin (Holsten) Tbl. 10, 30 mg
15
Mianserin-neuraxpharm (Neuraxpharm) Tbl. 10, 30, 60 mg
16
Dosierung 5
17
Mianserin-ratiopharm (ratiopharm) Tbl. 10, 30 mg Prisma (Thiemann) Tbl. 30 mg Tolvin (Organon) Tbl. 10, 30, 60 mg
Beginn mit 3-mal 10 mg oral, bei ambulanter Behandlung älterer Patienten kann mit einer niedrigeren Dosis begonnen werden, Erhaltungsdosis 60–120 mg/Tag oral, Hauptdosis abends; Höchstdosis 180 mg. 5 Plasmakonzentration: 15–70 ng/ml(p).
1.13 · Präparate
81
1
Bewertung
Wirksames AD mit sedierenden Eigenschaften; aufgrund der Ähnlichkeit zu Mirtazapin, aber deutlich stärkeren Nebenwirkungsrisiken kann auf Mianserin in der psychiatrischen Pharmakotherapie bei depressiven Störungenz verzichtet werden. ! Wegen möglicher Granulozytopenien werden von den Herstellern
wöchentliche Kontrollen des weißen Blutbildes empfohlen (Aufklärung über Agranulozytose bzw. Knochenmarkdepression!). In der Anamnese sind bekannte Leukopenien Kontraindikationen.
Milnacipran2
Antidepressivum
Selektiver Serotonin- und Noradrenalinrückaufnahmehemmer 5
5
5
5 5
5
2
Milnacipran ist ein AD, das die Rückaufnahme von Serotonin und Noradrenalin etwa gleich stark hemmt und keine signifikante Affinität zu α1-adrenergen, H1-histaminergen, dopaminergen, serotonergen und muskarinischen cholinergen Rezeptoren besitzt. Gute orale Bioverfügbarkeit (>85%); geringe Plasmaproteinbindung 13%; einfacher Metabolismus (überwiegende Glukuroniderung); überwiegend renale Elimination. Geringes Interaktionspotenzial durch unwesentliche Beeinflussung von CYP 2D6, CYP 2C19, CYP 3A4 und CYP 1A2. In kontrollierten Studien wurde eine antidepressive Wirksamkeit beschrieben, die Amitriptylin, Imipramin, Clomipramin und verschiedenen SSRI vergleichbar war. Übliche Dosierung 100–200 mg/Tag in 2 Tagesdosen. Häufigste unerwünschte Wirkungen sind bei insgesamt guter Verträglichkeit: Agitation, Tremor, Dysurie, Schlafstörungen, Schwitzen, Übelkeit, sexuelle Funktionsstörungen. Die Substanz zeigt keine erhöhte Rate von anticholinergen Wirkungen, keine Kardiotoxizität, ist bei akzidenteller Überdosierung weniger toxisch als TZA und führt nicht zu Gewichtszunahme. Kontraindiziert bei Prostatahypertrophie sowie in Kombination mit MAO-Hemmern.
Milnacipran ist in Deutschland nicht eingeführt, in Österreich aber zugelassen.
82
1
Kapitel 1 · Antidepressiva
Mirtazapin3
Antidepressivum
Noradrenerges und spezifisch serotonerges
2 3 4
Amp. 6 mg (10 Amp.) Remergil (Organon) 15 mg (12 Amp.) SolTab. 15 mg (6, 48 Schmelz Tbl.) 30,45 mg (18, 48, 96 Schmelz Oral Lsg. 15 mg/ml (66 ml Flasche) Tbl.) Pharmakodynamik
5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
Zentral wirksamer präsynaptischer α2- (schwächer auch α1-) Antagonist, dadurch indirekte Verstärkung der noradrenergen und serotonergen Neurotransmission. 5 Postsynaptischer 5-HT2- und 5-HT3-Antagonismus führt zur vermehrten Stimulation von 5-HT1-Rezeptoren. 5 Zusätzlich potente antihistaminerge Wirkung. 5 Keine anticholinerge Wirkung. 5
Pharmakokinetik 5 t½=20–40 h
(Steady state nach 3–4 Tagen); Tmax=ca. 2 h, orale Bioverfügbarkeit ca. 50%; Plasmaproteinbindung 85%. 5 Extensive Metabolisierung, demethyliertes Derivat ist pharmakologisch schwach aktiv und zeigt das gleiche pharmakokinetische Verhalten wie die Muttersubstanz. 5 Plasmakonzentration: 40–80 ng/ml(p). Indikationen und Behandlungshinweise 5 5 5
Depressive Erkrankungenz (insbesondere mit Schlafstörungen). Im Gegensatz zu TZA und SSRI kaum sexuelle Funktionsstörungen. Routineuntersuchungen: 7 Kap. 1.9.
Dosierung 5
Oral (auch SolTabs): Initialdosis 15–30 mg, Erhaltungstherapie 30 bis 45 mg/Tag; Applikation vorzugsweise abends bzw. spätabends. 5 Zur Schlafinduktion ohne depressive Störung 15 mg abends. 5 Parenteral: Initial 6 mg/Tag; innerhalb von 14 Tagen sukzessive Steigerung bis auf 21 mg/Tag. Nebenwirkungen 5
3
Häufig: Müdigkeit, Benommenheit, Mundtrockenheit, Appetit- und Gewichtszunahme.
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1.13 · Präparate
1
5 5
Selten: orthostatische Hypotonie; Tremor; Faszikulationen; Ödeme. In Einzelfälen: epileptische Anfälle; Eosinophilie; Erhöhung von Leberwerten. 5 Nebenwirkungsprofil 7 Kap. 1.6. Kontraindikationen 5 5
Bekannte Leukopenien. Kombination mit MAOH; aus Sicherheitsgründen sollte ein Abstand von 14 Tagen nach Absetzen von MAOH eingehalten werden. 5 Relative Kontraindikationen: schwere Leber- und Nierenfunktionserkrankungen; erhöhte Krampfbereitschaft; Vorsicht bei Harnverhalt und Engwinkelglaukom (obwohl kaum anticholinerge Wirksamkeit, s. o.). Interaktionen 5 5
Geringes Interaktionspotenzial. Bei Kombination mit Carbamazepin ist mit beschleunigtem Abbau von Mirtazapin zu rechnen; evtl. Dosiserhöhung von Mirtazapin. 5 Bei Kombination mit Lithium sind pharmakodynamische Wirkungsund Nebenwirkungsverstärkungen möglich. 5 Siehe Kontraindikationen und 7 Kap. 1.8. Bewertung
Wirksames AD mit anfänglich sedierenden Eigenschaften. In den ersten 2 Behandlungswochen Vorteile hinsichtlich des Wirkungseintritts im Vergleich zu SSRI beschrieben. Metanalaysen zufolge Vorteile gegenüber SSRI.
Antidepressivum
Moclobemid
Monoaminooxidasehemmer (MAOH) Aurorix (Roche) Tbl. 150, 300 mg (20, 50, 100 Tbl.) Moclix (Hexal) Tbl. 150, 300 mg Moclobemid 1A (1A Pharma) Tbl. 150, 300 mg Moclobemid AL (Aliud) Tbl. 150, 300 mg
Moclobemid-Puren (AlpharmaIsis) Tbl. 150, 300 mg Moclobemid Sandoz (Sandoz) Tbl. 150, 300 mg Moclobemid-ratiopharm (ratiopharm) Tbl. 150, 300 mg Moclobemid Stada (Stadapharm) Tbl. 150, 300 mg
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1 2
Kapitel 1 · Antidepressiva
Moclobemid von ct (ct Arzneimittel) Tbl. 150, 300 mg Moclobeta (betapharm) Tbl. 150, 300 mg
3
Pharmakodynamik
4
5 5
5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
Moclodura (Merck dura) Tbl. 150, 300 mg Moclonorm (esparma) Tbl. 150, 300 mg
Kurzwirksamer selektiver reversibler MAOH vom A-Typ. Abklingen der MAO-Hemmung nach Absetzen innerhalb von 24 h (bei irreversiblen MAOH innerhalb von 7–10 Tagen). 5 Keine Rückaufnahmehemmung biogener Amine, keine Interaktionen mit Rezeptoren für Neurotransmitter. Pharmakokinetik 5 t½=2–7 h; Bioverfügbarkeit 50–80%; nach Mehrfachdosierung im Lau-
fe einer Woche Erhöhung auf 80% (vermutlich durch ein abbauhemmendes Zwischen- oder Endprodukt). 5 Extensive und komplexe Metabolisierung, keine relevanten aktiven Metaboliten. 5 Pharmakokinetisch bedingte Vorteile gegenüber irreversiblen nichtselektiven MAOH im Hinblick auf gefürchtete Nebenwirkungen wie hypertensive Krisen nach Einnahme von tyraminhaltigen Nahrungsmitteln: Aufgrund des kompetitiven Hemmechanismus ist eine Verdrängung von Moclobemid durch Tyramin aus der Bindung an die MAO-A möglich, die dadurch für die Inaktivierung von biogenen Aminen – wie Tyramin selbst – frei wird; außerdem kann Tyramin z. T. noch über die MAO-B abgebaut werden; Vorteil: Tyraminarme Diät nicht mehr erforderlich, keine Karenzzeit bei Gabe von TZA oder operativen Eingriffen, erheblich kürzere Karenzzeit bei Gabe von SSRI. 5 Plasmakonzentration: 300–1000 ng/ml(p). Indikationen und Behandlungshinweise
Depressive Syndromez. Soziale Phobiez. Keine sexuellen Funktionsstörungen. Keine Kontraindikationen für Engwinkelglaukom und Prostatahypertrophie, da anticholinerge Eigenschaften fehlen. 5 Keine Hinweise auf kardiotoxische Wirkung. 5 In Dosen bis 600 mg/Tag bisher keine hypertensiven Krisen; Empfehlung einer tyraminarmen Diät nicht nötig. 5 Routineuntersuchungen: 7 Kap. 1.9. 5 5 5 5
1.13 · Präparate
85
1
Dosierung 5
Tagesdosis 300–600 mg; initial 300–450 mg in 2–3 Einzeldosen, danach kann schnell auf 600 mg/Tag gesteigert werden; bei sozialer Phobie 600 mg/Tag. 5 Keine altersabhängige Dosisanpassung oder Dosisverringerung bei eingeschränkter Nierenfunktion notwendig, jedoch Dosisanpassung bei schwerer chronischer Leberinsuffizienz (erheblich reduzierter First-pass-Effekt, Erhöhung der Plasmakonzentration auf das 3-fache, Verlängerung der Eliminationshalbwertszeit auf das 2- bis 3-fache). Nebenwirkungen 5
Insgesamt gering; im Vergleich zu TZA deutlich weniger vegetative bzw. anticholinerge Nebenwirkungen. 5 Gelegentlich: Schlafstörungen, leichte Übelkeit. 5 Unter therapeutischen Moclobemid-Dosierungen bei Tyraminmengen von 100–150 mg pro Mahlzeit keine klinisch relevanten Blutdruckanstiege, jedoch sollten Nahrungsmittel mit sehr hohem Tyramingehalt sicherheitshalber vermieden werden, da entsprechende unerwünschte Wirkungen niemals gänzlich ausgeschlossen werden können; Vorsicht nach wie vor z. B. bei bestimmten Käsesorten (100 g Cheddar enthalten 10–100 mg Tyramin, 100 g Stilton ca. 50 mg Tyramin). 5 Nebenwirkungsprofil 7 Kap. 1.6. Kontraindikationen 5 5
Phäochromozytom, Thyreotoxikose. Bei Umstellung auf ein anderes Antidepressivum wegen der kurzen biologischen Wirkdauer keine Karenzzeit notwendig; Wechsel auf SSRI scheint am übernächsten Tag nach Absetzen von Moclobemid möglich; soll Moclobemid nach Absetzen eines SSRI gegeben werden, ist im Fall von Clomipramin, Fluvoxamin, Sertralin, Venlafaxin und Paroxetin eine Karenzzeit von mindestens 1–2 Wochen (je nach vorheriger Dosis) einzuhalten; nach Absetzen von Venlafaxin wird wegen dessen kürzerer Halbwertszeit eine Woche für ausreichend gehalten; bei Fluoxetin Verlängerung der Karenzzeit aufgrund der langen Halbwertszeit der Muttersubstanz und des pharmakologisch aktiven Metaboliten auf 5 Wochen.
! Bei Kombination mit 5HT1-Agonisten wie Sumatriptan, Naratriptan,
Rizatriptan oder Zolmitriptan zur Migränebehandlung Gefahr eines Serotoninsyndroms. 5
Relative Kontraindikationen: Suizidalität (bei bestehender Suizidalität kann auf Moclobemid zurückgegriffen werden, wenn eine vorüberge-
86
hende Kombination mit Benzodiazepinen, auch in höheren Dosen, vertretbar ist)
1 2 3 4 5 6 7 8 9
Kapitel 1 · Antidepressiva
Interaktionen 5
Kombination mit bestimmten TZA nach Einzelfallbeobachtungen unter stationären Bedingungen möglich (Amitriptylin, Doxepin, Trimipramin, 7 Kap. 1.12); wegen unzureichender Datenlage sollten jedoch die Empfehlungen zur Kombinationsbehandlung von TZA mit irreversiblen MAOH auch auf Moclobemid angewandt werden. 5 Moclobemid hemmt CYP 2C19 und CYP 2D6; daher kann es bei Kombination mit Arzneimitteln, die über diese Enzyme abgebaut werden, zu einem Anstieg der Plasmaspiegel kommen (Tabellen 16.3 und 16.4). 5 In der Literatur mehrere Berichte über – überwiegend tödlich verlaufene – Fälle von zentralem Serotoninsyndrom unter Kombination mit Clomipramin bzw. mit Citalopram (bei allerdings meist sehr hohen bzw. Überdosen). 5 Siehe Kontraindikationen und 7 Kap. 1.8. Bewertung
Wirksames nichtsedierendes AD. Es gibt Hinweise, dass Patienten mit schwerer Depression Dosen über 450 mg/Tag benötigen.
10 Nortriptylin
11 12 13
Antidepressivum
Trizyklisches Antidepressivum Nortrilen (Lundbeck) Drg. 10 mg (20, 50 Drg.) Drg. 25 mg (20, 50, 100 Drg.) Pharmakodynamik
14 15 16 17
5
Stärkere Hemmung der NA- als der 5-HT-Rückaufnahme.
Pharmakokinetik 5 t½: ca. 30 h; Tmax=4–6 h; Plasmaproteinbindung 93–95%. 5 Metabolisierung bevorzugt über CYP 2D6, Hauptmetabolit
ist 10-Hy-
droxynortriptylin. 5 Plasmakonzentration: 70–140 ng/mlp. Indikationen und Behandlungshinweise 5 5
Depressive Zustandsbilder jeglicher Ätiologiez; keine sedierenden Eigenschaften, Wirkungsspektrum ähnlich wie Desipramin.
1.13 · Präparate
87
1
5
Bei Patienten, die zu orthostatischen Dysregulationen neigen, ist bei der Wahl eines TZA Nortriptylin vorzuziehen. 5 Routineuntersuchungen: 7 Kap. 1.9. Dosierung 5
In den ersten 3 Tagen mit 3-mal 10 mg bis 3-mal 25 mg beginnen, Erhaltungsdosis 100–150 mg, Höchstdosis 300 mg/Tag; bei älteren Patienten niedrigere Dosierung.
Nebenwirkungen 5 5
Vegetative Symptome in geringerem Ausmaß als unter Amitriptylin. Im Vergleich zu den übrigen TZA sehr viel geringeres Ausmaß von orthostatischen Dysregulationen; grundsätzlich ist bei allen TZA an mögliche Erregungsleitungsstörung des Herzens zu denken. 5 Nebenwirkungsprofil 7 Kap. 1.6. Kontraindikationen 5 5
Harnverhalt, Engwinkelglaukom, Prostatahypertrophie. Relative Kontraindikationen: Suizidalität (bei bestehender Suizidalität kann auf Nortriptylin zurückgegriffen werden, wenn eine vorübergehende Kombination mit Benzodiazepinen – auch in höherer Dosierung – vertretbar ist), schwere Leber- und Nierenerkrankung; erhöhte Krampfbereitschaft; kardiale Vorschädigung; Kombination mit MAOH.
Interaktionen 5
Kombination mit Fluoxetin, Paroxetin, Bupropion oder anderen Hemmstoffen von CYP 2D6 führt zum Anstieg der Plasmaspiegel von Nortriptylin; daher Kontrolle der Plasmaspiegel bei diesen Kombinationen. 5 Weitere Interaktionen s. Kontraindikationen und 7 Kap. 1.8. Bewertung
Wirksames nichtsedierendes AD; unter den TZA die geringsten Kreislaufnebenwirkungen.
88
1
Kapitel 1 · Antidepressiva
Antidepressivum
Paroxetin
Selektiver Serotoninrückaufnahmehemmer (SSRI)
2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
Euplix (Desitin) Tbl. 20 mg Oxet (AWD Pharma Tbl. 20 mg PaoLich (Lichtenstein) Tbl. 20 mg Paroxat (Hexal) Tbl. 20, 40 mg paroxedura (Merck dura) Tbl. 20, 30 mg Paroxetin 1A Pharma (1A Pharma) Tbl. 20 mg Paroxetin AbZ (AbZ Pharma) Tbl. 20 mg Paroxetin Al (Aliud Pharma) Tbl. 20 mg Paroxetin beta (betapharm) Tbl. 20 mg Paroxetin biomo (biomo) Tbl. 20 mg
Paroxetin-neuraxpharm (neuraxpharm) Tbl. 20 mg Paroxetin-ratiopharm (ratiopharm) Tbl. 20 mg Paroxetin Sandoz (Sandoz) Tbl. 20 mg Paroxetin Stada (Stada) Tbl. 20 mg Paroxetin TAD (TAD Pharma) Tbl. 20 mg paroxetin von ct (ct-Arzneimittel GmbH) Tbl. 20 mg Seroxat (SmithKline Beecham) Tbl. 20 mg (20, 50, 100 Tbl.) Susp. 2 mg=1 ml (150 ml) Tagonis (Janssen-Cilag) Tbl. 20 mg (20, 50, 100 Tbl.)
Pharmakodynamik 5
Selektive 5-HT-Rückaufnahmehemmung; Sehr schwache anticholinerge Potenz (unter den SSRI höchste Affinität für M-Cholinozeptoren; Wirkung aber etwa 15-mal schwächer ausgeprägt als bei Amitriptylin).
Pharmakokinetik
15
5 Rasche Resorption; hoher First-pass-Metabolismus. 5 t½=ca. 16 h (8–30 h) nach Einmalgabe, nach mehrmaliger Gabe Anstieg
16
5
17
auf etwa 18 h (12–44 h); Plasmabindungskapazität 95%. Keine biologisch aktiven Metaboliten; 5 Plasmakonzentration: 70120 ng/ml(p).
Indikationen und Behandlungshinweise 5 5 5
Depressive Erkrankungenz. Panikstörung mit u. ohne Agoraphobiez. Soziale Phobiez.
1.13 · Präparate
5 5 5 5 5
89
1
Generalisierte Angststörungz. Zwangsstörungz. Posttraumatische Belastungsstörungz. Hinweise auf Wirksamkeit beim prämenstruellem Syndrom. Routineuntersuchungen: 7 Kap. 1.9.
Dosierung 5 5 5 5 5
Depressive Störungen: 20 mg in einer morgendlichen Einzeldosis (niedrigste wirksame Dosis und Erhaltungsdosis). Panikstörung: mit 10 mg beginnen, dann 20 mg; Hinweise für 40 mg als optimale Tagesdosis in einer kontrollierten Studie. Generalisierte Angststörung und PTSD: 20 mg; Höchstdosis 60 mg, bei älteren Patienten 40 mg. Zwangsstörung: Oft sind höhere Dosen erforderlich (z. B. 60 mg). Bei eingeschränkter Leber- oder Nierenfunktion: Dosisanpassung oder Verlängerung des Dosierungsintervalls.
Nebenwirkungen 5
5 5
5 5
Häufig: besonders in der Anfangsphase Appetitlosigkeit, Übelkeit, gelegentlich Erbrechen, Obstipation; v. a. bei höheren Dosierungen innere Unruhe und Agitiertheit, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Tremor, Schwindel; Zwangsgähnen. Gelegentlich: sexuelle Funktionsstörungen, insbesondere Ejakulationsverzögerung, Libidominderungen, Orgasmusstörungen. In Einzelfällen: SIADH (7 Kap. 1.6), Hyponatriämie, dann v. a. bei älteren Patienten in den ersten zwei Behandlungswochen; Erhöhung des LDL-Cholesterins (bei Patienten mit Herzkreislaufrisiko sollte darauf besonders geachtet werden). Absetzsyndrome (7 Kap. 1.6) sind unter Paroxetin häufiger als unter anderen SSRI beschrieben. Nebenwirkungsprofil 7 Kap. 1.6.
Kontraindikationen 5
Kombination mit MAOH; MAOH können frühestens 7 Tage nach Absetzen von Paroxetin angesetzt werden; Paroxetin kann 14 Tage nach Absetzen eines irreversiblen MAOH bzw. 2 Tage nach Absetzen von Moclobemid angesetzt werden. 5 Kombination mit tryptophanhaltigen Arzneimitteln. 5 Relative Kontraindikationen: schwere Leber- und Nierenerkrankungen; erhöhte Krampfbereitschaft; wegen geringer anticholinerger Eigenschaften nur sehr geringe Kontraindikationen für Engwinkelglaukom oder Prostatahypertrophie.
90
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Kapitel 1 · Antidepressiva
Interaktionen 5
Bei Kombination mit TZA und bestimmten Antipsychotika und Benzodiazepinen evtl. deutlicher Anstieg von deren vorher stabilen Plasmaspiegeln (bis auf das 2- bis 4-fache), da potenter Inhibitor von CYP 2D6 (Tabelle 16.4). Bei Kombination mit TZA Kontrolle der TZA-Plasmaspiegel. 5 Bei Kombination mit Metoprolol 7- bis 10-facher Anstieg der Plasmaspiegel von Metoprolol, kann zu Bradykardie und Verlust der Kardioselektivität führen. 5 Bei Kombination mit Lithium sind pharmakodynamische Wirkungsund Nebenwirkungsverstärkungen möglich. 5 Weitere Interaktionen s. o. Kontraindikationen und 7 Kap. 1.8. Bewertung
Wirksames nichtsedierendes AD mit breitem Indikationsspektrum.
Antidepressivum
Reboxetin
Selektiver Noradrenalinrückaufnahmehemmer Edronax (Pharmacia) Tbl. 4 mg
Solvex (Merz) Tbl. 4 mg
Pharmakodynamik
11 12 13
5 5
Selektiver Hemmstoff der Noradrenalinrückaufnahme. Kein direkter Effekt an β1-adrenergen und muskarinischen Azetylcholinrezeptoren. 5 Vegetative Nebenwirkungen meist als sympathomimetische Effekte durch NA-Rückaufnahmehemmung möglich. Pharmakokinetik
14 15 16 17
5 5 5
Schnelle Resorption; Tmax=2 h; t½=13–30 h; Steady state nach 5 Tagen. Orale Bioverfügbarkeit 60%; Bindung an Plasmaproteine >90%. Bevorzugte Metabolisierung über CYP 3A4, danach teilweise oder vollständige Glukuro- oder Sulfokonjugation. Keine pharmakologisch aktiven Metaboliten. 5 Verlängerung der Halbwertszeit bei Leber- oder Niereninsuffizienz. 5 Plasmakonzentration: 10–100 ng/ml(p). Indikationen und Behandlungshinweise 5
Zur Behandlung akuter depressiver Erkrankungenz sowie in der Erhaltungstherapie.
1.13 · Präparate
5 5
91
1
Kaum Störungen der sexuellen Funktion. Routineuntersuchungen: 7 Kap. 1.9.
Dosierung 5
Initiale Dosis: 2-mal 2 mg für 3 Tage, danach 2-mal 4 mg/Tag als empfohlene Dosierung für Patienten bis 65 Jahre (bei älteren Patienten Tagesdosis 4 mg). 5 Bei Nichtansprechen Steigerung auf 10 mg möglich, Höchstdosis: 12 mg. ! Dosishalbierung bei Leber- oder Niereninsuffizienz (2-mal 2 mg/Tag).
Nebenwirkungen 5
Häufig: Mundtrockenheit; Obstipation; Hypotonie; Übelkeit; Kopfschmerzen; vermehrtes Schwitzen; Schlafstörungen. 5 Gelegentlich: Tachykardien; innere Unruhe; Tremor; Miktionsbeschwerden; Blasenentleerungsstörungen; sexuelle Funktionsstörungen (auch Fallbeschreibungen von schmerzhafter Ejakulation). ! Harnverhalt bei Männern, dann sofortiges Absetzen notwendig. 5
Nebenwirkungsprofil 7 Kap. 1.6.
Kontraindikationen 5
Relative Kontraindikationen: Niereninsuffizienz; kardiale Vorschädigung; Prostatahypertrophie, Blasenentleerungsstörungen, Glaukom. 5 Kombination mit Arzneimitteln: Vorsicht bei der Kombination mit Antihypertensiva und ergotaminhaltigen Arzneimittel. Kombination mit MAOH. Interaktionen 5 5
Nach derzeitiger Kenntnis sehr geringes Interaktionspotenzial. Bei Kombination mit Ketoconazol Anstieg der Plasmaspiegel von Reboxetin um 50%, scheinbar ohne klinische Bedeutung. 5 Weitere Interaktionen s. Kontraindikationen und 7 Kap. 1.8. Bewertung
Wirksames nichtsedierendes AD mit primär noradrenerger Komponente (ähnlich Viloxazin). Nebenwirkungen seltener als unter TZA, geringere Toxizität bei Überdosierungen im Vergleich zu TZA.
92
1
Kapitel 1 · Antidepressiva
Antidepressivum
Sertralin
Selektiver Serotoninrückaufnahmehemmer (SSRI)
2 3
Gladem (Boehringer Ingelheim) Tbl. 50 mg (20, 50, 100 Tbl.)
4
Pharmakodynamik
5
5 5 5
Zoloft (Pfizer) Tbl. 50, 100 mg (20, 50, 100 Tbl.) Lsg.-Konzentrat 60 ml
Selektive Hemmung der 5-HT-Rückaufnahme. Affinität zu σ-Bindungsstellen (klinische Relevanz unklar). Keine anticholinergen oder antihistaminergen Eigenschaften.
6
Pharmakokinetik
7
5 t½=ca. 26 h; Tmax=ca. 4–8 h; Plasmaproteinbindung 98%. 5 Ausgeprägter Metabolismus; Hauptmetabolit N-Desmethylsertralin
8
5
9 10 11 12 13 14 15 16 17
(t½=ca. 60–100 h) 20fach schwächer als Muttersubstanz. Plasmakonzentration: 10–50 ng/ml(p).
Indikationen und Behandlungshinweise
Depressive Erkrankungenz. Hinweise auf Wirksamkeit bei Zwangsstörung, Panikstörung, sozialer Phobie, posttraumatischer Belastungsstörung, prämenstruellem Syndrom. 5 Erste Hinweise auf Wirksamkeit bei generalisierter Angststörung. 5 Routineuntersuchungen: 7 Kap. 1.9. 5 5
Dosierung 5
50 mg in einer morgendlichen Einzeldosis (niedrigste wirksame Dosis und Erhaltungsdosis), Tageshöchstdosis 200 mg. 5 Bei eingeschränkter Leberfunktion Dosisanpassung oder Verlängerung des Dosierungsintervalls; bei Niereninsuffizienz nicht nötig. Nebenwirkungen 5
Häufig: besonders in der Anfangsphase Appetitlosikeit, Übelkeit, gelegentlich Erbrechen, Diarrhö; v. a. bei höheren Dosierungen und Therapiebeginn innere Unruhe und Agitiertheit, Schlafstörungen; Kopfschmerzen; Tremor; Schwindel; Zwangsgähnen. 5 Gelegentlich: sexuelle Funktionsstörungen, insbesondere Ejakulationsverzögerungen, Libidominderungen, Orgasmusstörungen; reversible Erhöhungen der Transaminasen, die nicht regelmäßig zum Absetzen zwingen
1.13 · Präparate
5 5
93
1
In Einzelfällen: SIADH (7 Kap. 1.6), dann v. a. bei älteren Patienten. Nebenwirkungsprofil 7 Kap. 1.6.
Kontraindikationen 5
Kombination mit MAOH; MAOH können frühestens 7 Tage nach Absetzen von Sertralin angesetzt werden; Sertralin kann 14 Tage nach Absetzen eines irreversiblen MAOH bzw. 2 Tage nach Absetzen von Moclobemid angesetzt werden. 5 Kombination mit Pimozid, Serotonin-Agonisten, Disulfiram. 5 Relative Kontraindikationen: schwere Lebererkrankungen; erhöhte Krampfbereitschaft. Interaktionen 5 5
Geringes pharmakokinetisches Interaktionspotenzial. Bei Kombination mit Lithium sind pharmakodynamische Wirkungsund Nebenwirkungsverstärkungen möglich. 5 Weitere Interaktionen 7 Kap. 1.8. Bewertung
Wirksames nichtsedierendes AD mit breitem Indikationsspektrum.
Tranylcypromin
Antidepressivum
Monoaminooxidasehemmer (MAOH) Jatrosom N (esparma) Drg. 10 mg (20, 50, 100 Drg.) Pharmakodynamik 5 5 5
Irreversibler nichtselektiver MAOH. Chemische Strukturähnlichkeit mit Amphetamin. 2 stereoisomere Formen: (+)-Tranylcypromin (hauptsächlich Hemmung der MAOH-B), (–)-Tranylcypromin (vornehmlich Beeinflussung der Rückaufnahme und Freisetzung biogener Amine).
Pharmakokinetik 5 t½=1,5–3 h; Tmax=0,5–3 h. 5 Trotz kurzer Halbwertszeit erheblich längere biologische Wirkdauer, da
Tranylcypromin als irreversibler MAOH mit dem Enzym in der Nähe des aktiven Zentrums eine kovalente Bindung eingeht, so dass das Abklingen der MAO-Inhibition von der Neusyntheserate des Enzyms abhängt.
94
1
Indikationen und Behandlungshinweise 5
2 3 4
5 5 5
5 6 7 8 9
Kapitel 1 · Antidepressiva
5
Depressive Syndrome unabhängig ihrer nosologischen Zuordnungz; u. a. gute therapeutische Wirkung bei atypischen Depressionen (7 Kap. 1.4.1). In einigen Fällen gute antidepressive Wirkung bei Nichtansprechen auf TZA bzw. andere Antidepressiva, insbesondere in höheren Dosierungen (therapieresistente Depressionen 7 Kap. 1.12). Hinweise zur Wirksamkeit bei Zwangsstörung und sozialer Phobie. Wirkungseintritt sehr unterschiedlich: dosisabhängig innerhalb weniger Tage bzw. erst nach 10–14 Tagen. MAOH sind nicht kardiotoxisch (s. aber Hypotonie und hypertensive Krisen unter Nebenwirkungen). Routineuntersuchungen: 7 Kap. 1.9.
Dosierung 5
Einschleichend mit 10 mg, später bis 20 mg; in der Klinik sind Dosen bis 40 mg/Tag möglich; unter engmaschigen Kontrollen sind – insbesondere bei therapieresistenten Patienten – auch höhere Dosen gegeben und gut toleriert worden (7 Kap. 1.12). 5 Letzte Verordnung nicht am späten Abend, bei älteren Patienten Dosisanpassung. Nebenwirkungen
10
5
11 12
! Hypertone Blutdruckkrisen überwiegend nach Einnahme stark amin-
haltiger Nahrungsmittel (besonders Tyramin). Die Amine werden nach Anreicherung der MAOH in der Leber nicht metabolisiert und führen zu einer hypertensiven Reaktion; tyraminunabhängig können hypertone Krisen besonders bei Vorliegen eines Phäochromozytoms und bei Thyreotoxikose auftreten.
13 14 15 16 17
Häufigste Nebenwirkungen: orthostatische Hypotonie (bei Auftreten von therapiebedürftiger Hypothonie Gabe von Dihydroergotamin, z. B. Dihydergot®, 4–6 mg/Tag), Schwindel, Kopfschmerzen, Palpitationen, Übelkeit.
5
Häufig: zu Beginn der Therapie innere Unruhe und Agitiertheit sowie Schlafstörungen, Tremor, Hyperhidrosis; Möglichkeit von abwechselnden Unruhezuständen und plötzlichen Apathien. 5 In Einzelfällen: Gewichtsänderungen; Obstipation bzw. Diarrhö; Leuko- bzw. Thrombozytopenie; Ödeme; SIADH (7 Kap. 1.6); in Ausnahmefällen Verwirrtheit, Halluzinationen, Krampfanfälle. 5 Nebenwirkungsprofil 7 Kap. 1.6.
1.13 · Präparate
95
1
Kontraindikationen ! Keine Kombination mit SSRI, Clomipramin, Venlafaxin (Gefahr eines
zentralen Serotoninsyndroms, 7 Kap. 12.7.2).
! Keine Kombination mit 5HT1-Agonisten zur Migränebehandlung, z. B.
Sumatriptan oder Naratriptan. Gefahr eines zentralen Serotoninsyndroms (7 Kap. 12.7.2). 5
Bei Gabe von SSRI und TZA nach MAOH Übergangszeit einhalten (7 Kap. 1.8); bei nachfolgender Therapie mit Antipsychotika allenfalls leicht erhöhtes Risiko bei Anwendung von Phenothiazinen. 5 Relative Kontraindikationen: Suizidalität (bei bestehender Suizidalität kann auf Tranylcypromin zurückgegriffen werden, wenn eine vorübergehende Kombination mit Benzodiazepinen – auch in höheren Dosen – vertretbar ist), Patienten müssen vor Selbstmedikation gewarnt werden; kardiale Vorschädigung (v. a. höhergradige Herzinsuffizienz); schwere Leber- und Nierenfunktionsstörungen. ! Gleichzeitiger Genuss von tyraminhaltigen Lebensmitteln: Einhal-
tung einer tyraminarmen Diät erforderlich. Zu meiden sind: Käse (besonders reifer, alter Käse; Frischkäse ist erlaubt), Fischhalbkonserven, wie z. B. Salzheringe, Hefeextrakte und -hydrolysate, Pilze, Soja und produkte, Saubohnen, gealtertes Fleisch oder Fleischextrakte (Frischfleisch ist erlaubt), Sauerkraut, Salami, fermentierte Würste, Geflügelleber, saure Sahne oder Joghurt (große Portionen), verdorbene oder getrocknete Früchte wie verdorbene Bananen, Feigen oder Rosinen, sämtliche nichtfrische bzw. konservierte Lebensmittel; möglichst Alkoholkarenz (trotz geringen Tyramingehalts der meisten Alkoholika); besonders Biere, schwere Rot- und Süßweine. Interaktionen (siehe Kontraindikationen und 7 Kap. 1.8) Bewertung
Wirksames AD mit breitem Indikationsspektrum (insbesondere bei therapieresistenter Depression). Nachteil: Tyramin-arme Diät notwendig (Risiko von Blutdruckkrisen).
96
1 2 3 4
Kapitel 1 · Antidepressiva
Trazodon Thombran (Boehringer Ingelheim) Kps. 25 mg (20, 50 Kps.) (Thombran mite) 50 mg (20, 50 Kps.) Tbl. 100 mg (20, 50, 100 Tbl.) (Thombran Tabs)
Antidepressivum Trazodon Hexal (HEXAL) Tbl. 100 mg Trazodon-neuraxpharm (neuraxpharm) Tbl. 100 mg
Dosierung
5 6 7
5
In den ersten Tagen 100 mg, Erhaltungsdosis nach einer Woche 200– 400 mg (unter stationären Bedingungen auch schnellere Aufdosierung möglich), bei älteren Patienten 100–200 mg/Tag, Tageshöchstdosis in der Klinik 600 mg; Einnahme jeweils nach dem Essen. 5 Plasmakonzentration: 650–1500 ng/ml(p). Bewertung
8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
Die Entwicklung neuer AD und ein erhöhtes Nebenwirkungsrisiko (u. a. orthostatische Hypotonie, ventrikuläre Arrhythmien) macht Trazodon in der psychiatrischen Pharmakotherapie bei depressiven Störungenz verzichtbar. ! Priapismus wurde mehrfach beschrieben, daher Aufklärung über die-
se ernste Komplikation (in akuten Notfall sofort urologische Intervention!).
Trimipramin
Antidepressivum
Trizyklisches Antidepressivum Eldoral (AWD Pharma) Tbl. 100 mg
Trimidura (Merck dura) Tbl. 100 mg
Herphonal (Arzneimittelwerk Dresden) Tbl. 25, 100 mg
Trimineurin (Hexal) Tbl.25, 100 mg
Stangyl (Aventis Pharma) Tbl. 25, 100 mg (20, 50, 100 Tbl.) (Stangyl Tabs) Lsg. 40 mg=40 Trpf.=1 ml Amp. 25 mg/2 ml
Trimipramin beta (betapharm) Tbl. 25, 100 mg Trimipramin-neuraxpharm (neuraxpharm) Tbl. 25, 100 mg Lsg. 30, 90 ml
1.13 · Präparate
97
1
Trimipramin Sandoz (Sandoz) Trimipramin TAD (TAD Pharma) Tbl. 100 mgTrimipramin Stada (Sta- Tbl. 100 mg da) Tbl. 100 mg Pharmakodynamik 5 5 5 5 5
Stark sedierende Wirkung aufgrund der Histaminrezeptorblockade. DA-antagonistischer Effekt. Keine wesentliche Beeinflussung der NA- oder 5-HT-Rückaufnahme. Im Gegensatz zu den meisten AD keine REM-/Tiefschlafsuppression. Sonst ähnliches Wirkungsspektrum wie Amitriptylin.
Pharmakokinetik 5 t½=23–24 h; Tmax=ca. 2–3 h;
Bioverfügbarkeit 40%; Plasmaproteinbindung 95%. 5 Keine biologisch aktiven Metaboliten, Hauptmetabolit N-Desmethyltrimipramin. 5 Plasmakonzentration: 150–350 ng/ml(p). Indikationen und Behandlungshinweise 5
Depressive Erkrankungen (Episoden einer Major Depression) mit den Leitsymptomen Schlafstörungen, Angst und innere Unruhez. 5 Hinweise auf Wirkung bei primärer Schlafstörung. 5 Routineuntersuchungen: 7 Kap. 1.9. Dosierung 5
Oral: einschleichend 25–50 mg, falls erforderlich, anschließend langsame Dosissteigerung. Bei mittelgradigen depressiven Zuständen 100– 150 mg/Tag (wegen starker Sedierung ggf. Hauptdosis spätabends), Tageshöchstdosis 400 mg; bei älteren Patienten geringere Dosierung. 5 Parenteral: Tropfinfusionen und i.m.-Injektionen möglich. Nebenwirkungen 5
Häufig: Müdigkeit (stärkere Sedierung als bei Amitriptylin); Schwindel; Mundtrockenheit; Akkomodationsstörungen. 5 Gelegentlich: orthostatische Regulationsstörungen, besonders bei älteren Patienten; Störungen der Erregungsleitung des Herzens. 5 Selten: delirante Syndrome, besonders bei schneller Dosissteigerung; Gewichtszunahme; Obstipation. 5 Nebenwirkungsprofil 7 Kap. 1.6.
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1 2 3 4 5 6 7 8 9
Kapitel 1 · Antidepressiva
Kontraindikationen 5
Harnverhalt, Engwinkelglaukom, Prostatahyperplasie mit Restharnbildung, akute Delirien; Pylorusstenose; paralytischer Ileus; manische Verstimmung 5 Relative Kontraindikationen: schwere Leber- und Nierenerkrankungen; erhöhte Krampfbereitschaft; kardiale Vorschädigung (insbesondere Erregungsleitungsstörungen, koronare Herzerkrankungen); anamnestisch bekannte Störungen des hämatopoetischen Systems,chronische Obstipation; Kombination mit MAOH (unter stationären Bedingungen möglich, 7 Kap. 1.12). Interaktionen 5
Bei Kombination mit Fluvoxamin oder Hemmstoffen von CYP 2D6, wie Fluoxetin, Paroxetin oder Bupropion, Anstieg der Plasmaspiegel von Trimipramin; daher Kontrolle der Plasmaspiegel bei Kombination. 5 Weitere Interaktionen s. Kontraindikationen und 7 Kap. 1.8. Bewertung
Wirksames TZA mit stark sedierenden Eigenschaften, bei fehlender REM/Tiefschlafsuppression auch bei chronischen Schlafstörungen einsetzbar, falls keine Kontraindikationen bestehen
10 Antidepressivum
Venlafaxin
11
Serotonin- und Noradrenalinrückaufnahmehemmer
12
Trevilor (Wyeth) Tbl. 37,5, 50, 75 mg (20, 50, 100 Tbl.)
13
Pharmakodynamik
Trevilor retard (Wyeth) Kps. 75, 150 mg (20, 50, 100 Kps.)
5
14 15 16
NA- und 5-HT-Rückaufnahmehemmung, außerdem schwache DARückaufnahmehemmung. 5 Wahrscheinlich in niedrigen Dosisbereichen präferenziell 5-HT-, in höheren Dosisbereichen zusätzlich NA-Rückaufnahmehemmung. 5 Keine Affinität zu Azetylcholin-, Histamin- oder α1-adrenergen Rezeptoren. Pharmakokinetik
17
5 Rasche Resorption, ausgeprägter First-pass-Mechanismus. 5 t½=5 h (O-Desmethylvenlafaxin 11 h); Tmax=2–4 h; Plasmaproteinbin-
dung 30%. Retardpräparation: t½=14–18 h; Tmax=8–9 h.
1.13 · Präparate
99
1
5
Aktiver Hauptmetabolit O-Desmethylvenlafaxin mit ähnlichem pharmakolodynamischen Profil wie Muttersubstanz. 5 Plasmakonzentration (Summe Venlafaxin und O-Desmethylvenlafaxin): 195–400 ng/ml(p). Indikationen und Behandlungshinweise 5 5 5 5 5 5 5
Depressive Erkrankungen, einschließlich Depressionen mit begleitenden Angstzuständenz. Erhaltungstherapie und Rezidivprophylaxe depressiver Erkrankungenz. Generalisierte Angststörungz. Soziale Phobiez. Hinweise zur Wirksamkeit bei Panikstörung. Erste Hinweise zur Wirksamkeit bei Zwangsstörung. Routineuntersuchungen: 7 Kap. 1.9.
Dosierung 5
Empfohlene Anfangsdosis: 75 mg/Tag in 2 Einzeldosen (Retardpräparation als Einmalgabe, Änderungen nur in 75 mg-Schritten möglich), stationär auch 150 mg/Tag in 2–3 Einzeldosen (Retardpräparation als Einmalgabe); rasche Dosissteigerung bis 375 mg/Tag ist möglich. Bei mittelschwerer Depression waren auch 75 mg/Tag wirksam. Bei älteren Patienten mit 25–75 mg beginnen, dann steigern auf 75–225 mg Venlafaxin retard. 5 Bei schweren Leber- und Nierenfunktionsstörungen Dosisanpassung. Nebenwirkungen 5
5
5
5 5
Häufig: besonders in der Anfangsphase Appetitlosigkeit, Übelkeit, gelegentlich Erbrechen, Diarrhö (bei Retardpräparaten geringer); v. a. bei höheren Dosierungen innere Unruhe und Agitiertheit, Schlafstörungen; Kopfschmerzen; Zwangsgähnen. Gelegentlich: sexuelle Funktionsstörungen, besonders Ejakulationsverzögerung, Libidominderung, Orgasmusstörungen; allergische Hauterscheinungen (bei 4%). Geringfügiger Blutdruckanstieg überwiegend bei Dosierungen über 200 mg/Tag (NA-Rückaufnahmehemmung!), daher – insbesondere in der Anfangsphase der Behandlung – häufigere Blutdruckkontrollen bei höheren Dosierungen; sonst gute kardiale Verträglichkeit. In Einzelfällen: SIADH (7 Kap. 1.6), dann v. a. bei älteren Patienten. Nebenwirkungsprofil 7 Kap. 1.6.
100
1 2 3 4 5 6 7
Kapitel 1 · Antidepressiva
Kontraindikationen 5
Kombination mit MAOH; aus Sicherheitsgründen sollte nach Behandlung mit Venlafaxin ein Abstand von einer Woche zur Verordnung eines MAOH eingehalten werden; nach Absetzen von Tranylcypromin muss eine Karenzzeit von 2 Wochen eingehalten werden, bevor mit der Behandlung von Venlafaxin begonnen wird; nach Absetzen des reversiblen MAOH Moclobemid ist ein Wechsel auf Venlafaxin am übernächsten Tag möglich. 5 Kombination mit tryptophanhaltigen Arzneimitteln. 5 Relative Kontraindikationen: schwere Leber- und Nierenfunktionsstörungen; erhöhte Krampfbereitschaft; arterielle Hypertonie. Interaktionen ! Bericht einer Intoxikation bei Kombination mit Tramadol. 5
8
Einzelfallberichte über Serotoininsyndrom bei Kombination mit Fluoxetin oder Paroxetin. 5 Weitere Interaktionen s. Kontraindikationen und 7 Kap. 1.8.
9
Bewertung
10 11 12 13 14 15 16
Wirksames nichtsedierendes AD. Retardpräparation sollte wegen besserer Verträglichkeit bevorzugt werden. Es gibt Studien, die für einen schnelleren Wirkungseintritt im Vergleich zu SSRI in den ersten zwei Wochen sprechen.
Viloxazin
Antidepressivum
Vivalan (Astra Zeneca) Tbl. 100 mg (20, 50, 100 Tbl.) Dosierung 5
Empfohlene Anfangsdosis: 200–300 mg/ in zwei Einzeldosen. Steigerbar bis 500 mg/Tag. 5 Plasmakonzentration: 20–500 ng/ml(p). Bewertung
17
Nichtsedierendes AD, aber nicht so gründlich untersucht wie die SSRI und neueren AD. Die leichte NA-Rückaufnahmehemmung findet sich als Wirkmechanismus auch in einigen neueren AD; Viloxazin ist daher in der psychiatrischen Pharmakotherapie entbehrlich.
2 Medikamente zur Behandlung bipolarer affektiver Störungen
2.1
Übersicht
Die besondere Komplexität der Behandlung bipolarer affektiver Störungen ergibt sich daraus, dass im Krankheitsverlauf 5 verschiedene Symptomkonstellationen auftreten können (Depression, Hypomanie, Manie, gemischte Episode, Rapid cycling), was oft zu einer polypharmazeutischen Therapie führt. Diese wird bei der bipolaren affektiven Störung in den letzten Jahren zunehmend kritischer beurteilt, da ein argloser Einsatz von Psychopharmaka, der lediglich auf die kurzfristige Behandlung der akut bestehenden Episode zielt, den langfristigen Verlauf der Störung eher ungünstig beeinflussen kann. Mehr als bei jeder anderen psychischen Störung muss daher schon bei der Behandlung der einzelnen Episode der langfristige Verlauf und dessen besondere polare Natur berücksichtigt werden. Folgende Syndrome sind voneinander abzugrenzen: 5 Die Manie (Synonym: manische Episode) ist durch situationsinadäquat gehobene Stimmung, Erregung, Hyperaktivität, Rededrang und Größenideen gekennzeichnet. Bei schweren Ausprägungsformen können Wahn und Halluzinationen hinzutreten (Manie mit psychotischen Symptomen). Eine einzelne manische Episode erlaubt noch nicht die Diagnose einer bipolaren affektiven Störung (s. u.). 5 Die Hypomanie stellt eine leichtere Ausprägungsform der Manie dar. Wahn und Halluzinationen werden nicht beobachtet. 5 Eine bipolare affektive Störung ist durch mindestens zwei affektive Episoden mit mindestens einer Hypomanie oder Manie, charakterisiert (ICD-10). DSM-IV grenzt von der bipolaren Störung Typ I (Synonym: bipolare I-Störung), bei der mindestens eine manische Episode diagnostiziert worden sein muss, die bipolare Störung vom Typ II (Synonym: bipolare II-Störung) ab, bei der neben depressiven nur hypomanische Episoden vorkommen dürfen. 5 Die bipolare Depression ist phänomenologisch nicht von der unipolaren Depression zu unterscheiden. Treten Wahn oder Halluzinationen hinzu, liegt eine Depression mit psychotischen Merkmalen vor.
102
1 2 3
Kapitel 2 · Medikamente zur Behandlung bipolarer affektiver Störungen
5
Werden depressive und manische Symptome gleichzeitig bzw. in raschem Wechsel beobachtet, so wird von einer gemischten Episode gesprochen. 5 Rapid cycling ist durch mindestens 4 Episoden in einem Zeitraum von 12 Monaten gekennzeichnet.
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Bei der Therapie bipolarer affektiver Störungen sind Substanzklassen, die bei dem heutigen Kenntnisstand für alle Phasen der Störung gleichermaßen geeignet erscheinen (»Basistherapeutika«), von solchen, die sich nur für spezifische Syndrome eignen (»adjuvante Pharmakotherapeutika«), zu unterscheiden. Während Erstere (z. B. Lithium) die Basis jeder Therapie und Prophylaxe bipolarer affektiver Störungen darstellen, sind die Letztgenannten (z. B. Antipsychotika) primär als Adjuvanzien zu betrachten. Neue Studien haben gezeigt, dass auch einige atypische Antipsychotika (für Olanzapin sicher nachgewiesen) eine phasenprophylaktische Wirkung haben. Dadurch wird die Abgrenzung der beiden Gruppen unschärfer.
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2.1.1
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Die Substanzen dieser Gruppe, auch als »mood stabilizer« oder »Stimmungsstabilisierer« bezeichnet, stellen die Grundlage der Therapie dar. Sie sollen über die gesamte Dauer der Pharmakotherapie der bipolaren affektiven Störung verabreicht werden, unabhängig von der akut bestehenden Phänomenologie. Im Idealfall wird die gesamte Behandlung – unabhängig von der Krankheitsphase – nur mit einer Substanz aus dieser Gruppe (bzw. auch mit einer Kombination von Substanzen dieser Gruppe) durchgeführt. 5 Lithium: Klassische Referenzsubstanz, Medikament der ersten Wahl zur Behandlung bipolar affektiver Erkrankungen. Wahrscheinlich weniger wirksam bei Vorliegen zahlreicher Vorphasen, bei gemischten Episoden und bei Rapid cycling. 5 Antikonvulsiva: Valproinsäure und Carbamazepin sind Substanzen mit guter antimanischer Wirksamkeit, während für Lamotrigin die antidepressive, nicht jedoch die antimanische Wirksamkeit, belegt werden konnten. Carbamazepin ist auch phasenprophylaktisch wirksam. Die phasenprophylaktische Wirksamkeit von Valproinsäure ist weniger gut belegt. Lamotrigin wirkt prophylaktisch bei der bipolaren Depression und auch bei Rapid cycling. 5 Atypische Antipsychotika: Olanzapin, Quetiapin und Risperidon haben eine nachgewiesene antimanische Wirksamkeit und sind für diese Indikation zugelassen. Positive Studien existieren auch für Aripiprazol und Ziprasidon. Für Olanzapin ist auch die phasenprophylaktische
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Basistherapeutika
2.2 · Wirkmechanismen
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Wirksamkeit nachgewiesen, allerdings beschränkt sich die Zulassung auf Patienten, die in der Akutbehandlung (der Manie) auf Olanzapin angesprochen haben. Die Substanz schützt zudem besser gegen manische als gegen depressive Rezidive. Neuere Studien legen allerdings auch eine Wirksamkeit von Olanzapin und Quetiapin bei bipolarer Depression nahe. 2.1.2
Adjuvante Pharmakotherapeutika
Substanzen aus den folgenden Gruppen sind, abhängig von der jeweiligen Symptomatologie, geeignet, die Therapie akuter Exazerbationen einer bipolaren affektiven Störung zu unterstützen. Die Basis der Therapie sollte aber grundsätzlich eine Substanz der ersten Gruppe (7 Kap. 2.1.1) sein. In der Regel ist die Anwendung der Substanzen der folgenden Klassen zeitlich auf die akute Episode der Störung bzw. eine gewisse Zeit der Remission beschränkt. 5 Antipsychotika: Substanzen mit guter antimanischer Wirksamkeit. Unter konventionellen Antipsychotika kommt es jedoch häufiger als unter Placebo zur Entwicklung depressiver Syndrome; deshalb sollte bei bipolaren affektiven Störungen so weit wie möglich auf konventionelle Antipsychotika verzichtet werden. Atypische Antipsychotika, insbesondere Olanzapin, sind unproblematischer anzuwenden und haben nach dem heutigen Kenntnisstand sogar stimmungsstabilisierende Eigenschaften (s. o.). 5 Antidepressiva: In der Regel Mittel der ersten Wahl in der Phasenprophylaxe unipolarer Depressionen. Antidepressiva können Manien induzieren. Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand erhöhen Antidepressiva auch das Risiko für die Entwicklung eines Rapid cycling. Daher muss die Indikation für die Anwendung eines Antidepressivums bei einer bipolaren Depression besonders streng gestellt werden. Dies gilt in besonderem Maße für trizyklische Antidepressiva (TZA). 5 Benzodiazepine: Geeignet als Adjuvans in der Therapie manischer Syndrome, um Antipsychotika einzusparen.
2.2
Wirkmechanismen
Lithium und Antikonvulsiva entfalten die unterschiedlichsten zentralnervösen (und peripheren) Wirkungen. Es ist unbekannt, welche der folgenden Effekte ihre Wirksamkeit bei bipolaren affektiven Störungen ausmacht. 5 Wirkungen auf Signaltransduktionssysteme: Einer der wesentlichen Wirkmechanismen des Lithiums bei affektiven Störungen scheinen des-
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Kapitel 2 · Medikamente zur Behandlung bipolarer affektiver Störungen
sen Wirkungen auf Second-messenger-Systeme zu sein. Die Phospholipase C katalysiert nach Aktivierung durch Neurotransmitter die Bildung der intrazellulären Second messenger Inositoltriphosphat und Diacylglycerol. Während Diacylglycerol die Proteinkinase C aktiviert, reguliert Inositoltriphosphat wesentlich die intrazelluläre Kalziumfreisetzung aus dem endoplasmatischen Retikulum. Kalzium wiederum reguliert neben einer Vielzahl von Zellfunktionen Synthese und Freisetzung von Monoaminneurotransmittern. Bei bipolaren affektiven Störungen wurden die intrazellulären Kalziumkonzentrationen erhöht gefunden. Lithium hemmt die Inositolmonophosphatase, wodurch es zu einer Verarmung an freiem Inositol kommt. Inositol steht nun nicht mehr in ausreichenden Konzentrationen zur Bildung von Phosphatidylinositol zur Verfügung, aus dem wiederum Phosphatidylinositoldisphosphat (PIP2) nicht mehr in genügender Menge entsteht. PIP2 jedoch ist das Substrat der Phospholipase C, die damit nicht mehr über ausreichend Substrat verfügt. Andere durch Lithium beeinflusste Second-messenger- und Transduktionssysteme sind die Adenylylzyklase, G-Proteine (für die eine Hyperaktivität bei bipolaren Störungen postuliert wurde) und die Proteinkinase C. 5 Wirkungen auf neuronale Ionenkanäle: Die meisten Antikonvulsiva (Carbamazepin, Valproinsäure, Lamotrigin) führen zu einer Inaktivierung spannungsabhängiger Natriumkanäle und damit zu einer Reduktion des Natriumeinstroms, und wahrscheinlich auch zu einer Erhöhung der Kaliumleitfähigkeit; dies hat eine Reduktion neuronaler Entladungsfrequenzen zur Folge. In Analogie zur »Kindling-Hypothese« epileptischer Erkrankungen, nach der ein epileptischer Anfall weitere Anfälle begünstigen kann (»kindling«), vermutet man, dass Antikonvulsiva auch bei bipolaren affektiven Störungen, bei denen es bei fehlender Behandlung zu einer Zunahme von Frequenz und Schwere der Krankheitsepisoden kommen kann, ihre Wirkung über eine Verminderung der zentralen Erregbarkeit entfalten. 5 Wirkungen auf inhibitorische und exzitatorische Transmittersysteme: Viele Antikonvulsiva (Carbamazepin, Gabapentin, Lamotrigin, Valproinsäure) und auch Lithium verstärken auf unterschiedlichste Weise die (inhibitorische) GABAerge Neurotransmission. Valproinsäure hemmt den GABA-Katabolismus, erhöht die GABA-Freisetzung und vermindert den GABA-Turnover. Gabapentin blockiert GABA-Transporter und erhöht auf diese Weise synaptische GABA-Konzentrationen. Alle genannten Antikonvulsiva sollen auf der anderen Seite die Freisetzung des (exzitatorischen) Glutamats hemmen. 5 Wirkungen auf die serotonerge Neurotransmission: Lithium verstärkt die serotonerge Neurotransmission auf den verschiedensten Ebenen.
2.3 · Allgemeine Therapieprinzipien
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Es verstärkt die Synthese durch eine Erhöhung der Tryptophanaufnahme in serotonerge Neurone, führt zu einer verstärkten Serotoninfreisetzung, vermindert dessen Katabolismus und führt zu einer Zunahme der Dichte an 5-HT2A- und 5-HT2C-Rezeptoren. 5 Wirkungen auf die Genexpression: Lithium ist ein potenter Induktor der fos-Expression. Außerdem beeinflusst Lithium die Expression von verschiedenen G-Proteinen und Adenylylzyklasen sowie Peptidhormonen und ihren Rezeptoren. 5 Beeinflussung zirkadianer Rhythmen: Lithium bremst zirkadiane Oszillatoren in einer Vielzahl von Spezies. Chronische Behandlung verlängert zahlreiche zirkadiane Rhythmen unter freilaufenden Bedingungen. Da bei – insbesondere bipolaren – affektiven Störungen eine Phasenverschiebung (»phase advance«) biologischer Rhythmen vermutet wird, soll Lithium seine Wirkung z. T. über diese Phasenverlängerung endogener Rhythmen entfalten.
2.3 5
Allgemeine Therapieprinzipien
Ähnlich wie bei der Therapie unipolarer Depressionen sollte auch die Pharmakotherapie bipolarer affektiver Störungen in einen Gesamtbehandlungsplan eingebettet sein (7 Kap. 1.5). Entsprechend der Behandlungsphase ist folgende Gewichtung der Therapieschwerpunkte sinnvoll: – In der Akutphase wird – v. a. bei manischen Syndromen mit geringer oder fehlender Krankheitseinsicht – die Pharmakotherapie im Vordergrund stehen. – Im weiteren Behandlungsverlauf – Erhaltungstherapie und Rezidivprophylaxe – nehmen psycho- und soziotherapeutische Maßnahmen an Bedeutung zu (7 Kap. 2.5). 5 Bei bipolaren affektiven Störungen ist die möglichst frühzeitige Vermittlung eines Krankheitskonzeptes von größter Bedeutung. Dabei erscheinen die folgenden Aspekte wichtig: – Dem Patienten sollte vermittelt werden, dass er an einer Störung leidet, bei der die Behandlung der aktuellen Episode ganz wesentlich den weiteren Krankheitsverlauf bestimmen kann. – Er muss darauf hingewiesen werden, dass die Behandlung mit einem TZA das Risiko in sich birgt, eine Manie oder sogar ein Rapid cycling zu induzieren; wieweit das Risiko auch für SSRI und die neuen AD erhöht ist, bleibt zur Zeit offen. Der Patient sollte Verständnis dafür bekommen, dass es nach heutigem Kenntnisstand langfristig günstiger sein kann, bei leichter bis mittelschwerer Depression auf
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ein Antidepressivum zunächst zu verzichten, auch wenn der akute Behandlungsverlauf u. U. verlängert wird. 5 Patienten mit schweren manischen Syndromen sind in vielen Fällen nicht einwilligungsfähig bzw. müssen manchmal auch ohne ihr Einverständnis behandelt werden. In diesen Fällen ist es problematisch, die Behandlung mit für diese Indikation nicht zugelassenen Medikamenten durchzuführen, v. a., wenn Substanzen gegeben werden sollen, bei denen es nicht selten zu schwerwiegenden Nebenwirkungen und Komplikationen kommt. Wenn ein Patient mit einem manischen Syndrom mit einem nicht für diese Indikation zugelassenen Medikament behandelt werden soll und er der Behandlung nicht zustimmen will oder kann, so müssen Nutzen und Risiken der Behandlung sehr sorgfältig abgewogen und diese mit (zugelassenen) Behandlungsalternativen verglichen werden. Dabei wird man die Indikation zur Behandlung mit einer Substanz, deren Wirksamkeit zweifelsfrei nachgewiesen wurde (z. B. Valproinsäure) eher stellen als bei einer Substanz, deren Wirksamkeit in dieser Indikation nicht eindeutig belegt ist. Clozapin darf nur nach Zustimmung durch den Patienten (oder nach gerichtlicher Genehmigung) verabreicht werden. 5
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Kapitel 2 · Medikamente zur Behandlung bipolarer affektiver Störungen
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Zunächst sollte versucht werden, leichte bis mittelschwere depressive oder manische Episoden möglichst nur mit Lithium oder einem Antikonvulsivum zu behandeln (ggf. kann eine Kombination gegeben werden). Manische Syndrome können auch primär mit einem atypischen Antipsychotikum behandelt werden. Die vorübergehende zusätzliche Verabreichung von Benzodiazepinen ist i. d. R. risikolos möglich (an die eingeschränkte Erfahrungen bei Kombination von intramuskulärem Olanzapin und Benzodiazepinen muss gedacht werden).
Schwere depressive oder manische Episoden, insbesondere solche mit psychotischen Merkmalen oder depressive Episoden mit Suizidalität erfordern i. d. R. die Behandlung mit Antidepressiva und/oder Antipsychotika. Wegen der mit der Gabe von Antidepressiva verbundenen Risiken ist die Indikation hierzu streng zu stellen und im Behandlungsverlauf immer wieder zu überprüfen. Wenn ein Antipsychotikum gegeben werden muss, sollte auf eine atypische Substanz zurückgegriffen werden. Neuere Studien weisen darauf hin, dass Olanzapin und Quetiapin das Risiko, ein depressives Syndrom zu induzieren, nicht erhöhen, sondern im Gegenteil einen positiven Effekt haben. Dies gilt wahrscheinlich auch für andere atypische Antipsychotika.
2.4 · Indikationen
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Eine gemischte Episode sollte nach Möglichkeit nur mit Lithium oder einem Antikonvulsivum behandelt werden (ggf. kann eine Kombination gegeben werden). Allerdings scheint Lithium weniger wirksam zu sein als Valproinsäure. Auch atypische Antipsychotika, insbesondere Olanzapin, haben möglicherweise einen günstigen Einfluss auf gemischte Episoden. Allerdings fehlen für alle genannten Substanzen prospektive Studien. Die vorübergehende zusätzliche Verabreichung von Benzodiazepinen ist i. d. R. risikolos möglich (beachte aber eingeschränkte Erfahrungen bei Kombination von intramuskulärem Olanzapin und Benzodiazepinen).
5
Ein Rapid cycling sollte, wenn irgend möglich, nur mit Antikonvulsiva bzw. einer Kombination verschiedener Antikonvulsiva behandelt werden (Lithium ist bei Rapid cycling Antikonvulsiva wahrscheinlich unterlegen). Dabei sind Valproinsäure und Lamotrigin tendenziell günstiger zu bewerten als Carbamazepin. Für Lamotrigin liegt eine positive Studie bei Bipolar-II-Rapid-Cycling vor. Auch atypische Antipsychotika, insbesondere Olanzapin, scheinen ein Rapid cycling günstig zu beeinflussen. Allerdings fehlen auch hier prospektive, kontrollierte Studien. Die vorübergehende zusätzliche Verabreichung von Benzodiazepinen ist i. d. R. risikolos möglich (beachte aber eingeschränkte Erfahrungen bei Kombination von intramuskulärem Olanzapin und Benzodiazepinen). Auf konventionelle Antipsychotika und insbesondere auf Antidepressiva muss verzichtet werden.
2.4
Indikationen
2.4.1
Manische Episode
Die ICD-10 grenzt die »manische Episode« von der »bipolaren affektiven Störung« ab, wenn es sich um eine einzelne manische Episode handelt. Tritt im Krankheitsverlauf mindestens eine weitere affektive (depressive, gemischte, hypomanische oder manische) Episode auf, so ist eine bipolare affektive Störung zu diagnostizieren. Auch Patienten, die ausschließlich unter manischen Episoden leiden, werden als »bipolar« klassifiziert. Die Behandlung der einzelnen manischen Episode und der manischen Episode im Rahmen einer bipolaren affektiven Störung ist identisch. Prädiktoren für einen Lithiumeinsatz sind in . Tabelle 2.1 aufgelistet.
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Kapitel 2 · Medikamente zur Behandlung bipolarer affektiver Störungen
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. Tabelle 2.1. Prädiktoren für eine Lithiumresponse oder eine Lithiumnonresponse
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Prädiktoren für Lithiumresponse
Prädiktoren für Lithiumnonresponse
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– Früheres Ansprechen auf Lithium
– Frühere Nonresponse auf Lithium
– Reine »klassische« Manie
– Affektiver Mischzustand ( gemischte Episode einer bipolaren affektiven Störung) – Manie mit psychotischen Symptomen (mit Wahn und Halluzinationen, insbesondere stimmungsinkongruenten Symptomen); schizoaffektive Psychose – Manie bei bekannten organischen Grunderkrankungen (z. B. Manie nach Schädel-Hirn-Trauma, bei intellektueller Minderbegabung etc.) – Begleitende Substanzmittelabhängigkeit bzw. -missbrauch (Alkohol, Drogen) – Persönlichkeitsstörungen – Rapid-cycling-Phänomen
– Episodensequenz: Manie → Depression → Euthymie
– Episodensequenz: Depression → Manie → Euthymie – Drei oder mehr manische Episoden vor Beginn der Lithiumbehandlung
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– Positive Familienanamnese bzgl. bipolarer Störunga a
Eine kürzlich erschienene Studie bestätigt den positiven Zusammenhang allerdings nicht.
Lithium 5
Neben verschiedenen konventionellen Antipsychotika und neuerdings auch verschiedenen atypischen Antipsychotika (Olanzapin, Quetiapin, Risperidon) ist Lithium für die Behandlung manischer Syndrome zugelassen. 5 Lithium-Monotherapie ist wegen der Wirklatenz (bis zu mehreren Wochen) und fehlender Sedierung häufig nur bei leichten Manien ohne psychotische Merkmale möglich. 5 Bei schwereren manischen Episoden ist die Kombination mit Antikonvulsiva, Benzodiazepinen oder (atypischen) Antipsychotika
2.4 · Indikationen
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(7 Kap. 3.4.4) notwendig. Mehrere neuere Studien belegen, dass eine Kombination von Lithium (oder Valproinsäure) mit einem atypischen Antipsychotikum der Monotherapie mit Lithium (oder Valproinsäure) überlegen ist. 5 Die Wirkung von Lithium bei Rapid cycling, bei gemischten Episoden, bei gereizter Manie und bei sehr vielen affektiven Phasen in der Anamnese wird heute in Frage gestellt. 5 Bei Manien mit psychotischen Merkmalen scheinen Lithium und Antipsychotika vergleichbare Wirksamkeit zu haben; bei stark erregten Patienten sind Antipsychotika, v. a. zu Beginn der Behandlung, überlegen; es gibt Hinweise, dass eine Kombination von Lithium mit einem Antipsychotikum eine bessere Wirksamkeit aufweist als eine Monotherapie. Atypischen Antipsychotika sollte der Vorzug vor konventionellen Antipsychotika gegeben werden. 5 Wenn eine Therapie von Beginn an mit Lithium (oder einem Antikonvulsivum) plus einem konventionellen Antipsychotikum durchgeführt wird, sollte das Antipsychotikum i. d. R nach Abklingen der Manie ausschleichend abgesetzt werden (s. »Konventionelle und atypische Antipsychotika im Vergleich«). Dies gilt nicht mehr für atypische Antipsychotika, insbesondere Olanzapin. Eine unzureichende Compliance ist häufig Grund für eine Nonresponse; sie ist nicht immer sicher von den oben genannten Prädiktorvariablen zu trennen. Eine mangelhafte Lithiumcompliance findet sich offenbar häufiger bei schweren Manien, Kombination von Lithium mit anderen Phasenprophylaktika, Lithiumnebenwirkungen, Rapid-cycling-Phänomenen, Alkohol- und/oder Drogenabhängigkeit bzw. -abusus, Persönlichkeitsstörungen, männlichen Patienten, allein lebenden Patienten, jüngeren Patienten und Patienten mit niedrigerer Schulbildung oder geringerem sozioökonomischem Status. Atypische Antipsychotika Aripiprazol 5
Für Aripiprazol liegen positive Erfahrungen vor, die die Wirksamkeit der Substanz bei manischen Episoden nahe legen. Aripiprazol ist in der Indikation Manie nicht zugelassen.
Olanzapin 5
Die Wirksamkeit von Olanzapin bei manischen Syndromen ist durch mehrere Studien belegt. Olanzapin ist in dieser Indikation zugelassen. Olanzapin scheint auch bei Rapid cycling und gemischten Episoden
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wirksam zu sein. In einer doppelblinden Vergleichsstudie bei Manien war Olanzapin Valproinsäure überlegen. Da die Substanz für Patienten, die in der Akutphase auf Olanzapin angesprochen haben, auch für die Rezidivprophylaxe zugelassen ist, bekommt die Substanz auch innerhalb der Gruppe der atypischen Antipsychotika einen besonderen Stellenwert in der Behandlung manischer Syndrome.
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Quetiapin 5
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Es liegen keine doppelblinden, kontrollierten Studien zur Anwendung von Clozapin bei manischen Episoden vor. Zahlreiche Berichte und mehrere prospektive, offene Studien weisen jedoch darauf hin, dass Clozapin auch bei sonst therapieresistenten Patienten mit manischen Syndromen eine Wirkung haben kann (auch bei Rapid cycling und bei affektiven Mischzuständen sowie bei erfolgloser EKB). Wegen der kontrollierten Anwendung (7 Kap. 3.14) muss die Behandlung mit Clozapin jedoch auf Patienten beschränkt bleiben, bei denen alle anderen Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft wurden. Clozapin ist in der Indikation Manie nicht zugelassen.
Konventionelle und atypische Antipsychotika im Vergleich 5
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Für Ziprasidon liegen positive Erfahrungen vor, die die Wirksamkeit der Substanz bei manischen Episoden nahe legen. Ziprasidon ist in der Indikation Manie nicht zugelassen.
Clozapin
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Die Wirksamkeit von Risperidon bei manischen Syndromen ist durch mehrere Studien belegt. Risperidon ist jetzt in dieser Indikation zugelassen. Risperidon scheint auch bei Rapid cycling und gemischten Episoden wirksam zu sein.
Ziprasidon
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Die Wirksamkeit von Quetiapin bei manischen Syndromen ist durch mehrere Studien belegt. Quetiapin ist jetzt in dieser Indikation zugelassen. Quetiapin scheint auch bei Rapid cycling und gemischten Episoden wirksam zu sein.
Risperidon
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Kapitel 2 · Medikamente zur Behandlung bipolarer affektiver Störungen
Mit der Verfügbarkeit der atypischen Antipsychotika und dem Nachweis von deren antimanischer Wirksamkeit muss in der Regel nicht mehr auf konventionelle Antipsychotika zurückgegriffen werden. Wenn ein manisches Syndrom mit einem Antipsychotikum behandelt werden muss, sollte zunächst mit einem atypischen Antipsychotikum
2.4 · Indikationen
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behandelt werden. Da Olanzapin für Patienten, die in der Akutphase der Manie auf die Substanz angesprochen haben, auch für die Rezidivprophylaxe zugelassen ist, bekommt die Substanz dadurch einen besonderen Stellenwert innerhalb der atypischen Antipsychotika. Für verschiedene konventionelle Antipsychotika wurde gezeigt, dass sie bei schwereren manischen Syndromen und Manien mit psychotischen Merkmalen Lithium mindestens gleichwertig sind und stärker sedieren. Vor allem zu Beginn der Behandlung kann daher auf sie zurückgegriffen werden. Wenn möglich, sollte dennoch auf konventionelle Antipsychotika zur Behandlung manischer Syndrome so weit wie möglich verzichtet werden, weil: – Patienten, denen konventionelle Antipsychotika in akuten manischen Episoden gegeben wurden, auch 6 Monate später noch signifikant häufiger mit Antipsychotika behandelt wurden als Patienten, die in der Akutphase keine Antipsychotika erhielten, – das Risiko für die Entwicklung von Spätdyskinesien bei Patienten mit affektiven Störungen höher ist als bei Patienten mit schizophrenen Störungen, – antipsychotikainduzierte EPS gerade in der Anfangsphase der Behandlung zur Non-Compliance führen, – konventionelle Antipsychotika nicht vor depressiven Syndromen schützen, deren Entstehung in einigen Fällen sogar begünstigen. Wenn hochpotente Antipsychotika gegeben werden, sollten Dosierungen, wie sie in der Therapie schizophrener Störungen üblich sind, gewählt werden. Zum Stellenwert der antipsychotischen Therapie bei schizoaffektiven Störungen 7 Kap. 3.4.3.
Antikonvulsiva Valproinsäure 5
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Valproinsäure ist in der Indikation Manie eine gut geprüfte Substanz, aber weiterhin nicht zugelassen. 5 Lithium und neuerdings atypische Antipsychotika sind daher die Mittel der ersten Wahl bei der Behandlung manischer Syndrome, insbesondere auch wegen der im Falle von Lithium und Olanzapin dann mit der gleichen Substanz durchführbaren Phasenprophylaxe. Da Valproinsäure jedoch wahrscheinlich eine dem Lithium mindestens vergleichbare phasenprophylaktische Wirkung hat, dabei aber besser verträglich ist, könnte Valproinsäure – unter der Voraussetzung der Zulassung in diesen Indikationen – künftig dem Lithium vorzuziehen sein.
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Kapitel 2 · Medikamente zur Behandlung bipolarer affektiver Störungen
Valproinsäure hat wahrscheinlich eine dem Lithium und dem Haloperidol vergleichbare antimanische Wirksamkeit, wird aber besser vertragen. In einer doppelblinden Vergleichsstudie bei manischen Syndromen war Valproinsäure Olanzapin unterlegen. Mehreren neueren Studien zufolge hat eine Kombination von Valproinsäure (oder Lithium) mit einem atypischen Antipsychotikum eine bessere antimanische Wirksamkeit als Valproinsäure (oder Lithium) allein. Bei intravenöser Verabreichung (1200–1800 mg/Tag) soll Valproinsäure einen besonders schnellen Wirkeintritt (1–3 Tage) bei sehr guter Verträglichkeit haben. Valproinsäure bei Rapid cycling 7 Kap. 2.4.2.
Carbamazepin
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Carbamazepin ist in der Indikation Manie nicht zugelassen. Carbamazepin hat wahrscheinlich eine dem Lithium vergleichbare antimanische Wirksamkeit. 5 Kleinere Studien zeigen, dass Kombinationen von Carbamazepin mit Lithium oder mit Antipsychotika eine bessere antimanische Wirkung haben als eine Monotherapie mit Carbamazepin oder einem Antipsychotikum. Anders als Kombinationstherapien von Valproinsäure mit atypischen Antipsychotika sind Kombinationstherapien von Carbamazepin mit anderen antimanischen Substanzen jedoch nicht systematisch untersucht; sie sind aber insbesondere bei fehlendem Ansprechen auf eine der Einzelsubstanzen möglich. 5 Carbamazepin bei Rapid cycling 7 Kap. 2.4.2. Lamotrigin
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Während in mehreren offenen Studien eine antimanische Wirkung von Lamotrigin wahrscheinlich gemacht werden konnte, war die Substanz in doppelblinden, placebokontrollierten Studien, die allerdings methodische Schwächen aufweisen, nicht besser als Placebo. Auch Lamotrigin kann daher nur empfohlen werden, wenn andere Therapiemöglichkeiten erfolglos ausgeschöpft sind. Zur Bedeutung von Lamotrigin bei Rapid cycling und bei der bipolaren Depression 7 Kap. 2.4.2.
! Lamotrigin ist in der Indikation Manie nicht zugelassen, dies ist we-
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gen der möglichen, potenziell lebensbedrohlichen Hautreaktionen (s. Präparat 7 Kap. 2.11) besonders zu beachten.
2.4 · Indikationen
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Andere Antikonvulsiva
Für Gabapentin, Oxcarbazepin (das 10-Keto-Analogon des Carbamazepin), Tiagabin und Topiramat liegen zwar in unterschiedlichem Umfang positive Einzelberichte, Fallserien und kleine Studien zur Wirksamkeit bei manischen Episoden vor. Für keine der Substanzen ist die Wirksamkeit jedoch klar belegt. Auch fehlt für alle genannten Substanzen die Zulassung in dieser Indikation. Benzodiazepine 5
Benzodiazepine eignen sich nicht zur Monotherapie, aber als Adjuvans bei manischen Syndromen. 5 Am besten untersuchte Substanzen sind Clonazepam und Lorazepam. 5 Dosierungen sind teilweise sehr hoch (bis 15 mg/Tag Clonazepam bzw. Lorazepam, im Einzelfall über 20 mg/Tag). 5 Die gleichzeitige Gabe von i.m. Olanzapin und einem parenteralen Benzodiazepin wurde nicht untersucht und wird daher vom Hersteller nicht empfohlen. Andere Therapieverfahren zur Behandlung manischer Syndrome 5
Offene und nur kleine kontrollierte Studien weisen auf eine Wirksamkeit von Kalziumantagonisten (Kalziumkanalblocker) bei manischen Syndromen hin; aufgrund der begrenzten Datenbasis lassen sich Kalziumantagonisten nur empfehlen, wenn andere Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft wurden bzw. Kontraindikationen gegen diese bestehen. 5 Offene Studien und Einzelfallberichte dokumentieren die mögliche Wirksamkeit von Schilddrüsenhormonen (Thyroxin, T4, z. B. Euthyrox®) bei lithiumresistenten Patienten und bei Rapid cycling; von einzelnen Autoren wird die Induktion einer hyperthyreoten Stoffwechsellage durch sehr hohe Dosen Thyroxin (7 Kap. 1.12) bei therapieresistentem Rapid cycling empfohlen. Insbesondere bei höheren Dosierungen ist mit Nebenwirkungen zu rechnen. 5 Bei therapieresistenten manischen Syndromen kann auch eine Elektrokrampftherapie erwogen werden. 5 Auslösung von Medikamenten- (Nichtpsychopharmaka) induzierter Manie 7 Kap. 12.8.
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Kapitel 2 · Medikamente zur Behandlung bipolarer affektiver Störungen
Behandlung von manischen Episoden – Bewertung 5
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Eine klassische (euphorische) Manie sollte mit Lithium behandelt werden. Alternativ kommen atypische Antipsychotika in Frage. Allerdings ist unter diesen bisher lediglich Olanzapin auch für die Prophylaxe zugelassen. Auch für Valproinsäure ist die Wirksamkeit belegt; die Zulassung ist beantragt 5 Bei gereizten Manien, Manien mit psychotischen Symptomen oder bei Manien im Rahmen eines Rapid cycling sollte atypischen Antipsychotika der Vorzug gegeben werden. Alternativ kann auch Valproinsäure erwogen werden; deren Anwendung ist lediglich durch die fehlende Zulassung eingeschränkt. Carbamazepin kann im Einzelfall eine Alternative zu Lithium und Valproinsäure sein. 5 Bei schweren manischen Syndromen, insbesondere mit psychotischen Symptomen, muss oft auf eine Kombinationstherapie zurückgegriffen werden. Am besten evaluiert sind Kombinationen von Lithium plus atypisches Antipsychotikum (zugelassen: Olanzapin, Quetiapin, Risperidon) oder Valproinsäure plus atypisches Antipsychotikum. Mehrere Studien belegen, dass diese Kombinationen wirksamer sind als Lithium oder Valproinsäure allein. Die Wirksamkeit von anderen Antikonvulsiva (Lamotrigin, Gabapentin, Topiramat) bei manischen Syndromen ist nicht ausreichend nachgewiesen.
2.4.2
Bipolare affektive Störung
Eine bipolare affektive Störung ist durch mindestens 2 affektive Episoden, davon mindestens eine manische Episode, charakterisiert. Während eine einzelne manische Episode nach der ICD-10 nicht als bipolare affektive Störung klassifiziert wird, gilt dies für rezidivierende manische Episoden auch dann, wenn niemals eine depressive Episode beobachtet wird. Manische Episode im Rahmen einer bipolaren affektiven Störung
Die Behandlung der manischen Episode im Rahmen einer bipolaren affektiven Störung folgt den Prinzipien der Behandlung der einzelnen manischen Episode (7 Kap. 2.4.1). Allerdings ergeben sich durch die Einordnung als bipolare affektive Störung neue Konsequenzen für die Phasenprophylaxe (s. u.). Bipolare affektive Störungen, bei denen lediglich manische Episoden auftreten (rezidivierende manische Episoden), sind nicht systematisch untersucht.
2.4 · Indikationen
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Bipolare Depression (bipolare affektive Störung, depressive Episode)
Die besondere Stellung der Pharmakotherapie der bipolaren Depression und die Notwendigkeit ihrer Abgrenzung von der Therapie der unipolaren Depression wird erst in den letzten Jahren zur Kenntnis genommen. Daher wurden in den letzten Jahren mehrere doppelblinde, kontrollierte Studien an größeren Patientenkollektiven, die als Richtschnur für klinisch gültige Empfehlungen gelten können, insbesondere mit Lamotrigin und atypischen Antipsychotika durchgeführt. Die folgenden Hinweise sind dennoch noch nicht in der gleichen Weise empirisch abgesichert, wie dies für andere Bereiche der Pharmakotherapie bipolarer affektiver Störungen (insbesondere der Manie) gilt. Antidepressiva 5
Für kein Antidepressivum ist die Wirksamkeit bei bipolaren Depressionen in mindestens zwei doppelblinden, kontrollierten Studien belegt.
5
Es ist dagegen relativ gut belegt, dass eine antidepressive Pharmakotherapie mit TZA bei Patienten mit einer bipolaren affektiven Störung nicht nur das Risiko, eine Manie oder Hypomanie zu induzieren, erhöht, sondern auch zu einer Zunahme der Phasenfrequenz bis hin zum Rapid cycling führen kann (»cycling acceleration«). Es ist z. Z. offen, ob diese Aussage auch für SSRI und die neuen AD zutrifft.
! Der Einsatz von Antidepressiva bei bipolaren Depressionen ist daher
sehr vorsichtig abzuwägen. 5
Während eine Reihe von kontrollierten Studien eine Überlegenheit von Antidepressiva gegenüber Placebo bei bipolaren Depressionen belegen (aber jeweils nur Einzelstudien, s. o.), konnte ein Vergleich von Paroxetin, Imipramin und Placebo bei Patienten mit bipolarer Depression, die eine stabile Lithiumbasismedikation erhielten, keine Überlegenheit der beiden Antidepressiva gegenüber Placebo nachweisen. Eine Posthoc-Analyse der Studie ergab, dass bei Lithiumserumkonzentrationen von über 0,8 mval/l Paroxetin bzw. Imipramin nicht besser als Placebo waren, während sich bei niedrigeren Lithiumkonzentrationen doch ein Vorteil für die Antidepressiva nachweisen ließ. Die Autoren der Studie schließen, dass die Therapie einer bipolaren Depression bei höheren Lithiumserumkonzentrationen mit einem Antidepressivum nicht sinnvoll ist. Der Befund sollte weiter abgesichert werden, bevor er Konsequenzen für die Routinetherapie hat.
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Kapitel 2 · Medikamente zur Behandlung bipolarer affektiver Störungen
Viele, insbesondere amerikanische Autoren, empfehlen, bei leichteren bis mittelschweren depressiven Syndromen auf die zusätzliche Gabe eines Antidepressivums zu verzichten, um das Risiko der Induktion einer manischen Episode oder eines Rapid cycling zu minimieren. Bei schweren Depressionen und bei Patienten mit Suizidalität in der Indexphase oder in der Anamnese ist ein Antidepressivum auch bei bipolaren Depressionen indiziert (aber s. o., gleichzeitige Lithiumtherapie). Die vorliegenden Daten deuten darauf hin, dass das Risiko, durch die Therapie mit einem Antidepressivum ein Umkippen in eine Manie (»switch«) zu provozieren, mit SSRI geringer als mit TZA ist. TZA sollten daher bei bipolarer Depression nicht mehr angewandt werden. SSRI haben ein geringeres Risiko, eine Manie oder Hypomanie zu induzieren. Auch unter Venlafaxin scheint das Switchrisiko erhöht zu sein. Ähnlich wie bei der Therapie der unipolaren Depression ist der irreversible MAO-Hemmer Tranylcypromin auch bei einem Teil der Patienten mit bipolarer Depression, die auf andere Antidepressiva nicht angesprochen haben, noch wirksam. Allerdings muss auch unter Tranylcypromin mit der Induktion einer Manie oder Hypomanie gerechnet werden. Wenn eine Therapie mit einem Antidepressivum notwendig ist, sollte dieses nur in der niedrigsten noch wirksamen Dosis und in der Regel unter Schutz eines Phasenprophylaktikums (Lithium, Antikonvulsiva) gegeben werden. Einige Autoren empfehlen, sofort nach dem Abklingen der depressiven Episode das Antidepressivum ausschleichend abzusetzen, um die mit einer antidepressiven Therapie verbundenen Risiken zu reduzieren. Diese Empfehlung ist klinisch plausibel, aber nicht empirisch abgesichert. Ob eine Erhaltungstherapie mit einem Antidepressivum bei der bipolaren Depression, ähnlich wie bei der unipolaren Depression, eine rezidivprophylaktische Wirkung haben kann und damit einer Chronifizierung vorbeugt, ist nicht systematisch untersucht.
Lithium 5
Stimmungsstabilisierer (neben Lithium auch Valproinsäure und Carbamazepin) haben eine antidepressive Wirkung, auch wenn diese weniger gut als für Antidepressiva belegt ist. Daher sollte die Therapie mit einer dieser Substanzen die Basis der Pharmakotherapie einer bipolaren Depression sein. 5 Auch die relativ gut belegte suizidprophylaktische Wirkung von Lithium spricht für den Einsatz bei der bipolaren Depression. 5 Eine neuere Studie weist darauf hin, dass bei höheren Lithiumserumkonzentrationen (>0,8 mval/l) eine zusätzliche Therapie mit einem Antidepressivum nicht effektiv ist (s. o.).
2.4 · Indikationen
117
Antipsychotika 5
Inzwischen liegen für Olanzapin und Quetiapin doppelblinde, kontrollierte Studien gegen Placebo bei bipolarer Depression vor, die eine Wirksamkeit belegen. Beide Substanzen sind jedoch in dieser Indikation nicht zugelassen. Es ist auch unklar, ob die antidepressive Wirksamkeit dieser Substanzen der der Antidepressiva entspricht. Zudem hat eine Langzeitstudie gezeigt, dass Olanzapin einen besseren Schutz gegen manische Rezidive als gegen depressive Rezidive bietet. Daher können atypische Antipsychotika gegenwärtig noch nicht für den breiteren Einsatz bei bipolaren Depressionen empfohlen werden. 5 In zahlreichen Fallberichten konnte die Wirksamkeit von Clozapin auch bei bipolarer Depression wahrscheinlich gemacht werden. Wegen der Anwendungsbeschränkung der Substanz (s. Präparat, 7 Kap. 3.14) muss der Gebrauch von Clozapin in dieser Indikation, für die auch keine Zulassung besteht, dem Ausnahmefall vorbehalten sein. 5 In einer neuen amerikanischen Übersicht wird – allerdings unter anderen Zulassungsbedingungen als bei uns – der Schluss gezogen, dass die Kombination aus einen atypischen Antipsychotikum und einem SSRI oder Lamotrigin den günstigsten Effekt bei der bipolaren Depression habe. Aber auch in dieser Übersicht wird der dringende Forschungsbedarf zu dieser Frage betont. Antikonvulsiva 5
Die Wirksamkeit von Lamotrigin bei der bipolaren Depression konnte in einer doppelblinden, placebokontrollierten Studie an 200 Patienten gezeigt werden. Es ist allerdings unklar, ob die antidepressive Wirksamkeit von Lamotrigin derjenigen der Antidepressiva entspricht (die allerdings auch nicht sehr gut belegt ist, s. o.). Lamotrigin wurde kürzlich für die Prophylaxe depressiver Episoden im Rahmen von bipolaren Störungen zugelassen. Die Zulassung erstreckt sich gegenwärtig nicht auf die Akutbehandlung bipolarer Depressionen. Dennoch rechtfertigen die Datenlage und der Mangel an guten Alternativen die Behandlung von bipolaren Depressionen mit Lamotrigin. 5 Kleinere, auch placebokontrollierte Studien legen eine antidepressive Wirksamkeit von Carbamazepin bei bipolarer Depression nahe. Allerdings fehlen Vergleichsstudien gegen Antidepressiva. 5 Für Valproinsäure ist eine antidepressive Wirksamkeit nur kasuistisch belegt. 5 Kleine, offene Studien legen eine antidepressive Wirkung von Gabapentin bei bipolarer Depression nahe. Es fehlen jedoch doppelblinde, kontrollierte Studien.
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Kapitel 2 · Medikamente zur Behandlung bipolarer affektiver Störungen
Behandlung von bipolaren Depressionen – Bewertung 5
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Leichte bis mittelschwere depressive Episoden sollten lediglich mit einem Stimmungsstabilisierer (Lithium, ggf. atypisches Antipsychotikum, insbes. Olanzapin oder Quetiapin, oder Antikonvulsivum) behandelt werden, um das Risiko, eine Manie oder ein Rapid cycling zu induzieren, gering zu halten. Die Wirksamkeit von Lamotrigin ist gegenwärtig am besten belegt; die Anwendung wird jedoch durch die nur auf die Prophylaxe bezogene Zulassung eingeschränkt. 5 Bei schweren depressiven Syndromen mit Suizidalität kann oft nicht auf die Gabe eines Antidepressivums verzichtet werden. Dann sollte zunächst auf einen SSRI zurückgegriffen werden. Es ist jedoch unklar, wann die antidepressive Therapie beendet werden soll, um das Risiko, eine Manie oder ein Rapid cycling zu induzieren, klein zu halten. Gemischte Episode bei bipolarer affektiver Störung
14
Eine gemischte Episode einer bipolaren affektiven Störung liegt dann vor, wenn der Patient eine manische, hypomanische oder gemischte Episode in der Vorgeschichte hat und gegenwärtig entweder eine Mischung oder einen raschen Wechsel von manischen, hypomanischen oder depressiven Symptomen aufweist. 5 Empfehlungen basieren auf Post-hoc-Analysen von Studien an gemischten Patientenkollektiven, offenen Studien und Fallserien; kontrollierte Studien fehlen. 5 Die wesentlichen Prinzipien der Pharmakotherapie des Rapid cycling (s. u.) scheinen auch für die Therapie gemischter Episoden Gültigkeit zu haben: Grundpfeiler der Therapie sind Antikonvulsiva und neuerdings auch atypische Antipsychotika (Lithium ist weniger wirksam) bei weitgehendem Verzicht auf Antidepressiva und konventionelle Antipsychotika.
15
Phasenprophylaxe bei bipolarer affektiver Störung, gegenwärtig remittiert
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In Anlehnung an die bei der unipolaren Depression gebräuchliche Terminologie (7 Kap. 1.11) kann auch bei bipolaren affektiven Störungen nach der Akutphase eine Phase der Erhaltungstherapie (zur Verhinderung eines Rückfalles derselben Episode) von einer Phasenprophylaxe (zur Vermeidung eines Rezidivs der Erkrankung) abgegrenzt werden. Beim Absetzen einer Pharmakotherapie unmittelbar nach Abklingen der akuten Krankheitssymptome ist das Rückfallrisiko erhöht (und mit der Dauer der Be-
2.4 · Indikationen
119
schwerdefreiheit sinkt nach Abklingen der akuten Krankheitssymptome das Risiko). Weiterhin ist bekannt, dass eine Erholung von der akuten Krankheitsepisode – d. h. eine mindestens 8-wöchige Beschwerdefreiheit – nach einem manischen Syndrom im Mittel nach 20 Wochen, nach einer depressiven Episode nach 40 Wochen und nach einer gemischten Episode sogar erst nach 50 Wochen eintritt. Daraus folgt, dass nach einer Episode einer bipolaren affektiven Störung eine 6- bis 12-monatige Erhaltungstherapie durchgeführt werden sollte, bevor von einer erfolgreichen Phasenprophylaxe gesprochen werden kann. Indikation einer Phasenprophylaxe bei bipolaren affektiven Störungen 5
Schon nach einem ersten manischen Episode muss eine langfristige Phasenprophylaxe erwogen werden, weil – das Lebenszeitrückfallrisiko mit etwa 95% außerordentlich hoch ist, – einzelne Studien darauf hindeuten, dass zumindest im Falle von Lithium dessen akute und phasenprophylaktische Wirksamkeit bei spätem Einsatz, d. h. bereits nach 3 Krankheitsepisoden eher vermindert ist. 5 Gegen eine langfristige Phasenprophylaxe schon nach einem ersten manischen Syndrom spricht allerdings nach Auffassung einiger Autoren, dass – die mittlere Dauer der Remission nach der ersten Krankheitsepisode etwa 4 Jahre betragen soll (und statistisch erst dann eine zweite Episode erwartet werden kann), – die meisten Patienten nach einer ersten Krankheitsepisode eine medikamentöse Phasenprophylaxe innerhalb weniger Monate – und dann meist relativ abrupt – absetzen. Zumindest im Falle von Lithium wird dann vermutet, dass ein abruptes Absetzen das Rückfallrisiko erhöht (allerdings gibt es auch eine Studie mit gegensätzlichem Befund). 5 Eine langfristige Phasenprophylaxe wird nach einer zweiten Krankheitsepisode in den meisten Fällen unumgänglich sein. Lithium 5 5
Am besten geprüfte Substanz und Medikament der ersten Wahl. Ein voller phasenprophylaktischer Effekt ist manchmal erst nach Monaten (bis Jahren) feststellbar. 5 Die prophylaktische Wirksamkeit ist besonders gut, wenn bisher weniger als 3 Episoden der bipolaren affektiven Störung aufgetreten sind.
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Kapitel 2 · Medikamente zur Behandlung bipolarer affektiver Störungen
Besondere Behandlungshinweise ! Nach Absetzen einer Lithiumprophylaxe ist das Rückfallrisiko wahr-
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scheinlich höher als im naturalistischen Verlauf; mit jeder Phase nimmt möglicherweise die Phasenhäufigkeit weiter zu, evtl. Einmündung in Rapid cycling.
3 4 5 6 7
5
Wenn eine Lithiumprophylaxe doch abgesetzt wird, sollte dies, wenn irgend möglich, langsam über viele Monate erfolgen (s. aber Problem der Schwangerschaft unter bestehender Lithiumprophylaxe, 7 Kap. 14). 5 Nach Absetzen von Lithium geht, wenn es im Rahmen einer erneuten Episode einer bipolaren affektiven Störung wieder angesetzt wird, möglicherweise seine Effektivität verloren. Antikonvulsiva 5
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Bei Lithiumnonrespondern oder Kontraindikationen gegen Lithium ist Carbamazepin eine Alternative (vom BfArM nur in dieser Indikation zugelassen). Carbamazepin kann auch mit Lithium kombiniert werden. Die phasenprophylaktische Wirksamkeit von Carbamazepin ist durch Studien relativ schlecht belegt. 5 Eine große Studie belegt die phasenprophylaktische Wirksamkeit von Valproinsäure, die eine dem Lithium mindestens vergleichbare Wirksamkeit hat, aber besser verträglich ist. Wegen der fehlenden Zulassung von Valproinsäure in dieser Indikation und der noch schmalen Datenbasis kann die Substanz noch nicht als Mittel der ersten Wahl zur Phasenprophylaxe bipolarer affektiver Störungen eingestuft werden. Bei fehlender oder nicht ausreichender phasenprophylaktischer Wirkung von Lithium (oder einer Kombination von Lithium und Carbamazepin) oder bei Kontraindikationen ist Valproinsäure schon jetzt eine Alternative in der Phasenprophylaxe bipolarer affektiver Störungen. 5 Neuerdings ist Lamotrigin für die Prophylaxe depressiver Syndrome im Rahmen einer bipolaren Störung zugelassen. Eine antimanische Wirksamkeit ist nicht nachgewiesen. Wenn manische Syndrome den Krankheitsverlauf wesentlich kennzeichnen, sollte daher die Kombination mit einer Substanz mit nachgewiesener antimanischer Wirksamkeit (Lithium oder ein atypisches Antipsychotikum) erwogen werden. 5 Bei fehlender oder nicht ausreichender Wirkung von Lithium kann Lithium mit Carbamazepin oder Lamotrigin (oder ggf. Valproinsäure) kombiniert werden. Wenn eine Zweifachkombination nicht aus-
2.4 · Indikationen
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121
reichend wirksam ist, kann das jeweils andere Antikonvulsivum oder gleich eine Dreifachkombination versucht werden. Bei Kombination mehrerer Antikonvulsiva sind jedoch schwerwiegende Interaktionen (insbesondere mit Lamotrigin) unbedingt zu beachten. Diese Strategien sind nicht evaluiert. 5 Antikonvulsiva als Monotherapie sind unter den gegenwärtigen Zulassungsbedingungen und aufgrund der noch schmalen Datenbasis nur Medikamente der zweiten Wahl in der Phasenprophylaxe. Ausnahme: Valproinsäure bei häufigen Vorphasen und Rapid cycling und Lamotrigin bei Verläufen, die wesentlich durch depressive Episoden gekennzeichnet sind. 5 Bei rezidivierenden manischen Episoden haben wahrscheinlich die Prinzipien für die Phasenprophylaxe bipolarer affektiver Störungen Gültigkeit; Studien dazu fehlen. Antipsychotika 5
Für Patienten, bei denen Olanzapin antimanisch wirksam war, ist die Substanz neuerdings auch für die Rezidivprophylaxe zugelassen. Andere atypische Antipsychotika werden in dieser Indikation geprüft. Wegen der fehlenden Zulassung anderer atypischer Antipsychotika in dieser Indikation ist Olanzapin jedoch erste Wahl, wenn eine Substanz aus dieser Gruppe gegeben werden soll. 5 Wird eine Phasenprophylaxe mit konventionellen Antipsychotika durchgeführt, so werden im Verlauf häufiger depressive Syndrome beobachtet. Daher sollte i. d. R. atypischen Antipsychotika der Vorzug gegeben werden. Antidepressiva 5
Wegen des hohen Risikos einer Induktion eines Rapid cycling sollte auf die Verabreichung von TZA in der Phasenprophylaxe bipolarer affektiver Störungen verzichtet werden. Wenn auf ein Antidepressivum nicht verzichtet werden kann, sind SSRI zu bevorzugen. Die Empfehlungen stützen sich nicht auf Ergebnisse prospektiver Studien.
Phasenprophylaxe bipolarer affektiver Störungen – Bewertung 5
Lithium ist bei klassischen (euphorischen) Manien und wenigen Vorphasen zu bevorzugen. Bei häufigeren Vorphasen und bei Rapid cycling ist Valproinsäure besser wirksam. Lamotrigin ist für die Prophylaxe depressiver Syndrome im Rahmen einer bipolaren Störung wirksam und zugelassen. 6
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Kapitel 2 · Medikamente zur Behandlung bipolarer affektiver Störungen
5
Ist eine dieser Substanzen nicht ausreichend wirksam, können sie untereinander oder mit Carbamazepin kombiniert werden. 5 Unter den atypischen Antipsychotika hat Olanzapin nach neuesten Studien eine phasenprophylaktische Wirkung; allerdings beschränkt sich die Zulassung auf Patienten, die schon akut (in der Manie) auf Olanzapin angesprochen haben. Auf die Gabe von konventionellen Antipsychotika und TZA sollte verzichtet werden. Sind aber AD dringend indiziert, sind SSRI zu bevorzugen,
Rapid cycling
Von Rapid cycling wird gesprochen, wenn mindestens 4 Episoden einer bipolaren affektiven Störung im Jahr auftreten; eine Differenzierung zwischen Akutbehandlung und Phasenprophylaxe, wie bei den anderen Syndromen, erfolgt beim Rapid cycling nicht. Nach neueren epidemiologischen Untersuchungen soll ein Rapid cycling bei bis zu 25% aller Patienten mit einer bipolaren affektiven Störung vorkommen. 5 Lithium hat keine Wirksamkeit bei Rapid cycling. 5 Valproinsäure ist wahrscheinlich wirksam; allerdings fehlen prospektive Studien zum Beleg. 5 Beobachtungen, dass auch Carbamazepin bei Rapid cycling einen günstigen Effekt hat, konnte in neueren Studien nicht bestätigt werden. 5 Lamotrigin war in einer neuen prospektiven, kontrollierten Studie bei Rapid cycling Placebo überlegen, insbesondere bei Patienten mit bipolarer Störung vom Typ II. 5 Wichtigste Therapiemaßnahme bei Rapid cycling ist der möglichst vollständige Verzicht auf die Gabe von Antidepressiva. Es ist relativ gut belegt, dass Antidepressiva ein Rapid cycling triggern können. 5 Da unter Behandlung mit konventionellen Antipsychotika häufiger als unter Placebo depressive Syndrome beobachtet werden, sollte auf sie verzichtet werden. Atypische Antipsychotika sind in dieser Hinsicht unproblematischer. Gezeigt ist dies bisher für Olanzapin und Quetiapin, allerdings nicht in prospektiven Studien. Atypische Antipsychotika haben möglicherweise eine der Valproinsäure vergleichbare Wirksamkeit bei Rapid cycling.
2.5 · Phasenprophylaktika und Psychotherapie
123
Behandlung von Rapid cycling – Bewertung 5
Ein Rapid cycling sollte mit einem Antikonvulsivum (Valproinsäure, Carbamazepin, Lamotrigin) behandelt werden. 5 Auf Antidepressiva muss verzichtet werden. 5 Es gibt Hinweise, dass Olanzapin bei Rapid cycling wirksam ist. Phasenprophylaxe bei schizoaffektiver Störung
Die Behandlung des akuten schizomanischen und schizodepressiven Syndroms wird entsprechend der ICD-10-Klassifikation unter den schizophrenen Störungen im 7 Kap. 3.4.3 abgehandelt. Hier wird die Phasenprophylaxe besprochen: 5 Es sind sehr wenige kontrollierte Studien mit kleinen Fallzahlen zur Phasenprophylaxe veröffentlicht. 5 Bisher gibt es keine Absicherung der häufig geübten Praxis, prophylaktisch eine Kombination von Antidepressiva mit Antipsychotika zu geben. 5 Lithium hat bei der schizoaffektiven Störung wahrscheinlich eine geringere Wirksamkeit als bei der bipolaren affektiven Störung, insbesondere bei rein schizodepressiven Verläufen und bei im Vordergrund stehender psychotischer Symptomatik. 5
5
Es liegen keine ausreichenden Erfahrungen mit Valproinsäure bei schizoaffektiven Störungen vor.
2.5 5
Lithium und Carbamazepin haben wahrscheinlich einen vergleichbaren phasenprophylaktischen Effekt bei der schizoaffektiven Störung; Carbamazepin hat jedoch Vorteile bei rein schizodepressiven Verläufen und bei im Vordergrund stehender psychotischer Symptomatik.
Phasenprophylaktika und Psychotherapie
Wie bei der Therapie unipolarer Depressionen (7 Kap. 1.5) sollte auch die Pharmakotherapie bipolarer affektiver Störungen in einen Gesamtbehandlungsplan eingebettet sein. Die pharmakologischen und psycho- bzw. soziotherapeutischen Behandlungsverfahren müssen integriert und entsprechend der Behandlungsphase gewichtet werden.
2
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Kapitel 2 · Medikamente zur Behandlung bipolarer affektiver Störungen
5
Allerdings sind – anders als bei der Therapie depressiver und schizophrener Störungen – psychotherapeutische Verfahren bei bipolaren Störungen noch schlecht evaluiert. In den meisten Studien fehlt eine Kontrollgruppe, und die behandelten Patientenzahlen sind sehr klein. Daher kann die Bedeutung dieser Behandlungsverfahren gegenwärtig nur sehr zurückhaltend bewertet werden. 5 Psycho- und soziotherapeutische Maßnahmen haben bei bipolaren Störungen stützenden Charakter. Die Basis der Therapie bildet die Pharmakotherapie. 5 Die Wirksamkeit von psychotherapeutischen Maßnahmen hängt von der Krankheitsphase ab. Psychotherapeutische Verfahren sind bei bipolaren Depressionen wirksamer als bei manischen Syndromen. 5 Zu den folgenden Verfahren liegen Erfahrungen vor: – Kognitive Verhaltenstherapie: Die kognitive Verhaltenstherapie, sowohl einzeln als auch in Gruppen, erhöht die Medikamentencompliance. Ob auch die Lebensqualität und soziale Funktionen verbessert sowie depressive Symptome und Rückfallraten reduziert werden, muss belegt werden. – Familienzentrierte Therapie: Hier stehen Aufklärung über die Erkrankung sowie Vermittlung von kommunikativen und sozialen Fertigkeiten im Vordergrund. In einer ersten kontrollierten Studie über 9 Monate konnten die Rückfallraten in der mit familienzentrierter Therapie behandelten Patientengruppe gesenkt werden. – Interpersonelle und Sozialrhythmus-Therapie: Dieses Verfahren entstand aus der interpersonellen Therapie, die für die unipolare Depression entwickelt wurde. Die Prinzipien der interpersonellen Psychotherapie wurden um verhaltenstherapeutische Komponenten erweitert, die zum Ziel haben, zirkadiane und Schlaf-Wach-Rhythmen zu stabilisieren, zwischenmenschliche Probleme zu mindern und die Medikamentencompliance zu erhöhen. Diese Therapieform wird gegenwärtig evaluiert.
14 15 16 17
2.6
Nebenwirkungen
Wegen der großen Heterogenität der in diesem Kapitel besprochenen Substanzen sollen die Nebenwirkungen an dieser Stelle in wesentliche Gruppen zusammengefasst werden. Weiteres s. Präparate. 5 ZNS: Schwindel, Ataxie, Sedierung und Tremor kommen unter Lithium sowie unter allen Antikonvulsiva vor. Vom Patienten auch langfristig als subjektiv unangenehm und beeinträchtigend erlebte kognitive Störungen werden v. a. unter Lithium und Topiramat beobachtet. En-
2.7 · Kontraindikationen
5
5
5
5
5
5
5
5
125
zephalopathien mit Krampfanfällen treten sehr selten unter Valproinsäure auf. Bei Kombination von Lithium mit Antikonvulsiva bzw. verschiedener Antikonvulsiva miteinander kann die Neurotoxizität erhöht sein. Endokrinium: Unter Lithium kommt es häufiger zu einer Hypothyreose mit Strumabildung. Selten wird ein Hyperparathyreoidismus beobachtet. Kardiovaskuläres System: Unter Carbamazepin wurden selten bradykarde Herzrhythmusstörungen beschrieben. Lithium kann zu Repolarisationsstörungen, Arrhythmien und EKG-Veränderungen führen (7 Kap. 13.2.3). Hämatologisches System: Benigne und reversible Leukopenien und Thrombopenien kommen unter Carbamazepin, seltener auch unter Valproinsäure vor. Unter Carbamazepin und Lamotrigin werden selten auch aplastische Anämien und Agranulozytosen beobachtet. Gerinnungsstörungen kommen unter Valproinsäure vor. Niere: Polyurie und Polydipsie sowie reversible Nierenfunktionsstörungen mit einem renalen Diabetes insipidus treten unter Lithium auf. Einzelfälle einer Glomerulonephritis wurden beschrieben. Gastrointestinum: Mit gastrointestinalen Nebenwirkungen (Übelkeit, Erbrechen, Durchfall) ist v. a. unter Valproinsäure und Lithium zu rechnen. Unter Valproinsäure wurden sehr selten auch Hepatitiden und Pankreatitiden beobachtet. (Allergische) Hautreaktionen: Hautausschläge treten, v. a. zu Behandlungsbeginn, häufig unter Carbamazepin und Lamotrigin auf. Gelegentlich ist unter beiden Substanzen ein Stevens-Johnson- oder ein Lyell-Syndrom beobachtet worden. Gewicht: Eine Gewichtszunahme wird v. a. unter Lithium und Valproinsäure beobachtet. Unter Topiramat wird dagegen häufiger eine Gewichtsabnahme gesehen, selten auch unter Valproinsäure. Teratogenität: Lithium, Carbamazepin und Valproinsäure haben ein erhöhtes teratogenes Risiko (7 Kap. 14). Für die neueren Antikonvulsiva liegen keine ausreichenden Erfahrungen vor.
2.7
Kontraindikationen
Absolute Kontraindikation für die in diesem Kapitel besprochenen Substanzen ist eine bekannte Überempfindlichkeit gegen die entsprechende chemische Substanzklasse oder auch gegen andere Inhaltsstoffe der Präparate. Die wichtigsten Kontraindikationen für Phasenprophylaktika sind:
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5
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5
3
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5
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5
Kapitel 2 · Medikamente zur Behandlung bipolarer affektiver Störungen
Akute Alkohol-, Schlafmittel-, Analgetika-, Psychopharmakaintoxikationen. Schwere Störungen des Elektrolythaushaltes und Morbus Addison: Lithium. Schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Lithium. Vorbestehende Knochenmarksschädigung bei Carbamazepin. Vorsicht mit Valproinsäure. Carbamazepin darf wegen der potenziellen Knochenmarkstoxizität nicht mit Clozapin kombiniert werden. Bei Gerinnungsstörungen Vorsicht mit Valproinsäure. Schwerere Nierenfunktionsstörungen bzw. Einschränkung der glomerulären Filtrationsrate bei Lithium. Vorsicht mit Valproinsäure und Lamotrigin. Schwere Leberschädigung bei Carbamazepin und besonders bei Valproinsäure. Vorsicht mit Lamotrigin. Pankreatitis bei Gabapentin und Valproinsäure. Akute intermittierende Porphyrie bei Carbamazepin und Valproinsäure. Vorsicht, wenn (allergische) Hautveränderungen in der Anamnese bekannt sind.
Hinweise zu Schwangerschaft und Stillzeit 7 Kap. 14; Fahrtüchtigkeit 7 Kap. 15.
11 12 13 14 15 16 17
2.8
Interaktionen
Siehe die jeweiligen Auflistungen unter den einzelnen Präparaten im 7 Kap. 2.11. 2.9 5
Routineuntersuchungen
Unter Lithium und Antikonvulsiva sind spezifische Routineuntersuchungen notwendig; für Antidepressiva . Tabelle 1.8, 7 Kap. 1.9 und Antipsychotika . Tabelle 3.7, 7 Kap. 3.9. 5 Eine Übersicht über die empfohlenen Kontrollen gibt . Tabelle 2.2. Darüber hinaus empfehlen sich Kontrollen, wann immer ein Parameter pathologisch ausfällt. 5 Unter der Therapie mit Lithium sind Kontrollen der Schilddrüsen- und der Nierenfunktion notwendig (. Tabelle 2.2).
Vorher
Monate
Vierteljährlich
1
2
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4
5
6
XX
X
X
X
X
X
Xa
X
X
X
X
X
Xa
Jährlich
Carbamazepin Plasmakonzentration
b
X
XXXX
Kreatinin
X
X
X
X
Serumelektrolyte
X
X
X
X
X
X
X
Xa
Leberenzyme
X
XXXX
X
X
X
X
X
Xa
EKG
X
X
X
EEG
X
X
Xb
RR, Puls
X
X
X
Bei langfristig stabilen Patienten sind halbjährliche Kontrollen ausreichend. Bei potenziell neurotoxischen Kombinationen, z. B. mit Antipsychotika, sind ggf. auch häufiger Kontrollen ratsam.
X
Xa 127
a
Blutbild
2.9 · Routineuntersuchungen
. Tabelle 2.2. Empfehlungen für Routineuntersuchungen unter Phasenprophylaktika
2
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6
7
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10
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17
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. Tabelle 2.2. (Fortsetzung) Vorher
Monate
1
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4
5
6
XXf
Xf
Xf
Xf
Xf
Xf
Xf
X
X
X
X
X
X
Xa
X
X
Xa
Jährlich
Lamotrigin Plasmakonzentration
a b f
Blutbild
X
X
Kreatinin
X
X
Leberenzyme, Bilirubin
X
X
PTT, Quick
X
X
EEG
X
X
X X
Bei langfristig stabilen Patienten sind halbjährliche Kontrollen ausreichend. Bei potenziell neurotoxischen Kombinationen, z. B. mit Antipsychotika, sind ggf. auch häufiger Kontrollen ratsam. Optional. Therapeutische Plasmakonzentrationen sind nicht genau definiert; s. Präparat, dort Pharmakokinetik
Xb
Kapitel 2 · Medikamente zur Behandlung bipolarer affektiver Störungen
Vierteljährlich
Vorher
Monate
Vierteljährlich
1
2
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4
5
6
XXXX
Xc
Xc
Xc
Xc
Xc
Xc
XXXX
X
X
X
X
X
X
Jährlich
Lithium Plasmakonzentration
b c
24-h-Urinvolumen, Kreatininclearance
X
Serumelektrolyte
X
X
X
T3, T4, TSH, ggf. TRH-Test
X
X
X
EKG
X
X
X
EEG
X
X
Xb
RR, Puls
X
X
Körpergewicht, Halsumfang
X
Xd
X
X
X
X
X
X
Xa
X
X
Xa
Bei langfristig stabilen Patienten sind halbjährliche Kontrollen ausreichend. Bei potenziell neurotoxischen Kombinationen, z. B. mit Antipsychotika, sind ggf. auch häufiger Kontrollen ratsam. Unter bestimmten Umständen (z. B. Fieber, Durchfälle) sind häufigere Kontrollen ratsam Bei älteren Patienten sind häufigere Kontrollen ratsam.
X
2
d
X
129
a
Kreatinin
2.9 · Routineuntersuchungen
. Tabelle 2.2. (Fortsetzung)
1
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3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
130
. Tabelle 2.2. (Fortsetzung) Vorher
Monate
1
2
3
4
5
6
XX
X
X
X
X
X
Xa
Jährlich
Valproinsäure Plasmakonzentration
a b e
Blutbild
X
X
XXe
Xe
Xe
Xe
Xe
Xa
Kreatinin
X
X
XXe
Xe
Xe
Xe
Xe
Xa
Xe
Xe
Xe
Xe
Xa
Leberenzyme, Bilirubin
X
X
XXe
Amylase, Lipase
X
X
XXe
Xe
Xe
Xe
Xe
Xa
PTT, Quick, Fibrinogen, Faktor VIII
X
X
XXe
Xe
Xe
Xe
Xe
Xa
EEG
X
X
Bei langfristig stabilen Patienten sind halbjährliche Kontrollen ausreichend. Bei potenziell neurotoxischen Kombinationen, z. B. mit Antipsychotika, sind ggf. auch häufiger Kontrollen ratsam. Diese Kontrollen sind laut Hersteller nur erforderlich, wenn die 4-Wochen-Kontrolle pathologische Werte aufgewiesen hat.
Xb
Kapitel 2 · Medikamente zur Behandlung bipolarer affektiver Störungen
Vierteljährlich
2.10 · Dosierung
5
5 5
5
5
131
Das mögliche Auftreten von Blutbildveränderungen v. a. unter Carbamazepin, aber auch unter Valproinsäure und Lamotrigin, macht die regelmäßige Kontrolle des Blutbildes notwendig. Wegen möglicher Gerinnungsstörungen sind unter Valproinsäure Kontrollen des Gerinnungsstatus notwendig. Wegen der möglichen Hepatotoxizität (Carbamazepin, Lamotrigin, Valproinsäure) bzw. Pankreastoxizität (Valproinsäure) sind unter diesen Substanzen Kontrollen der Leberenzyme bzw. zusätzlich auch der Pankreasenzyme notwendig. Allerdings empfehlen die Hersteller v. a. zu Therapiebeginn sehr kurze Kontrollintervalle, die in der Praxis oft nicht eingehalten werden (. Tabelle 2.2). Wegen der unter Lithium und Carbamazepin möglichen EKG-Veränderungen sollte vor und unter der Therapie ein EKG abgeleitet werden. Eine erste Kontrolle empfiehlt sich, wenn die Therapie stabil eingestellt ist, d. h. in der Regel nach 2–4 Wochen. Möglichst vor Beginn der Behandlung mit Lithium oder einem Antikonvulsivum sollte auch ein EEG abgeleitet werden. Dies ist auch für spätere Verlaufsuntersuchungen unter der Therapie wichtig. Bei unauffälligem Ausgangs-EEG ist eine Kontrolle nach einem Monat empfehlenswert. Bei Therapie mit Valproinsäure ist daran zu denken, dass es unter dieser Substanz sehr selten zu einer Enzephalopathie, in deren Rahmen auch Krampfanfälle auftreten, kommen kann.
5
Da Lithium und verschiedene Antikonvulsiva als teratogen zu betrachten sind, ist gerade in dieser Substanzklasse vor Behandlungsbeginn ggf. ein Schwangerschaftstest notwendig. 5 Unter einer Therapie mit Lithium oder einem Antikonvulsivum gehört die Bestimmung von Plasmakonzentrationen zu den zwingend notwendigen Routineuntersuchungen (s. u.).
2.10
Dosierung
Generelle Dosierungsempfehlungen sind wegen der Heterogenität der Substanzen nicht möglich. 5 Für Lithium, Carbamazepin und Valproinsäure sind therapeutische Plasmakonzentrationen etabliert; die Dosierung dieser Substanzen sollte sich daher nach der angestrebten Plasmakonzentration richten. 5 Regelmäßige Kontrollen der Plasmakonzentrationen (12 ± 0,5 h nach der letzten und vor der morgendlichen Einnahme) sind unter der The-
2
132
rapie mit Lithium oder Antikonvulsiva auch wegen der relativ geringen therapeutischen Breite dieser Substanzen notwendig. Diese müssen in der Phase der Neueinstellung, bis sich ein stabiles Gleichgewicht eingestellt hat, häufiger erfolgen.
1 2 3
! Durch eine Enzyminduktion unter Carbamazepin können die Plasma-
konzentrationen dieser und anderer, gleichzeitig verabreichter Substanzen noch Wochen, nachdem sich zunächst ein Gleichgewicht eingestellt hatte, wieder abfallen.
4 5 6 7 8 9 10 11
Kapitel 2 · Medikamente zur Behandlung bipolarer affektiver Störungen
5
Während Carbamazepin und mehr noch Lamotrigin sehr langsam aufdosiert werden müssen, können Lithium und v. a. Valproinsäure bei Bedarf – insbesondere bei manischen Syndromen – gleich von Beginn an in der Zieldosis verabreicht werden. Nach intravenöser Gabe von Valproinsäure können therapeutische Plasmakonzentrationen schon am zweiten Behandlungstag gemessen werden. 5 Gerade bei der kombinierten Verabreichung von Antikonvulsiva sind Interaktionen zwischen den Substanzen zu beachten, die zur Dosisanpassung zwingen und deren Nichtbeachtung zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen kann (z. B. kompetitive Hemmung des Lamotriginmetabolismus durch Valproinsäure mit Zunahme der Häufigkeit von Hautausschlägen).
2.11
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Präparate1
Carbamazepin
Stimmungsstabilisierer
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carba 200 mg AbZ (AbZ-Pharma)
Carbaflux (Hennig)
carba 200 von ct (ct-Arzneimittel)
Carbagamma (Wörwag)
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carba 400 ret. von ct (ct-Arzneimittel)
Carbamazepin 1A-Pharma (1 A Pharma)
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Carbabeta (betapharm)
14
Carbamazepin AL (Aliud Pharma) carbadura (Merck dura) Carbamazepin-biomo (biomo)
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Bei Generika wurde auf die Angabe der Packungsgröße verzichtet.
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2.11 · Präparate
Carbamazepin-neuraxpharm (neuraxpharm) Carbamazepin-ratiopharm (ratiopharm) Carbamazepin-RPh (Rodleben) Carbamazepin Sandoz (Sandoz) Carbamazepin Stada (Stada) Carbium (Hexal) espa-lepsin (esparma)
Fokalepsin (Lundbeck) Sirtal (Merck dura) Tegretal (Novartis Pharma) Tbl. 200 mg (50, 100, 200 Tbl.) 200, 400, 600 mg (50, 100, 200 Tbl.) (Tegretal retard) Susp. 100 mg/5 ml (250, 1000 ml) Timonil (Desitin) Tbl. 200 mg, 400 mg (50, 100, 200 Tbl.) 150, 200, 300, 400, 600 mg (Timonil 150 retard) Saft 100 mg/5 ml (250 ml)
Finlepsin (Arzneimittelwerk Dresden) Pharmakodynamik 5
Antikonvulsivum, dessen antimanischer und phasenprophylaktischer Wirkungsmechanismus nicht sicher definiert ist.
Pharmakokinetik 5
Langsame, fast vollständige Resorption; der Zeitpunkt des Plasmakonzentrationsmaximums ist abhängig von der galenischen Zubereitung: Suspension 2–3 h, Tablette ca. 8 h, Retardtablette ca. 14 h. Die Plasmaspiegel nach Gabe von Retardtabletten sind niedriger als bei nichtretardierten Tabletten. Die höchsten Konzentrationen werden nach Gabe der Suspension beobachtet. 5 t½ nach Einmalgabe ca. 35 h, bei Dauertherapie durch Enzyminduktion kürzer, 10–20 h; t½ des wirksamen Metaboliten Carbamazepin-10,11epoxid 5–8 h. 5 Plasmakonzentration: 6–12 µg/ml(p). Indikationen und Behandlungshinweise
Phasenprophylaxe bipolarer affektiver Störungenz, wenn Lithium nicht oder nicht ausreichend wirksam ist bzw. wenn unter Lithium ein Rapid cycling auftritt oder wenn Kontraindikationen gegen Lithium bestehen. 5 Verhütung zerebraler Krampfanfälle im Alkoholentzugssyndromz (nur unter stationären Bedingungen). 5 Eine antimanische Wirkung ist nachgewiesen; für diese Indikation besteht aber keine Zulassung.
5
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Entgegen älteren Befunden konnten neuere Studien eine Wirksamkeit bei Rapid cycling nicht sicher belegen.
5
3
Kapitel 2 · Medikamente zur Behandlung bipolarer affektiver Störungen
Unter einer Langzeitbehandlung mit Carbamazepin, insbesondere zur frühzeitigen Erkennung von hepato- und hämatotoxischen Nebenwirkungen, sind Routinekontrollen notwendig (. Tabelle 2.2). Wichtig: Aufklärung über Frühsymptome einer Knochenmarksschädigung (Fieber, Halsschmerzen, Mundulzera, Hämatome) und einer Leberfunktionsstörung (Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Gelbfärbung der Haut); bei Leukozytenzahl <4000/mm3 Kontrolle von Differenzialblutbild (einschließlich Thrombozytenzahl).
5
Vor Behandlungsbeginn Ausschluss von Herzrhythmus- bzw. Überleitungsstörungen durch EKG. 5 Regelmäßige Kontrollen der Plasmakonzentration notwendig (12 ± 0,5 h nach der letzten und vor der morgendlichen Einnahme); Plasmakonzentration kann noch Wochen nach Behandlungsbeginn abfallen (Enzyminduktion). 5 Routineuntersuchungen: . Tabelle 2.2. Dosierung
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5
Einschleichend aufdosieren, da Nebenwirkungen v. a. initial bei hohen Anfangsdosen und rascher Dosissteigerung auftreten. 5 Beginn mit 200–400 mg/Tag; Dosissteigerung i. Allg. um 200 mg/Tag; Erhaltungsdosis 800–1600 mg/Tag, je nach Plasmakonzentration; Verteilung auf 3–4 Einnahmen täglich, bei Retardpräparaten sind 1–2 Gaben ausreichend. 5 Antimanische und phasenprophylaktische Plasmakonzentrationen sind nicht definiert; angestrebt werden sollten Plasmakonzentrationen, wie sie in der Epileptologie Anwendung finden (4–12 mg/l). 5 Es ist empfohlen worden, die antimanische Behandlung mit der Suspension zu beginnen, da schneller maximale Plasmakonzentrationen erreicht werden und sich schneller ein Steady state einstellt; Nachteil: höhere Dosierungsfrequenz wegen kürzerer HWZ nötig. Nebenwirkungen 5
Bei Therapiebeginn Müdigkeit, Benommenheit, Schwindel, Ataxie, Sehstörungen und Doppelbilder, Übelkeit und Erbrechen; häufig milde Hyponatriämie; Schilddrüsenfunktionsstörungen sind beschrieben.
2.11 · Präparate
5
135
Häufig: allergische Hautveränderungen, meist in den ersten 1–2 Wochen; makulöse oder makulopapulöse Exantheme erfordern nicht immer das Absetzen, häufig Besserung unter Dosisreduktion oder Fortführung der Medikation.
! Exfoliative Dermatitis bei Stevens-Johnson-Syndrom bzw. Lyell-Synd-
rom ist lebensbedrohlich (sofort absetzen!). 5
Hämatotoxische Nebenwirkungen: reversible Leukozytopenien (meist Neutropenien) bei 10% der Patienten, bei 2% persistierend; bei 2% auch meist leichte Thrombozytopenien; selten aplastische Anämien (Risiko 1:20.000 bis 1:50.000) und Agranulozytosen (noch seltener).
!
Keine Kombination von Carbamazepin mit anderen potenziell knochenmarkstoxischen Substanzen (Clozapin).
5
Bradykardie und Herzrhythmusstörungen können auftreten; selten wurde ein AV-Block beobachtet; Vorsicht bei Kombination mit Lithium, da solche auch unter Lithium beschrieben wurden. 5 Gelegentlich treten Veränderungen von Leberfunktionsparametern, selten auch Ikterus und Hepatitis, auf. Kontraindikationen 5
Atrioventrikulärer Block, bekannte Knochenmarksschäden, akute intermittierende Porphyrie; zur Kombination mit MAOH . Tabelle 2.3. 5 Wegen struktureller Ähnlichkeit mit Imipramin sollte Carbamazepin Patienten, die auf Imipramin oder andere TZA mit Hautveränderungen oder anderen allergischen Reaktionen reagiert haben, nicht gegeben werden. 5 Die Hersteller geben eine Anwendungsbeschränkung für die Kombination mit Lithium an; wegen der erhöhten Neurotoxizität dieser Kombination wird empfohlen, Carbamazepinplasmakonzentrationen von 8 mg/l bzw. Lithiumspiegel von 0,8 mmol/l nicht zu überschreiten. Die Hersteller empfehlen weiterhin, Antipsychotika mindestens 8 Wochen vor Gabe dieser Kombination abzusetzen; diese Empfehlung erscheint praxisfremd. 5 Relative Kontraindikationen: schwere Leber- und Nierenerkrankungen; kardiale Vorschädigungen, insbesondere Reizleitungsstörungen. Interaktionen
Bei der Behandlung mit Carbamazepin sind mögliche Interaktionen mit anderen Medikamenten zu beachten (. Tabelle 2.3).
2
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1
Kapitel 2 · Medikamente zur Behandlung bipolarer affektiver Störungen
. Tabelle 2.3. Interaktionen Carbamazepin Komedikation
2 3
Art der Interaktion
Psychopharmaka Antidepressiva – Amitriptylin, Doxepin, Imipramin, Notriptylin (nicht Clomipramin)
6
Niedrigere Plasmaspiegel der TZA möglich, dadurch Verminderung der antidepressiven Wirksamkeit von TZA denkbar, jedoch pharmakodynamische Wirkverstärkung möglich. CAVE: Nach Absetzen von Carbamazepin Ansteigen der Plasmakonzentration von Antidepressiva möglich
– Desipramin
Erhöhung der Carbamazepinplasmakonzentation möglich
7
– MAO-Hemmer
Fragliche Interaktion; wegen strukturchemischer Ähnlichkeit von Carbamazepin mit Imipramin; die Hersteller empfehlen, Carbamazepin nicht mit MAO-Hemmern zu kombinieren und sowohl vor als auch nach Behandlung mit Carbamazepin einen Abstand von zwei Wochen einzuhalten; diese Empfehlung erscheint pharmakologisch nicht ausreichend begründet
– SSRI: Fluoxetin, Fluvoxamin
Höhere Carbamazepinplasmaspiegel, dadurch vermehrte Carbamazepinnebenwirkungen bis hin zur Neurotoxizität
– Viloxazin
Höhere Carbamazepinplasmaspiegel, dadurch vermehrte Carbamazepinnebenwirkungen möglich, in Einzelfällen bis hin zur Neurotoxizität
Antipsychotika (AP)
Durch verstärkte Metabolisierung geringerer antipsychotischer Effekt möglich; jedoch im Einzelfall pharmakodynamische Wirkverstärkung möglich. CAVE: Nach Absetzen von Carbamazepin Ansteigen der Plasmakonzentration von AP möglich
Benzodiazepine: Alprazolam Clonazepam
Niedriger, Plasmaspiegel der Benzodiazepine, dadurch Wirkabschwächiung der Benzodiazepine möglich
Lithium
Vermehrte Nebenwirkungen von Lithium und/oder Carbamazepin bis hin zur Neurotoxizität möglich, ggf. auch bei therapeutischen Plasmaspiegeln
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2.11 · Präparate
. Tabelle 2.3. (Fortsetzung) Komedikation
Art der Interaktion
Methadon
Durch verstärkte Metabolisierung von Methadon verminderte Methadonwirkung; Auftreten von Entzugssymptomen
Phenobarbital, Primidon
Geringfügig niedrigere (18%) Carbamazepin- und evtl. niedrigere Phenobarbitalplasmaspiegel
Phenytoin
Wechselseitig Beeinflussung der Metabolisierung von Phenytoin und Carbamazepin; widersprüchliche Befunde; Anwendung der Kombi-nation mit Kontrolle der Plasmakonzentrationen
Valproinsäure
Niedrigere Valproinsäureplasmaspiegel, auch Veränderung der Carbamazepinplasmaspiegel möglich; dadurch Verminderung der Wirkung von Valproinsäure möglich; jedoch auch pharmakodynamische Wirkverstärkung und vermehrte Nebenwirkungen (Hepatotoxizität) möglich
Andere Pharmaka Antikoagulanzien, z. B. Phenprocoumon, Warfarin
Verstärkte Metabolisierung von Antikoagulanzien, dadurch Verminderung der Antikoagulanzienwirkung; Dosisreduktion der Antikoagulanzien bei Absetzen von Carbamazepin
Ciclosporin
Niedrigere Ciclosporinplasmaspiegel, dadurch Verminderung der immunsuppressiven Wirkung von Ciclosporin möglich
Cimetidin
Vorübergehend erhöhte Carbamazepinplasmaspiegel, dadurch evtl. kurzfristig vermehrte Carbamazepinnebenwirkungen (Ranitidin: keine Interaktion mit Carbamazepin)
Danazol
Erhöhte Carbamazepinplasmaspiegel, dadurch vermehrte Carbamazepinnebenwirkungen bis hin zur Neurotoxizität
Dextropropoxyphen
Erhöhte Carbamazepinplasmaspiegel, dadurch vermehrte Carbamazepinnebenwirkungen bis hin zur Toxizität
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Kapitel 2 · Medikamente zur Behandlung bipolarer affektiver Störungen
. Tabelle 2.3. (Fortsetzung) Komedikation
Art der Interaktion
2
Doxycyclin
Niedrigere Doxycyclinserumspiegel, dadurch Verminderung der antibiotischen Wirkung möglich
3
Ethosuximid
Verstärkte Metabolisierung von Ethosuximid, dadurch Verminderung der Ethosuximidwirkung möglich
Furosemid
Hyponatriämie möglich
Isoniazid
Höhere Carbamazepinplasmaspiegel, dadurch vermehrte Carbamazepinnebenwirkungen bis hin zur Neurotoxizität; nach Absetzen von Isoniazid soll ein Intervall von zwei Wochen eingehalten werden, bevor Carbamazepin verabreicht wird
Kalziumantagonisten von Typ Diltiazem oder Verapamil
Erhöhte Carbamazepinplasmaspiegel, dadurch vermehrte Carbamazepinnebenwirkungen bis hin zur Neurotoxizität (Nifedipin oder andere Dihydropyridinkalziumantagonisten: keine Interaktion mit Carbamazepin)
Kortikosteroide
Verminderung der Wirkung von Kortikosteroiden möglich
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Makrolidantibiotika, z. B. Erythromycin, Clarithromycin
Höhere Carbamazepinplasmaspiegel, dadurch vermehrte Carbamazepinnebenwirkungen bis hin zur Neurotoxizität
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Mebendazol
Evtl. verminderte antihelminthische Wirkung
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Muskelrelaxanzien: Pancuronium, Gallamin
Verminderte Dauer und Wirksamkeit des Muskelrelaxens
Ovulationshemmer
Verminderung der kontrazeptiven Wirkung des Ovulationshemmers möglich
Schilddrüsenhormone, Thyroxin
Verminderung der Schilddrüsenhormonwirkung, in Einzelfällen hypothyreote Stoffwechsellage möglich
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2.11 · Präparate
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Besonders bedeutsam sind enzyminduzierende Effekte. Dadurch kann es zu einem beschleunigten Abbau von Medikamenten und einer Wirkabschwächung kommen.
Bewertung
Antikonvulsivum mit nachgewiesener antimanischer Wirkung; die phasenprophylaktische Wirkung bei bipolarer affektiver Störung ist relativ schlecht belegt; als Antimanikum nicht zugelassen. Bei manischen Syndromen und bei Rapid cycling ist die Wirksamkeit von Valproinsäure, das zudem akut besser handhabbar ist, besser belegt. Carbamazepin hat gegenüber Lithium wahrscheinlich Vorteile bei der Akutbehandlung gemischter Episoden und schizoaffektiver Störungen.
Lamotrigin
Stimmungsstabilisierer Elmendos (GlaxoSmithKline) Tbl. (zum Herstellen einer Suspension) 25 mg (50 Tbl.) 50, 100 mg (50, 100 Tbl.) 200 mg (100 Tbl.) Pharmakodynamik 5
Antikonvulsivum, dessen Wirkungsmechanismus bei bipolaren affektiven Störungen nicht sicher definiert ist.
Pharmakokinetik 5
Rasche, fast vollständige Resorption; maximale Plasmakonzentrationen werden nach 2,5–5 h gemessen. 5 t½ nach Einmalgabe im Mittel ca. 29 h; da Lamotrigin seinen eigenen Metabolismus induziert, sinkt die t½ bei Mehrfachgabe um ca. 25%. Gleichzeitige Verabreichung von Enzyminduktoren (z. B. Carbamazepin, Phenytoin) verkürzt die t½ auf etwa 14 h; bei gleichzeitiger Gabe von Valproinsäure steigt die t½ auf ca. 70 h (Hemmung des Lamotriginmetabolismus durch Valproinsäure). 5 Plasmakonzentration: Nicht definiert, bei Mehrfachverabreichung von 2-mal 150 mg/Tag an gesunde Probanden im Steady state wurden zwischen 5 und 7,5 µg/ml(p) gemessen. Indikationen und Behandlungshinweise 5
Prävention depressiver Episoden bei Patienten mit bipolaren Störungenz.
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Bipolare Depression: Eine überlegene Wirksamkeit der Substanz gegenüber Placebo bei depressiven Syndromen im Rahmen einer bipolaren affektiven Störung konnte belegt werden. Dennoch ist die Substanz in dieser Indikation bisher nicht zugelassen. Rapid cycling: Lamotrigin war in einer prospektiven, kontrollierten Studie bei Rapid cycling Placebo überlegen, insbesondere bei Patienten mit bipolarer Störung vom Typ II. Der Befund bedarf der weiteren Absicherung. Bei Therapie mit Lamotrigin kommt es relativ häufig (bei ca. 10% der Patienten), v. a. zu Beginn der Behandlung, zu Hautreaktionen. Die Häufigkeit von Hautreaktionen nimmt zu, wenn hohe Anfangsdosierungen gegeben werden bzw. die Aufdosierung zu rasch erfolgt. Bei Kombination mit Valproinsäure muss die Lamotrigindosis zu Beginn besonders niedrig gewählt und sehr langsam aufdosiert werden (s. o., Pharmakokinetik und Dosierung). Wenn Lamotrigin in einer nicht zugelassenen Indikation gegeben wird, sollte der Patient über die Möglichkeit von auch potenziell lebensbedrohlichen Hautreaktionen besonders aufgeklärt werden. Lamotrigin ist bei manischen Syndromen wahrscheinlich nicht wirksam. Routineuntersuchungen: . Tabelle 2.2.
Dosierung 5
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Kapitel 2 · Medikamente zur Behandlung bipolarer affektiver Störungen
5
Die Dosissteigerung sollte sehr langsam erfolgen, um das Risiko von Hautreaktionen zu minimieren. Beginn mit einer Einmaldosis von 25 mg/Tag in den ersten 14 Tagen; Dosissteigerung auf 50 mg/Tag in einer Einmaldosis für weitere 14 Tage; weitere Dosissteigerung bis zum Erreichen des gewünschten Therapieeffektes in Schritten von 50–100 mg alle 1–2 Wochen möglich. Übliche Erhaltungsdosis 100–200 mg/Tag, auch verteilt auf zwei Einzelgaben. In der Therapie der Epilepsie sind im Einzelfall bis zu 500 mg/ Tag notwendig, um einen ausreichenden Therapieeffekt zu erzielen. Werden gleichzeitig enzyminduzierende Pharmaka (z. B. Carbamazepin) verabreicht, kann die Dosissteigerung in der Regel schneller erfolgen. Beginn mit 50 mg/Tag für die ersten 14 Tage, Steigerung auf 100 mg/Tag für weitere 14 Tage, Erhaltungsdosis 200–400 mg/Tag. Beginn mit 25 mg/Tag jeden zweiten Tag in den ersten 14 Tagen, Steigerung auf 25 mg/Tag für weitere 14 Tage, weitere Dosissteigerung in Schritten von 25–50 mg alle 1–2 Wochen, Erhaltungsdosis 100–200 mg/Tag.
! Bei gleichzeitiger Verabreichung von Valproinsäure muss besonders
vorsichtig dosiert werden.
2.11 · Präparate
5
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Bei schweren Leberfunktionsstörungen muss die Dosis angepasst werden.
Nebenwirkungen 5
Bei bis zu 10% der im Rahmen von klinischen Studien mit Lamotrigin behandelten Patienten traten, vorwiegend in den ersten acht Behandlungswochen, Hautausschläge (meist makulopapulös) auf. Diese zwangen in 2% der Fälle zum Absetzen. Das Risiko für Hautauschläge nimmt zu, wenn hohe Anfangsdosierungen gegeben werden, wenn zu rasch aufdosiert wird und wenn mit Valproinsäure kombiniert wird.
! Selten werden auch schwere, lebensbedrohliche allergische Haut-
und Schleimhautreaktionen beobachtet (Quincke-Ödem, StevensJohnson-Syndrom, Lyell-Syndrom). Diese Erkrankungen sind im Einzelfall auch tödlich verlaufen. Den Hautreaktionen können andere systemische Manifestationen einer Überempfindlichkeitsreaktion (Fieber, Lymphadenopathie) vorausgehen. Der Patient sollte vor Behandlungsbeginn über diese Frühsymptome aufgeklärt werden. 5
5
5
5
5
Nicht selten kommt es zu einer Erhöhung der Leberenzyme, die nicht unbedingt zum Absetzen zwingt. Selten wurden jedoch auch schwere Störungen der Leberfunktion bis hin zum Leberversagen beobachtet. Im Einzelfall waren diese mit anderen Überempfindlichkeitsreaktionen assoziiert. Blutbildveränderungen (Neutropenie, Leukopenie, Anämie, Thrombozytopenie, Panzytopenie) wurden im Rahmen von Überempfindlichkeitsreaktionen, jedoch auch isoliert beobachtet. Sehr selten wurden aplastische Anämien und Agranulozytosen beschrieben. Die Hersteller empfehlen daher, bei Langzeittherapie Kontrolluntersuchungen durchzuführen, ohne jedoch Kontrollintervalle anzugeben. Vor allem zu Therapiebeginn kommt es zu Doppelt- und Verschwommensehen, Schwindel, Müdigkeit und Kopfschmerzen; auch gastrointestinale Beschwerden (Appetitlosigkeit, Übelkeit) bis hin zu Diarrhö und Erbrechen sind nicht selten. Haarausfall und Juckreiz kommen vor. Gelegentlich wurden unter Lamotrigin Bewegungsstörungen (Ataxie, Nystagmus, Tremor) beobachtet. In Einzelfällen soll sich ein vorbestehender Morbus Parkinson verschlimmert bzw. erstmals extrapyramidalmotorische Symptome gezeigt haben. Lamotrigin hemmt in geringem Umfang die Dihydrofolsäurereduktase. Interaktionen mit dem Folatstoffwechsel nach jahrelanger Einnahme sind daher nicht auszuschließen, wenn es dafür auch gegenwärtig keine Hinweise gibt.
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Kontraindikationen 5 5
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Bekannte Überempfindlichkeit gegen Lamotrigin. Relative Kontraindikationen: Vorsicht bei Patienten mit Nierenfunktionsstörungen. Es kommt zur Verminderung der renalen Clearance und zur Anreicherung des Hauptglukuronid-Metaboliten im Plasma.
Interaktionen
5
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Kapitel 2 · Medikamente zur Behandlung bipolarer affektiver Störungen
5
Lamotrigin induziert seinen eigenen Metabolismus nur geringfügig. Die Plasmakonzentration kann nach Mehrfachgabe um etwa 25% abfallen. Enzyminduktoren beschleunigen den Abbau von Lamotrigin. Dazu zählen Carbamazepin, Phenytoin, Phenobarbital und Primidon. Valproinsäure hemmt den Abbau von Lamotrigin. Unter der Kombination von Valproinsäure und Lamotrigin wurden Tremor, Ataxie, Müdigkeit und Sedierung beobachtet. Lamotrigin wird in der Leber metabolisiert; die Bindung an Plasmaproteine beträgt 55%. Die Substanz konkurriert mit Valproinsäure um die hepatische Glukuronidierung, so dass bei Kombination mit Valproinsäure die Lamotriginplasmakonzentrationen erheblich ansteigen können. Die Kombination mit leberenzyminduzierenden Arzneimitteln (Carbamazepin, Phenytoin, Phenobarbital, Primidon) führt zur Beschleunigung des Metabolismus. Bei Patienten mit mäßiger Leberfunktionsstörung sollte die Dosis um 50%, mit schwerer Störung um 75% erniedrigt werden. Lamotrigin besitzt ein geringes enzyminduzierendes Potenzial (s. o., Induktion des eigenen Metabolismus), das wahrscheinlich nicht klinisch relevant ist. Die Substanz besitzt kein pharmakokinetisches Hemmpotenzial.
Bewertung
Lamotrigin ist das einzige Antikonvulsivum, für das prospektiv placebokontrolliert eine Wirksamkeit bei der bipolaren Depression gezeigt werden konnte, ohne dass das Risiko, eine Manie zu induzieren, erhöht war. Die Substanz ist bisher jedoch nur für die Prophylaxe depressiver Episoden bei bipolaren Störungen zugelassen. Lamotrigin scheint auch bei Rapid cycling wirksam zu sein.
143
2.11 · Präparate
Lithiumsalze
Antimanikum, Stimmungsstabilisierer
Lithiumacetat Quilonum (GlaxoSmithKline) Tbl. (50, 100 Tbl.) Menge des Salzes pro Tbl.:
536 mg Lithiumgehalt pro Tbl.: 8,1 mmol
Lithiumaspartat
Lithium-Aspartat (Köhler-Pharma) Tbl. (100 Tbl.) Menge des Salzes pro Tbl.: 500 mg Lithiumgehalt pro Tbl.: 3,2 mmol Lithiumcarbonat Hypnorex retard (Sanofi-Synthelabo) Tbl. (50, 100 Tbl.) Menge des Salzes pro Tbl.: 400 mg Lithiumgehalt pro Tbl.: 10,8 mmol leukominerase (biosyn) Tbl. (50 Tbl.) Menge des Salzes pro Tbl.: 150 mg Lithiumgehalt pro Tbl.: 4 mmol Li 450 »Ziethen« (Ziethen) Tbl. (50, 100, 300 Tbl.) Menge des Salzes pro Tbl.: 450 mg Lithiumgehalt pro Tbl.: 12 mmol
Lithium Apogepha (Apogepha) Tbl. (50, 100 Tbl.) Menge des Salzes pro Tbl.: 295 mg Lithiumgehalt pro Tbl.: 8 mmol Quilonum retard (GlaxoSmithKline) Tbl. (50, 100 Tbl.) Menge des Salzes pro Tbl.: 450 mg Lithiumgehalt pro Tbl.: 12,2 mmol
2
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Pharmakodynamik 5
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5
Plasmakonzentration für antimanische Wirkung: 1,0–1,2 mmol/lp. Plasmakonzentration für rezidivprophylaktische Wirkung: 0,6– 0,8 mmol/lp. 5 Bei unzureichendem Ansprechen individuelle Erhöhung auch längerfristig möglich. 5 Bei älteren Patienten können niedrigere Dosen bzw. Plasmakonzentrationen notwendig sein, da eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber neurotoxischen Wirkungen bekannt ist. 5 Plasmakonzentration für Lithiumaugmentation: Anzustreben sind 0,6–0,8 mmol/l; bei alten Patienten sind evtl. 0,4 mmol/l ausreichend. Mindestens 3-wöchige Durchführung einer Plasmakonzentrationsmessung zur sicheren Effizienzbeurteilung empfehlenswert. Indikationen und Behandlungshinweise 5 5
5
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Nahezu vollständige enterale Resorption; Tmax = 1–3 h; keine Metabolisierung; ausschließlich renale Ausscheidung; Eliminationshalbwertszeit von der Präparationsform abhängig.
5 5
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Wirkung auf Signaltransduktionssysteme und Neurotransmitterrezeptoren (7 Kap. 2.2).
Pharmakokinetik
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Kapitel 2 · Medikamente zur Behandlung bipolarer affektiver Störungen
5 5 5
Akutbehandlung manischer Syndromez. Phasenprophylaxez bei – bipolarer affektiver Störung, – rezidivierenden manischen Episoden, – unipolarer Depression (7 Kap. 1.11). Therapie und Prophylaxe schizoaffektiver Störungen. Für diese Indiaktion sind Lithiumsalze jedoch nicht zugelassen. »Lithiumaugmentation« bei therapieresistenten Depressionen (7 Kap. 1.12). Geringe therapeutische Breite, keine Toleranzentwicklung. Vor Beginn einer Therapie mit Lithium sollte besonders die Nierenfunktion nach dem folgenden Schema kontrolliert werden: – Bestimmung von Serumkreatinin und Kreatininclearance, außerdem Harnstoff, Harnsäure, Urinstatus, – falls Kreatininclearance unter 70 ml/min: Kontrollbestimmung der glomerulären Filtrationsrate (GFR) mit Isotopenclearance (z. B. 99mTc-DTPA),
2.11 · Präparate
145
2
– falls GFR unter 60 ml/min: Konsultation eines Nephrologen, Erwägen therapeutischer Alternativen, – falls GFR unter 30 ml/min: Lithiumbehandlung strikt kontraindiziert. ! Nach plötzlichem Absetzen treten manische Syndrome wahrschein-
lich häufiger auf als im naturalistischen Verlauf (»Absetzmanie«). 5
Ggf. sollte ein Schwangerschaftstest durchgeführt werden.
Dosierung 5
Lithium sollte in Retardform mit der Hauptdosis abends verabreicht werden. Einige Autoren empfehlen die abendliche Einmalgabe, damit nebenwirkungsträchtige Konzentrationsspitzen vom Patienten »verschlafen« werden. 5 Die tägliche Tabletteneinnahme richtet sich nach der Lithiumplasmakonzentration, die im Steady-state kontrolliert werden (s. o.). Steadystate-Bedingungen sind nach einer Woche erreicht. Grundsätzlich: Verdopplung der Dosis führt zur Verdopplung der Lithiumkonzentration im Plasma. 5 Rasche Aufdosierung notwendig; sollte wegen möglicher initialer Nebenwirkungen nur unter stationären Bedingungen erfolgen. Kontrolle der Lithiumkonzentration im Plasma in kurzen Intervallen von 2–3 Tagen. 5 Lithiumaugmentation: Unter Kontrolle der Plasmakonzentrationen (s. o.). 5
Die Lithiumserumkonzentration (Blutentnahme pünktlich 12±0,5 h nach letzter Tabletteneinnahme, vor Einnahme der Medikamente) sollte nach dem in . Tabelle 2.2 dargestellten Schema kontrolliert werden
Vorgehen für die einzelnen Präparate 5
Bei manischen Syndromen: Schnelle Aufdosierung wird in der Regel von manischen Patienten gut toleriert. Verglichen mit den unten aufgeführten Empfehlungen für die einzelnen Präparate bei der Rezidivprophylaxe sind initial höhere Gaben von 30–40 mmol/Tag zu empfehlen. Bei Besserung langsame Reduktion und Übergang in Prophylaxe. 5 Zur Rezidivprophylaxe: – Lithiumacetat (Quilonum): Behandlungsbeginn erfolgt mit 2-mal 1 Tbl./Tag. Wenn nach einer Woche die Lithiumserumkonzentration
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Kapitel 2 · Medikamente zur Behandlung bipolarer affektiver Störungen
über 0,8 mmol/l liegt, wird die Dosis um ½–1 Tbl. reduziert; wenn die Lithiumserumkonzentration unter 0,6 mmol/l liegt, wird die Medikation um ½–1 Tbl. erhöht. – Lithiumaspartat: Nach Herstellerangabe Tagesdosis 4–6 Tbl. auf 2–3 Einnahmen verteilt. Hinweis: Verlässliche Dosierungsempfehlung schwierig, da pharmakokinetische Ergebnisse zu diesem Präparat nur eingeschränkt vorliegen. – Lithiumcarbonat: – Hypnorex retard und Lithium Apogepha: Beginn mit 2-mal 1 Tbl./Tag, bei älteren Patienten mit 2-mal ½ Tbl./Tag. – Quilonum retard und Li 450 »Ziethen«: Beginn mit 1,5 Tbl. (morgens ½, abends 1)/Tag, bei älteren Patienten mit 2-mal ½ Tbl./ Tag. Dosierungsanpassung entsprechend Lithiumserumkonzentrationen wie oben beschrieben. – Leukominerase: Beginn mit 3-mal 1 Tbl./Tag, bei älteren Patienten mit 2-mal 1 Tbl./Tag. Dosierungsanpassung entsprechend Lithium-Serumkonzentration wie oben beschrieben. Nebenwirkungen
Zahlreiche Patienten nehmen langfristig Lithiumsalze ohne unerwünschte Wirkungen ein. Relativ häufig treten jedoch zu Beginn einer Lithiumbehandlung Nebenwirkungen auf, die später wieder spontan verschwinden. Initiale Nebenwirkungen sollten nicht zu einem Behandlungsabbruch führen, deshalb ist die vorherige Aufklärung des Patienten von besonderer Bedeutung. 5 Häufigste Gründe für das Absetzen der Lithiumsalze durch den Patienten sind subjektiv erlebte kognitive Störungen, Gewichtszunahme, Tremor und Polyurie. 5 Bei einem Tremor sollte, falls der Patient nicht schon primär darauf eingestellt wurde, zunächst auf ein Retardpräparat umgestellt werden; zur Koffeinkarenz sollte angehalten werden. Ein zentralgängiger β-Rezeptorenblocker (z. B. Propranolol) kann versucht werden. Ggf. muss die Lithiumdosis reduziert werden. 5 Bei Kombination mit Antipsychotika oder Antidepressiva wurde über das Auftreten von malignen neuroleptischen Syndromen bzw. von Serotoninsyndromen berichtet. Die kausale Rolle von Lithium im Rahmen dieser Kombinationstherapien ist jedoch unklar. 5 . Tabelle 2.4 gibt eine Übersicht über mögliche Nebenwirkungen von Lithiumsalzen.
147
2.11 · Präparate
. Tabelle 2.4. Nebenwirkungen bei Behandlung mit Lithium Organsystem
Nebenwirkungen
Häufig (h)/ selten (s)
Therapie/ Bemerkungen
Neurologisch/ psychiatrisch
Feinschlägiger Tremor
h
`-Rezeptorenblocker (z. B. Propranolol 3×10– 40 mg)
Kognitive Störungen
h
Als besonders störend empfunden
Müdigkeit
s
Initial
Muskelschwäche
s
Initial, gelegentlich aber Funktionsstörung der peripheren Nerven (verminderte Leitgeschwindigkeiten und Amplituden der Aktionspotentiale)
Polyurie, Polydipsie
h
Initial
Nierenfunktionsstörungen (verminderte Konzentrationsleistung, renaler Diabetes insipidus)
s
Bei Absetzen von Lithium in aller Regel reversibel; unklar, ob histologische Veränderungen auftreten
Glomerulonephritis (Minimalchange-Typ)
s
Äußerst selten; nur wenige Fälle in der Literatur
Gewichtszunahme
h
Kalorienarme Diät bei normaler Kochsalzzufuhr
Gesichts- und Knöchelödeme
s
Gastrointestinal
Diarrhöen, Übelkeit Völlegefühl, Appetitverlust
h
Initial
Endokrinium
Struma, TSH-Anstieg
h
Substitution mit Schilddrüsenhormonen
Renal
Elektrolyt-/ Wasserhaushalt
2
148
Kapitel 2 · Medikamente zur Behandlung bipolarer affektiver Störungen
. Tabelle 2.4. (Fortsetzung)
1
Organsystem
2 3 4 5
Nebenwirkungen
Häufig (h)/ selten (s)
Therapie/ Bemerkungen
Hypothyreose
s
Mitbehandlung durch Endokrinologen
Hyperparathyreoidismus
s
Mitbehandlung durch Endokrinologen
Beeinflussung des Kohlenhydratstoffwechsels
s
Senkung oder Erhöhungen der Blutglukosekonzentration beschrieben
Repolarisationsveränderungen im EKG
s
Reversibel
Arrhythmien
s
Sehr selten, eher bei vorbestehenden Herzerkrankungen
Leukozytosen
h
Reversibel, in der Regel unproblematisch
6 Kardiovaskulär
7 8 9
Hämatologisch
10 11 12
Lithiumintoxikation ! Bei Lithiumserumkonzentrationen über 1,6 mmol/l kann es zu Intoxi-
kationserscheinungen kommen. Da die Schwelle für Intoxikationszeichen individuell verschieden ist, können im Einzelfall erste Symptome einer Lithiumintoxikation auch bei niedrigeren Lithiumserumkonzentrationen auftreten (schon bei therapeutischen Serumkonzentrationen möglich).
13 14 15 16 17
Ursachen einer Lithiumintoxikation 5 5
Überdosierung (akzidentell oder suizidal). Kalium- oder Kochsalzmangel (z. B. natriumarme Diät, Diuretika, starkes Schwitzen, Diarrhö, sonstige Flüssigkeitsverluste). 5 Nierenfunktionsstörungen mit Elektrolytverschiebungen. 5 Verminderung der renalen Lithiumclearance durch nichtsteroidale Antiphlogistika oder Angiotensin-converting-enzyme-Hemmer. 5 Narkosen oder Operationen (2–3 Tage vor Operation Absetzen von Lithiumsalzen). Eine Elektrokrampfbehandlung ist unter Lithiumbehand-
2.11 · Präparate
149
2
lung möglich, ein erhöhtes Nebenwirkungsrisiko ist jedoch zu beachten (z. B. verstärkte Gedächtnisstörungen). Wenn Lithium unter EKB weiter gegeben wird, sollte auf zusätzliche Psychopharmaka verzichtet werden. Maßnahmen bei einer Lithiumintoxikation (7 Kap. 17.3.1)
Klinische Symptome der Lithiumintoxikation (7 Kap. 17.3.1) 5 5 5
Übelkeit, Erbrechen, Durchfall Grobschlägiger Händetremor Abgeschlagenheit, psychomotorische Verlangsamung, Vigilanzminderung 5 Schwindel, Dysarthrie, Ataxie 5 Später: Rigor, Hyperreflexie, Faszikulationen, zerebrale Krampfanfälle, Schock; Bewusstseinstrübung bis zum Koma; Herz-KreislaufStillstand
Kontraindikationen 5
Schwere Nierenfunktionsstörungen (z. B. Glomerulonephritis, Pyelonephritis), schwere Herz- und Kreislauf-Krankheiten, Störungen des Natriumhaushaltes, Addison-Erkrankung. Zu Lithium in Schwangerschaft und Stillzeit 7 Kap. 14. 5 Relative Kontraindikationen: Krankheiten, die zu Nierenfunktionsstörungen führen können, z. B. Hypertonie, Gicht oder Arteriosklerose. Weiterhin: stark reduzierter Ernährungs- und Kräftezustand, zerebrale Krampfbereitschaft, Morbus Parkinson, Myasthenia gravis, Hypothyreose, Psoriasis vulgaris. 5 Unter einer Langzeitbehandlung mit Lithium notwendige Routinekontrollen sind . Tabelle 2.2 zu entnehmen.. Interaktionen (. Tabelle 2.5)
Bewertung
Gegenwärtig Medikament der ersten Wahl zur Akutbehandlung der klassischen (euphorischen) Manie und zur Phasenprophylaxe bipolarer affektiver Störungen. Da die antimanische Wirksamkeit von Valproinsäure besser belegt ist und diese Substanz auch phasenprophylaktisch und bei Rapid cycling wirksam zu sein scheint, könnte eine Änderung der Zulassungsbedingungen für Valproinsäure diese Beurteilung zugunsten von
150
1
Kapitel 2 · Medikamente zur Behandlung bipolarer affektiver Störungen
. Tabelle 2.5. Interaktionen Lithium Komedikation
2 3 4 5 6
Psychopharmaka Antidepressiva: – Mirtazapin, Reboxetin, Venlafaxin
Fraglich vermehrte Lithiumnebenwirkungen; jedoch evtl. bessere antidepressive Wirkung durch Lithiumzugabe
– SSRI, insbesondere Fluoxetin
Vermehrte Lithiumnebenwirkungen bis zur Neurotoxizität möglich, z. T. durch Erhöhung von Lithiumserumspiegeln, z. T. pharmakodynamisch bedingt CAVE: Serotoninsyndrom. Jedoch evtl. bessere antidepressive Wirkung durch Lithiumaugmentation
– TZA
Evtl. verstärkter Tremor; evtl. bessere antidepressive Wirksamkeit durch Lithiumaugmentation
Antipsychotika (AP)
Vermehrte Lithium- und/oder Ap-Nebenwirkungen, z. B. auch EPS, in Einzelfällen bis hin zur Neurotoxizität (EEG-Veränderungen, Delir, Krampfanfälle); evtl. erhöhtes Risiko für malignes neuroleptisches Syndrom unter Lithiumzugabe, in sehr seltenen Einzelfällen irreversible Bewegungsstörungen mit persistierenden EEG-Veränderungen beschrieben
Carbamazepin
Vermehrte Nebenwirkungen von Lithium und/oder Carbamazepin bis hin zur Neurotoxizität möglich, ggf. auch bei therapeutischen Plasmaspiegeln
Phenytoin
Vermehrte Nebenwirkungen von Lithium und/oder Phenytoin bis hin zur Neurotoxizität möglich, ggf. auch bei therapeutischen Plasmaspiegeln
8 9 10 11 12
14 15 16 17
Nach derzeitiger Kenntnis verträglich, kein Hinweis auf Interaktion
– MAO-Hemmer
7
13
Art der Interaktion
Andere Pharmaka ACE-Hemmer
Erhöhte Lithiumserumspiegel, dadurch vermehrte Lithiumnebenwirkungen. CAVE: Nephrotoxizität; häufige Lithiumserumspiegelkontrollen notwendig
Acetazolamid
Vermehrte Lithiumausscheidung mit erniedrigten Lithiumserumspiegeln
151
2.11 · Präparate
. Tabelle 2.5. (Fortsetzung) Komedikation
Art der Interaktion
Antibiotika: Ampicillin, Tetrazykline, Aminoglykoside, Metronidazol
Evtl. erhöhte Lithiumserumspiegel, dadurch vermehrte Lithiumnebenwirkungen bis hin zur Intoxikation möglich. CAVE: Nephrotoxizität; häufigere Lithiumserumspiegelkontrollen notwendig
Nichtsteroidale Antiphlogistika
CAVE: Intoxikationsrisiko durch verminderte renale Lithiumclearance; berichtet für Rofecoxib und Celecoxib; häufigere Serumspiegelkontrollen notwendig; bisher keine Interaktionen mit ASS berichtet
Clonidin
Abschwächung der blutdrucksenkenden Wirkung von Clonidin möglich
Digoxin
Herzglykosidwirkung evtl. verstärkt, Gefahr von Rhythmusstörungen evtl. begünstigt; Abschwächung der antimanischen Wirkung von Lithium möglich
Diuretika, insbes. Thiaziddiuretika (z. B. Hydrochlorothiazid), aber auch kaliumsparende Diuretika (Amilorid, Triamteren)
CAVE: Intoxikationsrisiko durch verminderte renale Lithiumclearance; Schleifendiuretika (z. B. Furosemid, Etacrynsäure) erhöhen Lithiumserumspiegel in geringerem Ausmaß. Thiaziddiuretika können sinnvoll sein bei nephrogenem Diabetes insipidus (Verminderung von Polyurie und Polydipsie)
Kaliumiodid
Verstärkte thyreostatische Wirkung
Kalziumantagonisten vom Diltiazemund Verapamiltyp
Evtl. verstärkte Neurotoxizität
Ketamin
Vermehrte Lithiumnebenwirkungen
Methyldopa
Evtl. erhöhte Lithiumserumspiegel, dadurch vermehrte Lithiumnebenwirkungen bis hin zur Intoxikation, in Ausnahmefällen auch bei therapeutischen Serumspiegeln
Methylxanthine (Theophyllin, Coffein)
Senkung von Lithiumserumspiegeln durch erhöhte renale Lithiumclearance
Muskelrelaxanzien (Pancuronium, Suxamethonium)
Verlängerte neuromuskuläre Blockade (in Einzelfällen um mehrere Stunden); Lithium präoperativ absetzen
2
152
Kapitel 2 · Medikamente zur Behandlung bipolarer affektiver Störungen
. Tabelle 2.5. (Fortsetzung)
1 2 3 4
Komedikation
Art der Interaktion
Natriumbikarbonat
Vermehrte Lithiumausscheidung mit niedrigeren Serumspiegeln
Sympathikomimetika
Abschwächung der blutdrucksteigernden Wirkung der Sympathikomimetika möglich
Thyreostatika
Verstärkte thyreostatische Wirkung
5 6 7 8 9 10
Valproinsäure ändern. Wahrscheinlich haben Lithiumsalze und Carbamazepin vergleichbare Effekte bei der Phasenprophylaxe von schizoaffektiven Störungen, jedoch sind Lithiumsalze Carbamazepin unterlegen bei rein schizodepressiven Verläufen oder bei im Vordergrund stehender psychotischer Symptomatik.
Oxcarbazepin Trileptal (Novartis Pharma) Tbl. 150, 300, 600 mg
11 12
5
13 14 15
Antikonvulsivum Timox (Desitin) Tbl. 150, 300, 600 mg Susp. 60 mg/ml
Obwohl eine Wirksamkeit des 10-Keto-Analogons des Carbamazepins bei bipolaren affektiven Störungen wahrscheinlich ist, liegen erst zwei kleine, positive kontrollierte und mehrere offene Studien bei manischen Syndromen vor. Die Datenbasis ist daher zu schmal, um Oxcarbazepin für die klinische Anwendung in psychiatrischer Indikation zu empfehlen.
! Oxcarbazepin ist vom BfArM in psychatrischen Indikationen nicht zugelassen. Deshalb kann die Substanz bei bipolaren affektiven Störungen bisher lediglich als Reservemedikament gelten.
16 5
17
Der Vorteil von Oxcarbazepin gegenüber Carbamazepin besteht in dem geringeren Interaktionspotenzial und der besseren Verträglichkeit. Das größte Risiko ist die Hyponatriämie. Hautreaktionen sind seltener als unter Carbamazepin, die Substanz soll auch weniger leber- und knochenmarkstoxisch sein.
2.11 · Präparate
153
2
Valproinsäure2
Antimanikum, Stimmungsstabilisierer Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die Konzentrationsangaben für die folgenden Präparate auf die Salze der Valproinsäure. Die Menge der Valproinsäure selbst pro Tablette bzw. Kapsel ist etwas geringer.
Convulex (Lundbeck) Convulsofin (Arzneimittelwerk Dresden) Convulsofin-Tropfen (Pharma Wernigerode)
Valproat-neuraxpharm (neuraxpharm) Valproat-RPh (Rodleben) Valproat Sandoz (Sandoz) Valpro-beta (betapharm)
Ergenyl (Sanofi-Synthelabo) Tbl. 150, 300, 500 mg 300, 500 mg (Ergenyl chrono Retardtabletten) Lsg. 300 mg/1 ml (60 ml) Amp. 400 mg/4 ml (5 Amp.)
Valprodura (Merck dura) Valproflux (Henning) Valproinsäure von ct (ct-Arzneimittel)
espa-valept (esparma) Leptilan (Novartis Pharma) Orfiril (Desitin) Drg. 150, 300, 600 mg 300 mg (Orfiril retard) Kps. 150, 300 mg (50, 100, 200 Drg.) (Orfiril long Retardkapseln) Tbl. 500, 1000 mg (50, 100, 200 Drg.) (Orfiril long Retardminitabletten) Saft 300 mg/5 ml (250 ml) Amp. 300 mg/3 ml (5 Amp.)
2
Valproinsäure-ratiopharm (ratiopharm) Valprolept (Hexal) Valpro TAD (TAD Pharma)
Valproinsäure ist vom BfArM bei psychiatrischen Indikationen auch weiterhin nicht zugelassen. Da die Substanz bei der Behandlung affektiver Störungen, insbesondere der Manie, eine Bedeutung erlangt hat, wird sie hier dennoch ausführlich besprochen. Bei den vielen Generika wurde auf die Darreichungsform verzichtet.
154
1 2 3 4 5 6 7
Kapitel 2 · Medikamente zur Behandlung bipolarer affektiver Störungen
Pharmakodynamik 5
Antikonvulsivum, dessen antimanischer und phasenprophylaktischer Wirkungsmechanismus nicht sicher definiert ist.
Pharmakokinetik 5
Schnelle, fast vollständige Resorption; Zeitpunkt des Plasmakonzentrationsmaximums abhängig von der galenischen Zubereitung: Lösung 0,5–2 h, Tablette 2–8 h, im Mittel 6 h. 5 Bindung zu 90–95% an Plasmaproteine, v. a. Albumine; bei höheren Dosierungen nimmt die freie Fraktion zu. 5 t½ bei Monotherapie 12–16 h, bei Retardpräparaten im Mittel 18 h, weitgehend unverändert bei Langzeittherapie; Abnahme der t½ bei Kombination mit enzyminduzierenden Substanzen wie Carbamazepin (s. u.), Zunahme bei Lebererkrankungen. 5 Plasmakonzentration: 50–100 µg/ml(p). Indikationen und Behandlungshinweise
8 9 10 11 12 13 14 15 16
5
Manische Syndrome.
! Valproinsäure ist in dieser Indikation vom BfArM nicht zugelassen. 5
Zur Wirksamkeit von Valproinsäure in der Phasenprophylaxe bipolarer affektiver Störungen liegen positive Erfahrungen aus offenen Studien und Ergebnisse einer kontrollierten Studie gegen Lithium und Placebo vor, die die phasenprophylaktische Wirksamkeit der Substanz nahe legen. 5 Eine Langzeitbehandlung mit Valproinsäure fordert notwendige Routinekontrollen, insbesondere zur frühzeitigen Erkennung von Störungen von Leber, Bauchspeicheldrüse, Knochenmark und Gerinnung (. Tabelle 2.2, 7 Kap. 2.9). Wichtig: Aufklärung über Frühsymptome möglicher Organschädigungen (Knochenmarkschädigung: Fieber, Halsschmerzen, Mundulzera, Hämatome; Pankreatitis: Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen). 5 Regelmäßige Kontrollen der Plasmakonzentration sind v. a. zu Therapiebeginn notwendig (12±0,5 h nach der letzten und vor der morgendlichen Einnahme). Weitere Routineuntersuchungen 7 Kap. 2.9. Dosierung
17
5
Beginn mit 500–1000 mg/Tag, verteilt auf 2–4 Einzeldosen; Erhaltungsdosis bei Erwachsenen in der Regel 1200–2100 mg/Tag, je nach Plasmakonzentration (s. o.).
2.11 · Präparate
5
155
2
Um einen raschen antimanischen Effekt zu erzielen, wird empfohlen, von Beginn an mit einer Tagesdosis von 20 mg/kg KG zu behandeln (»loading«); in der Akutphase der Manie wurden Plasmakonzentrationen bis 120 µg/ml gut vertragen. Ein noch rascherer antimanischer Effekt lässt sich möglicherweise durch die intravenöse Gabe von Valproinsäure erreichen; hierzu liegen bisher aber erst Einzelfallberichte vor. Auch bei intravenöser Verabreichung kann von Beginn an die (orale) Zieldosis gegeben werden.
Nebenwirkungen 5 5 5
5
5
Häufig: mäßige Hyperammonämie, die nicht zum Absetzen der Substanz zwingt. Gelegentlich: dosisabhängig Gewichtszunahme oder -abnahme, Appetitsteigerung oder -abnahme; Haarausfall. Zentralnervöse Nebenwirkungen: Sedierung, Parästhesien und Tremor, selten Ataxie; Halluzinationen und Bewusstseinsstörungen können Intoxikationszeichen sein; Einzelfälle von Enzephalopathien, die auch chronisch verlaufen können, wurden beschrieben. Gelegentlich, v. a. zu Therapiebeginn, gastrointestinale Nebenwirkungen (Übelkeit, Erbrechen, Durchfall); Hepatotoxizität bis hin zu seltenen Todesfällen (besonders gefährdet sind Kinder und Jugendliche und Patienten, die mit mehr als einem Antikonvulsivum behandelt werden), Transaminasenerhöhungen nicht selten, häufig reversibel; vereinzelt Pankreatitiden. Gelegentlich reversible Thrombozytopenien oder Leukopenien, die nicht unbedingt zum Absetzen zwingen; selten Knochenmarkfunktionsstörungen mit Lymphopenien, Neutropenien, Panzytopenien oder Anämien; selten auch Koagulopathien durch Verminderung von Fibrinogen und/oder Faktor VIII und Störung der Thrombozytenaggregation.
! Keine Kombination mit Thrombozytenaggregationshemmern. 5
Es wurden Einzelfälle von Erythema multiforme und Lupus erythematodes, noch seltener auch Stevens-Johnson-Syndrom und Lyell-Syndrom, beschrieben. 5 Es sind wenige Fälle von reversibler Hypothermie bekannt geworden. Kontraindikationen 5
Bekannte Überempfindlichkeit gegen Valproinsäure; hepatische Porphyrie; relevante Leber- oder Pankreasfunktionsstörungen; Blutgerinnungsstörungen; schwere Lebererkrankungen, besonders bei familiärer Häufung.
156
1
5
2 3 4 5 6 7 8
Kapitel 2 · Medikamente zur Behandlung bipolarer affektiver Störungen
Relative Kontraindikationen: Knochenmarkschädigungen; metabolische Erkrankungen, insbesondere angeborene Enzymopathien, Niereninsuffizienz und Hypoproteinämie; systemischer Lupus erythematodes.
Interaktionen 5 5
Valproinsäure hemmt Glucuronyltransferasen und CYP 2C19. Bei der Behandlung mit Valproinsäure sind mögliche Interaktionen mit anderen Medikamenten zu beachten (. Tabelle 2.6), beispielsweise mit Clomipramin oder Doxepin.
Bewertung
Antikonvulsivum mit nachgewiesener antimanischer Wirkung, jedoch in dieser Indikation bisher nicht zugelassen. Gegenüber Lithium wahrscheinlich Vorteile bei Rapid cycling und bei gemischten Episoden. Bis zur weiteren empirischen Sicherung der phasenprophylaktischen Wirksamkeit kann die Substanz – auch wegen der fehlenden Zulassung in psychiatrischen Indikationen – gegenwärtig noch nicht als Mittel der ersten Wahl zur Behandlung bipolarer affektiver Störungen betrachtet werden.
9 10 11
. Tabelle 2.6. Interaktionen Valproinsäure Komedikation
12 13 14
Psychopharmaka Antidepressiva: – Mirtazapin, Reboxetin, Venlafaxin
Bisher kein Hinweis auf klinisch relevante interaktionen
– SSRI
Evtl. höhere Valproinsäureplasmaspiegel, dadurch vermehrte Valproinsäurenebenwirkungen
– TZA
Evtl. höherer Plasmaspiegel von Amitriptylin, dadurch vermehrte Nebenwirkungen möglich
Benzodiazepine
Höhere Plasmakonzentrationen von Loratepam oder Clomatepam berichtet; dadurch vermehrte Nebenwirkungen möglich, insbesondere vermehrte Sedierung
15 16 17
Art der Interaktion
157
2.11 · Präparate
. Tabelle 2.6. (Fortsetzung) Komedikation
Art der Interaktion
Carbamazepin
Niedrigere Valproinsäureplasmaspiegel, dadurch Verminderung der Wirkung von Valproinsäure möglich, unter Kombination jedoch auch pharmakodynamische Wirkverstärkung beschrieben; evtl. höhere Plasmakonzentrationen von Carbamazepin-10, 11-epoxid mit vermehrten Nebenwirkungen möglich
Clozapin
Kurzfristig ist mit einem Anstieg und langfristig mit einem Abfall (ca. 40%) der Clozapinspiegel zu rechnen; bei Kombination Kontrolle der Plasmakonzentrationen von Clozapin und Valproinsäure
Lamotrigin
Hemmung des Abbaus von Lamotrigin, HWZ kann stark ansteigen; Risiko von lamotrigininduzierten Hautausschlägen, Tremor, Ataxie und Sedierung erhöht
Phenobarbital, Primidon
Höhere Phenobarbitalplasmaspiegel, dadurch vermehrte Phenobarbitalnebenwirkungen möglich
Phenytoin
Evtl. niedrigere Valproinsäureplasmaspiegel, Verdrängung von Phenytoin aus der Plasmaeiweißbindung; Verminderung der Wirkung von Valproinsäure möglich, vermehrte Phenytoinnebenwirkungen möglich, in Einzelfällen Neurotoxizität oder Hepatotoxizität
Andere Pharmaka Azetylsalizylsäure (ASS)
Erhöhte Valproinsäureplasmaspiegel, dadurch mehrte Valproinsäurenebenwirkungen, in Einzelfällen bis hin zur Neurotoxizität. CAVE: verlängerte Blutungszeit
Ethosuximid
Höhere Ethosuximidplasmaspiegel, dadurch vermehrte Ethosuximidnebenwirkungen bis hin zur Neurotoxizität möglich
Makrolidantibiotika, z. B. Erythromycin, Clarithromycin
Erhöhte Valproinsäureplasmaspiegel, dadurch vermehrte Valproinsäurenebenwirkungen bis hin zur Neurotoxizität möglich
Zidovudin
Erhöhte Bioverfügbarkeit durch Hemmung des Abbaus von Zidovudin mit vermehrten Nebenwirkungen
2
3 Antipsychotika (Neuroleptika)
3.1
Übersicht
Antipsychotika (AP) sind eine chemisch heterogene Gruppe von Pharmaka mit antipsychotischem Wirksamkeitsschwerpunkt und unterschiedlichem Nebenwirkungsprofil. Der häufig synonym verwendete Begriff »Neuroleptikum« ist historisch bedingt und wird international immer mehr durch den Begriff Antipsychotikum ersetzt. Dieser weist auf die klinisch bedeutsame therapeutische Wirkung bei psychotischen Störungen, insbesondere schizophrenen Psychosen, hin. Eine Einteilung der Vielzahl entwickelter Substanzen ist historisch bedingt und nach verschiedenen Gesichtspunkten möglich, z. B. der chemischen Struktur, den dosisabhängig auftretenden antipsychotischen Wirkungen (»neuroleptische Potenz«) und Nebenwirkungen, insbesondere extrapyramidalmotorischen Störungen (EPS), oder der »Atypizität«. 3.1.1
Einteilung der Antipsychotika nach der chemischen Struktur
5
Trizyklische AP: – Phenothiazine mit aliphatischer, Piperidyl- oder Piperazinyl-Seitenkette, Azaphenothiazine, – Thioxanthene (mit aliphatischer oder Piperazinyl-Seitenkette), Dibenzodiazepine, Dibenzothiazepine, Dibenzothiepine, Thienobenzodiazepine, 5 Butyrophenone, 5 Diphenylbutylpiperidine, Benzisoxazol(-piperidine), Benzisothiazylpiperazine, Phenylindol(-piperidine), 5 Substituierte Benzamide. Die chemische Substanzklasse eines AP ist v. a. beim Auftreten von allergischen Reaktionen oder anderen Unverträglichkeiten sowie bei Therapieversagen von klinischer Bedeutung; dann sollte ein Wechsel der Substanzklasse erwogen werden. Des Weiteren treten bestimmte Nebenwirkungen substanzklassenabhängig häufiger auf (z. B. ist das Risiko für Krampfanfälle bei Phenothiazinen mit aliphatischer Seitenkette höher als bei pipe-
160
Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
1
razinsubstituierten Phenothiazinen, Thioxanthenen und Butyrophenonen).
2
3.1.2
3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
Einteilung der Antipsychotika nach der antipsychotischen Wirksamkeit (»neuroleptische Potenz«)
Die »neuroleptische Potenz« ist ein unscharfer, historisch begründeter Begriff, mit dessen Hilfe unter Berücksichtigung präklinischer und klinischer Daten (Blockade D2-artiger Dopaminrezeptoren, antipsychotische Wirksamkeit bezogen auf die verwendete AP-Dosis) AP auf einer Dimension mit Chlorpromazin (CPZ) als Bezugspunkt angeordnet werden. Bei den konventionellen AP korreliert die neuroleptische Potenz mit dem Ausmaß der D2-Blockade. 5 Hochpotent: in niedriger bis mittlerer Dosierung gute antipsychotische Wirkung ohne Sedierung. 5 Mittelpotent: gute antipsychotische Wirkung mit mäßiger Sedierung. 5 Niedrigpotent: in niedriger bis mittlerer Dosierung geringe antipsychotische Wirkung bei deutlicher bis ausgeprägter Sedierung. Die Einteilung der AP in hoch-, mittel- und niedrigpotent ist vereinfachend und kann auf atypische Antipsychotika nicht angewandt werden. Statt dessen können zum Vergleich der dosisabhängigen Wirksamkeit von AP sog. Chlorpromazin-Dosisäquivalenzeinheiten Anwendung finden (. Tabelle 3.1). 5 Ein Zusammenhang zwischen neuroleptischer Potenz und EPS gilt nur für niedrige Dosen konventioneller AP: – Hochpotente AP haben eine höhere dosisabhängige Wahrscheinlichkeit von EPS, niedrigpotente eine niedrigere dosisabhängige Wahrscheinlichkeit von EPS. – Ausprägung und Intensität von AP-induzierten EPS hängen auch von Dispositionsfaktoren ab. 5 Bei Anwendung hoher Dosen verwischen sich die Grenzen der Einteilung; dann zeigen hochpotente AP zunehmend sedierende Wirkungen und bei niedrigpotenten AP nimmt der antipsychotische Effekt zu.
15 16 17
3.1.3
Einteilung der Antipsychotika nach ihren »atypischen« Eigenschaften
Es wird zwischen konventionellen (Synonyma: typischen, herkömmlichen oder klassischen) AP einerseits und atypischen AP (Synonyma: Atypika, neueren AP, AP der 2. Generation, »novel antipsychotics«) andererseits unterschieden (. Tabelle 3.1 und 3.2).
161
3.1 · Übersicht
3
. Tabelle 3.1. Dosisabhängige antipsychotische Wirksamkeit und EPS-Risiko Antipsychotische Äquivalenzdosis in mg (CPZ = 100)
EPS-Risiko
Benperidol
1
+++
Haloperidol
2
+++
Fluphenazin
2
+++
Flupentixol
2
++
Perphenazin
10
++
Antipsychotikum
Konventionelle AP
Chlorpromazin (CPZ)a
100
++
Perazin
100
+
Chlorprothixen
150–300
+
Levomepromazin
150–300
+
Risperidon
1–2
(+)
Olanzapin
2–3
(+)
Aripiprazol
3–5
0/(+)
Ziprasidon
5–10
(+)
Clozapin
50
0b
Zotepin
<100
(+)
Quetiapin
50–100
0/(+)
Amisulprid
50–100
(+)
Atypische AP
a
Vergleichssubstanz (zur Schizophrenietherapie heute entbehrlich).
b Akathisien können unter allen AP auftreten. Die Empfehlungen für die Dosierung von AP in der
Akuttherapie schizophrener Psychosen mit 300–1000 CPZ-Einheiten und für die Erhaltungstherapie mit 300–600 CPZ-Einheiten differieren zwischen verschiedenen Autoren z. T. erheblich und sind lediglich Orientierungshilfen (vgl. Dosierungsempfehlungen im Präparateteil). 0, (+), +, ++, +++: Grad des EPS-Risikos.
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
162
. Tabelle 3.2. Rezeptorwirkungsprofile von Antipsychotika D1
H1
0
0
0
0
0
0
+
0
0
+
0
++
++
++
+
+
+++
+++
+++
+
+++
++
0
+
+
Chemische Klasse
Trizyklisch
Amisulprid
Benzamid
-
Atypisch
0
+++
+++
0
Aripiprazola
Sonstige*
-
Atypisch
0
(++)
0
++
Benperidol
Butyrophenon
-
Konv. HP
0
+++
++
++
0
Bromperidol
Butyrophenon
-
Konv. HP
+
+++
++
0
Chlorpromazinb
Phenothiazin
+
Konv. NP/MP
+
++
+++
+++
Chlorprothixen
Thioxanthen
+
Konv. NP
++
++
+
++
Clozapinb
Sonstige*
+
Atypisch
++
+
++
Flupentixol
Thioxanthen
+
Konv. HP
++
+++
+++
D2
D3
5-HT2
M1
Fluphenazin
Phenothiazin
+
Konv. HP
+
+++
+++
+
0
+
0
Fluspirilen
Sonstige*
-
Konv. HP
+
+++
++
+
0
0
0
Haloperidolb
Butyrophenon
-
Konv. HP
+
+++
+
0
0
+
0
Levomepromazin
Phenothiazin
+
Konv. NP
0
+
+
+
++
++
++
Melperonb
Butyrophenon
-
Konv. NP (A)
0
+
+
+++
0
+
+
Olanzapinb
Sonstige*
+
Atypisch
++
+++
+
+++
+++
+
+++
Perazin
Phenothiazin
+
Konv. MP
0
++
++
++
+
++
+++
Perphenazin
Phenothiazin
+
Konv. HP
+
+++
+++
+
0
+
++
Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
Klinische Einteilung
α1
Antipsychotikum
D1
M1
α1
+
0
0
0
++
0
+
+
++
+++
+++
Chemische Klasse
Trizyklisch
Klinische Einteilung
Pimozid
Sonstige*
-
Konv. HP
0
+++
+++
Pipamperon
Butyrophenon
-
Konv. NP (A)
0
+
+
Promazin
Phenothiazin
+
Konv. NP
0
+
+
+
D2
D3
5-HT2
H1
Phenothiazin
+
Konv. NP
?
+
?
?
?
?
?
Quetiapin
Sonstige*
+
Atypisch
+
++
+
++
0
+
+
Risperidon
Sonstige*
-
Atypisch
+
++
+
+++
0
+
++
Sulpirid
Benzamid
-
Konv. MP (A)
0
++
+++
0
0
0
0
Thioridazin
Phenothiazin
+
Konv. NP
+
++
+
++
+++
++
+
Triflupromazin
Phenothiazin
+
Konv. NP
+
+
+
++
+
++
+
Ziprasidonb
Sonstige*
-
Atypisch
++
++
++
+++
0
+
++
Zotepinb
Sonstige*
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Atypisch
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Zuclopenthixol
Thioxanthen
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Konv. MP/HP
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Prothipendyl
3.1 · Übersicht
. Tabelle 3.2. (Fortsetzung) Antipsychotikum
Die Daten sind aus In-vitro-Rezeptoraffinitäten der AP zusammengestellt und spiegeln daher nicht direkt die klinischen Wirkungen (in vivo) wider. AP wirken primär als Antagonisten, d. h. blockierend an Neurotransmitterrezeptoren (. Tabelle 3.3). Daneben werden durch höhere Konzentrationen Enzyme und Ionenkanäle gehemmt. Kon. konventionell; HP hochpotent; MP mittelpotent; NP niederpotent; (A) konventionelles AP mit ausgeprägt atypischen Eigenschaften; * siehe Präparateteil ; a Partieller D2 /D3-Agonist; b D4-Antagonist.
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Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
Unter atypischen AP werden aktuell AP subsummiert, die im Vergleich mit konventionellen AP folgende Charakteristika aufweisen sollen: 5 5 5 5 5
gute antipsychotische Wirksamkeit, weniger EPS, Wirksamkeit bei Negativsymptomatik, Wirksamkeit bei Therapieresistenz, geringe Prolaktinerhöhungen.
Das zur Zeit einzige atypische AP, das alle Forderungen weitgehend erfüllt, ist Clozapin. Ob Aripiprazol vergleichbar einzustufen ist wie Clozapin, müssen entsprechende Studien noch klären. Die Übergänge zwischen »typisch« und »atypisch« sind fließend: 5 Einige konventionelle AP weisen ein nur geringes EPS-Risiko auf (z. B. Melperon, Pipamperon), sind aber auch in höherer Dosierung kaum geeignet, Positivsymptome zu behandeln. 5 Andererseits können auch unter höheren Dosen von atypischen AP EPS auftreten; Akathisien treten unter allen atypischen AP einschließlich Clozapin auf. 5 Ein malignes neuroleptisches Syndrom kann unter allen AP auftreten. 5 Prolaktinerhöhungen finden sich auch bei atypischen AP (v. a. Amisulprid, aber auch Risperidon). 5 Langzeitbeobachtungen zum Auftreten von Spätdyskinesien unter neueren atypischen AP sind noch unvollständig, vorliegende Daten unterstreichen jedoch eindeutig ein geringeres Risiko für Atypika. 5 Die Wirksamkeit bei Therapieresistenz ist für die meisten atypischen AP nicht hinreichend nachgewiesen. 5 Auch konventionelle AP (z. B. Haloperidol, Flupentixol) können gegen Negativsymptome wirksam sein; niedrige Dosen sind bei Negativsymptomen in kontrollierten Studien allerdings selten geprüft. Eine Studie zeigte die Gleichwirksamkeit von Flupentixol in niedriger Dosierung und Risperidon bei Patienten mit überwiegender Negativsymptomatik. 3.1.4 5
Klinische Wirkungsprofile der Antipsychotika
Die wichtigsten Ansatzpunkte für die Behandlung mit AP sind Symptome und Defizite bei schizophrenen Störungen. Die Einteilung der schizophrenen Symptomatik in verschiedene Dimensionen hat sich weitgehend durchgesetzt. Insbesondere werden Positiv- und Negativsymptomatik unterschieden, immer mehr gewinnen aber kognitive Defizite und die häufig vorhandene depressive Symptomatik als Zieldimensionen für die Behandlung schizophrener Störungen an Bedeutung.
3.1 · Übersicht
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– Positivsymptomatik: Wahn, Halluzinationen, inkohärentes Denken, bizarres Verhalten. – Negativsymptomatik: Affektverflachung, sprachliche Verarmung, Antriebsstörung, sozialer Rückzug. Die Negativsymptome treten besonders prodromal und im Langzeitverlauf in den Vordergrund und können ohne wesentliche Positivsymptomatik bestehen (»primäre Negativsymptomatik«). In der Akutphase werden sie häufig von Positivsymptomen überlagert, mitbedingt oder verstärkt, im Langzeitverlauf bestehen oft Überschneidungen mit depressiver Symptomatik, EPS und psychosozialen Auswirkungen der Erkrankung (»sekundäre Negativsymptomatik«). – Weitere Dimensionen sind kognitive Störungen (Störungen im Bereich von Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Informationsverarbeitung) und eine depressive Symptomatik (depressive Verstimmung, Hoffnungslosigkeit, Suizidalität), die oft schwer von der Negativsymptomatik abzugrenzen ist (insbesondere Anhedonie). – Katatone Symptome (Stupor, Mutismus, psychomotorische Erregung oder Hemmung, Haltungsstereotypien, Negativismus, Rigidität und Flexibilitas cerea, Echophänomene, Befehlsautomatismen, verbale Perseverationen) können bei schizophrenen Psychosen und bei affektiven oder organisch bedingten Störungen auftreten. Konventionelle AP wirken vorrangig gegen Positivsymptome. Clozapin und die neueren atypischen AP haben in Studien häufig eine günstigere Wirkung auf Negativsymptome als konventionelle AP (häufigste Vergleichssubstanz ist Haloperidol in relativ hoher Dosierung). Für Amisulprid ist der therapeutische Effekt auch bei primärer Negativsymptomatik belegt. Für nahezu alle atypischen AP wurden gegenüber konventionellen AP überlegene antidepressive Eigenschaften im Rahmen der Behandlung schizophrener Störungen beschrieben, für Amisulprid in niedriger Dosis auch bei Major Depression, Dysthymie und »double depression«. Für die Behandlung kognitiver Störungen im Rahmen schizophrener Störungen können bislang keine differentiellen Therapieempfehlungen abgegeben werden. Atypische AP scheinen jedoch eindeutig Vorteile gegenüber konventionellen AP zu haben; kontrollierte Studien liegen für Olanzapin, Clozapin, Risperidon und Quetiapin vor. Psychomotorische Erregtheit und aggressives Verhalten, auch unabhängig von der Diagnose einer Schizophrenie: s. psychiatrische Akutsituationen, 7 Kap. 12. Neben den mittlerweile gut evaluierten Wirkprofilen von AP zur Behandlung schizophrener Störungen zeigen insbesondere atypische AP auch Wirkungen auf verschiedene psychopathologische Syndrome u. a. bei bipolaren Störungen und Persönlichkeitsstörungen.
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3.2
Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
Wirkmechanismen
Der eigentliche Wirkmechanismus der AP ist heute noch unbekannt. Man kennt zwar verschiedene Wirkungsebenen von AP (durch Verhaltensexperimente beim Tier, Rezeptorblockaden in vitro und in vivo [. Tabelle 3.3] sowie bildgebende Verfahren [PET]), ihre Bedeutung für die Ursache der antipsychotischen Wirksamkeit der AP ist jedoch nicht gesichert.
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. Tabelle 3.3. Klinische Konsequenzen der Rezeptorblockade durch Antipsychotika
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Beeinflusster Rezeptortyp
Induzierte erwünschte oder unerwünschte Wirkung
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H1-Rezeptorblockade
Sedierung, Schläfrigkeit, Potenzierung zentral dämpfender Wirkung, Gewichtszunahme (?), Hypotonie (?)
mACh-Rezeptorblockade (M1–M5)
Akkommodationsstörungen, Erhöhung des Augeninnendrucks, Mundtrockenheit, Sinustachykardie, Obstipation, Harnverhalt, Merkfähigkeitsstörungen, Delir
α1-Rezeptorblockade
Orthostatische Hypotension, Benommenheit, Schwindel, Reflextachykardie, Ejakulationsstörungen, verstopfte Nase
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D2-Rezeptorblockade – mesolimbisch-mesokortikal – nigrostriatal – tuberoinfundibulär – hypothalamisch – Area postrema
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Antipsychotischer Effekt, Libidostörungen, Anhedonie (?) EPS Prolaktinanstieg, Zyklus- und sexuelle Funktionsstörungen Störungen der Thermoregulation (i. d. R. Hypothermie) Antiemetische Wirkung
5-HT2A-Rezeptorblockade
Leichte Sedierung, Zunahme der Tiefschlafphasen, Verbesserung von Negativsymptomatik (?)
5-HT2C-Rezeptorblockade
Appetit- und Gewichtszunahme, Abnahme des durch D2-Blockade verursachten Prolaktinanstiegs
Weitere Wirkungen und Nebenwirkungen sind durch andere Rezeptorsysteme vermittelt (z. T. noch nicht vollständig aufgeklärt) oder allergisch (v. a. Hautreaktionen, Photosensibilisierung) bzw. toxisch (z. B. Störungen der Hämatopoese, Leberenzymerhöhung) bedingt
3.2 · Wirkmechanismen
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Ein wesentlicher Mechanismus der AP ist die Dämpfung der dopaminergen Überaktivität; allen bisherigen antipsychotisch wirksamen AP ist die Blockade D2-artiger Dopamin-Rezeptoren gemeinsam (D2-artig: D2/3/4 mit Erhöhung der Konzentration von cAMP als intrazellulärem second messenger; D1-artig: D1/5 mit Erniedrigung der Konzentration von cAMP). Dabei zeigen sich unterschiedliche Affinitäten der AP zu den Dopaminrezeptorsubtypen D1–5. Der Wirkmechanismus des neuen atypischen AP Aripiprazol besteht in einer partiellen dopaminagonistischen Wirkung an D2-artigen Rezeptoren (»Dopamin-Systemstabilisierer«) sowie einer partiell agonistischen Wirkung am serotonergen 5-HT1A-Rezeptor bei antagonistischer Wirkung an 5-HT2A- und 5-HT2C-Rezeptoren. Es gibt 3 wichtige dopaminerge Neuronensysteme mit unterschiedlicher Verteilung der Dopaminrezeptorsubtypen im ZNS: – nigrostriatales System: verantwortlich für Kontrolle der Motorik, damit auch für EPS, – mesolimbisches/mesokortikales System: vermutlich Hauptangriffsort der AP und verantwortlich für die antipsychotische Wirkung, – tuberoinfundibuläres System: vermittelt die neuroendokrinologischen Nebenwirkungen der AP, insbesondere Prolaktinanstieg. Einige AP blockieren zusätzlich 5-HT2(A, B, C)-, α1-, α2-, H1- und muskarinische Azetylcholin (mACh)-Rezeptoren (M1–5). Einige AP binden auch an 5-HT6- (Clozapin, Olanzapin, Ziprasidon, Zotepin, aber auch Fluphenazin, Chlorpromazin, Chlorprothixen) und 5-HT7-Rezeptoren (Clozapin, Pimozid, Quetiapin, Risperidon, Ziprasidon, Zotepin). Die Bedeutung eines zusätzlichen 5-HT2-Antagonismus für einen günstigen Effekt auf Negativsymptome wird weiterhin diskutiert, ist als notwendiger Mechanismus jedoch umstritten (s. Amisulprid). Die Ursachen für das Fehlen oder ein seltenes Auftreten von EPS bei atypischen AP sind nicht vollständig geklärt; eine selektive Blockade von D4und/oder 5-HT2A/C-Rezeptoren wird diskutiert. Außerdem könnte die Interaktion mit Subtypen von mACh-Rezeptoren eine Rolle spielen. Regionalspezifisch wird ein Dopaminrezeptorantagonismus überwiegend begrenzt auf mesolimbische Neurone und eine neuronale Genexpression von Clozapin, Olanzapin und Quetiapin präfrontal mit erhöhter Expression von c-fos, einem unspezifischen neuronalen Aktivitätsmarker, diskutiert. Ein vielversprechender neuerer Erklärungsansatz, der auch durch PET-Daten gestützt wird, basiert auf der rascheren Dissoziation von atypischen AP, insbesondere Clozapin und Quetiapin (»loose binders«), vom D2-Rezeptor im Verhältnis zu endogenem Dopamin und insbesondere im Vergleich mit konventionellen AP (»Fast-off-D2«-Theorie).
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Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
Neue pharmakologische Ansätze: – Kombinierte D2-antagonistische und 5-HT1A-agonistische Wirkung (z. B. SSR181507): Die zusätzliche 5-HT1A-agonistische Wirkung (auch bei Ziprasidon, Aripiprazol) scheint insbesondere bei ängstlich/depressiver Symptomatik und sozialen Defiziten schizophrener Patienten erfolgversprechend zu sein. – D3 /D4-Antagonismus: Selektive D4-Antagonisten zeigen keine antipsychotische Wirkung; daher ist die Wirksamkeit von Clozapin wahrscheinlich nicht auf den D4-Antagonismus zurückzuführen; die Rolle von selektiven D3-Agonisten bei Negativsymptomen ist weiterhin unklar. – Glutamaterge Dysfunktion. Eine dopaminerg-glutamaterge Imbalance wird als Erklärungsansatz für Schizophrenien herangezogen, da Phencyclidin (PCP) als synthetischer spezifischer Antagonist am glutamatergen N-Methyl-D-Aspartat (NMDA)-Rezeptor Schizophrenie-ähnliche Symptome induzieren kann. Eine Serie von Untersuchungen zur therapeutischen Wirksamkeit von NMDA-Glycin-Agonisten (Glycin, D-Serin, D-Cycloserin) zeigte Verbesserungen der Negativsymptomatik und kognitiver Defizite bei Schizophrenen. Dysregulationen und Veränderungen der Genexpression ionotroper Glutamatrezeptoren umfaßt nach neuen Befunden neben glutamatergen NMDA- und AMPA-Rezeptoren (GluR1–4) auch Kainat-Rezeptoren (GluR5). Atypische AP, wie z. B. Clozapin und Olanzapin, beeinflussen im Gegensatz zu Haloperidol bei längerfristiger Gabe frontale und hippokampale, nicht jedoch striatale Glutamatrezeptoren (v. a. AMPA-Rezeptoren). Topiramat kann – möglicherweise über einen Antagonismus an postsynaptischen Kainat-Rezeptoren – neuroprotektiv wirken und schizophrene Symptome bessern. Unter AMPA-Rezeptoren-Stimulatoren (u. a. Piracetam, Benzothiazide, Biarylpropylsulfonamide) wurde ein Anstieg von BDNF (»brain derived neurotrophic factor«) gemessen; diese Substanzen sind darüber hinaus vielversprechend zur Behandlung von kognitiven Störungen im Rahmen verschiedener neuropsychiatrischer Störungen. – Die Blockade von α2-Adrenozeptoren und Dopamin-D2-Rezeptoren wird für atypische Eigenschaften von Clozapin oder Risperidon mitverantwortlich gemacht. Die Kombination von konventionellen AP und α2-Rezeptorblockern (Mianserin, Idazoxan) zeigte positive Wirkungen. Iloperidon, ein in Erprobung befindliches Antipsychotikum mit positiven präklinischen und klinischen Ergebnissen zur Wirksamkeit bei geringem EPS-Risiko, weist neben einem 5-HT2/ D2-blockierenden Mechanismus eine hohe Affinität zu α2-Rezeptoren (α2C-Blockade) auf.
3.3 · Allgemeine Therapieprinzipien
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– Neuere nicht-dopaminerge Mechanismen umfassen die Beeinflussung von Neuropetiden, z. B. Neurokininen (NK3) und Neurotensinen (NTS1), sowie Cannabinoid-Rezeptoren (CB-1). – Immunmodulatorische Vorgänge (Serumparameter: z. B. Interleukin-1β, IL-2R, IL-6, IL-8 und TNF-α) werden sowohl für die Pathophysiologie schizophrener Psychosen als auch für die Wirkung von AP postuliert. – Die Phospholipidmembran-Hypothese postuliert Störungen des Phospholipid-Metabolismus bei schizophrenen Erkrankungen. Die Gabe von mehrfach ungesättigten Fettsäuren (v. a. Omega-3-Fettsäuren) konnte in klinischen Studien seither keine konsistenten Vorteile gegenüber Placebo belegen. – Eine doppelblinde, placebo-kontrollierte Studie konnte zeigen, dass die zusätzliche Gabe von Dehydroepiandrosteron (DHEA) in Kombination mit AP für 6 Wochen in einer Dosis bis 100 mg/Tag mit einer signifikanten Besserung von Negativsymptomen, Depressivität und Ängstlichkeit bei schizophrenen Patienten assoziiert war. Dieser Befund korrespondiert mit Arbeiten, die bei Subgruppen von Schizophrenen reduzierte DHEA-Spiegel gefunden haben und deutet auf die potenzielle Wirkung von Neurosteroiden hin. Östrogene und Steroide mit Östrogenaktivität, die als »prodrugs« von Östrogenen wirken können (z. B. Testosteron und DHEA) stellen durch eine modulatorische Wirkung der zentralnervösen Neurotransmission oder auch durch neuroprotektive Eigenschaften neue, noch nicht hinreichend gesicherte Optionen für die Schizophreniebehandlung dar.
3.3 5
Allgemeine Therapieprinzipien
Vor Beginn einer AP-Therapie sollte wenn immer möglich eine differenzierte Diagnostik erfolgen, u. a. zum Ausschluss von organisch bedingten oder substanzinduzierten Störungen, aber auch zur Feststellung des schizophrenen Subtyps bzw. der Zielsymptomatik und möglicher komorbider Störungen, die einer gesonderten Behandlung bedürfen oder die Auswahl eines bestimmten AP begründen können (s. u.). 5 Bei der Auswahl eines bestimmten AP zur Behandlung der individuellen Zielsymptomatik sind pharmakodynamische (Wirkprofil) und pharmakokinetische Eigenschaften (Wirkungseintritt und -dauer, Interaktionen) zu berücksichtigen. Zudem erfolgt die Auswahl eines AP allgemein nach: – früherem Ansprechen, – Patientenpräferenz,
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Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
– Nebenwirkungsprofil und – geplanter Applikationsform. In allen Krankheitsphasen schizophrener Störungen sollte der Gesamtbehandlungsplan (7 Kap. 3.5) mit medikamentöser Therapie, Psychound Soziotherapie bei unterschiedlicher Schwerpunktsetzung berücksichtigt werden: – in der Akutphase liegt der Schwerpunkt auf der AP-Medikation, – in der Stabilisierungsphase und der Phase der Rezidivprophylaxe bzw. Symptomsuppression (Langzeittherapie) gewinnen Psychound Soziotherapie zunehmend an Bedeutung. Die Therapiemöglichkeiten sollten von Beginn an unter Berücksichtigung der Schwere und Art der aktuellen Symptomatik mit dem Patienten besprochen werden. Im Vordergrund stehen: – Herstellung einer tragfähigen und kontinuierlichen Arzt-PatientenBeziehung – Therapiemotivation, – Vermittlung eines Krankheitskonzepts, – Förderung und Festigung der Compliance, – Verbesserung der Lebensqualität des Patienten. Möglichst frühzeitiger Behandlungsbeginn v. a. bei einer schweren psychotischen Episode (auch an mögliche Eigen- oder Fremdgefährdung denken!). Mehrere Studien zeigten, dass die Wahrscheinlichkeit des Ansprechens auf eine AP-Medikation abnimmt und die Prognose für den Patienten ungünstiger wird, wenn eine akute schizophrene Psychose – insbesondere bei einer Ersterkrankung – längere Zeit unbehandelt bleibt.
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Die möglichst frühzeitige Behandlung schizophrener Störungen mit einem atypischen AP (bzw. einem konventionellen AP, dann vorzugsweise in niedriger Dosierung, als zweite Option), wird bei derzeitigem Wissensstand empfohlen.
Darüber hinaus kann die frühzeitige Behandlung mit atypischen AP bei Auftreten von ausgeprägten psychosenahen Positivsymptomen zur Prävention der Manifestation einer schizophrenen Ersterkrankung (»early intervention«) auf der Grundlage der derzeit vorliegenden Untersuchungen empfohlen werden. Das optimale Vorgehen bei noch nicht manifest Erkrankten im Falle von weniger ausgeprägten Symptomen, die häufig als Prodromi einer Schizophrenie auftreten, bedarf jedoch der weiteren Forschung.
3.1 · Allgemeine Therapieprinzipien
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Behandlung komorbider psychiatrischer Störungen bei Patienten mit Schizophrenie
Nach neueren Studien liegt bei einem Großteil der Patienten mit Schizophrenie (insbesondere bei jüngeren Männern) zusätzlich ein Substanzabusus oder eine Abhängigkeitserkrankung vor. Am häufigsten werden Nikotin und Koffein konsumiert, bei 20–50% der Patienten besteht zusätzlich Alkoholmissbrauch oder -abhängigkeit, außerdem mit zunehmender Tendenz Cannabismissbrauch oder -abhängigkeit (möglicher Risikofaktor für die frühe Manifestation schizophrener Störungen), seltener auch Benzodiazepin-, Kokain- oder Opiatabhängigkeit. 5 Patienten mit sog. »dualer Diagnose« (Schizophrenie und Suchterkrankung) zeigen insbesondere stärker ausgeprägte Positivsymptome, schwierigere Verläufe (längere unbehandelte Perioden, schlechteres Ansprechen auf AP, geringere Compliance, häufigere und längere Krankenhausaufenthalte, erhöhte Depressivität und Suizidalität) und dadurch eine ungünstigere Prognose. 5 Bei Nikotinabhängigkeit (7 Kap. 7.2.8) und deren Behandlung ist der pharmakokinetische Einfluss auf die meisten AP (i. d. R. beschleunigter Metabolismus durch Induktion des CYP 450-Systems durch Nikotin) bei der Dosierung zu beachten, v. a. auch bei plötzlicher Nikotinkarenz oder -abstinenz (Clozapin!). Für die Behandlung der Nikotinabhängigkeit bei schizophrenen Patienten unter stabiler AP-Behandlung liegen positive Studienergebnisse für die zusätzliche Gabe von Bupropion (150 mg/Tag in Kombination mit VT) und auch für Nikotinpflaster vor, die einen Einsatz bei motivierten Patienten rechtfertigen. 5 Bei komorbider Alkoholabhängigkeit muß eine Entgiftungstherapie (7 Kap. 7.2.1) erwogen werden; zur Wirksamkeit bei der Alkohol-Rückfallprophylaxe liegt für Naltrexon in Kombination mit stabiler AP-Medikation und psychotherapeutischen Maßnahmen eine kontrollierte Studie vor. 5 Bei komorbider Opiatabhängigkeit (7 Kap. 7.2.3) werden zur Schizophreniebehandlung atypische AP empfohlen, Fallberichte zur günstigen Wirkung insbesondere von Clozapin in Kombination mit Methadon liegen vor. 5 Generell sind bei Patienten mit komorbider Suchterkrankung atypische AP zu bevorzugen, da sie auch unabhängig von ihrem Einfluss auf die Psychopathologie zu einer verbesserten Compliance und zu reduziertem Substanzgebrauch (v. a. Alkohol) bei diesen Patienten beitragen können. 5 Für Clozapin liegen positive Studienergebnisse vor (Einzelfallberichte für Quetiapin und Risperidon), die bei mehrwöchiger Therapie eine Reduktion des Konsums von Nikotin, Cannabis, Alkohol und Kokain auch im Vergleich mit anderen AP belegen.
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Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
Des weiteren bestehen häufig bei Patienten mit Schizophrenien zusätzlich Symptome von Angst- und Zwangsstörungen, die vor Beginn und nach Abklingen produktiv-psychotischer Episoden nachweisbar sein können. Die Abgrenzung einer komorbiden Angst- oder Zwangsstörung von der schizophrenen Kernsymptomatik ist häufig nicht eindeutig möglich. Der zeitliche Verlauf und die Kovariation der Symptome können dabei hilfreich sein. Sowohl Angstsymptome (DD: Panikattacken, generalisierte Angst, Akathisie, psychotische Angst) als auch affektive Störungen (DD: pharmakogene Depression) und Zwangssymptome (7 Kap. 3.4.6) können unter AP-Therapie als unerwünschte Wirkung auftreten. Die Behandlung besteht dann i. d. R. in der Dosisreduktion oder im Wechsel auf ein anderes AP. Ausgeprägte soziale Ängste (soziale Phobie) sind bei Schizophrenen recht häufig (DD: Negativsymptomatik) persistierend und mit einer schlechteren Lebensqualität und Behandlungsprognose assoziiert. Neben atypischen AP sind hier v. a. psychotherapeutische Maßnahmen erfolgversprechend, ggf. sollte eine spezifische medikamentöse anxiolytische Therapie erwogen werden (7 Kap. 4.4.1). Bei persistierenden depressiven Symptomen (postpsychotische Depression) sind Antidepressiva unter sorgfältiger klinischer Überwachung wirksam. Persistierende Zwangssymptome bei schizophrenen Patienten können erfolgreich und sicher mit einem SSRI (v. a. Sertralin) in Kombination mit einer stabilen AP-Therapie (bevorzugt atypische AP, z. B. Quetiapin, Risperidon, Olanzapin) behandelt werden.
! Pharmakokinetische Wechselwirkungen (v. a. mit Fluvoxamin;
7 Tabelle 3.6 und 7 Kap. 16).
Sehr häufig treten im Verlauf schizophrener Störungen akut behandlungsbedürftige unspezifische psychopathologische Symptome auf. 5 Falls akut Aggressivität, Suizidalität, Angst und psychomotorische Unruhe im Vordergrund stehen, bedarfsorientierte Sedierung durch zusätzliche Gabe von: – Benzodiazepinen, z. B. Lorazepam (sicher und wirksam in Kombination mit den meisten AP, Einschränkungen gelten für Clozapin, 7 Kap. 3.8), – Melperon (auch i.m. applizierbar) oder Pipamperon (fehlende bzw. geringe anticholinerge Komponente), – Chlorprothixen oder in Ausnahmefällen Levomepromazin (starke anticholinerge Nebenwirkungen) (7 Kap. 3.4 und7 Kap. 12),
3.4 · Indikationen
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– Pharmakotherapie psychiatrischer Akutsituationen (7 Kap. 12.2). Bei ausgeprägten Schlafstörungen i. R. schizophrener Störungen kann zunächst ein atypisches AP mit sedierender Wirkung eingesetzt werden (v. a. Olanzapin, Quetiapin, ggf. Clozapin); zusätzlich können auch Melperon, Pipamperon oder Prothipendyl in dieser Indikation gegeben werden (7 Kap. 5).
3.4
Indikationen
AP sind nosologieübergreifend wirksam. Die primäre Indikation der AP erfolgt nach Zielsymptomen und -syndromen. Hauptindikationen stellen die verschiedenen Subtypen der Schizophrenie sowie schizotype und wahnhafte Störungen (ICD-10, s u.) und zunehmend auch manische Episoden bei bipolaren Störungen (atypische AP) dar. Folgende Indikationen bestehen für AP bei: 5 Gesicherte Wirksamkeit für AP bei: – schizophrenen Störungen, – schizoaffektiven Störungen, – Manie bei bipolarer Störung, – psychotischer Depression (in Kombination mit Antidepressiva), – bestimmten neurologischen Erkrankungen (z. B. Tic-Störungen, LDopa-induzierten Psychosen). 5 Als Begleittherapie in niedriger Dosierung sind AP möglicherweise wirksam bei: – Persönlichkeitsstörungen, – Zwangsstörung, – Angststörungen, – Demenzen – anderen organischen Psychosen (z. B. Alkoholpsychosen), – nichtpsychotischer Depression, – Schmerzsyndromen. 3.4.1
Schizophrene Störungen
Die Unterteilung der Schizophrenien erfolgt nach ICD-10 in verschiedene kategoriale Unterformen und Verlaufsbilder. Gleichwohl orientiert sich die Therapie vorrangig an der bestehenden Symptomatik bzw. an Zielsyndromen. Zudem weisen einige Unterformen eine gewisse syndromale Überlappung auf und sind im Zeitverlauf bei Langzeituntersuchungen häufig nicht stabil. Bei den Unterformen der Schizophrenie treten in wechselnder Prägnanz Positiv- und Negativsymptomatik in den Vorder-
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Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
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grund. Daneben können katatone Symptome, Depressivität und Suizidalität sowie kognitive Störungen das klinische Bild beherrschen.
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Paranoide Schizophrenie
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Häufigster Subtyp, im Vordergrund stehen Positivsymptome. Hebephrene Schizophrenie
Affektive Veränderungen stehen im Vordergrund (meist flacher, inadäquater Affekt, Manierismen, flüchtige Halluzinationen, inkonsistenter Wahn, ungeordnetes Denken), früher Beginn und rasche Entwicklung von Negativsymptomen (v. a. Affektverflachung, Antriebsverlust) und desorganisiertem Verhalten. Katatone Schizophrenie
Psychomotorische Störungen (Erregung, Stupor, Negativismus, Mutismus, Bewegungsstereotypien, Haltungsverharren) stehen im Vordergrund und können mit traumhaft-szenischen Halluzinationen (oneiroide Zustände) einher gehen. Vorübergehende isolierte katatone Symptome können bei jeder anderen Schizophrenieunterform und bei hirnorganischen sowie affektiven Störungen auftreten. Undifferenzierte Schizophrenie
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Unterform, bei der verschiedene Positiv- und Negativsymptome meist weniger prägnant vorliegen und eine Zuordnung zu einer anderen Unterform nicht ermöglichen. Postschizophrene Depression
Depressive Episode, die im Anschluss an eine schizophrene Erkrankung auftritt. Im Vordergrund stehen depressive Symptome (Major Depression), schizophrene Positiv- und v. a. Negativsymptome sind noch vorhanden, beherrschen aber nicht das klinische Bild. Schizophrenes Residuum
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Chronisches Stadium, im Vordergrund stehen insbesondere anhaltende Negativsymptome.
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Schizophrenia simplex
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Unsichere Diagnose mit primärer Negativsymptomatik und kognitiven Defiziten, die sich schleichend progredient entwickeln.
3.4 · Indikationen
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Akutphase/Positiv-Symptomatik
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Atypische AP sollten Arzneimittel der ersten Wahl bei der Behandlung schizophrener Störungen in der Akutphase sein. Eine AP-Monotherapie ist grundsätzlich anzustreben. Eine Kombination ist immer mit einem erhöhten Nebenwirkungsrisiko und häufig mit Interaktionen verbunden. Sie sollte nur vorübergehend eingesetzt werden.
Es gibt viele Studien, in denen eine gleich gute Wirksamkeit von atypischen AP und konventionellen AP bei einem geringeren EPS-Risiko für atypische AP gefunden wurde. Die Behandlung mit atypischen AP kann wegen deren besseren Verträglichkeit zu einer langfristigen Verbesserung der Compliance führen. 5 Bei unzureichender Wirksamkeit (Partial- oder Nonresponse) auch nach erfolgter Dosiserhöhung des zuerst verordneten atypischen AP sollte nach ca. 4–8 Wochen auf ein anderes atypisches AP umgesetzt werden. Alternativ kann dann auch ein konventionelles hochpotentes AP (z. B. Haloperidol 5–15 mg/Tag) gegeben werden. In Einzelfällen erreicht man auch einen besseren Therapieerfolg durch vorübergehende Kombination eines atypischen AP mit einem konventionellen AP (7 Kap. 3.11.2). Im weiteren Behandlungsverlauf sollte versucht werden, zu einer Monotherapie mit einem atypischen AP zurückzukehren. 5 Es wird beobachtet, dass einige Patienten nur unter der Gabe eines konventionellen hochpotenten AP respondieren, ebenso wie andere Patienten nur auf atypische AP ansprechen. Dies rechtfertigt auch eine Gabe von konventionellen AP als Ersttherapie, besonders wenn aus der Anamnese eine positive Response auf diese AP-Gruppe bekannt ist. Es gibt zu der Frage, in welcher Reihenfolge die atypischen AP gewählt werden, bislang keine Daten, ebenso wenig wie über die Zahl der Behandlungsversuche mit atypischen AP oder über den Zeitpunkt, an dem ein Versuch mit konventionellen AP durchgeführt werden sollte. Zum Einsatz von Clozapin bei Patienten mit unzureichender Wirksamkeit 7 Kap. 3.13.2. 5 Kommt es im Rahmen der akuten Symptomatik zu ausgeprägten psychomotorischen Erregungszuständen bzw. zu aggressiv-impulsivem Verhalten mit drohender Eigen- oder Fremdgefährdung, können auch konventionelle hochpotente AP (ggf. parenterale Applikation und rasches Aufdosieren) mit einer passageren Zusatzmedikation von Benzodiaze-
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pinen angezeigt sein (7 Kap. 12.2). Ziel einer solchen Kombinationstherapie ist eine sehr schnelle Verminderung der Erregung und Anspannung (»rapid tranquilization«) und ein rasches Erreichen einer möglichst sicheren Response. Nach Abklingen der Akutsymptomatik ist ein vorsichtiges Umsetzen (7 Kap. 3.11.2) auf ein atypisches AP empfehlenswert. 5 Rasche Aufdosierung, Kombinationstherapie mit Benzodiazepinen, sichere Applikationsformen (Tropfen, Lösungen, Schmelztabletten) und insbesondere kurz wirksame i.m.-Formulierungen atypischer AP (derzeit für Olanzapin und Ziprasidon verfügbar) sind als alternative Behandlungsstrategien in solchen Situationen zunächst zu erwägen. Negativsymptomatik 5
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Atypische AP sind gegenüber den konventionellen AP zu bevorzugen. Die Ergebnisse einiger prospektiver kontrollierter Studien machen die bessere Wirksamkeit von atypischen AP (Amisulprid insbesondere bei primärer Negativsymptomatik) gegenüber konventionellen AP sehr wahrscheinlich. Die Kombination eines atypischen AP mit einem SSRI kann bei persistierenden Negativsymptomen empfohlen werden.
Depressive Symptomatik und Suizidalität
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Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
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Es wurden für die meisten atypischen AP im Vergleich zu konventionellen AP (Haloperidol) günstige Effekte gegen depressive Symptome im Rahmen akuter und chronischer Schizophrenien beschrieben. Auch kann nach Remission der Positivsymptomatik und Weiterbestehen oder Neuauftreten eines depressiven Syndroms die vorsichtige zusätzliche Gabe von Antidepressiva zu einem AP vorteilhaft sein. Prinzipiell scheinen neuere AD (z. B. SSRI) in Kombination mit (atypischen) AP hierfür geeignet zu sein, die Datenlage lässt jedoch keine sicheren Schlüsse zu. Einzelne positive Befunde aus placebo-kontrollierten Studien liegen für die Kombination von Trazodon oder Imipramin mit konventionellen AP vor. Die zusätzliche Gabe von Antidepressiva bei schizophrenen Patienten mit depressiven Symptomen während gleichzeitig bestehender florider Positivsymptomatik ist nicht zu empfehlen. Für Clozapin liegen Befunde vor, die für eine überlegene antisuizidale Wirkung sprechen. Bei ausgeprägter Suizidalität, auch unabhängig von depressiven Symptomen, kann oftmals auf eine vorübergehende sedierende Begleitmedikation mit einem Benzodiazepin (Lorazepam oder Diazepam) nicht verzichtet werden. Auch wenn depressive Syndrome im Verlauf einer Behandlung v. a. mit konventionellen AP wiederholt beschrieben wurden, ist das Konzept
3.4 · Indikationen
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3
einer AP-induzierten, als »pharmakogen« oder »akinetisch« bezeichneten Depression nicht unumstritten, da die AP-bedingte Verursachung depressiver Syndrome im Verlauf schizophrener Störungen nicht gesichert ist und diese symptomatisch schwer von einer vorbestehenden, durch AP »demaskierten« Depressivität, einer neu aufgetretenen postpsychotischen Depression oder einer AP-induzierten Akinesie zu unterscheiden ist. Differenzialdiagnostisch sollte auch an eine Negativsymptomatik gedacht werden (s. o.). Gleichwohl sollte eine Dosisanpassung bzw. Umstellung des AP bei depressiven Syndromen, die unter Therapie mit AP auftreten, erwogen werden. Kognitive Störungen 5
Atypische AP sind zu bevorzugen; eine spezifische Therapieempfehlung kann noch nicht gegeben werden. Für Clozapin, Olanzapin, Quetiapin, Risperidon und Ziprasidon liegen Hinweise auf Verbesserungen von Gedächtnisleistungen, Konzentration und Exekutivfunktionen vor.
Katatone Symptomatik 5
Bei katatonen Symptomen ist eine Wirksamkeit von konventionellen AP nicht sicher nachgewiesen, Einzelfallberichte und offene Studien legen positive Effekte von Olanzapin, Clozapin, und Risperidon nahe.
5
5
Bei Stupor und Mutismus oder starker psychomotorischer Hemmung (katatoniformen Zuständen) ist Lorazepam zunächst in einmaliger Dosis von 2–2,5 mg indiziert (auch als langsame i.v.-Gabe möglich). Nach Ansprechen (psychomotorische und affektive Lockerung) kann bei schizophrenen Störungen frühzeitig mit einem AP kombiniert werden. Vor der Medikation mit einem AP ist differenzialdiagnostisch insbesondere ein malignes neuroleptisches Syndrom (. Tabelle 3.4) auszuschließen.
EKB ist i. Allg. bei Schizophrenien nur bei der lebensbedrohlichen (febrilen) Katatonie (DD: malignes neuroleptisches Syndrom) als »firstline treatment« indiziert, und auch hier sollten vorher kurzfristig AP und Lorazepam versucht werden.
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Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
Schizotype Störungen, wahnhafte Störungen, akute vorübergehende psychotische Störungen, induzierte wahnhafte Störungen
Teilweise bedingt durch die geringe Prävalenz fehlen kontrollierte Studien zu diesen Störungen weitgehend. Fallserien und Einzelfallberichte lassen annehmen, dass bei behandlungsbedürftigen psychotischen Symptomen im Rahmen schizotyper Störungen AP wirksam sind; atypische AP in der niedrigsten wirksamen Dosis sollten bevorzugt werden (7 Kap. 11). Die Behandlung misstrauisch-wahnhafter Patienten erfordert viel Erfahrung und Geduld und sollte immer im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplans, der v. a. auf die soziale Integration Rücksicht nimmt, erfolgen. Bei wahnhaften Störungen, insbesondere im Alter, sind medizinische Faktoren sorgfältig auszuschließen. In manchen Fällen fällt die Differenzialdiagnose schwer, z. B. bei chronischen taktilen Halluzinosen (»Dermatozoenwahn«). Akute wahnhafte Exazerbationen (mit Angst, Erregung) sprechen relativ gut auf eine AP-Behandlung an, während langjährig bestehende chronische Wahnstörungen häufig therapierefraktär sind (z. B. Eifersuchts-, Liebes- oder Querulantenwahn). Bei persistierenden wahnhaften oder halluzinatorischen Störungen ist der Versuch mit einem niedrig-dosierten AP angeraten. Insbesondere bei Eifersuchtswahn, hypochondrisch-körperbezogenen Wahninhalten oder Halluzinationen sollte zunächst Risperidon in niedriger Dosierung eingesetzt werden. Bei Langzeitbehandlung wahnhafter Störungen können auch Depot-AP zum Einsatz kommen. Antidepressiva und prophylaktische Gaben von Lithium oder Carbamazepin wurden v. a. bei Affektdominanz bzw. phasenhafter Symptomverdichtung erfolgreich eingesetzt. Akute vorübergehende psychotische Störungen erfordern häufig initial die Gabe von AP, auch in höheren Dosen. Produktiv-psychotische Symptome sprechen i. d. R. sehr gut und rasch an, atypische AP sind zu bevorzugen. Zusätzlich sind vorübergehend Benzodiazepine bei Angst und Erregung sehr hilfreich. Supportive Psychotherapie ist in den meisten Fällen auch längerfristig indiziert. Bei induzierten wahnhaften Störungen ist vor Gabe eines AP zunächst die getrennte adäquate Therapie des wahn-induzierenden Patienten anzustreben. Sistiert der induzierte Wahn nach etwa 2 Wochen nicht, sollte ein niedrig-dosiertes atypisches AP (z. B. Risperidon) erwogen werden. Psycho- und soziotherapeutische Maßnahmen sind Schwer-
3.4 · Indikationen
179
punkt der Behandlung, um den ansonsten nicht seltenen Rückfällen vorzubeugen. 3.4.3
Schizoaffektive Störungen
Unter schizoaffektiven Störungen werden klinisch Störungen zusammengefasst, bei denen gleichzeitig oder abwechselnd Symptome einer Schizophrenie und einer affektiven Störung auftreten. Die diagnostische Einordnung und die hierfür erforderlichen Kriterien sind noch nicht abschließend zu beurteilen. Nach ICD-10 wird eine schizoaffektive Störung klassifiziert, wenn sowohl eindeutig schizophrene als auch eindeutig affektive Symptome gleichzeitig oder nur durch wenige Tage getrennt und während der gleichen Krankheitsepisode vorhanden sind. Nach DSM-IV hingegen ist eine schizoaffektive Störung zu diagnostizieren, wenn in einer ununterbrochenen Krankheitsperiode Symptome einer Schizophrenie sowohl Unabhängigkeit, als auch zusammen mit einer affektiven Störung auftreten. 5 Die Störungen neigen zu häufigen Rezidiven und stehen prognostisch zwischen Schizophrenien und affektiven Störungen, insbesondere bipolaren Störungen. 5 Phasisch verlaufende akute psychotische Störungen, z. B. die von Leonhard beschriebenen zykloiden Psychosen (3 Prägnanztypen: AngstGlück-Psychosen, Verwirrtheitspsychosen und Motilitätspsychosen), zu denen häufig auch die sog. »Post-partum«-Psychosen gruppiert werden können, können in vielen Fällen hier eingeordnet werden. 5 Entsprechend der aktuellen Symptomatik bzw. des Verlaufs lassen sich – auch mit Relevanz für die psychopharmakologische Behandlung – im wesentlichen schizoaffektive Störungen vom depressiven und vom bipolaren Subtyp unterscheiden. 5 Für die klinische Beurteilung und Behandlung hat es sich darüber hinaus als pragmatisch erwiesen, die Syndrome im Sinne eines Überwiegens schizophrener (»schizodominant«) oder affektiver Symptome (»affektdominant«) zu beurteilen. Akutbehandlung 5
Olanzapin und Risperidon sind nach kontrollierten und offenen Studien bei manischer, depressiver oder gemischter Symptomatik im Rahmen akuter schizoaffektiver Psychosen wirksam und konventionellen AP nicht unterlegen. Ziprasidon und Aripiprazol waren Placebo bei dieser Indikation überlegen. Weitere offene Studien und Fallserien legen auch eine Wirksamkeit von Clozapin und Quetiapin bei Patienten mit schizoaffektiver Psychose, insbesondere bei manischer Symptomatik und in Kombination mit Phasenprophylaktika, nahe.
3
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Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
5
Bei Patienten mit akuter schizomanischer Symptomatik sind Lithium und konventionelle AP vergleichbar wirksam. Bei stark erregten Patienten weist die Kombination von Lithium-Basistherapie mit AP in der Akutphase eine bessere Wirksamkeit auf als eine Monotherapie. Offene Studien weisen auch auf eine Akutwirksamkeit von konventionellen AP in Kombination mit Valproinsäure oder Carbamazepin bei dieser Indikation hin. 5 Bei schizodepressiven Syndromen ist die Kombination eines AP mit einem Antidepressivum angezeigt. Allerdings ist die Datenlage, die für diese Kombinationstherapie spricht, sehr schmal. In den USA wird für die Akutphase eine AP-Monotherapie vorgezogen; ein Antidepressivum sollte ggf. erst nach Abklingen der Akutphase gegeben werden. Bei Monotherapie sind atypische AP vorzuziehen. Das frühe Ansetzen von Phasenprophylaktika kann durch Studien derzeit nicht befriedigend belegt werden. Fallbeobachtungen mit Lamotrigin (Monotherapie) in höherer Dosierung (400 mg) zeigten positive Effekte. 5 Zykloide Psychosen und andere phasisch verlaufende akute schizoaffektive Störungen sollen auf eine Lithiumprophylaxe gut ansprechen. Phasenprophylaxe der schizoaffektiven Störungen (7 Kap. 2.4.2)
3.4.4
Affektive Störungen
Manische Episode und bipolare affektive Störung
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5
Bei schwereren manischen Syndromen und Manien mit psychotischen Merkmalen sind AP vorübergehend indiziert. Auch wenn die Wirksamkeit von konventionellen hochpotenten AP in dieser Indikation erwiesen ist, sind atypische AP in der Regel aufgrund ihres geringeren EPS-Risikos, das bei Patienten mit affektiven Störungen zudem erhöht ist, zu bevorzugen. Zudem scheinen atypische AP ein geringeres Risiko für die Entwicklung von Depressionen nach Abklingen der akuten Manie im Verhältnis zu konventionellen AP zu besitzen. 5 Olanzapin, Risperidon und Quetipain sind derzeit für die Behandlung der akuten Manie zugelassen, Olanzapin auch für die Prophylaxe. 5 Zum möglichen Einsatz von atypischen AP bei bipolaren affektiven Störungen und zur Phasenprophylaxe 7 Kap. 2.4.2. Depressive Störungen
17
5
Bei schweren Depressionen mit psychotischen Merkmalen (»wahnhafte Depression«): Kombination eines Antidepressivums mit einem AP bis zum Sistieren der psychotischen Symptomatik, danach langsames Absetzen des AP über 3–6 Monate unter Beibehaltung des Antidepressivums.
3.4 · Indikationen
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5 5
5
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5
5
3
Für Nortriptylin und Triumipramin liegen auch Befunde zur Wirksamkeit in Monotherapie vor. Prinzipiell werden derzeit atypische AP (z. B. Olanzapin, Risperidon) in Kombination mit neueren Antidepressiva (z. B. SSRI) empfohlen. Es liegen jedoch zu dieser Indikation bisher nur einzelne kontrollierte Studien vor. Bei älteren Patienten mit wahnhafter Depression liegen günstige Ergebnisse für Nortriptylin unter Plasmaspiegelkontrolle vor. Bei sehr schweren, wahnhaften oder therapierefraktären Depressionen scheint die EKB einer Pharmakotherapie insbesondere in Bezug auf einen frühen Wirkungseintritt überlegen zu sein. Die hohe Rückfallrate v. a. bei Patienten mit wahnhafter Depression im höheren Lebensalter ist dabei jedoch zu berücksichtigen. Für Amisulprid (50–100 mg/Tag) wurde ein antidepressiver Effekt bei Major Depression, Dysthymie und bei »double depression« gezeigt.
3.4.5 5
181
Neurologische Erkrankungen
Tourette-Syndrom und andere Tic-Störungen: AP sind unter Abwägung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses indiziert, wenn eine schwere psychosoziale Einschränkung im Rahmen der Erkrankung vorliegt; AP sind bei vokalen und motorischen Tics wirksam (z. B. Fluphenazin 4–6 mg/ Tag). Ergebnisse zu Risperidon (2–4 mg/Tag), Ziprasidon (10–40 mg/ Tag) und Olanzapin (5–10 mg/Tag) in dieser Indikation sind vielversprechend. Chorea Huntington: AP sind bei Bewegungsstörungen und psychotischen Symptomen wirksam. Dyskinesien unterschiedlicher Genese: Das substituierte Benzamid Tiaprid (Antagonist an D2-artigen Rezeptoren) ist für diese Indikation zugelassen und kann auch bei Spätdyskinesien zur symptomatischen Besserung eingesetzt werden (300–600 mg, Höchstdosis 1200 mg/Tag). Bei Morbus Parkinson in Kombination mit einer paranoiden Psychose ist Clozapin in niedriger Dosis indiziert (12,5–100 mg/Tag; mit 6,25 mg/ Tag beginnen); alternativ sollte Quetiapin in niedriger Dosierung (25– 100 mg, Beginn mit 12,5–25 mg/Tag) erwogen werden. Auf eine mögliche Verschlechterung der Parkinson-Symptomatik ist zu achten. Bei psychotischen Symptomen, die unter dopaminagonistischer Therapie auftreten, ist eine Dosisreduktion und Optimierung der Anti-Parkinson-Medikation empfohlen. EPS unter AP: 7 Kap. 3.6.
182
1
3.4.6 5
2 3 4 5 6
Zwangsstörung
Bei Therapieresistenz (v. a. wenn auch gleichzeitig eine Tic-Störung oder eine Chorea vorliegt) sollte die zusätzliche AP-Gabe vorsichtig erwogen werden (z. B. Quetiapin 50–300 mg, Risperidon 2–4 mg, Olanzapin 5–10 mg/Tag). Es gibt einige Einzelfallberichte über ein vermehrtes Auftreten von Zwangssymptomen bei schizophrenen Patienten unter bestimmten AP (v. a. Clozapin), wobei allerdings ein kausaler Zusammenhang umstritten ist. Zur Therapie mit Antidepressiva 7 Kap. 1.4.5.
3.4.7
5
7 8
Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
Angststörungen
Eine anxiolytische Wirkung ist für einige konventionelle AP (z. B. Flupentixol in niedriger Dosis, Fluphenazin, Pimozid, Fluspirilen) beschrieben.
! EPS (einschließlich Spätdyskinesien) und andere Nebenwirkun-
gen, wie z. B. Blutbildschäden, sind auch unter niedriger Dosierung möglich, weshalb konventionelle AP keine routinemäßige primäre Verwendung als Anxiolytika finden sollten.
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Der Einsatz von atypischen AP bei Angststörungen ist bisher nur wenig überprüft. Erste Hinweise ergeben sich für eine Wirksamkeit von Risperidon, Quetiapin und Olanzapin bei der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTSD), weiterhin von Risperidon und Olanzapin bei der Generalisierten Angststörung (GAD). 5 Bei Angststörungen sind Antidepressiva, Benzodiazepine und Buspiron den AP primär vorzuziehen (7 Kap. 1.4).
3.4 · Indikationen
3.4.8 5
5
5
5
5
183
Demenzielle Erkrankungen
Da demenzielle Erkrankungen in ihrem Verlauf häufig mit psychomotorischer Unruhe (DD: Akathisie), nächtlicher Desorientierung, desorganisiertem Verhalten und paranoidem Erleben assoziiert sind, können AP zumindest zeitweise indiziert sein (Risikofaktoren für EPS 7 Kap. 3.6). Atypische AP sind in der Regel unter der Berücksichtigung der Anwendungsbeschränkungen vorzuziehen (zur Anwendung von atypischen AP im Alter 7 Kap. 6). Bei Schlafstörungen und psychomotorischer Erregung im Rahmen einer Demenz sind AP mit möglichst geringer anticholinerger Komponente zu bevorzugen (z. B. Pipamperon oder Melperon). Auf Depot-AP möglichst verzichten (verzögerte Resorption, langsame Elimination, nach Absetzen lang überdauernde Nebenwirkungen möglich). Hochpotente konventionelle AP sind bei Patienten mit Demenz unter Berücksichtigung der veränderten Pharmakokinetik und erhöhten Empfindlichkeit älterer Menschen für Sedierung, Parkinsonoid, anticholinerge Wirkungen und Orthostase in niedriger Dosis (Bromperidol oder Haloperidol 2–5 mg/Tag, z. B. als einmalige Gabe zur Nacht) vertretbar. Bei Demenz mit Lewy-Körperchen (DLB) treten häufig psychotische Symptome, typischerweise optische Halluzinationen, auf.
! Patienten mit DLB zeigen jedoch häufig eine Hypersensitivität gegen-
über AP. Dramatische Verschlechterungen des klinischen Gesamtzustandes nach AP-Gabe sind beschrieben; auf eine AP-Therapie sollte daher möglichst verzichtet werden. Erscheint eine AP-Therapie unverzichtbar, sind niedrigste Dosen von Quetiapin oder Clozapin am ehesten vertretbar.
3.4.9 5
Andere organische Psychosen
Alkoholhalluzinose: bei Akuität vorübergehend Gabe eines AP (z. B. Haloperidol 5–10 mg/Tag), häufig allerdings kommt es zu einer raschen Spontanremission; bei der seltenen Chronifizierung meist schlechtes Ansprechen auf AP. 5 Delir: Bei psychotischen Zustandsbildern oder starker psychomotorischer Erregung können AP indiziert sein (7 Kap. 7).
3
184
Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
5
4
Bei psychomotorischer Erregung im Rahmen akuter Intoxikationen mit psychotropen Substanzen sind AP indiziert (7 Kap. 12). 5 Drogeninduzierte Psychosen: Psychotische Symptome werden als direkte körperliche Wirkung einer Droge angesehen. Bei Akuität sind vorübergehend AP indiziert. Durch Abstinenz von der verursachenden Droge sollte die Störung i. Allg. sistieren. Olanzapin hat in dieser Indikation in Dosierungen von 2.5–10 mg eine vergleichbare Wirkung wie konventionelle AP (Haloperidol), bei geringerer EPS-Rate, erbracht (7 Kap. 17.6).
5
3.4.10 Schmerzsyndrome
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AP spielen in der Schmerztherapie nur eine untergeordnete Rolle. In Kombination mit Opiaten kann die Opiatdosis ohne Wirkungsverlust verringert werden, außerdem wird das Ausmaß opiatinduzierter Nebenwirkungen wie Übelkeit (mit Erbrechen) reduziert. 5 Spezifische Diagnosen, zu denen die Datenlage etwas breiter ist, sind diabetische Neuropathie und postherpetische Neuralgie, wobei jedoch häufig auch die Kombination mit Antidepressiva versucht wurde, so dass spezifische AP-Effekte nicht sicher belegt sind. Als Alternative zu AP in dieser Indikation erwies sich Gabapentin bzw. Pregabalin in mehreren Studien als wirksam.
11
3.5
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15
Jedes Psychopharmakon sollte im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplans verordnet werden. Bei Schizophrenien sind neben der AP-Therapie auch psychoedukative und kognitiv-verhaltenstherapeutische Ansätze evaluiert. Das frühzeitige Ansprechen auf eine Therapie erwies sich als guter Prädiktor für die spätere Prognose und die Compliance schizophrener Patienten. Den subjektiven Aspekten des Krankheitserlebens (Krankheitskonzept, Bewältigung, Lebensqualität) sollte im Rahmen psychoedukativer, psycho- und soziotherapeutischer Maßnahmen frühzeitig Rechnung getragen werden.
16
Psycho- und Soziotherapie in 3 Therapiephasen
17
In allen Phasen sollten Therapiemotivation, Vermittlung eines Krankheitskonzepts und Festigung der Compliance erfolgen.
13 14
Antipsychotika und Psycho-/Soziotherapie bei Schizophrenie
Akutphase 5
Strukturierende, klare, direktive, stützende Psychotherapie.
3.5 · Antipsychotika bei Schizophrenie
185
5
Da der notwendige und sinnvolle Einsatz einer Pharmakotherapie zur Schizophreniebehandlung für viele Patienten nicht von vornherein verständlich ist, erscheint die Vermittlung eines verständlichen und akzeptablen Krankheitsmodells, das auch den Einsatz einer medikamentösen Behandlung bei psychischen Beschwerden erklärt, durch den Arzt unerlässlich (Psychoedukation). Dies gilt besonders dann, wenn eine langfristige Behandlung mit AP notwendig ist, um die Therapiemotivation und Compliance des Patienten zu erhöhen und Rückfälle zu vermeiden. Selbstverständlich hängt die Zugänglichkeit des Patienten für eine solche Aufklärung in der Akutphase stark von der Ausprägung der aktuellen Symptomatik ab. 5 Physiotherapie und Ergotherapie als aktivierende Behandlungsformen zur Förderung des positiven Körpererlebens und der Stärkung von Kreativität, Eigeninitiative und Selbstvertrauen. Patienten können im Rahmen gestufter Trainingsprogramme (z. B. kognitives Computertraining) ohne Überforderung an sinnvolle, zweckbezogene Tätigkeiten herangeführt werden. Stabilisierungsphase 5
Fortführung der Psychoedukation des Patienten und ggf. der Angehörigen über Art und Verlauf der Erkrankung (s. u. Vulnerabilitäts-StressModell), Bedeutung der Compliance (Nutzen einer Erhaltungstherapie, Umgang mit Nebenwirkungen, insbesondere Gewichtsmanagement), Selbstbeobachtung und Selbsteinschätzung von Symptomen, Erkennen von Frühwarnzeichen (Prodromi; s. u.). 5 Orientierung an aktuellen konkreten Problemen mit rationaler Lösungsstrategie. 5 Psychoedukative Angehörigengruppen mit Vermittlung eines Krankheitsmodells führen zu veränderter Attribution von Verhaltensauffälligkeiten (Wahrnehmung und Wertung der Symptome nicht mehr als willentliche Entgleisung) und einer Entspannung des Familienklimas. Langzeittherapie: Rezidivprophylaxe/Symptomsuppression 5
Förderung vorhandener Bewältigungs- und Kompensationsmechanismen, Verbesserung der verbalen Kommunikationsfähigkeit (Beginn schon in der Stabilisierungsphase). 5 Training zur Verbesserung sozialer Kompetenz und Aneignung lebenspraktischer Fertigkeiten mit Übungen im realen Umfeld. Das Erlernen der Vermeidung von Unter- und Überstimulation ist von besonderer Bedeutung für eine möglichst selbständige Belastungsregulation. Unterstimulation kann die Wahrscheinlichkeit für eine Negativ-Symptomatik, Überstimulation kann das Risiko für Positiv-Symptome erhöhen.
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Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
5 5
Selbstkontrollansätze zur Früherkennung eines drohenden Rezidivs. Symptome, die eine Exazerbation bei Schizophrenien ankündigen können, sollten als Frühwarnzeichen mit den Patienten besprochen werden: Schlafstörungen, Gereiztheit, depressive Verstimmungen, Aggressivität, Misstrauen, Angst, affektive Labilität, reduzierte Belastbarkeit, Beziehungsideen, sozialer Rückzug. Konsequenzen vereinbaren und frühzeitige Interventionsmöglichkeiten organisieren: z. B. Vorstellung beim Psychiater, Dosissteigerung der Medikation. 5 Soziotherapie (Auswahl bewährter Strategien): – Belastungserprobung im Alltag, – Arbeitstraining, – Berufsfindung z. B. mit Maßnahmen zur Umschulung, – Tätigkeit in beschützter Werkstätte, – u. U. betreutes Wohnen. 5 Psychoedukation und Angehörigengruppen (s. o.). Vulnerabilitäts-Stress-Modell und »Expressed Emotions« (EE)
8
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Nach dem Vulnerabilitäts-Stress-Modell besteht eine erhöhte Rückfallwahrscheinlichkeit durch ungünstige Umweltbedingungen, die mit der biologisch-genetischen Prädisposition von Patienten mit einer schizophrenen Störung interagieren. 5 Ungünstige Umweltbedingungen sind: belastende Lebensereignisse (»life events«) und ein überstimulierendes oder feindseliges soziales Umfeld einschließlich sog. »high expressed emotions« (HEE) in der Familie. 5 HEE in der Familie äußern sich in einem vermehrten Ausmaß an Kritik oder in übergroßer emotionaler Anteilnahme. HEE stehen in ungünstigem Zusammenhang mit Krankheitsverlauf und Rückfallhäufigkeit. 5 Eine positive, von gegenseitigem Interesse, Respekt und adäquater Zurückhaltung geprägte Familienatmosphäre und ein entsprechender Interaktionsstil führen hingegen zu einer besseren sozialen Anpassung und geringerer Rückfallrate bei durchschnittlich niedrigeren AP-Dosen.
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Nebenwirkungen
Bei der Therapie mit AP ist mit dem Auftreten von Nebenwirkungen, auch in beträchtlichem Umfang, zu rechnen. Eine umfangreiche Untersuchung hat bei ca. 60% der mit AP behandelten Patienten Nebenwirkungen gefunden. Bei immerhin 42% führten diese auch zu therapeutischen Konsequenzen. Eine neuere Erhebung ergab, dass 99% der Patienten mit Psychose unter naturalistischer Behandlung mit verschiedenen AP mindes-
3.6 · Nebenwirkungen
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3
tens eine subjektive »Nebenwirkung« angaben, fast ein Drittel beschrieb diese als »schwer«. Die Lebensqualität wurde von etwa 2/3 der Patienten als mäßig oder gering eingestuft. Übereinstimmend mit anderen Untersuchungen leiden Patienten längerfristig unter Gewichtszunahme, Depressivität, kognitiven Störungen, Schlafstörungen und sexueller Dysfunktion am meisten. Bei den konventionellen AP spielen EPS eine herausragende Rolle. Allen EPS ist gemeinsam, dass sie durch psychische Anspannung verstärkt werden und im Schlaf sistieren. Compliance
Bis zu 80% der schizophrenen Patienten unter AP-Behandlung nehmen im Verlauf die Medikation nicht wie vorgesehen ein. Das Problem der NonCompliance ist von größter klinischer Bedeutung und erklärt bisweilen die Diskrepanz zwischen den Ergebnissen kontrollierter Studien und klinischer Realität. Vier Komponenten beeinflussen die Compliance wesentlich: die individuellen Variablen des Patienten, des Arztes, der Umgebung und der Medikation. Einer tragfähigen Arzt-Patienten-Angehörigen-Beziehung sowie der individuell optimierten AP-Therapie mit größtmöglicher Beteiligung des Patienten bei allen Entscheidungen (»shared decision making«) kommt daher eine zentrale Rolle zu. Subjektiv als beeinträchtigend erlebte Nebenwirkungen dürften eine Hauptursache für die niedrige Compliance bei der Einnahme von AP darstellen. Atypische AP haben nachweislich ein geringeres EPS-Risiko als konventionelle AP und können die Lebensqualität erhöhen. 5 Förderung und Festigung der Compliance durch Vermittlung eines Krankheits- und Therapiekonzepts; Psychoedukation zur Bedeutung der Medikation, Aufklärung über Nebenwirkungen und den Umgang mit AP und Nebenwirkungen (insbesondere Gewichtszunahmen). Wenn möglich: Einbeziehen von Angehörigen oder sonstigen Bezugspersonen. Unterstützung des Patienten auch im Rahmen psycho- und soziotherapeutischer Maßnahmen einschließlich der Vermittlung komplementärer Therapieeinrichtungen. 5 Bei Non-Compliance: Gespräch mit dem Patienten über dessen Gründe für die Nicht-Einnahme mit gleichzeitiger erneuter Informationsvermittlung über die Nutzen-Risiko-Abwägung. Falls EPS Ursache der Non-Compliance sind: Umsetzversuch auf AP mit besserer EPS-Verträglichkeit (insbesondere atypische AP). 5 Bei persistierender Non-Compliance unter stationären Bedingungen: Vereinfachung und Umverteilung der Medikation, orale Medikation als Tropfen, Lösung, Schmelztabletten o. ä., i.m.-Gaben in kurz wirksamer Form. 5 In der ambulanten Weiterbehandlung können i.m.-Depotinjektionen in größeren Zeitabständen (7 Kap. 3.11.1) sowie die Unterstützung durch
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Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
psychosoziale Betreuung und Medikamentendienste die Compliance fördern und erhalten. Als einziges atypisches AP ist derzeit Risperidon in einer langwirksamen Formulierung (i.m.-Injektionen im Abstand von 2 Wochen) verfügbar. Ist die Sedierung ein Grund für die Non-Compliance und können Dosisanpassung und Umverteilung keine Abhilfe schaffen, muss mittelfristig auf ein nichtsedierendes AP umgesetzt werden. Bei Gewichtszunahme: Diätberatung, Kostumstellung, physiotherapeutische Maßnahmen; ggf. Umsetzen auf ein atypisches AP mit geringer oder fehlender Gewichtszunahme (Amisulprid, v. a. Ziprasidon, Aripiprazol, . Tabelle 3.5). Verhaltenstherapeutisch orientierte Maßnahmen sind sowohl zur Prävention als auch zur Therapie von Gewichtszunahmen unter AP bei schizophrenen Patienten geeignet. Topiramat als Zusatztherapie mit Olanzapin oder Clozapin führte in einer Fallserie zu einer signifikanten Gewichtsabnahme, allerdings wurden auch Einzelfälle mit einer Exazerbation psychotischer Symptome unter Topiramat beschrieben (Kap. 9) In Einzelfällen hat die zusätzliche Gabe von Amantadin, Histamin-H2-Rezeptorantagonisten, Metformin oder Orlistat zu einer Reduktion der AP-assoziierten Gewichtszunahme geführt. Bei sexuellen Funktionsstörungen: genaue Exploration und Untersuchung, ob AP die Ursache der Störung sind, ggf. Umsetzen auf ein AP ohne PRL-Erhöhung (7 Kap. 8) Grundsätzlich ist bei Nebenwirkungen vor dem Umsetzen zunächst die niedrigste nötige Dosis herauszufinden, dann sorgfältiges Abwägen der bisher erreichten Therapieziele und der unerwünschten Wirkungen.
EPS . Tabelle 3.4 gibt einen Überblick über EPS unter AP und wichtigste Be-
handlungsempfehlungen. Vegetative Nebenwirkungen 5
Vegetative Nebenwirkungen kommen unter den AP bei Phenothiazinen am häufigsten vor (bis zu 10%), treten bevorzugt zu Beginn der Therapie auf und zeigen dann i. Allg. eine Adaptation. Diese Nebenwirkungen sind bei älteren Patienten problematischer als bei jüngeren. Bei stark ausgeprägten anticholinergen Effekten (z. B. Miktionsstörungen, ausgeprägte Obstipation; in Einzelfällen bis zum paralytischen Ileus mit Septikämie und Peritonitis) kann therapeutisches Eingreifen erforderlich werden. Nach Ab- bzw. Umsetzversuch des AP kann der cholinerge Agonist Carbachol (Doryl®; Dosierung 1–4 mg p.o.) oder der lang wirksame periphere Cholinesterasehemmer Distigmin (Ubretid®; Do-
Parkinsonoid
Akathisie
Spätdyskinesien
Malignes neuroleptisches Syndrom
2–17%
15–20%
ca. 20%
15–20%
0,02–0,5%
Beginn
1. Woche
1.–10. Woche
1.–7. Woche
3 Monate–3 Jahre
1.–2. Woche
Risikofaktoren
V. a. hochpotente konventionelle AP, jungeMänner, plötzliche Dosiserhöhung, parenterale Applikation
V. a. hochpotente konventionelle AP, plötzliche Dosisreduktion
Alle AP
V. a. konventionelle AP, hohes Alter, weibliches Geschlecht, affektive Störung, zerebrale Vorschädigung, Diabetes mellitus
Alle AP, Lithiumkomedikation, junge Männer
Symptome
Hyperkinetisch, dyskinetisch oder dyston: krampfartiges Herausstrecken der Zunge, Blickkrämpfe (»okulogyre Krise«), Opisthotonus, Trismus,
Einschränkung der Feinmotorik, Verlust der Mitbewegungen bis zur Akinese, Hypo- und Amimie, kleinschrittiger Gang, Rigor, selten Tremor, Salbengesicht
Als quälend erlebte Sitz-, aber auch Stehunruhe (Tasikinesie), dabei außer motorischen Auffälligkeiten Reizbarkeit, Angst, Konzentrationsstörung, DD: »Restlesslegs-Syndrom« (dabei im Gegensatz zur
Verzögert auftretende hyperkinetische Dauersyndrome, intensive, abnorme, unwillkürliche, oft stereotype Bewegungen in der Zungen-, Mund- und Gesichtsmuskulatur, auch der distalen Muskulatur; Verschlechterung
Trias: Rigor, quantitative Bewusstseinsstörung Bewusstseinsund autonome Funktionsstörung (Fieber, Tachykardie, labiler RR, Tachypnoe, Hyperhidrose, Harninkontinenz), CK-Erhöhung,
Wahrscheinlichkeit
189
Frühdyskinesie
3.6 · Nebenwirkungen
. Tabelle 3.4. Antipsychotika- (AP) induzierte EPS: Klinik und Behandlungsempfehlungen
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. Tabelle 3.4. (Fortsetzung) Parkinsonoid
Akathisie
Spätdyskinesien
Malignes neuroleptisches Syndrom
Hyperkinesien der mimischen Muskulatur; choreo-athetotische und torticollisartige Bewegungen
und Hypersalivation, später (selten): »Rabbit-Syndrom« mit Tremor (5/s) der Lippen
Akathisie Auftreten v. a. im Liegen)
durch affektive Anspannung, nicht im Schlaf; DD: »Absetzdyskinesien« (treten nach 1–4 Wochen für wenige Monate auf); spontane orofaziale Dyskinesien. Potentiell irreversibel, auch nach Absetzen des AP (30– 50%); auch unter atypischen AP sind Spätdyskinesien beschrieben (unter Clozapin nur in extrem seltenen Ausnahmefällen)
Leukozytose, auch Transaminaseanstieg, Entwicklung in 1–3 Tagen; renale Komplikationen gefährlich, Letalität 20%
Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
Symptome (Forts.)
Frühdyskinesie
Therapie
Parkinsonoid
Akathisie
Spätdyskinesien
Malignes neuroleptisches Syndrom
Anticholinergika p.o.,bei laryngealen und pharyngealen Spasmen: sofortige i.v.-Injektion von Biperidena (2,5–5 mg), danach Umsetzen auf oral, Absetzen sobald wie möglich, keine prophylaktische Gabe
Dosisreduktion oder Umsetzen des AP oder Anticholinergika, keine prophylaktische Gabe, Erhaltungsdosis von Biperidena 4– 12 mg/Tag
Dosisreduktion, Umsetzen des AP, β-Blocker (Propranolol 30– 120 mg/Tag), Benzodiazepine, Anticholinergika oder Kombination; positive Effekte sind für Mirtazapin oder Mianserin (5-HT2A/C-Blockade in niedriger Dosis (7,5– 15 mg) beschrieben; allerdings insgesamt schlechtes Ansprechen der Akathisie auf Medikation; bei Restless-legSyndrom: Versuch mit LDopa oder Dopaminagonisten (7 Kap. 10.2.4)
Umstellversuch auf Clozapin, evtl. Tiaprid ; Prophylaxe: möglichst niedrige AP-Dosis, strenge indikationsstellung, Berücksichtigung der Risikofaktoren, regelmäßige klinische Untersuchungen auf Beginn der Symptomatik; Vitamin E (400–1600 IE/Tag) sowohl zur Prophylaxe als auch zur Behandlung scheint bei manchen Patienten hilfreich zu sein
Absetzen der AP, Kühlung, (parenterale) Flüssigkeitszufuhr; Intensivüberwachung; Prinzip der Weiterbehandlung und Notfalltherapie (7 KAP. 12.7.2); Unter Behandlung Besserung innerhalb von 5– 15 Tagen
Nebenwirkungen der Anticholinergika: Euphorie, Sedierung, Insomnie, Schwindel, vegetative Nebenwirkungen. CAVE: zentrales Anticholinergikasyndrom, s. Kap. 12
191
Frühdyskinesie
3.6 · Nebenwirkungen
. Tabelle 3.4. (Fortsetzung)
a
3
Weitere Anticholinergika zur Behandlung von AP-induzierten EPS: Benzatropin (Cogentinol®) (1- bis 3-mal 0,5–2 mg/Tag), Trihexyphenidyl (Artane®) (3- bis 4-mal 1–4 mg/Tag)
192
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
sierung 2,5–5 mg p.o.) gegeben werden. Bei schwerer Obstipation (nach Ausschluss eines Ileus) sind Therapieversuche mit Lactulose (5–10 g/ Tag, nicht bei Ileus) oder Movicol (Dosierung nach Vorschrift) empfehlenswert. Bei akutem Harnverhalt hat sich die parenterale Gabe von Carbachol (Doryl®; Dosierung: 0,25 mg i.m. oder s.c.) unter Beachtung der Kontraindikationen bewährt. Eine weitere seltene, aber gefährliche anticholinerge Nebenwirkung ist das Auftreten von Glaukomanfällen bei entsprechender Prädisposition. Selten kann unter Therapie mit AP (insbesondere Clozapin, Risperidon) auch eine Enuresis (v. a. nachts) auftreten, die bei Persistenz mit Desmopressin (Minirin® Nasenspray 10–40 µg/Tag) behandelt werden kann. 5 Hypotonie und orthostatische Dysregulation mit kompensatorischer Tachykardie (selten: Bradykardie) können unter allen vorwiegend niedrigpotenten klassischen und auch atypischen AP auftreten und ein besonderes Risiko für Stürze von Sturzfolgen bei älteren Patienten darstellen. Kreislaufregulationsstörungen erfordern eine Dosisanpassung oder einen Präparatewechsel. Alternativ kann bei Tachykardie ein βRezeptorenblocker (z. B. niedrige Dosen von Metoprolol oder Propranolol), bei orthostatischer Hypotonie, falls Hydrotherapie (Kneipp-Güsse) nicht ausreichend wirksam ist, Dihydroergotamin (z. B. Dihydergot®; bis zu 6 mg/Tag) gegeben werden. Bei asympathotoner Kreislaufreaktion kann auch Etilefrin® (z. B. Effortil; 20–60 mg/Tag) indiziert sein. 5 Temperatursteigerung (v. a. unter Clozapin: ca. 5% der Patienten), sonst durch hypothalamische Beeinflussung eher erniedrigte Temperatur unter AP. Der Verlust der Temperaturkontrolle wird auch als eine Ursache für plötzliche Todesfälle unter hohen AP-Dosen angenommen. 5 Häufigste vegetative Nebenwirkung unter Clozapin: Hypersalivation (bei ca. 25% der Patienten), i. Allg. folgenlos, falls Therapie notwendig, Versuch mit Pirenzepin (Gastrozepin® 50 mg/Tag, einem Anticholinergikum mit relativ selektivem Antagonismus an muskarinischen M1und M4-Rezeptoren). Ansonsten kommt unter trizyklischen AP eher Mundtrockenheit vor. Hämatopoetisches System 5
Agranulozytose (unter Clozapin in 1–2% der Fälle; Einzelfälle unter Olanzapin und Melperon) mit dosisunabhängiger toxischer oder allergischer Genese. – Risikofaktoren für Agranulozytosen unter Clozapin: weibliches Geschlecht, höheres Lebensalter, Auftreten v. a. in der 4.–18. Behandlungswoche; 6
3.6 · Nebenwirkungen
193
– Vorgehen: sofortiges Absetzen der Medikation (dann reversibel); internistische, ggf. intensivmedizinische Therapie. – Falls unter trizyklischen AP Agranulozytosen auftreten: Umsetzen auf ein hochpotentes Butyrophenon oder ein atypisches AP, bei dem bisher kein erhöhtes Agranulozytoserisiko angegeben ist, z. B. Risperidon oder Amisulprid, unter engmaschigen Blutbildkontrollen. – Patienten müssen angewiesen werden, beim Auftreten von Symptomen wie Fieber, Halsschmerzen, Infektionen der Mundschleimhaut keinen Selbstbehandlungsversuch durchzuführen, sondern den Arzt aufzusuchen. 5
Leukozytosen oder Leukopenien v. a. bei trizyklischen AP und zu Behandlungsbeginn; Eosinophilie mit konsekutiver Monozytose in der 2– 4. Woche: i. d. R. keine Änderung der Therapie nötig. 5 Hämolytische Anämie, Thrombozytopenie und Panzytopenien: sehr selten (vereinzelt unter Clozapin). Allergische Reaktionen (v. a. unter Phenothiazinen) und ophthalmologische Nebenwirkungen 5
Generalisierte Arzneimittelexantheme, Photosensibilisierung mit erhöhtem Sonnenbrandrisiko, Pigmentablagerungen (Haut, Linse, Herz) v. a. unter Chlorpromazin; unter Thioridazin (ab 800 mg/Tag) und Chlorpromazin (ab 300 mg/Tag) ist eine Retinitis pigmentosa mit Nachtblindheit zu Beginn, transienten Ringskotomen und Visusminderung beschrieben worden (sehr selten). 5 Seltene schwere allergische Reaktionen: angioneurotisches Ödem, nichtthrombozytopenische Purpura, exfoliative Dermatitis und Stevens-Johnson-Syndrom. 5 Unter Quetiapin sind im Tierversuch (Beagle-Hunde) und in Einzelfällen unter Therapie schizophrener Patienten Linsentrübungen beschrieben worden. Leber-Gallengangs-System 5
Nebenwirkungen v. a. unter trizyklischen AP, aber auch unter Butyrophenonen und nichttrizyklischen atypischen AP. 5 Transienter Transaminasenanstieg, in der 2–4. Woche auch Anstieg der alkalischen Phosphatase möglich; bei klinisch asymptomatischen Transaminasenanstiegen unter dem 3-fachen der Norm Verlauf abwarten (seltener Absetzgrund).
3
194
Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
1
5 5
2
Thrombosen, Thrombophlebitiden 5
3 4 5
Es ist nicht gesichert, ob thromboembolische Ereignisse gehäuft unter oraler AP-Medikation auftreten. Allerdings wurde in einer neueren Studie unter konventionellen AP, besonders unter Thioridazin, ein erhöhtes Risiko für Thromboembolien gefunden. Bei Immobilisierung oder weiteren Thromboserisikofaktoren ist das übliche Vorgehen zur Thromboseprophylaxe indiziert.
! Nach i.v.-Injektion von trizyklischen AP (fast nie bei Butyrophenonen):
Thrombophlebitiden (selten Nekrosen), deshalb nur in Notfallsituationen langsame i.v.-Injektionen von trizyklischen AP in verdünnter Form.
6 7
Selten Cholestase, falls Ikterus: sofortiges Absetzen des AP. Unter Clozapin in Einzelfällen: nekrotisierende Hepatitis.
Generalisierte tonisch-klonische Krampfanfälle 5
8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
Bei ca. 7% der mit konventionellen AP behandelten Patienten können plasmaspiegelabhängig Allgemeinveränderungen im EEG registriert werden, welche jedoch nur selten therapeutische Konsequenzen haben. Eine Untersuchung mit allerdings kleinen Fallzahlen ergab deutlich häufigere, dosisunabhängige EEG-Auffälligkeiten (Allgemeinveränderungen, spike-wave-Komplexe) unter Clozapin und Olanzapin (>35%) als unter Risperidon (28%) und konventionellen AP (Fluphenazin 22%, Perphenazin 14%, Haloperidol 7%). 5 Die Rate an zerebralen Krampfanfällen liegt, wenn alle AP berücksichtigt werden, bei deutlich unter 1%. Krampfanfälle kommen häufiger unter trizyklischen AP v. a. mit aliphatischer Seitenkette und unter Clozapin vor (etwa 1%, bei höheren Dosen bis zu 10%). Risikofaktoren sind: zerebrale Vorschädigung, Behandlungsbeginn mit hohen Dosen, schneller Dosisanstieg. 5 Unter Melperon keine negative Beeinflussung der Krampfbereitschaft (s. Präparat). 5 Treten unter AP-Therapie Krampfanfälle auf und ist eine Dosisreduktion und/oder Umstellung unzumutbar (insbesondere unter ClozapinTherapie), hat sich eine Komedikation mit einem Antikonvulsivum (insbesondere Valproat) unter Plasmaspiegelkontrollen als effektiv erwiesen. Es muss an das erhöhte Risiko für Blutbildschäden bei Kombination von Clozapin mit Carbamazepin gedacht werden. Zerebrovaskuläre Nebenwirkungen 5
Schizophrene Patienten zeigen ein gegenüber der Gesamtbevölkerung erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre und zerebrovaskuläre Ereignisse.
3.6 · Nebenwirkungen
195
5
In jüngster Zeit wurden Daten aus placebo-kontrollierten Studien veröffentlicht, die ein zusätzlich erhöhtes Risiko für Schlaganfälle und andere zerebrovaskuläre Ereignisse bei älteren Patienten mit demenzieller Erkrankung unter Behandlung mit Risperidon und Olanzapin ergaben. Dies hat zur Anwendungsbeschränkung von Risperidon und Olanzapin geführt (7 Kap. 6.3). 5 Eine retrospektive Studie zeigte kein erhöhtes Schlaganfallrisiko für Risperidon und Olanzapin gegenüber Haloperidol bei älteren Patienten. Für die meisten AP sind jedoch bisher keine entsprechenden Vergleichsdaten verfügbar. 5 Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist eine Erhöhung des Risikos für zerebrovaskuläre Ereignisse unter Behandlung mit einem AP als »Klasseneffekt« nicht auszuschließen. Endokrine Begleitwirkungen und sexuelle Funktionsstörungen (v. a. konventionelle AP und Amisulprid) 5
Dosisabhängiger Anstieg der Prolaktin-(PRL)-Sekretion. Unter konventionellen AP sowie unter Amisulprid und Sulpirid kommt es häufig zu einem ausgeprägten PRL-Anstieg, unter Risperidon ist der PRL-Anstieg etwas geringer. Olanzapin führt i. d. R. lediglich zu einem initialen PRL-Anstieg im Bereich der Norm; unter Aripiprazol, Ziprasidon, Quetiapin und Clozapin (außer unter sehr hohen Dosen) wird i. d. R. kein PRL-Anstieg beobachtet. Klinische Folgen hoher PRL-Spiegel können neben sexuellen Funktionsstörungen bei Frauen Amenorrhö und Galaktorrhö, bei Männern Gynäkomastie sein. Langzeitig erhöhte PRLSpiegel werden für die Entstehung oder Verstärkung von Osteoporose verantwortlich gemacht. Bei symptomatischen PRL-Erhöhungen und unzumutbarer Dosisreduktion oder Umstellung kann ein vorsichtiger Therapieversuch mit Bromocriptin (Pravidel®) erwogen werden.
! Ca. 1/3 der Mammatumoren sind prolaktinsensitiv. 5
Brustkrebsrisiko und Risiko eines Hypophysenadenoms sind nach den vorliegenden Daten unter AP nicht erhöht. 5 Sexuelle Funktionsstörungen kommen unter konventionellen AP bei 30–50% der Patienten vor; sie treten aber auch unter atypischen AP auf. Der kausale Einfluss von AP-induzierten PRL-Spiegelerhöhungen auf sexuelle Funktionen ist noch weitgehend ungeklärt. Unter Thioridazin ist außer Libidoverlust und erektiler Dysfunktion auch retrograde Ejakulation möglich. 5 Sehr selten: Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH, 7 Kap. 1.6).
3
196
1 2 3 4 5 6 7
Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
Gewichtszunahme, pathologische Glukosetoleranz, Diabetes mellitus und Hyperlipidämie (metabolisches Syndrom) Gewichtszunahme unter AP ist häufig (. Tabelle 3.5). 5
Nach heute vorliegenden Erkenntnissen sind bei Behandlung mit Clozapin und Olanzapin meist etwa 10–40% der Patienten von deutlichen Gewichtszunahmen (über 10% des Ausgangsgewichtes) betroffen, nach etwa einem Jahr zeigt sich häufig ein Plateau der Gewichtszunahme. Eine Dosisabhängigkeit der Gewichtszunahme ist eher nicht belegbar. 5 Die Gewichtszunahme unter AP hat gravierende Konsequenzen in Bezug auf Lebensqualität und Compliance sowie Erhöhung des Risikos für Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes mellitus und Karzinome (Kolon, Endometrium). Hyperlipidämien und gewichtsunabhängige Störungen des Glukosestoffwechsels unter AP sind weitere kardiovaskuläre Risikofaktoren. Möglicherweise besteht – unabhängig von der Induktion einer Gewichtszunahme und der Substanzklasse – ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Diabetes mellitus bei schi-
8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
. Tabelle 3.5. Gewichtszunahme unter AP Antipsychotikum bzw. Placebo
Mittlere Gewichtszunahme in 2–3 Monaten [kg]
Risiko für Gewichtszunahme
Placebo Ziprasidon
0–0,5 kg
0 0
Aripiprazol
0
Fluphenazin Amisulprid Haloperidol
0,5–1,5 kg
+ + +
Risperidon Zotepin Quetiapin
1,5–3,0 kg
++ ++ ++
Thioridazin Olanzapin Clozapin
3,0–5,0 kg
+++ +++ +++
Zur Zeit liegen Daten aus Reviews und Metaanalysen v. a. für eine Behandlungsdauer von 2–3 Monaten vor. 0: kein wesentlich erhöhtes Risiko, +: leicht erhöhtes Risiko, ++: deutlich erhöhtes Risiko, +++: stark erhöhtes Risiko für Gewichtszunahme
3.6 · Nebenwirkungen
5
5
5
5
5 5
5
5
197
zophrenen Patienten. Eine vorbestehende arterielle Hypertonie und erhöhte Ausgangswerte des Body-Mass-Index (BMI) sind nach einer neueren Studie Risikofaktoren für die Entwicklung eines Diabetes mellitus unter atypischen AP. Diätetische Maßnahmen und allgemeine Maßnahmen zur Gewichtsreduktion sind erfolgversprechend. Der Prävention – durch Auswahl des geeigneten AP und regelmäßige Gewichtskontrollen – kommt eine besondere Bedeutung zu. Eine 5%-ige Gewichtszunahme ist mit einer Verdopplung des Risikos für Glukoseintoleranz verbunden. Der genaue Mechanismus der Gewichtszunahme v. a. unter atypischen Antipsychotika ist noch nicht klar, der Einfluss eines gestörten LeptinFeedbacks wird diskutiert. Pathologische Glukosetoleranz und Hyperglykämien sind unter atypischen AP (v. a. unter Clozapin und Olanzapin, Einzelfälle auch unter Risperidon und Quetiapin) nicht selten und korrelieren möglicherweise mit der Gewichtszunahme (s. o.). Das vermehrte Neuauftreten von Diabetes mellitus, vereinzelt mit fatalen Komplikationen (Ketoazidose), auch unabhängig von einer Gewichtszunahme, und von Hyperlipidämien ist ebenfalls unter Behandlung mit atypischen AP, v. a. unter Therapie mit Clozapin, beschrieben worden. Mehrere Fälle von Hypertriglyzeridämien (>600 mg/dl) wurden auch unter Behandlung mit Olanzapin oder Quetiapin berichtet. Regelmäßige Kontrollen des Blutzuckerspiegels und der Blutfette, ggf. der Glukosetoleranz und des HbA1c sind daher bei Behandlung v. a. mit atypischen AP (ggf. auch vor Behandlung, insbesondere bei Clozapin und Olanzapin) empfehlenswert. Insgesamt besteht für schizophrene Patienten nach derzeitigem Kenntnisstand ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines metabolischen Syndroms, insbesondere für die Entwicklung eines Diabetes mellitus, auch unabhängig von der Behandlung. Dies wird insbesondere mit ungünstigen »life-style«-Faktoren (Ernährung, körperliche Aktivität, Rauchen) in Verbindung gebracht. Die Behandlung mit AP kann dieses Risiko weiter erhöhen, wobei Unterschiede zwischen konventionellen und atypischen AP sowie zwischen verschiedenen atypischen AP derzeit noch intensiv untersucht werden.
Delirante Syndrome 5
3
Vor allem in den ersten Behandlungstagen bei schneller Aufdosierung kann es zu deliranten Syndromen kommen (trizyklische AP haben ein erhöhtes Risiko, v. a. Clozapin; unter hochpotenten konventionellen AP vernachlässigbares Risiko).
198
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Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
! Kombination verschiedener Medikamente mit anticholinerger Kom-
ponente (s. zentrales anticholinerges Syndrom, 7 Kap. 12.7.2; . Tabelle 3.6). . Tabelle 3.6. Interaktionen Antipsychotika (nach Medikamentengruppen der Begleitmedikamente geordnet) Komedikation
Anticholinergika: Biperiden, Benztropin, Trihexyphenidyl, Metixen, Bornaprin Antidepressiva: – MAO-Hemmer
14 15
Verstärkte orthostatische Hypotonie möglich; pharmakodynamische Verringerung der antipsychotischen Wirkung möglich Evtl. höhere AP-Plasmaspiegel, dadurch vermehrt Nebenwirkungen, insbesondere EPS; im Einzelfall Wirkverstärkung möglich
– Trizyklische Antidepressiva
Antidepressiva- und/oder AP-Plasmaspiegel können ansteigen, vermehrte Nebenwirkungen wie Sedierung, orthostatische Hypotonie und anticholinerge Nebenwirkungen bis hin zu Harnverhalt, Ileus und Delir möglich; QTc-Verlängerung bis hin zu malignen Arrhythmien möglich
Antihistaminika: Terfenadin, Astemizol
Verstärkte QT-Verlängerung im EKG, in Einzelfällen Gefahr von Rhythmusstörungen (Torsades de pointes); Vorsicht v. a. bei trizyklischen AP (Thioridazin!), aber auch bei Fluspirilen, Haloperidol und Pimozid
Diphenhydramin, Doxylamin (Promethazin)
Verstärkte Sedierung und/oder anticholinerge Nebenwirkungen bis hin zu z. B. Delir bei Kombination mit antihistaminisch und/oder anticholinerg wirksamen AP Vorsicht bei Clozapin, Levomepromazin, Thioridazin, Chlorprothixen, Prothipendyl und Perazin
Barbiturate
Verstärkte Sedierung bis hin zur Neurotoxizität möglich, verstärkte Blutdrucksenkung beschrieben; durch Enzyminduktion niedrigere AP-Plasmaspiegel, dadurch geringerer antipsychotischer Effekt möglich
16 17
Verstärkte anticholinerge Nebenwirkungen (Mundtrockenheit, Akkommodationsstörungen, Obstipation, Miktionsstörungen etc. bis hin zum Delir). Evtl. verminderte orale Resorption von AP (hier: Chlorpromazin) durch Hemmung der Darmmotilität, dadurch fragliche Abschwächung der antipsychotischen Wirkung
– SSRI: Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin
12 13
Art der Interaktion
Psychopharmaka
199
3.6 · Nebenwirkungen
. Tabelle 3.6. (Fortsetzung) Komedikation
Art der Interaktion
Benzodiazepine
Verstärkte Sedierung möglich; pharmakodynamische Wirkverstärkung in vielen Fällen sinnvoll und erwünscht, Besserung einer AP-induzierten Akathisie unter Benzodiazepinen; in sehr seltenen Fällen unter Kombination von Benzodiazepinen mit Clozapin Schwindelzustand bzw. Kollaps bis hin um Atemstillstand
Bupropion
Höhere AP-Plasmaspiegel, dadurch vermehrte Nebenwirkungen
Carbamazepin
Verstärkte Metabolisierung durch Enzyminduktion mit niedrigeren AP-Plasmaspiegeln, verminderter antipsychotischer Effekt (Bromperidol, Clozapin, Fluphenazin, Haloperidol, Risperidon); jedoch pharmakodynamische Wirkverstärkung möglich
Lithium
Vermehrte AP- und/oder Lithiumnebenwirkungen, auch EPS, in Einzelfällen bis zur Neurotoxizität, evtl. erhöhtes Risiko für malignes neuroleptisches Syndrom unter Lithiumzugabe; in sehr seltenen Einzelfällen irreversible Bewegungsstörungen mit persistierenden EEG-Veränderungen
Opiatartige Narkoanalgetika
Vermehrter sedierender und analgetischer Effekt, in Einzelfällen Verstärkung der Nebenwirkungen bis hin zu Atemdepression
Phenytoin
Verstärkte Metabolisierung durch Enzyminduktion, niedrigere AP-Plasmaspiegel, dadurch evtl. geringerer antipsychotischer Effekt
Valproinsäure
Höhere Valproinsäureplasmaspiegel unter Phenotiazin-AP beschrieben, dadurch evtl. vermehrt Nebenwirkungen, evtl. auch vermehrt EPS; bei Kombination mit Clozapin ist kurzfristig mit einem leichten Anstieg und langfristig (3 Wochen) mit einem Abfall der Clozapinplasmakonzentrationen zu rechnen
Andere Pharmaka ACE-Hemmer: Captopril, Enalapril
Verstärkter blutdrucksenkender Effekt beschrieben
3
200
1 2 3
Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
. Tabelle 3.6. (Fortsetzung) Komedikation
Art der Interaktion
Antazida, Adsorbenzien (Kaolin, Pektin, med. Kohle), Cholestyramin
Verminderte enterale Absorption wegen Komplexbildungen, dadurch Abschwächung der antipsychotischen Wirkung möglich
4
Antibiotika:
5
– Griseofulvin, Rifampizin,
Beschleunigung der AP-Metabolisierung, dadurch Abschwächung der antipsychotischen Wirkung möglich
– Chloramphenicol, Clarithromycin, Doxycyclin, Erythromycin, Ketokonazol (Antimykotikum)
Hemmung des hepatischen Metabolismus mit Erhöhung der Plasmaspiegel und möglicher Zunahme von Nebenwirkungen
6 7 8 9
Antikoagulanzien: Warfarin, evtl. auch Phenoprocoumon
Verstärkter Antikoagulanzieneffekt mit verlängerter Blutungszeit möglich
Chinidin
Vermehrte Arrhythmien unter Thioridazin
10
Cimetidin
Hemmung der Metabolisierung von Clozapin, dadurch vermehrte Nebenwirkungen möglich
11
Clonidin
Verstärkter blutdrucksenkender Effekt
12 13 14 15
Diuretika
Verstärkter blutdrucksenkender Effekt
Guanethidin, Methyldopa
Abschwächung der antihypertensiven Wirkung unter AP möglich, unter Methyldopa jedoch auch vermehrter blutdrucksenkender Effekt sowie paradoxer hypertensiver Effekt beobachtet
Insulin, orale Antidiabetika
Verstärkter blutzuckersenkender Effekt
Lipidsenker: Lovastatin, Simvastatin
Höhere AP-Plasmaspiegel durch Hemmung von CYP 3A4 z. B. von Haloperidol oder Quetiapin, dadurch vermehrte Nebenwirkungen
Orphenadrin
Hypoglykämie bis hin zum Koma unter Kombination mit Chlorpromazin und Trifluoperazin (Einzelfall)
16 17
201
3.6 · Nebenwirkungen
. Tabelle 3.6. (Fortsetzung) Komedikation
Art der Interaktion
Ovulationshemmer, Östrogene
Durch Enzymhemmung des hepatischen Metabolismus mit möglicher Zunahme der AP-Nebenwirkungen (überproportionaler Anstieg des Prolaktins mitbedingt durch eine östrogenbedingte Synthesesteigerung möglich) Höhere Phenothiazinplasmaspiegel beschrieben, dadurch evtl. vermehrt Nebenwirkungen
Phenylbutazon, Indomethacin
Schwindel, Müdigkeit bzw. Verwirrtheit beschrieben (Einzelfälle)
Propranolol
Wechselseitige Hemmung der Metabolisierung (hier: Chlorpromazin, evtl. auch Haloperidol), dadurch höhere AP- und Propranololplasmaspiegel, Verstärkung der antipsychotischen Wirkung und vermehrte AP-Nebenwirkungen möglich, Verstärkung der blutdrucksenkenden Wirkung möglich
Proteasehemmer: Ritonavir, Indinavir
Evtl. höhere AP-Plasmaspiegel (z. B. Haloperidol, Quetiapin oder Ziprasidon) durch Hemmung von CYP 3A4, dadurch vermehrte Nebenwirkungen möglich
Rauchen, Nikotin
Rauchen induziert CYP 1A2. Dadurch sind bei Rauchern die Plasmaspiegel von Clozapin und Olanzapin um 20 bis 50% niedriger als bei Nichtrauchern; nach vermindertem Rauchen können die Plasmaspiegel ansteigen und Nebenwirkungen auftreten
Suxamethonium
Verlängerte neuromuskuläre Blockade (Apnoe) unter Chlorpromazin (Einzelfall)
Depression 5
Einige konventionelle AP werden als medikamentöse Ursache für eine Depression bei Patienten mit Schizophrenie diskutiert (zur Problematik der »pharmakogenen Depression« 7 Kap. 3.4.1; zum Vorgehen 7 Kap. 3.4.4).
Sedierung, Müdigkeit und Konzentrationsminderung 5
Sedierung, Müdigkeit und Konzentrationsminderung treten oft nur vorübergehend auf, häufiger unter niedrigpotenten konventionellen und anticholinerg wirksamen AP.
3
202
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Kardiale Nebenwirkungen 5
Vor allem unter trizyklischen AP, aber auch unter Fluspirilen, Haloperidol und Pimozid kann es zu kardialen Nebenwirkungen kommen; eine mögliche Verstärkung durch Interaktionen ist zu beachten. 5 Das Risiko für einen plötzlichen Herztod ist unter AP-Therapie insgesamt selten, gegenüber der Normalpopulation jedoch etwa 2-fach erhöht. 5 EKG-Veränderungen: QTc-Verlängerung, Abflachung der T-Welle und ST-Streckensenkung. Unter Clozapin in Einzelfällen: Myokarditiden, Polyserositis. QTc-Verlängerung 5
Eine Vielzahl von Medikamenten, darunter neben vielen Antidepressiva auch Antipsychotika, können zu einer pathologisch verlängerten QTcZeit führen (QTc=QT/√RR nach der Formel von Bazett, Absolutwerte >480 ms). Medikamenteninduzierte QTc Verlängerungen um >60 ms erhöhen das Risiko für Arrhythmien deutlich, auffällig sind bei derzeitigem Kenntnisstand QTc-Werte >440 ms für Männer und >450 ms für Frauen. 5 Das Ausmaß von QTc-Verlängerungen durch AP hängt offensichtlich v. a. mit dem Ausmaß der Blockade repolarisierender Kaliumströme (IKr) am Myokard zusammen. Die Erhöhung der QTc-Zeit ist per se nicht als Risiko zu werten, ab QTc>500 ms und insbesondere QTc>600 ms steigt jedoch das Risiko für ventrikuläre Arrhythmien (v. a. Torsades de pointes) und plötzlichen Herztod deutlich an. 5 Auftreten pathologischer QTc-Verlängerungen wurden unter Thioridazin (≤1%), Chlorpromazin, Pimozid, Ziprasidon (≤0,1%), Sulpirid, Haloperidol, Clozapin, Risperidon, Quetiapin (≤0,05%) und Olanzapin, Amisulprid (Einzelfälle, Überdosierung) beschrieben, Aripiprazol scheint ebenfalls ein geringes Risiko für QTc-Verlängerung zu haben (7 Kap. 17 und besonders 7 Kap. 13.2.4). Eine Dosisabhängigkeit der QTc-Verlängerung ist wahrscheinlich. ! Vor allem für Thioridazin, Pimozid und Droperidol sind Torsades de
Pointes und Fälle von plötzlichem Herztod beschrieben.
15 16 17
Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
5
Auch unter der Gabe von Haloperidol sind Einzelfallberichten zufolge Torsades de Pointes und plötzlicher Herztod, meist bei hochdosierter intravenöser Verabreichung, aufgetreten. Nach derzeitigem Kenntnisstand besteht für Haloperidol – bei oraler Gabe in niedriger bis mittlerer Dosis – kein erhöhtes kardiologisches Risiko.
3.7 · Kontraindikationen
203
5
Als weitere Risikofaktoren für die Entwicklung von QTc-Verlängerung und ventrikulären Rhythmusstörungen kommen genetische Dispositionen (»long QT-syndrome«; HERG-Gen, weibliches Geschlecht), Hypokaliämie, Bradykardie, Herzinsuffizienz und linksventrikuläre Hypertrophie etc. hinzu. 5 Mögliche additive Effekte von Pharmaka auf die QTc-Prolongation und pharmakokinetische Interaktionen sind von großer Bedeutung (insbesondere bei Substanzen, die über CYP 3A4 abgebaut werden). 5
3.7
Sorgfältige Beachtung der Komedikation, regelmäßige EKG-Kontrollen vor Beginn und während einer Behandlung mit AP und bei Patienten, die ein erhöhtes Risiko für QTc-Verlängerungen und Torsades de Pointes aufweisen, Anstreben der minimalen therapeutisch wirksamen Dosis und eine medikamentöse Umstellung bei auftretenden Pathologika (QTc>480 ms, medikamenteninduzierte Verlängerung >60 ms) könnten zu einer Senkung der deutlich erhöhten kardiovaskulären Mortalität schizophrener Patienten, die mit Antipsychotika behandelt werden, beitragen (Routineuntersuchungen . Tabelle 3.7). Bei Vorliegen oder Auftreten kardialer Symptome ist immer eine kardiologische Abklärung notwendig.
Kontraindikationen
Kontraindikation für alle AP ist eine bekannte Überempfindlichkeit gegen die entsprechende chemische Substanzklasse oder auch gegen andere Inhaltsstoffe der Präparate. Die wichtigsten relativen Kontraindikationen für die Behandlung mit AP sind: 5
Akute Intoxikationen mit Alkohol, Schlafmittel, Analgetika und Psychopharmaka (Ausnahmen: notfalltherapeutische Maßnahmen 7 Kap. 12). 5 Schwere Bewusstseinsstörungen (insbesondere Koma; 7 Kap. 12). 5 Leukopenie und andere Erkrankungen des hämatopoetischen Systems (Clozapin, aber auch andere trizyklische AP). 5 Störungen der Harnentleerung, Engwinkelglaukom, Prostatahyperplasie und Myasthenia gravis (AP mit anticholinerger Begleitwir6 kung).
3
204
1
5
2
5
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5
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Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
Phäochromozytom und prolaktinabhängige Tumoren (AP mit Erhöhung des PRL-Spiegels). Morbus Parkinson und andere Stammganglienerkrankungen (v. a. AP mit hoher EPS-Wahrscheinlichkeit). Epilepsie bzw. zerebrale Krampfanfälle in der Anamnese (Clozapin in hoher Dosis und andere AP; i. d. R. Behandlung mit Antikonvulsiva notwendig). Hirnorganische Vorschädigungen. Schwere Leber- und Nierenfunktionsstörungen (i. d. R. Dosisanpassung, Kontrollen). Kardiale Vorschädigung (AP mit kardiovaskulären Nebenwirkungen). Anamnestisch bekanntes malignes neuroleptisches Syndrom (alle AP).
Hinweise zu Schwangerschaft und Stillzeit 7 Kap. 14. Hinweise zur Fahrtüchtigkeit 7 Kap. 15.
9 10
3.8 5
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Interaktionen
Kombinationen von anticholinerg wirksamen AP mit Anticholinergika oder anticholinerg wirksamen Antidepressiva können zu Erregungszuständen bis hin zum Delir führen – besonders bei älteren Menschen – und sollten vermieden werden. Kombinationen von AP mit Sympathomimetika können zu hypertensiven Krisen führen. Kombination von AP mit α1-antagonistischer Wirkung können die Wirkung von Antihypertensiva verstärken (Prazosin, Doxazosin, Terazosin) oder vermindern (Clonidin). Trizyklische AP sollen nicht mit Antiarrhythmika vom Chinidin-Typ kombiniert werden. Generell sollten AP und Alkohol (besonders in größeren Mengen) nicht kombiniert werden (Gefahr der wechselseitigen Wirkungsverstärkung bis hin zum Koma). Rauchen: . Tabelle 3.6. Kombinationen von AP mit SSRI: bei dieser Kombination, z. B. zur Behandlung der Negativsymptomen oder wahnhafter Depressionen, ist unbedingt das unterschiedliche Interaktionspotenzial der verschiedenen SSRI und AP zu beachten (7 Kap. 16).
Untersuchung
Vorher
Monate
Monatlich
1
2
3
4
5
6
Vierteljährlich
Halbjährlich
3.8 · Interaktionen
. Tabelle 3.7. Empfehlungen für Routineuntersuchungen unter Antipsychotika (AP)
Blutbild Trizyklische APa
X
XX
XX
XX
XX
X
X
Clozapin, Thioridazin
X
XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
XX
X
Andere APi
X
X
X
X X
X
X
Blutzuckerk, Blutfette X
X
X
X
X
Risperidon, Quetiapin, Zotepin
X
X
X
X
X
Xb
Andere APi
X
X
X
X
Xc
Kreatinini
X
X
X
X
X
Trizyklische APa
X
X
X
X
Andere AP
X
X
Leberenzyme X
X
205
Clozapin, Olanzapin
X Xc
3
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17
206
. Tabelle 3.7. (Fotsetzung) Untersuchung
Monate
1
Monatlich 2
3
4
5
6
Vierteljährlich
Halbjährlich
EKG (QTc)d Clozapine
X
XX
Thioridazin, Pimozid
X
XX
Andere APf
X
X
Clozapin
X
X
Andere AP
X
X
RRi, Pulsi
X
X
X X
X
X
X
X
X X Xg
X
EEG
Körpergewichti a
X
XX
Xb
X
X XX
X XX
Xb
X X
X
X b
Xh
Die atypischen AP Olanzapin, Quetiapin und Zotepin sind strukturchemisch ebenfalls Trizyklika; Bei langfristig stabilen Patienten können halbjährliche Kontrollen ausreichen; c Bei langfristig stabilen Patienten können jährliche Kontrollen ausreichen; d Absolutwerte von >440 ms (Männer) >450 ms (Frauen) sowie medikamenteninduzierte Zunahmen >60 ms sind nach derzeitigem Kenntnisstand auffällig; e Unter Clozapin sind toxisch-allergische Myokarditiden beschrieben; daher empfehlen sich unter Clozapin zusätzliche EKG-Kontrollen bei Auftreten von kardialen Symptomen und Fieber bzw. nach 14 Tagen Behandlungsdauer; f Beim Vorliegen oder Auftreten kardialen Symptome ist eine kardiologische Abklärung notwendig; durch sie wird auch die Häufigkeit von EKG-Untersuchungen im Verlauf festgelegt; g Kontrolle bei allen Patienten über 60 Jahre empfehlenswert sowie bei kardialen Risiken; bei Phenothiazinen, Fluspirilen und hochpotenten Butyrophenonen eher häufigere EKG-Kontrollen empfohlen; h Bei langfristig stabilen Patienten können vierteljährliche Kontrollen ausreichen; i Für Aripiprazol liegen noch keine ausreichenden Erfahrungen vor.; k Ggf. auch Blutzuckertagesprofil, Glukosetoleranztest und HbA1c, insbesondere bei Clozapin und Olanzapin
Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
Vorher
3.8 · Routineuntersuchungen und -hinweise
5
207
Nach neueren Untersuchungen stellt eine Kombination von Clozapin mit Benzodiazepinen keine absolute Kontraindikation dar, sollte jedoch weiterhin sorgfältig abgewogen werden. Klinisch dringliche Situationen wie ein malignes neuroleptisches Syndrom, katatone Zustandsbilder oder extreme Agitiertheit lassen eine solche Kombinationstherapie vertretbar erscheinen (7 Kap. 4).
! Kardiovaskuläre Synkopen und/oder Atemstillstand bei gleichzeitiger
Clozapin-Einnahme und Benzodiazepin-Gabe sind beschrieben (i.v.Applikation von Benzodiazepinen unbedingt vermeiden!). 5
Die gleichzeitige Gabe von Olanzapin i.m. und einem parenteralen Benzodiazepin wurde nicht untersucht und wird daher vom Hersteller nicht empfohlen.
3.9 5 5
5
5
5
5
Routineuntersuchungen und -hinweise
Unter allen AP sind Routineuntersuchungen empfehlenswert. Eine Übersicht der empfohlenen Kontrollen gibt . Tabelle 3.7. Darüber hinaus empfehlen sich im Einzelfall Kontrollen, wann immer ein untersuchter Parameter pathologisch ausfällt oder bei bestimmten Risikokonstellationen. Vor und während der AP-Behandlung von Patienten mit bestehender pathologischer Glukosetoleranz oder einem erhöhten Risiko für die Entwicklung eines Diabetes mellitus sollten Blutzuckermessungen (ggf. im Tagesprofil), ggf. Glukosetoleranztest und HbA1c-Bestimmungen durchgeführt werden (insbesondere bei Clozapin und Olanzapin, 7 Kap. 3.6). Vor einer AP-Behandlung werden des weiteren Untersuchungen der Blutfette (Triglyzeride, LDL- und HDL-Cholesterine) empfohlen, während einer Behandlung sollten in Anbetracht des Risikos für kardiovaskuläre Störungen jährliche, bei Risikopatienten und unter Behandlung mit Clozapin, Olanzapin und Quetiapin häufigere Kontrollen (¼-jährlich) stattfinden. Die Nieren- und Leberfunktion sowie die Kreislaufsituation (Hypotonie, orthostatische Dysregulation), ggf. mit EKG-Ableitungen, muss regelmäßig untersucht werden. Die Kenntnis des EEG vor Beginn der Therapie gehörte vor Einführung der bildgebenden Verfahren zur Routinediagnostik in der Psychiatrie. Abgesehen von wissenschaftlichen Fragestellungen beschränkt sich die Bedeutung des EEG im Rahmen der AP-Behandlung heute auf
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208
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9 10 11 12
Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
Verlaufsuntersuchungen bei krampfgefährdeten Patienten und zur Abklärung des Toxizitätsrisikos unter Clozapin und anderen AP. Wegen des möglichen Auftretens von BB-Veränderungen unter trizyklischen konventionellen und atypischen AP (Clozapin, Olanzapin, Quetiapin, Zotepin) sind routinemäßige Untersuchungen des BB zur Verhütung der klinischen Manifestation einer Agranulozytose notwendig (bislang nicht unter der alleinigen Gabe von hochpotenten Butyrophenonen, Diphenylbutylpiperidinen und Benzamiden); zu den neueren AP liegt insgesamt noch keine breite Erfahrungsbasis vor, so dass zurzeit häufigere Kontrollen empfehlenswert sind (s. o.). Bei anticholinerg wirkenden AP (Mundtrockenheit) sollen nach langfristiger Anwendung gehäuft Zahnkaries und Mundschleimhautveränderungen auftreten. Vor der Gabe von anticholinerg wirkenden AP bei älteren Patienten sollte eine Prostatahyperplasie und ein Engwinkelglaukom ausgeschlossen werden. Vor Beginn einer Behandlung ist ggf. der Ausschluss einer Schwangerschaft wichtig, entsprechende Kontrazeptionsmaßnahmen sind ggf. zu besprechen. Die Aufklärung hat bei der AP-Therapie einen besonderen Stellenwert. Sie wird dadurch erschwert, dass der Patient in der Akutphase nicht durch ein überforderndes Aufklärungsgespräch verunsichert werden soll; in diesen Fällen empfiehlt sich ein gestuftes Vorgehen. Zum Aufklärungsmodus wegen möglicher Spätdyskinesien gibt es zurzeit keine einheitliche Vorgehensweise. Die Darlegung der Nutzen-Risiko-Abschätzung sollte spätestens nach Einleitung der Stabilisierungsphase erfolgt sein. Auf eine mögliche eingeschränkte Fahrtüchtigkeit (7 Kap. 15) und die Gefahren durch zusätzliche Einnahme von Alkohol und sedierenden Medikamenten muss der Patient frühzeitig hingewiesen werden.
13 3.10
14 15 16 17
5
Dosierung
Generelle Dosierungsempfehlungen sind wegen der Heterogenität der Substanzen nicht möglich. 5 Prinzipiell sollte bei älteren Patienten (>65 Jahre) besonders vorsichtig aufdosiert werden. 5 AP haben eine große therapeutische Breite. 5 Die Messung der Plasmaspiegel zur Erhöhung der therapeutischen Effizienz ist bei den konventionellen AP im Gegensatz zu Clozapin (möglicherweise auch Amisulprid, Olanzapin, Quetiapin und Ziprasidon) und den trizyklischen Antidepressiva nur von untergeordneter Bedeutung (7 Kap. 3.13.1).
3.10 · Dosierung
5
209
Aufgrund der unterschiedlichen Vorgehensweisen in den Behandlungsphasen werden die Dosierungsempfehlungen in zwei Abschnitte unterteilt.
Akutphase 5
Bei akuter, schwerer Symptomatik unverzüglich mit relativ hoher Dosis beginnen bzw. rasch aufdosieren; eine langsame, schrittweise Erhöhung der Dosis (einschleichende Dosierung) ist nur bei AP mit anticholinerger bzw. adrenolytischer Begleitwirkung oder ausgeprägter Sedierung notwendig (zum Einsatz der atypischen AP in der Akutphase: 7 Kap. 3.4.1). 5 Der antipsychotische Effekt ist individuell unterschiedlich und liegt häufig innerhalb eines breiteren Dosisbereiches. Das Auftreten von Nebenwirkungen kann durch eine möglichst niedrige effektive Dosis häufig verhindert werden. Bei leichter bis mäßig schwerer Symptomatik ist daher eine Dosissteigerung, die sich neben der Wirksamkeit auch an auftretenden Nebenwirkungen orientiert, zu empfehlen. 5 Höhere Dosen verringern aufgrund des möglichen Auftretens von Nebenwirkungen, insbesondere EPS bei konventionellen AP, die Compliance. Deshalb sind häufig niedrigere AP-Dosen in Kombination mit Benzodiazepinen, falls Sedierung und schnellere Desaktualisierung der psychotischen Symptomatik notwendig sind, vorzuziehen. Stabilisierungsphase und Langzeitmedikation 5
5
5
5
5
Die Medikation, unter der die Besserung aufgetreten ist, sollte in der niedrigsten, noch hinreichend wirksamen Dosis beibehalten werden. Eine zu früh vorgenommene Dosisreduktion führt in der Mehrzahl der Fälle zu einem Rückfall. Innerhalb von 9–12 Monaten nach Absetzen der AP erleiden ca. 70% der Patienten mit Schizophrenie ein akutes Rezidiv im Gegensatz zu 15–30% unter Beibehaltung der Therapie mit AP. Die Dosisfindung erfolgt unter Einbeziehung verschiedener Informationen bezüglich der Besserung der Symptomatik nach klinisch-psychopathologischem Befund, aus Sicht des Patienten, der Angehörigen und ggf. des Pflegepersonals oder Betreuers. Wenn in der Akutphase ein typisches AP mit Erfolg verordnet wurde, ist die vorsichtige Umstellung auf ein atypisches AP empfehlenswert (7 Kap. 3.11.2). Dosierung zur Rezidivprophylaxe bzw. Symptomsuppression in 7 Kap. 3.11.
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1
3.10.1 Pharmakokinetik 5
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Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
5 5
AP werden nach oraler Einnahme in der Regel gut absorbiert, der Firstpass-Metabolismus ist für eine große interindividuelle Variabilität verantwortlich. Ausnahmen sind Amisulprid und Sulpirid, ihrer Bioverfügbarkeit beträgt weniger als 50%, und sie werden zu über 90% unverändert ausgeschieden. Nach i.m.-Gabe kommt es zu einer schnelleren Absorption mit höherer Bioverfügbarkeit (Erhöhung um das 4- bis 10-fache) als nach oraler Einnahme. Viele AP sind lipophil und weisen eine hohe Plasmaeiweißbindung auf. Sie sind plazentagängig und nicht dialysierbar. Ausnahmen sind Amisulprid und Sulpirid. Sie sind hydrophil, im Blut nur zu einem geringen Anteil an Plasmaeiweiße gebunden (<20%) und dialysierbar. Bei Depot-AP wird der »Steady state« zumeist in 2–3 Monaten erreicht; nach Absetzen sind Plasmaspiegel noch für 9–24 Wochen nachweisbar. Tmax für AP ist sehr variabel; nach Depotgabe wird Tmax erst nach Tagen erreicht, abhängig von Veresterung und Depotgalenik; Ausnahmen sind: Fluphenazindecanoat, Fluspirilen und Zuclopenthixol (. Tabelle 3.8). Für t½ gilt bei AP in der Regel: oral=15–35 h (Ausnahmen: Benperidol 5 h, Quetiapin 7 h, Pimozid 55 h); da bei Depotpräparaten dieser Parameter im Wesentlichen von der Freisetzung aus dem öligen Medium abhängig ist, ergeben sich große Unterschiede zwischen den verschiedenen Depot-AP. Das Injektionsintervall sollte nach der Freisetzungshalbwertszeit gewählt werden (. Tabelle 3.8). Umrechnungsvorschlag von oral auf Depot für Haloperidol s. Präparat. Zur Verstoffwechslung von AP durch Cytochrom-P450-Enzyme: Tabellen in 7 Kap. 16.
3.10.2 Antipsychotika-Plasmakonzentrationen 5
Nach oraler Applikation wurden für Phenothiazine und Butyrophenone Plasmaspiegel mit sehr großen interindividuellen Schwankungen (um den Faktor 10–30) gefunden; bei i.m.-Gabe waren diese Varianzen deutlich geringer (Faktor 2–3). Bei Thioxanthenen und Benzamiden scheinen die Plasmaspiegel geringeren interindividuellen Unterschieden zu unterliegen (Faktor 2–5). 5 Falls bei gesicherter Compliance der Therapieerfolg ungenügend ist, kann die Dosisanpassung durch Einstellung eines optimalen AP-Plasmaspiegels erfolgen. Dieser ist jedoch nur für Positivsymptomatik und
3
211
3.10 · Dosierung
. Tabelle 3.8. Übersicht über Depotpräparate Wirkungsdauer
Dosierung
Tmax
t½
Flupentixoldecanoat
3–4 Wochen
20– 100 mg
ca. 7 Tage
ca. 17 Tage
Flupheanzindecanoat
2–4 Wochen
12,5– 100 mg
8–36 h
ca. 14 Tage
Fluspirilen
1 Woche
2–10 mg
ca. 2 Tage
Haloperidoldecanoat
2–4 Wochen
50– 300 mg
3–9 Tage
ca. 21 Tage
Perphenazinenanthat
2 Wochen
50– 300 mg
2–3 Tage
4–6 Tage
Zuclopenthixolacetat
2–3 Tage
50– 150 mg
36 h
ca. 1–2 Tage
Zuclopenthixoldecanoat
2–3 Wochen
200– 400 mg
4–7 Tage
ca. 19 Tage
2 Wochen
25–50 mg
s. Präparat
Depotpräparat
Konventionelle AP
Atypische AP Risperidon Consta
nur für einige AP definiert (s. u., Einzelpräparate). Außerdem ist die klinische Gültigkeit der angegebenen therapeutischen Bereiche für den Einzelfall oft nicht gewährleistet. 5 Ist der AP-Plasmaspiegel optimal eingestellt, bringt eine weitere Dosiserhöhung bei ungenügender Response i.allg. keine Verbesserung. In Einzelfällen wird ein Ansprechen aber erst unter sehr hohen Dosen beobachtet. 5 Erste Befunde belegen für Clozapin, dass einen individuell optimalen Plasmaspiegel gibt, der vom empfohlenen Bereich abweichen kann. Untersuchungen zum rezidivprophylaktischen Effekt der Plasmaspiegelkontrolle haben für Clozapin nachgewiesen, dass das Risiko eines Rückfalls vorliegt, wenn die Clozapin-Spiegel um mehr als 40% vom optimalen individuellen Wert abfallen. Ähnliches wurde für Olanzapin beobachtet.
212
1
Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
3.10.3 Wirkungseintritt 5
2 3 4
Die Wirklatenz zeigt eine große Bandbreite von Stunden bis zu mehreren Wochen. Bei AP-Respondern zeichnet sich in der Regel innerhalb der ersten beiden Behandlungswochen unter AP eine merkliche Besserung ab. Ein frühes zumindest teilweises Ansprechen (Partialresponse) ist prädiktiv für eine spätere Remission. 5 Für Clozapin sollte eine längere Behandlungsdauer abgewartet werden, bevor von einer Nonresponse ausgegangen werden kann (bis zu 6 Monaten).
5 6
3.11
7
5
8 9
Behandlungsdauer und Langzeitmedikation
Durch Langzeitmedikation mit AP kann: – die Rezidivhäufigkeit und die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Residualzuständen herabgesetzt und – die Anzahl stationärer Klinikaufenthalte reduziert und damit ambulant eine optimale Soziotherapie und Rehabilitation ermöglicht werden.
10 5
11 12 13 14 15 16 17
Die Zweckmäßigkeit einer langfristigen medikamentösen Behandlung nach Abklingen der akuten Symptomatik muss sorgfältig mit dem Patienten besprochen werden, um die Compliance zu sichern. Dem Patienten muss ein tragfähiges Krankheitsmodell vermittelt werden, das die Notwendigkeit einer langfristigen Medikamenteneinnahme bei bereits überwundenen psychischen Beschwerden mit einschließt. 5 Es bietet sich an, das Krankheitsmodell einer »Filter«- oder »Stoffwechselstörung« im Rahmen eines Vulnerabilitäts-Stress-Modells zu wählen, die mit dem Auftreten einer Positiv- und/oder Negativsymptomatik einhergeht und den Einsatz von AP zur symptomatischen, aber effektiven Therapie erklärt. Gleichzeitig sollte betont werden, dass eine solche Behandlung der wichtigen Psycho- und Soziotherapie nicht widerspricht, sondern synergistisch wirkt (7 Kap. 3.5).
3.11 · Behandlungsdauer und Langzeitmedikation
213
3
5
Dauer und Dosierung einer Therapie mit AP bei schizophrenen Störungen: – mindestens 1 Jahr nach der ersten Akutphase; empfehlenswert ist eine 2- bis 5-jährige AP-Rezidivprophylaxe (s. u.) – mindestens 5 Jahre nach mehrmaligen Episoden. – stets sollte die niedrigste, noch rezidivprophylaktisch wirksame Dosis gesucht werden. 5 Indikationen für Langzeitmedikation: – floride Psychosen, die bei Absetzen der Medikation exazerbieren, - Rezidivprophylaxe bei mehreren Episoden, – Schizophrenien mit überwiegender Negativsymptomatik, – chronische Schizophrenien mit Residualzuständen. 5
Aber: 15–30% der Patienten erleiden trotz regelmäßiger zuverlässiger AP-Einnahme ein Rezidiv und 10–20% sind auch ohne Medikation rezidivfrei. Ein Vorgehen mit langsamem, aber vollständigem Ausschleichen der AP nach Abklingen der akuten psychotischen Symptomatik, und erneutem frühzeitigem Beginn einer AP-Behandlung bei Auftreten von Prodromi, die regelmäßig und sorgfältig erhoben werden müssen, hat sich zumindest unter Studienbedingungen für Patienten mit Erstmanifestation einer schizophrenen Psychose im Vergleich zu einer dauerhaften AP-Therapie über 2 Jahre als gleichwertig herausgestellt. Bei Patienten mit mehrfachen Episoden in der Vorgeschichte war diese Strategie jedoch mit einer höheren Rezidivrate als die kontinuierliche Langzeitmedikation assoziiert. 5 Es gibt Hinweise, dass Abbruch- und Rezidivraten unter atypischen AP geringer sind als unter konventionellen AP. In einem direkten Vergleich über mindestens ein Jahr konnte dies für Risperidon (oral) gegenüber Haloperidol gezeigt werden. 5 AP mit langer HWZ sind in Hinblick auf die Compliance des Patienten zur oralen Langzeitmedikation besonders geeignet, da dann eine Einnahme nur einmal täglich nötig ist. AP-Depotmedikation 7 Kap 3.11.1. 5 Bei einer Remission sollte das AP unter möglichst niedriger effektiver Dosierung beibehalten werden. Vorteil: bei einem Rezidiv besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit des Ansprechens durch Dosiserhöhung. Immer ist aber nach Remission auch ein Umsetzen auf ein atypisches AP zu erwägen, wenn die Therapie mit einem konventionellen AP begonnen wurde.
214
1 2 3 4 5
5
Im Gegensatz zu konventionellen AP haben atypische AP eine günstigere Wirkung auf die Negativsymptomatik. 5 Falls ein Absetzen des AP erwogen wird: auch wegen möglicher Absetzeffekte langsames Ausschleichen über Monate mit engmaschiger Kontrolle der Psychopathologie. 5 Bei Langzeittherapie keine prophylaktische Anticholinergikagabe: Falls diese zu Beginn notwendig war, ist die Indikation immer wieder zu überprüfen. Vor einem Absetzversuch bei allen Antipsychotika muss geklärt sein: 5
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5
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10 11
Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
Wie wahrscheinlich ist ein Rückfall? (erhöhte Wahrscheinlichkeit bei häufigen früheren Rezidiven, niedrigem prämorbidem psychosozialem Funktionsniveau) Sind Prodromalsymptome wahrscheinlich oder beginnt eine Episode ohne Frühwarnzeichen? Wie war es bei früheren Episoden? Wird der Patient Prodromalsymptome erkennen? Wie wahrscheinlich ist es, dass der Patient bei einem psychotischen Rückfall Hilfe aufsucht? Wie schwierig wird es sein, eine Exazerbation zu behandeln? Welche Auswirkungen hätte eine Exazerbation? (z. B. Suizidversuch in der Anamnese bei imperativen Stimmen)
! Ein wesentliches Problem der Langzeittherapie unter konventionel-
len AP ist das Auftreten von potenziell irreversiblen Spätdyskinesien (. Tabelle 3.4). Deshalb ist eine regelmäßige Untersuchung zur Früherkennung von Spätdyskinesien (häufiger Beginn im Zungenbereich) angezeigt.
12 13
3.11.1 Depotmedikation
14 15 16 17
5
Zur Applikationserleichterung bei Patienten, die nicht in der Lage sind, regelmäßig orale AP einzunehmen, gibt es Depotpräparate als Langzeitmedikation mit Injektionsintervallen von 1–4 Wochen. Sie senken das Rückfallrisiko im Vergleich zur oralen Einnahme typischer AP. Weitere Vorteile: Gewährleistung ausreichender Dosierungen und Erleichterung der Überwachung der Compliance. 5 Relevante Unterschiede zwischen den einzelnen, derzeit verfügbaren, Depotpräparaten konventioneller AP beruhen weniger auf deren Wirkstärke als auf deren Pharmakokinetik. Eine Übersicht gibt . Tabelle 3.8.
3.11 · Behandlungsdauer und Langzeitmedikation
215
5
Für atypische AP ist derzeit ein Depotpräparat im Handel (Risperidon), weitere befinden sich in der Erprobungsphase (u. a. Olanzapin). 5 Auch bei Depotpräparaten ist eine sorgfältige, individuelle Dosisanpassung nötig. 5 Depotpräparate zeigen eine geringere Steuerbarkeit (v. a. bei Auftreten von Nebenwirkungen) und sind damit i. d. R. nicht für eine Akutbehandlung geeignet. Auch vermitteln Depotinjektionen im Gegensatz zur oralen Medikation dem Patienten möglicherweise häufiger das Gefühl, nicht aktiv an der Therapieentscheidung und -durchführung mitwirken zu können. 5 Auf eine korrekte Hautdesinfektion und Applikationstechnik mit 5–8 cm langer Nadel und Verschieben der Haut vor Injektion (sonst Verlust von bis zu 1/3 der Dosis durch den Stichkanal) ist sorgfältig zu achten. 3.11.2 Umsetzen von Antipsychotika Empfehlungen zur Reihenfolge der Anwendung von AP bei unzureichender Wirkung 7 Kap. 3.12, für die Indikation schizophrene Störungen 7 Kap. 3.4.1. Trotz Einführung der atypischen AP wird bei einem größeren Anteil der Patienten noch keine befriedigende Wirkung gesehen; dadurch wird der Arzt gefordert, AP mit verschiedenen Wirkmechanismen nacheinander und manchmal auch in Kombination überlappend zu verordnen. 5 Ein Wechsel von einem AP auf ein anderes oder auch ein Umsetzen auf eine andere Darreichungsform ist zu erwägen bei: – unzureichender therapeutischer Wirkung bzw. Therapieresistenz (7 Kap. 3.12), – störenden Nebenwirkungen oder Eintreten von (relativen) Kontraindikationen, – vorhandenen oder möglichen störenden Interaktionen, – unzureichender Compliance oder auf Wunsch des Patienten bei eingeschränkter Lebensqualität. 5 In der Akutphase sollte ein überlappendes Umsetzen zweier AP durch sukzessives Auf- bzw. Abdosieren über ca. 2 Wochen erfolgen, insbesondere wenn die neu angesetzte Substanz anticholinerge oder blutdrucksenkende Eigenschaften (z. B. bei Clozapin, Olanzapin, Risperidon) aufweist oder Interaktionen zu erwarten sind (»cross-titration«). Wird ein konventionelles hochpotentes AP oder eine atypische Substanz mit selektivem D2-Antagonismus neu angesetzt, kann die Aufdosierung rasch innerhalb von wenigen Tagen vorgenommen werden (z. B. Haloperidol, Amisulprid). 5 Ein Umsetzen in der Stabilisierungsphase sollte sehr behutsam über Wochen erfolgen. Bei neu hinzugetretenen Nebenwirkungen, Interak-
3
216
tionen, Kontraindikationen etc. und bei akuten Exazerbationen muss ggf. akut gehandelt werden.
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Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
! Ein Umsetzen unter einer schon bestehenden partiell wirksamen AP-
Therapie ist immer mit dem Risiko einer Exazerbation verbunden. 5
Soll im Rahmen einer Langzeitmedikation ein Umsetzen bei bisher befriedigender therapeutischer Wirkung erfolgen (z. B. Umsetzen von einem konventionellen auf ein atypisches AP), sollten sehr lange Zeiträume über Monate eingeplant werden (v. a. unter Clozapin). 5 Beim Wechsel von Clozapin auf ein neueres atypisches AP muss bei vielen Patienten (bis zu 80%) mit Verschlechterungen gerechnet werden. Bei Umstellung unter Clozapin stabilisierter Patienten auf Olanzapin erlitten in einer kleinen Fallbeobachtungsserie ca. 50% der Patienten einen Rückfall. Möglicherweise kann eine zu schnelle Reduktion der Clozapindosis einen Rückfall triggern. Daher sollte bei diesen Patienten das Umsetzen sehr langsam über mehrere Monate vorgenommen werden. Umgekehrt erwiesen sich in einer Studie – ebenfalls mit geringer Fallzahl – 40% der Patienten, die auf Olanzapin primär nicht ansprachen, später unter Clozapin als Responder. 3.12
Nonresponse, Therapieresistenz und Therapieversagen
Eine einheitliche Definition von Partialresponse, Nonresponse, Therapieresistenz oder Therapieversagen bei der Behandlung mit AP gibt es nicht. Daher sind entsprechende Literaturergebnisse immer vor dem Hintergrund der gewählten Definition zu interpretieren. 5 Von klinischer Nonresponse (Nichtansprechen) auf ein AP sollte dann gesprochen werden, wenn ein Patient nach 6 (–8) Wochen Dauer einer ausreichend dosierten Behandlung mit einem AP nicht oder ungenügend respondiert hat. Die empfohlenen AP-Dosierungen beziehen sich dabei in der Regel auf Positivsymptome. 5 Es gibt 20–30% Nonresponder auf das erste AP (alle Patienten, unabhängig von der Anzahl der Vorepisoden und der Erkrankungsdauer); bei Patienten mit schizophrener Ersterkrankung sind es etwa 5–20%. 5 Entsprechend der Empfehlung einer internationalen Arbeitsgruppe kann von Therapieresistenz bei Patienten mit sicher diagnostizierter, mindestens seit 2 Jahren bestehender schizophrener Störung ausgegangen werden, wenn 3 verschiedene AP aus zwei unterschiedlichen Klassen mit mindestens 1000 mg Chlorpromazin-Äquivalenzdosis täglich über mindestens 6 Wochen Behandlung sowie psychotherapeutische Behandlungsversuche wirkungslos waren (d. h. Persistenz von Po-
3.13 · Maßnahmen bei Nonresponse
217
3
sitiv- oder Negativsymptomen). Andere Autoren geben von Therapieresistenz dann aus, wenn innerhalb von 5 Jahren adäquate Therapieversuche mit mindestens 2 verschiedenen AP ohne Erfolg durchgeführt wurden. 5 Ein definitives Therapieversagen (d. h. keine weitgehende Remission der psychotischen Symptomatik im langfristigen Therapieverlauf trotz mehrerer adäquater Therapieversuche) wird bei etwa 3–5% der Patienten mit schizophrener Störung angenommen. Mögliche Gründe für Nonresponse und Therapieresistenz unter Antipsychotika 5 5 5 5 5
Non-Compliance Unzureichende Dosis oder Therapiedauer Absorptionsstörung Pharmakodynamische Gründe für individuelles Nichtansprechen Pharmakokinetische Besonderheiten (z. B. beschleunigter Metabolismus durch Rauchen) 5 Gleichzeitige Drogeneinnahme 5 Wirkungsabschwächung durch hohen Kaffeekonsum 5 Falsche Diagnose
3.13
Maßnahmen bei Nonresponse und Therapieresistenz unter Antipsychotika
3.13.1 Behandlungsoptimierung 5
Bevor von einer Nonresponse oder Therapieresistenz ausgegangen wird, sollte eine AP-Therapie in ausreichender Dosis und Dauer erfolgt sein (i. d. R. 6–8 Wochen mit 400–600 Chlorpromazin-Äquivalenzeinheiten). In Abhängigkeit vom psychopathologischen Befund kann es in manchen Fällen sinnvoll sein, zunächst geduldig zuzuwarten. Mit dem Patienten ist dies offen zu besprechen, Der Wirkungseintritt von AP kann im Einzelfall 3–12 Wochen, bei Clozapin auch deutlich länger, dauern. 5 Die Compliance des Patienten sollte bedacht, ggf. verbessert und sichergestellt werden. Plasmaspiegelkontrollen können hilfreich sein. 5 Die AP-Dosierung ist zu überprüfen, sowohl zu niedrige als auch exzessiv hohe Dosen können die Ursache für eine geringere Wirksamkeit sein.
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Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
Ausgeprägte Nebenwirkungen gefährden häufig den Behandlungserfolg. Unter AP aufgetretene Nebenwirkungen, insbesondere EPS, sind zu berücksichtigen und ggf. adäquat zu therapieren. Die Hochdosistherapie mit konventionellen hochpotenten AP (z. B. Haloperidol bis 100 mg/Tag) führt nur in seltenen Einzelfällen zur Durchbrechung der Therapieresistenz, wohingegen das Risiko für extrem belastende Nebenwirkungen unverhältnismäßig ansteigt. Auch für atypische AP (v. a. Olanzapin) wurde in Einzelfällen von Besserungen unter hohen Dosen berichtet; folgende Erhöhungen der Tagesdosis sind nach derzeitiger Kenntnis im Einzelfall möglicherweise sinnvoll: Olanzapin bis 40 mg, Risperidon bis 12 mg, Quetiapin bis 1600 mg, Amisulprid bis 1200 mg, Ziprasidon bis 160 mg und Zotepin bis 450 mg. Bei Therapieresistenz und insbesondere bei atypischen und fluktuierenden Verläufen sollte auch die diagnostische Einordnung überprüft werden. Eine bestehende Komorbidität mit anderen psychischen Erkrankungen ist stets zu prüfen und ggf. zu behandeln: Insbesondere Substanzmissbrauch, Alkoholabhängigkeit, depressive Syndrome und Zwangssymptome. Psychosoziale Stressoren, die ungünstigen Einfluss auf den Behandlungsverlauf nehmen können, sind zu evaluieren. Des Weiteren sind körperliche Erkrankungen oder somatische Störungen abzuklären und ggf. spezifisch interdisziplinär zu behandeln.
3.13.2 Wechsel des Antipsychotikums 5
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5
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17 5
In Abhängigkeit des zuerst eingesetzten AP sollte eine Umsetzung möglichst rational und vorsichtig überlappend (»cross-titration«) erfolgen (7 Kap. 3.11.2). Eine AP-Monotherapie ist anzustreben. Wenn mit einem konventionellen AP keine ausreichende Remission erfolgte, sollte eine Umstellung auf ein atypisches AP nach Wirkungsund Nebenwirkungsspektrum erfolgen. Wenn mit einem atypischen AP zunächst erfolglos therapiert wurde, kann sowohl ein Behandlungsversuch mit einem konventionellen AP als auch ein Umsetzen auf ein anderes atypisches AP erfolgen. Auch hierbei sollte man sich an Wirkungs- und Nebenwirkungsspektren der AP orientieren und die Therapie auf den Einzelfall abstimmen. . Tabelle 3.9 zeigt Anhaltspunkte für die Auswahl von AP für Umsetzungs- und Kombinationsstrategien nach ihrem Wirkungs- und Nebenwirkungsspektrum. Bei persistierender Nonresponse (fehlgeschlagene Behandlungen mit anderen AP) stellt das Umsetzen auf Clozapin unter individueller Nut-
3.13 · Maßnahmen bei Nonresponse
219
. Tabelle 3.9. Anhaltspunkte für die Auswahl eines Antipsychotikums bei Therapieresistenz, Nebenwirkungen und pharmakokinetischen Interaktionen Problem
Prinzipiell besonders geeignet
Prinzipiell ungeeignet
Therapieresistenz
Clozapin, u. U. Risperidon, Olanzapin
Abhängig vom Behandlungsverlauf
Persistierende Negativsymptomatik
Amisulprid, Clozapin, Olanzapin, wahrscheinlich auch andere atypische AP
Konventionelle AP in höheren Dosen
Ausgeprägte EPS unter AP, Morbus Parkinson
Atypische AP, v. a. Clozapin, Quetiapin
Konventionelle hochpotente AP
Spätdyskinesien unter AP
Clozapin, Quetiapin
Konventionelle hochpotente AP
Deutliches Übergewicht, Gewichtszunahme unter AP
Ziprasidon, Amisulprid, Risperidon (vgl. . Tabelle 3.5)
Clozapin, Olanzapin (vgl. . Tabelle 3.5)
Sedierung, Müdigkeit unter AP
Amisulprid, Ziprasidon, hochpotente konventionelle AP
Clozapin, Quetiapin, Zotepin, niedrigpotente konventionelle AP
Sexuelle Funktionsstörungen mit PRL-Erhöhungen unter AP
Quetiapin, Aripiprazol, Clozapin, Olan-zapin
Konventionelle AP, Amisulprid
Anticholinerge Nebenwirkungen von AP oder anderen Pharmaka
Amisulprid, Quetiapin, Ziprasidon, Risperidon, Melperon, Pipamperon
Clozapin, Levomepromazin
Pharmakokinetische Interaktionen (CYP 450) mit anderen Pharmaka
Amisulprid
AP mit extensivem hepatischen Stoffwechsel und deren Kombinationen
zen-Risiko-Abwägung die Maßnahme der ersten Wahl dar (30–60% Erfolgsquote nach etwa 6 Wochen bei primären Nonrespondern). Clozapin scheint zusätzlich therapeutische Wirkungen bezüglich Suizidalität, Feindseligkeit, Aggressivität und das Rauchverhalten zu besitzen. 5 Bei Patienten mit schweren EPS einschließlich Spätdyskinesien sollte eine Umstellung auf Clozapin erfolgen.
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Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
5
7
Es gibt Hinweise, dass Risperidon bei primärer Nonresponse ähnlich wirksam sein könnte wie Clozapin. Bei Nonresponse gegenüber Clozapin scheint eine Umstellung auf Risperidon aber nicht erfolgreich zu sein. Für Olanzapin liegen keine sicheren Hinweise für eine Überlegenheit bei Therapieresistenz gegenüber konventionellen AP vor; in einer offenen Studie zeigte sich allerdings bei etwa 20% Patienten mit ausgeprägter Therapieresistenz (gegenüber konventionellen AP sowie Risperidon und Clozapin) eine Response, so dass ein Versuch mit Olanzapin-Monotherapie bei solchen Patienten gerechtfertigt scheint, bevor eine Augmentations- oder Kombinationsstrategie (s. u.) angewandt wird. Für Quetiapin liegt neben positiven Berichten aus offenen Studien eine kontrollierte Studie vor, die eine bessere Wirksamkeit gegenüber Haloperidol bei Nonresponse unter vorausgegangener Fluphenazintherapie belegt. 5 Zu anderen atypischen AP (Amisulprid, Ziprasidon, Zotepin, Aripiprazol) fehlen bislang Daten, die eine Wirksamkeit bei Therapieresistenz sicher nachweisen.
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3.13.3 Kombination von zwei oder mehreren Antipsychotika
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Es gibt immer wieder Einzelfallberichte über positive Wirkungen von Kombinationen von AP mit unterschiedlichem oder gar ähnlichem Wirkungsspektrum. Es ist zu beachten, dass während überlappenden Umsetzversuchen (»cross-titration«) häufig Situationen entstehen können, bei denen eine Kombination von zwei AP vermeintlich wirksamer als eine Monotherapie erscheint. Ein vollständiges Umsetzen auf ein anderes AP sollte jedoch in jedem Fall angestrebt werden, da eine Monotherapie ein niedrigeres Nebenwirkungs- und Interaktionspotenzial sowie i. d. R. geringere Kosten mit sich bringt. 5 Nach neueren Erhebungen erhalten bis zu 25% der ambulanten und bis 50% der stationären Patienten mindestens zwei AP gleichzeitig. Die gleichzeitige Gabe von mehr als zwei antipsychotisch wirksamen AP ist Einzelfällen vorbehalten. 5 Ohne Berücksichtigung der Reihenfolge der Behandlungen ergeben sich verschiedene Kombinationsstrategien für AP: Kombination zweier konventioneller AP
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5
Die Kombination zweier hochpotenter konventioneller Antipsychotika erscheint am wenigsten rational, Wirksamkeitsunterschiede sind nicht sicher belegt, hinzu kommt ein erhöhtes EPS-Risiko wie bei einer Dosiserhöhung unter Monotherapie. 5 Weit verbreitet ist demgegenüber die Kombination von hochpotenten und niedrig- oder mittelpotenten konventionellen AP meist mit dem
3.13 · Maßnahmen bei Nonresponse
221
Ziel, antipsychotische und sedierende, antiaggressive oder schlafförderende Wirkungen effektiv zu kombinieren. Die klinische Erfahrung zeigt durchaus die Wirksamkeit solcher Strategien, v. a. wenn niedrigpotente konventionelle AP mit geringem EPS-Risiko und geringer anticholinerger Wirkung (z. B. Melperon, Pipamperon) zu einem hochpotenten AP kombiniert werden (z. B. Fluphenazin, Haloperidol). Für die stationäre Akutbehandlung schizophrener Psychosen (7 Kap. 12) besteht in diesen Fällen die wirksame, gut verträgliche und steuerbare Alternative einer vorübergehenden Kombination eines AP mit einem Benzodiazepin. 5 Zur Augmentation eines antipsychotischen Effektes sind die Kombinationen von konventionellen hoch- und niedrigpotenten AP in der Regel nicht geeignet (mögliche Ausnahmen sind vorübergehende Kombinationen mit dem mittelpotenten AP Perazin), da bei Dosissteigerung des niedrigpotenten AP sich auch das EPS-Risiko erhöht und unerwünschte Sedierung häufiger wird. Kombination eines konventionellen und eines atypischen AP (außer Clozapin) 5
Die Strategie kann geeignet sein, um die antipsychotische Wirkung eines konventionellen AP (v. a. D2-Blockade) durch ein breiteres Wirkprofil zu ergänzen. Daher sind atypische AP z. B. mit ausgeprägter 5HT2-Blockade für Kombinationen mit konventionellen hochpotenten AP theoretisch sinnvoller als AP mit nahezu selektiver D2-Blockade (Amisulprid). 5 Für Risperidon, Olanzapin und Quetiapin liegen Fallserien vor, die unter Zugabe des atypischen AP – meist in niedriger Dosis – zu bestehender Therapie mit einem konventionellen AP bei etwa 2/3 der Patienten eine globale klinische Verbesserung bei guter Verträglichkeit nahelegen. Unter Zugabe von Risperidon (1–2 mg) konnte die Dosis der konventionellen AP um etwa 1/3 reduziert werden. Pharmakokinetische Interaktionen sind bei diesen Kombinationen zu beachten. 5 Eine Addition eines konventionellen AP zu einer bestehenden Medikation mit einem atypischen AP kann vorübergehend klinisch sinnvoll sein. Hochpotente konventionelle AP können die Akutwirksamkeit gegen Positivsymptome verstärken. Niedrigpotente konventionelle AP können bei nicht-sedierenden atypischen AP eine vorübergehende sinnvolle Ergänzung darstellen. 5 Von einem Langzeiteinsatz konventioneller, insbesondere hochpotenter AP, in Kombination mit atypischen AP muss jedoch wegen des Verlusts der atypischen Eigenschaften in dieser Kombination, v. a. dem Risiko für PRL-Erhöhungen, EPS (tardive Dyskinesien) und kognitiv-affektiven Nebenwirkungen, abgeraten werden.
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Kombination von Clozapin mit einem konventionellen oder atypischen AP 5
Der vergleichsweise wenig ausgeprägte D2-Antagonismus von Clozapin lässt theoretisch Möglichkeiten zur Augmentation offen. Daher sind bei Partial- oder Nonresponse von Positivsymptomen unter Clozapin am ehesten Kombinationen mit weitgehend selektiven D2-Antagonisten (hochpotente konventionelle AP, Amisulprid) sinnvoll. 5 Allerdings wird der Vorteil von Clozapin, der v. a. durch das extrem geringe EPS-Risiko die erforderlichen Kontrollen wegen anderer möglicher Nebenwirkungen rechtfertigt, in Frage gestellt, wenn hochpotente konventionelle AP mit Clozapin kombiniert werden. Allenfalls in niedriger Dosis des konventionellen AP sind solche Kombinationen daher sinnvoll. Die Clozapindosis sollte dabei plasmaspiegelabhängig ggf. angepaßt werden. Als Alternative zu einem konventionellen AP sollte in diesen Fällen eine Kombination von Clozapin mit Amisulprid wegen der besseren Verträglichkeit und dem geringen Interaktionsrisiko erwogen werden. 5 Amisulprid in niedriger Dosierung kann auch zur Wirkungsverstärkung bei ausgeprägter Negativsymptomatik, die unter Clozapintherapie persistiert, empfohlen werden. 5 In Anbetracht der Rezeptorprofile erscheint auch die Kombination von Clozapin und Risperidon als sinnvoll. Die zusätzliche Gabe von Risperidon ist zurzeit in der Literatur am häufigsten bei (partieller) Nonresponse unter Clozapin-Monotherapie beschrieben. Fallserien und Einzelfallberichte belegen positive Effekte dieser Kombination, meist bei Dosierungen von Risperidon und Clozapin im üblichen therapeutischen Bereich. ! Unter Kombination von Risperidon und Clozapin wurden jeweils Ein-
zelfälle mit kardialer Arrhythmie und Agranulozytose berichtet. Eine erhöhte Aufmerksamkeit für Nebenwirkungen und entsprechende Kontrollen sind unter allen Kombinationstherapien erforderlich.
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Trotz ähnlicher Rezeptorbindungsprofile wurden auch für die Kombination von Clozapin mit Olanzapin oder Quetiapin in Einzelfallberichten positive Effekte berichtet. Bei diesen Kombinationen muss auf die Verstärkung sedierender Effekte besonders geachtet werden.
Kombination zweier atypischer AP (nicht Clozapin) 5
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Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
Zu diesen möglichen Kombinationen sind nur wenige Daten verfügbar. Einzelfallberichte zu Wirkungsverbesserung unter Kombination von Olanzapin und Risperidon sowie von Risperidon und Quetiapin (in niedriger Dosis) bei schizophrenen Patienten mit maniformer Erregung liegen vor.
3.13 · Maßnahmen bei Nonresponse
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Unter Berücksichtigung von Wirkungs- und Nebenwirkungsprofilen erscheint in Einzelfällen eine Kombination von Amisulprid mit Quetiapin oder Olanzapin rational. Empirischen Berichten zufolge sind Kombinationstherapien bei Risperidon seltener als bei Olanzapin und Quetiapin, für neuere atypische AP (Ziprasidon, Aripiprazol) fehlen derzeit noch Erfahrungen zum Einsatz in Kombinationstherapien.
3.13.4 Augmentationsstrategien Bei unzureichendem Ansprechen von AP-Monotherapien einschließlich einer ausreichend hoch dosierten Clozapintherapie (Plasmaspiegelkontrollen!) können alternativ zu Kombinationen von AP folgende – wissenschaftlich aber nicht gesicherte – Strategien angewendet werden: Kombination von AP mit Benzodiazepinen 5
Die Kombination ist manchmal bei Negativ- aber auch Positivsymptomatik hilfreich. Vorsicht bei Kombination von Clozapin mit Benzodiazepinen (7 Kap 3.8 und 4.6.4).
Kombination von AP mit Antidepressiva 5 5
Zum Einsatz bei depressiver Symptomatik: 7 Kap 3.4.1. Bei Patienten mit ausgeprägter Negativsymptomatik oder Zwangssymptomen scheinen Kombinationen eines atypischen AP mit einem SSRI erfolgversprechend zu sein. Auf mögliche Nebenwirkungen, insbesondere EPS, ist zu achten. Die Kombination von AP mit Reboxetin kann bei unter AP auftretender Gewichtszunahme (v. a. Clozapin, Olanzapin) hilfreich sein.
Kombination von AP mit stimmungsstabilisierenden Antikonvulsiva 5
Die Kombination eines AP mit Carbamazepin kann bei Schizophrenien mit Erregungszuständen, maniformen oder paranoiden Symptomen und auch bei aggressiven Impulsdurchbrüchen versucht werden.
! Carbamazepin sollte nicht mit Clozapin kombiniert werden (erhöhtes
Agranulozytoserisiko). 5
Die Datenlage für Kombinationen eines AP mit Valproinsäure ist nicht konsistent: Während Einzelfallberichte und klinische Beobachtungen eine positive Wirkung bei etwa einem Drittel der Patienten vermuten lassen, ergab eine kontrollierte Studie keine Vorteile dieser Kombination. Eine neuere Studie zeigte einen rascheren Wirkungseintritt von Risperidon und Olanzapin v. a. bezüglich Feindseligkeit und anderer
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Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
Positivsymptome bei Kombination mit Valproinsäure, jedoch keine bessere Wirksamkeit im weiteren Verlauf. 5 Kombinationen von Clozapin und Valproinsäure werden meist gut vertragen und haben sich bei der Krampfanfallsprophylaxe bewährt. 5 Die Kombination von Clozapin mit Lamotrigin zeigte sich in Fallserien mit therapierefraktären Patienten unter Clozapin als effektive Augmentationsstrategie. Lamotrigin scheint bei Zugabe zu anderen AP diese wirkungsverstärkenden Effekte nicht zu haben. ! Unter Kombination von Lamotrigin und Clozapin ist über erhöhte
5
Clozapin-Plasmaspiegel berichtet worden.
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Kombination von AP mit EKT
Topiramat war nicht effektiv zur Augmentation einer AP-Therapie bei Therapieresistenz.
5
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Es liegen bisher keine kontrollierten Studie zur Wirksamkeit dieser Kombination bei Therapieresistenz vor, allerdings gibt es neuere offene Studien und Fallberichte, die eine Kombination von Clozapin und EKT günstig erscheinen lassen. 5 Ebenso liegen positive Ergebnisse (55% Responder) aus einer offenen Studie für eine Kombination von EKT mit Flupenthixol bei etwa 300 Patienten mit therapierefraktärer chronischer Schizophrenie vor. Die Effektivität der Kombinationstherapie war auf die Positivsymptomatik beschränkt, die Dauer der aktuellen Episode erwies sich u. a. als negativer Prädiktor für einen Therapieerfolg. Alternative medikamentöse Augmentationsstrategien 5
Eher von historischem Interesse sind Kombinationen von AP mit Reserpin, β-Blockern und Kalziumantagonisten für schizophrene Patienten bei anhaltender therapieresistenter Positivsymptomatik (»ultima ratio«). 5 Zur Behandlung therapierefraktärer Negativsymptome wurde neben der Gabe von L-Dopa und Bromocriptin auch der Einsatz von Stimulanzien vorgeschlagen. Risiken, insbesondere die Exazerbation von Positivsymptomen und Nebenwirkungen, sind bei solchen Behandlungsversuchen streng zu beachten. Bei allen Kombinations- und Augmentationsbehandlungen von AP sind mögliche Komplikationen und auftretende Nebenwirkungen und Wechselwirkungen besonders sorgfältig zu prüfen und regelmäßig zu überwachen.
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225
3.14
Präparate1
Amisulprid
Antipsychotikum
Benzamin Solian (Sanofi-Synthelabo) Tbl. 100, 200, 400 mg (20, 50, 100 Tbl.) Lsg. 100 mg/ml (60 ml) Pharmakodynamik 5
Selektive Blockade von D2-artigen Rezeptoren (D2=D3>D4) mit überwiegender Anreicherung im mesolimbischen und tuberoinfundibulären, weniger im nigrostriatalen System. Keine nachweisbare Affinität zu D1- und nichtdopaminergen Rezeptoren. 5 Wirkung bei Negativsymptomatik und Depression unter niedriger Dosierung vermutlich durch Blockade präsynaptischer Dopaminrezeptoren mit Steigerung der dopaminergen Transmission. Pharmakokinetik 5
Tmax=ca. 2 h mit biphasischem Verlauf bei Dosen über 100 mg; t½=12– 20 h; Bioverfügbarkeit 33–45%; Plasmaproteinbindung 17%. 5 Keine pharmakologisch aktiven Metaboliten bei linearer Pharmakokinetik. 5 Der Hauptanteil der Substanz wird unverändert renal ausgeschieden, daher Dosisreduktion bei verminderter Kreatininclearance. 5 Plasmakonzentration: 100–400 ng/ml(p). Indikationen und Behandlungshinweise
Akute und chronische schizophrene Störungenz. Auch bei primärer Negativsymptomatik (Defektsyndrom) mit Affektverflachung, emotionalem und sozialem Rückzugz wirksam. 5 Befunde zeigen auch die Wirksamkeit bei Dysthymie und »double depression« (Dysthymie und Major Depression kombiniert) . 5 Nur geringe Gewichtszunahme (7 Kap. 3.6). 5 Routineuntersuchungen: . Tabelle 3.7. 5 5
Dosierung 5
1
Beginn mit 400–800 mg/Tag bei Patienten mit gemischter Positiv- und Negativsymptomatik (maximal 1200 mg/Tag in Ausnahmefällen bei
Bei den Generika wurde auf die Angabe der Packungsgrößen verzichtet
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Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
überwiegender Positivsymptomatik) auf 2 Einnahmezeitpunkte verteilt. 5 Bei primärer oder prädominanter Negativsymptomatik 100–300 mg/ Tag; zur Rezidivprophylaxe oder Symptomsuppression bei vorheriger Positivsymptomatik 400 mg/Tag; manchmal sind in der Rezidivprophylaxe auch höhere Dosen notwendig. 5 Bei depressiven Syndromen 50–100 mg. 5 Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion und einer Kreatinin-Clearance zwischen 30 und 60 ml/min Dosis halbieren; bei Kreatinin-Clearance zwischen 10 und 30 ml/min Dosis auf ein Drittel reduzieren. Nebenwirkungen 5
In niedriger Dosierung geringe Nebenwirkungsrate; Akathisie; EPS bei über 400 mg/Tag möglich, aber in Frequenz und Intensität gering ausgeprägt. 5 Gelegentlich: Erregungszustände, Bewegungsunruhe, Einschlafstörungen; Mundtrockenheit; Hypotension; erhöhter Prolaktinspiegel mit Amenorrhö, Galaktorrhö, Libidoverlust. 5 Selten: allergische Reaktionen; Krampfanfälle; Transaminasenanstieg; Bradykardie und Verlängerung der QTc-Zeit, einzelne Fälle v. Torsade de pointes; berichtet werden auch gastrointestinale Störungen wie Verstopfung, Übelkeit, Erbrechen, Mundtrockenheit. Kontraindikationen (7 Kap 3.7) 5 5
Nierenerkrankungen mit einer Kreatininclearance <10 ml/min. Kombination mit Pharmaka, die schwerwiegende Herzrhythmusstörungen (Torsade de pointes) auslösen können (z. B. Antiarrhythmika Klasse I und III, Thioridazin) und Kombination mit L-Dopa; Prolaktinabhängige Tumoren. 5 Relative Kontraindikationen: Nierenerkrankungen (s. o.); schwere organische Hirnerkrankungen, Morbus Parkinson. Interaktionen 5
16
Keine spezifischen pharmakokinetischen Interaktionen bekannt. Wegen pharmakodynamischer Interaktionen siehe Kontraindikationen.
Bewertung
17
Atypisches AP, auch bei Negativsymptomatik wirksam; wenig EPS. Vorteil nichthepatischer Metabolisierung und dadurch geringes Interaktionsrisiko (Kombinationsmöglichkeiten auch mit Clozapin und Olanzapin möglich). 6
3.14 · Präparate
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! Insbesondere ist ein möglicher Zusammenhang zwischen Prolaktiner-
höhungen und sexuellen Funktionsstörungen, Osteoporose sowie einer Erhöhung des thromboembolischen Risikos zu beachten.
Aripiprazol
Antipsychotikum
Dichlorphenyl-Piperazinyl-Chiloninon Abilify (Bristol-Myers Squibb/Otsuka) Tbl. 10 mg (14, 49, 98 Tbl.) 15 mg (14, 49, 98 Tbl.) 30 mg (14, 49, 98 Tbl.) Pharmakodynamik 5
Aripiprazol ist ein neues atypisches AP, dessen pharmakologische Eigenschaften es von bisher verfügbaren AP unterscheidet. 5 Partieller Agonismus an D2-artigen und D3-Dopaminrezeptoren; partieller Agonismus an 5-HT1A-Serotoninrezeptoren und Antagonismus an 5-HT2A- und 5-HT2C-Rezeptoren. 5 Keine nennenswerte Affinität zu anderen Neurotransmitterrezeptoren. Pharmakokinetik 5 5 5
5 5
T½=60–80 h; ein Steady state wird daher erst nach ca. 14 Tagen erreicht. Extensive hepatische Metabolisierung über CYP 3A4 und CYP 2D6. Hauptmetabolit Dehydro-Aripiprazol mit Affinität zu D2-artigen Rezeptoren (40% der Muttersubstanz). Eliminationshalbwertszeiten etwa 75 h für Aripiprazol und 94 h für Dehydro-Aripiprazol; die Clearance für Aripiprazol scheint in höherem Alter reduziert. Orale Bioverfügbarkeit etwa 87%; Plasmaproteinbindung >99%. Plasmakonzentration: ca. 100 ng/ml(p).
Indikationen und Behandlungshinweise
Schizophreniez. Wirksamkeit bei Positiv- und Negativsymptomen sowie depressiven Symptomen, Hinweise für Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten bei Schizophrenien. 5 Hinweise für antimanische Wirkung (akut und zur Rezidivprophylaxe). 5 EPS sind bisher nicht häufiger als unter Placebo aufgetreten; keine Prolaktinerhöhung; allenfalls minimale Gewichtszunahme; keine bedeutsame Verlängerung des QTc-Intervalls. 5 5
3
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Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
Dosierung 5
Beginn mit 15–30 mg in einer täglichen Einmaldosis, keine Dosistitration notwendig. Oft sind 15 mg voll wirksam. 5 Bei Umstellung sollte die Vormedikation laut Herstellerangaben ausgeschlichen werden. Nebenwirkungen 5
Häufigste Nebenwirkungen (<10%) sind Unruhe und Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Ängstlichkeit und Somnolenz. 5 Einzelfälle mit Verschlechterung der psychotischen Symptomatik wurden berichtet und auf den partiell dopamin-agonistischen Wirkmechanismus der Substanz zurückgeführt. Kontraindikationen (7 Kap. 3.7)
7 8 9 10 11 12
5
Bekannte Unverträglichkeit, ansonsten keine Kontraindikationen seither bekannt.
Interaktionen (7 Kap. 3.8) 5
Bei gleichzeitiger Verabreichung von CYP 3A4- oder CYP 2D6-Inhibitoren (z. B. Ketokonazol, Chinidin, Fluoxetin, Paroxetin) sollte die Dosis verringert werden, bei Verabreichung von Induktoren (z. B. Carbamazepin) sollte die Dosis erhöht werden.
Bewertung
Atypisches AP mit zumindest partiell neuartigem Wirkmechanismus und mit einem in den klinischen Studien günstigen Nebenwirkungsspektrum.
13 14 15 16 17
Benperidol Butyrophenon Benperidol-neuraxpharm (neuraxpharm) Tbl. 2, 4, 10 mg Trpf. 2 mg=20 Trpf.=1 ml (30 ml; Pipettenfl. 100 ml) Amp. 2 mg/2 ml
Antipsychotikum
Glianimon (Bayer Vital) Tbl. 2, 5, 10 mg (20, 50 Tbl.) Trpf. 2 mg=20 Trpf.=1 ml (30 ml; Pipettenfl. 100 ml) Amp. 2 mg/2 ml (5 Amp.)
3.14 · Präparate
229
Pharmakodynamik 5
Antagonisierung D2-artiger Rezeptoren mit hoher Affinität; ebenso Blockade von 5-HT2-Rezeptoren; geringe Wirkung auf α1- und H1-Rezeptoren. 5 Keine anticholinergen Effekte. Pharmakokinetik 5
Tmax=ca. 1 h (Tropfen) bzw. 3 h (Tabletten); t½=ca. 5 h, Bioverfügbarkeit ca. 40–50%; Plasmaproteinbindung >90%. 5 Reduziertes Benperidol als Metabolit klinisch vermutlich ohne Bedeutung. 5 Plasmakonzentration: 2–10 ng/ml(p). Indikationen und Behandlungshinweise 5 5 5 5
5
Akute psychotische Syndromez; katatone Syndromez; delirante und andere exogen psychotische Syndromez. Chronisch verlaufende endogene und exogene Psychosenz. Maniforme Syndrome und psychomotorische Erregungszustände(z). Sedierung bei psychomotorischen Erregungszuständen, wenn ein hochpotentes konventionelles AP mit starkem D2-artigen Antagonismus indiziert ist. Routineuntersuchungen: . Tabelle 3.7.
Dosierung 5
Oral: 2 bis maximal 40 mg/Tag, Erhaltungsdosis 1–6 mg/Tag; bei älteren Patienten niedrigere Dosis (Beginn mit 0,3–3 mg/Tag). 5 Parenteral (i.v. oder i.m.) akut: 1–3 mal/Tag 0,5–4 mg (1/4–2 Ampullen); Beginn mit 1–3 mg/Tag; maximal 40 mg/24 h. 5 2–4 Einzeldosen, Hauptdosis zur Nacht. Nebenwirkungen 5
Sehr häufig: dosisabhängig EPS (Benperidol wird meistens in schweren Akutphasen eingesetzt, daher oft hohe Dosierung); Sedierung (in Notfallsituationen meist erwünscht), besonders bei höherer Dosierung. 5 Häufig: initial orthostatische Hypotonie und Tachykardie; sexuelle Funktionsstörungen, Menstruationsstörungen. 5 Gelegentlich: passagerer Leberenzymanstieg; Leukopenie; Gewichtszunahme; allergische Hautreaktionen. 5 Bei Langzeitanwendung auch depressive Syndrome. Kontraindikationen (7 Kap. 3.7) 5
Relative Kontraindikationen: Morbus Parkinson; Leberinsuffizienz; kardiale Vorschädigung; prolaktinabhängige Tumoren; Erkrankungen
3
230
des hämatopoetischen Systems; hirnorganische Erkrankungen, Epilepsie (Senkung der Krampfschwelle möglich); Hyperthyreose.
1 2
Interaktionen (7 Kap. 3.8) 5
3 4
5 5
5 6
Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
5 5
7
Erniedrigung der Benperidolplasmakonzentration durch Carbamazepin, Phenobarbital, Phenytoin, Rifampizin sowie durch Rauchen möglich. Verstärkung der Wirkung von Antihypertensiva möglich, insbesondere von α1-Adrenozeptorantagonisten. Polypeptidantibiotika (z. B. Capreomycin, Colistin, Polymyxin B): Verstärkung der Atemdepression. Wirkungsabschwächung von Disulfiram bei gleichzeitigem Alkoholgenuss. In Kombination mit Lithium gegenseitige Plasmaspiegelerhöhung mit der Gefahr neurotoxischer Symptome.
Bewertung
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Hochpotentes konventionelles AP. Benperidol hat von allen im Handel befindlichen AP die höchste Affinität zu D2-artigen Dopaminrezeptoren.
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Antipsychotikum
Bromperidol Butyrophenon
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Impromen (Janssen-Cilag) Tbl. 5 mg (20, 50 Tbl.) Trpf. 2 mg=20 Trpf.=1 ml (30, 100 ml)
13
Pharmakodynamik
Tesoprel (Celltech Pharma) Tbl. 5 mg (20, 50, 100 Tbl.) Trpf. 2 mg=20 Trpf.=1 ml (30, 100 ml)
5
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Antagonisierung von D2-artigen Rezeptoren mit hoher Affinität, mäßige Blockade von 5-HT2-Rezeptoren, geringgradig α1-adrenolytische Eigenschaften. 5 Keine antihistaminergen oder anticholinergen Effekte. Pharmakokinetik
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5
Tmax=2–4 h; t½=15–34 h; Bioverfügbarkeit ca. 30%. Plasmaproteinbindung >90%.
Indikationen und Behandlungshinweise 5 5 5
Akute und chronische Schizophrenienz und schizoaffektive Störungenz. Nicht zur Sedierung bei Erregungszuständen geeignet. Routineuntersuchungen: . Tabelle 3.7.
3.14 · Präparate
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Dosierung 5
Oral: 5–20 mg/Tag; Erhaltungsdosis 2–6 mg/Tag, Maximaldosis bis 50 mg/Tag in fraktionierten Einzeldosen, Hauptdosis zur Nacht; bei älteren Patienten ggf. niedrigere Dosis.
Nebenwirkungen 5
Dosisabhängige EPS (wahrscheinlich genauso häufig wie unter Haloperidol). 5 Nur geringe vegetative Nebenwirkungen aufgrund der fehlenden anticholinergen Komponente: gastrointestinale Störungen wie Obstipation; Cholestase; gelegentlich bei Langzeitanwendung depressive Syndrome; Krampfanfälle. Kontraindikationen (7 Kap. 3.7) 5
Relative Kontraindikationen: Lebererkrankungen; kardiale Vorschädigung; prolaktinabhängige Tumoren.
Interaktionen (7 Kap. 3.8) 5
Verstärkte Metabolisierung von Bromperidol durch Induktion von CYP 3A4 durch Carbamazepin, erniedrigter Plasmaspiegel von Bromperidol (37%) mit möglicherweise reduzierter Wirkung.
Bewertung
Hochpotentes konventionelles AP. Angenommene bessere Verträglichkeit gegenüber Haloperidol nicht hinreichend gesichert.
Chlorpromazin
Trizyklisches Antipsychotikum
Phenothiazin mit aliphatischer Seitenkette Propaphenin (Rodleben) Tbl. 25 mg (20, 50, 100 Tbl.) Trpf. 20 mg=1 ml (20, 100 ml) Amp. 50 mg=2 ml (10 Amp.) Dosierung 5
Einschleichend bis zur oralen Erhaltungsdosis von 300–600 mg/Tag (Plasmakonzentration 30–300 ng/ml(p)), um eine antipsychotische Wirksamkeit zu erhalten (vom Hersteller deutlich niedrigere Dosisangabe: 50–150 mg/Tag); i.m. 75–150 mg; falls überhaupt i.v., nur sehr langsam nach Verdünnung (Thrombophlebitis-Nebenwirkung: 7 Kap. 3.6).
3
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Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
Bewertung
Niedrig- bis mittelpotentes konventionelles AP von historischer Bedeutung (neuroleptische Potenz wird auf Chlorpromazin bezogen); heutzutage wegen der Entwicklung wirksamerer Präparate mit deutlich weniger Nebenwirkungen in der Psychiatrie nicht zu empfehlen. Spezielle Indikationen: schwerer Singultusz; zentral ausgelöstes Erbrechenz.
Chlorprothixen
Trizyklisches Antipsychotikum
Thioxanthen
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Chlorprothixen Holsten (Holsten) Filmtbl. 15, 50 mg Truxal (Lundbeck) Drg. 15, 50 mg (20, 50, 100 Drg.) Amp. 50 mg=1 ml (5 Amp.) (i.m., i.v.) Saft 20 mg=1 ml (100 ml Saft) Pharmakodynamik 5
AP mit mittelstarker Affinität zu D2-Rezeptoren. Starke Blockade von 5HT2- und H1-, aber auch von mACh(M1)- und α1-Rezeptoren.
Pharmakokinetik 5
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Tmax=2–3 h; t½=8–12 h; Bioverfügbarkeit: ca. 50% orale und parenterale Form enthalten zu fast 100% das wirksame cis-Isomer. 5 Plasmakonzentration: 20–200 ng/ml(p).
12
Indikationen und Behandlungshinweise
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5 5
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5 5 5 5
Unruhe- und Erregungszustände bei schizophrenen Störungenz. Zur Schlafanbahnung bei Schizophrenie, Manie, agitierter Depression, Misch- und Alkoholpsychosen, Epilepsie und Oligophreniez. Psychomotorische Erregungz. Wirkungssteigerung von Hypnotika, Analgetika und Spasmolytikaz. Neurosen, vegetative Dysregulation, als Zusatztherapie bei Entziehungskuren(z). Routineuntersuchungen: . Tabelle 3.7.
Dosierung
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5
Oral: einschleichend bis zur Erhaltungsdosis von ambulant 30–150 mg/ Tag (stationär 500 mg/Tag), Höchstdosis 800 mg/Tag. 5 Parenteral: 50–150 mg i.m.
3.14 · Präparate
233
Nebenwirkungen 5
Im unteren Dosisbereich (15–30 mg/Tag) geringe Nebenwirkungen (anticholinerg, adrenolytisch); im Vergleich zu Haloperidol weniger dosisabhängige EPS. 5 Gelegentlich: Störung der Erregungsausbreitung und -rückbildung am Herzen, v. a. bei Patienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen. Passagere Erhöhung der Leberenzymaktivität. Erhöhung der Krampfbereitschaft möglich. 5 Risiken zu i.v.-Injektionen: 7 Kap 3.6. Kontraindikationen (7 Kap. 3.7) 5
Relative Kontraindikationen: Leber- und Niereninsuffizienz; kardiale Vorschädigung, schwere Hypotonie bzw. orthostatische Dysregulation; prolaktinabhängige Tumoren; Morbus Parkinson; Hyperthyreose; Glaukom, Prostatahypertrophie, Harnverhalt; Krampfanfälle; Vorsicht bei gleichzeitigem Vorliegen von Depression und Psychose.
Interaktionen (7 Kap. 3.8) Bewertung
Niedrigpotentes konventionelles AP mit anticholinerger und adrenolytischer Komponente.
Clozapin
Trizyklisches Antipsychotikum
Dibenzodiazepin Clozapin Hexal (Neuro Hexal) Tbl. 25, 50, 100 mg
Clozapin-Pharma (1A Pharma) Tbl. 25, 50, 100 mg
Clozapin-neuraxpharm (neuraxpharm) Tbl. 25, 50, 100, 200 mg
Elcrit (Parke Davis, Pfizer) Tbl. 25, 50, 100 mg
Clozapin beta (betapharm) Tbl. 25, 50, 100 mg
Leponex (Novartis Pharma) Tbl. 25, 50, 100 mg (20, 50, 100 Tbl.) Amp. 50 mg/2 ml (10 Amp.) (nur i.m.)
Clozapin beta® unterliegt nach Angaben des Herstellers den Richtlinien der kontrollierten Anwendung nicht! Hintergrund: Durch die Richtlinien der kontrollierten Anwendung soll sichergestellt werden, dass Patienten zuverlässig über die Anzeichen einer Agranulozytose und die Notwendigkeit zur sofortigen ärztlichen Behandlung informiert werden. Diese bei-
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Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
den Sicherheitskriterien sind durch die besonders auffällige Kennzeichnung der Faltschachtel gegeben. Bei anderen Generika und Leponex® wurden diese Hinweise nicht konstatiert; die kontrollierte Anwendung von Clozapin mit regelmäßigen Blutbildkontrollen und entsprechender Aufklärung des Patienten (s. u.) ist in jedem Falle zu empfehlen.
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Pharmakodynamik
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AP mit ausgeprägt initial dämpfender Wirkung und fehlenden EPS. Hohe Affinität zu H1-, α1-, 5-HT2A-, 5-HT2C-, mACh- (M1 und M4) und D4-Rezeptoren. 5 Niedrige Affinität zu D1-, D2-, D3-, D5-, 5-HT1A-, 5-HT3-, α2- und mACh(M2)-Rezeptoren. Pharmakokinetik 5 5 5
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Fast vollständige Resorption bei oraler Applikation; Bioverfügbarkeit: 50–60%. Tmax=2–4 h; t½=12–16 h. Fast ausschließlich hepatische Verstoffwechslung (CYP 1A2, CYP 3A4 und – von geringer Bedeutung – 2D6) mit 2 Hauptmetaboliten: N-Desmethyl-Clozapin und Clozapin-N-oxid. Steady state nach 6–10 Tagen. Plasmakonzentration (nur Clozapin, ohne Metabolite): 350–600 ng/mlp.
Indikationen und Behandlungshinweise
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Akute und chronische Formen schizophrener Psychosenz, wenn: – vor Beginn der Behandlung ein normaler Leukozyten-Befund vorliegt – regelmäßige Blutbildkontrollen durchgeführt werden können (s. u.) und – der Patient auf mindestens 2 verschiedene AP nicht anspricht oder diese nicht verträgt (insbesondere Spätdyskinesien und nicht tolerierbare, therapierefraktäre andere EPS). 5 In niedriger Dosis bei Psychosen im Verlauf eines Morbus Parkinsonz nach Versagen der Standardtherapie (bis 100 mg; bei normalem Leukozytenbefund zu Beginn der Behandlung und unter Notwendigkeit regelmäßiger Blutbildkontrollen). 5 Wirksamkeit auch bei psychotischen Symptomen im Rahmen einer Demenz mit Lewy-Körperchen (DLB) in niedriger Dosis (bis 25 mg). 5 Clozapin scheint eine genuin antiaggressive Wirkung zu besitzen; auch im Vergleich zu Olanzapin wurde eine Reduktion der Suizidalität bei schizophrenen Patienten berichtet; auf das Intoxikationsrisiko ist jedoch bei suizidalen Patienten zu achten. 5
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Hinweise für Wirksamkeit u. a. auch bei therapierefraktären affektiven Störungen und schizoaffektiven Störungen, insbesondere vom bipolaren Subtyp. Bei schizophrenen Störungen mit seitheriger Therapieresistenz besteht Überlegenheit gegenüber konventionellen und wahrscheinlich auch anderen atypischen AP. Ein Behandlungsversuch sollte mindestens 6–8 Wochen andauern; von einer Nonresponse auf Clozapin sollte man erst nach 6 Monaten sprechen (mögliches Vorgehen 7 Kap. 3.13.3). Sollte eine Indikation zum Umsetzen von Clozapin auf ein anderes atypisches AP bestehen, ist wenn möglich ein sehr langsames überlappendes Umsetzen (2–6 Monate) durchzuführen (7 Kap. 3.11.2). Die Behandlung ist von einem in der Behandlung akuter und chronischer Formen schizophrener Psychosen erfahrenen Facharzt zu überwachen. Verordner von Clozapin müssen Kenntnisnahme der nötigen Untersuchungen mit Unterschrift dem Hersteller bestätigen (s. o.). Routineuntersuchungen: . Tabelle 3.7.
Dosierung 5
Einschleichender Beginn mit einer Testdosis von 12,5 mg/Tag oral (bei älteren Patienten, bei Patienten mit Morbus Parkinson oder Demenz mit Lewy-Körperchen nur 6,25 mg/Tag), dann Steigerung um höchstens 25 mg täglich. 5 Erhaltungsdosis 100–400 mg/Tag i. d. R. in mehreren Einzeldosen; Höchstdosis 600 mg, in Einzelfällen bis 900 mg/Tag, bei M. Parkinson 100 mg. 5 Wegen der initial häufig ausgeprägten Sedierung Beginn und Hauptdosis möglichst abends oder zur Nacht. 5 Die Dosis ist individuell – ggf. mit Hilfe von Plasmaspiegelbestimmungen – einzustellen und die niedrigste wirksame Dosis zu verabreichen. Behandlung mit Clozapin setzt – nach Vorgaben der Hersteller – voraus: 5
Vor Beginn Leukozyten >3500/µl bei normalem Diff-BB (Kontrolle darf nicht länger als 10 Tage zurückliegen) 5 Gewährleistung von wöchentlichen Kontrollen der Leukozytenzahl in den ersten 18 Wochen, danach mindestens einmal im Monat; nach Absetzen von Clozapin Kontrolle über weitere 4 Wochen 5 Kein Ansprechen auf andere AP 5 Unverträglichkeit anderer AP 6
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Diff-BB: 2-mal pro Woche kontrollieren, wenn: – Abfall der Leukozyten um mindestens 3000/µl (zwischen 2 Messungen oder innerhalb von 3 Wochen) – Leukozytenzahl 3000–3500/µl Clozapin muss abgesetzt werden, wenn Leukozyten auf <3000/µl und/ oder neutrophile Granulozyten auf <1500/µl ansinken. Bei Eosinophilie >3000/µl oder Thrombozytopenie <50.000/µl ist ein Absetzen zu empfehlen.
Nebenwirkungen 5 5
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Dosisunabhängig Leukopenie, Granulozytopenie, Thrombopenie, Agranulozytose und Panzytopenie (selten). Agranulozytoserisiko ist höher als bei anderen AP (1–2%), Häufigkeitsgipfel in der 6–14. Behandlungswoche; außerdem möglich: Eosinophilie, Thrombozytopenie, auch Leukozytose. Eosinophilie kann Vorbote einer Agranulozytose oder Zeichen einer Begleitpankreatitis sein (s. o.). Vor Behandlungsbeginn ist auf diese Gefahr der Agranulozytose, die dafür typischen Symptome und die notwendigen Untersuchungen hinzuweisen. Clozapin senkt bei hohen Dosen und raschem Dosisanstieg – mehr als andere AP – die Krampfschwelle; aber durch Clozapin induzierte Krampfanfälle, die bei ca. 1% der Patienten vorkommen, und für die es ein erhöhtes Risiko bei Dosen >600 mg/Tag oder Plasmaspiegel >600 ng/ml gibt, sind keine absolute Kontraindikation gegen die Beibehaltung der Medikation; ggf. kann eine Begleittherapie mit einem Antikonvulsivum (z. B.Lamotrigin, Valproinsäure) erwogen werden. Anfänglich sehr häufig Sedierung; orthostatische Dysregulation mit Tachykardie und Hypotonie, so dass in manchen Fällen vorübergehend Bettruhe indiziert ist, Temperaturanstieg (bis 39°C, Auftreten typischerweise nach ca. 10 Tagen, meist ohne Therapie reversibel, selten Absetzgrund). Häufig: persistierende Hypersalivation, wahrscheinlich aufgrund des M4-Agonismus von Clozapin (Therapieversuch mit Pirenzepin 50– 100 mg/Tag möglich). Häufig: deutliche Gewichtszunahme; Hyperglykämien bis zur Ketoazidose und hyperosmolarem Koma und Entwicklung eines Diabetes mellitus möglich (7 Kap. 3.6). Blasenentleerungsstörungen (Harnverhalt, aber auch Harninkontinenz, insbesondere Enuresis nocturna) und Obstipation bis zum Ileus (sehr selten).
3.14 · Präparate
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Selten: Kardiale Arrhythmien, Myokarditis und Perikarditis mit oder ohne Eosinophilie, Kardiomyopathie mit sehr selten tödlichem Ausgang (mögliche Myokarditis: u. a. unspezifische grippeähnliche Symptome und/oder Symptome einer Herzinsuffizienz, neu aufgetretene Ruhetachykardie, Arrhythmie, Dyspnoe, klinische, laborchemische und EKG-Zeichen eines Herzinfarktes oder einer Perikarditis.
! Bei begründetem Verdacht eines kardialen Risikos Clozapin sofort ab-
setzen! 5 5 5 5 5
Passagerer Transaminasenanstieg; sehr selten fulminante Lebernekrose, akute Pankreatitis. Kopfschmerzen, Muskelschwäche, Schwindelgefühl; manchmal Übelkeit und Erbrechen, allergische Hautreaktionen. Selten: Thromboembolie (Immobilisierung vermeiden). Vor allem bei schnellem Dosisanstieg Gefahr eines (anticholinergen) Delirs (Therapie: Dosisreduktion oder Absetzen). Selten: CK-Erhöhung, Tremor, Akathisie, Myoklonien, Rigor. In Einzelfällen Absetzdyskinesien bei vorheriger Behandlung mit anderen AP, ansonsten wirksam bei der Behandlung von Spätdyskinesien; ausgeprägte Hyponatriämie mit Krampfanfällen (Myelinolyse), malignes neuroleptisches Syndrom, interstitielle Nephritis, Priapismus, letale Gastroenteritis.
Kontraindikationen (7 Kap. 3.7) 5 5 5 5 5
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Früher aufgetretene BB-Schädigung (z. B. Clozapin, andere AP, sonstige Arzneimittel, Ausnahme: Leukopenie durch Zytostatika). Hämatologische Erkrankungen, insbesondere falls Leukozyten betroffen sind (Ausnahme: bei ethnisch bedingter benigner Neutropenie). Intoxikationen mit zentralwirksamen Substanzen, Bewusstseinstrübungen. Medikamentös ungenügend kontrollierte Epilepsie. Schwere kardiale Erkrankungen, schwere Erkrankungen der abführenden Gallenwege und der Niere, aktive und progressive Lebererkrankungen, Leberversagen, Darmatonie. Relative Kontraindikationen: Engwinkelglaukom, Prostatahypertrophie, Alter <16 Jahre. Möglichst keine Kombination mit anderen Präparaten, die Blutbildungsstörungen hervorrufen oder die Krampfschwelle erniedrigen können. Besondere Vorsicht bei älteren Patienten, Patienten in schlechtem Allgemeinzustand, kardialer Vorschädigung, bei Vorliegen einer Leber-
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erkrankung (regelmässige Kontrollen!), bestehendem Krampfleiden, schwerer Hirnleistungsstörung.
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! Keine Kombination von Clozapin mit trizyklischen Depot-AP. ! Kardiovaskuläre Synkopen und/oder Atemstillstand bei gleichzeitiger
Clozapin-Einnahme und Benzodiazepin-Gabe möglich (i.v.-Applikation von Benzodiazepinen unbedingt vermeiden!).
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Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
Nach neueren Untersuchungen stellt eine Kombination von Clozapin mit Benzodiazepinen keine absolute Kontraindikation dar, sollte jedoch weiterhin sorgfältig abgewogen werden. Klinisch dringliche Situationen wie ein malignes neuroleptisches Syndrom, katatone Zustandsbilder oder extreme Agitiertheit lassen eine solche Kombinationstherapie vertretbar erscheinen (7 Kap. 4). Interaktionen (7 Kap. 3.8)
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Mit Lithium erhöhte »Neurotoxizität« möglich (Krampfanfall, Delir), erhöhtes Risiko für ein malignes neuroleptisches Syndrom. 5 Mit Diphenhydramin, Doxylamin und Promethazin verstärkte Sedierung und anticholinerge Nebenwirkungen. 5 Carbamazepin oder Rauchen beschleunigt den Abbau von Clozapin: Wiederauftreten der psychotischen Symptome möglich. Nach Absetzen von Carbamzepin oder nach Raucherentwöhnung steigen die Clozapinspiegel an und es ist mit Nebenwirkungen zu rechnen. 5 Bei Kombination mit Risperidon Anstieg der Plasmaspiegel von Clozapin; Risiko vermehrter Clozapin-Nebenwirkungen. Dosisanspassung von Clozapin unter Plasmaspiegelkontrolle. ! Kombination mit Fluvoxamin führt bis zu einem 10fachen Anstieg der
Clozapinkonzentration (Fluoxetin zu einem 2-fachen Anstieg, unter Paroxetin Anstieg der Clozapinspiegel bei hohen Dosen von Paroxetin), deshalb Plasmaspiegelkontrollen mit Dosisanpassung. Bewertung
Einziges atypisches AP im engeren Sinn mit besonderer Bedeutung in der Psychopharmakologie bei schizophrener Therapieresistenz und bei nicht tolerierbaren EPS; auch bei Negativsymptomatik wirksam. Eingeschränkte Verwendbarkeit wegen starker Nebenwirkungen. ! Auf Agranulozytoserisiko, Gewichtszunahme und Diabetesinduktion
unter Clozapin besonders achten.
3.14 · Präparate
Flupentixol
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Trizyklisches Antipsychotikum
Thioxanthen Fluanxol (Bayer Vital) Drg. 0,5 mg (50 Drg.) 2 mg (50, 100 Drg.) 5 mg(50, 100 Drg.) Trpf. 50 mg=50 Trpf.=1 ml (10 ml) Amp. 10 mg/0,5 ml (5 Amp.) (Fluanxol Depot 2%) 20 mg/1 ml (1,5 Amp.; Inj.fl. 3 ml, 10 ml) (Fluanxol Depot 2%) 100 mg/1 ml (1 Amp.) (Fluanxol Depot 10%)
Flupentixol-neuraxpharm (neuraxpharm) Amp. 20 mg/1 ml 40 mg/2 ml 100 mg/1 ml (Depotpräparate, nur i.m.)
Pharmakodynamik 5
Hochpotentes AP aus der Reihe der Thioxanthene mit etwa gleich starker Blockade von D1- und D2-Rezeptoren sowie der 5-HT2A-Rezeptoren 5 Blockade der α1-Rezeptoren, geringe Affinität zu H1-Rezeptoren 5 Sehr geringe antagonistische Wirkung an muskarinergen M1/M2-AChRezeptoren Pharmakokinetik 5 5 5 5
Oral: Tmax=3–6 h; t½=20–40 h; Bioverfügbarkeit: 40–50%. Depot: Tmax=ca. 7 Tage; t½=2–3 Wochen. Keine pharmakologisch aktiven Metaboliten. 50% cis-50% trans-Isomer in Drg. und Trpf.; 100% cis-Isomer in Depotform. 5 Plasmakonzentration: >2 ng/ml(p). Indikationen und Behandlungshinweise 5
Akut- und Langzeitbehandlung schizophrener Psychosen einschließlich depressiver Begleitsymptomatikz. 5 In niedriger Dosis (0,5 mg Drg.) bei leichten bis mittelschweren Depression, Angststörungen(z). 5 Zur Problematik der Langzeitbehandlung mit konventionellen AP: 7 Kap. 3.11. 5 Von einer Phasenprophylaxe affektiver Psychosen ist entgegen früheren Empfehlungen abzuraten, ebenso von der routinemäßigen Verordnung von Flupentixol als primäres Anxiolytikum oder Antidepressivum.
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Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
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Günstige Wirkungen wurden bei der symptomatischen Behandlung von Persönlichkeitsstörungen beschrieben. 5 Routineuntersuchungen: . Tabelle 3.7. Dosierung 5
Oral: für die Akutbehandlung 10–60 mg/Tag, zur Langzeitbehandlung chronischer Schizophrenien und bei vorwiegender Negativsymptomatik 4–20 mg/Tag. 5 Bei Persönlichkeitsstörungen Versuch mit 1–3 mg/Tag, ggf. höhere Dosis. 5 Depot: 10–60 mg i.m. (bis maximal 100 mg) im Abstand von 2–4 Wochen. Erhaltungsdosis 20 mg alle 3 Wochen für gute Langzeitwirkung oft ausreichend. Nebenwirkungen
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EPS häufig bei hoch dosierter Depotverabreichung. Orthostatische Dysregulationen mit Hypotonie und Tachykardie möglich, ebenso EKG-Veränderungen (Störungen der Erregungsausbreitung und -rückbildung). Vor allem initiale Müdigkeit; nicht selten vegetative Störungen wie Obstipation, Miktionsstörungen, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Appetitverlust. Gelegentlich Unruhe, Schlafstörungen, Benommenheit, depressive Verstimmung, Schwindelgefühl, Kopfschmerzen, delirante Symptomatik (insbesondere bei Kombination mit anticholinerg wirksamen Substanzen). Zerebrale Krampfanfälle, Regulationsstörungen der Körpertemperatur. Allergische Hautreaktionen, Photosensibilität (Vorsicht bei Sonneneinstrahlung); Pigment-, Kornea- und Linseneinlagerungen; passagere Leberfunktionsstörungen, Cholestase und Ikterus. Sehr selten: venöse Thrombosen, Blutbildungsstörungen, Menstruationsstörungen, Galaktorrhö, Gynäkomastie, sexuelle Funktionsstörungen, Gewichtszunahme; Störungen des Glukosestoffwechsels.
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Kontraindikationen (7 Kap. 3.7)
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Kreislaufschock oder Koma; Alter <18 Jahren. Relative Kontraindikationen: Störungen des hämatopoetischen Systems; Leber- und Niereninsuffizienz, kardiale Vorschädigung; prolaktinabhängige Tumoren, schwere Hypertonie und Hypotonie, orthostatische Dysregulation; Morbus Parkinson; chronische Atembeschwerden und Asthma; Glaukom, Harnverhaltung, Prostatahypertrophie mit Restharnbildung.
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3.14 · Präparate
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Besondere Vorsicht bei Patienten mit Hirnschäden und Krampfanfällen in der Anamnese, da Grand-mal-Anfälle auftreten können (bei Epilepsie nur zusammen mit einer Antikonvulsiva-Behandlung).
Interaktionen (7 Kap. 3.8) Bewertung
Hochpotentes konventionelles AP zur Akut- und Langzeitbehandlung schizophrener Störungen. Studien belegen auch die Wirksamkeit gegen Negativsymptomatik, insbesondere in niedrigeren Dosierungen.
Trizyklisches Antipsychotikum
Fluphenazin
Phenothiazin mit Piperazinylseitenkette Dapotum (Bristol-Myers Squibb/ Sanofi-Synthelabo) Tbl. 5 mg (20, 50, 100 Tbl.) Trpf. 4 mg=1 ml=20 Trpf. (15 ml) Amp. 10 mg/1 ml (5 Amp.) (Dapotum acutum)
Lyorodin (Rodleben) Tbl. 1, 4 mg Omca (Bristol-Myers Squibb) Drg. 1 mg
Lyogen (Lundbeck) Tbl. 1, 4 mg (20, 50 Tbl.) (Lyogen) Drg. 3, 6 mg (20, 50 Drg.) (Lyogen retard) Trpf. 2,5 mg=25 Trpf.=1 ml (30 ml; 100 ml Pipettenfl.) (Lyogen forte) Depotpräparate (nur i.m.)
Fluphenazindecanoat Dapotum D (Bristol-Myers Squibb/ Sanofi-Synthelabo) Amp. 12,5 mg=0,5 ml (1,5 Amp.) (Dapotum D 12,5) 25 mg=1 ml (1,5 Amp.) ( Dapotum D 25) 50 mg=0,5 ml (1,5 Amp.) (Dapotum D 50) 100 mg=1 ml (1,5 Amp.) (Dapotum D 100) 250 mg=10 ml (1 Injfl.) (Dapotum D 250)
Fluphenazin-neuraxpharm D (neuraxpharm) Amp. 12,5/0,5 ml und 25 mg/1 ml 50 mg/0,5 ml und 100 mg/ 1 ml Lyogen Depot (Promonta) Amp. 25 mg=1 ml (1,5 Amp.) (Lyogen-Depot 25) 50 mg=0,5 ml (1,5 Amp.) (LyogenDepot 50)
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Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
100 mg=1 ml (1,5 Amp.) (Lyogen-Depot 100) 250 mg=10 ml (1 Amp.) (Lyogen-Depot 250)
Lyorodin-Depot (Rodleben) Amp. 25 mg=2 ml
Pharmakodynamik 5
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In erster Linie Blockade von D2-, aber auch 5-HT2-, α1- und H1-, kaum mACh-Rezeptoren.
Pharmakokinetik
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Indikationen und Behandlungshinweise
Akute und chronische Psychosez. Katatone Syndromez. Psychomotorische Erregungszuständz. Depotpräparat zur Langzeittherapie und Rezidivprophylaxe schizophrener Psychosenz. 5 Zur Problematik der Langzeitbehandlung mit konventionellen AP: 5 5 5 5
7 Kap. 3.11.
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Routineuntersuchungen: . Tabelle 3.7.
Dosierung 5
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Tmax=2 h; t½=16 h (oral); beim Decanoat schneller Plasmaspiegelanstieg mit Tmax=8–36 h, raschem Abfall ab dem 2. Tag mit t½=7–10 h (Freisetzungshalbwertszeit); Plasmaproteinbindung 90–95%. Metabolisierung über CYP 2D6 (7 Kap. 16). Anstieg von t½ bei Nachinjektionen. Bioverfügbarkeit bei i.m.-Gabe, im Vergleich zur oralen Gabe (20– 50%), deutlich höher. Plasmakonzentration: 0,5–2 ng/mlp.
Oral: ambulant mit 2-mal 2 mg beginnen; stationäre Erhaltungsdosis: 10–20 mg (Höchstdosis 40 mg/Tag), ambulante Erhaltungsdosis 2– 10 mg/Tag. 5 Parenteral: akut 10–20 mg i.m. (i.v. möglich), Dosis kann nach 30 min wiederholt werden (Tagesdosis bis 40 mg); Dapotum acutum: i.v. mit 10–20 mg in 250 ml Infusionslösung über 12 h für 7 Tage; Langzeitmedikation mit Depotpräparaten: 6,25 bis 25 mg alle 14 Tage. Alternativ: 25 mg alle 4 Wochen (keine längeren Intervalle!). 5 Steigerung der Dosierung bis 100 mg alle 2 Wochen maximal möglich, dann jedoch EPS-Zunahme.
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Nebenwirkungen 5 5
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Häufig: EPS, wegen Plasmaspiegelverlauf mit »early peak« unter Depotpräparat v. a. in den ersten beiden Tagen; häufig Akathisie. Orthostatische Dysregulationen, EKG-Veränderungen; v. a. initiale Müdigkeit; nicht selten vegetative Störungen wie Obstipation, Miktionsstörungen, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö. Gelegentlich: Unruhe, Schlafstörungen, Benommenheit, depressive Verstimmung, Schwindelgefühl, Kopfschmerzen, delirante Symptomatik (insbesondere bei Kombination mit anticholinerg wirksamen Substanzen). Zerebrale Krampfanfälle, Regulationsstörungen der Körpertemperatur möglich; allergische Hautreaktionen, Photosensibilisierung, passagere Leberfunktionsstörungen, Cholestase. Sehr selten: venöse Thrombosen; Blutbildungsstörungen; Menstruationsstörungen, Galaktorrhö, Gynäkomastie, sexuelle Funktionsstörungen; Gewichtszunahme; Störungen des Glukosestoffwechsels. Einzelfälle: Lupus-erythematodes-ähnliche Syndrome. Zur Problematik der »pharmakogenen« Depression unter Depot-AP: 7 Kap. 3.4.1.
Kontraindikationen (7 Kap. 3.7) 5
Schwere Blutzell- oder Knochenmarksschädigung; schwere Lebererkrankung; schwere Depression. 5 Relative Kontraindikationen: Leber- und Nierenerkrankungen, kardiale Vorschädigung; prolaktinabhängige Tumoren; Morbus Parkinson; chronische Atembeschwerden und Asthma; Glaukom, Harnretention, Pylorusstenose, Prostatahypertrophie mit Restharnbildung; Hirnschäden und Krampfanfälle in der Anamnese, da Grand-mal-Anfälle auftreten können (bei Epilepsie nur zusammen mit einer Antikonvulsiva-Behandlung) und bei Patienten, die extremer Hitze oder phosphorhaltigen Insektiziden ausgesetzt sind. Interaktionen (7 Kap. 3.8) 5 5
Schwangerschaftstests können falsch positiv ausfallen. Wirkungsabschwächung von Disulfiram unter gleichzeitiger Einnahme von Vitamin C. 5 Anstieg der Fluphenazinplasmaspiegel bei Kombination mit Fluoxetin (im Mittel um 65%). Evtl. vermehrte Nebenwirkungen, Hinweise auf Besserung von Negativsymptomen unter Kombination mit Fluoxetin. Bewertung
Hochpotentes konventionelles AP zur Akut- und Langzeitbehandlung schizophrener Störungen.
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Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
Antipsychotikum
Fluspirilen Diphenylbutylpiperidin
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Fluspi (Hexal/Neuro Hexal) Depotpräparat (nur i.m.) Amp. 1,5 mg/0,75 ml Stechamp. 12 mg/6 ml
Imap (Janssen-Cilag) Depotpräparat (nur i.m.) Amp. 2 mg/1 ml (1,5 Stechamp. zu 6 ml) 1,5 mg/0,75 ml (3,5 Amp.)
Fluspirilen beta (betapharm) Amp. 1,5 mg/0,75 ml 12 mg/6 ml Pharmakodynamik 5 5
Strukturverwandtschaft zu Butyrophenonen. In erster Linie Blockade von D2- und D3-Rezeptoren, weniger starke Affinität zu 5-HT2-Rezeptoren. 5 Schwache Blockade von H1-Rezeptoren, kaum nachweisbar von α1- und mACh-Rezeptoren. Pharmakokinetik 5
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Tmax=bis 48 h (sehr große interindividuelle Variabilität); t½=ca. 1 Woche.
Indikationen und Behandlungshinweise
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5
Akute und chronische schizophrene Psychosenz, falls wöchentliche Injektionsintervalle empfehlenswert und tolerabel. Zur Problematik der Langzeitbehandlung mit konventionellen AP 7 Kap. 3.11. 5 In der Dosierung von 1,5 mg/Woche i.m. bei Angst- und Spannungszuständen sowie psychosomatischen Beschwerden(z), aufgrund der EPSNebenwirkungen und vorhandener Alternativen für diese Indikationen trotz Zulassung nicht empfehlenswert. 5 Routineuntersuchungen: . Tabelle 3.7. Dosierung 5
Bei Schizophrenien: Akutbehandlung 2–10 mg i.m. im Abstand von 7 Tagen; Erhaltungsdosis 4–8 mg i.m. alle 7 Tage. 5 Die wöchentliche Fluspirilendosis soll annähernd der täglichen oralen Haloperidoldosis entsprechen. Nebenwirkungen 5
Initiale Müdigkeit über 1–2 Tage (zumindest nach der 1. Injektion häufig).
3.14 · Präparate
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Häufig: EPS (v. a. Akathisie) und vegetative Nebenwirkungen (insbesondere in den ersten Tagen nach Injektion); auch kardiale Nebenwirkungen; selten: Krampfanfälle, Delir. 5 Aufgrund des PVP-Gehaltes (Polyvidon) kann nicht ausgeschlossen werden, dass es nach häufiger oder längerdauernder Anwendung in sehr seltenen Fällen zu einer Speicherung von PVP im retikuloendothelialen System (RES) oder zu lokalen Ablagerungen und Fremdkörpergranulomen kommen kann, die zur Verwechselung mit Tumoren Anlass geben können. Kontraindikationen (7 Kap. 3.7) 5 5
Schwere Depressionen. Relative Kontraindikationen: Leukopenie, ausgeprägte arterielle Hypotonie bzw. orthostatische Dysregulation, schwere Lebererkrankungen, hirnorganische Erkrankungen und Epilepsie in der Vorgeschichte, Morbus Parkinson, prolaktinabhängige Tumore, aus der Vorgeschichte bekanntes malignes neuroleptisches Syndrom. 5 Injektion in Gewebe mit verminderter Durchblutung (Sehnen-, Fettgewebe u. a.) und s.c.-Injektion vermeiden; bei Nierenfunktionsstörungen verlangsamte Ausscheidung von PVP beachten. Interaktionen (7 Kap. 3.8) 5
In Kombination mit Antihistaminika wie Terfenadin und Astemizol (QTc-Verlängerung im EKG mit Gefahr von Rhythmusstörungen).
Bewertung
Konventionelles Depot-AP mit der Besonderheit einwöchiger Injektionsintervalle. ! Wegen EPS-Risiko ist Fluspirilen als »Wochentranquilizer« nicht zu
empfehlen.
Haloperidol
Antipsychotikum
Butyrophenon Haldol-Janssen (Janssen-Cilag) Tbl. 1, 2, 5, 10, 20 mg (50 Tbl.) Trpf. 2 mg=20 Trpf.=1 ml (30, 100 ml) 10 mg=20 Trpf.=1 ml (30, 100 ml) (Haldol-Janssen forte)
Haloperidol HEXAL (Hexal) Tbl. 2, 5, 10 mg Trpf. 2, 10 mg=20 Trpf.=1 ml Haloperidol Desitin (Declimed) Tbl. 2, 5, 10 mg
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Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
Haloper von ct (ct-Arzneimittel) Tbl. 1, 2, 5 mg Trpf. 2, 10 mg=20 Trpf.=1 ml Haloperidol-neuraxpharm (neuraxpharm) Tbl. 1, 4, 5, 12, 20 mg Trpf. 2, 10 mg=20 Trpf.=1 ml (Haloperidol-neuraxpharm forte) Amp. 5 mg/1 ml
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Haloperidol Stada (Stada) Tbl. 1 mg Trpf. 2 mg=20 Trpf.=1 ml Sigaperidol (Alpharma-Isis) Tbl. 1, 5, 10 mg Trpf. 2, 10 mg=20 Trpf.=1 ml
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Haloperidol-ratiopharm (ratiopharm) Tbl. 1, 2, 5, 10 mg Trpf. 2 mg=20 Trpf.=1 ml Amp. 5 mg=1 ml
Depotpräparat (nur i.m.)
Haloperidoldecanoat Haldol-Janssen Decanoat (Janssen-Cilag) Amp. 50 mg/1 ml (1,5 Amp., 10 ml Durchstechfl.) 150 mg/3 ml (1,5 Amp) Pharmakodynamik 5
Hauptsächlich Blockade von D2-, aber auch α1-Rezeptoren, kaum messbare Blockade von mACh-, H1- und 5-HT2-Rezeptoren.
Pharmakokinetik 5
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Oral: Tmax=1,5–3,5 h; t½=12–36 h; Bioverfügbarkeit: ca. 60%; Plasmaproteinbindung 92%. 5 Hauptmetabolit: reduziertes Haloperidol. 5 Depot: Tmax=1–7 Tage mit t½=ca. 3 Wochen. 5 Plasmakonzentration: 5–17 ng/mlp, bei Negativsymptomatik Absenkung auf bis zu 2 ng/ml offenbar vorteilhaft. Indikationen und Behandlungshinweise
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Akute psychotische Syndromez. Katatone Syndromez. Delirante u. a. exogen-psychotische Syndromez. Chronisch verlaufende endogene und exogene Psychosenz. Maniforme Syndromez. Psychomotorische Erregungszuständez; in der Akutpsychiatrie häufig unverzichtbar, 7 Kap. 12.2. 5 Injektionslösung (i.v. und i.m.): Zur Basisbehandlung und zur Behandlung von Krankheitsschüben der Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreisz und zur Behandlung akuter Verschlechterungen chronisch therapieresistenter Schizophrenien sowie psychomotorischer Erregungszustände psychotischer Genesez. 5 5 5 5 5 5
3.14 · Präparate
247
5
Zusätzlich in niedriger Dosis: dyskinetische Syndrome und Tic-Erkrankungen (z. B. Chorea Huntington, Gilles-de-la-Tourette-Syndrom)z. 5 Kombinationstherapie bei Behandlung chronischer oder schwerer Schmerzen (nicht als Monotherapie)z. 5 Falls andere Therapiemöglichkeiten unmöglich oder nicht erfolgreich sind: Erbrechenz, Stottern(z), nichtpsychotische Angstsyndrome(z), Autismusz. 5 Bei älteren Patienten mit nicht-schizophrenen Verhaltensstörungen(z), z. B. Unruhezuständen im Rahmen von demenziellen Syndromen: ! Bei zerebrovaskulären Risikofaktoren wahrscheinlich erhöhtes
Schlaganfallrisiko unter Haloperidol. 5
Routineuntersuchungen: . Tabelle 3.7.
Dosierung 5
Erhaltungsdosis 5–15 mg/Tag oral (in Ausnahmefällen stationär bis zu 40 mg auch über mehrere Wochen). 5 Bei Erregungszuständen können 5–10 mg i.m. oder i.v. injiziert werden; innerhalb der ersten 24 h: keine Überschreitung von 50 mg parenteral oder 100 mg oral (nur in schweren Akutsituationen). Bei älteren Patienten deutlich niedrigere Dosen. ! Kardiovaskuläres Risiko unter Höchstdosen vom Haloperidol erhöht,
deshalb diese Höchstdosen nur unter intensivmedizinischer Kontrolle verabreichen. 5
Neue Untersuchungsergebnisse legen eher niedrigere Dosen zur Behandlung der Positivsymptomatik nahe; bei notwendiger Sedierung ist eine vorübergehende Benzodiazepinbegleitmedikation zu empfehlen. 5 Umrechnung von i.m. auf oral: 1–1,5fache i.m.-Dosis als orale Dosis. 5 Decanoat: 100–200 mg i.m. alle 4 Wochen zur Symptomsuppression; Rezidivprophylaxe: 25–150 mg alle 4 Wochen; bei oraler Dosis von 6 mg auf 50–100 mg Depot, von 15 mg auf 200 mg Depot umstellen; bei älteren Patienten 25–50 mg Depot. Zur Problematik der Langzeitbehandlung mit konventionellen AP 7 Kap. 3.11. 5 »Faustregel«: 10 (–15)×(orale Dosis/Tag) = Depotdosis pro 4-wöchiges Injektionsintervall. Nebenwirkungen 5 5
Häufig: dosisabhängige EPS. Im Vergleich zu trizyklischen AP selten vegetative Nebenwirkungen (Hypotonie und Sedierung v. a. nach i.v. Gabe und hoher Dosis).
3
248
1 2 3 4 5 6 7 8
5
Müdigkeit, selten Unruhe, Erregung, Benommenheit, depressive Verstimmungen (insbesondere bei Langzeitbehandlung), Lethargie, Schwindelgefühl, Kopfschmerz. 5 Zerebrale Krampfanfälle, Temperaturdysregulation, Sprach-, Gedächtnis- und Schlafstörungen. 5 Kardiovaskuläre Effekte: Gelegentlich Hypotonie bzw. orthostatische Dysregulation und reflektorische Tachykardie; sehr selten Verlängerung des QT-Intervalls und/oder ventrikuläre Arrhythmien vorzugsweise bei parenteraler Anwendung. Daher Vorsicht bei möglichen QTcVerlängerungen aus anderen Gründen (QT-Syndrom, Hypokaliämie, andere Pharmaka). Ventrikuläre Arrhythmien sind häufiger bei hohen Dosen und prädisponierten Patienten. 5 Sehr selten: Störungen des Glukosestoffwechsels (Hypoglykämie) sowie der ADH-Sekretion (Schwartz-Bartter-Syndrom, SIADH); Leukopenie, Thrombopenie, Eosinophilie und Panzytopenie, Agranulozytose. I5 In Einzelfällen Bein- und Beckenvenenthrombosen, Priapismus. Kontraindikationen (7 Kap. 3.7) 5
9 10 11 12 13 14 15 16 17
Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
Relative Kontraindikationen: Besondere Vorsicht bei akuten Alkohol-, Opioid-, Hypnotika- oder Psychopharmaka-Intoxikationen, Lebererkrankungen und Niereninsuffizienz, kardialer Vorschädigung (besonders QT-Zeit-Auffälligkeiten), prolaktinabhängigen Tumoren, schwerer orthostatischer Dysregulation, Morbus Parkinson (nur in Ausnahmefällen, bei Verschlechterung Therapieabbruch), schwerer Depression, Erkrankungen des hämatopoetischen Systems, anamnestisch bekanntem malignen neuroleptischen Syndrom, hirnorganischen Erkrankungen und Krampfanfällen (anamnestisch und bei Alkoholentzug), da Grand-mal-Anfälle auftreten können (bei Epileptikern antikonvulsive Therapie beibehalten); Hyperthyreose (nur bei gleichzeitiger adäquater thyreostatischer Therapie)
Interaktionen (7 Kap. 3.8) 5
20%ige Erhöhung des Plasmaspiegels unter Fluoxetin, auch unter Fluvoxamin; Erhöhungen durch TZA (um 50%), Alprazolam, Buspiron (um 26%). Erniedrigung durch Carbamazepin, Phenytoin, Phenobarbital, Rauchen (10–50%). 5 In Kombination mit Antihistaminika wie Terfenandin und Astemizol QTc-Verlängerung mit Gefahr von Rhythmusstörungen. Bewertung
Hochpotentes konventionelles AP. In psychiatrischen Notfallsituationen derzeit unverzichtbar.
249
3.14 · Präparate
Trizyklisches Antipsychotikum
Levomepromazin
Phenothiazin mit aliphatischer Seitenkette Levium (Hexal) Tbl. 25, 100 mg Levomepromazin-neuraxpharm (neuraxpharm) Tbl. 10, 25, 50, 100 mg Trpf. 40 mg/1 ml Amp. 25 mg/1 ml
Neurocil (Bayer Vital) Tbl. 25 mg (20, 50 Tbl.) 100 mg (50 Tbl.) Trpf. 40 mg=40 Trpf.=1 ml (30, 50, 100 ml Pipettenfl.) Amp. 25 mg/1 ml (5 Amp.)
Pharmakodynamik 5
Schwache Blockade von D2-Rezeptoren, daher nur schwach antipsychotisch wirksam. 5 Stark sedierende Komponente mit anticholinerger und adrenolytischer Wirkung, aber auch Blockade von 5-HT2- und H1-Rezeptoren. Pharmakokinetik 5
Tmax=2–3 h (nach i.m.-Injektion 30–90 min); t½=ca. 24 h (16–78 h); orale Bioverfügbarkeit: ca. 50%; Plasmaproteinbindung >90%. 5 Plasmakonzentration: 15–60 ng/ml(p). Indikationen und Behandlungshinweise 5 5 5 5
5
Sedierung bei psychomotorischen Unruhe- und Erregungszuständen im Rahmen psychotischer Störungenz. Akute Erregungszustände bei manischen Episoden(z). Kombinationstherapie bei der Behandlung von schweren und/oder chronischen Schmerzenz. Vor Behandlungsbeginn sollten kardiovaskuläre Störungen ausgeschlossen sein; bei älteren Patienten nur niedrige Dosierung. Keine Kombination mit Substanzen mit anticholinerger Komponente. Routineuntersuchungen: . Tabelle 3.7.
Dosierung 5
In der psychiatrischen Notfallsituation: 25–50 mg i.m. (ältere Patienten: 25 mg), bei Bedarf mehrmalige Wiederholung bis maximal 150 mg/ Tag. 5 Oral: bei stationärer Behandlung einschleichend 75–100 mg/Tag, dann Steigerung auf bis zu 300 mg/Tag, in schweren Fällen bis 600 mg/Tag. Auch als Tropfen verfügbar.
3
250
1 2 3 4 5 6 7
5
Bei nicht akuter Situation einschleichend 15–30 mg/Tag oral beginnen, Erhaltungsdosis 75–150 mg/Tag.
Nebenwirkungen 5
Sehr häufig: vor allem zu Behandlungsbeginn, in höheren Dosierungen und parenteral: Müdigkeit, vegetative Nebenwirkungen, insbesondere ausgeprägte orthostatische Dysregulation und Kollapsneigung, Hypotonie, Tachykardie. 5 Selten: dosisabhängige EPS. 5 i.m.-Injektionen können schmerzhafte Infiltrationen hinterlassen; zu Risiken bei i.v.-Injektionen: 7 Kap. 3.6. Kontraindikationen (7 Kap. 3.7) 5 5
8 9
Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
Kreislaufschock, Störungen der Hämatopoese. Relative Kontraindikationen: Leber- und Nierenerkrankungen; Prostatahypertrophie, Harnverhalt, Glaukom; kardiale Vorschädigung und bekannte orthostatische Dysregulation. Vorsicht bei Patienten mit organischen Hirnerkrankungen, Morbus Parkinson, prolaktinabhängigen Tumoren.
Interaktionen (7 Kap. 3.8) 5
12
Bei Kombination mit anderen zentral dämpfenden Medikamenten: verstärkte Sedierung und Atemdepression. 5 Gegenseitige Wirkungsverstärkung mit Alkohol. 5 Wechselseitige Beeinflussung des hepatischen Metabolismus bei Kombination mit TZA und bestimmten SSRI (7 Kap. 16). 5 Mit Diphenhydramin, Doxylamin und Promethazin verstärkte Sedierung und anticholinerge Nebenwirkungen.
13
Bewertung
10 11
14 15 16 17
Niedrigpotentes konventionelles AP mit ausgeprägten vegetativen, v. a. kardiovaskulären Nebenwirkungen, zur Sedierung bei psychomotorischen Erregungszuständen. Für diese Indikation haben Benzodiazepine, niedrigpotente Butyrophenonderivate (Melperon, Pipamperon) und wahrscheinlich auch atypische AP (u. a. Olanzapin und Ziprasidon i.m.) ein günstigeres Nebenwirkungsprofil; daher Einsatz nur in Ausnahmefällen und bei Versagen geeigneter Alternativen.
3.14 · Präparate
Melperon
251
Antipsychotikum
Butyrophenon Eunerpan (Knoll Deutschland) Drg. 10, 25, 50, 100 mg (20, 50, 100 Drg.) Lsg. 5 mg=1 ml (200 ml) Amp. 50 mg/2 ml (5 Amp.) (nur i.m.) Harmosin (Temmler) Tbl. 25, 100 mg Lsg. 5 mg=1 ml Melneurin (Hexal/Neuro Hexal) Tbl. 25, 100 mg Lsg. 5 mg=1 ml Melperomerck (Merck dura) Tbl. 25, 100 mg Melperon AL (Aliud Pharma) Tbl. 25 mg Lsg. 5 mg=1 ml Melperon beta (betapharm) Tbl. 25, 100 mg Lsg. 5 mg=1 ml
Melperon-ratiopharm (ratiopharm) Tbl. 25, 50, 100 mg Lsg. 5 ml=1 ml Melperon Sandoz (Sandoz) Tbl. 10, 25, 50, 100 mg Lsg. 5 mg=1 ml Melperon Stada (Stada) Tbl. 25, 100 mg Lsg. 5 mg=1 ml Melperon-Teva (Teva) Tbl. 25, 100 mg Lsg. 5 mg=1 ml Melperon von ct (ct-Arzneimittel) Tbl. 25, 100 mg Lsg. 5 mg=1 ml Mel-Puren (Alpharma-Isis) Tbl. 25, 100 mg Lsg. 5 mg=1 ml
Melperon-neuraxpharm (neuraxpharm) Tbl. 10, 25, 50, 100 mg Lsg. 5 ml=1 ml Pharmakodynamik
Blockade von 5-HT2-, α1-, deutlich weniger D2-artigen Rezeptoren. Kaum messbare Wirkung auf H1- und mACh-Rezeptoren. Dosisabhängig zunächst affektive Entspannung, bei höherer Dosierung antipsychotisch. 5 Muskelrelaxierend, antiarrhythmisch. 5 5 5
Pharmakokinetik 5
Rasche Resorption nach oraler Gabe mit starkem First-pass-Effekt; Bioverfügbarkeit ca. 60%.
3
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Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
5
Tmax=1–1,5 h; t½=4–6 h, nach i.m.-Applikation und im Steady state 6– 8 h; Bioverfügbarkeit ca. 60%; Plasmaproteinbindung 50%. 5 Rasche, nahezu vollständige hepatische Metabolisierung. 5 Plasmakonzentration: ca. 50 ng/ml(p). ! Nichtlineare Pharmakokinetik von Melperon, die z. B. bei Hemmung
abbauender Enzyme zu überproportionalen Plasmakonzentrationen führen kann.
4
Indikationen und Behandlungshinweise
5 6 7 8 9 10 11
Schlafstörungenz, Verwirrtheitszuständez; psychomotorische Unruhez; Erregungszustände bei Psychosen, Oligophrenie, organisch bedingter Demenz oder alkoholassoziierten Störungenz. 5 Psychoneurosen(z); zugelassen für die Indikation eines Anxiolytikums, wenn dafür Unverträglichkeit oder Abhängigkeitsrisiko besteht. 5 Keine Senkung der Krampfschwelle (im Gegensatz zu den meisten anderen AP). 5 Routineuntersuchungen: . Tabelle 3.7. 5
Dosierung 5
Einschleichender Beginn mit 50–100 mg/Tag bis zu einer Erhaltungsdosis von 2-mal 100 mg/Tag (maximal 600 mg/Tag). 5 Langzeitbehandlung in der Geriatrie: 50–150 mg/Tag. 5 Schlafinduktion: 25–100 mg abends. Nebenwirkungen 5
15
Vegetative Nebenwirkungen seltener als unter trizyklischen AP; Müdigkeit zu Therapiebeginn möglich. 5 Dosisabhängige EPS selten (Spätdyskinesien bisher nicht bekannt). 5 Kein oder nur geringer Einfluss auf Atmung, Kreislauf, Verdauung, Ausscheidung und Leberfunktion; bei gleichzeitiger Einnahme von Alkohol jedoch mögliche Verstärkung der Alkoholwirkung; selten: Hypotonie, orthostatische Dysregulation, Einzelfälle: Herzrhythmusstörungen, passagere Leberenzymerhöhungen, in Ausnahmefällen Blutzellschäden.
16
Kontraindikationen (7 Kap. 3.7)
17
5 5
12 13 14
Hochgradige Leberinsuffizienz; hereditäre Fructosintoleranz (Saft). Relative Kontraindikationen: kardiale Vorschädigung (wegen möglicher Hypotonie), Blutbildveränderungen, prolaktinabhängige Tumoren, schwere Hypotonie oder orthostatische Dysregulation, Morbus Parkinson.
253
3.14 · Präparate
Interaktionen (7 Kap. 3.8) 5
Vom Hersteller besonderer Hinweis auf mögliche pharmakodynamische Interaktionen mit Anticholinergika, Dopaminagonisten und -antagonisten. 5 Melperon hemmt CYP 2D6. Es sollte daher nicht mit Substraten von CYP 2D6, z. B. Venlafaxin, Nortriptylin oder Codein, kombiniert werden (. Tabelle 16.4). Bewertung
Niedrigpotentes AP mit breitem Einsatzspektrum; aufgrund der fehlenden anticholinergen Komponente und seltenen EPS zur Sedierung bei psychomotorischen Erregungszuständen und zur Schlafinduktion besonders in der Gerontopsychiatrie geeignet. Auf potenzielles Interaktionsrisiko achten!
Olanzapin
Trizyklisches Antipsychotikum
Thienobenzodiazepin Zyprexa (Lilly) Tbl. 2,5, 5 mg (28, 56 Tbl.) 7,5 mg (56 Tbl.) 10, 15 mg (28, 56 Tbl.) 20 mg (28 Tbl.) Schmelztbl. 5, 10, 15 mg (28, 56 Schmelztbl.) 20 mg (28 Schmelztbl.) Amp. 10 mg (nur i.m.) (5, 10 Amp.) Pharmakodynamik 5
In erster Linie Blockade von mACh-, 5-HT2-, D1–5-Rezeptoren, außerdem von α½- und H1-Rezeptoren.
Pharmakokinetik 5
Tmax=5–8 h; t½=30–60 h (bei älteren Patienten verlängert); Bioverfügbarkeit ca. 80%; Plasmaproteinbindung 93%. 5 Hepatische Konjugation und Oxidation, Metabolisierung über CYP 1A2 und 2D6 (7 Kap. 16). 5 Steady state nach 5–7 Tagen. 5 Plasmakonzentration: 20–80 ng/mlp.
3
254
1 2
Indikationen und Behandlungshinweise 5 5 5
3 4
Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
5 5
5
Schizophrenie, auch zur Aufrechterhaltung der klinischen Besserung bei Patienten, die initial auf die Behandlung angesprochen habenz. Mäßig schwere bis schwere manische Episodenz (7 Kap 2.4.1). Zur Phasenprophylaxe bei Patienten mit bipolaren Störungen, deren manische Phase auf eine Behandlung mit Olanzapin angesprochen hatz (7 Kap 2.4.1). Hinweise auf Wirksamkeit auch bei Patienten mit drogeninduzierten Psychosen. Hinweise auf Wirksamkeit bei Patienten mit wahnhafter Depression und therapierefraktären depressiven Störungen und therapierefraktären Zwangsstörungen. Hinweis auf Wirksamkeit zur symptomatischen Behandlung von Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörungen.
6
5
7
! Olanzapin ist nicht zur Behandlung psychotischer Symptome im Rah-
men einer Demenz indiziert (Kap. 6.3).
8 9 10
5
Bei langfristiger Behandlung wahrscheinlich erhöhtes Risiko für Diabetes mellitus (7 Kap. 3.6 und . Tabelle 3.4); daher regelmäßige Blutzuckerkontrollen, bei Diabetikern ggf. Umstellung. 5 Routineuntersuchungen: . Tabelle 3.7. Dosierung 5
12
Anfangsdosis: bevorzugt 10 mg/Tag als Einmalgabe (bei älteren Patienten initial 2,5–5 mg), vorzugsweise zur Nacht; Erhaltungsdosis 5–20 mg. 5 In der Akutpsychiatrie sind vorübergehend manchmal höhere Dosis nötig (initial 20 mg, Tagesdosis 30–40 mg).
13
Nebenwirkungen
14
5 5
11
15 16 17
Sehr häufig: Sedierung, Appetitsteigerung und Gewichtszunahme. Häufig: Erhöhung der PRL-Spiegel (initial), erhöhte Glukosespiegel, erhöhte Triglyzeride, Schwindelgefühl, orthostatische Hypotonie, leichte vorübergehende anticholinerge Effekte einschl. Obstipation und Mundtrockenheit, passagere Leberenzymerhöhung, Ödeme, Eosinophilie. 5 EPS können dosisabhängig auftreten, sind aber deutlich seltener und geringer ausgeprägt als bei konventionellen AP. 5 Bei Patienten mit Parkinson-Syndrom u. U. Verschlechterung der Parkinson-Symptomatik und Auftreten von Halluzinationen; bei älteren Patienten mit Demenz u. a. Gangstörungen und Stürze.
255
3.14 · Präparate
5
Gelegentlich: Bradykardie mit oder ohne Hypotonie und Synkope, Photosensibilisierung, CK-Anstieg. 5 Selten: Leukopenie, Krampfanfälle, Exanthem. 5 In Einzelfällen: Thrombozytopenie, Neutropenie bis zur Agranulozytose; allergische Reaktionen; Entwicklung/Verschlechterung eines Diabetes mellitus und Ketoazidose; malignes neuroleptisches Syndrom; tardive Dyskinesie; Harnverhalt; Pankreatitis, Hepatitis; Priapismus. Kontraindikationen (7 Kap. 3.7) 5 5
Patienten mit bekanntem Risiko eines Engwinkelglaukoms. Relative Kontraindikationen: Sorgfältige Risiko-Nutzen-Abwägung bei Patienten mit Adipositas oder Diabetes mellitus bzw. Risikofaktoren für die Entwicklung eines Diabetes mellitus, dann geeignete ärztliche Überwachung; Prostatahypertrophie; Morbus Parkinson; Leberfunktionsstörungen oder gleichzeitige Behandlung mit möglicherweise hepatotoxischen Substanzen; Leukopenien und/oder Neutropenie jeglicher Ursache; Krampfanfälle in der Anamnese; kardiale Vorschädigung. 5 Nicht empfohlen bei älteren Patienten mit Demenz oder ParkinsonSyndrom (s. o.). 5 Hinweis: Die gleichzeitige Gabe von i.m. Olanzapin und einem parenteralen Benzodiazepin wurde nicht untersucht und wird daher vom Hersteller nicht empfohlen. Interaktionen (7 Kap. 3.8) 5
Verstärkter Metabolismus (CYP 1A2) bei gleichzeitiger Carbamazepineinnahme und durch Rauchen; verlangsamter Abbau und Anstieg (bis zu 3-fach, im Mittel 60%) des Plasmaspiegels von Olanzapin durch Fluvoxamin.
Bewertung
Atypisches AP, auch bei Manien im Rahmen bipolarer Störungen wirksam. ! Auf Gewichtszunahme und Diabetesinduktion (angemessene Kon-
trollen!) unter Olanzapin besonders achten
Trizyklisches Antipsychotikum Phenothiazin mit Piperazinylseitenkette
Perazin
Perazin-neuraxpharm (neuraxpharm) Tbl. 25, 100, 200 mg
Taxilan (Promonta Lundbeck) Drg. 25, 100 mg (20, 50, 100 Drg.) Tbl./Drg. 100 mg (20, 50, 100 Tbl.) Trpf. 44 mg=22 Trpf.=1 ml (30, 100 ml) Amp. 50 mg=2 ml (10 Amp.) (i.m., nicht i.v.!)
3
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1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Pharmakodynamik 5
AP aus der Reihe der Phenothiazine mit hoher Affinität zu D2-artigen Rezeptoren, H1-, α1- und mACh-Rezeptoren.
Pharmakokinetik 5
Schneller Wirkungseintritt, Tmax=1–4 h; t½=ca. 35 h; Plasmaproteinbindung 94–97%. 5 Metabolit: Desmethylperazin. Steady state nach 7–8 Tagen. 5 Plasmakonzentration: 100–230 ng/ml(p). Indikationen und Behandlungshinweise
Psychomotorische Unruhez und Erregungszustände bei Psychosenz. Verwirrtheitszustände(z), Erregungszustände bei Oligophrenie(z), organisch bedingter Demenz(z) oder alkoholassoziierten Störungen(z). 5 Schlafstörungenz. 5 Psychoneurosen, wenn Tranquilizer wegen Unverträglichkeit oder Abhängigkeitsrisiko nicht gegeben werden können(z). 5 Routineuntersuchungen: . Tabelle 3.7. 5 5
Dosierung 5
Oral: Einschleichender Beginn während der ersten Tage. Erhaltungsdosis 75–600 mg; Höchstdosis stationär 800 mg, ambulant 300 mg. 5 Parenteral: bei Erregungszuständen Beginn mit 3-mal 50 mg (im Abstand von 30 min), auch i.m.-Gabe möglich (keine i.v.-Gabe); in den ersten 24 h nicht mehr als 500 mg. Nebenwirkungen 5
13 5
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Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
5
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5
17
5
Dosisabhängige EPS und vegetative Nebenwirkungen (Mundtrockenheit, Akkommodationsstörungen, Obstipation, in Kombination mit Anticholinergika Delirprovokation möglich). Häufig: Sedierung, passagere Erhöhung der Leberenzyme, Hypotonie bzw. orthostatische Dysregulation, Tachykardie, klinisch nicht bedeutsame EKG-Veränderungen. Gelegentlich: Blutbildveränderungen (v. a. Neutropenie nach AMÜPErgebnissen), Störungen der Speichelsekretion, Photosensibilisierungen, allergische Hauterscheinungen. Selten: Thrombopenie, Epistaxis, Krampfanfälle, Leberschädigungen (hohe Dosen). In Einzelfällen: Verwirrtheitszustände, respiratorische Störungen, Agranulozytose, nekrotisierende Enteritis, Lupus erythematodes-ähnliche Syndrome.
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3.14 · Präparate
Kontraindikationen (7 Kap. 3.7) 5 5
Bekannte schwere Blutzell- oder Knochenmarksschädigung. Relative Kontraindikationen: Leukopenie und andere Störungen der Hämatopoese; prolaktinabhängige Tumore; schwere Lebererkrankungen; kardiale Vorschädigung, schwere Hypertonie; Epilepsie; Morbus Parkinson; Engwinkelglaukom, Miktionsstörungen, insbesondere bei Prostatahypertrophie, Pylorusstenose.
Interaktionen (7 Kap. 3.8) 5
Mit Diphenhydramin, Doxylamin und Promethazin verstärkte Sedierung und anticholinerge Nebenwirkungen. 5 Unter gleichzeitiger Östrogeneinnahme evtl. höhere Perazinplasmaspiegel. 5 Bei Kombination mit Arzneimitteln, die CYP 3A4 oder CYP 2C9 hemmen evtl. höhere Perazinplasmaspiegel (7 Kap. 16). Bewertung
Mittelpotentes AP mit sedierender und anticholinerger Komponente. Mittel der zweiten Wahl, wenn atypische AP nicht indiziert sind.
Perphenazin
Trizyklisches Antipsychotikum
Phenothiazin mit Piperazinylseitenkette Decentan (Merck) Tbl. 4, 8 mg (20, 50 Tbl.) Trpf. 4 mg=20 Trpf.=1 ml (14 ml Tropffl., 100 ml Dosierpip.)
Perphenazin (neuraxpharm) Tbl. 8 mg (20, 50, 100 Tbl.)
Depotpräparat (nur i.m.) Perphenazinenanthat Decentan-Depot (Merck) Amp. 100 mg=1 ml (1,5 Amp.; 10 ml Injfl.) (=76 ng Perphenazin) Pharmakodynamik 5
In erster Linie Blockade von D2-Rezeptoren, weitaus geringere Affinität zu 5-HT2-, H1- und α1-Rezeptoren, kaum messbare Blockade von mACh-Rezeptoren. 5 Hochpotentes AP mit starker antiemetischer Komponente.
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Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
Pharmakokinetik 5 5 5 5 5
Oral: Tmax=1–4 h; t½=8–12 h; Bioverfügbarkeit ca. 40%; Plasmaproteinbindung 90–95%. Nahezu vollständige hepatische Metabolisierung. Depot: nach Injektion rascher Anstieg mit Tmax=2–3 Tage; t½ (Freisetzungshalbwertszeit) =4–6 Tage. Wirkungsdauer bei 100 mg i.m.: ca. 14 Tage. Plasmakonzentration: 0,8–2,4 ng/mlp.
Indikationen und Behandlungshinweise
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5
Psychotische Störungen, z. B. akute und chronische Schizophrenien, insbesondere bei Positivsymptomen (katatone und akute paranoide Formen)z. 5 Manienz. 5 Psychomotorische Erregungszustände psychotischer Genesez. 5 Routineuntersuchungen: . Tabelle 3.7. Dosierung
8 9
5
Akute antipsychotische Symptomatik: bis zu 24 mg/Tag oral; Erhaltungsdosis 8–12 mg/Tag. 5 Langzeitmedikation: 50–200 mg im Abstand von 2–4 Wochen i.m. Nebenwirkungen
10 11 12 13 14 15
5
Dosisabhängige EPS und Prolaktinerhöhung, relativ häufig Gewichtszunahme. 5 Vor allem initial erhöhte Müdigkeit (Depot: anscheinend stärkere sedierende Wirkung als andere Depotpräparate) Schlafstörungen; auch Mundtrockenheit, Sehstörungen; Kreislaufwirkungen. 5 Erhöhung der Krampfbereitschaft (bei Patienten mit Epilepsie und Hirnschäden muss die Dosis des Antiepileptikums ggf. erhöht werden); Photosensibilierung, mögliche Linsen- und Cornea-Trübung bei Langzeitanwendung; sehr selten Neutropenie und Agranulozytose. Kontraindikationen (7 Kap. 3.7) 5 5
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Morbus Parkinson. Relative Kontraindikationen: Leber- und Nierenerkrankungen; kardiale Vorschädigung, schwere organische Hirnerkrankungen; prolaktinabhängige Tumoren; Vorsicht bei depressiven Zustandsbildern.
Interaktionen (7 Kap. 3.8) 5 5
Unter gleichzeitiger Östrogeneinnahme evtl. höhere Plasmaspiegel. Erhöhte Plasmaspiegel des AP unter Kombination mit Paroxetin oder Fluoxetin und vermehrte Nebenwirkungen durch Hemmung von
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3.14 · Präparate
CYP 2D6. Bei wahnhafter Depression jedoch Kombination mit Fluoxetin besser verträglich als mit TZA. Bewertung
Hochpotentes konventionelles AP.
Antipsychotikum
Pimozid
Diphenylbutylpiperidin
Orap (Janssen-Cilag) Tbl. 1 mg (75 Tbl.) 4 mg (20, 50 Tbl.) (Orap forte) Dosierung 5 5
Einschleichender Beginn mit 2–4 mg, Erhaltungsdosis 2–8 mg/Tag. Höchstdosis für die routinemäßige Behandlung 16 mg/Tag; nur bei höherer Dosierung zweimalige Gabe pro Tag.
Bewertung
Hochpotentes konventionelles AP zur Erhaltungstherapie bei chronischen Schizophrenienz. Wegen vorhandenen risikoärmeren Alternativen ist die Verordnung nicht zu empfehlen. ! Hohes kardiotoxisches Risiko (7 Kap. 3.6), QTc-Verlängerung und ma-
ligne Arryhthmien (Torsade de pointes), häufige EKG-Kontrollen nötig, hohes Interaktionsrisiko (eine Kombination mit Sertralin ist wegen der geringen therapeutischen Breite von Pimozid kontraindiziert). Schwere Leberfunktionsstörungen und Parkinsonsyndrom möglich.
Pipamperon
Antipsychotikum
Butyrophenon Dipiperon (Janssen-Cilag) Tbl. 40 mg (50, 100 Tbl.) Saft 4 mg=1 ml (200 ml Saft)
Pipamperon-neuraxpharm (neuraxpharm) Tbl. 40 mg (50, 100 Tbl.) Saft 4 mg=1 ml (200 ml, 300 ml Saft)
3
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Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
Pharmakodynamik
Antagonist am 5-HT2-Rezeptor; deutlich weniger an D2-, α1- und H1Rezeptoren. 5 Keine Wirkung auf mACh-Rezeptoren. 5
Pharmakokinetik 5 Nach oraler Einnahme nur langsame Resorption. 5 t½=3 h.
Indikationen und Behandlungshinweise
5 6 7
Psychomotorische Erregungszustände und Aggressivitätz. Schlafstörungen, Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmusz. Verwirrtheitszustände, Stimmungslabilität, Dysphorie, Affektverarmung(z). 5 Routineuntersuchungen: . Tabelle 3.7. 5 5 5
Dosierung
8
5
9
Einschleichender Beginn mit 3-mal 40 mg; Erhaltungsdosis 360 mg/ Tag (höhere Dosen möglich); in der Geriatrie häufig schon 60–120 mg/ Tag ausreichend; bei Schlafstörungen 20–80 mg zur Nacht.
Nebenwirkungen
10
5
12
Vegetative Nebenwirkungen können auftreten, jedoch wegen der fehlenden anticholinergen Komponente seltener als bei trizyklischen AP. Gering ausgeprägte dosisabhängige EPS. 5 Gelegentlich: Depressivität, Müdigkeit, Krampfanfälle. 5 In Einzelfällen: Asystolie, QTc-Verlängerung und andere EKG-Veränderungen, Stevens-Johnson-Syndrom.
13
Kontraindikationen (7 Kap. 3.7)
11
5
14 15 16 17
Aufgrund des Gehaltes an D-Glucitol nicht bei hereditärer Fructoseintoleranz (Saft). 5 Relative Kontraindikationen: Morbus Parkinson und andere Hirnstammerkrankungen, kardiale Vorschädigung, insbesondere Patienten mit verlängerter QTc-Zeit, schwere Leberfunktionsstörungen, prolaktinabhängige Tumore; Vorsicht bei Blutbildveränderungen. Interaktionen (7 Kap. 3.8) Bewertung
Aufgrund der fehlenden anticholinergen Komponente und geringem EPSRisiko zur Sedierung bei psychomotorischen Erregungszuständen und zur Schlafinduktion besonders in der Geriatrie geeignet.
3.14 · Präparate
Promazin
261
Trizyklisches Antipsychotikum
Phenothiazin mit aliphatischer Seitenkette Sinophenin (Rodleben) Tbl. 25 mg (20, 50, 1000 Tbl) Trpf. 20 mg/1 ml (20 ml) Amp. 250 mg/1 ml (5, 10 Amp) Dosierung 5
Einschleichend bis 300 mg/Tag (maximal 600 mg/Tag). Parenteral akut: 50–100 mg i.m./Tag (Wiederholungen bis zu 200 mg/Tag möglich).
Bewertung
Niederpotentes konventionelles AP mit typischen Nebenwirkungen und Kontraindikationen. Auch als Zusatztherapie zur Sedierungz für die psychiatrische Pharmakotherapie entbehrlich, da risikoärmere Alternativen vorhanden sind. Reservemedikation u. a. bei Erbrechenz und Unruhezuständenz.
Prothipendyl
Trizyklisches Antipsychotikum
Azaphenothiazin Dominal (AWD pharma) Drg. 40 mg (20, 50 Drg.) (Dominal forte) Tbl. 80 mg (20, 50 Tbl.) (Dominal forte) Trpf. 50 mg=20 Trpf.=1 ml (15, 100 ml) Amp. 40 mg/2 ml (5 Amp.) Dosierung 5
Einschleichend bis 240–320 mg/Tag für antipsychotischen Effekt (maximal 1000 mg/Tag). Bei Schlafstörungen 40–80 mg abends. I.m.-Injektionen möglich.
Bewertung
Wegen schwacher antipsychotischer Wirkung als Basisneuroleptikum nicht geeignet. Stellenwert in der psychiatrischen Pharmakotherapie allenfalls als Zusatzmedikation bei hartnäckigen Einschlafstörungen z bei Versagen anderer Hypnotika.
3
262
1
Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
Trizyklisches Antipsychotikum
Quetiapin
Dibenzothiazepin
2 3 4
Seroquel (AstraZeneca) Filmtbl. 25, 100, 200, 300 mg (20, 50, 100 Tbl.) Pharmakodynamik 5
5 6 7 8 9
Starterpack 10 Filmtbl. (6 St. 25 mg, 3 St. 100 mg, 1 St. 200 mg)
In erster Linie Blockade von 5-HT2-, D2-artigen und α1-Rezeptoren; außerdem von 5-HT1-, D1-, D3-, α2- und H1-Rezeptoren; keine Affinität zu D4- und mACh-Rezeptoren.
Pharmakokinetik 5
Tmax=ca. 1,5 h; t½=ca. 7 h (bei älteren Patienten verlängert); orale Bioverfügbarkeit nur ca. 9%; Plasmaproteinbindung 83%. 5 Extensive hepatische Metabolisierung über CYP 3A4 (Kap. 16) mit 20 zumeist pharmakologisch inaktiven Metaboliten (7-OH-Quetiapin mit möglicher Wirksamkeit). 5 Steady state nach 1–2 Tagen. 5 Plasmakonzentration: 70–170 ng/ml(p).
10
Indikationen und Behandlungshinweise
11
5 5
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5 5
5 5
Schizophreniez. Mäßig schwere bis schwere manische Episoden im Rahmen bipolarer Störungenz. Hinweise für die Wirksamkeit zur Prophylaxe manischer Episoden bei bipolaren Störungen (7 Kap. 2.4). Bei psychotischen Symptomen im Rahmen eines Morbus Parkinson (auch medikamenteninduziert) und einer Demenz vom Lewy-Körperchen-Typ (DLB) in niedriger Dosierung (25–150 mg/Tag) wirksam. Hinweise für die Wirksamkeit bei therapieresistenten Zwangsstörungen in Kombination mit Antidepressiva. Hinweise auf günstige Wirkung bei Aggressivität und Impulskontrollstörungen im Rahmen von Persönlichkeitsstörungen; zur Anxiolyse bei Borderline-Persönlichkeitsstörungen (i. d. R. in niedriger Dosierung). Routineuntersuchungen: . Tabelle 3.7.
16
5
17
Dosierung 5
Empfehlungen des Herstellers: Bei der Behandlung von Schizophrenien: mit 50 mg/Tag beginnen, in den ersten 4 Tagen Steigerung auf 300 mg/Tag.
3.14 · Präparate
263
5
Bei der Behandlung manischer Episoden Beginn mit 100 mg, Steigerung um 100 mg täglich in den ersten 4 Tagen (dann ggf. Steigerung um maximal 200 mg täglich bis 800 mg). 5 Erhaltungsdosis (auf 2 Einnahmezeitpunkte verteilt) 300–450 mg (maximal 750 mg/Tag). 5 Auch raschere Aufdosierungen und höhere Maximaldosierungen (stationär bis 1600 mg, ambulant bis 1000 mg) werden bei beiden Indikationen i. d. R. gut vertragen. 5 Bei älteren Patienten und v. a. bei hirnorganischer Vorschädigung Dosisanpassung (mit 12,5–25 mg/Tag beginnen, langsamere Aufdosierung, maximal 100–150 mg/Tag). Nebenwirkungen 5 5
5 5 5
Häufig: Sedierung, gewöhnlich nur während der ersten zwei Behandlungswochen, bei rascher Aufdosierung eher kürzer. Gelegentlich: Schwächegefühl, Mundtrockenheit, Rhinitis, Verdauungsstörungen, orthostatische Hypotonie; Schwindel; transienter Leberenzymanstieg; Gewichtszunahme; Leukopenie. Selten: Anstieg von Serum-Triglyzeridspiegel, Gesamtcholesterin und γ-GT-Spiegel; Eosinophilie. In Einzelfällen: Ikterus; Krampfanfälle; Priapismus; Ödeme. Geringe, dosisabhängige Senkung der Schilddrüsenhormonspiegel (v. a. T4) mit Maximum in den ersten 2–4 Behandlungswochen.
Kontraindikationen (7 Kap. 3.7) 5
Relative Kontraindikationen: Schwere Leber- und Nierenerkrankungen; Vorsicht bei der Behandlung von Patienten mit bekannten kardiovaskulären oder zerebrovaskulären Erkrankungen oder anderer Störungen, die für Hypotonie anfällig machen, ebenso bei der Behandlung von Patienten mit Krampfanfällen in der Vorgeschichte.
Interaktionen (7 Kap. 3.8) 5
Bei Kombination mit Lithium geringfügiger Anstieg der Lithiumspiegel. 5 Senkung des Plasmaspiegels bei gleichzeitiger Gabe eines Leberenzyminduktors, wie Carbamazepin (7 Kap. 16) oder von Thioridazin. 5 Bei gleichzeitiger Gabe von CYP 3A4-Inhibitoren, zB. Ritonavir, Ketoconazol, Lovastatin, Simvastatin, Erythromycin oder Clarithromycin ist mit einem Anstieg der Plasmakonzentration zu rechnen, mit möglicher Zunahme von Nebenwirkungen. Bisher jedoch kein Hinweis auf klinische Relevanz.
3
264
1 2 3 4 5 6 7 8
Bewertung
Atypisches AP mit anfänglich sedierender Wirkung; auch bei akuten Manien im Rahmen bipolarer Störungen wirksam. Unter den atypischen AP (außer Clozapin) geringstes Risiko für EPS.
Antipsychotikum
Risperidon
Benzisoxazol(piperidin) Risperdal (Janssen-Cilag/Organon) Tbl. 0,5 mg (20, 50 Tbl.) 1, 2, 3, 4 mg (20, 50, 100 Tbl.)
Depotpräparat (nur i.m.) Amp. 25, 37,5, 50 mg/2 ml (1 Applikationsset) (Risperdal Consta)
Lingualtbl. 1, 2 mg (28, 56 Lingualtbl.) (Risperdal Quicklet) Lösung 1 mg=1 ml (30, 100 ml) (Risperdal Lösung) Pharmakodynamik 5
9 10
Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
In erster Linie Blockade von 5-HT2A(C)-, 5-HT7-, D2-, α1-, und α2-Rezeptoren; in geringerem Maße auch H1-Rezeptoren; keine anticholinergen Wirkungen.
Pharmakokinetik 5
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Orale Medikation: Tmax=1–2 h (von 9-Hydroxy-Risperidon 3 h); t½=ca. 3 h (von 9-Hydroxy-Risperidon 24 h); orale Bioverfügbarkeit 66–80%; Plasmaproteinbindung 90% (von 9-Hydroxy-Risperidon 70%). 5 Depotpräparat (Risperdal Consta): Aus der Trockensubstanz wird vor der Injektion eine wässrige Suspension hergestellt, die zur Einhaltung der vorgesehenen Dosierung vollständig injiziert werden sollte. Aufgrund der besonderen Kinetik lässt sich für Risperdal Consta t½ im üblichen Sinne nicht angeben. Wirksame Plasmakonzentrationen werden ab 3 Wochen nach der ersten Injektion erreicht (daher orale Medikation in mindestens diesem Zeitraum erforderlich), Spitzenplasmakonzentrationen werden nach etwa 5 Wochen gemessen. Ein Steady-state ist nach der vierten Injektion (ab der 6. Woche) erreicht. Die Elimination endet etwa 7–8 Wochen nach der letzten Injektion. 5 Plasmakonzentration (einschließlich Metabolit 9-Hydroxyrisperidon): 20–60 ng/ml(p). Indikationen und Behandlungshinweise 5 5
Chronische schizophrene Psychosen einschließlich Exazerbationenz. Akutbehandlung mäßig schwerer bis schwerer manischer Episoden bei bipolaren Störungenz.
3.14 · Präparate
5
5
5 5 5 5
5 5
5 5
265
Demenz: nur bei Vorliegen schwerer chronischer Aggressivität mit Selbst- oder Fremdgefährdung oder psychotischer Symptome, durch die der Patient erheblich beeinträchtigt wirdz. Impulskontrollstörungen mit selbst- oder fremdaggressivem Verhalten oder behandlungsbedürftigem störendem Verhalten bei verminderter oder grenzwertiger Intelligenzz. Depotpräparat: Erhaltungstherapie und Rezidivprophylaxe bei schizophrenen Psychosen nach vorheriger oraler Einstellung auf Risperidonz. Derzeit einziges verfügbares atypisches Depotpräparat (wässrige Suspension mit guter lokaler und systemischer Verträglichkeit). Bei bipolaren Störungen möglicherweise auch zur Phasenprophylaxe wirksam (7 Kap. 2.4.2). Hinweise für Wirksamkeit bei depressiven Störungen im Rahmen uniund bipolarer affektiver Störungen und schizoaffektiver Störungen sowie bei drogeninduzierten Psychosen und Patienten mit Doppeldiagnose Schizophrenie und Substanzabhängigkeit. Hinweise für Wirksamkeit auch bei Autismus und Tic-Störungen sowie bei PTSD. Hinweise für günstige Wirkungen bei psychosenahen Symptomen im Rahmen von Persönlichkeitsstörungen (i. d. R. in niedriger Dosierung). Erste Hinweise für Wirksamkeit zur Augmentierung einer Behandlung mit Antidepressiva bei Zwangsstörungen. Keine erhöhte Krampfneigung.
! Besondere Vorsicht bei Demenzpatienten mit Bluthochdruck, kardi-
ovaskulären Erkrankungen und Patienten mit vaskulär bedingter Demenz (entsprechende Hinweise an Patienten bzw. gesetzliche Betreuer) und bei Patienten mit Demenz vom Lewy-Körperchen-Typ (7 Kap. 6). 5
Routineuntersuchungen: . Tabelle 3.7.
Dosierung 5
Schizophrenie und Manie: wenn möglich, mit 2 mg/Tag beginnen, am 2.Tag 4 mg/Tag (Einmal- oder Zweimalgabe), bei kardiovaskulären Risiken langsam einschleichend mit 2×0,5 mg/Tag beginnen, tägliche Steigerung um 0,5–1 mg. 5 Dosierung bei der Behandlung von Manien 3–4 mg/Tag, empfohlene Maximaldosis 6 mg/Tag. 5 Maximaldosis 16 mg/Tag, Dosierungen über 10 mg/Tag sind in der Regel nicht wirksamer, haben jedoch ein deutlich höheres EPS-Risiko.
3
266
1 2 3 4 5 6 7
5 5
In der Geriatrie: einschleichend 0,25–0,5 mg/Tag. Zieldosis: 1 mg/Tag. Bei älteren Patienten und Patienten mit Leber- oder Niereninsuffizienz 4 mg/Tag nicht überschreiten. 5 Depot: Empfohlene Dosis alle 2 Wochen 25 mg tief intraglutäal mit Spezialnadel (abwechselnd in beide Seiten); manche Patienten benötigen 37,5 oder 50 mg alle 2 Wochen (Maximaldosis 50 mg). In folgenden Fällen höhere Initialdosis erwägen: anamnestisch hohes Rezidivrisiko, persistierende Positivsymptome, bei Umstellung von hoher oraler Dosis. 5 Nach der ersten Depotinjektion muss aufgrund der Pharmakokinetik für die Dauer von mindestens 3 Wochen noch eine orale Weiterbehandlung mit Risperidon erfolgen. Eine Dosiserhöhung sollte nicht öfter als alle 4 Wochen erfolgen. Bei älteren Patienten beträgt die empfohlene Dosis 25 mg i.m. alle 2 Wochen. Nebenwirkungen 5
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Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
5
5 5
Dosisabhängige EPS, unter 6 mg/Tag selten; Prolaktinerhöhung 7 Kap. 3.6. Relativ häufig: Schlaflosigkeit, Unruhe; Kopfschmerzen; gelegentlich: insbesondere zu Beginn und bei höheren Dosen orthostatische Hypotonie mit Schwindel und Tachykardie; Selten: Somnolenz, Schwäche, Konzentrationsstörungen; Obstipation, Übelkeit und Erbrechen; Priapismus, erektile Dysfunktion und Ejakulationsstörungen; Galaktorrhö; orthostatische Hypotonie (v. a. zu Beginn und bei höheren Dosierungen); in Einzelfällen: SIADH, Hypothermie, Krampfanfälle, Leukopenie Filmtablette: kann allergische Reaktionen auslösen.
Kontraindikationen (7 Kap. 3.7)
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5
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Interaktionen (7 Kap. 3.8) 5
17
Relative Kontraindikationen: schwere Leber- und Niereninsuffizenz (ggf. Dosisanpassung); Morbus Parkinson, Epilepsie; prolaktinahängige Tumoren: kardiale Vorschädigung; Vorsicht bei Patienten mit Blutbildveränderungen. Zerebrovaskuläre Erkrankungen (Nutzen und Risiken sind individuell sorgfältig abzuwägen, s. o.; 7 Kap. 3.6/zerebrovaskuläre Nebenwirkungen; 7 Kap. 6.3). Einzelfallberichte über Wechselwirkungen mit Phenothiazinen, SSRI, bestimmten TZA und verschiedenen β-Blockern; durch verminderten Metabolismus gleichzeitiges Absinken der Konzentration des länger wirksamen, aktiven Metaboliten.
3.14 · Präparate
267
5
Risperidon steigert Clozapinplasmaspiegel; Dosisanpassung von Clozapin durch Kontrolle des Plasmaspiegels. 5 Wirkungsverstärkung von Antihypertensiva (insbesondere α1-Blocker) möglich. 5 In Kombination mit Carbamazepin verringern sich die Plasmakonzentrationen von Risperidon und 9-Hydroxy-Risperidon um ca. 50%, wodurch eine Dosiserhöhung von Risperidon notwendig werden kann. 5 Keine klinisch relevanten pharmakokinetischen Interaktionen mit Amitriptylin, Galantamin, Donepezil, Lithium, Valproinsäure und Digoxin. Bewertung
Atypisches AP, auch bei akuten Manien im Rahmen bipolarer Störungen wirksam. Bei Dosierungen von 4–6 mg/Tag selten EPS, relativ häufig Prolaktinerhöhung. Wirksamkeit auch in der Langzeitbehandlung und Rezidivprophylaxe schizophrener Störungen, derzeit einziges verfügbares atypisches Depotpräparat.
Sulpirid2
Antipsychotikum
Benzamid Arminol (Krewel Meuselbach)
Sulpirid HEXAL (Hexal)
Sulpirid-neuraxpharm (neuraxpharm) Sulpirid-neuraxpharm (neuraxpharm) Sulpirid-ratiopharm (ratiopharm) Sulpirid-ratiopharm (ratiopharm) Dogmatil (Sanofi-Synthelabo) Sulpirid RPH (Rodleben) Kps. 50 mg (20, 50, 100 Kps.) Tbl. 200 mg (20, 50, 100 Tbl.) (Dogmatil forte) Sulpirid Stada (Stada) Saft 5 mg=1 ml (200 ml Lsg.) Amp. 100 mg/2 ml (5 Amp.) Sulpirid AL (Aliud) Meresa (Dolorgiet)
Sulpirid von ct (ct-Arzneimittel)
neogama (Hormosam)
Sulpivert (Hennig)
Sulpirid beta (betapharm)
2
Wegen der Vielzahl der im Handel befindlichen Präparate werden die Darreichungsformen bei den Generika nicht aufgeführt
3
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Dosierung 5
Einschleichend bis zur Erhaltungsdosis von 300–1200 mg/Tag (Plasmakonzentration 200–1000 ng/ml (p)) bei Patienten mit Schizophrenie (max. 1600 mg/Tag). 5 Antidepressive Therapie mit 100–300 mg/Tag. 5 Mögliche i.m.-Injektion. Bewertung
Dosisabhängig eher niedrigpotentes AP mit deutlicher Prolaktinerhöhung, jedoch geringem EPS-Risiko (teilweise atypische Antipsychotikaeigenschaften). Primäre Indikation bei Schizophreniez nach Zulassung von Amisulprid fraglich. Trotz Zulassung für die Indikation eines depressiven Syndromsz ist aufgrund der Prolaktinerhöhung und weiterer relativer Kontraindikationen ein Einsatz von Sulpirid als primäres Antidepressivum nicht empfehlenswert. ! Es gibt keine Untersuchungen zur Beurteilung des Risikos einer lang-
fristigen Prolaktinerhöhung, die bei Dauertherapie unter Sulpirid auftreten kann.
8 9 10 11 12 13 14 15
Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
Thioridazin
Trizyklisches Antipsychotikum
Phenothiazin mit Piperidylseitenkette Melleril (Novartis) Drg. 10, 25 mg (20, 50 Drg.) (Melleretten) Drg. 100 mg (20, 50 Drg.) Tbl. 30 mg (20, 50 Tbl.) (Melleril retard 30) 100 mg (20, 50, 100 Tbl.)
Tbl. 200 mg (20, 50 Tbl.) (Melleril retard 200) Trpf. 30 mg=30 Trpf.=1 ml (25, 50 ml) Thioridazin-neuraxpharm (neuraxpharm) Tbl. 25, 50, 100, 200 mg
Dosierung 5
Einschleichend beginnen mit 3-mal 25 mg bis ambulant 200 mg (stationär 600 mg/Tag); in den ersten 24 h nicht mehr als 500 mg (Plasmakonzentration 200–2000 ng/ml(p)). Es gibt eine retardierte Form.
16
Bewertung
17
Niedrigpotentes konventionelles AP mit starker anticholinerger Komponente. Wegen vorhandener risikoärmerer Alternativen ist ein Einsatz von Thioridazin nicht empfehlenswert. ! Hohes kardiotoxisches Risiko, insbesondere bei Interaktionen
(7 Kap. 3.6), häufige EKG-Kontrollen nötig!
3.14 · Präparate
Ziprasidon
269
Antipsychotikum
Benzisothiazylpiperazin Zeldox (Pfizer) Kps. 20, 40, 60, 80 mg (30, 60, 100 Kps.) Trockensubstanz für Inj.-Lsg. 20 mg/ml (nur i.m.) (1, 2 ml Lösungsmittel) Pharmakodynamik 5
In erster Linie Blockade von 5-HT2A-, 5-HT2C- und D2-artigen Rezeptoren (Affinität zu 5-HT-Rezeptoren viel stärker als zu DA-Rezeptoren, außerdem in wesentlich geringerem Ausmaß H1- und α1-Rezeptoren; keine Affinität zu mACh-Rezeptoren. 5 5-HT- und NA-Rückaufnahmehemmung. 5 Agonismus an 5-HT1A-Rezeptoren. Pharmakokinetik 5
Kapseln: T2max=6–8 h; t½=ca. 6 h; orale Bioverfügbarkeit nur ca. 60% bei Einnahme mit den Mahlzeiten; Plasmaproteinbindung 99%. 5 Fast vollständige hepatische Metabolisierung – 2/3 über die Aldehydoxidase, 1/3 über CYP 3A4 und CYP 2D6 (7 Kap. 16). Ausscheidung zu 20% mit dem Urin, 66% mit den Fäzes. 5 Plasmakonzentration: 40–130 ng/ml(p). Indikationen und Behandlungshinweise 5 5
5 5 5 5 5 5
Oral: Behandlung der Schizophreniez. Parenteral: schnelle Beherrschung von Erregungszuständen bei Patienten mit Schizophrenie für die Dauer von bis zu 3 aufeinander folgenden Tagen, wenn eine orale Behandlung nicht angezeigt istz. Hinweise auf Akutwirksamkeit bei manischen Episoden im Rahmen bipolarer Störungen und bei schizoaffektiven Störungen. Hinweise auf Wirksamkeit bei Tic-Störungen, Autismus und Verhaltensstörungen bei Demenz und Oligophrenie. Mögliche QTc-Verlängerung (7 Kap. 3.6). Minimale Gewichtszunahme (. Tabelle 3.5). Keine Prolaktinerhöhung. Routineuntersuchungen: . Tabelle 3.7.
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Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
Dosierung 5
Oral: mit 2-mal 40 mg/Tag beginnen, je nach klinischem Ansprechen Erhöhung bis 2-mal 80 mg bzw. Reduktion auf 2-mal 20 mg/Tag; Steigerung auf maximale Dosis innerhalb von 2–3 Tagen möglich. 5 Optimale Dosis liegt für die meisten Patienten nach neueren Untersuchungen bei 80–120 mg. 5 I.m.-Injektionen: Einzeldosis 10–20 mg, Tagesdosis bis 40 mg; Umsetzen auf orale Medikation innerhalb von 3 Tagen. Nebenwirkungen
5 6 7 8 9 10 11
5 5
Selten EPS. Oral: häufig Benommenheit, Schwindel, Asthenie, Kopfschmerzen, Verstopfung, Mundtrockenheit, Dyspepsie; gelegentlich Schmerzen, orthostatische Hypotonie, Flatulenz, Durst, Gelenkbeschwerden, Exantheme; sehr selten Eosinophilie, Krampfanfälle, LDH-Anstieg, Myalgie, Myasthenie, abnorme Träume, Harninkontinenz. 5 Parenteral: häufig Schmerzen an der Injektionsstelle, Asthenie, Kopfschmerzen, orthostatische Hypotonie, Durchfall, Übelkeit, Benommenheit, Schwindelgefühl. 5 Ziprasidon kann das QTc-Intervall verlängern; Grenzwerte 7 Kap. 3.6. Bei Vorliegen oder auftreten kardialer Symptome ist eine kardiologische Abklärung notwendig; bisher sind keine Torsades de pointes unter Behandlung mit Ziprasidon bekannt geworden. Kontraindikationen (7 Kap. 3.7)
15
Bekannte QTc-Verlängerung (7 Kap. 3.6), Herzrhythmusstörungen, die mit Klasse-IA- oder III-Antiarrhythmika behandelt werden, Kombination mit QTc-verlängernden Medikamenten, z. B. Thioridazin, Pimozid, Sparfloxazin, Moxifloxazin, Mefloquin, Sertindol oder Cisaprid. 5 Relative Kontraindikationen: ausgeprägte Bradykardie, Krampfanfälle in der Vorgeschichte, schwere Leberinsuffizienz, Elektrolytstörungen sind vor Behandlungsbeginn zu korrigieren. 5 Parenteral: Kardiovaskuläre Erkrankungen; Vorsicht wegen Schwindelgefühl, Tachykardie, Hypertonie und orthostatischer Dysregulation. 5 Keine Behandlungsempfehlung für Patienten >65 Jahre (fehlende Daten).
16
Interaktionen (7 Kap. 3.8)
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5
5
17
Bei gleichzeitiger Gabe von CYP-3A4-Inhibitoren (7 Kap. 16), sollte auf eine zumindest theoretisch mögliche, wechselseitige Erhöhung der Plasmaspiegel mit Zunahme von Nebenwirkungen geachtet werden. Bislang wurden jedoch in vivo keine derartigen Wechselwirkungen von klinisch relevantem Ausmaß gefunden.
3.14 · Präparate
271
5
Die wiederholte Gabe von aluminium- und magnesiumhaltigen Antazida scheint die Pharmakokinetik nicht zu beeinflussen. 5 Weitere Interaktionen s.o., Kontraindikationen. Bewertung
Atypisches AP, auch bei Negativsymptomatik wirksam. Im Vergleich zu anderen atypischen AP fast keine Gewichtszunahme. Als kurzwirksames i.m.-Präparat verfügbar. Ziprasidon kann das QTc-Intervall verlängern.
Zotepin
Trizyklisches Antipsychotikum
Dibenzothiepin Nipolept (Aventis Pharma) Drg. 25, 50, 100 mg (20, 50, 100 Drg.) Pharmakodynamik 5
Hauptsächlich 5-HT2A/C- und 5-HT6/7-, aber auch α1- und H1-Antagonist; geringer Antagonismus an D2-artigen, D1-artigen, und mACh-Rezeptoren; außerdem Noradrenalinrückaufnahmehemmer.
Pharmakokinetik 5
Rasche Resorption, starker First-pass-Effekt mit einer Bioverfügbarkeit von nur ca. 10%. 5 Tmax=2,8–4,5 h; t½=14–16 h. 5 Metabolisierung über CYP 1A2 und CYP 3A4 (zu möglichen Interaktionen Kap. 16); Abbauprodukte teilweise pharmakologisch aktiv. 5 Plasmakonzentration: 12–120 ng/ml(p). Indikationen und Behandlungshinweise
Schizophrene Störungenz. Hinweise auf Wirksamkeit bei der Behandlung wahnhafter Depressionen in Monotherapie und in Kombination mit Antidepressiva; Hinweise für antimanische Wirkungen. 5 Routineuntersuchungen: . Tabelle 3.7. 5 5
Dosierung 5 5
Beginn mit 50–100 mg/Tag, bei akuten Psychosen ggf. auch höher. Mittlere Dosierung im stationären Bereich 200–300 mg/Tag (Höchstdosis 450 mg/Tag), verteilt auf mehrere Einnahmezeitpunkte.
3
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Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
Nebenwirkungen 5
Dosisabhängig EPS, deutlich geringeres Risiko als bei konventionellen hochpotenten AP. 5 Gelegentlich: v. a. initial: vegetative Nebenwirkungen, u. a. Obstipation, Übelkeit, Akkomodationsstörungen, Miktionsstörungen; Störungen des Glukosestoffwechsels; Prolaktinanstieg; Müdigkeit; EEG-Veränderungen, auch Auslösung epileptiformer Anfälle; passagerer Anstieg von Leberenzymen; Gewichtszunahme; Erregungsleitungsstörungen, Unruhe, delirante Syndrome insbesondere in Kombination mit anticholinerg wirksamen Pharmaka möglich; Tachykardie, orthostatische Hypotonie; Abnahme des Harnsäurespiegels im Serum; 5 Selten: Atemnot, Schlaflosigkeit, depressive Verstimmungen, Angstzustände, Störungen der Hämatopoese, Eosinophilie. 5 Bei Dosis über 300 mg/Tag und Kombinationstherapie mit AP EEGKontrolle empfohlen. Kontraindikationen (7 Kap. 3.7)
8
5 5
9 10 11 12 13 14 15 16 17
Beeinträchtigungen des hämatopetischen Systems. Relative Kontraindikationen: kardiale Vorschädigung; schwere Leberund Nierenfunktionsstörungen; prolaktinabhängige Tumoren, Frauen mit Zyklusstörungen und Hyperprolaktinämie; orthostatische Dysregulation; hirnorganische Erkrankungen und Anfallsleiden, Morbus Parkinson; chronische Atembeschwerden und Asthma; Engwinkelglaukom, Blasenentleerungsstörungen mit Restharnbildung.
Interaktionen (7 Kap. 3.8) 5
Pharmakodynamisch mit Antihypertonika (verstärkte Blutdrucksenkung), Barbituraten (verstärkte Sedierung), Opiaten (Hemmung des Atemzentrums), anderen Antipsychotika (Senkung der Krampfschwelle), Dopaminagonisten (Wirkungsabschwächung des Zotepins) und antagonisten (gegenseitige Wirkungsverstärkung).
Bewertung
Atypisches AP mit initial sedierenden Eigenschaften.
273
3.14 · Präparate
Trizyklisches Antipsychotikum
Zuclopenthixol
Thioxanthen Ciatyl-Z (Bayer Vital) Tbl. 2, 10, 25 mg (50 Tbl.) Trpf. 20 mg=20 Trpf.=1 ml (30 ml)
Depopräparat (nur i. m.) Zuclopenthixolazetat Ciatyl-Z Acuphase (Bayer Vital) Amp. 50 mg=1 ml (1 Amp.) 100 mg=2 ml (1 Amp.)
Depotpräparat (nur i.m.) Zuclopenthixoldecanoat Ciatyl-Z Depot (Bayer Vital) Amp. 200 mg=1 ml (1,5 Amp.) Pharmakodynamik 5
AP mit hoher Affinität zu D1/D2- und 5-HT2-Rezeptoren; Blockade von H1- und α1-adrenergen Rezeptoren; geringe Affinität zu mACh- und α2-Rezeptoren. 5 Zuclopenthixol besteht zu 100% aus dem cis-Isomer des Clopenthixol (Belastung durch unwirksame Substanz entfällt). 5 Zuclopenthixol soll weniger sedierend als Clopenthixol sein. 5 Plasmakonzentration: 4–50 ng/ml(p).
Pharmakokinetik 5
Tmax=3–4 h,; t½ (orale Gabe) 15–25 h; Bioverfügbarkeit: ca. 45% Metabolisierung über CYP 2D6. 5 Decanoat: Tmax=4–7 Tage; Freisetzungshalbwertszeit=19 Tage. 5 Azetat: Tmax=36 h, Freisetzungshalbwertszeit=36 h. Indikationen und Behandlungshinweise
Akute und chronische Schizophreniez. Maniez. Unruhe- und Verwirrtheitszustände bei seniler Demenz(z). Erregungszustände bei Oligophrenie(z). Azetat (i.m.-Injektion): Initialbehandlung von akuten Psychosen, Manien und Exazerbationen chronischer Psychosenz. 5 Depot: Langzeitbehandlung chronischer Schizophrenien, bei denen eine adäquate orale Therapie mit AP nicht möglich istz. 5 5 5 5 5
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1 2 3 4 5 6 7
5
Zur Problematik der Langzeitbehandlung mit konventionellen AP 7 Kap. 3.11. 5 Routineuntersuchungen: . Tabelle 3.7. Dosierung 5
Oral: einschleichend bis zur Erhaltungsdosis von 20–40 mg/Tag (bis über 80 mg/Tag möglich); stationär bis 150 mg/Tag. 5 Decanoat: 100–400 mg alle 2–3 Wochen i.m. (200 mg Zuclopenthixol entsprechen etwa 25 mg Fluphenazin). 5 Azetat: 50–150 mg i.m. 1- bis 2-malige Wiederholung alle 2–3 Tage. Nebenwirkungen 5 5 5
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Kapitel 3 · Antipsychotika (Neuroleptika)
5 5
Initial insbesondere bei i.m.-Injektionen (Azetat) Sedierung (häufig erwünscht) und orthostatische Hypotonie. Häufig: EPS (weniger häufig als bei Perphenazin); orthostatische Dysregulation, Tachykardie, EKG-Veränderungen. Gelegentlich: vegetative Nebenwirkungen wie Akkomodationsstörungen, Mundtrockenheit, Obstipation, Übelkeit, Miktionsstörungen; Prolaktinerhöhung. Selten: allergische Exantheme, Photosensibilisierung; passagere Leberenzymerhöhung, Cholestase. In Einzelfällen: venöse Thrombosen, Störungen der Hämatopoese; Priapismus; Gewichtszunahme; Störung des Glukosestoffwechsels; Lupus erythematodes-ähnliche Syndrome.
Kontraindikationen (7 Kap. 3.7) 5 5
Kreislaufschock; Störungen der Hämatopoese. Relative Kontraindikationen: Leber- und Niereninsuffizienz; kardiale Vorschädigung, insbesondere klinisch relevante Herzrhythmusstörungen, Kombination mit möglicherweise QTc-verlängernden Medikamenten; prolaktinabhängige Tumore, hirnorganische Erkrankungen und Krampfanfälle in der Anamnese, Morbus Parkinson.
Interaktionen (7 Kap. 3.8) Bewertung
16 17
Mittelpotentes konventionelles AP. Als Azetat mit der Möglichkeit der Applikation eines Kurzzeitdepots mit schnellem Wirkungseintritt und besserer Steuerbarkeit, insbesondere bei hochakuten psychotischen Zuständen, wenn atypische AP nicht angewendet werden können.
4 Anxiolytika
4.1
Übersicht
Anxiolytika sind angstlösende Substanzen. Benzodiazepine sind darunter die wichtigste Gruppe. Sie haben einen anxiolytischen und sedierenden Effekt; deswegen werden sie auch als Tranquilizer bezeichnet. Der zusätzlich schlafinduzierende, muskelrelaxierende und antikonvulsive Effekt ist in der Psychopharmakotherapie nicht regelhaft erwünscht. Anxiolytika wie z. B. Buspiron oder β-Rezeptorenblocker sind in üblicher Dosierung nicht sedierend. Anxiolytika finden in der Pharmakopsychiatrie häufig Einsatz als Begleitmedikation (z. B. neben Antidepressiva oder Antipsychotika). Verschiedene Gruppen bzw. Substanzen innerhalb der Anxiolytika unterscheiden sich sowohl hinsichtlich der strukturchemischen Eigenschaften als auch des Wirkprinzips: 5 Benzodiazepine, 5 Buspiron (Gruppe der Azapirone), 5 Hydroxyzin (Gruppe der Diphenylmethanderivate), 5 Opipramol (Piperazinylderivat), 5 Aus folgenden Substanzgruppen werden die anxiolytischen Eigenschaften genutzt: – β-Rezeptorenblocker, – Antidepressiva, – Antipsychotika.
4.2
Wirkmechanismen
Benzodiazepine
Hauptwirkort der Benzodiazepine ist der GABAA-Rezeptor. Dieser ionotrope Rezeptor führt bei der weitaus überwiegenden Mehrzahl der adulten Neurone nach Aktivierung durch GABA (γ-Aminobutyrat) zu einem in die Zelle gerichteten Cl-Einstrom und somit zu einer Hyperpolarisation. Die Aktivierbarkeit des Neurons ist dann vermindert. GABA ist der wichtigste, zumeist inhibitorisch wirkende Neurotransmitter im
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Kapitel 4 · Anxiolytika
ZNS. Benzodiazepine wirken über eine spezifische Benzodiazepinbindungsstelle modulatorisch auf die Rezeptoreigenschaften. Durch die Bindung von Benzodiazepinen erhöht sich die Affinität des Rezeptors zu GABA und damit die Frequenz der Kanalöffnung. Im Gegensatz zu Barbituraten können Benzodiazepine auch in hohen Dosen nicht als direkte GABAA-Agonisten wirken, wodurch sich die hohe Anwendungs- und Intoxikationssicherheit erklärt. Die GABAA-Rezeptoren sind als Pentamer verschiedener Untereinheiten und deren Varianten (hauptsächlich: α1–6; β1–3; γ1–3; δ) zusammengesetzt, zumeist nach dem Schema 2αi2βjγk. Daraus ergeben sich mannigfaltige Rezeptorvariationen sowohl für GABA als auch für Benzodiazepine mit verschiedenen pharmakologischen Profilen, Häufigkeiten und topographischen Verteilungen. Während γ-Einheiten für eine Benzodiazepinwirkung notwendig sind, scheinen die α-Einheiten die Potenz und Effektivität der einzelnen Benzodiazepine zu bestimmen. Es gibt tierexperimentelle Hinweise, dass die anxiolytischen Effekte primär durch α2-enthaltende Rezeptoren, die sedativen Eigenschaften (und anterograden Amnesien) dagegen durch α1- und die muskelrelaxierende Wirkungen durch α2- und α3-Rezeptoren vermittelt werden. Eine differenzielle Wirkung von Benzodiazepinen an GABAA-Rezeptoren wird z. T. durch eine einzelne Aminosäure bestimmt. So ist z. B. die Aminosäure Histidin in der Position 101 in der α1-Untereinheit dafür verantwortlich, dass Benzodiazepine die Wirkung von GABA verstärken können, während die Aminosäure Arginin in der Position 101 in der α6-Untereinheit dazu führt, dass Benzodiazepine an α6-enthaltenen GABAA-Rezeptoren die Wirkung von GABA abschwächen. Buspiron (Azapiron)
Buspiron wirkt als vollständiger Agonist an präsynaptischen 5-HT1A-Autorezeptoren und somit inhibitorisch auf Ausschüttung und Synthese von Serotonin. Postsynaptisch soll Buspiron als partieller Agonist an 5-HT1ARezeptoren einen direkten serotonergen Effekt besitzen. Weiterhin werden antagonistische Eigenschaften am präsynaptischen D2-Rezeptor postuliert. Der aktive Metabolit 1-Phenyl-Piperazin (1-PP) beeinflusst ebenfalls das Serotonin-System und besitzt zusätzlich aufgrund eines präsynaptischen α2-antagonistischen Effekts noradrenerge Effekte (keine Wirkung am GABAA-Rezeptor). Der anxiolytische Effekt ist am ehesten durch die Summe der komplexen Wirkungen zu erklären. Hydroxyzin (Diphenylmethanderivat)
Hydroxyzin hat eine H1-antihistaminerge, zudem adrenolytische und anticholinerge Wirkung.
4.2 · Wirkmechanismen
277
4
Opipramol
Trotz der trizyklischen Struktur zeigt Opipramol in therapeutischen Dosen keine Rückaufnahmehemmung für biogene Amine. Es finden sich antagonistische Effekte am 5-HT2-, H1- sowie am D2-Rezeptor bei erhöhtem Dopaminumsatz. Opipramol ist ein starker Ligand an σ1- und σ2-Rezeptoren. Die sedativen Eigenschaften sind auf die antihistaminerge Wirkung zurückzuführen, die Ursache der anxiolytischen Wirkung ist unklar. β-Rezeptorenblocker
β-Rezeptorenblocker, z. B. Propranolol oder Atenolol, vermindern β-adrenerg vermittelte somatische Symptome der Angst (Schwitzen, Tremor, kardiovaskuläre und Magen-Darm-Beschwerden). Antidepressiva (7 Kap. 1) Antipsychotika (7 Kap. 3) Neue pharmakologische Ansätze 5
5
5
5
5
Neue Arzneimittel mit anxiolytischer Wirkweise kommen aus der Gruppe der Azapirone wie Gepiron und Ipsapiron. Sie wirken wie Buspiron vorwiegend als 5-HT1A-Agonisten. Pregabalin ist ein lipophiles GABA-Analog, welches ursprünglich als Antikonvulsivum entwickelt wurde. Es hat in ersten klinischen Untersuchungen eine Wirksamkeit bei Angststörungen (z. B. bei GAD und sozialer Phobie) gezeigt. Auch für die Antikonvulsiva Gabapentin, Vigabatrin und Tiagabin gibt es erste Hinweise für eine anxiolytische Wirkung (z. B. bei GAD und sozialer Phobie). Deramciclan ist ein 5-HT2A-Antagonist und inverser Agonist am 5HT2C-Rezeptor. Seine Wirksamkeit bei unterschiedlichen Angststörungen wird geprüft. Substanz P-Rezeptor-Antagonisten: Präklinische Untersuchungen legen nahe, dass das Neuropeptid Substanz P an der Pathogenese von Schmerzsyndromen, affektiven Erkrankungen und Angstsyndromen beteiligt ist. In ersten Studien wurde ein positiver Effekt des Substanz-P-RezeptorAntagonisten MK-869 bei depressiven und ängstlichen Patienten gezeigt. MK-869 zeichnete sich auch durch eine sehr gute Verträglichkeit aus. Das Corticotropin Releasing Hormon (CRH) moduliert neuroendokrine, autonome und behaviorale Antworten auf Stress. Möglicherweise kommt es über die Aktivierung des CRH-1-Rezeptors zu ängstlichen und depressiven Symptomen. Experimentelle und erste klinische Studien zu CRH-1-Rezeptor-Antagonisten (z. B. R121919) geben Hinweise auf anxiolytische und antidepressive Eigenschaften.
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4.3 5
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5
Kapitel 4 · Anxiolytika
Allgemeine Therapieprinzipien
Benzodiazepine sind hochwirksame Substanzen. Sie wirken schnell und zuverlässig, sind gut verträglich und haben eine große therapeutische Breite. Die Indikation für Benzodiazepine muss wegen des vorhandenen Abhängigkeitsrisikos stets mit Sorgfalt gestellt werden. Zielsymptome sind Angst, innere Unruhe, muskuläre Spannung, Hypervigilanz, Schlafstörungen, akute mutistische oder stuporöse Zustände, Akathisie und tardive Dyskinesien. Der therapeutische Effekt der Benzodiazepine zielt auf eine rasche Sedierung und Entspannung, ohne in niedrigen Dosierungen eine nennenswerte Schlafinduktion hervorzurufen. Eine Toleranzentwicklung gegenüber der anxiolytischen Wirkung ergibt sich vergleichsweise selten, d. h. eine Dosissteigerung zur Wirkungserhaltung der Anxiolyse ist in der Regel nicht notwendig. Bekannt sind hingegen Toleranzentwicklung gegenüber der sedierenden, muskelrelaxierenden und antikonvulsiven Wirkungskomponente. Tiermodelle bestätigen eine raschere und ausgeprägtere Toleranz gegenüber sedativen als gegenüber anxiolytischen Effekten. Es besteht eine Kreuztoleranz von Benzodiazepinen zu Alkohol. Längerer Alkoholkonsum macht u. U. höhere Benzodiazepindosen notwendig. Eine depressiogene Wirkung von Benzodiazepinen ist nicht nachgewiesen. Prosuizidale Effekte von Benzodiazepinen werden im Sinne einer Disinhibition diskutiert, sind aber bisher nicht bestätigt. Es sollte versucht werden, stets nur ein Benzodiazepin zu verordnen. Benzodiazepine sollten in möglichst niedrigen, aber ausreichend wirksamen Dosen verabreicht werden. Die Gesamtgabe sollte auf einen möglichst kurzen Zeitraum (4–6 Wochen) beschränkt werden. Die Indikation zu einer langfristigen Benzodiazepinverordnung sollte stets durch einen Psychiater gestellt werden, z. B. bei schweren Angsterkrankungen, die durch Antidepressiva und/oder zusätzliche psychotherapeutische Maßnahmen nicht gebessert wurden. β-Rezeptorenblocker wie Atenolol und Propranolol sind beim Überwiegen somatischer Symptome im Rahmen psychischer Stresssituationen (Redner- und Prüfungsangst) als Einmalgabe sinnvoll. β-Rezeptorenblocker besitzen nur geringe sedierende Eigenschaften.
! Kontraindikationen für β-Rezeptorenblocker sind obstruktive Lun-
generkrankungen, Herzinsuffizienz, AV-Überleitungsstörungen, Bradykardie, insulinpflichtiger Diabetes mellitus, Sinusknotensyndrom, Hypotonie und periphere arterielle Verschlusskrankheit.
4.4 · Indikationen
279
Antidepressiva (7 Kap. 1) haben neben ihrer antidepressiven auch eine anxiolytische Komponente. Der Vorteil gegenüber Benzodiazepinen liegt im fehlenden Abhängigkeitspotenzial, der Nachteil in der längeren Wirklatenz. 5 Konventionelle Antipsychotika (7 Kap. 3) wurden früher häufiger in niedriger Dosierung aufgrund ihrer zusätzlich vorhandenen anxiolytischen Komponente als Anxiolytika verordnet. 5 Die hohe Nebenwirkungsrate unter Antipsychotika sollte ein solches Vorgehen verbieten. Ausnahmen: abhängigkeitsgefährdete Patienten mit Angststörungen und bestehende Kontraindikationen gegen Benzodiazepine. In solchen Situationen sollte zunächst ein Antidepressivum eingesetzt werden. Erst nach einem solchen Versuch kann Melperon oder Pipamperon vorübergehend gegeben werden. 5
! Hochpotente, nicht oder kaum sedierende Antipsychotika wie Fluspi-
rilen, Flupentixol oder Fluphenazin als »Minor-Tranquilizer« sollten bei Angststörungen wegen der Gefahr von EPS und Spätdyskinesien nicht mehr gegeben werden. 5
Der Einsatz von atypischen Antipsychotika bei Angststörungen ist bisher nur wenig überprüft. Erste Hinweise ergeben sich für eine Wirksamkeit von Risperidon, Quetiapin und Olanzapin bei der Posttraumatischen Belastungsstörung, weiterhin von Risperidon und Olanzapin bei der GAD.
4.4
Indikationen
Die Indikationen für den Einsatz von Benzodiazepinen sind nosologieübergreifend und häufig symptomorientiert. In vielen Fällen erfolgt der Einsatz als Komedikation, um den Therapieeffekt zu unterstützen oder die Wirklatenz einer anderen längerfristig geplanten Medikation abzukürzen (z. B. Antidepressiva bei Angsterkrankungen und Depressionen; Antipsychotika bei schizophrenen Erkrankungen). Benzodiazepine sind bei vielen psychiatrischen und internistischen Notfallsituationen indiziert (z. B. akuter Herzinfarkt). Ein dauerhafter (monotherapeutischer) Einsatz ist in einigen Fällen v. a. bei Angsterkrankungen (GAD, Panikstörung) nach Ausschöpfung anderer Therapiemaßnahmen indiziert. Bei den folgenden Diagnosen können Anxiolytika im Rahmen der Pharmakotherapie indiziert sein.
4
280
1
4.4.1
Kapitel 4 · Anxiolytika
Phobische Störung
5
2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
Spezifische Phobie: Verhaltenstherapie ist die Behandlungsmethode der Wahl; Benzodiazepine sollten nur vorübergehend verordnet werden. 5 Agoraphobie tritt zumeist mit der Panikstörung auf. Das Behandlungskonzept entspricht dem der Panikstörung (7 Kap. 1.4.2 sowie 7 Kap. 4.4.2). 5 Soziale Phobie: Zur langfristigen Therapie mit Antidepressiva sowie zum Einsatz von β-Blockern 7 Kap. 1.4.4. Als Benzodiazepine konnten Alprazolam, Bromazepam und Clonazepam eine Wirksamkeit zeigen; sie sollten nur vorübergehend eingesetzt werden. 4.4.2
Panikstörung mit/ohne Agoraphobie
5
Zur Kupierung von akuten Panikattacken sind Benzodiazepine (z. B. Alprazolam, Lorazepam, Clonazepam, Diazepam) gut geeignet, auch i.v.-Gaben sind in dieser Indikation möglich. Ein überlappender initialer Einsatz von Benzodiazepinen erscheint wegen der fehlenden initialen Wirkung anderer Verfahren oft sinnvoll. 5 Benzodiazepine sind zwar auch in der Erhaltungstherapie und zur Prophylaxe wirksam; die gut belegten Therapiemöglichkeiten durch Antidepressiva (7 Kap. 1.4.2) sind wegen der nicht vorhandenen Abhängigkeits- und Toleranzentwicklungen einer dauerhaften Benzodiazepinmedikation vorzuziehen. 5 Zur Kombination von Anxiolyse und Psychotherapie 7 Kap. 4.5. 4.4.3 5
Generalisierte Angststörung (GAD)
Benzodiazepine haben in der Akutbehandlung und zur Krisenintervention einen wichtigen Stellenwert bei der GAD (Alprazolam, Lorazpeam, Diazepam). Besonders hilfreich können Benzodiazepine bei im Vordergrund stehenden vegetativen Beschwerden sein, die manchmal durch Antidepressiva zu Beginn der Therapie noch verstärkt werden können. Wegen des Abhängigkeitspotenzials der Benzodiazepine sind für den langfristigen Einsatz Therapieversuche mit Antidepressiva (7 Kap. 1.4.3) oder Opipramol und Buspiron vorzuziehen. Benzodiazepine sind in der Langzeittherapie wirksam und unter Berücksichtigung von Krankheitsgeschichte und Persönlichkeitsmerkmalen in dieser Form auch kontrolliert einsetzbar. In der überwiegenden Mehrzahl der Patienten findet sich keine nennenswerte Dosissteigerung über die Zeit der Anwendung.
4.4 · Indikationen
4.4.4
281
Depressive Störungen
5
Die initiale Kombination von antidepressiver Therapie mit Benzodiazepinen kann das frühe Ansprechen der Therapie beschleunigen. Vor allem ängstlich-agitierte Symptome und Schlafstörungen können in den ersten 1–2 Wochen durch eine Kombinationstherapie gelindert werden. 5 Bei Suizidalität im Rahmen depressiver Störungen sind oft hohe Dosierungen von Benzodiazepinen vorübergehend nötig. 5 Bei gehemmter Depression, Stupor und Mutismus ist Lorazepam zunächst in einmaliger oraler Dosis von 2 mg indiziert (auch i.v.-Gabe möglich), bei Besserung der Symptome kann Lorazepam für die folgenden Tage in einer Dosis von 2–5 mg/Tag oral zusammen mit einem Antidepressivum verabreicht werden (7 Kap. 3.4.1, katatone Symptome). 4.4.5 5
Bei begleitender Angst ist ein vorübergehender Einsatz von Benzodiazepinen indiziert. Auch das GABAerg wirkende Anxiolytikum Opipramol ist bei der somatoformen Störung wirksam.
4.4.6 5
Manische Episode
Bei der Behandlung manischer Syndrome können Benzodiazepine als adjuvante Medikamente eingesetzt werden. Sie eignen sich nicht zur Monotherapie. Antipsychotika werden durch den Einsatz von Benzodiazepinen eingespart. In vielen Fällen kann durch die zusätzliche Gabe von Benzodiazepinen (neben Lithium, Carbamazepin oder Valproinsäure) auf Antipsychotika ganz verzichtet werden. Bisher am besten untersucht sind Clonazepam und Lorazepam; teilweise sind hohe Dosierungen bis zu 15 mg/Tag notwendig. Zur Therapie der manischen Episode 7 Kap. 2.4.1.
4.4.7 5
Somatoforme Störungen
Schizophrene Störungen
Bei Ängsten und psychischer Angespanntheit im Rahmen einer akuten psychotischen Symptomatik sind Benzodiazepine in Kombination mit einer antipsychotischen Medikation wirksam. Eine primär antipsychotische Wirkung durch Benzodiazepine ist nicht beschrieben; sie sollen nach erreichtem Therapieziel langsam abgesetzt werden. 5 Während bei Mutismus und akuten katatonen Symptomen Lorazepam indiziert ist (7 Kap. 3.4.1, katatone Symptome), konnte ein positiver
4
282
Einfluss von Benzodiazepinen bei chronischer Katatonie nicht gezeigt werden.
1 2
4.4.8
3
5
4 5 6 7
5
Extrapyramidalmotorische Störungen
Die Möglichkeiten der Beeinflussung von medikamentös induzierten EPS mit Benzodiazepinen sind in 7 Kap. 3.6 beschrieben. Mit Benzodiazepinen (z. B. Clonazepam, 0,5–4 mg/Tag) kann eine Verminderung der Beschwerden erreicht werden. Speziell bei quälenden und auf andere Maßnahmen nicht respondierenden tardiven Dyskinesien bzw. Dystonien ist ein mittelfristiger Einsatz indiziert. Eine Toleranzentwicklung nach mehreren Monaten kann jedoch eine Unterbrechung der Therapie notwendig machen.
4.4.9
8 9
Kapitel 4 · Anxiolytika
Neurologische Erkrankungen
In der Neurologie werden Benzodiazepine als Muskelrelaxanzien und als Antiepileptika angewandt. Die Wirksamkeit von Alprazolam beim essenziellem Tremor konnte gezeigt werden.
4.4.10 Alkoholentzugssyndrom (7 Kap. 7)
10 4.4.11 Psychiatrische Akutsituationen (7 Kap. 12)
11 12 13 14 15 16 17
4.4.12 Benzodiazepine im Alter und bei organischen Erkrankungen 5
Benzodiazepine können auch im höherem Lebensalter als sicher und wirksam angesehen werden. 5 Kurzwirksame Benzodiazepine (Lorazepam, Oxazepam) sind langwirksamen Präparaten wegen der Neigung zur Akkumulation bei im Alter verlängerter Eliminationshalbwertzeit vorzuziehen; langwirksame Benzodiazepine unterliegen darüber hinaus oft einem komplexen Metabolismus (7 Kap. 4.8). 5 Wegen des verzögerten Metabolismus, veränderten Verteilungsvolumens und häufig erniedrigter Clearance sind meist niedrigere Dosierungen als bei jüngeren Patienten notwendig. 5 Bei verwirrten oder älteren Patienten oder Patienten mit organischen Veränderungen sollten wegen möglicher paradoxer Benzodiazepinwirkungen (Agitiertheit, Euphorisierung, Erregungszustände, Schlaflosigkeit) eher Antidepressiva zur Anxiolyse verordnet werden.
4.5 · Anxiolytika und Psychotherapie
283
Unerwünschte Wirkungen (7 Kap. 4.6) sind im Alter prinzipiell die gleichen wie bei jüngeren Patienten mit z.T. jedoch gravierenderen Konsequenzen (z. B. Atemdepression bei kardiorespiratorischen Erkrankungen, Ataxie mit Sturzneigung und Gefahr von Schenkelhalsbrüchen und Schädel-Hirn-Trauma); zum Problem der Abhängigkeit 7 Kap. 4.6.1. 5 Zur Anwendung von Psychopharmaka im Alter allgemein 7 Kap. 5
13.2.5.
4.5 5
5
5
5
5
Anxiolytika und Psychotherapie
Bei Angsterkrankungen (Panikstörung, phobische Störung, GAD) sind psychotherapeutische Interventionen wesentlicher Bestandteil der Therapie. Wieweit in einem Gesamtbehandlungsplan psychopharmakologische Strategien (v. a. Antidepressiva) eingebunden werden, wird individuell eingeschätzt. Oftmals kann gerade zu Beginn einer Psychotherapie oder bei einer akuten Exazerbation auf eine Begleitmedikation mit einem Benzodiazepin nicht verzichtet werden. Bei allen akuten Angstzuständen sind Benzodiazepine Mittel der ersten Wahl. Ist die Angst leichter ausgeprägt oder handelt es sich um eine über ca. 2 Wochen hinausgehende Behandlung, sind dagegen alternative psychopharmakologische Interventionen als Begleitbehandlung zu einer Psychotherapie primär indiziert. Allerdings kann bei allen Indikationen nach Ausschöpfung der anderen Therapieverfahren eine längerfristige Benzodiazepinbehandlung notwendig und hilfreich sein. Es besteht in der Regel keine Kontraindikation, auch im Rahmen einer längerfristigen Verhaltenstherapie, Benzodiazepine vorübergehend zu verordnen. Es finden sich eher positive Effekte von Benzodiazepinen auf die Wirksamkeit einer Psychotherapie. Eine Ausnahme ist der Konfrontationsversuch bei einer Verhaltenstherapie. In einer kürzlich durchgeführten Meta-Analyse konnte keine generelle Überlegenheit oder Unterlegenheit der Kombination von Psychotherapie und Psychopharmakotherapie gegenüber der kognitiven Verhaltenstherapie allein bei sozialer Phobie und generalisierter Angsterkrankung festgestellt werden. Hingegen fanden sich Hinweise für eine mögliche Überlegenheit der Kombinationstherapie gegenüber einer alleinigen Pharmakotherapie. Bei der Panikstörung gibt es möglicherweise eine Überlegenheit der Kombinationsbehandlung gegenüber der alleinigen Behandlung mit kognitiver Verhaltenstherapie.
4
284
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
4.6
Nebenwirkungen
4.6.1
Abhängigkeitsrisiko bei Benzodiazepinen
5
Bei Anwendung von Benzodiazepinen kann es zu Abhängigkeitsentwicklungen kommen. Das Abhängigkeitsrisiko steigt, wenn höhere Dosen verabreicht, und wenn Benzodiazepine über längere Zeiträume eingenommen werden. Diskutiert wird zudem, dass für kurz wirksame Substanzen wie Alprazolam oder Lorazepam ein erhöhtes Risiko der Abhängigkeitsentwicklung oder von Rebound-Phänomenen gegenüber lang wirksamen Substanzen wie Diazepam besteht. 5 Besonders hoch ist das Abhängigkeitsrisiko bei unkontrolliertem bzw. nichtmedizinischem Gebrauch (häufig im Rahmen einer bestehenden Alkoholabhängigkeit oder Polytoxikomanie). Bevorzugt werden dabei Hypnotika mit raschem Wirkeintritt (z. B. Flunitrazepam). 5 Nach etwa 4-monatiger Einnahme einer therapeutischen Benzodiazepindosis muss nach abruptem Absetzen mit Absetz- bzw. Entzugssymptomen (s. u.) gerechnet werden. Bei Einnahme kurz wirksamer Hypnotika können Rebound-Phänomene (s. u.) auch schon nach einigen Tagen beobachtet werden. 5
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Kapitel 4 · Anxiolytika
5
Abhängigkeitsentwicklungen ist durch strenge Indikationsstellung, der Wahl der niedrigst notwendigen Dosis und einer Verordnung wenn möglich nicht über 4–6 Wochen hinaus vorzubeugen. Bei einer Verordnung über 6 Wochen hinaus sollte immer ein Psychiater hinzugezogen werden, um Therapiealternativen zu erörtern.
Epidemiologische Angaben zur Häufigkeit von Abhängigkeitsentwicklungen bei Benzodiazepingebrauch liefern kontroverse Ergebnisse. Zuverlässige Daten aus unselektionierten Stichproben fehlen. 5 Vier Gruppen sind besonders gefährdet: – Drogen- und Alkoholabhängige, – chronisch körperlich Kranke, besonders diejenigen mit Schmerzsyndromen, – Patienten mit Persönlichkeitsstörungen oder Dysthymie, – Patienten mit chronischen Schlafstörungen. 5 Bei der so genannten »low-dose-dependence« (oder auch »therapeuticdose-dependence«), d. h. einer »Abhängigkeit« bei Langzeiteinnahme üblicher therapeutisch verordneter Dosen, sind nach Absetzen sofortige oder protrahiert auftretende Absetzeffekte (s. u.) möglich. Entzugs-
4.6 · Nebenwirkungen
4
285
erscheinungen sind auch möglich; sie interferieren häufig mit Rückfallsymptomen oder werden mit ihnen verwechselt. Einige – allerdings nicht unselektionierte – Stichproben zeigen bei der überwiegenden Mehrzahl der Patienten keine Dosissteigerung; es findet sich eher ein konstantes oder aber titrierendes Einnahmeverhalten innerhalb der therapeutischen Dosisbandbreite. In vielen Fällen sind somit die Kriterien einer Abhängigkeit nicht erfüllt. 5 Im höheren Lebensalter ist eine niedrige Dosierung (wenn sie nicht gesteigert wird, s.o.) auch über Jahre oft indiziert und zu verantworten. 4.6.2 5
Absetzproblematik bei Benzodiazepinen
Nach abruptem Absetzen von Benzodiazepinen finden sich 3 Typen von Absetzsymptomen: – Rebound-Symptome: Nach Absetzen von Benzodiazepinen kommt es als Effekt der GABAergen Gegenregulation häufig zu einem akuten und verstärkten Auftreten der ursprünglichen Krankheitssymptomatik (d. h. Unruhe, Angst, Schlaflosigkeit). Diese Symptomatik hält jedoch nur wenige Tage an. – Rückfallsymptome: Sie sind als wiederkehrende Angstsymptomatik nur schwer von der Grunderkrankung, die zu der Einnahme des Benzodiazepins geführt hat, unterscheidbar. Halten sie längere Zeit an, müssen sie als primäre Krankheitssymptome betrachtet werden. Um eine Absetzsymptomatik handelt es sich nur dann, wenn die Beschwerden einige Zeit nach Absetzen verschwinden. – Eigentliche Entzugssymptome: Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie vor Verordnung der Medikation nicht vorhanden waren. Je nach Halbwertszeit des eingenommenen Benzodiazepinpräparates treten sie ca. 2–10 Tage nach Absetzen der Medikation auf, erreichen schnell ein Maximum und dauern gewöhnlich 5–15 Tage an. Auch Krampfanfälle sind noch nach einem Zeitraum von 2 Wochen nach Absetzen beobachtet worden.
Leichte Entzugssymptome 5 5 5 5 5
Vermehrte Angst und innere Unruhe Schlaflosigkeit Erhöhte Irritabilität Übelkeit und Erbrechen Schwitzen 6
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1
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Kapitel 4 · Anxiolytika
Tremor Kopfschmerzen Muskelverspannungen
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Schwere Entzugssymptome 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5
Verwirrtheitszustände Depersonalisation/Derealisation Psychoseartige Zustände, Delirien Ängstlich-depressive Syndrome Krampfanfälle Oszillopsien, Dysmorphopsien Photophobie Hyperakusis Hypersomnie Dysästhesien Kinästhetische Störungen Muskelzittern und -faszikulationen
9 10
4.6.3
Vorbeugung von Benzodiazepinentzugssymptomen und Benzodiazepinentzugsbehandlung
11 12 13 14
Wichtig ist die stufenweise Dosisreduktion, kein abruptes Absetzen! Absetzen ist in der Regel über Wochen notwendig, manchmal über Monate. Die ersten 50% einer Benzodiazepindosis können relativ zügig, die nächsten 25% deutlich langsamer und die letzten 25% sehr langsam abgesetzt werden. Häufig empfiehlt sich auch eine Pause nach den ersten 50%.
15 16 17
Die langsame stufenweise Dosisreduktion muss insbesondere beim Entzug von hochpotenten kurzwirksamen Benzodiazepinen eingehalten werden, da Entzugssymptome bei diesen Substanzen abrupter auftreten und stärker ausgeprägt sein können als bei Benzodiazepinen mit langer Halbwertszeit. Das häufig praktizierte vorherige Umsetzen auf eine äquivalente Dosis eines langwirksamen Benzodiazepins scheint keinen sicheren Vorteil zu bringen.
4.6 · Nebenwirkungen
287
Wichtig für den Erfolg ist eine zuvor initiierte und erfolgreiche Therapie der Grunderkrankung. Es gibt erste Hinweise auf eine Wirksamkeit der kognitiven Verhaltenstherapie im fraktionierten Benzdodiazepinentzug. 5 Es gibt Hinweise für einen Erfolg der Entzugsbehandlung mit Antidepressiva (Imipramin, Doxepin, Trazodon) und Antikonvulsiva (Valproinsäure, Carbamazepin, Oxcarbazepin). 5 Während des Ausschleichens von Benzodiazepinen bei Patienten mit Insomnie gibt es Berichte über eine erfolgreiche adjuvante Melatoninsubstitution. 4.6.4 5
Andere Nebenwirkungen von Benzodiazepinen
Häufige unerwünschte Wirkungen sind Tagesmüdigkeit und Schläfrigkeit mit Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit und des Reaktionsvermögens.
! Einschränkung der Fahrtüchtigkeit unter Benzodiazepinen. 5
Bei Gabe langwirksamer Benzodiazepine besteht die Gefahr der Kumulation (7 Kap. 4.8.1 und HWZ bei Präparaten). Kumulation kann zu verstärkten Nebenwirkungen und damit zu möglichen klinischen Komplikationen führen: Hang-over-Phänomene, Verstärkung von Müdigkeit und Sedierung, Ataxie und daraus resultierende Sturzgefahr. Dies gilt insbesondere für Patienten mit verminderter Metabolisierungsfähigkeit (ältere Patienten; Leber – und Nierenerkrankungen; Komedikation mit metabolismusinhibierenden Eigenschaften). 5 Bei Gabe rasch anflutender Benzodiazepine kann es zu einer anterograden Amnesie kommen. 5 Unter Benzodiazepinen sind paradoxe Disinhibitionsphänomene möglich: Agitiertheit, Euphorisierung, Erregungszustände, Schlaflosigkeit und Aggressivität. Sie treten unter höherer Dosierung und bei älteren Menschen auf. ! Bei schneller i.v.-Verabreichung von Benzodiazepinen kann es zu
vorübergehender Atemdepression, Blutdruckabfall und u. U. sogar zum Herzstillstand kommen. 5
Besondere Vorsicht ist in dieser Hinsicht auch bei der Kombination mit Clozapin (7 Kap. 3) geboten. Nach neueren Untersuchungen stellt eine Kombination von Clozapin mit Benzodiazepinen keine absolute Kontraindikation dar, sollte jedoch weiterhin sorgfältig abgewogen werden.
4
288
1 2 3 4
Kapitel 4 · Anxiolytika
Klinisch dringliche Situationen wie ein malignes neuroleptisches Syndrom, katatone Zustandsbilder oder extreme Agitiertheit lassen eine solche Kombinationstherapie vertretbar erscheinen. 5 Nach i.v.-Verabreichung von Diazepam sind lokale Gefäßirritationen bis hin zu Thrombophlebitiden beschrieben worden, die unter neuen Präparationsformen (Emulsionen) nicht auftreten sollen. 4.6.5
Symptome bei Überdosierung von Benzodiazepinen
5
5 6 7 8 9 10 11 12
Nach höherer Dosierung oder akuter Überdosierung besteht die Gefahr von Dysarthrie, Ataxie, Schläfrigkeit, allgemeiner Apathie, Verlangsamung der motorischen Abläufe, muskulärer Schwäche, Doppelbildern, Schwindelzuständen, Übelkeit und Kopfschmerzen. Die Gefahr von anterograder Amnesie und paradoxen Benzodiazepinwirkungen steigt bei Überdosierungen an. Bei einigen Benzodiazepinen wird eine periphere kardiale Rezeptorwirkung mit Ca-Kanal-Aktivität postuliert, welche zu Reizleitungsstörungen führen kann. 5 Zur Therapieoption von Benzodiazepinintoxikationen durch Flumazenil (Anexate®, 7 Kap. 17.5). 4.6.6 5
Symptome bei chronischer Einnahme von Benzodiazepinen
Nach chronischer Einnahme hoher Benzodiazepindosen können zusätzlich auftreten: dysphorische Verstimmungszustände, Vergesslichkeit, Leistungsminderung, extreme muskuläre Schwäche mit Reflexverlust, Appetitstörungen sowie Abnahme der Libido und Menstruationsstörungen.
13
4.7
14
Wichtige Kontraindikationen für Anxiolytika sind:
15 16 17
Kontraindikationen
5
Akute Alkohol-, Schlafmittel-, Analgetika- und Psychopharmakaintoxikation 5 Myasthenia gravis (aufgrund der muskelrelaxierenden Wirkung der Benzodiazepine) 5 Akutes Engwinkelglaukom (nach Herstellerangabe für einige Präparate, pharmakologisch aber nicht eindeutig begründbar) 5 Spinale und zerebelläre Ataxie 6
4.8 · Pharmakokinetik und Interaktionen
289
5
Ambulante Verschreibung bei vorbekannter Abhängigkeitsanamnese 5 Bekannte Überempfindlichkeit gegen die entsprechende chemische Substanzklasse oder auch gegen andere Inhaltsstoffe der Präparate. 5 Relative Kontraindikationen: – Schwere Leber- und Nierenerkrankung – Chronische Ateminsuffizienz (obstruktive Atemwegserkrankungen), Schlaf-Apnoe-Syndrom
4.8
Pharmakokinetik und Interaktionen
4.8.1
Pharmakokinetik der Benzodiazepine
5
Benzodiazepine werden bei oraler Verabreichung aufgrund ihrer lipophilen Struktur gut und relativ schnell resorbiert: – Sehr schnell: Diazepam und Dikaliumchlorazepat – Relativ schnell: Lorazepam und Alprazolam – Relativ langsam: Oxazepam und Prazepam 5 Die Plasmaproteinbindung ist in der Regel hoch und beträgt 80–99%. Ausnahmen: Bromazepam 70% Plasmaproteinbindung, Lorazepam ca. 60% Plasmaproteinbindung. Metabolisierungswege Phase-I-Metabolismus
Oxidativ-hepatische Biotransformation durch Demethylierung sowie Hydroxylierung. Verläuft langsam und führt pharmakologisch meist zu wirksamen Metaboliten, die wiederum lange Eliminationshalbwertszeiten haben, wie z. B. Nordazepam; Kumulationsgefahr (7 Tabelle. 4.1)! Benzodiazepine, wie z. B. Diazepam, werden erst zu Nordazepam demethyliert, anschließend zu Oxazepam hydroxyliert und erst dann als Konjugat (Phase-II-Metabolismus) ausgeschieden. Phase-II-Metabolismus
Konjugatbildung mit Glukuronsäure an einer ursprünglich vorhandenen oder an einer in einem vorhergehenden Hydroxylierungsschritt (PhaseI-Metabolismus) angehängten Hydroxylgruppe. Geschieht schnell und führt unmittelbar zu renal eliminierbaren Produkten (Kumulationsgefahr gering). Benzodiazepine, wie z. B. Lorazepam, Lormetazepam und Oxaze-
4
290
Kapitel 4 · Anxiolytika
1
. Tabelle 4.1. Einteilung der Benzodiazepine nach ihren Eliminationshalbwerts-
2
Benzodiazepine
3
Benzodiazepine mit langer Halbwertszeit und lang wirksamen aktiven Metaboliten:
zeiten Metaboliten
Diazepam (20–40 h)
Nordazepam (36–200 h) Oxazepam (4–15)
Chlordiazepoxid (5–30 h)
Demoxepam (ca. 45 h) Nordazepam (36–200 h) Oxazepam (4–15 h)
6
Dikaliumclorazepat (1–2 h)
Nordazepam (36–200 h) Oxazepam (4–15 h)
7
Prazepam (ca. 1,5 h)
Nordazepam (36–200 h) Oxazepam (4–15 h)
8
Clobazam (12–60 h)
Desmethylclobazam (50–100 h)
9
Benzodiazepine mit mittlerer bis kurzer Halbwertszeit und aktiven Metaboliten:
4 5
10 11
Bromazepam (10–20 h)
Hydroxybromazepam (kurz)
Clotiazepam (3–15 h)
Desmethylclotiazepam Hydroxyclotiazepam (ca.18 h)
Lorazepam (8–24 h)
13
15
(Hydroxylalprazolam: 12–15 h)
Benzodiazepine mit mittlerer bis kurzer Halbwertszeit ohne aktive Metaboliten:
12
14
Alprazolam (10–15 h)
Oxazepam (4–15 h)
pam, die bereits eine Hydroxylgruppe besitzen, können sofort glukuronidiert werden, sodass deren Eliminationshalbwertzeit mit ungefähr 10 h relativ kurz ist. Auswirkungen auf die Anwendung von Benzodiazepinen
16 17
5
Demethylierung und Hydroxylierung sind abhängig von der allgemeinen Leberfunktion und dem Alter, nicht so dagegen i. d. R. die Glukuronidierung. Hohes Alter oder Leberzirrhose können die Eliminationshalbwertzeit von Phase-I-metabolisierten Benzodiazepinen verlängern. 5 Neben der Halbwertszeit ist die Dauer und das Ausmaß der Verteilung eines Benzodiazepins im Organismus wichtig: z. B. haben Diazepam
4.9 · Routinehinweise bei Benzodiazepingabe
291
und Nordazepam ein großes Verteilungsvolumen, sodass Diazepam nach einmaliger Applikation trotz relativ langer Halbwertzeit nur eine kurze Wirkungsdauer aufweist, da durch Rückdiffusion der Substanzen aus dem zentralen Kompartiment in die peripheren Gewebe wirksame Konzentrationen im Gehirn nur relativ kurze Zeit aufrechterhalten werden können. Oxazepam, Lorazepam, Clobazam und Alprazolam besitzen ein kleines Verteilungsvolumen. 4.8.2
Interaktionen der Benzodiazepine
Pharmakologische Interaktionen können grundsätzlich in pharmakodynamische und pharmakokinetische Interaktionen unterschieden werden. In pharmakodynamischer Hinsicht sind bei Benzodiazepinen Wirkverstärkungen in Zusammenhang mit ebenfalls sedativ wirkenden Substanzen zu beachten, insbesondere bei Substanzen mit ebenfalls GABAergem Wirkmechanismus (z. B. Barbiturate oder Antikonvulsiva). In pharmakokinetischer Hinsicht sind v. a. Beeinflussungen der Cytochrom-P450-abhängigen Phase-I-Metabolismen bei Benzodiazepinen ohne Hydroxylgruppe zu berücksichtigen (hauptsächlich CYP 450 3A4). Induktoren dieser Enzyme (z. B. Phenytoin, Rifampicin) vermindern die Wirkung von Benzodiazepinen; Inhibitoren (z. B. Fluoxetin, Fluvoxamin, Omeprazol, Grapefruitsaft) steigern die Wirkung bzw. verlängern die Halbwertzeit (. Tabelle. 4.2 und 7 Kap. 16). 4.9
Routinehinweise bei Benzodiazepingabe
Routineuntersuchungen von Leber, EKG, EEG sind nicht notwendig. Bei Leber- und Nierenfunktionsstörungen kann jedoch die Wirkstoffelimination reduziert sein (7 Kap. 13). Die Patienten sollten auf folgende Risiken hingewiesen werden: 5 Potenzierungsgefahr bei gleichzeitiger Einnahme anderer sedierender Pharmaka und Alkohol. 5 Mögliches Abhängigkeitsrisiko und Entzugssymptomatik (7 Kap. 4.6.1). 5 Mögliche eingeschränkte Fahrtüchtigkeit (7 Kap. 15). 5 Risiko in der Schwangerschaft und Stillzeit (7 Kap. 14).
4
292
1
Kapitel 4 · Anxiolytika
. Tabelle 4.2. Interaktionen Benzodiazepine (BZ) (nach Medikamentengruppen der Komedikation geordnet)
2
Komedikation
3
Antidepressiva (allgemein): – Fluoxetin, Fluvoxamin
Verstärkte Sedierung möglich
Antipsychotika
Verstärkte Sedierung möglich; pharmakodynamische Wirkverstärkung in vielen Fällen sinnvoll und erwünscht, Besserung einer antipsychotikainduzierten Akathisie unter BZ; in sehr seltenen Einzelfällen unter Kombination von BZ mit Clozapin Schwindelzustände bzw. Kollaps bis hin zum Atemstillstand
Carbamazepin
Stärkere Verstoffwechslung von Phase-I-metabolisierten BZ, dadurch niedrigere Plasmaspiegel und geringere Wirkung möglich
Valproinsäure
Höhere Diazepam- und Lorazepamplasmaspiegel möglich, dadurch vermehrte Nebenwirkungen, besonders vermehrte Sedierung möglich
4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
16 17
Geringere Verstoffwechslung von Phase-I-metabolisierten BZ, dadurch höhere Plasmaspiegel möglich
Andere Pharmaka Antazida
Geringere Absorption der BZ
Anticholinergika
Verzögerte Absorption von BZ
– Physostigmin
Starke Abschwächung bis Aufhebung der BZ-Wirkung
Cimetidin
Geringere Verstoffwechslung von Phase-I-metabolisierten BZ, dadurch höhere Plasmaspiegel möglich
Dexamethason
Stärkere Verstoffwechselung von CYP 3A3/4-metabolisierten BZ, dadurch niedrigere Plasmaspiegel möglich (7 Kap. 16)
Digoxin
Erhöhung der Digoxinplasmaspiegel unter Diazepam oder Alprazolam möglich (Vorsicht bei älteren Patienten!)
Erythromycin (evtl. auch andere Makrolidantibiotika)
Geringere Verstoffwechselung von CYP 3A3/4-metabolisierten BZ, dadurch höhere Plasmaspiegel möglich (7 Kap. 16)
14 15
Art der Interaktion
Psychopharmaka
4.10 · Dosierung und Behandlungsdauer
293
. Tabelle 4.2. (Fortsetzung) Komedikation
Art der Interaktion
HIV-Proteasehemmer
Verlangsamter Abbau durch Hemmung von CYP 3A4. Verstärkte Sedierung, z. B. durch Alprazolam oder Triazolam
Ketoconazol
Geringere Verstoffwechslung von CYP 3A3/4-metabolisierten BZ, dadurch höhere Plasmaspiegel möglich (7 Kap. 16)
Omeprazol
Evtl. geringere Verstoffwechslung von CYP 2C19-metabolisierten BZ wie Diazepam, Nordazepam und Nordazepam-Prodrugs, dadurch höhere Plasmaspiegel möglich
Probenezid
Durch verlangsamte Clearance Wirkverstärkung und -verlängerung von Lorazepam berichtet
Rifampizin
Stärkere Verstoffwechselung von Phase-I-metabolisierten BZ, dadurch niedrigere Plasmaspiegel und geringere Wirkung möglich
Suxamethonium
Evtl. geringere Suxamethoniumnebenwirkungen (und -wirkungen?) unter Diazepam
Verapamil, Diltiazem
Geringere Verstoffwechselung von CYP 3A3/4-metabolisierten BZ, dadurch höhere Plasmaspiegel möglich (7 Kap. 16)
Theophyllin, Coffein
Abschwächung der BZ-Wirkung möglich
4.10 5
Dosierung und Behandlungsdauer
Die Dosierung richtet sich nach dem gewünschten Grad der Anxiolyse bzw. Sedierung. 5 Benzodiazepine wirken schnell und zuverlässig und haben eine große therapeutische Breite. 5 Die Gesamtgabe sollte auf einen möglichst kurzen Zeitraum (4–6 Wochen) beschränkt werden. 5 Bei Benzodiazepinen mit langen Halbwertzeiten sind häufig einmalige Gaben pro Tag ausreichend. Bei Substanzen mit kürzeren Halbwertszeiten sind 2–4 Dosierungen pro Tag zu wählen. Hauptdosierung bei sedierender Wirkung zur Nacht.
4
294
1
5
2 3
älteren Patienten sind wegen des verzögerten Metabolismus, verändertem Verteilungsvolumen und häufig erniedrigter Clearance meist niedrigere Dosen als bei jüngeren Patienten notwendig (7 Kap. 16).
4.11
4
Kapitel 4 · Anxiolytika
Präparate1
Anxiolytikum
Alprazolam
Triazolobenzodiazepin
5 Alprazolam AbZ (AbZ-Pharma) Tbl. 0,25, 0,5 mg
Cassadan (Temmler Pharma)) Tbl. 0,25, 0,5, 1 mg
7
Alprazolam AL (ALIUD PHARMA) Tbl. 0,5, 1,0 mg
Tafil (Pharmacia) Tbl. 0,5, 1,0 mg (10, 20, 50 Tbl.)
8
Alprazolam Sandoz (Sandoz) Tbl. 0,25, 0,5, 1,0 mg
Xanax (Pharmacia) Tbl. 0,5, 1,0 mg (20, 50 Tbl.)
9
Pharmakodynamik
6
10 11 12 13
5
Verstärkung der GABAergen Hemmung über spezifische Benzodiazepinrezeptoren (GABAA-Rezeptorkomplex).
Pharmakokinetik 5 5
Mittelschnelle Resorption, t½=10–15 h; tmax der Retardform 5–11 h. Metabolisierung im Wesentlichen durch CYP 3A4, Wirksame Metaboliten sind für die klinische Wirkung kaum von Bedeutung. 5 Plasmakonzentration: 20–40 ng/ml(p). Indikationen und Behandlungshinweise
14 15 16
Angstzuständez. Bei Angstzuständen im Rahmen von Psychosen kann Alprazolam vorübergehend als Adjuvans verordnet werden. 5 Vom BfArM ist aufgrund groß angelegter Studien eine spezielle Zulassung für Panikstörungen und deren langfristige Behandlung erteilt worden, allerdings mit den Auflagen: »Panikstörungen mit und ohne Agoraphobie, sofern therapeutische Alternativen nicht erfolgreich waren oder nicht geeignet sind«; »Die längerfristige Behandlung und die Ver5
17 1
Bei Generika wurde auf die Angabe der Packungsgröße verzichtet.
4.11 · Präparate
295
4
ordnung höherer Dosierungen (über 4 mg täglich hinaus) darf nur durch einen Psychiater erfolgen«. 5 Routinehinweise: 7 Kap. 4.9. Dosierung 5
2- bis 4-mal 0,25–0,5 mg/Tag; maximal 4 mg/Tag. Aufgrund der kurzen bis mittellangen HWZ ist eine 2- bis 4-malige Verabreichung über den Tag verteilt zu empfehlen.
Nebenwirkungen (7 Kap. 4.6) Kontraindikationen (7 Kap. 4.7) Interaktionen (7 Kap. 4.8) 5
5 5
5 5 5
Der Serumspiegel von Desipramin und Imipramin ehöht sich bei gleichzeitiger Gabe von Alprazolam um 20% bzw. 31%. Unter Fluvoxamin wurde ein Anstieg des Serumspiegels von Alprazolam um ca. 100% beobachtet, die Dosis sollte entsprechend reduziert werden. Bei Gabe von Dextropropoxyphen evtl. höhere Alprazolamplasmaspiegel. Bei Kombination mit Ketoconazol, Nefazodon, Ritonavir oder anderen Hemmstoffen von CYP 3A4 Anstieg der Plasmaspiegel von Alprazolam und evtl. verstärkte Sedierung (7 Kap. 4.8.2). Bei Kombination mit Digoxin Anstieg der Plasmaspiegel von Dogoxin. Kombination bei Alterspatienten (>65 Jahre) vermeiden. Plasma-Cortisol-Spiegel können bei älteren Patienten bereits nach einer 3-wöchigen Behandlung mit Alprazolam erhöht sein. Weitere Interaktionen . Tabelle. 4.2.
Bewertung
Sicheres Anxiolytikum. Möglicherweise höheres Abhängigkeitspotenzial gegenüber Vergleichspräparaten. Langzeituntersuchungen zum Abhängigkeitsrisiko bei Panikstörungen fehlen.
Anxiolytikum
Bromazepam
1,4-Benzodiazepin Bromalich (Lichtenstein) Tbl. 6 mg
Bromazanil (Hexal) Tbl. 3, 6 mg
Bromaz 6–1A (1A Pharma) Tbl. 6 mg
bromazep von ct (ct-Arzneimittel) Tbl. 6 mg
296
Kapitel 4 · Anxiolytika
1
Bromazepam AL (ALIUD PHARMA) Tbl. 6 mg
Gityl (Krewel Meuselbach) Tbl. 6 mg
2
Bromazepam beta (betapharm) Tbl. 6 mg
Lexostad (STADApharm) Tbl. 6 mg
3
Bromazepam neuraxpharm (neuraxpharm) Tbl. 6 mg
Lexotanil (Roche) Tbl. 6 mg (10, 20, 50 Tbl.)
4 5
Bromazepam ratiopharm (ratiopharm) Tbl. 6 mg
6
durazanil (Merck dura) Tbl. 6 mg
7 8
10 11 12 13
Verstärkung der GABAergen Hemmung über spezifische Benzodiazepinrezeptoren (GABAA-Rezeptorkomplex).
Pharmakokinetik 5 5
Schnelle Resorption, Tmax=1 h; t½=10–20 h. Metabolisierung durch CYP 1A2, pharmakologisch aktive Metaboliten klinisch nicht von Bedeutung.
Indikationen und Behandlungshinweise
Angstzuständez. Bei psychischen Angstzuständen kann Bromazepam vorübergehend als Adjuvans verordnet werden. 5 Routinehinweise: 7 Kap. 4.9. 5
Dosierung 5
14
Normoc (Merckle) Tbl. 6 mg
Pharmakodynamik 5
9
neo OPT (Optimed) Tbl. 6 mg
3–6 mg/Tag in 2–4 Einzeldosen. In der Klinik bis 24 mg/Tag.
Nebenwirkungen (7 Kap. 4.6)
15
Kontraindikationen (7 Kap. 4.7)
16
Interaktionen (7 Kap. 4.8)
17
Bewertung
Sicheres Anxiolytikum.
297
4.11 · Präparate
4
Anxiolytikum
Buspiron
Azapiron Anxut (Eisai) Tbl. 5, 10 mg
Busp (Hexal) Tbl. 5, 10 mg
Bespar (Bristol-Myers Squibb/Hormosan) Tbl. 5, 10 mg (20, 50, 100 Tbl.) Pharmakodynamik 5
Partieller Agonist an 5-HT-1A-Rezeptoren.
Pharmakokinetik 5 5
Rasche Resorption; hoher First-pass-Effekt; t½=2–3 h. Die Metabolisierung erfolgt bevorzugt über CYP 3A4. Anxiolytisch wirksamer Metabolit: 1-Pyrimidylpiperazin (1-PP), der im Steady-state in 13 fach höherer Konzentration vorkommt als die Muttersubstanz. 5 Plasmakonzentration: im Mittel 3 ng/ml(p). Indikationen und Behandlungshinweise 5 5 5 5 5
5
5 5
Zur symptomatischen Behandlung von Angstzuständen mit der Leitsymptomatik Angst, innere Unruhe und Spannungszuständez. Hinweise auf Wirksamkeit bei generalisierter Angststörung (GAD) leichter bis mittlerer Ausprägung. Hinweise zur Wirkung bei der Augmentationsbehandlung von SSRI bei schwerer Depression. Erste Hinweise auf Wirksamkeit bei PTSD und zerebellärer Ataxie. Buspiron hat keine sedierenden, muskelrelaxierenden oder antikonvulsiven Eigenschaften. Keine Abhängigkeitsentwicklungen. Keine Interaktion mit Alkohol. Keine paradoxen Disinhibitionsphänomene beschrieben. Wegen bestehender Wirklatenz von 10–14 Tagen und fehlenden sedierenden Eigenschaften als Adjuvans bei Unruhezuständen oder psychotischen Angstzuständen nicht geeignet. Buspiron ist bei Panikstörungen mit und ohne Agoraphobie nicht effektiv. Es fehlen Nachweise für Langzeitwirkungen bei der GAD. Buspiron ist nicht in der Lage Entzugssymptome nach Absetzen von Benzodiazepinen zu beheben. Deshalb sollten vor Beginn der Therapie mit Buspiron die Patienten von Benzodiazepinen ausschleichend abgesetzt sein.
298
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
Kapitel 4 · Anxiolytika
Dosierung 5
15–30 mg/Tag, Höchstdosis 60 mg/Tag. Dosis langsam steigern. Verteilung der Tagesdosis auf 3–4 Einzelgaben.
Nebenwirkungen 5
Schwindel, Kopfschmerzen, Nervosität, Erregung, Schlaflosigkeit, bei höheren Dosen Dysphorie. 5 Magenbeschwerden, Übelkeit, Durchfall möglich. 5 Kontraindikationen 5 Myasthenie; akutes Engwinkelglaukom; schwere Leber- und Nierenfunktionsstörungen. Interaktionen 5
Bei gleichzeitiger Einnahme von Haloperidol erhöhte Plasmaspiegel des Antipsychotikums möglich. 5 Bei gleichzeitiger Einnahme von Rifampizin erniedrigte Plasmaspiegel von Buspiron möglich. 5 Bei gleichzeitiger Einnahme von MAO-Hemmern besteht das Risiko einer hypertensiven Krise. Bewertung
Wirksam bei generalisierter Angststörung mit Vorteil des fehlenden Abhängigkeitspotenzials und Nachteil der langen Wirklatenz; bisher kein Nachweis für eine Langzeitwirkung erbracht. Gleichwirksamkeit gegenüber Benzodiazepinen und Antidepressiva nicht belegt.
Chlordiazepoxid
Anxiolytikum
1,4-Benzodiazepin Librium (ICN) Tbl.
25 mg (10, 20, 50 Tbl.)
Radepur 10 (AWD pharma) Drgs. 10 mg
Multum (Rosen Pharma) Tbl. 5, 10, 25 mg
16 Pharmakodynamik
17
5
Verstärkung der GABAergen Hemmung über spezifische Benzodiazepinrezeptoren (GABAA-Rezeptorkomplex).
4.11 · Präparate
299
4
Pharmakokinetik 5
Schnelle bis mittelschnelle Resorption; Tmax=0,5–3,3 h (altersabhängig); t½=5–30 h; Abbau zu langwirksamen Metaboliten Demoxepam (t½=ca. 45 h) und Nordazepam (t½=36–200 h) (Kumulationsgefahr).
Indikationen und Behandlungshinweise
Angstzuständez. Bei psychotischen Angstzuständen kann Chlordiazepoxid vorübergehend als Adjuvans verordnet werden. 5 Routinehinweise: 7 Kap. 4.9. 5
Dosierung 5
Ambulant 5–50 mg, stationär 15 bis maximal 150 mg/Tag.
Nebenwirkungen (7 Kap. 4.6) Kontraindikationen (7 Kap. 4.7) Interaktionen (7 Kap. 4.8) Bewertung
Sicheres Anxiolytikum. Kumulationsgefahr.
Clobazam
Anxiolytikum
1,5-Benzodiazepin Frisium 10/20 Tabs (Aventis Pharma) Tbl. 10, 20 mg (10, 20, 50 Tbl.) Pharmakodynamik 5
Verstärkung der GABAergen Hemmung über spezifische Benzodiazepinrezeptoren (GABAA-Rezeptorkomplex).
Pharmakokinetik 5
Mittelschnelle Resorption; t½=18 h; Eliminationshalbwertszeit des aktiven Metaboliten Desmethylclobazam liegt bei 50 h. Wirkstoffkumulation aufgrund langer Eliminationshalbwertszeit des Metaboliten bei längerdauernder regelmäßiger Applikation möglich.
300
1
Kapitel 4 · Anxiolytika
Indikationen und Behandlungshinweise 5
2
Angstzuständez. Adjuvante Gabe bei psychotischen Angstzuständen vorübergehend möglich. Sedierender Effekt i. Allg. nur zu Beginn der Therapie.
3
Dosierung
4
Nebenwirkungen (7 Kap. 4.6)
5
Kontraindikationen (7 Kap. 4.7)
6
5
20–30 mg/Tag, Höchstdosis 60 mg.
Interaktionen (7 Kap. 4.8) Bewertung
7 8 9 10
Sicheres Anxiolytikum. Kumulationsgefahr.
1,4-Benzodiazepin Antelepsin (Desitin) Tbl. 0,5, 2 mg
11 12 13 14 15 16
Rivotril (Roche) Tbl. 0,5, 2 mg (50, 100 Tbl.) Trpf. 2,5 mg=25 Trpf.=1 ml (10, 50 ml) (Rivotril Lösung) Amp. 1 mg/1 ml (5 Amp.)
Pharmakodynamik 5
Verstärkung der GABAergen Hemmung über spezifische Benzodiazepinrezeptoren (GABAA-Rezeptorkomplex).
Pharmakokinetik 5 5 5
Schnelle Resorption; t½=39–40 h. Bevorzugte Metabolisierung durch CYP 3A3/4. Plasmakonzentration: 20–40 ng/ml(p).
Indikationen und Behandlungshinweise
Angstzuständez. Adjuvante Gabe bei psychotischen Angstzuständen vorübergehend möglich. Sedierender Effekt i. Allg. nur zu Beginn der Therapie. 5 Zur Anwendung beim manischen Syndrom 7 Kap. 2.4.1. 5 Erste Hinweise zur Wirksamkeit bei Zwangsstörungen. 5
17
Anxiolytikum
Clonazepam
301
4.11 · Präparate
4
5
Epilepsien, insbesondere altersgebundene Petit-mal-Epilepsien und fokal (partielle) Anfälle. Zur Unterbrechung bei Status epilepticus bewährt, bei Epilepsien vorwiegend im Rahmen einer Kombinationstherapie. 5 Routinehinweise: 7 Kap. 4.9. Dosierung 5
Zur Anxiolyse 2–5 mg. Bei Erregungszuständen oder manischen Syndromen bis zu 15 mg/Tag möglich. Vor i.v.-Gabe Lösung verdünnen (1 mg Wirkstoff auf 2 ml Injektionslösung). Die Injektionsgeschwindigkeit sollte 0,25–0,5 mg pro Minute nicht überschreiten.
Nebenwirkungen 5 7 Kap. 4.6, zusätzlich vermehrter Speichelfluss und Bronchialhyperse-
kretion (insbesondere bei Kindern) zu beachten. Kontraindikationen (7 Kap. 4.7) Interaktionen (7 Kap. 4.8) 5
Wirkverstärkung bei Kombination mit Inhibitoren von CYP 3A4 (7 Kap. 16).
Bewertung
Sicheres Anxiolytikum.
Diazepam
Anxiolytikum
1,4-Benzodiazepin diazep AbZ (AbZ-Pharma) Tbl. 5, 10 mg Trpf. 10 mg=20 Trpf.=1 ml Amp. 10 mg/2 ml diazep von ct (ct-Arzneimittel) Tbl. 2, 5, 10 mg Amp. 10 mg/2 ml Diazepam Desitin (Desitin) Tube 5, 10 mg/2,5 ml Amp. 10 mg/2 ml Diazepam-Lipuro (Braun Melsungen) Amp. 10 mg/2 ml
Diazepam-ratiopharm (ratiopharm) Tbl. 2, 5, 10 mg Trpf. 10 mg=20 Trpf.=1 ml Supp. 5, 10 mg Amp. 10 mg/2 ml Diazepam Sandoz (Sandoz) Tbl. 5, 10 mg Diazepam STADA (STADApharm) Tbl. 5, 10 mg
302
1 2 3 4 5
Kapitel 4 · Anxiolytika
Faustan (Temmler Pharma) Tbl. 5 mg Supp. 10 mg Amp. 10 mg/2 ml Lamra (Merckle) Tbl. 10 mg
Valium (Roche) Tbl. 5, 10 mg (20, 50 Tbl.) Trpf. 10 mg=30 Trpf.=1 ml (25 ml) (Valiquid 0,3) Amp. 10 mg/2 ml (5 Amp.) (Valium 10) 10 mg/2 ml (5 Amp.) (Valium MM)
Stesolid (ALPHARMA ISIS) Tube 5, 10 mg/2,5 ml Amp. 10 mg/2 ml
Valocordin-Diazepam (Krewel Meuselbach) Trpf. 10 mg=30 Trpf.=1 ml
Pharmakodynamik
6
5
7
Pharmakokinetik 5
8 9 10 11
5 5 5
5
12
Verstärkung der GABAergen Hemmung über spezifische Benzodiazepinrezeptoren (GABAA-Rezeptorkomplex). Schnelle Resorption (bei oraler Gabe schnellster Wirkungseintritt aller Benzodiazepine); Tmax=1 h; t½=20–40 h. Aufgrund des großen Verteilungsvolumens bei Einmaldosierung allerdings nur eine kurzdauernde Wirkung. Rektale Resorption ähnlich schnell wie bei oraler Gabe, jedoch unzuverlässiger. Metabolisierung bevorzugt durch CYP 2C19 und CYP 3A4. Pharmakologisch aktive Metaboliten: Nordazepam (t½=36–200 h), Oxazepam (t½= 4–15 h) (Kumulationsgefahr!). Plasmakonzentration (Summe Diazepam und Metaboliten): 300– 400 ng/ml(p).
Indikationen und Behandlungshinweise
13 14 15 16
Angstzuständez. Erregungszuständez (7 Kap. 12.2). Einsatz als Hypnotikum möglich, jedoch Hang-over-Phänomene. Alkoholentzugssyndrom(z) 7 Kap. 7.2.1. Einsatz in der Neurologie als Muskelrelaxans und Antikonvulsivum zur Unterbrechung eines Status epilepticus. 5 Routinehinweise: 7 Kap. 4.9. 5 5 5 5 5
Dosierung
17
5
Ambulant 2–15 mg oral, stationär 5–60 mg/Tag oral. Bei Einschlafstörungen 5–20 mg abends. Bei ängstlich-agitierten Erregungszuständen 10 mg oral, i.v. oder i.m. (1- bis 2-malige Wiederholung im Abstand von jeweils 30 min möglich, allerdings sollten 40 mg in den ersten 24 h nur in Ausnahmefällen überschritten werden).
4.11 · Präparate
303
4
Nebenwirkungen (7 Kap. 4.6) ! Bei schneller i.v.-Injektion von Diazepam kann es zu Atemdepression
kommen; die i.v.-Gabe muss daher langsam erfolgen. 5
Nach i.v.-Verabreichung von Diazepam sind lokale Gefäßirritationen bis hin zu Thrombophlebitiden beobachtet worden, die unter den neuen Präparationsformen (Diazepam-Lipuro, Stesolid, Valium MM) nicht auftreten sollen.
Kontraindikationen (7 Kap. 4.7) Interaktionen (7 Kap. 4.8) 5
Hemmung des Abbaus von Diazepam bei Kombination mit Fluvoxamin, Fluoxetin, Disulfiram, Cimetidin, Omeprazol und Ketoconazol, dadurch verstärkte Sedierung. 5 Phenobarbital und Phenytoin können den Metabolismus von Diazepam beschleunigen. Bewertung
Sicheres Anxiolytikum mit zugleich sehr guter sedierender Eigenschaft. Kumulationsgefahr.
Dikaliumclorazepat
Anxiolytikum
1,4-Benzodiazepin Tranxilium (Sanofi-Synthelabo) Kps. 5, 10, 20 mg (10, 20, 50 Kps.) Tbl. 20 mg (10, 20, 50 Tbl) (Tranxilium Tabs) 50 mg (10 Tbl.) Amp. 50 mg (5, 5×5 Trockenamp. mit Lösungsmittelamp. 2,5 ml) (Tranxilium Injizierbar) 100 mg (5 Trockenamp. mit Lösungsmittelamp. 5 ml) (Tranxilium Injizierbar) Pharmakodynamik 5
Verstärkung der GABAergen Hemmung über spezifische Benzodiazepinrezeptoren (GABAA-Rezeptorkomplex).
Pharmakokinetik 5
Dikaliumclorazepat (t½=1–2 h) stellt eine Prodrug dar und wird im sauren Magenmilieu pH-abhängig rasch zur eigentlichen Wirksubstanz Nordazepam (t½=36–20 h) hydrolysiert.
304
1 2 3
Kapitel 4 · Anxiolytika
Indikationen und Behandlungshinweise
Angstzuständez. Bei psychischen Angstzuständen kann Dikaliumclorazepat vorübergehend als Adjuvans verordnet werden. 5 Routinehinweise: 7 Kap. 4.9. 5
Dosierung 5
4 5 6
Empfohlene Höchstdosis ambulant 20 mg in abendlicher Einzelgabe. Stationär können höhere Dosen gegeben werden. Eine i.v.-Injektion sollte langsam vorgenommen werden (nicht mehr als 100 mg pro Injektion). Zu beachten ist, dass Tranxilium Injizierbar nach Zubereitung der Lösung zur unmittelbaren Verwendung bestimmt ist, da es nicht über einen längeren Zeitraum stabil ist und es zu Ausfällungen kommen kann.
Nebenwirkungen (7 Kap. 4.6)
7 Kontraindikationen (7 Kap. 4.7)
8 9 10 11 12 13
Interaktionen (7 Kap. 4.8) Bewertung
Sicheres Anxiolytikum. Kumulationsgefahr.
Hydroxyzin
Anxiolytikum, Antihistaminikum
Diphenylmethanderivat AH 3 N Tabletten (Rodleben) Tbl. 25 mg
14
Atarax (UCB) Tbl. 25 mg (20, 50, 100 Tbl.) Saft 20 mg=10 ml (200 ml) (Atarax liquidum)
15
Pharmakodynamik
16 17
5
Elroquil N (Rodleben) Tbl. 25 mg
Blockierende Wirkung an H1-Histaminrezeptoren, außerdem adrenolytische und anticholinerge Aktivität. Neben anxiolytischen und sedierenden auch antiemetische Wirkungen beschrieben.
Pharmakokinetik 5
Rasche und nahezu vollständige Resorption nach oraler Einnahme; Tmax=2 h; t½ bei Erwachsenen ca. 20 h, bei Kindern ca. 7 h.
4.11 · Präparate
305
4
Indikationen und Behandlungshinweise 5 5 5 5 5 5
Angst- und Spannungszustände, nicht-psychotische emotional bedingte Unruhezuständez. Ein- und Durchschlafstörungenz. Hinweise auf Wirksamkeit bei generalisierter Angststörung. Innere Medizin/Dermatologie: Antiallergikumz, z. B. bei Urtikaria und Neurodermitis. Chirurgie: Prämedikationz. Keine Hinweise auf Abhängigkeit oder Absetzphänomene.
Dosierung 5
30–75 mg ambulant, stationär bis zu 200 mg/Tag; aufgeteilt in 2–3 Einzelgaben.
Nebenwirkungen 5
Schwindelgefühle, Benommenheit, Konzentrationsstörungen, verlängerte Reaktionszeit. »Paradoxe« Reaktionen wie Unruhe, Erregung und Anspannung sind möglich, jedoch sehr selten. Anticholinerge Nebenwirkungen vergleichbar denen der trizyklischen Antidepressiva können auftreten (7 Kap. 1.6).
Kontraindikationen 5
Überempfindlichkeit gegenüber Antihistaminika; akutes Engwinkelglaukom, Prostatahypertrophie; gleichzeitige Therapie mit MAO-Hemmern; Einsatz bei eingeschränkter Leberfunktion und Phäochromozytom unter besonderer Vorsicht.
Interaktionen 5
Absenkung von Phenytoinspiegeln bei gleichzeitiger Gabe von Hydroxyzin möglich. 5 Verstärkung anticholinerger Nebenwirkungen durch gleichzeitige Gabe von anderen Substanzen mit anticholinergen Wirkungen (z. B. Atropin, Biperiden, trizyklische Antidepressiva) möglich. 5 Bei gleichzeitiger Gabe von MAO-Hemmern und Hydroxyzin verstärkte Hypotension möglich. Bewertung
Wirksam bei generalisierter Angststörung; Gleichwirksamkeit gegenüber Benzodiazepinen und Antidepressiva muss noch belegt werden.
306
1
Kapitel 4 · Anxiolytika
Anxiolytikum
Lorazepam
1,4-Benzodiazepin
2 3
duralozam (Merck dura) Tbl. 1, 2,5 mg
Somagerol (RIEMSER) Tbl. 1, 2,5 mg
4
Laubeel (Desitin) Tbl. 1, 2,5 mg
Tavor (Wyeth) Tbl. 0,5, 1, 2,5 mg (10, 20, 50 Tbl.) Tbl. 2 mg (10, 20, 50 Tbl.) (Tavor Tabs) Plättchen 1, 2,5 mg (50 Plättchen) (Tavor Expidet) Amp. 2 mg/1 ml (10, 50 Amp.)
5 6
Lorazepam-neuraxpharm (neuraxpharm) Tbl. 1, 2,5 mg Lorazepam-ratiopharm (ratiopharm) Tbl. 1, 2.5 mg
7 8 9 10 11 12 13 14
Pharmakodynamik 5
Verstärkung der GABAergen Hemmung über spezifische Benzodiazepinrezeptoren (GABAA-Rezeptorkomplex). 5 Nach klinischer Beobachtung ausgeprägtere Angstlösung gegenüber Vergleichssubstanzen, in kontrollierten Untersuchungen dafür jedoch bisher kein Hinweis. Pharmakokinetik 5 5
Relativ schnelle Resorption; t½=8–24 h; keine aktiven Metaboliten. Die Clearance von Lorazepam wird durch Lebererkrankungen (Hepatitis, Zirrhose) nicht signifikant verändert. Schwere Leberfunktionsstörungen können zu einer Verlängerung der terminalen t½ führen. 5 Plasmakonzentration: 10–15 ng/ml(p). Indikationen und Behandlungshinweise 5
15 16 17
Tolid (Dolorgiet) Tbl. 1, 2,5 mg
5 5 5 5
Angstzuständez. Bei psychotischen Angstzuständen kann Lorazepam vorübergehend als Adjuvans verordnet werden. Lorazepam hat eine stupor- und mutismuslösende Wirkung. Für psychiatrische Notfälle steht eine parenterale Applikationsform zur Verfügung (Tavor i.v.- oder i.m.-Präparat). Zur Verordnung bei manischen Störungen 7 Kap. 2.4.1. Für Patienten, die unzureichend schlucken können, liegen mit Tavor® Expidet lyophilisierte Plättchen vor, die sich in wenigen Sekunden auf der Zunge lösen. Die Sofortlöslichkeit von Tavor® Expidet verhindert
4.11 · Präparate
307
4
bei Non-Compliance des Patienten ein Zurückhalten im Mund. Tavor® Expidet wird aber nicht schneller resorbiert als herkömmliche Tavor®Tabletten. 5 Routinehinweise: 7 Kap. 4.9. Dosierung 5
Ambulant 0,25–5 mg meist in 2–4 Einzeldosen, stationär bis 10 mg/Tag; vor dem Schlafengehen 1–2,5 mg. Im Vergleich zu Diazepam wird etwa 1/4 der Dosis für die gleiche Wirkung benötigt. 5 Psychiatrische Notfälle: initial 2–2,5 mg p.o. oder in parenteraler Applikationsform (wegen möglicher Atemdepression langsame i.v.-Applikation, Injektionsgeschwindigkeit für die i.v.-Verabreichung soll 2 mg Lorazepam/min nicht überschreiten). Aufdosierung bis 10 mg/Tag möglich. Nebenwirkungen (7 Kap. 4.6) Kontraindikationen (7 Kap. 4.7) Interaktionen (7 Kap. 4.8) 5
Die gleichzeitige Gabe von Lorazepam und Valproinsäure kann zu erhöhten Plasmakonzentrationen und zu einer verminderten Clearance von Lorazepam führen. Wenn Valproinsäure gleichzeitig angewendet wird, sollte die Lorazepamdosis um etwa 50% reduziert werden. 5 Probenecid vermindert die Clearance von Lorazepam, dadurch steigt die Plasmakonzentration von Lorazepam und die Wirkung ist verstärkt. Reduzierte Lorazepamdosis einsetzen. Bewertung
Hochwirksames Anxiolytikum mit stupor- und mutismuslösender Wirkung. Möglicherweise höheres Abhängigkeitspotenzial gegenüber Vergleichspräparaten.
Medazepam
Anxiolytikum
1,4-Benzodiazepin Rusedal (ALTANA) Tbl. 10 mg
Rudotel (AWD Pharma) Tbl. 10 mg
308
1 2
Kapitel 4 · Anxiolytika
Pharmakodynamik 5
Verstärkung der GABAergen Hemmung über spezifische Benzodiazepinrezeptoren (GABAA-Rezeptorkomplex).
Pharmakokinetik
3
5
4
Indikationen und Behandlungshinweise
5
5 5
6
Tmax=1–2 h; rasche Verstoffwechslung u. a. zu Diazepam und Oxazepam (Kumulationsgefahr), Medazepam hat somit Prodrug-Charakter. Angstzuständez. Routinehinweise: 7 Kap. 4.9.
Dosierung 5
Tagesdosis 10–30 mg, verteilt auf 2–3 Einzeldosen. Höchstdosis 60 mg.
7
Nebenwirkungen (7 Kap. 4.6)
8
Kontraindikationen (7 Kap. 4.7)
9
Interaktionen (7 Kap. 4.8) Bewertung
10 11 12 13 14 15 16
Sicheres Anxiolytikum. Kumulationsgefahr.
Nordazepam
Tranxilium N (Sanofi-Synthelabo) Lsg. 5 mg=24 Trpf. 1 g Lsg. (30 g) Pharmakodynamik 5
Verstärkung der GABAergen Hemmung über spezifische Benzodiazepinrezeptoren (GABAA-Rezeptorkomplex).
Pharmakokinetik 5
17
Anxiolytikum
1,4-Benzodiazepin
Tmax=1–2 h; t½=ca. 50–100 h (Kumulationsgefahr). Nach i.m.-Injektion verläuft die Absorption langsamer und die Bioverfügbarkeit scheint etwas geringer zu sein als nach oraler Gabe. 5 Nordazepam wird durch CYP 1A2 in den aktiven Metaboliten Oxazepam umgewandelt.
309
4.11 · Präparate
4
Indikationen und Behandlungshinweise
Angstzuständez. Bei psychotischen Angstzuständen kann Nordazepam vorübergehend als Adjuvans verordnet werden. 5 Routinehinweise: 7 Kap. 4.9. 5
Dosierung 5
Empfohlen werden 2,5–15 mg/Tag in einer abendlichen Einzelgabe.
Nebenwirkungen (7 Kap. 4.6) Kontraindikationen (7 Kap. 4.7) Interaktionen (7 Kap. 4.8) 5
Orale Antikonzeptiva verlängern die Eliminationshalbwertszeit von Nordazepam beträchtlich.
Bewertung
Sicheres Anxiolytikum. Kumulationsgefahr.
Anxiolytikum
Opipramol
Trizyklisches Piperazinylderivat Insidon (Novartis Pharma) Drg. 50 mg (20, 50, 100 Drg.) Tbl. 100 mg (20, 50, 100 Tbl.) Trpf. 1 ml (24 Trpf.) enthält 100 mg Opipramol
Opipramol-neuraxpharm (neuraxpharm) Tbl. 50, 100 mg
Pharmakodynamik 5
Opipramol ist in erster Linie ein Sigma-Ligand mit zusätzlichem Rezeptorprofil: H1-antihistaminerge Wirkkomponente, zusätzlich etwas geringere antidopaminerge und 5-HT2A-antagonistische Wirkung. Im Unterschied zu den strukturverwandten Antidepressiva besitzt Opipramol keine Hemmwirkung auf den Re-uptake von Monoaminen und nur geringe anticholinerge Aktivität.
Pharmakokinetik 5 5
Vollständige Resorption nach oraler Gabe; t½=6–9 h. Plasmakonzentration: 14–64 ng/ml(p).
310
1 2 3 4
Indikationen und Behandlungshinweise
Generalisierte Angststörungz. Somatoforme Störungenz. Zumeist ältere Studien zeigen Hinweise zur Wirksamkeit bei postmenopausalem Syndrom. 5 Keine Abhängigkeits- oder Absetzphänomene. 5 5 5
Dosierung 5
5 6 7
5
Gelegentlich Benommenheit, Müdigkeit, Schwindel, Mundtrockenheit.
Kontraindikationen 5
10
50–300 mg/Tag je nach Schwere der Erkrankung, verteilt auf 1–3 Einzelgaben, Hauptdosis abends. Das BfArM hatte eine Regeldosis von 200 mg pro Tag festgelegt.
Nebenwirkungen
8 9
Kapitel 4 · Anxiolytika
Anwendung bei akutem Engwinkelglaukom, Prostatahypertrophie nur unter besonderer Vorsicht; schwere Leber- und Nierenerkrankungen; Kombination mit MAO-Hemmern.
Interaktionen 5
Die Wirkungen von Anticholinergika können verstärkt werden.
Bewertung
11 12 13 14 15 16 17
Wirksam bei generalisierter Angststörung und Somatoformen Störungen.
Oxazepam
Anxiolytikum
1,4-Benzodiazepin Adumbran (Boehringer Ingelheim) Tbl. 10, 50 mg (10, 20, 50 Tbl.) (Adumbran forte)
Oxazepam AL 10 (ALIUD PHARMA) Tbl. 10 mg
durazepam (Merck dura) Tbl. 10, 50 mg (durazepam forte)
Oxazepam-neuraxpharm (neuraxpharm) Tbl. 10, 50 mg
Mirfudorm (Merckle) Tbl. 10 mg Oxa von ct (ct-Arzneimittel) Tbl. 10, 50 mg
Oxazepam-ratiopharm (ratiopharm) Tbl. 10, 50 mg Kps. 30 mg (Oxazepam retardratiopharm)
311
4.11 · Präparate
Oxazepam Sandoz (Sandoz) Tbl. 10 mg
Sigacalm (ALPHARMA-ISIS) Tbl. 10, 50 mg (Sigacalm forte)
Oxazepam 10 STADA (STADApharm) Tbl. 10 mg
Uskan (Desitin) Tbl. 10, 20 mg
4
Praxiten (TEOFARMA)) Tbl. 10, 15, 50 mg (10, 20, 50 Tbl.) (Praxiten forte) Pharmakodynamik 5
Verstärkung der GABAergen Hemmung über spezifische Benzodiazepinrezeptoren (GABAA-Rezeptorkomplex).
Pharmakokinetik 5
Langsame Absorption; Tmax=1–3 h; t½=4–15 h; keine aktiven Metaboliten. 5 Die Auscheidung erfolgt fast ausschließlich renal. Resorption, Metabolismus und Elimination erfolgen durch direkte Glukuronidierung, sie werden durch bestehende Lebererkrankungen (z. B. Hepatitis und Zirrhose) nicht signifikant verändert. Indikationen und Behandlungshinweise 5 5
Angstzuständez. Routinehinweise: 7 Kap. 4.9.
Dosierung 5
10–60 mg/Tag oral, meist in 2–4 Einzeldosen. Stationär in Ausnahmefällen bis zu 150 mg.
Nebenwirkungen (7 Kap. 4.6) Kontraindikationen (7 Kap. 4.7) Interaktionen (7 Kap. 4.8) Bewertung
Sicheres Anxiolytikum.
312
1
Kapitel 4 · Anxiolytika
Prazepam
Anxiolytikum
1,4-Benzodiazepin
2 3
Demetrin (Parke-Davis) Tbl. 10 mg (10, 20, 50 Tbl.) 20 mg (10, 20, 50 Tbl.) (Mono Demetrin)
4 Pharmakodynamik
5
5
6
Pharmakokinetik
7
5
8 9 10 11
Verstärkung der GABAergen Hemmung über spezifische Benzodiazepinrezeptoren (GABAA-Rezeptorkomplex). Relativ langsame Resorption. Prazepam ist eine Prodrug und wird langsam zur eigentlichen Wirksubstanz Nordazepam umgewandelt, die mit einer Eliminationshalbwertszeit von ca. 50–100 h kumuliert. Aufgrund des verzögerten Wirkungseintritts von ca. 3–7 h nach Einnahme ist Prazepam zur Akuttherapie und als Hypnotikum wenig geeignet.
Indikationen und Behandlungshinweise 5 5
Angstzuständez. Routinehinweise: 7 Kap. 4.9.
Dosierung 5
10–30 mg/Tag; Einmaldosierung ist möglich.
12
Nebenwirkungen (7 Kap. 4.6)
13
Kontraindikationen (7 Kap. 4.7)
14
Interaktionen (7 Kap. 4.8)
15 16 17
Bewertung
Sicheres Anxiolytikum. Kumulationsgefahr.
5 Hypnotika (Antiinsomnika)
5.1
Übersicht
Hypnotika sind schlaferzeugende Pharmaka (Synonyma: Schlafmittel, Antiinsomnika). Früher gebräuchliche Präparate wie Barbiturate wirken dosisabhängig sedativ, hypnotisch oder narkotisch. Moderne Präparate wie die Benzodiazepinhypnotika und die Non-Benzodiazepinhypnotika führen bei oraler Verabreichung auch in hoher Dosierung nicht zu einer vollständigen Narkose. Ideale Anforderungen an Hypnotika sind: keine Veränderung des physiologischen Schlafs, keine Kumulation, keine Toleranzentwicklung, kein Abhängigkeitspotenzial und keine Lähmung des Atemzentrums bei Überdosierung. Schlafmittel sollen schnell und zuverlässig resorbiert werden und rasch im ZNS anfluten. Die Gruppe der Hypnotika enthält Präparate mit unterschiedlicher Strukturchemie: 5 Benzodiazepinhypnotika, 5 Chloralhydrat (Aldehyd), 5 Diphenhydramin, Doxylamin (Dimethylamine), Promethazin (Phenothiazinderivat), 5 Non-Benzodiazepinhynotika: Zaleplon (Pyrazolopyrimidin), Zolpidem (Imidazopyridin), Zopiclon (Zyklopyrrolon). 5 Andere Substanzen, die bei Schlafstörungen angewandt oder diskutiert werden sind: – Antidepressiva, – Antipsychotika, – Clomethiazol, – Melatonin, – Tryptophan, – Phytopharmaka und Homöopathika. 5 Barbiturate, Methyprylon, Methaqualon, Monoureide (Cabromal, Bromisoval) sind als Hypnotika nicht mehr gebräuchlich.
314
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
Kapitel 5 · Hypnotika (Antiinsomnika)
Diagnostisches Vorgehen 5 Die Klassifikation der Schlafstörungen nach ICD-10 erfolgt in nichtor-
ganische und organische Schlafstörungen. Bei den nichtorganischen Schlafstörungen werden Dyssomnien (Störung des Einschlafens oder des Durchschlafens oder vermehrte Schläfrigkeit) und Parasomnien (Störungen von Arousal und Stadienwechsel) unterschieden. Zu den organischen Schlafstörungen zählen u. a. das Schlaf-Apnoe-Syndrom, die Narkolepsie und das Kleine-Levin-Syndrom (7 Kap. 10). 5 Ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung berichtet über zumindest gelegentliche Schlafstörungen. Als überdauernd oder deutlich beeinträchtigend werden Schlafstörungen bei ca. 10% der Bevölkerung angegeben (im Alter zunehmend). Häufig bestehen Tendenzen zur Chronifizierung; damit geht ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Depression einher. 5 In den letzten Jahren rückt der Terminus »nichterholsamer Schlaf« in den Vordergrund. Oft stehen neben der Schlaflosigkeit (Insomnie) auch Störungen der Tagesbefindlichkeit und der Funktionsfähigkeit im Vordergrund. Die Einführung des übergeordneten Begriffs »nichterholsamer Schlaf« hebt dann allerdings die alten Einteilungen zur Schlafstörung auf; Insomnie und Hypersomnie können nun unter einem Begriff zusammengefasst werden. 5 Vor der Hypnotikaverordnung ist die genaue Schlafanalyse notwendig: Beschreibung der Ein- und Durchschlafstörungen, von Früherwachen, der Schlaflänge und der Häufigkeit der Schlafunterbrechungen. Dazu können den Patienten Schlaftagebücher (z. B. visuelle Analogskalen abends/morgens, VIS-A/VIS-M; Schlaffragebogen SF-A) mitgegeben werden. Sie sollen über einen Zeitraum von mindestens 14 Tagen geführt werden. Bewährte diagnostische Instrumente zur Erhebung von Schlafstörungen sind das strukturierte Interview für Schlafstörungen (SIS-D), das SLEEP-EVAL und der Schlaffragebogen-B (SFB). Ätiologie
Schlafstörungen kommen vor als: 5 Begleitsymptomatik von organischen Erkrankungen (z. B. neurodegenerative Erkrankungen, Herz- oder Lungenerkrankungen, Schmerzsyndrome, maligne Erkrankungen, chronische Infektionen), nahezu aller psychiatrischen Erkrankungen (. Tabelle 5.1). 5 Medikationseffekte: Sympathomimetika, Theophyllin, Schilddrüsenhormonpräparate, Steroidbehandlung, stimulierende Substanzen (Koffein und synthetische Substanzen, z.B. Amphetamine, Ecstasy), Antibiotika (z. B. Gyrasehemmer), Nootropika (z. B. Piracetam), Antihypertensiva (z. B. β-Rezeptorenblocker), Diuretika, Alkohol und andere Rauschmittel.
315
5.2 · Wirkmechanismen
5
. Tabelle 5.1. Beeinträchtigungen des Schlafs bei psychiatrischen Störungen Störungsbild
Störung der Schlafkontinuität
Tiefschlafreduktion
REM-SchlafEnthemmung
Affektive Erkrankungen
+++
++
++
Schizophrenien
+++
+++
+
Angsterkrankungen
+
–
––
Demenzen
+++
+++
––
Alkoholabhängigkeit
++
+++
+
+++ bei fast allen Patienten vorhanden; ++ bei ca. 50% aller Patienten vorhanden; + bei ca. 25% aller Patienten vorhanden; –– bisher nicht berichtet
5 Umgebungsbedingt (Schichtarbeit; Lärmbelastung; Jetlag). 5 Primäre Insomnie.
5.2
Wirkmechanismen
Benzodiazepinhypnotika und Non-Benzodiazepinhypnotika der Pyrazolopyrimidin- (Zaleplon), Imidazopyridin- (Zolpidem) und Zyklopyrrolon-Gruppen (Zopiclon)
Alle Substanzen dieser Gruppe binden an eine spezifische Benzodiazepinbindungsstelle des GABAA-Rezeptors und führen zu einer Affinitätssteigerung des Rezeptors für GABA und zu einer Frequenzsteigerung der Rezeptorkanalöffnung. Die i. d. R. inhibitorische Wirkung von GABA im ZNS wird verstärkt. Es existiert jedoch kein direkter Agonismus zum Rezeptor. Die als Hypnotika gebräuchlichen Benzodiazepine vermitteln ihre Wirkung hauptsächlich über die Untereinheit-α1-enthaltenden GABAA-Rezeptoren (dazu ausführlich 7 Kap. 4.2). Klinisch wirken Benzodiazepine anxiolytisch, sedierend bis hypnotisch, muskelrelaxierend und antikonvulsiv. Eine strenge Abgrenzung zwischen den eher hypnotischen zu den eher anxiolytisch wirkenden Benzodiazepinen ist nicht immer möglich. Im Vergleich zu den Benzodiazepinhypnotika sind bei den Non-Benzodiazepinhypnotika (Zaleplon, Zolpidem, Zopiclon) keine grundsätzlichen qualitativen pharmakologischen Unterschiede zu erwarten, da beide Gruppen einen ähnlichen Angriffspunkt am GABAA-Rezeptorkomplex
316
1 2 3 4
Kapitel 5 · Hypnotika (Antiinsomnika)
haben. Zolpidem weist eine gewisse Präferenz für GABAA-Rezeptoren mit α1-Untereinheiten auf. Die Bezeichnung »Non-Benzodiazepinhypnotika« bezieht sich auf die strukturchemischen Charakteristika und weniger auf den Wirkmechanismus; als Gruppenbezeichnung wird auch der Begriff »Benzodiazepinrezeptoragonisten« (BRA) benutzt. Diese Substanzen lassen sich von Benzodiazepinen vom Rezeptor verdrängen und können durch Flumazenil antagonisiert werden. Chloralhydrat (Aldehyd)
5 6 7
Wirksamer Metabolit ist 2,2,2-Trichloroethanol. Angriffspunkt ist der GABAA-Rezeptorkomplex mit Verstärkung der GABA-Wirkung; die NMDA-induzierte intrazelluläre Ca++-Erhöhung wird inhibiert. Diphenhydramin, Doxylamin (Dimethylethylamin), Promethazin (Phenothiazinderivat)
8
Diphenhydramin und Doxylamin mit H1-antihistaminerger und anticholinerger Wirkung. Promethazin zusätzlich mit adrenolytischen und schwach antiserotonergen Eigenschaften.
9
Antidepressiva
10 11 12 13
Vermittlung der schlafinduzierenden Wirkung vorwiegend über 5-HT2 und H1-antagonistische Eigenschaften, zum Teil auch über Blockade der α1-adrenergen Rezeptoren. Antipsychotika
Vermittlung der schlafinduzierenden Wirkung vorwiegend über 5-HT2 und H1-antagonistische Eigenschaften, zum Teil auch über Blockade der α1-adrenergen Rezeptoren. Clomethiazol
14
Clomethiazol (7 Kap. 7) wirkt wie die Benzodiazepine über eine Verstärkung der inhibitorischen Neurotransmitter (GABA, Glycin).
15
Melatonin
16 17
Melatonin (N-Acetyl-5-methoxytryptamin) wird in der Zirbeldrüse aus Serotonin gebildet. Die Synthese schwankt in Abhängigkeit von der Tageszeit. Im Verlauf der Nacht kommt es zu einem deutlichen Anstieg der Synthese und Ausschüttung von Melatonin. Die Tagesperiodik wird über den Lichteinfall im Auge geregelt.
5.3 · Allgemeine Therapieprinzipien
317
5
Tryptophan
L-Tryptophan gehört zu den Aminpräkursoren des Serotonin. Die Gabe von L-Tryptophan führt zur verbesserten Aktivität des für die Serotoninsynthese unerlässlichen Enzyms L-Tryptophan-Hydroxylase. Phytopharmaka und Homöopathika
Im deutschsprachigen Raum werden relativ häufig Phytopharmaka als Schlafmittel verordnet. In der Regel handelt es sich dabei um Baldrian (Valeriana officinalis), Melisse (Melissa officinalis), Hopfen (Humulus lupulus), Passionsblume (Passiflora), Hafer (Avena sativa) sowie Kombinationen dieser Stoffe. Der genaue Wirkmechanismus ist wenig untersucht. Valepotriate (chemisch: unstabile Triesterverbindungen) erscheinen als wirksamer Bestandteil vieler Baldrianpräparate. Es wird eine Interaktion mit dem GABAA-Rezeptorkomplex angenommen. Veränderungen von Schlaf-EEG-Parametern unter Hypnotika
Benzodiazepine 5 Einschlaflatenz verkürzt, Gesamtschlafzeit verlängert 5 Zunahme von Stadium 2 und Schlafspindeln, zugleich Abnahme des Tiefschlafes (Stadium 3 und 4) und des Stadiums 1 5 REM-Suppression mit Abnahme des REM-Anteils und Verlängerung der REM-Latenz 5 Nach Absetzen oft REM-Rebound-Phänomene Zaleplon, Zolpidem und Zopiclon 5 Einschlaflatenz verkürzt, Gesamtschlafzeit verlängert 5 Polysomnographisch wurde sowohl vermehrter als auch verminderter Tiefschlaf gefunden 5 REM-Schlaf ähnlich beeinflusst wie durch kurzwirksame Benzodiazepinhypnotika Chloralhydrat 5 Kaum Beeinflussung der Schlafphasen, insbesondere der REM-Phasen bei Dosen bis zu 1000 mg, bei höherer Dosierung deutliche Beeinflussung des normalen Schlafmusters
5.3
Allgemeine Therapieprinzipien
5 Hypnotika sollen prinzipiell erst nach Ausschöpfen anderer Therapie-
möglichkeiten gegeben werden. Die Grunderkrankungen sollen zunächst behandelt werden (7 Kap. 5.1).
318
1
Kapitel 5 · Hypnotika (Antiinsomnika)
5 Bei Suizidalität oder Schlafstörungen im Rahmen von akuten Psycho-
sen oder anderen schweren psychischen Erkrankungen sind Hypnotika vorübergehend auch in höheren Dosen indiziert.
2 3 4 5 6 7 8 9
5 Schlafmittel sollten möglichst nicht für längere Zeiträume, d. h. für
nicht mehr als 4 Wochen, verordnet werden. Bei intermittierenden Schlafstörungen ist die Einnahme von Hypnotika in 4–6 Nächten/ Monat vertretbar. Es sollte mit einer niedrigen Dosis begonnen werden. Diese Richtlinien gelten unabhängig von der Wahl des Hypnotikums. 5 Bei der sog. »low-dose-dependence« (oder auch »therapeutic-dose-de-
pendence«), d. h. einer Abhängigkeit bei Langzeiteinnahme üblicher, therapeutisch verordneter Dosen, die auch bei der Verordnung von Benzodiazepinanxiolytika bekannt ist, muss nach Absetzen mit protrahiert zunehmenden Entzugserscheinungen über Wochen gerechnet werden. 5 Die Kombination verschiedener Hypnotika und/oder Benzodiazepine sollte vermieden werden.
10
Spezielle Therapiehinweise
11
Benzodiazepinhypnotika 5 Verfügbar sind: Brotizolam, Flunitrazepam, Flurazepam, Loprazolam,
12 13 14 15 16 17
Lormetazepam, Nitrazepam, Temazepam und Triazolam. 5 Vorteile der Benzodiazepinhypnotika:
– große therapeutische Breite (als Suizidmittel untauglich), – geringe Toleranzentwicklung. 5 Nachteile der Benzodiazepinhypnotika: – Abhängigkeitsrisiko 7 Kap. 4.6.1, – Entzugsrisiko 7 Kap. 4.6.2, – Rebound-Insomnie (vermehrte Schlaflosigkeit oder durch REM-Rebound verursachte Albträume) nach plötzlichem Absetzen einer länger dauernden Therapie, – Beeinflussung der Schlafarchitektur (7 Kap. 5.2), – Muskelhypotonie und Ataxie, die bei älteren Menschen zu Stürzen führen können.
5.3 · Allgemeine Therapieprinzipien
319
5
Non-Benzodiazepinhypnotika 5 Verfügbar sind: Zaleplon, Zolpidem und Zopiclon. 5 Klinisch werden bei Zaleplon, Zolpidem und Zopiclon seltener als bei
den Benzodiazepinhypnotika Hang-over-Effekte und Rebound-Phänomene gesehen. Toleranz- und Abhängigkeitsentwicklungen wurden seltener beobachtet; die Gefahr ist jedoch grundsätzlich gegeben. Tierexperimentelle Daten weisen auf eine fehlende Sensitivitätsänderung am GABAA-Rezeptor selbst nach längerer hoch dosierter Gabe hin. Möglicherweise besteht hierin eine Erklärung für die bisher beobachteten differenten Effekte gegenüber den Benzodiazepinen. Chloralhydrat (7 Kap. 5.2 und Präparat) Diphenhydramin, Doxylamin, Promethazin (7 Kap. 5.2 und Präparat) Antidepressiva 5 Antidepressiva mit sedierenden Eigenschaften (7 Kap. 1), z. B. Amitrip-
tylin, Doxepin, Maprotilin, Mirtazapin und Trimipramin, wirken schlaffördernd. Die Dosierung bei primärer Insomnie (ohne depressive Störung oder Angststörung) sollte für Amitriptylin, Doxepin, Maprotilin und Trimipramin zwischen 25–100 mg/Tag liegen, für Mirtazapin bei 15 mg/Tag. 5 Bei bestehender Therapie mit einem dieser sedierenden Antidepressiva kann die abendliche Dosis erhöht werden, bei zusätzlicher Verordnung dieser Substanzen zu anderen Antidepressiva ist besonders auf die anticholinergen Nebenwirkungen zu achten. Bei Mirtazapin soll dann die gesamte antidepressive Dosis vor dem Schlafengehen eingenommen werden. 5 Bei abhängigkeitsgefährdeten Patienten sind Antidepressiva den Benzodiazepinen vorzuziehen, alternativ ist auch an Antipsychotika zu denken. Antipsychotika 5 Initial sedierende Antipsychotika (7 Kap. 3), z. B. Melperon (Dosis:
25–100 mg), Pipamperon (Dosis: 20–80 mg), Prothipendyl (Dosis: 40– 80 mg) und Chlorprothixen (Dosis: 25–150 mg) haben eine schlafinduzierende Wirkung. 5 Auch atypische Antipsychotika, insbesondere Olanzapin (Dosis: 2,5– 10 mg) und Quetiapin (Dosis: 25–150 mg) eignen sich bei Schlafstörungen. 5 Erhalten Patienten ein Antipsychotikum nicht zur antipsychotischen Behandlung, sondern als Hypnotikum, muss immer berücksichtigt wer-
320
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Kapitel 5 · Hypnotika (Antiinsomnika)
den, dass Antipsychotika auch in niedrigen Dosen EPS verursachen können. Bei den genannten Antipsychotika ist aber das Risiko bei den empfohlenen Dosierungen gering. Melperon und Pipamperon sind aufgrund ihrer geringen antidopaminergen und anticholinergen Wirkung vorzuziehen und eignen sich auch bei älteren Menschen. 5 Bei Patienten, die an einer psychotischen Störung und begleitenden Schlafstörungen leiden, soll zunächst die abendliche Gabe von Antipsychotika erhöht werden. Erst bei Nichtansprechen der Dosierungsumverteilung soll zusätzlich ein herkömmliches Hypnotikum gegeben werden. 5 Clozapin kann bei schweren Schlafstörungen in einer Dosierung von 12,5–50 mg als »Hypnotikum« gegeben werden, auch wenn keine schizophrene Grunderkrankung vorliegt. Innerhalb der Antipsychotika sollte jedoch, wegen des besonderen Risikoprofils von Clozapin, zunächst ein Versuch mit den o. g. Präparaten erfolgen; es besteht keine Zulassung für diese Indikation. 5 Bei abhängigkeitsgefährdeten Patienten sind Antipsychotika den Benzodiazepinen vorzuziehen, alternativ ist auch an Antidepressiva zu denken, besonders wenn ein Risiko für EPS besteht. ! Viele Antidepressiva und niedrigpotente Antipsychotika
zeigen z. T. ausgeprägte anticholinerge Eigenschaften. 5 Vor allem bei älteren Patienten und Patienten mit organischen Vor-
11 12
erkrankungen kann dies zu erheblichen Komplikationen (u. a. Delir; Rhythmusstörungen; Blasenfunktionsstörungen) führen (7 Kap. 13.2.2 und 13.2.4).
13
Clomethiazol 5 Grundsätzlich soll Clomethiazol aufgrund des Abhängigkeitsrisikos
14
5 Allenfalls bei schweren, anders nicht behandelbaren Schlafstörungen
nicht als Hypnotikum eingesetzt werden.
15
(z. B. bei geriatrischen Patienten) kann Clomethiazol unter strengster Indikationsabwägung gegeben werden; für diese Indikation gibt es keine Zulassung.
16
Melatonin 5 Es wird vermutet, dass Melatonin, wie auch eine Lichtexposition, zu ei-
17
ner Phasenverschiebung des zirkadianen Rhythmus führt. Exogenes Melatonin verkürzt bei Gesunden die Schlaflatenz und verbessert die Schlafeffizienz. Bei Patienten mit Insomnie soll die Schlafqualität durch Melatonin verbessert werden. Zumeist werden Dosierungen von 0,3–
5.4 · Indikationen
321
5
5 mg vor dem Schlafengehen gewählt. Die Effizienz scheint mit dem Alter zu steigen. 5 Positive Effekte werden auch bei Patienten mit Alzheimer-Demenz (Dosis: 2,5–10 mg Melatonin), bei Schichtarbeitern und zur Unterstützung einer Benzodiazepinentzugsbehandlung gesehen. 5 Es gibt mehrere Untersuchungen, die zeigen, dass bei Jetlag unter 0,5– 5 mg ein positiver Effekt beobachtet wurde. Einnahmeempfehlung: Erste Dosis am 1. Tag vor dem Zubettgehen in der neuen Zeitzone, dann für 2–5 Tage. Tryptophan 5 Die hypnotische Wirkung ist nach kritischer wissenschaftlicher Prü-
fung als eher gering einzustufen, soll jedoch v. a. bei chronischen Schlafstörungen hilfreich sein und hat offiziellen Zulassungsstatus bei Schlafstörungen (Dosis 0,5 bis maximal 2 g/Tag L-Tryptophan [Kalma®]). ! Bei gleichzeitiger Verabreichung von Tryptophan mit MAO-
Hemmern kann ein zentrales Serotoninsyndrom auftreten. Phytopharmaka und Homöopathika 5 Baldrianpräparate haben hauptsächlich sedierende, weniger hypnoti-
sche Eigenschaften, aber kein Abhängigkeitspotenzial. Wegen geringer hypnotischer Wirkung, geringer Bioverfügbarkeit, in-vitro-zytotoxischen Eigenschaften und fehlenden Therapiestudien sind diese Präparate allenfalls bei leichten Schlafstörungen zu empfehlen. Kombinationspräparate aus pflanzlichen Grundstoffen und herkömmlichen Hypnotika sind nicht empfehlenswert.
5.4
Indikationen
Die Schlafstörung (Synonym: Insomnie) ist die einzige Indikation für Hypnotika. Sie besteht aus einem Symptomkomplex aus Einschlafverzögerung, Durchschlafstörungen, Früherwachen mit verminderter Erholsamkeit und Störungen der Lebensqualität und Leistungsfähigkeit am Tage. Weitere spezifische Indikationen stellen Jetlag und Schichtarbeit für die Behandlung mit Melatonin dar. Benzodiazepinhypnotika und Non-Benzodiazepinhypnotika im Alter und bei organischen Erkrankungen 5 Grundsätzlich sind die gleichen Vorsichtsmaßnahmen und Einschränkungen wie bei Benzodiazepinanxiolytika gültig (7 Kap. 4). Kumula-
322
1 2 3 4
Kapitel 5 · Hypnotika (Antiinsomnika)
tionsneigung aufgrund verschlechterter Clearance, verlangsamter Eliminationskinetik und verändertem Verteilungsvolumen sowie eine erhöhte Sturzneigung aufgrund der Muskelrelaxation und Ataxie bedürfen häufig einer Dosisanpassung. 5 Vor allem bei dementen und verwirrten Patienten sowie Patienten mit organischen Grunderkrankungen ist die Möglichkeit paradoxer Erregungszustände mit Agitiertheit, Schlaflosigkeit und Aggressivität bei der Auswahl der Präparateklasse in Betracht zu ziehen. Ebenso kann es insbesondere bei der Gabe rasch anflutender Benzodiazepine verstärkt zu anterograden Amnesien kommen.
5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
5.5
Hypnotika und Psychotherapie
Nichtpharmakologische Maßnahmen der Insomniebehandlung 5 Jede medikamentöse Therapie der Insomnie sollte, wenn möglich, erst
nach Ausschöpfen nichtpharmakologischer Verfahren begonnen werden. Bei Kombinationsbehandlungen mit pharmakologischen Therapieverfahren besteht die Gefahr, dass die psychotherapeutische Behandlung gegenüber der Pharmakotherapie in den Hintergrund tritt, da der Erfolg im Vergleich verzögert auftritt und der Zeitaufwand für Patient und Therapeut größer ist. 5 Das Grundprinzip nichtpharmakologischer Therapieverfahren zur Verbesserung des Schlafes ist die aktive Einbeziehung des Patienten in die Behandlung. Die nichtpharmakologischen Ansätze haben den Vorteil, dass sie das Krankheitsgeschehen im Vergleich zu pharmakologischen Ansätzen kausal beeinflussen und langfristig wirksam sein können. 5 Die wichtigsten nichtpharmakologischen Therapieverfahren umfassen neben der Aufklärung und Beratung des Patienten zur Schlafhygiene allgemeine verhaltenstherapeutische Techniken und Entspannungsverfahren. 5 Der Vergleich von kombiniert verhaltentherapeutisch/pharmakologischer Behandlung gegenüber den jeweiligen Einzelverfahren kann aufgrund der wenigen vorliegenden Untersuchungen nur vorläufig beurteilt werden. In der Tendenz zeigte sich in klinischen Studien keine Erhöhung in der Effektivität bei der kombinierten Anwendung beider Verfahren, hingegen imponierten bei verhaltenstherapeutischen Maßnahmen noch 6–12 Monate nach Therapieende weiterbestehende Therapieeffekte.
5.6 · Nebenwirkungen
323
5
Verhaltenstherapeutische Techniken und Entspannungsverfahren
1. Schlafhygiene (s. u.) 2. Stimuluskontrolle (Schlaf nur im Bett) 3. Schlafrestriktion mit Schlafprotokoll 4. Progressive Muskelrelaxation 5. Autogenes Training 6. Paradoxe Intervention 7. Kognitive Fokussierung 8. Gedankenstopp 9. Biofeedback 10. Yoga, Meditation
Elementarer Baustein der Insomnietherapie sind Verhaltensmaßregeln der Schlafhygiene, die der Patient alleine durchführen kann. 1. Einhalten der individuell notwendigen Schlafmenge: Nicht wach im Bett liegen bleiben. Wenn notwendig, Schlafzeit verkürzen. 2. Einhalten regelmäßiger Schlafzeiten: feste Zeiten, um ins Bett zu gehen und um wieder aufzustehen (auch am Wochenende und im Urlaub). 3. Verzicht auf Tagesschlafepisoden. 4. Angenehme Schlafbedingungen: ca. 17°C, keine Gegenstände, die an Arbeit oder Belastungen erinnern. 5. Ausgeglichene Ernährung: leicht verdauliche Speisen am Abend. 6. Koffeinkarenz: kein Konsum von koffeinhaltigen Getränken (Kaffee, Tee, Cola) nach 17 Uhr. 7. Verzicht auf Appetitzügler. 8. Abendliche Alkohol- und Nikotinkarenz. 9. Regelmäßige sportliche Betätigung am Vor- und Nachmittag. 10. Entspannende Abendgestaltung: Keine geistig, emotional oder körperlich belastenden Betätigungen am Abend. 11. Individuell ausgerichtete Regelanwendung: Umstellung des Alltags in den Bereichen, in denen er am weitesten von den Empfehlungen abweicht.
5.6
Nebenwirkungen
Folgende Nebenwirkungen von Benzodiazepin- und Non-Benzodiazepinhypnotika können auftreten:
324
1 2
5 Benzodiazepinhypnotika besitzen ein Potenzial zu Toleranz und Ab-
hängigkeit. 5 Die Non-Benzodiazepinhypnotika Zaleplon, Zolpidem und Zopiclon
3
5
4
5
5
5
6 7 8
Kapitel 5 · Hypnotika (Antiinsomnika)
5 5 5
weisen bisher ein geringeres, aber nicht auszuschließendes Abhängigkeits- und Toleranzrisiko auf. Bei hohen Dosen, besonders bei älteren Patienten, Hang-over-Effekte mit verminderter psychomotorischer Leistungsfähigkeit und Reaktionsbereitschaft (eingeschränkte Verkehrstüchtigkeit). Müdigkeit, Schwindel, Koordinationsstörungen (Sturzgefahr auch wegen Muskelrelaxation). Selten paradoxe Reaktionen mit gesteigerter Aktivität, Reizbarkeit und Wutreaktionen, häufiger bei älteren Patienten zu beobachten. Vorwiegend nach längerem Gebrauch Ataxie, Dysarthrie und allgemeine muskuläre Schwäche. Selten Gewichtszunahme und Libidominderung. Bei langfristiger Anwendung können ausgeprägte Antriebsstörungen, Initiativ- und Interesseverlust und mangelnde emotionale Spontaneität auftreten. Eine depressiogene Wirkung von Benzodiazepinen ist nicht nachgewiesen.
9 10 11 12 13 14 15 16 17
5.7
Kontraindikationen
Wichtige Kontraindikationen von Benzodiazepin- und Non-Benzodiazepinhypnotika sind: 5 Akute Alkohol-, Schlafmittel-, Analgetika- und Psychopharmakain-
toxikation 5 Myasthenia gravis 5 Bekannte Überempfindlichkeit gegen die entsprechende chemische
Substanzklasse oder auch gegen andere Inhaltsstoffe der Präparate. 5 Relative Kontraindikationen:
– Gleichzeitiger Alkoholgenuss, Alkoholmissbrauch oder -abhängigkeit – Drogen-/Alkoholmissbrauch oder -abhängigkeit in der Anamnese – Ataxie – Schwere Leber- und Nierenschäden – Chronische Ateminsuffizienz (obstruktive Atemwegserkrankungen), Schlaf-Apnoe-Syndrom 6
5.8 · Pharmakokinetik und Interaktionen
325
5
Akutes Winkelblockglaukom ist nach Herstellerangaben für einige Präparate angegeben, jedoch (in Abwesenheit anticholinerger Eigenschaften) pharmakologisch nicht plausibel. Mehrere Untersuchungen fanden den intraokulären Druck unter Benzodiazepintherapie entweder gleich oder aber erniedrigt.
5.8
Pharmakokinetik und Interaktionen
5.8.1
Pharmakokinetik der Benzodiazepinhypnotika
5 Alle Benzodiazepinhypnotika werden rasch im Magen-Darm-Trakt ab5 5
5 5
sorbiert und fluten ausreichend schnell mit wirksamen Konzentrationen im ZNS an. Die Plasmaproteinbindung ist in der Regel hoch (71–99%). Im Rahmen des Phase-I-Metabolismus (7 Kap. 4.8) entstehen vornehmlich durch Hydroxylierung (u. a. mit anschließender Methoxylierung) sowie Desalkylierung Metaboliten z. T. mit eigenständiger Aktivität am Benzodiazepin-Angriffspunkt des GABAA-Rezeptor (. Tabelle 5.2). Zum Phase-II-Metabolismus und zu Auswirkungen auf die Anwendung 7 Kap. 4.8. . Tabelle 5.2 teilt die Benzodiazepinhypnotika nach ihren Eliminationshalbwertszeiten und Metabolitenverhalten ein.
Klinische Hinweise zu den Benzodiazepinhypnotikagruppen (Tabelle 5.2) 5 Gruppe I und II: Bei zusätzlicher Angstsymptomatik kann ein länger
wirksames Benzodiazepin mit tagsüber persistierenden Plasmaspiegeln sinnvoll sein. Entzugssymptome wie Rebound-Insomnie sind bei Benzodiazepinen mit längerer Halbwertszeit nicht direkt nach Absetzen, aber dosisabhängig später zu erwarten. ! Benzodiazepinhypnotika mit langer oder mittellanger Halbwerts-
zeit und aktiven Metaboliten können nach abendlicher Einnahme zu Hang-over-Effekten mit Müdigkeit, Konzentrationsschwäche und Einschränkungen der Aufmerksamkeit mit verminderter Verkehrstauglichkeit aufgrund herabgesetzter Reaktionsfähigkeit führen. Kumulationsgefahr besonders bei älteren Patienten und Patienten mit Leberund Nierenschädigung, vermehrte Nebenwirkungen, besonders Muskelrelaxation und ataktische Störungen (Unfallgefahr mit möglichen Frakturen!).
326
Kapitel 5 · Hypnotika (Antiinsomnika)
1
. Tabelle 5.2. Einteilung der Benzodiazepinhypnotika nach ihren Eliminationshalbwertszeiten
2
Benzodiazepinhypnotika
3
I. Benzodiazepinhypnotika mit langer Halbwertszeit bzw. mit lang wirksamen aktiven Metaboliten:
4 5 6 7 8 9
Metaboliten
Flurazepam (1–2 h)
Desalkylflurazepam (40–250 h)
– »Prodrug«
Hydroxyethylflurazepam (ca. 1–3 h)
IIa. Benzodiazepinhypnotika mit mittellanger Halbwertszeit und aktiven Metaboliten: Flunitrazepam (10–30 h)
Desmethylflunitrazepam (20–30 h) Desmethylhydroxyflunitrazepam
IIb. Benzodiazepinhypnotika mit mittellanger Halbwertszeit ohne aktiven Metaboliten: Nitrazepam (15–30 h) III. Benzodiazepinhypnotika mit kurzer Halbwertszeit und pharmakologisch aktiven, aber kaum relevanten Metaboliten: Brotizolam (4–7 h)
9-Hydroxymethylbrotizolam (ca. 4–7 h) (6-Hydroxymethylbrotizolam)
Loprazolam (6–8 h)
Loprazolam-N-Oxid (4–8 h)
11
Lormetazepam (8–14 h)
[Lorazepam (8–24 h)]
Temazepam (5–14 h)
[Oxazepam (4–15 h)]
12
IV Benzodiazepin-Hypnotika mit ultrakurzer Halbwertszeit und ohne pharmakologisch relevante aktive Metaboliten:
13
Triazolam (1,5–5 h)
10
14 15 16 17
(Hydroxytriazolam (2–4 h))
5 Gruppe III: Hinreichend lange sedativ-hypnotische Wirkung, keine Ku-
mulation bei einmaliger nächtlicher Verabreichung, nur geringe Überhangwirkungen, keine Rebound-Symptomatik in Form von Angstzuständen am nächsten Tag (zu Rebound-Phänomenen nach Absetzen von Benzodiazepinhypnotika 7 Kap. 5.3). 5 Gruppe IV: Für Durchschlafstörungen weniger geeignet.
327
5.8 · Pharmakokinetik und Interaktionen
5
. Tabelle 5.3. Einteilung der Non-Benzodiazepinhypnotika nach ihren Eliminationshalbwertszeiten analog zu den Gruppen der Benzodiazepinhypnotika ad III. Non-Benzodiazepinhypnotikum mit kurzer Halbwertszeit ohne pharmakologisch relevante aktive Metaboliten: Zopiclon (5 h)
(Zopiclon-N-Oxid: ca. 4,5 h)
ad IV. Non-Benzodiazepinhypnotikum mit ultrakurzer Halbwertszeit ohne pharmakologisch aktive Metaboliten: Zaleplon (1 h), Zolpidem (1–3,3 h)
5.8.2
Pharmakokinetik der Non-Benzodiazepinhypnotika
5 Zaleplon, Zolpidem und Zopiclon werden schnell resorbiert und errei-
chen nach ca. 1 h (Zaleplon), 1,5–2 h (Zopiclon) bzw. 2 h (Zolpidem) nach Ingestion maximale Plasmaspiegel (. Tabelle 5.3). 5 Mit 45–60% ist die Plasmaproteinbindung von Zaleplon und Zopiclon eher gering, Zolpidem hat eine Bindung von 92%. 5 Der Phase-I-Metabolismus verläuft hauptsächlich über CYP 3A4-Isoenzyme zu nicht (oder nur wenig) aktiven Metaboliten. 5 Die Elimination erfolgt zu 56% (Zolpidem) bis 80% (Zopiclon) renal in Form der Phase-I- und deren glukuronidierten Metaboliten. 5.8.3
Pharmakokinetik der übrigen Hypnotika
Siehe jeweils Präparateteil. 5.8.4
Interaktionen
5 Interaktionen der Benzodiazepinpräparate: 7 Kap. 4. 5 Pharmakodynamische Interaktionen ergeben sich für die Gruppen der
Benzodiazepin- und Non-Benzodiazepinhypnotika v. a. mit sedierenden Substanzen, insbesondere mit GABAerg wirkenden Präparaten. Weiterhin sind Interaktionen mit Substanzen zu erwarten, die entweder induktorisch (z. B. Rifampicin, Phenytoin) oder inhibierend (z. B. Fluoxetin, Fluvoxamin, Grapefruitsaft) auf Cytochrom P-450-Enzyme wirken. Für eine genauere Beschreibung 7 Kap. 4.8.2 und . Tabelle 4.2. 5 Mögliche Resorptionsverminderungen sind bei gleichzeitigem Gebrauch von Anticholinergika zu berücksichtigen. Die gleichzeitige Gabe von Metoclopramid kann zu einer verstärkten Absorption von Zopiclon führen. 5 Interaktionen weiterer Hypnotika: . Tabelle 5.4, 5.5 und 5.6.
328
1 2 3 4 5 6
Kapitel 5 · Hypnotika (Antiinsomnika)
. Tabelle 5.4. Interaktionen Chloralhydrat Komedikation
Art der Interaktion
SSRI: Fluoxetin, Fluvoxamin
Verstärkte Sedierung bzw. Nebenwirkungen durch Chloralhydrat möglich
Antikoagulanzien: Warfarin, Phenprocoumon
Verstärkung der Antikoagulanzienwirkung durch Chloralhydrat möglich (Verdrängung aus der Plasmaeiweißbindung)
Furosemid
Bei i. v.-Gabe von Furosemid Nebenwirkungen wie Schwitzen, Hitzewallungen, in Einzelfällen auch erhöhte Blutdruckwerte unter Chloralhydrat möglich
Antidiabetika (Sulfonylharnstoffe)
Verstärkung der Antidiabetikawirkung durch Chloralhydrat möglich (Verdrängung aus der Plasmaeiweißbindung)
7 8 9 10 11
. Tabelle 5.5. Interaktionen Diphenhydramin, Doxylamin Komedikation
Art der Interaktion
Anticholinergika
Verstärkung der anticholinergen Nebenwirkungen möglich
Antidrepressiva – MAOH
Verstärkung der anticholinergen Nebenwirkungen möglich
– TZA
Vermehrte Nebenwirkungen, insbesondere Müdigkeit und evtl. anticholinerge Begleiteffekte
Antipsychotika
Verstärkte Sedierung und/oder anticholinerge Nebenwirkungen bis hin zu Delir möglich (besondere Vorsicht bei Kombination mit Clozapin, Levomepromazin, Thioridazin, Chlorprothixen, Peraxin)
12 13 14 15 16 17
. Tabelle 5.6. Interaktionen Promethazin Komedikation
Art der Interaktion
Anticholinergika
Verstärkung der anticholinergen Nebenwirkungen möglich
Antihypertonika
Verstärkung der blutdrucksenkenden Wirkungen möglich
Adrenalin
Abschwächung der _-adrenergen Wirkungen von Adrenalin
5.11 · Präparate
5.9
329
5
Routinehinweise
Folgende Routinehinweise beziehen sich auf die Benzodiazepinhypnotika und Non-Benzodiazepinhypnotika:
Routineuntersuchungen von Labor, EKG, EEG sind nicht notwendig. Bei Leber- und Nierenfunktionsstörungen kann die Wirkstoffelimination reduziert sein. 5 Potenzierungsgefahr durch gleichzeitige Einnahme anderer sedierender Pharmaka und Alkohol. 5 Die Patienten sollten auf folgende Risiken hingewiesen werden: – Abhängigkeitsrisiko und mögliche Entzugssymptomatik, – mögliche Einschränkung der Fahrtüchtigkeit (7 Kap. 15), – Risiko in der Schwangerschaft und Stillzeit (7 Kap. 14).
5.10
Dosierung und Behandlungsdauer
5 Schlafmittel sollten nicht für längere Zeiträume, d. h. möglichst für
nicht mehr als 4 Wochen, verordnet werden. Im Alter ist im Einzelfall eine niedrige Dosierung (wenn sie nicht gesteigert wird) auch über Jahre zu verantworten. 5 Bei intermittierenden Schlafstörungen ist die Einnahme von Hypnotika in 4–6 Nächten/Monat vertretbar. 5 Es sollte möglichst mit einer niedrigen Dosis begonnen werden. 5.11
Präparate1
Brotizolam
Hypnotikum
Thieno-triazolo-1,4-Benzodiazepin Lendormin (Boehringer Ingelheim) Tbl. 0,25 mg (10, 20 Tbl.)
1
Bei Generika wurde auf die Angabe der Packungsgröße verzichtet.
330
1 2 3 4 5 6 7 8 9
Kapitel 5 · Hypnotika (Antiinsomnika)
Pharmakodynamik 5 Verstärkung der GABAergen Hemmung über spezifische Benzodiaze-
pinrezeptoren (GABAA-Rezeptorkomplex). Pharmakokinetik 5 Schnelle Resorption; Tmax= 0,8–1 h; t½= 4–7 h; bei älteren Patienten 6–
9 h. Die Hauptmetaboliten 9-Hydroxymethyl-Brotizolam und 6-Hydroxy-Brotizolam haben der Muttersubstanz vergleichbare Affinitäten zum Rezeptor und Eliminationshalbwertszeiten. Keine Kumulationsgefahr. Indikationen und Behandlungshinweise 5 Ein- und Durchschlafstörungenz. 5 Routinehinweise: 7 Kap. 5.9. Dosierung 5 Regeldosis 0,25 mg. Es können auch, vor allem bei älteren Patienten,
0,125 mg ausreichend sein. Nebenwirkungen (7 Kap. 5.6) Kontraindikationen (7 Kap. 5.7)
10 Interaktionen (. Tabelle 4.2)
11 12 13
Bewertung
Wirksames Hypnotikum. Keine Kumulationsneigung.
Chloralhydrat
Hypnotikum
Trichlor-Ethandiol
14 15 16 17
Chloraldurat 500 (Pohl-Boskamp) Kps. 500 mg (15, 30 Kps.)
Chloraldurat rot (Pohl-Boskamp) Kps. 250 mg (30 Kps.)
Chloraldurat blau (Pohl-Boskamp) Kps. 250 mg (30 Kps.) Pharmakodynamik 5 Angriffspunkt am GABAA-Rezeptorkomplex, evtl. auch am NMDA-Re-
zeptor.
5.11 · Präparate
331
5
Pharmakokinetik 5 Schnelle Resorption; Tmax=30 min; rasche Umwandlung hauptsächlich
in der Leber zum eigentlich aktiven Metaboliten Trichlorethanol (Trichlorethanol, t½=7–9 h); nach Glukuronidierung renale Eliminierung. Indikationen und Behandlungshinweise 5 Einschlafstörungenz. Chloraldurat blau®-Kapseln haben eine verzöger5 5 5 5 5
te Auflösung, so dass sie auch bei Durchschlafstörungenz gegeben werden können. Chloralhydrat hat keine muskelrelaxierende Begleitwirkung. Hierdurch gewinnt das Präparat einen besonderen Stellenwert bei älteren Patienten, die durch Stürze besonders gefährdet sind. Bei wiederholter Einnahme zeigt Chloralhydrat oft schon nach etwa einer Woche u. a. aufgrund einer Enzyminduktion einen deutlichen Wirkungsverlust. Die therapeutische Breite von Chloralhydrat ist gering. Letale Dosis 6–10 g. Kreuztoleranz und Kreuzabhängigkeit u. a. mit Alkohol, Benzodiazepinen und Barbituraten. Abhängigkeitsentwicklungen sind bekannt. Bei plötzlichem Entzug nach längerer Anwendung Auftreten typischer Entzugssyndrome wie bei Benzodiazepinen.
Dosierung 5 250–1000 mg, maximale Tagesdosis 2 g. Dosisreduzierung bei Paren-
chymschädigungen von Leber oder Niere. Nebenwirkungen (7 Kap. 5.6) 5 Übelkeit; Verwirrtheit; allergische Reaktionen. Wegen der schleimhaut-
reizenden Wirkung wird Chloralhydrat in Kapselform verabreicht. Kontraindikationen 5 Akute Alkohol-, Schlafmittel-, Analgetika- und Psychopharmakainto-
xikation; Lebererkrankungen, Magen-Darm-Erkrankungen (Gastritis, Ulkusleiden) sowie Nieren- und Herzinsuffizienz, da halogenierte Kohlenwasserstoffe leberschädigend wirken, bei Niereninsuffizienz kumulieren und das Herz bzw. dessen Reizleitungssystem gegen Katecholamine sensibilisieren können. Behandlung mit Antikoagulanzien vom Cumarin-Typ. 5 Abhängigkeitserkrankungen.
332
1
Kapitel 5 · Hypnotika (Antiinsomnika)
Interaktionen (. Tabelle 5.4) 5 Insbesondere zu beachten: Verstärkung von Antikoagulanzien- und
Antidiabetikawirkungen durch Chloralhydrat.
2 3
Bewertung
Traditionell bewährtes Einschlafmittel, aber Mittel der zweiten Wahl. Bei wiederholter Einnahme nimmt die Wirksamkeit ab.
4 Diphenhydramin
5
Antihistaminikum/Hypnotikum
Dimethylethylamin
6
Betadorm D (Woelm Pharma) Tbl. 50 mg
nervo OPT N (Optimed) Tbl. 50 mg
7
Dolestan (Krewel Meuselbach)
S. 8 (Chefaro) Tbl. 50 mg
8
Dolestan forte (Krewel Meuselbach) Tbl. 25 mg (10, 20 Tbl.) Tbl. 50 mg (10, 20 Tbl.) (Dolestan forte)
9 10
Dormutil N (ALPHARMA-ISIS) Tbl. 50 mg
11
Halbmond (AWD pharma) Tbl. 50 mg
12
Hevert-Dorm (Hevert) Tbl. 25 mg
13
Moradorm (Bouhon) Tbl. 50 mg
14 15
Sediat (Pfleger) Tbl. 50 mg Sedopretten (Schöning-Berlin) Tbl. 50 mg Sleepia (Pfizer) Kps. 50 mg Vivinox (Mann) Tbl. 50 mg
Pharmakodynamik 5 Vorwiegend H1-antihistaminerge Wirkkomponenten, zudem anticholi-
nerge Eigenschaften.
16
Pharmakokinetik 5 Gute und schnelle Resorption; Tmax=ca. 1 h, t½=4–6 h. Überwiegende
17
Metabolisierung in der Leber, hauptsächlich renale Elimination. Längere Anflutungsdauer als bei Benzodiazepinen.
333
5.11 · Präparate
5
Indikationen und Behandlungshinweise 5 Ein- und Durchschlafstörungenz. Schlafinduzierende Wirkung geringer
als bei Benzodiazepinhypnotika. Dosierung
Einzeldosis 50 mg, Tageshöchstdosis 100 mg. Nebenwirkungen (7 Kap. 5.6) 5 Anticholinerge Wirkungskomponenten erhöhen die Toxizität und
komplizieren das Vergiftungsbild. 5 Gastrointestinale Beschwerden, Photosensibilität, selten Blutbildverän-
derungen. Leberfunktionsstörungen (cholestatischer Ikterus) können auftreten. 5 Die Anwendung zusammen mit blutdrucksenkenden Arzneimitteln kann zu verstärkter Müdigkeit führen. Kontraindikationen 5 Akute Alkohol-, Schlafmittel-, Analgetika- und Psychopharmakainto-
xikation; Engwinkelglaukom, Harnverhalten; Epilepsien; angeborenes langes QT-Syndrom, koronare Herzkrankheit, Arrhythmien. Interaktionen (. Tabelle 5.5) 5 Diphenhydramin hemmt CYP 2D6. Bei Kombination mit Substraten von CYP 2D6 (7 Kap. 16)Anstieg der Plasmakonzentrationen möglich. Bewertung
Wirksames Schlafmittel, aber geringer wirksam als Benzodiazepinhypnotika. Hohe Nebenwirkungsquote. Keine Abhängigkeit im engeren Sinne bekannt. Freiverkäuflich im Handel. Gefahr bei Überdosierung und Intoxikationen in suizidaler Absicht.
Doxylamin
Antihistaminikum/Hypnotikum
Dimethylethylamin Gittalun Trinktabletten (Boehringer-Ingelheim) Brausetbl. 25 mg (10, 20 Tbl.) Hoggar N (Stada) Tbl. 25 mg
Mereprine Sirup (Cassella-med) Lsg. 6,25 mg=5 ml SchlafTabs ratiopharm (ratiopharm) Tbl. 25 mg
334
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Kapitel 5 · Hypnotika (Antiinsomnika)
Sedaplus Filmtabletten (Rosen Pharma) Tbl. 25 mg
Sedaplus Saft (Rosen Pharma) Saft 25 mg=10 ml Saft
Pharmakodynamik 5 Vorwiegend H1-antihistaminerge Wirkkomponenten, zudem anticholi-
nerge Eigenschaften (etwas geringer ausgeprägt als bei Diphenhydramin). Pharmakokinetik 5 Gute und schnelle Resorption; Tmax= ca. 1–2 h; t½= 8–10 h. Überwie-
gende Metabolisierung in der Leber; hauptsächlich renale Elimination. Indikationen und Behandlungshinweise 5 Ein- und Durchschlafstörungenz. Schlafinduzierende Wirkung gerin-
ger als bei Benzodiazepinhypnotika. Dosierung 5 Einzeldosis 25 mg, Tageshöchstdosis 50 mg. Nebenwirkungen 5 Anticholinerge Wirkkomponente etwas geringer ausgeprägt als bei Di-
phenhydramin. 5 In Einzelfällen Magen-Darm-Beschwerden, Schwindelgefühl. Leber-
11 12 13
funktionsstörungen (cholestatischer Ikterus) können auftreten. 5 Die Anwendung zusammen mit blutdrucksenkenden Arzneimitteln
kann zu verstärkter Müdigkeit führen. Kontraindikationen 5 Akute Alkohol-, Schlafmittel-, Analgetika- und Psychopharmakaintoxi-
kation; Engwinkelglaukom, Harnverhalten; Epilepsien.
14 15 16 17
Interaktionen (. Tabelle 5.5) Bewertung
Wirksames Schlafmittel, aber geringer wirksam als Benzodiazepinhypnotika. Hohe Nebenwirkungsquote. Keine Abhängigkeit i.e. Sinne bekannt. Freiverkäuflich im Handel. Gefahr bei Überdosierung und Intoxikationen in suizidaler Absicht.
5.11 · Präparate
Flunitrazepam
335
5
Hypnotikum
1,4-Benzodiazepin Fluni 1–1 A Pharma (1 A Pharma) Tbl. 1 mg Flunibeta 1 (betapharm) Tbl. 1 mg Flunimerck (Merck dura) Tbl. 1 mg Fluninoc (Neuro Hexal) Tbl. 1 mg
Flunitrazepam-neuraxpharm (neuraxpharm) Tbl. 1 mg Flunitrazepam-ratiopharm (ratiopharm) Tbl. 1 mg Rohypnol (Roche) Tbl. 1 mg (10, 20 Tbl.) Amp. 2 mg/1 ml (5 Amp.) BtmVV
Pharmakodynamik 5 Verstärkung der GABAergen Hemmung über spezifische Benzodiaze-
pinrezeptoren (GABAA-Rezeptorkomplex). Flunitrazepam ist die fluorierte und N-methylierte Analogsubstanz zu Nitrazepam. Durch die Substituenten wird eine Wirkungsverstärkung mittels einer erhöhten Affinität der Substanz zum Rezeptor erreicht. Pharmakokinetik 5 Rasche und fast vollständige Resorption; Tmax=0,75–2h; t½=10–30 h;
der aktive Metabolit Desmethylflunitrazepam hat eine Eliminationshalbwertszeit von 20–30 h. Indikationen und Behandlungshinweise 5 Ein- und Durchschlafstörungenz. 5 Aufgrund der langen Halbwertszeiten sind Kumulationsentwicklungen
und Hang-over-Effekte insbesondere bei älteren Patienten möglich. 5 Die parenterale Applikationsform findet v. a. in der Anästhesiologie
Verwendung und darf i.v. nur langsam unter Kontrolle der kardiorespirativen Funktionen injiziert werden. 5 Die parenterale Applikationsform wurde wegen Missbrauchs durch (meist Opiat-) Abhängige der BtmVV unterstellt. Gründe für den vermehrten Gebrauch von Flunitrazepam im Vergleich zu anderen Benzodiazepinhypnotika unter Opiatabhängigen gibt es nicht. Eine mögliche Erklärung liegt in der hohen und rasch eintretenden Wirksamkeit. 5 Routinehinweise: 7 Kap. 5.9.
336
Kapitel 5 · Hypnotika (Antiinsomnika)
1
Dosierung 5 Ambulant 0,5–2 mg; stationär höchstens 4 mg.
2
Nebenwirkungen (7 Kap. 5.6)
3
Kontraindikationen (7 Kap. 5.7)
4 5 6
Interaktionen (. Tabelle 4.2) 5 Bei Kombination mit Medikamenten, die CYP 3A4 hemmen (z. B. Keto-
conazol, Ritonavir oder Nefazodon), wird der Abbau von Flunitrazepam verzögert (. Tabelle 16.5) und die Wirkung verlängert. Bericht über verstärkte Sedierung bei Kombination von Flunitrazepam und Buprenorphin. Bewertung
7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
Hochwirksames, jedoch aufgrund langer Halbwertszeit und erhöhtem Risiko für Hang-over-Effekt und Kumulationsgefahr nur eingeschränkt empfehlenswertes Hypnotikum. Interaktionsrisiko.
Hypnotikum
Flurazepam
1,4-Benzodiazepin Dalmadorm (ICN) Tbl. 30 mg (20 Tbl.)
Staurodorm Neu (Dolorgiet) Tbl. 27,42 mg (20 Tbl.)
Pharmakodynamik 5 Verstärkung der GABAergen Hemmung über spezifische Benzodiaze-
pinrezeptoren (GABAA-Rezeptorkomplex). Pharmakokinetik 5 Flurazepam ist eine Prodrug und wird rasch zu den aktiven Metabo-
liten Hydroxyethylflurazepam und Flurazepamaldehyd und mittelschnell zu Desalkylflurazepam verstoffwechselt. Hydroxyethyl- oder Aldehydmetaboliten akkumulieren nicht. Desalkylflurazepam akkumuliert jedoch entsprechend seiner langen Halbwertszeit von 40–250 h langsam und erreicht nach mehreren Tagen Steady-state-Konzentrationen. Tmax =1–3 h (Flurozepam) und 0,5–96 h (Metabolite). Indikationen und Behandlungshinweise 5 Ein- und Durchschlafstörungenz. Aufgrund der ausgeprägten Kumulati-
on der aktiven Substanz Desalkylflurazepam können nach wiederhol-
5.11 · Präparate
337
5
ter Gabe Sedierungseffekte und andere Benzodiazepinnebenwirkungen während des Tages auftreten. 5 Routinehinweise: 7 Kap. 5.9. Dosierung 5 Ambulant 15–30 mg; stationär bis zu 60 mg. Nebenwirkungen (7 Kap. 5.6) Kontraindikationen (7 Kap. 5.7) Interaktionen (. Tabelle 4.2) Bewertung
Hochwirksames Hypnotikum; aufgrund langer Halbwertszeit erhöhtes Risiko für Hang-over-Effekte und Kumulationsgefahr, deshalb nur eingeschränkt empfehlenswert.
Loprazolam
Hypnotikum
Imidazolo-1,4-Benzodiazepin Sonin (Merck) Tbl. 1 mg (20 Tbl.) Pharmakodynamik 5 Verstärkung der GABAergen Hemmung über spezifische Benzodiaze-
pinrezeptoren (GABAA-Rezeptorkomplex). Pharmakokinetik 5 Tmax=ca. 2,5 h; t½=6–8 h; bei älteren Patienten kann sie bis zu 20 h an-
steigen. Piperazin-N-Oxid als Hauptmetabolit des Loprazolam hat etwa die Hälfte der pharmakologischen Aktivität der Muttersubstanz. Indikationen und Behandlungshinweise 5 Ein- und Durchschlafstörungenz. 5 Routinehinweise: 7 Kap. 5.9. Dosierung 5 1–2 mg. Bei älteren Patienten Beginn mit 0,5 mg.
338
1
Kapitel 5 · Hypnotika (Antiinsomnika)
Nebenwirkungen (7 Kap. 5.6) Kontraindikationen (7 Kap. 5.7)
2 3 4 5 6 7 8 9
Interaktionen (. Tabelle 4.2) Bewertung
Wirksames Hypnotikum. Kumulationsneigung bei älteren Patienten.
Hypnotikum
Lormetazepam
1,4-Benzodiazepin Ergocalm (Teofarma) Tbl. 1, 2 mg (Ergocalm Tabs)
Lormetazepam AL (Aliud Pharma) Tbl. 1, 2 mg
Loretam (ICN) Kps. 1, 2 mg
Lormetazepam-ratiopharm (ratiopharm) Tbl. 0,5, 1, 2 mg
Lormetazepam acis (acis) Tbl. 0,5, 1, 2 mg
Noctamid (Schering/Asche Chiesi) Tbl. 0,5, 1, 2 mg (10, 20 Tbl.)
10 11 12 13 14 15 16
Pharmakodynamik 5 Verstärkung der GABAergen Hemmung über spezifische Benzodia-
zepinrezeptoren (GABAA-Rezeptorkomplex). Sehr hohe Affinität zum Benzodiazepinrezeptor, vergleichbar mit der von Lorazepam oder Flunitrazepam. Pharmakokinetik 5 Tmax=2 h; t½=8–15 h. Lormetazepam hat keine klinisch relevanten
aktiven Metaboliten. Indikationen und Behandlungshinweise 5 Ein- und Durchschlafstörungenz. 5 Aufgrund der relativ kurzen Halbwertszeit kaum Kumulationsneigung,
Hang-over-Effekte bei höherer Dosierung verstärkt möglich. 5 Routinehinweise: 7 Kap. 5.9.
17
Dosierung 5 Ambulant 0,5–1 mg; stationär 1–2 mg.
339
5.11 · Präparate
5
Nebenwirkungen (7 Kap. 5.6) Kontraindikationen (7 Kap. 5.7) Interaktionen (. Tabelle 4.2) Bewertung
Wirksames Hypnotikum. Keine Kumulationsneigung.
Hypnotikum
Nitrazepam
1,4-Benzodiazepin Dormalon Nitrazepam (Pharma Wernigerode) Tbl. 5 mg Trpf. 5 mg=35 Tropfen Dormo-Puren (Alpharma-Isis) Tbl. 5 mg Eatan N (Desitin) Tbl. 10 mg imeson (Taurus-Pharma) Tbl. 5 mg
Nitrazepam AL (Aliud Pharma) Tbl. 5, 10 mg Nitrazepam-neuraxpharm (neuraxpharm) Tbl. 5, 10 mg Novanox (Pfleger) Tbl. 5, 10 mg (Novanox forte) Radedorm (AWD) Tbl. 5 mg
Mogadan (ICN) Tbl. 5 mg (20 Tbl.) Pharmakodynamik 5 Verstärkung der GABAergen Hemmung über spezifische Benzodiaze-
pinrezeptoren (GABAA-Rezeptorkomplex). Pharmakokinetik 5 Tmax=0,5–2 h; t½=15–30 h; beide Metaboliten weisen keine nennens-
werte pharmakologische Aktivität auf. Indikationen und Behandlungshinweise 5 Ein- und Durchschlafstörungenz. 5 Aufgrund der mittellangen Halbwertszeit muss mit Hang-over-Effek-
ten und Kumulationsneigung nach wiederholter Gabe gerechnet werden.
340
1 2 3
Kapitel 5 · Hypnotika (Antiinsomnika)
5 Nitrazepam wird teilweise auch als Antiepileptikum (z. B. bei BNS-
Krämpfen) eingesetzt. 5 Routinehinweise: 7 Kap. 5.9. Dosierung 5 Ambulant 2,5–10 mg; stationär bis höchstens 20 mg. Bei älteren Patien-
ten sollte eine Dosis von 5 mg möglichst nicht überschritten werden.
4
Nebenwirkungen (7 Kap. 5.6)
5
Kontraindikationen (7 Kap. 5.7)
6
Interaktionen (. Tabelle 4.2) Bewertung
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Wirksames Hypnotikum; im Vergleich zu Flunitrazepam und Flurazepam kürzere Halbwertszeit, jedoch bei höherer Dosierung Risiko von Hangover-Effekten.
Promethazin
Antihistaminikum, Hypnotikum
Phenothiazinderivat Atosil (Bayer Vital) Tbl. 25 mg (20, 50, 100 Tbl.) Trpf. 20 mg=20 Trpf.=1 ml (30, 50, 100 ml) Amp. 50 mg/2 ml (5 Amp.)
Promethazin-neuraxpharm (neuraxpharm) Drg. 10, 25, 50, 100 mg Lsg. 20 mg=20 Trpf.=1 ml Amp. 50 mg/2 ml
Closin (Combustin) Drg. 10, 25 mg Trpf. 5 mg=1 ml
Proneurin 25 (Hexal) Drg. 25 mg
Eusedon-mono (Krewel Meuselbach) Lsg. 5 mg=1 ml
Prothazin (Rodleben) Tbl. 25 mg Amp. 50 mg/2 ml Prothazin liquidum (Pharma Wernigerode) Lsg. 20 mg=1 ml
Pharmakodynamik 5 Vorwiegend H1-antihistaminerge Wirkkomponenten, zusätzlich anti-
cholinerge, adrenolytische und schwach antiserotonerge Eigenschaften. Keine antipsychotischen Eigenschaften.
5.11 · Präparate
341
5
Pharmakokinetik 5 Schnelle und nahezu vollständige Resorption; Tmax=1,5–3 h; t½=10–
12 h. Keine pharmakologisch aktiven Metaboliten. Indikationen und Behandlungshinweise 5 Zur Sedierung bei akuten Erregungs- und Unruhezuständen im Rah-
men psychiatrischer Grunderkrankungenz. Bei Schlafstörungenz und Erbrechenz, wenn andere Therapiemöglichkeiten nicht durchführbar sind oder nicht erfolgreich waren. 5 Bei i.v.-Injektion sind Venenwandreizung, Thrombophlebitiden bis hin zu Nekrosen möglich. Vorsicht bei Thrombolysetherapie. 5 Da Phenothiazinderivate eine höhere Nebenwirkungsrate haben, sind Routineuntersuchungen entsprechend 7 Kap. 3 zu empfehlen. Dosierung 5 Zu Beginn 25 mg zur Nacht, bei Bedarf Dosierungserhöhung auf 2×25
bis 4×25 mg/Tag. Bei schweren Unruhe- und Erregungszuständen kurzfristige Steigerung auf 200 mg/Tag möglich. Nebenwirkungen 5 Anticholinerge Eigenschaften führen zu vegetativen Nebenwirkungen.
Häufig orthostatische Kreislaufprobleme. EPS sehr selten. Kontraindikationen
Akute Alkohol-, Schlafmittel-, Analgetika- und Psychopharmakaintoxikationen, Harnverhalt, Engwinkelglaukom. 5 Relative Kontraindikationen: Prostatahypertrophie; Leber- und Nierenerkrankungen; Leukopenie und andere Erkrankungen des hämatopoetischen Systems; epileptische Anfälle. Interaktionen 5 Promethazin ist Substrat und Inhibitor von CYP 2D6. Bei Medikamenten, die Substrate von CYP 2D6 sind (7 Kap. 16), können unter Kombi-
nation mit Promethazin die Plasmakonzentrationen ansteigen. Bewertung
Wirksames Hypnotikum, schwächer wirksam als Benzodiazepinhypnotika. Therapeutische Breite geringer als bei Benzodiazepinhypnotika. Keine antipsychotische Wirksamkeit. Routineuntersuchungen entsprechend der Gruppe der Phenothiazine nötig.
342
1
Kapitel 5 · Hypnotika (Antiinsomnika)
Hypnotikum
Temazepam
1,4-Benzodiazepin
2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Norkotral Thema (Desitin) Kps. 20 mg Planum (Pharmacia) Kps. 10 mg (10, 20, 30 Kps.) Planum mite 20 mg (10, 20, 30 Kps.)
Pronervon T 10/T 20 (Scheffler) Kps. 10, 20 mg Remestan (ICN) Kps. 10 mg (10, 20 Kps.) Remestan mite 20 mg (10, 20 Kps.) temazep von ct (ct-Arzneimittel) Kps. 10, 20 mg
Pharmakodynamik 5 Verstärkung der GABAergen Hemmung über spezifische Benzodiaze-
pinrezeptoren (GABAA-Rezeptorkomplex). Pharmakokinetik 5 Tmax=ca. 1 h; t½=5–14 h. Temazepam hat keine klinisch relevanten akti-
ven Metaboliten. Kaum Kumulationsrisiko. Indikationen und Behandlungshinweise 5 Ein- und Durchschlafstörungenz. 5 Hang-over-Effekte nur bei höherer Dosierung. 5 Temazepam kann bei mehrmaliger Gabe in geringer Dosierung auch
als Anxiolytikum verwendet werden. 5 Routinehinweise: 7 Kap. 5.9.
13
Dosierung 5 Ambulant 10 bis höchstens 40 mg; stationär bis 60 mg. Als Anxiolyti-
14
kum kann Temazepam in einer Dosis von 2- bis 3-mal 10 mg gegeben werden.
15
Nebenwirkungen (7 Kap. 5.6) Kontraindikationen (7 Kap. 5.7)
16 17
Interaktionen (. Tabelle 4.2) 5 Keine Einschränkung des Abbaus von Temazepam bei Hepatopathien. Bewertung
Wirksames Hypnotikum. Keine Kumulationsneigung.
5.11 · Präparate
Triazolam
343
5
Hypnotikum
Triazolobenzodiazepin Halcion (Pharmacia Upjohn) Tbl. 0,125 mg (7, 10, 14 Tbl.) (Halcion mite) 0,25 mg (7,10, 14 Tbl.) Pharmakodynamik 5 Verstärkung der GABAergen Hemmung über spezifische Benzodiaze-
pinrezeptoren (GABAA-Rezeptorkomplex). Pharmakokinetik 5 Tmax=0,7–2,4 h; t½=1,5–5 h. Metaboliten tragen kaum zur klinischen
Wirkung bei. Keine Kumulationsgefahr. Indikationen und Behandlungshinweise 5 Einschlafstörungenz. 5 Hang-over-Effekte nur bei höheren Dosen. 5 Am Morgen kann nach abendlicher Gabe erhöhte Ängstlichkeit und
Unruhe als Rebound-Phänomen beobachtet werden. 5 Routinehinweise: 7 Kap. 5.9. Dosierung 5 0,125–0,25 mg. Nebenwirkungen (7 Kap. 5.6) 5 Verwirrtheitszustände, Ängstlichkeit, anterograde Amnesie wurden
beobachtet. Nutzen-Risiko-Verhältnis daher ungünstiger als bei anderen Benzodiazepinhypnotika. Kontraindikationen (7 Kap. 5.7) Interaktionen (. Tabelle 4.2) 5 Bei Kombination mit Ritonavir wird der Abbau von Triazolam verzö-
gert (Hemmung von CYP 3A4). Die Eliminationshalbwertszeit von Triazolam verlängert sich von 3 auf 41 h. 5 Bei Kombination mit CYP-3A4-Inhibitoren (. Tabelle 16.5) ist mit Wirkverlängerung zu rechnen.
344
1 2 3 4
Kapitel 5 · Hypnotika (Antiinsomnika)
Bewertung
Wirksames Hypnotikum. Einschlafmittel. Als Durchschlafmittel nicht geeignet. Höhere Nebenwirkungsrate als bei anderen Benzodiazepinhypnotika, daher nur bedingt empfehlenswert. Interaktionsrisiko.
Hypnotikum
Tryptophan
Serotoninpräkursor
5
Ardeytropin (Ardeypharm) Tbl. 500 mg
6
Kalma (NIDDApharm) Tbl. 500 mg (20, 50, 100 Tbl.)
7
Pharmakodynamik 5 Die essenzielle Aminosäure L-Tryptophan wird zu Serotonin umge-
8
wandelt. Die pharmakologische Wirkung soll über eine erhöhte Serotoninverfügbarkeit erzielt werden.
9 10
L-Tryptophan-ratiopharm (ratiopharm) Tbl. 500 mg
Pharmakokinetik 5 Tmax=1–2 h; zunächst linearer Abfall der Konzentration über 2–5 h, da-
nach exponentieller Abfall; 85% Plasmaproteinbindung. 5 Abbau in der Leber zum renal eliminierbaren Kynurenin zu 95%. Peri-
11 12 13 14 15 16 17
pherer Abbau zu Serotonin zu 2,5% sowie Permeabilität von zentralem Tryptophan über die Blut-Hirn-Schranke zu 2,5%. Indikationen und Behandlungshinweise 5 Ein- und Durchschlafstörungenz. 5 Der Nachweis für die Wirksamkeit bei Depressionen ist nicht erbracht. Dosierung 5 Bei Schlafstörungen: 500–1000 mg (maximal 2000 mg) am Abend. Nebenwirkungen 5 In höherer Dosierung Schwindel, Übelkeit, Kopfschmerzen, Müdigkeit.
Blutdrucksteigerung möglich, Lichtempfindlichkeit. Kontraindikationen 5 Akute Alkohol-, Schlafmittel-, Analgetika- und Psychopharmakaintoxi-
kation. 5 Leber- und Nierenerkrankungen.
5.11 · Präparate
345
5
5 Karzinoidsyndrom; Kombination mit SSRI, MAOH, Clomipramin und Venlafaxin (Gefahr des zentralen Serotoninsyndroms, 7 Kap. 12.7.2). Interaktionen 5 Zentrales Serotoninsyndrom möglich bei Medikamenten mit sero-
toninrückaufnahmehemmender Wirkung (s. o.) 5 Wirkverstärkung durch Carbamazepin; Verminderung durch Phenyto-
in. 5 Gelegentlich gesteigertes sexuelles Verlangen, und EPS bei Komedikati-
on mit Benzodiazepinen und Phenothiazinen. 5 Plasmaspiegelanstieg von Medikamenten mit hoher Plasmaproteinbin-
dung möglich. Bewertung
Geringe hypnotische Potenz, kann bei Behandlung von chronischen Schlafstörungen unterstützend eingesetzt werden.
Zaleplon
Hypnotikum
Pyrazolopyrimidin Sonata (Wyeth) Kps. 5, 10 mg (14 Kps.) Pharmakodynamik 5 Verstärkung der GABAergen Hemmung über spezifische Benzodiaze-
pinrezeptoren (GABAA-Rezeptorkomplex). Zaleplon ist ein selektiver Agonist an GABAA-Rezeptoren, die eine α1-Untereinheit enthalten. Pharmakokinetik 5 Rasche Resorption; Tmax=1,1 h; t½=1 h. Vorwiegend hepatische Meta-
bolisierung, daher bei Leberinsuffizienz Verlängerung der Halbwertszeit möglich. Die beiden Hauptmetaboliten 5-Oxo-Zaleplon und 5Oxo-Desethylzaleplon sind vermutlich pharmakologisch inaktiv. Indikationen und Behandlungshinweise 5 Einschlafstörungenz. 5 Routinehinweise: 7 Kap. 5.9. Dosierung 5 Empfohlene Dosis für Erwachsene 10 mg, für ältere Patienten 5 mg/
Tag. Die tägliche Gesamtdosis sollte 10 mg nicht überschreiten.
346
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Kapitel 5 · Hypnotika (Antiinsomnika)
Nebenwirkungen 5 Unter Zaleplon können alle die den Benzodiazepinen eigenen Nebenwirkungen auftreten (7 Kap. 5.6). 5 Kopfschmerzen, Schwäche, Schwindel. 5 Tagessedierung mit Benommenheit, Müdigkeit, eingeschränktem Re-
aktionsvermögen und Gedächtnisstörungen sind aufgrund der pharmakokinetischen Daten nur selten zu erwarten. 5 Mögliche Hang-over-Effekte, Rebound-Phänomene und Abhängigkeitsentwicklungen sind – ähnlich wie bei Zolpidem und Zopiclon – bisher sehr viel seltener beobachtet worden als bei den Benzodiazepinhypnotika. Kontraindikationen (7 Kap. 5.7)
7
Interaktionen 5 Änderungen der Plasmakonzentration sind zu erwarten bei gleichzei-
8
tiger Verabreichung von Arzneimitteln, die das Leberenyzm CYP 3A3/4 beeinflussen (7 Kap. 16).
9 10 11 12
Bewertung
Bei der Kürze der Eliminationshalbwertszeit von 1 h und einer Dauer der sedierenden Wirkung von ca. 4 h ist eine Indikation nur für Einschlafstörungen gegeben.
Zolpidem
Hypnotikum
Imidazopyridin
13
Bikalm (Altana) Tbl. 5, 10 mg
Stilnox (Sanofi-Synthelabo) Tbl. 5, 10 mg
14
zodormdura (Merck dura) Tbl. 5, 10 mg
Zolpidem-ratiopharm (ratiopharm) Tbl. 5, 10 mg
15
Zoldem (Neuro Hexal) Tbl. 10 mg
Zolpidem real (Dolorgiet) Tbl. 5, 10 mg
16
Zolpidem AL (Aliud Pharma) Tbl. 5, 10 mg
Zolpidem Sandoz (Sandoz) Tbl. 5, 10 mg
17
Zolpidem beta (betapharm) Tbl. 10 mg
Zolpidem Stada (Stada) Tbl. 5, 10 mg
Zolpidem-neuraxpharm (neuropharm) Tbl. 5, 10 mg
Zolpidem TAD (TAD pharma) Tbl. 10 mg Zolpidem von ct (ct-Arzneimittel) Tbl. 5, 10 mg
347
5.11 · Präparate
Zolpi-Lich (Lichtenstein) Tbl. 10 mg
5
Zolpinox (Krewel-Meuselbach) Tbl. 10 mg
Pharmakodynamik 5 Verstärkung der GABAergen Hemmung über spezifische Benzodiaze-
pinrezeptoren (GABAA-Rezeptorkomplex mit Präferenz für die α1-Untereinheiten – enthaltenden – GABAA-Rezeptoren).
Pharmakokinetik 5 Tmax=ca. 2 h; t½=1–3,5 h, bei Leberinsuffizienz deutlich verlängert auf
ca. 10 h. Extensiver Abbau zu pharmakologisch nicht aktiven Metaboliten. Kein Kumulationsrisiko. Indikationen und Behandlungshinweise 5 Ein- und Durchschlafstörungenz. 5 Routinehinweise: 7 Kap. 5.9. Dosierung 5 Regeldosis 10 mg, Gaben bis zu 20 mg/Tag sind möglich. Bei einge-
schränkter Leber- und Nierenfunktion und bei alten Patienten 5–10 mg. Nebenwirkungen 5 Prinzipiell können unter Zolpidem alle die den Benzodiazepinen eigenen Nebenwirkungen auftreten (7 Kap. 5.6). 5 Bei hoher Dosierung: Tagessedierung, Benommenheit, eingeschränk-
tes Reaktionsvermögen. In höherer Dosierung (20 mg zur Nacht) anterograde Amnesie in Einzelfällen beschrieben. 5 Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindel. 5 Hang-over-Effekte, Rebound-Phänomene und Abhängigkeitsentwicklungen bisher sehr viel seltener beobachtet als bei Benzodiazepinhypnotika. Kontraindikationen (7 Kap. 5.7) Interaktionen (7 Kap. 16) Bewertung
Wirksames Hypnotikum. Alternative zu Benzodiazepinhypnotika, Abhängigkeitsentwicklungen bisher sehr viel seltener beobachtet, jedoch grundsätzlich Risiko vorhanden.
348
1
Kapitel 5 · Hypnotika (Antiinsomnika)
Hypnotikum
Zopiclon
Zyklopyrrolon
2 espa-dorm (esparma) Tbl. 7,5 mg
Zopiclon beta (betapharm) Tbl. 7,5 mg
4
Optidorm (Dolorgiet) Tbl. 3,75, 7,5 mg
ZopiclonLich (Lichtenstein) Tbl. 7,5 mg
5
Somnosam (Hormosan) Tbl. 3,75, 7,5 mg
Zopiclon-neuraxpharm (neuraxpharm) Tbl. 3,75 mg, 7,5 mg
6
Ximovan (Aventis Pharma) Tbl. 7,5 mg (10, 20 Tbl.)
7
Zodurat (Pohl-Boskamp) Tbl. 7,5 mg
8
Zop (Hexal) Tbl. 7,5 mg
9
Zopicalm (Temmler Pharma) Tbl. 7,5 mg
3
10
Zopiclon-ratiopharm (ratiopharm) Tbl. 3,75, 7,5 mg Zopiclon Stada (Stada) Tbl. 7,5 mg Zopiclon TAD (TAD Pharma) Tbl. 7,5 mg Zopi-Puren (Alpharma-Isis) Tbl. 7,5 mg
zopiclodura (Merck dura) Tbl. 7,5 mg
11 12
Pharmakodynamik 5 Verstärkung der GABAergen Hemmung über spezifische Benzodiaze-
13
pinrezeptoren (GABAA-Rezeptorkomplex mit Präferenz für die α1-Untereinheiten – enthaltenden – GABAA-Rezeptoren).
14
Pharmakokinetik 5 Rasche Resorption; Tmax=1,5–2 h; t½=ca. 5 h, bei Leberinsuffizienz
15
Verlängerung der Eliminationshalbwertszeit auf 8–11 h möglich. Der Hauptmetabolit Zopiclon-N-Oxid ist nur wenig pharmakologisch aktiv. Keine Kumulationsneigung.
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Indikationen und Behandlungshinweise 5 Ein- und Durchschlafstörungenz. 5 Routinehinweise: 7 Kap. 5.9.
5.11 · Präparate
349
5
Dosierung 5 Regeldosis 7,5 mg, bis zu 15 mg/Tag möglich. Bei älteren Patienten mit
Leberschädigung oder Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen nur bis 3,75 mg. Nebenwirkungen 5 Prinzipiell können unter Zopiclon alle die den Benzodiazepinen eigenen Nebenwirkungen auftreten (7 Kap. 5.6). 5 Besonders bei hoher Dosierung kann es zu Tagessedierung mit Benom-
menheit, Müdigkeit, eingeschränktem Reaktionsvermögen und Gedächtnisstörungen kommen. 5 Häufig bitterer bis metallischer Geschmack. 5 Hang-over-Effekte, Rebound-Phänomene und Abhängigkeitsentwicklungen bisher sehr viel seltener beobachtet als bei Benzodiazepinhypnotika. Kontraindikationen (7 Kap. 5.7) Interaktionen (7 Kap. 16) Bewertung
Wirksames Hypnotikum. Alternative zu Benzodiazepinhypnotika. Abhängigkeitsentwicklungen sehr viel seltener beobachtet, jedoch grundsätzlich Risiko vorhanden.
6 Antidementiva
6.1
Übersicht
Antidementiva (die älteren Präparate, die nicht operationalisiert bei Demenz evaluiert wurden, sondern allgemein bei »hirnorganischen Psychosyndromen«, werden Nootropika genannt) sind zentral wirkende Substanzen, die die Hirnleistung, insbesondere Gedächtnis, Konzentrationsund Auffassungsfähigkeit, Aufmerksamkeit, Urteilsvermögen und Orientierung verbessern und die Beeinträchtigung sozialer Alltagsaktivitäten mildern können. Bei der Beurteilung der Wirksamkeit von Antidementiva ist zu berücksichtigen, dass neben der Besserung der Symptomatik (im Durchschnitt 10–20%) auch eine Minderung der Progredienz im Verlauf der Erkrankung wichtig ist. Für den Wirksamkeitsnachweis sollte auf jeder der drei Beobachtungsebenen »Psychopathologie«, »objektivierende Leistungsverfahren« und »Verhalten« (einschließlich Belastung der Pflegenden) eine signifikante Verbesserung gefordert werden. 5 Es können nach ätiopathogenetischen Gesichtspunkten folgende Zielgruppen unterschieden werden: – Demenz bei Alzheimer-Krankheit (DAT), – vaskuläre (VD) und gemischte Demenz, – Demenz vom Lewy-Körperchen-Typ (DLB), – frontotemporale Demenz, – Demenz bei anderen Erkrankungen, – »leichte kognitive Störung« (»mild cognitive impairment«, MCI). 5 Es stehen folgende Antidementiva zur Verfügung: – Substanzen mit nachgewiesener Wirksamkeit nach den o. g. Kriterien: Donepezil, Galantamin, Memantine, Rivastigmin – eine nach BfArM schon nach den neuen strengeren Richtlinien zugelassene Substanz: Nimodipin; – in den 80er-Jahren zugelassene Nootropika: Ginkgo biloba, Nicergolin; – Substanzen ohne ausreichend nachgewiesene Wirksamkeit, aber mit »positiver Aufbereitungsmonographie« (BfArM): Co-dergocrin (Dihydroergotoxin), Pyritinol, Piracetam;
352
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
Kapitel 6 · Antidementiva
– weitere Substanzen, bei denen nootrope Effekte beschrieben werden: α-Tocopherol (Vitamin E), Desferrioxamin, Diclofenac, Indomethacin, Naftidrofuryl, Pentoxifyllin, (retardiertes) Physostigmin, Selegilin.
6.2
Wirkmechanismen
5 Es gibt eine Vielzahl antidementiver Wirkansätze, die auch innerhalb
einer Substanzklasse vorkommen können. Die gegenwärtig therapeutisch wichtigsten sind die Hemmung der Azetylcholinesterase und der glutamaterge Antagonismus. – Co-dergocrin, Nicergolin: Mischwirkung aus partiellem α-Adrenorezeptor- und 5-HT-Agonismus. – Desferrioxamin: Chelatbildner. – Azetylcholinesterasehemmer: Donepezil, Galantamin, Rivastigmin; bei Rivastigmin auch Hemmung der Butyrylcholinesterase, bei Galantamin auch Modulation nikotinischer ACh-Rezeptoren. – Ginkgo biloba: kein einheitlicher Wirkmechanismus bekannt, u. a. Hemmung des plättchenaktivierenden Faktors durch Ginkgolid B (Inhaltsstoff von Ginkgo biloba), was sich aber bislang in vivo nicht bestätigt hat, auch antioxidative Eigenschaften der Flavoglykoside werden diskutiert. Ginkgo biloba hat Radikalfängereigenschaften. – Indomethacin: Antiphlogistikum (Zyklooxygenasehemmer). – Memantine: unkompetitiver, niedrigaffiner NMDA(Glutamat)-Antagonist. – Nimodipin: Kalziumkanalhemmer. – Piracetam: kein einheitlicher Wirkmechanismus; erhöht u. a. zelluläre Kalzium- und Natriumfluxe, beeinflusst GABAerges System. Modulation der zerebralen Neurotransmission. – Selegilin: MAO-B-Hemmer und Antioxidans. – Tocopherol (Vitamin E): Antioxidans. 5 Neue pharmakologische Ansätze: chronische partielle Inhibition der β- und γ-Sekretase (sowohl zur Prävention als auch Behandlung der DAT), Aktivierung der α-Sekretase. 5 Präventive Maßnahmen: als nicht-medikamentöse Primärprävention scheint sich ein intellektuell stimulierendes Umfeld anzubieten. Medikamentös werden verschiedene Strategien der Neuroprotektion diskutiert, insbesondere die Gabe von nichtsteroidalen Antiphlogistika, Statinen, Vitaminen und Ginkgo biloba; es gibt aber keine abgesicherten prospektiven Studien. Östrogene scheinen eine Assoziation mit bestimmten Krebsarten zu haben und sollten zur Primärprävention nach derzeitigem Wissensstand nicht eingesetzt werden.
6.3 · Allgemeine Therapieprinzipien
6.3
353
6
Allgemeine Therapieprinzipien
5 Es ist ein multimodaler individueller Behandlungsplan (s.u.) anzuwen-
den, da Patienten mit Demenz neben vielgestaltigen kognitiven Leistungseinbußen auch begleitende Verhaltensauffälligkeiten (BPSD: »behavioral and psychological symptoms in dementia«), wie depressive Syndrome, paranoide Syndrome, organische Persönlichkeitsänderungen, psychomotorische Unruhe mit Ängsten und hartnäckige Schlafstörungen zeigen können. 5 Nur ca. 10% der Demenzen sind teilweise kausal therapierbar (etwa durch Hormon- bzw. Vitaminsubstitution z. B. bei Hypothyreose oder Vitamin-B12-Mangel). 5 Mehrere Behandlungsprinzipien müssen in einen Gesamtbehandlungsplan integriert werden: Pharmakotherapie, Psycho- bzw. Soziotherapie und pflegerische Maßnahmen. Medikamentöse Therapie der Demenz 5 Die medikamentöse Therapie der Demenzen wird schematisch in . Abb. 6.1 dargestellt. 5 Es verdichten sich die Hinweise, dass Azetylcholinesterasehemmer auch
die im folgenden erwähnten BPSD verbessern. Für Memantine existiert noch keine hinreichende Datenbasis in diesem Bereich. Es finden sich jedoch positive Wirkungen auf Stimmung und Antrieb unter Memantine. 5 Bei zusätzlichem depressiven Syndrom sollten keine trizyklischen Antidepressiva mit anticholinerger Komponente verordnet werden, sondern Mirtazapin, Reboxetin, SSRI oder Venlafaxin. Eine neue Untersuchung zeigt, dass Sertralin signifikant besser als Placebo bei Depressionen i. R. einer DAT wirkt, wobei auch eine Besserung von Verhaltensauffälligkeiten und ADL, allerdings nicht der Kognition, gefunden wurde. Wenn trizyklische Antidepressiva verordnet werden sollen, sind sekundäre Amine (Nortriptylin) vorzuziehen. In schweren Fällen ist EKB eine Alternative. 5 Bei zusätzlichem paranoidem Syndrom und psychotischen Symptomen sollten Antipsychotika ohne (oder mit nur gering ausgeprägter) anticholinerger Komponente in niedriger Dosierung (z. B. Haloperidol 0,53 mg) gewählt werden. Niedrig dosierte atypische Antipsychotika (z. B. Risperidon 1–2 mg/Tag, Olanzapin 5–10 mg/Tag, Quetiapin 25–200 mg/ Tag) sind besser verträglich. Für Risperidon und Olanzapin gibt es aber erhebliche Einschränkungen: ! Unter Risperidon und insbesondere Olanzapin wurde bei alten Pati-
enten ein signifikant häufigeres Auftreten von Schlaganfällen als unter Placebo mit erhöhter Mortalität in Langzeituntersuchungen ge-
DAT Leicht, bis mittelschwer 1. Donepezilz, Galantaminz Rivastigminz 2. Memantine Dauer: 3–6 Monate
Dauer: 3–6 Monate
DAT Mittelschwer bis schwer 1. Memantinez 2. Donepezil Dauer: 3–6 Monate
Keine Besserung
1. Wechsel auf alternative Präparategruppe (s.o. 1,2) 2. Nicergalin(z) , Nimodipin(z), Vit. E Dauer: 3–6 Monate
Alternative nicht bekannt
Wechsel auf alternative Präparategruppe (s.o. 1,2) andere Alternativen nicht bekannt
Wechsel auf alternative Präparategruppe (s.o. 1,2) andere Alternativen nicht bekannt
Bei Besserung Beibehaltung der Medikation für mindestens 2 Jahre In der oberen Medikamentenreihe sind die Therapieempfehlungen evaluiert, ausgenommen Präparate mit * ( für die aber positive Studienergebnisse vorliegen). In der unterern Medikamentenreihe sind die Therapieempfehlungen nicht ausreichend evaluiert.
. Abb. 6.1. Medikamentöser Stufenplan bei VD, DAT und Mischformen
Kapitel 6 · Antidementiva
Mischformen Alle Schweregrade Galatamin*
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Bei Besserung Beibehaltung der Therapie
Keine Besserung VD Alle Schweregrade 1. Memantine* 2. Donepezil*, Galantamin*, Rivastigmin Dauer: 3–6 Monate
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Behandlung • internistischer (z. B. Hypovitaminosen, Herinsuffizienz, Endkrinopathien) • neurologischer (z. B. Parkinsonsche Erkrankung) • psychiatrischer (z. B. Depressive Störung, Alkoholabhängigkeit) Erkrankungen
6.3 · Allgemeine Therapieprinzipien
355
6
funden. Daraus ergibt sich bei Olanzapin eine Kontraindikation der Verordnung ab 65 Jahren und bei Risperidon eine einschränkte Verordnung nur bei schwerer chronischer Aggressivität, durch die sich die Patienten selbst und andere gefährden oder bei psychotischen Symptomen bei Demenz, durch die die Patienten erheblich beeinträchtigt werden. Auch sollten die Patienten in regelmäßigen Abständen dahingehend untersucht werden, ob weiterhin eine Behandlungsbedürftigkeit mit Risperidon besteht. 5 Es gibt erste Hinweise, dass es sich bei dem erhöhtem Risiko für zere-
5
5
5
5
brovaskuläre Ereignisse um einen Gruppeneffekt handeln kann. Auch unter Haloperidol sind solche Ereignisse jetzt beschrieben. Das relative Risiko ist also zurzeit für alle Antipsychotika nicht abschätzbar. Da aber eine Alternative zu den Antipsychotika bei der Behandlung der häufigen Wahnvorstellungen bei Demenzerkrankungen nicht besteht, ist bei jedem einzelnen Patienten das Risiko eines möglichen zerebrovaskulären Ereignisses mit dem Nutzen der Antipsychotikatherapie abzuwägen. Die o. g. Einschränkungen sind allein aus rechtlichen Gründen zu beachten; bei vorbestehenden zerebrovaskulären Risiken ist besondere Vorsicht angebracht. Diese Dosen von atypischen Antipsychotika können auch bei organischen Persönlichkeitsänderungen versucht werden. Alternativen sind Valproinsäure und Carbamazepin (bei geriatrischen Patienten sehr vorsichtiges Einschleichen, 7 Kap. 2). Agitation und rastloses Umherlaufen als konstanteste Symptome bei Demenz sind nicht leicht zu behandeln. Die Studienlage ist unzureichend. Bei psychomotorischer Unruhe und bei zusätzlichen Schlafstörungen können sedierende atypische Antipsychotika (z. B. Olanzapin 5 mg/Tag, Risperidon 1 mg/Tag, s. o. !) oder Melperon (25–150 mg/ Tag) oder Pipamperon (20–120 mg/Tag) gewählt werden, bei Ängstlichkeit und Schlafstörungen auch Mirtazapin 30 mg/Tag. Ob Melatonin (0,3–3 mg zur Nacht) als Hypnotikum angewandt werden sollte, bleibt unklar. Bei älteren Patienten ohne Demenz mit niedrigem Melatoninspiegel scheinen niedrige physiologische Dosen das beste Wirkungs-/Nebenwirkungsverhältnis zu haben. Zur Verordnung von Benzodiazepinen bei Patienten mit Demenz und Schlafstörungen 7 Kap. 5.
! Ältere Menschen haben eine erhöhte Suszeptibilität für Sedierung,
Parkinsonoid, anticholinerge Wirkungen und Orthostase. Oft ist die renale Clearance vermindert und der hepatische Metabolismus verzögert (7 Kap. 13).
356
1 2 3 4 5 6 7
6.4
Kapitel 6 · Antidementiva
Indikationen
Das Zielsyndrom für Antidementiva ist die Demenz. Die Differenzialdiagnose ist Voraussetzung für den Einsatz von Antidementiva. Diagnostisches Vorgehen
Es muss zunächst entschieden werden, ob in der klinischen Routineuntersuchung nur eine Eingangsdiagnostik erfolgen soll oder ob das Ziel in einer Absicherung der Diagnose der Demenz liegt. Eingangsdiagnostik 5 Psychiatrische, neurologische und internistische Untersuchung. 5 Im Rahmen der Exploration Prüfung einer Verminderung der früher
höheren Leistungsfähigkeit unter fremdanamnestischer Hilfe. 5 Prüfung der Beeinträchtigung des Alltagslebens, ggf. mit dem ADL-Fra-
gebogen (»activities of daily living«). 5 Als einfachste Screeningmethode zur Erfassung der kognitiven Fähig-
8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
keiten (Gedächtnis, Aufmerksamkeit und sprachliche Leistungen) und Beurteilung des Schweregrades der Demenz hat sich der Fragebogen MMSE (Mini-Mental State Examination) bewährt. Entsprechend der Punktzahl können 3 Schweregrade erfasst werden: leicht (18–24 Punkte), mittelschwer (10–17 Punkte), schwer (<10 Punkte). 5 In die erste Routineuntersuchung sollten folgende technische Untersuchungen eingeschlossen werden: umfassendes Routinelabor mit Blutfetten und Schilddrüsenhormonen, EKG, EEG und eine kraniale Computertomographie. Absicherung der Diagnose 5 Neuropsychologische Testung; SKT (Syndrom-Kurz-Test). 5 Abfragen der modifizierten NINCDS-ADRDA-Kriterien . Tabelle 6.1. 5 Ergänzende Fragebögen zur weiteren Absicherung der Diagnose: z. B.
SIDAM (Strukturiertes Interview zur Diagnostik der DAT) oder CERAD (»consortium to establish a registry for DAT«). Besonders hohe Sensitivität als Screening-Instrumente bei MCI haben der TFDD (Test zur Früherkennung der Demenz mit Depressionsabgrenzung), der DemTect (»Dementia-detection«-Test von Calabrese und Kessler 2000) und der »Paragraph-recall«-Test. 5 Erfassung der kognitiven Leistungseinbußen im Verlauf: ADAS-Cog (»Cognitive Section of the Alzheimer’s Disease Assessment Scale«). 5 Die komplexeren neuropsychologischen Instrumente können bei der schweren Demenz nicht ohne weiteres eingesetzt werden. 5 Weiterführende Untersuchungen: Apolipoprotein (ApoE), Homozys-
357
6.4 · Indikationen
6
. Tabelle 6.1. Modifizierte NINCDS-ADRDA Kriterien für eine sichere, wahrscheinliche oder mögliche DAT Sichere DAT
5 Klinische Kriterien für eine wahrscheinliche DAT 5 Histopathologischer Beweis (Biopsie oder Autopsie)
Wahrscheinliche DAT
5 Klinische Untersuchung und MMSE für Demenz positiv 5 Demenz bestätigt durch neuropsychologische Testung 5 Defizite auf 2 oder mehr Teilgebieten der kognitiven Leistungsfähigkeit 5 Progrediente Verschlechterung des Gedächtnisses oder anderer kognitiver Leistungen 5 Keine quantitative Bewusstseinsstörung 5 Ausschluss einer Hirn- oder sonstigen Erkrankung, die zu einer Demenz führen kann
Mögliche DAT
5 Atypischer Beginn oder atypischer Verlauf einer Demenz unklarer Ätiologie 5 Eine Hirn- oder sonstige Erkrankung, die zwar zu einer Demenz führen kann, liegt vor, wird aber nicht für die vorliegende Demenz verantwortlich gemacht 5 Progrediente Leistungsminderung in einem einzigen kognitiven Teilgebiet
Unwahrscheinliche DAT
5 Plötzlicher Beginn 5 Fokal-neurologische Ausfälle 5 Krampfanfälle oder Gangstörung früh im Laufe der Erkrankung
tein, kraniales MRT, ggf. PET, Liquoruntersuchung mit zusätzlicher Bestimmung der τ- und der Aβ-Proteine. 6.4.1
Demenz bei Alzheimer-Krankheit (DAT)
Die DAT ist eine primär degenerative zerebrale Erkrankung mit progressivem Verlust von Nervenzellen. Die Folgen sind ein Abbau der intellektuellen Leistungsfähigkeit, Einschränkung der Bewältigung des Alltagslebens und Verhaltensauffälligkeiten. Die Ätiologie ist erst in Ansätzen bekannt; es finden sich charakteristische neuropathologische und neurochemische Merkmale. Die DAT beginnt meist schleichend, i. d. R. nach dem 60. Lebensjahr; nach erster Diagnosestellung führt sie im Durchschnitt nach 3,1–6,6 Jahren zum Tode. Die DAT-Diagnose ist erst durch eine autoptische neuropathologische Untersuchung zu sichern.
358
1
5 Typische, aber nicht pathognomonische Befunde sind: neurofibrilläre
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Kapitel 6 · Antidementiva
5 5
Bündel, senile Plaques aus β-Amyloid (insbesondere Aβ42, das durch proteolytische Spaltung des β-Amyloid-Precursor-Proteins durch den Präsenilin/β-Sekretase-Komplex oder durch die β-Sekretase entsteht), Neuronenverlust mit reaktiver Gliose, verminderte Aktivität der Azetylcholintransferase, aber auch anderer Neurotransmittersysteme wie Somatostatin und Glutamat. Neuere Untersuchungen weisen auf Veränderungen des Glukosestoffwechsels und immunologische Störungen hin. Es findet sich ein erhöhtes Risiko für DAT bei Angehörigen ersten Grades mit DAT, bei familiärer Belastung mit Down-Syndrom, bei Vorliegen eines sogenannten ApoE4-Allels (besondere Bedeutung der Chromosomen 21, 14, 1 und 19) und bei Hyperhomozysteinämie. Für eine sichere, wahrscheinliche oder mögliche DAT gibt es die in . Tabelle 6.1 gezeigten Kriterien. Die Frühsymptome einer DAT werden von der Umgebung des Patienten häufig erst später wahrgenommen, der Patient kann sie überspielen. Zunächst fallen Störungen der Merkfähigkeit und Konzentration, später Gedächtnis- und Orientierungsstörungen auf. Schließlich kommt verminderte Urteilskraft hinzu. Nicht nur die kognitiven Einbußen, sondern auch die o. g. BPSD wie depressive Störungen, Apathie, aggressives Verhalten und Persönlichkeitsveränderungen prägen das Krankheitsbild und führen schließlich zu einem Verlust der Selbständigkeit. Das Ziel einer medikamentösen Therapie im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplans liegt in einer Verminderung des Fortschreitens der Erkrankung, einer Verminderung der BPSD und eines Erhalts der Lebensqualität. Azetylcholinesterasehemmer und Memantine sind bei DAT gut evaluiert; der Einsatz ist dem Stufenplan der . Abb. 6.1 zu entnehmen. Zu Kombinationsbehandlungen gibt es bislang eine Studie, die Memantine zu Donepezil bei leichter bis mittelschwerer DAT mit positivem Ergebnis untersucht hat. In einer kürzlich publizierten placebokontrollierten Studie wurde festgestellt, dass der Azetylcholinesterasehemmer Donepezil weder die Heimeinweisung noch die zunehmende Behinderung aufhalten kann; auch die Lebenszeit wurde nicht verlängert. Die Autoren halten deshalb eine nur kurzfristige Einnahme von Antidementiva für gerechtfertigt. Allerdings schränken methodische Schwächen die Aussagekraft dieser Studie ein.
6.4 · Indikationen
6.4.2
359
6
Vaskuläre Demenz (VD)
Die VD entwickelt sich meist mehr oder weniger schnell nach einer Reihe von Schlaganfällen als Folge von zerebrovaskulärer Thrombose, Embolie oder Blutung. Somit ist an eine VD, insbesondere bei plötzlichem Beginn, fluktuierendem Verlauf, Krampfanfällen in der Anamnese und neurologischen Herdsymptomen bzw. -zeichen zu denken. In seltenen Fällen kann ein einziger ausgedehnter Infarkt die Ursache sein. Zu Beginn zeigen sich bei der VD häufiger als bei der DAT Aufmerksamkeitsstörungen, Verlangsamung der Denkabläufe und der Psychomotorik, depressive Symptome (hier bis zu 40%, bei DAT 15–25%) mit Antriebslosigkeit, aber auch Harninkontinenz, Gangstörungen und andere neurologische Zeichen. In Europa ist die VD die zweithäufigste Demenzdiagnose, in den USA kommt die DLB häufiger vor. 5 Die VD kann weiter in »Post-Stroke-Demenz« (nach strategischem Einzelinfarkt mit akutem Beginn, ca. 17%), Multiinfarktdemenz (vorwiegend kortikale Demenz, ca. 40%) und subkortikale vaskuläre Enzephalopathie (mit arterieller Hypertonie assoziiert, ischämische Läsionen überwiegend im Marklager, ca. 40%) eingeteilt werden. Dazu kommen noch seltene Gefäßerkrankungen, wie beispielsweise die zerebrale autosomal dominante Arteriopathie mit subkortikaler Leukenzephalopathie (»cerebral autosomal dominant arteriopathy with subcortical infarcts and leucoencephalopathy«, CADASIL). Ursächlich findet sich eine Mutation am Notch-3-Gen auf Chromosom 19p13.1. De-novo-Mutationen kommen selten vor. 5 Für die Diagnose einer VD, insbesondere im Sinne einer Multiinfarktdemenz wird gerne der Hachinski-Ischämie-Score, obwohl nicht unumstritten, eingesetzt. 5 Bislang gibt es keine gesicherte medikamentöse Therapie der VD, am besten sind Memantine, Donepezil und Galantamin evaluiert, für die Wirksamkeit von Rivastigmin gibt es erste Hinweise; der Einsatz ist dem Stufenplan der . Abb. 6.1 zu entnehmen. 5 Bei Blasenstörungen bieten sich entweder peripher wirksame Anticholinergika (z. B. Oxybutynin 10–30 mg/Tag) oder α-Rezeptorenblocker (z. B. Phenoxybenzamin 10–60 mg/Tag) an. 6.4.3
Demenz vom Lewy-Körperchen-Typ (DLB)
Die Demenz vom Lewy-Körperchen-Typ beginnt meist zwischen dem 60. und 68. Lebensjahr und betrifft Männer häufiger als Frauen. Die Dauer liegt bei 6-8 Jahren. Es gibt deutliche Überschneidungen zur Parkinsondemenz einerseits und zur DAT andererseits. Meist unterstützt der zeitliche
360
1 2 3 4
Kapitel 6 · Antidementiva
. Tabelle 6.2. CDLB-Kriterien (allgemeine Demenz-Kriterien müssen erfüllt sein) Wahrscheinliche Demenz vom Lewy-Körperchen-Typ (mindestens 2 Kriterien erforderlich)
5 Fluktuierende kognitive Leistungsfähigkeit und Aufmerksamkeitsfokussierung 5 Optische Halluzinationen 5 Spontane motorische Entäußerung als Parkinsonoid
Akzessorische Symptome
5 Wiederholte Stürze, Synkopen, erhöhte Suszeptibilität für antipsychotische Wirkungen und Nebenwirkungen, systematischer Wahn, Halluzinationen anderer Sinnesmodalitäten
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Verlauf und das halluzinatorische Erleben die Differenzialdiagnose (. Tabelle 6.2) Außerdem finden sich häufig zuerst Störungen frontaler Funktionen und visuell-räumlicher Fähigkeiten, die meist auch ausgeprägter als andere Hirnleistungsstörungen sind. Frühe (neurogene) Blasenstörungen sind ein weiteres diagnostisches Merkmal. Histopathologisch sind eosinophile Einschlusskörper und Ubiquitin- und α-Synuklein-positive Neuriten typisch. 5 Als Unterscheidungshilfe zwischen DAT und der Demenz vom LewyKörperchen-Typ nach klinischen Gesichtspunkten dienen z. B. die CDLBKriterien (»consortium on dementia with Lewy-bodies«, . Tabelle 6.2). 5 Hochgradige antipsychotikainduzierte (EPS, aber auch sedierende oder anticholinerge) Nebenwirkungen sind für diese Demenzform typisch. 5 Bei einer notwendigen Antipsychotikaverordnung kann ggf. Quetiapin oder Clozapin versucht werden, Olanzapin ist kontraindiziert. 5 Es gibt positive Therapieergebnisse zu allen Azetylcholinesterasehemmern, die z. T. zu deutlich besseren Ergebnissen als bei der DAT führen. Therapieansprechen ist frühestens nach 4 Wochen zu erwarten. 6.4.4
Frontotemporale Demenz
Als diagnostisch hinweisend für eine frontotemporale Demenz werden ein einschleichender Beginn meist vor dem 70. Lebensjahr, eine langsame Progredienz, Nachweis einer frontalen oder frontotemporalen Lokalisation durch strukturelle oder funktionelle Bildgebung und Veränderung von Persönlichkeit und Sozialverhalten angesehen (etwa unangemessene Reaktionen und Aktivitäten, Veränderung des sprachlichen Ausdrucks). Kognitive Leistungseinbußen stehen nicht im Vordergrund.
6.5 · Antidementiva, Psycho-/Soziotherapie…
361
6
5 Azetylcholinesterasehemmer sind wahrscheinlich unwirksam. Aus Ein-
zelfallberichten geht eine Wirksamkeit von SSRI insbesondere bei Verhaltensstörungen und depressiver Stimmung hervor. Eine Placebokontrollierte Studie mit Paroxetin hatte jedoch ein negatives Ergebnis. 6.4.5
Leichte kognitive Störung (»mild cognitive impairment«, MCI)
MCI als dritte Gruppe zwischen physiologischem kognitivem Altern und Demenz stellt den ersten Ansatz einer (Sekundär-)Prävention der Demenzen dar. Mehr als 70% der Patienten, die innerhalb von 2–3 Jahren eine Demenz entwickelten, hatten vorher eine MCI. MCI-Patienten leiden oft an einer depressiven Störung. Definiert wird die MCI als kognitive Einschränkung (mehr als 1,5 Standardabweichungen von der Altersnorm) ohne Alltagsrelevanz, die sowohl subjektiv als auch objektiv zu belegen ist. 5 Häufig werden schon bei MCI Antidementiva verordnet. Für die Wirksamkeit dieser Strategie gibt es keine Belege. Man hofft jedoch, dass durch neuroprotektive Substanzen wie Antiphlogistika, Antioxidanzien, Nootropika wie Piracetam, aber auch Azetylcholinesterasehemmer die zu einer Demenz konvertierende Rate von 10–15% pro Jahr gesenkt werden kann. 5 Verfahren der kognitiven Aktivierung sind möglicherweise von Nutzen. 5 Primärpräventive Maßnahmen, z. B. mit Vitaminpräparaten können aus methodischen Gründen (sehr hohe Probandenzahl und langer Beobachtungszeitraum notwendig, da mit 1–2% zu geringe Konversionsrate pro Jahr) nicht geprüft werden. 6.5
Antidementiva, Psycho-/Soziotherapie und pflegerische Maßnahmen
5 Die Information, Motivation und Psychoedukation des Patienten und
der Angehörigen bzw. des Betreuers ist die Basis der Behandlung und sollte sich auch auf die Einnahme von Antidementiva beziehen. Es sollte besonders betont werden, dass ein vorübergehender Stillstand des Leistungsabbaus bereits ein Erfolg ist. Die Lebensqualität soll wieder angehoben werden. 5 Ein kompensatorisches Vorgehen mit dem Ziel, dass der Patient trotz Einbußen im Alltag zurechtkommt, ist anzustreben. 5 Es ist zweifelhaft, ob klassisches Gedächtnistraining (»brain jogging«) bei mittelschweren bis schweren Demenzen wirksam ist. Es gibt aber einige Hinweise dafür, dass ein angereicherter Lebensstil mit physischer und kognitiver Stimulation sowohl beim physiologischen Altern
362
1 2 3 4 5 6
Kapitel 6 · Antidementiva
als auch bei der MCI und leichter Demenz hilfreich ist. Bei schwereren Demenzen scheint die »Erinnerungstherapie«, die auch emotional entlastend ist und bei der auf alte Gedächtnisinhalte zurückgegriffen wird, sinnvoll zu sein. 5 Spezielle und verbliebene Fähigkeiten sollten gefördert werden. Einfache interne Strategien (»Mnemotechniken«) wie Gesichter-Namen-Assoziationslernen und einfache externe Strategien (Listen, Kalender, aktive Hinweisreize wie Wecker) zur vereinfachten Umfeldstrukturierung können geübt werden. Informationen zu Personen, Zeit und Ort werden in der »Realitätsorientierungstherapie« (ROT) gelernt. 5 Interaktionale Strategien (Verhaltensregeln für die Betreuungspersonen) müssen besprochen werden. Weiterhin ist für eine psychosoziale Entlastung der Angehörigen zu sorgen, bei denen sich sonst in über 80% der Fälle depressive Störungen entwickeln können.
7 6.6
Präparate1
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Nootropikum
Co-dergocrin DCCK (Shire Deutschland)
Hydro-Cebral-ratiopharm (ratiopharm)
Ergodesit (Desitin) Orphol (Opfermann) ergotox 2,5 (ct-Arzneimittel) Sponsin (Farmasan) Hydergin (Novartis Pharma)
13 14 15
Dosierung 5 Genaue Empfehlungen sind den Produktinformationen des Herstellers
zu entnehmen, da die Bioverfügbarkeit stark von der Galenik abhängt. 5 Üblicherweise werden 3–6 mg/Tag gegeben. Bewertung
16
Aufgrund des fehlenden Wirksamkeitsnachweises ist Co-dergocrin(z) als Antidementivum nicht zu empfehlen.
17 1
Wegen der Vielzahl im Handel befindlichen Präparate werden die Darreichungsformen nicht immer aufgelistet.
6.6 · Präparate
Donepezil
363
6
Antidementivum
Azetylcholinesterasehemmer Aricept (Eisai, Pfizer) Tbl. 5, 10 mg (28, 56, 98 Tbl.) Pharmakodynamik 5 Reversibler selektiver Azetylcholinesterasehemmer. Pharmakokinetik 5 Tmax=4 h; t½=70–80 h; Bioverfügbarkeit ca. 43%; Plasmaproteinbindung
>90%. Steady state nach ca. 3 Wochen. 5 Metabolisierung über CYP 3A4 und CYP 2D6. Ein wirksamer Metabo-
lit (6-O-Desmethyldonepezil), mehrere unwirksame Metabolite. 5 Plasmakonzentration: 30–75 ng/ml(p). Indikationen und Behandlungshinweise 5 Demenz bei Alzheimer-Krankheit (leichte bis mittelschwere DAT)z, für
die Wirksamkeit bei schwerer DAT gibt es Hinweise. 5 Für die Wirksamkeit bei VD und DLB gibt es Hinweise. 5 Erste Hinweise gibt es für die Wirksamkeit bei kognitiven Störungen im
Rahmen von MCI, Schädel-Hirn-Traumata, Multipler Sklerose, DownSyndrom und Parkinsondemenz. 5 Keine klinisch signifikanten Veränderungen des EKG und der Routinelaborparameter. 5 Verträglichkeit insgesamt besser als Rivastigmin. 5 Absicherung der Diagnose durch einen in der Behandlung von Demenzen erfahrenen Arzt. ! Vorsicht vor Operationen, lange t½.
Dosierung 5 Beginn mit 5 mg/Tag (Einmalgabe zur Nacht), nach einem Monat ggf.
Steigerung auf 10 mg/Tag. Absetzen, falls keine Besserung oder keine merklich verringerte Progredienz nach 3–6 Monaten Behandlung unter Zieldosis eintritt. Nebenwirkungen 5 Anfängliche cholinerge Begleiteffekte (bei Dosissteigerung nach einem
Monat: <10%): Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Dyspepsie; Bradykardie mit Schwindel, Hypotonie; Obstipation.
364
1 2 3
Kapitel 6 · Antidementiva
Kontraindikationen 5 Überempfindlichkeit gegenüber Donepezil. 5 Relative Kontraindikationen: erhöhtes Risiko bei Ulzera und bei Pati-
enten mit vorbestehender Bradykardie. Asthma bronchiale. ! Verstärkung des Vagotonus bei Sick-sinus-Syndrom, Verschlechte-
rung eines Asthma bronchiale unter Donepezil möglich.
4
Interaktionen 5 Pharmakokinetische Interaktionen wurden bislang nur mit Paroxe-
5
tin beschrieben; andere können jedoch nicht ausgeschlossen werden (7 Kap. 16). Pharmakodynamische Interaktionen mit Cholinomimetika, β-Rezeptorenblockern und depolarisierenden Muskelrelaxanzien wie Succinylcholin (in der Anästhesie); in seltenen Fällen Verstärkung von EPS bei Gabe von Antipsychotika.
6 7
Bewertung
8 9
Erfüllt die Kriterien zum Wirksamkeitsnachweis bei DAT aller Schweregrade, ist aber nur bei leichter bis mittelschwerer DAT zugelassen; verhindert Symptomprogredienz hinsichtlich kognitiver Leistungsfähigkeit bis zu einem Jahr. Verbesserung der BPSD.
10 Galantamin
11 12 13 14 15
Antidementivum
Azetylcholinesterasehemmer Reminyl (Janssen-Cilag) Tbl. 4 mg (56 Tbl.) 8, 12 mg (56, 112 Tbl.) Lsg. 4 mg=1 ml (100 ml)
Pharmakodynamik 5 Reversibler Azetylcholinesterasehemmer. Bedeutung der zusätzlichen
Butyrylcholinesterasehemmung noch unklar. 5 Allosterischer Modulator präsynaptischer nikotinischer Azetylcholin-
16
rezeptoren mit Erhöhung der Rezeptoraffinität für Azetylcholin (insbesondere M2- und M4-Rezeptorsubtyp).
17
Pharmakokinetik 5 Tmax=1 h; t½=7,5 h; Bioverfügbarkeit ca. 88%; Plasmaproteinbindung
18%. Steady state nach 2–3 Tagen.
6.6 · Präparate
365
6
5 N- und O-Demethylierung durch CYP 2D6 und 3A4 (Norgalantamin,
O-Desmethyl-Galantamin, O-Desmethyl-Norgalantamin und Glukuronidierung). 94% renale Ausscheidung. 5 Plasmakonzentration: 30–100 ng/ml(p). Indikationen und Behandlungshinweise 5 Leichte bis mittelschwere Demenz bei Alzheimer-Krankheit (DAT)z. 5 Für die Wirksamkeit bei VD, Mischformen und DLB und Parkinson-
Demenz gibt es Hinweise. 5 Keine klinisch signifikanten Veränderungen des EKG und der Routine-
laborparameter. Wegen möglicher Bradykardie sollte die Herzfrequenz zu Beginn der Therapie regelmäßig kontrolliert werden. 5 Absicherung der Diagnose durch einen in der Behandlung von Demenzen erfahrenen Arzt. Dosierung 5 Beginn mit 4 mg 2-mal/Tag (vorzugsweise morgens und abends zum
Essen). Langsame Dosissteigerung um 8 mg alle 4 Wochen bis auf 16– 24 mg/Tag. Absetzen, falls keine Besserung oder keine merklich verringerte Progredienz nach 3–6 Monaten. Nebenwirkungen 5 Anfängliche cholinerge Begleiteffekte: Übelkeit, Erbrechen, Anorexie,
Diarrhö, Dyspepsie. Bradykardie. 5 Selten: Stürze, Verletzungen; Insomnie; Harnwegsinfektionen; Er-
schöpfung, Schwindel, Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Somnolenz und Gewichtsabnahme. Gelegentlich: Tremor. Kontraindikationen 5 Überempfindlichkeit gegen das Präparat selbst oder sonstige Bestand-
teile des Arzneimittels. 5 Schwere Leber- und Niereninsuffizienz. Bei mittelschwerer Leberinsuf-
fizienz können maximal 16 mg/Tag, langsam aufdosiert, gegeben werden. 5 Relative Kontraindikationen: Bradykarde Herzrhythmusstörungen. Asthma bronchiale. Interaktionen 5 Pharmakodynamisch: Interaktionen mit anderen Cholinergika im Sin-
ne einer Zunahme der unerwünschten Wirkungen. 5 Pharmakokinetisch: Interaktionen mit Inhibitoren des CYP 2D6 wie
Paroxetin oder CYP 3A4 Ketoconazol oder Erythromycin gehen mit er-
366
1 2 3 4 5
Kapitel 6 · Antidementiva
höhten Galantamin-Serumkonzentrationen einher (7 Kap. 16). Daher ist bei diesen Komedikationen besondere Vorsicht geboten. Verzögerte, aber nicht verringerte Absorption durch gleichzeitige Nahrungsaufnahme. Diese ist aber günstig, weil sie cholinomimetische Nebenwirkungen reduziert. Bewertung
Erfüllt die Kriterien zum Wirksamkeitsnachweis bei leichter bis mittelschwerer DAT. Verhindert Symptomprogredienz um mindestens 1 Jahr. Verbesserung der BPSD. Es ist noch nicht gesichert, ob die zusätzliche Modulation der Nikotinrezeptoren auch klinisch das Lernen und Erinnerungsvermögen verbessert. Auch als Lösung erhältlich.
6 7 8 9
Ginkgo biloba Alz 40 mg (Curamed)
Antidementivum Ginkgobil ratiopharm (ratiopharm)
Dougink 3000 (Duopharm) Ginkgodilat (Azupharma) Gincuran (Bioplanta) Ginkokan (Farmasan)
10
Gingiloba (1A Pharma) Ginkopur (Spitzner) Gingium (Biocur)
11
Isoginkgo (Merck dura) Gingobeta (betapharm) Kaveri (Lichtwer)
12
Gingopret (Bionorica)
13
Ginkgo 40 von ct (ct-Arzneimittel)
Rökan (Spitzner) SE Ginkgo (Spitzner) Gingko-Isis (Alphama Isis) Tebonin (Schwabe)
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Ginkgo Stada (Stada)
15
Dosierung
16 17
Die Dosierung hängt von der Art des Präparates ab. Da die Präparate in ihrer genauen Zusammensetzung sehr unterschiedlich sind, gleichzeitig aber unklar ist, welche Einzelsubstanz der Ginkgoflavonglykoside und Terpinoide für die Wirkung verantwortlich ist, wurde auf die genaue Präparatecharakterisierung an dieser Stelle verzichtet. Das Extrakt aus Ginkgo biloba wird »Egb 761« genannt, seine über 60 Bestandteile sind zu ca. 95% bekannt, Dosierung zwischen 120 und 240 mg/Tag.
6.6 · Präparate
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6
Bewertung
Aufgrund des fehlenden Wirksamkeitsnachweises ist die Verordnung von Gingko biloba als Antidementivum(z) nicht zu empfehlen. Die Wirksamkeit in der Primärprävention wird diskutiert. ! Unter Gingko-biloba-Extrakten kann es in Kombination mit Gerinnungs-
hemmern zu Blutungen kommen; eine gezielte Gerinnungsanamnese erscheint sinnvoll.
Memantine
Antidementivum
N-Methyl-D-Aspartat-(NMDA-) Rezeptoragonist Axura (Merz Pharmaceutics) Tbl. 10 mg (50, 100 Tbl.) Trpf. 10 mg (50, 100 ml Trpf.)
Ebixa (Lundbeck) Tbl. 10 mg (50, 100 Tbl.)
Pharmakodynamik
Spannungsabhängiger, nicht kompetitiver NMDA-Rezeptor-Antagonist niedriger Affinität. Memantine blockiert die Wirkung pathologisch erhöhter tonischer Konzentrationen von Glutamat, die zu neuronalen Funktionsstörungen führen können. Pharmakokinetik 5 Tmax=3–8 h; absolute Bioverfügbarkeit von ca. 100%; Plasmaprotein-
bindung ca. 45%; t½=60–100h.
5 Kein durch Cytochrom P450 katalysierter Metabolismus. Hauptmeta-
bolite (N-3,5-Dimethyl-Gludantan und 1-Nitroso-3,5-Dimethyl-Adamantan) ohne NMDA-antagonistische Wirkung. 5 Elimination fast ausschließlich renal (>99%), bei mittelschweren Nierenfunktionsstörungen Reduzierung der Dosis erforderlich. Indikationen und Behandlungshinweise 5 Mittelschwere bis schwere Demenz bei Alzheimer-Krankheit (DAT)z;
wahrscheinlich auch bei leichter DAT wirksam. Eine Studie zeigt einen zusätzlichen Nutzen von Memantine als »Add-on«-Medikament bei mit Donepezil vorbehandelter leichter bis mittelschwerer DAT. 5 Für die Wirksamkeit bei VD gibt es Hinweise. 5 Absicherung der Diagnose durch einen in der Behandlung von Demenzen erfahrenen Arzt.
368
1
Kapitel 6 · Antidementiva
Dosierung 5 Therapiebeginn durch wöchentliche Steigerung um 5 mg/Tag, ab der
4. Woche mit der Erhaltungsdosis von 20 mg/Tag.
2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Nebenwirkungen 5 Insgesamt gering. 5 Häufiger (≤ 2%): Halluzinationen, Verwirrtheitszustände, Schwindel,
Kopfschmerzen, Müdigkeit. Kontraindikationen 5 Überempfindlichkeit gegen den arzneilich wirksamen oder einen der
sonstigen Bestandteile. 5 Krampfanfälle. ! Bei Patienten mit mittelschweren Nierenfunktionsstörungen muss die
Dosis auf 10 mg/Tag reduziert werden; für schwere Nierenfunktionsstörungen sind keine Angaben verfügbar. Interaktionen 5 Dopaminerge Substanzen und Anticholinergika (möglicherweise
Wirkverstärkung), Barbiturate und Antipsychotika (Wirkabschwächung), Dantrolen und Baclofen (Änderung der Wirkung), ggf. Dosisanpassung erforderlich. 5 Amantadin und Arzneimittel wie Cimetidin, Ranitidin, Procainamid, die das gleiche renale Kationentransportsystem benutzen (potenzielle Erhöhung der Plasmaspiegel). 5 Hydrochlorothiazid (verringerte Ausscheidung von Hydrochlorothiazid). Bewertung
13 14
Memantine erfüllt die Kriterien zum Wirksamkeitsnachweis bei mittelschwerer bis schwerer DAT. Frühere Studien zeigten auch bei leichten bis mittelschweren Demenzen unterschiedlicher Ätiologie Therapieerfolge. Zur Wirksamkeit bei VD gibt es Hinweise.
15 16 17
Nootropikum
Nicergolin Nicergobeta (betapharm)
Nicergolin-ratiopharm (ratiopharm)
nicergolin von ct (ct-Arzneimittel) Nicerium uno (Hexal) Nicergolin-neuraxpharm (neuraxpharm)
Sermion (Pfizer)
6.6 · Präparate
369
6
Dosierung 5 20–60 mg/Tag, bei Besserungstendenz Reduktion auf die Zieldosis von
15–20 mg/Tag. Falls Serumkreatinin >2 mg/dl, einschleichender Beginn mit 5–10 mg/Tag auf 2–3 Einnahmezeitpunkte verteilt. Parenterale Gabe möglich. Bewertung
Kein überzeugender Wirksamkeitsnachweis als Antidementivum(z). Nur bei VD Mittel der zweiten Wahl (. Abb. 6.1). Nootropikum
Nimodipin Nimodipin HEXAL (Hexal) Tbl. 30 mg (30, 60, 120 Tbl.)
Nimotop (Bayer Vital) Tbl. 30 mg (30, 60, 100 Tbl.)
Dosierung 5 Standarddosierung für psychiatrische Indikationen 3-mal 30 mg/Tag;
einschleichender Beginn. Bewertung
Kein überzeugender Wirksamkeitsnachweis als Antidementivum(z). Nur bei VD Mittel der zweiten Wahl (. Abb. 6.1). Nootropikum
Piracetam Avigilen (Riemser)
Piracetam AbZ (AbZ-Pharma)
Cerepar N (Merckle)
Piracetam AL (Aliud Pharma)
Cuxabrain (TAD)
Piracetam-ELBE-MED (Schöning Berlin)
Nootrop (UCB ) Normabrain (UCB)
Piracetam-neuraxpharm (neuraxpharm)
Piracebral (Hexal/NeuroHexal)
Piracetam-ratiopharm (ratiopharm)
piracetam von ct (ct-Arzneimittel)
Piracetam RPh (Rodleben)
Piracetam 800 Verla (Verla)
Piracetam Sandoz (Sandoz)
370
1
Kapitel 6 · Antidementiva
Piracetam Stada (Stada)
Sinapsan (Rodleben/Vedim)
Piracetrop 1200 (Holsten Pharma)
2 3 4
Dosierung 5 Beginn mit 3-mal 800 mg/Tag oral. Höchstdosis 4,8 g/Tag. Bei leichter
Niereninsuffizienz (Serumkreatinin bis 3 mg/dl) Dosishalbierung, bei schwerer (Serumkreatinin >3 mg/dl) Viertelung der Dosis. Bewertung
5 6 7 8 9 10 11 12
Aufgrund des fehlenden Wirksamkeitsnachweises ist Piracetam als Antidementivum(z) nicht zu empfehlen. Es gibt allerdings außerhalb der psychiatrischen Pharmakopsychiatrie eine Indikation bei postanoxischen hirnorganischen Syndromen; bei Myoklonien unterschiedlicher Genese ist es auch in i. v.-Dosen bis zu 16 g/Tag wirksam.
Pyritinol
Nootropikum
Encephabol (Merck) Drg. 100 mg, 200 mg (Encephabol-forte 200) (50, 100 Drg.)
Dosierung 5 Empfohlene Dosis 3-mal 200 mg/Tag oral. Parenterale Applikation mög-
lich. Bewertung
13
Aufgrund des fehlenden Wirksamkeitsnachweises ist Pyritinol als Antidementivum(z) nicht zu empfehlen.
14 15 16 17
Rivastigmin
Azetylcholinesterasehemmer Exelon (Novartis Pharma) Kps. 1,5, 3,0, 4,5, 6 mg (28, 56, 112 Kps.) Lsg. 2 mg=1 ml (120 ml)
Antidementivum
6.6 · Präparate
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6
Pharmakodynamik 5 »Pseudoirreversibler« Azetylcholinesterasehemmer mit hirnregiona-
ler Selektivität (Kortex und Hippocampus). Bedeutung der Butyrylcholinesterasehemmung noch unklar. Trotz kurzer Plasmahalbwertszeit (1 h) wird die Acetylcholinesterase über einen Zeitraum von etwa 9 h gehemmt. Pharmakokinetik 5 Tmax=1 h; t½=0,6–2 h; Bioverfügbarkeit ca. 36%; Wirkdauer im Gehirn
ca. 10 h. 5 Metabolisierung durch die Azetylcholinesterase. Das Enzym wird car-
bamyliert und mit einer t½ von mehreren Stunden wieder hydrolysiert, so dass es ohne Neusynthese regeneriert (»pseudoirreversible« Hemmung). Der decarbamylierte Metabolit des Rivastigmins wird schnell und fast vollständig über die Niere ausgeschieden (95% innerhalb von 24 h). 5 Nahezu keine Beteiligung des CYP-Systems. Indikationen und Behandlungshinweise 5 Leichte bis mittelschwere Demenz bei Alzheimer-Krankheit (DAT)z. 5 Für die Wirksamkeit bei VD und DLB gibt es Hinweise. 5 Keine klinisch signifikanten Veränderungen der Routine-Laborpara-
meter. 5 Absicherung der Diagnose durch einen in der Behandlung von Demen-
zen erfahrenen Arzt. Dosierung
Beginn mit 1,5 mg 2-mal/Tag. Dosissteigerung alle 2 Wochen bis auf 6– 12 mg/Tag. Absetzen, falls keine Besserung – keine merklich verringerte Progredienz nach 3–6 Monaten. Nebenwirkungen 5 Anfängliche cholinerge Begleiteffekte: Übelkeit/Erbrechen, Diarrhö;
Dyspepsie; Schwindel. In Einzelfällen QTc-Verlängerung, Bradykardie. 5 Asthenie und Anorexie. Selten Harnverhalt. 5 Häufiger zentrale Nebenwirkungen als unter Donezepil und Galanta-
min. Kontraindikationen 5 Überempfindlichkeit gegen das Präparat oder sonstige Bestandteile des
Arzneimittels. 5 Leberinsuffizienz.
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1 2 3
Kapitel 6 · Antidementiva
5 Relative Kontraindikationen: erhöhtes Risiko bei Ulzera und bei Pati-
enten mit vorbestehender Bradykardie. Asthma bronchiale. ! Vorsicht bei Bradykardie, Reiz- bzw. Erregungsleitungsstörungen,
aber auch bei Nierenfunktionsstörung (Clearence von Rivastigmin um bis zu 50% vermindert).
4
Interaktionen 5 Bislang sind keine pharmakokinetischen Interaktionen bekannt. Phar-
5
makodynamisch Interaktionen mit Cholinomimetika (cholinerge Krise theoretisch möglich), Verstärkung antipsychotikainduzierter EPS.
6
! Keine Verordnung anderer QTc-verlängernder Substanzen.
Bewertung
7 8 9
Erfüllt die Kriterien zum Wirksamkeitsnachweis bei leichter bis mittelschwerer DAT; verhindert Progredienz um 2 Jahre. Verbesserung der BSPD. Vorteil gegenüber Donepezil: kurze HWZ (vor Operationen wichtig). Nachteil: keine Einmalgabe möglich; häufiger Übelkeit und Erbrechen, verminderte renale Clearance bei mehr als der Hälfte der gerontopsychiatrischen Patienten. Auch als Lösung erhältlich.
10 α-Tocopherol (Vitamin E)
Antioxidans
11 Additiva Vitamin E 300 (Scheffler)
E-Vitamin-ratiopharm (ratiopharm)
12
Antioxidans E-Hevert (Hevert)
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iosan E 400 (Biocur)
14
Cernevit Trockensubstanz (Lyophilisat) (Komb) (Baxter)
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Deltalipid LCT 10%/-20% (Delta Select)
Eplonat (Infirmarius Rovit)
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Detulin 400 (Woelm Pharma)
E-Tonil (APS)
Doppelherz Vitamin E (Queisser Pharma)
Eusovit 300/600 (Strathmann)
E-Vicotrat (Heyl)
Evion 100 (Merck)
E Vitamin E (medphano)
Flexal Vitamin E (Biocur)
Elex Verla E (Verla)
17
Embial 600 (Merck Produkte) Ephynal vital (Roche Consumer Health)
6.6 · Präparate
Florafit (Duopharm)
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6
Vitamin E AL (ALIUD PHARMA)
Malton E (RIEMSER) Mowivit Vitamin E 600 (Rodisma-Med) Optovit (Hermes)
Vitamin E – mp 100 (medphano) Vitamin-E-Natur-Kapseln (Twardy)
Pexan E 200/600 (Wörwag) Puncto E400 (Grünwalder) SanavitanS (Böttger)
Vitamin-E-300-Kapseln (Twardy) Vitamin E Sanum (SanumKehlbeck)
Spondyvit (ICN) Vitamin E (Wiedemann) Tocorell Vit. E (Sanorell) Vitamin-E-300 (Twardy) Tocovital (Steigerwald) Vitazell E 600 (Köhler-Pharma) Vitalipid Infant/-Adult (Baxter) Dosierung 5 In der »antidementiven« Indikation scheinen nur hohe Dosen von ca.
2000 IE bzw. 500 mg/Tag wirksam zu sein. Überdosierungen sind nicht bekannt; es besteht allerdings das Risiko einer verstärkten Blutungsneigung. Um dennoch eine Dosiseinsparung zu erreichen, kann zur besseren Passage der Blut-Hirn-Schranke Vitamin C (500 mg) hinzugegeben werden, worunter nur 100–300 mg/Tag Vitamin E eingenommen werden müssen. Bewertung
Weiterhin keine hinreichende Evidenz für eine Wirksamkeit als Antidementivum (auch keine Zulassung); bisher nur Mittel der zweiten Wahl bei VD (. Abb. 6.1). Die Demenzprophylaxe mit hohen Dosen wird diskutiert; allerdings scheint die Zufuhr über eine Vitamin-E-reiche Nahrung (z. B. grünes Gemüse, pflanzliches Fett, Nüsse) sinnvoller zu sein. Die relative Risikoreduktion für DAT betrug in einer Studie 12% (allerdings fand sich nur bei Rauchern ein Effekt). Neben der Blutungsneigung muss vor dem Hintergrund der unklaren Studienergebnisse die Sturzneigung bei einer Verordnung berücksichtigt werden.
7 Medikamente zur Behandlung von Abhängigkeit und Entzugssyndromen 7.1
Übersicht
In diesem Kapitel werden die Suchtmittel mit ihren Substanzcharakteristika, Entzugssyndromen, Entwöhnungsmaßnahmen und ihrer Intoxikationssymptomatik bzw. -therapie im Hinblick auf die verschiedenen spezifischen klinischen Syndrome der Suchtkrankheiten abgehandelt (. Tabelle 7.1). Die Gliederung erfolgt nicht nach Medikamentengruppen, vielmehr geben die Suchtmittel die Gliederung vor. Es werden folgende Definitionen benutzt: Definitionen Abhängigkeit
Periodische oder chronische Einnahme einer psychotropen Substanz, durch die der Abhängige und/oder die Gemeinschaft geschädigt werden. Charakteristisch sind übermächtiges Verlangen nach der Substanz mit Kontrollverlust, körperliche Entzugserscheinungen (Entzugssyndrom bei sistierendem Konsum), Toleranzentwicklung (Dosissteigerung oder Wirkungsverlust), Konsum trotz nachweislicher Schädigung. Unterschieden werden: 5 Körperliche Abhängigkeit: Toleranzentwicklung, substanzspezifisches Entzugssyndrom. 5 Psychische Abhängigkeit: ständiges, zwanghaftes Beschäftigtsein mit dem Drogenkonsum bzw. der Sicherung der Versorgung mit der Droge; hohes Rückfallrisiko nach durchgeführtem Entzug. Missbrauch/schädlicher Gebrauch
Kriterien für Abhängigkeit werden nicht erfüllt, jedoch besteht Konsum trotz des Wissens um ein ständiges oder wiederholtes soziales, psychisches oder körperliches Problem, das durch den Gebrauch der Substanz
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Kapitel 7 · Medikamente zur Behandlung von Abhängigkeit…
1
verursacht oder verstärkt wird, bzw. in Situationen, in denen ihr Gebrauch eine körperliche Gefährdung darstellt.
2
Riskanter Konsum
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Die Kriterien für Missbrauch oder Abhängigkeit werden nicht erfüllt, die Substanz wird jedoch übermäßig konsumiert. Bei einem riskanten Substanzkonsum besteht ein erhöhtes Risiko zur Entwicklung eines Missbrauchs oder einer Abhängigkeit. Nach Ansicht der WHO und der Deutschen Hauptstelle gegen Suchtgefahren kann von einem riskanten Alkoholkonsum kann ausgegangen werden, wenn eine Frau täglich >20 g reinen Alkohols, ein Mann täglich >30 g reinen Alkohols konsumiert. Polytoxikomanie
Wiederholter Konsum psychotroper Substanzen aus wenigstens 3 Substanzkategorien über einen Zeitraum von 6 Monaten, ohne dass eine psychotrope Substanz dominierte. Therapiephasen der Abhängigkeit und Sucht
Vier Therapiephasen der Abhängigkeit und Sucht werden unterschieden: 5 Motivation: Beratung und Motivation zur Durchführung weitergehender Therapiemaßnahmen, wie z. B. einer Entgiftungs- und Entwöhnungsbehandlung, primär hausärztliche Tätigkeit im Rahmen mehrerer Kurzinterventionen. 5 Entgiftung: symptomatische und protektive medikamentöse Behandlung des (körperlichen) Entzugssyndroms bis zu dessen Beendigung. Unter qualifizierter Entgiftung versteht man die zusätzliche Anwendung psychotherapeutischer, insbesondere motivationsfördernder Maßnahmen. Die Entgiftungsbehandlung wird im Regelfall unter stationären Bedingungen durchgeführt, für geeignete Patienten (muss bekannt und absprachefähig sein, kein Entzugskrampfanfall oder Delir in der Vorgeschichte, keine relevanten Alkoholfolgeerkrankungen) kommt auch eine ambulante Entgiftungsbehandlung in Frage. 5 Entwöhnung: psycho- und soziotherapeutische sowie rehabilitative Maßnahmen zur Behandlung insbesondere der psychischen Abhängigkeit (z. B. stationäre oder ambulante Kurz- oder Langzeittherapie mit unterschiedlichem Behandlungsansatz, insbesondere verhaltenstherapeutische Interventionsstrategien), unterstützend eventuell medikamentöse Rückfallprophylaxe bzw. Substitution (. Tabelle 7.1). 5 Nachsorge: ggf. stufenweise soziale und berufliche Wiedereingliederung, Neustrukturierung des sozialen Umfelds, Teilnahme an Selbsthilfegruppen.
377
7.1 · Übersicht
. Tabelle 7.1. Übersicht über die Pharmakotherapie von Abhängigkeitserkrankungen (s. entsprechendes Präparat oder Kapitel) Suchtmittel
Medikation bei Entgiftung
Medikation bei Entwöhnung
Medikation bei Intoxikation bzw. Antidot
Alkohol
Clomethiazol, Benzodiazepine, Clonidin, Carbamazepin, Antipsychotika
Acamprosat ggf. Disulfiram
Antipsychotika (z. B. Haloperidol)
Benzodiazepine
–
–
Flumazenil (Antidot) (7 Kap. 17, mit Einschränkungen 7 Kap. 17.5)
Opiate (z. B.Codein, Heroin, Methadon)
Clonidin, Benzodiazepine
Naltrexon, ggf. Substitution mit Methadon, Levomethadon, Buprenorphin
Naloxon (Antidot) (7 Kap. 17.6.1)
Kokain, Amphetamine, »synthetische Drogen« (»Ecstacy«, MDMA, MDA)
Benzodiazepine
Antidepressiva
Benzodiazepine, Antipsychotika, ggf. Ca-Antagonist
Psychomimetika (LSD, Meskalin, Psilocybin u. a.)
–
–
Benzodiazepine, Antipsychotika
Cannabis
–
–
Benzodiazepine, Antipsychotika
Nikotin
Nikotinpflaster
Bupropion
–
7
378
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
Kapitel 7 · Medikamente zur Behandlung von Abhängigkeit…
7.2
Suchtmittel
7.2.1
Alkohol (Ethanol)
Substanzcharakteristika
Ethanol entfaltet eine Vielzahl von Wirkungen im ZNS. Bekannt sind u. a.: 5 Interaktion mit rezeptorgekoppelten Ionenkanälen: GABAA-Benzodiazepinrezeptorkomplex, 5-HT3-Rezeptor (stimulatorisch); NMDA-Rezeptorkomplex (inhibitorisch). 5 Interaktion mit G-Protein-gekoppelten Rezeptoren: z. B. Dopamin-, Opioid-, 5-HT1A-Rezeptor(en). 5 Erhöhte Aktivität von CYP 2E1. Alkoholintoxikation 5 Akute Alkoholintoxikation (bei schwerer Ausprägung internistische
Notfallsituation): – Enthemmung, Rededrang, Euphorisierung, bei schwerer Intoxikation auch aggressives fremd- oder eigengefährdendes Verhalten, seltener Angst oder depressive Stimmung. – Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen, Desorientiertheit, Bewusstseinsstörungen. – Stand- und Gangunsicherheit: Nystagmus, Ataxie, Dysarthrie, Schwindel. 5 Leichte und mittelschwere Alkoholintoxikationen stellen in der Regel keine Indikation für pharmakotherapeutische Interventionen dar. Zur Behandlung fremd- oder selbstgefährdender Erregungszustände kann Haloperidol in einer Dosierung von 5–10 mg (oral, i.v., i.m.) eingesetzt werden. Der Einsatz von Benzodiazepinen ist wegen synergistischer Effekte am GABAA-Rezeptorkomplex kontraindiziert. Alkoholentzugssyndrom 5 Es wird v. a. eine sympathoadrenerge Hyperaktivität durch Disinhibiti-
on des noradrenergen Locus coeruleus postuliert. Wichtig scheint auch der plötzliche Wegfall inhibierender (GABAerger) Einflüsse, wodurch exzitatorische Einflüsse (NMDA) überwiegen. 5 Symptomatik des unkomplizierten Alkoholentzugssyndroms: Blutdruckerhöhung, Tachykardie, Hyperhidrose, Tremor, Ängste, psychomotorische Unruhe, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö in unterschiedlicher Ausprägung. 5 Komplikation des Alkoholentzugssyndroms: Entwicklung eines Alkoholentzugsdelirs (Delirium tremens, s. u.) oder eines Grand-mal-Entzugskrampfanfalls, in seltenen Fällen eines Status epilepticus.
7.2 · Suchtmittel
379
7
Therapie 5 Clomethiazol (Mittel der ersten Wahl) ist in Deutschland für eine sta-
5
5
5
5
5
tionäre Entgiftungsbehandlung zugelassen. Clomethiazol vermindert sicher verschiedene Entzugssymptome wie Pulsanstieg, Blutdruckspitzen, Ängstlichkeit, psychomotorische Unruhe und besitzt eine delirverhütende und krampfanfallshemmende Wirkung. Aufgrund seiner kurzen Halbwertzeit ist es gut steuerbar und kann sowohl fest dosiert, als auch symptomorientiert verabreicht werden. Clomethiazol ist nicht für eine ambulante Anwendung geeignet. Dosierung: s. Präparat. Benzodiazepine (Kap. 4) sind eine gleichwertige Alternative zu Clomethiazol. Zum Einsatz kommen in erster Linie Benzodiazepine mit einer langen Halbwertszeit wie z. B. Diazepam oder Chlordiazepoxid; die Kumulationsgefahr ist zu beachten. Benzodiazepine können sowohl fest- als auch symptomorientiert gegeben werden. Im Gegensatz zu Clomethiazol können sie auch parenteral verabreicht werden (z. B. Diazepam und Lorazepam). Sie sind aber in Deutschland nicht in dieser Indikation zugelassen; in den USA sind sie Mittel der ersten Wahl. Dosierung: nach Entzugsschwere; orientierend: Diazepam 40–80 mg in den ersten 24 h, über 3 Tage absetzen; in Einzelfällen auch deutlich höhere Dosen. Carbamazepin (7 Kap. 2, Präparat) hatte in einer Reihe von Untersuchungen an ambulanten Patienten eine gegenüber Benzodiazepinen und Clomethiazol gleichwertige Wirkung auf leichte bis mittelschwere Alkoholentzugsymptome. Es ist aber nur zur Anfallsprophylaxe im Alkoholentzug sinnvoll und zugelassen. Ausreichende kontrollierte klinische Untersuchungen an Patienten mit schwersten Alkoholentzugssymptomen sind bisher nicht im notwendigen Umfang durchgeführt worden, so dass die klinische Evidenz bezüglich einer eindeutig delirverhütenden Eigenschaft offen bleibt. Dosierung: 600–800 mg in den ersten beiden Tagen, über 5 Tage absetzen. Tiaprid: Eine Wirksamkeit des selektiven D2-Antagonisten scheint nach den Befunden älterer offener klinischer Studien bei der Behandlung leichterer vegetativer Entzugssyndrome zu bestehen. Im direkten Vergleich zu Chlordiazepoxid war Tiaprid jedoch signifikant weniger wirksam. Dosierung: 3×100–200 mg/Tag, über 5–6 Tage ausschleichen. Carbamazepin plus Tiaprid: In mehreren kleinen offenen Therapiestudien stellte die Kombinationsbehandlung auch an stationären Patienten eine Clomethiazol oder Diazepam vergleichbar wirksame Entgiftungsbehandlung dar. Ergebnisse von doppelblinden Untersuchungen liegen nicht vor. Dosierung entsprechend Monotherapie (s.o.). Doxepin besitzt eine (Alt)-Zulassung zur Behandlung leichter Entzugssyndrome, die Datenlage ist unklar, es handelt sich um eine Therapie
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Kapitel 7 · Medikamente zur Behandlung von Abhängigkeit…
zweiter Wahl. Dosierung: 3–6×50 mg/Tag über 3 Tage, dann schrittweise Reduktion. 5 Supplementäre Therapien im Alkoholentzug: – Wernicke-Enzephalopathie-Prophylaxe: täglich 100 mg Vitamin B1 oral. – Chronische Alkoholeinnahme erhöht dosisabhängig den Spiegel der exzitatorischen Aminosäure Homozystein. Die auch im Alkoholentzug noch über Tage vorhandene Hyperhomozysteinämie potenziert möglicherweise die über NMDA Rezeptoren vermittelte glutamaterge Neurotransmission; die Behandlung besteht in einer Kombinationstherapie von Vitamin B6, Vitamin B12 und Folsäure (z. B. Medyn®). – Clonidin als Komedikation bei hypertoner bzw. tachykarder HerzKreislauf-Situation im Alkoholentzug; Clonidin hat aber keine antikonvulsiven oder delirverhütenden Eigenschaften. – Elektrolytsubstitution, insbesondere Kalium und Magnesium. – Stressulkusprophylaxe z. B. mit Ranitidin (Ranitic®) oder Pantoprazol (Pantozol®). Alkoholentzugsdelir (Delirium tremens)
Das Alkoholentzugsdelir kann sich als eine akute organische Psychose primär oder aus einem Entzugssyndrom heraus entwickeln. Klinisch ist das Alkoholentzugsdelir am gleichzeitigen Vorliegen eines Alkoholentzugssyndroms und eines deliranten Syndroms u. a. mit einer tiefgreifenden Orientierungsstörung, psychomotorischer Unruhe, Auffassungsstörungen, Wahrnehmungsstörungen, optischen Halluzinationen und einer Umkehr des Tag/Nacht-Rhythmus erkennbar. Unbehandelt endet es in einem Drittel der Fälle letal. Die Behandlung besteht aus einer Alkoholentgiftungsbehandlung nach den oben beschriebenen Richtlinien beim Alkoholentzugssyndrom und einer symptomorientierten Delirbehandlung. Die bisherigen Therapieempfehlungen beruhen nur auf Fallberichten, haben sich aber in der Klinik seit Jahrzehnten bewährt. Therapie 5 Clomethiazol, ggf. in Kombination mit einem Antipsychotikum, ist das
Mittel der ersten Wahl beim Delirium tremens. Clomethiazol wird entsprechend der Vorgabe beim Alkoholentzugssyndrom verordnet (s. o.). Dosierung: s. Präparat. Als Antipsychotikum wird i. d. R. Haloperidol (5–10 mg/Tag) gewählt; es gibt Hinweise, dass auch Risperidon (Dosis: 0,5–3 mg/Tag) ähnlich effektiv ist. Das Antipsychotikum wird bei Vorliegen entsprechender Zielsymptome (z. B. Halluzinationen, psychomotorischer Erregung) eingesetzt. Die Antipsychotika sollten nach Abklingen der halluzinatorischen Symptome rasch abgesetzt werden.
7.2 · Suchtmittel
381
7
5 Eine Alternative ist die Kombination von einem Benzodiazepin und ei-
nem Antipsychotikum (wie beim Alkoholentzugssyndrom, s. o.). Alkoholfolgekrankheiten Alkoholhalluzinose 5 Symptomatik: akustische Halluzinationen (dialogisierende, beschimp-
fende Stimmen), Angst, Verfolgungswahn. 5 Therapie: bevorzugt hochpotente Antipsychotika, z. B. Haloperidol (5–
10 mg/Tag); alternativ Risperidon (2–6 mg/Tag), bei Remission ist die antipsychotische Pharmakotherapie zu beenden. Eifersuchtswahn 5 Symptomatik: wahnhafte Überzeugungen, vom Geschlechtspartner be-
trogen zu werden; fast ausschließlich bei Männern. 5 Therapie: hochpotente Antipsychotika (z. B. Haloperidol 5–10 mg/Tag),
atypische Antipsychotika sind bisher nicht ausreichend untersucht worden. Insgesamt scheint aber der alkoholbedingte Eifersuchtswahn schlechter als der Wahn bei schizophrenen Störungen auf eine antipsychotische Behandlung anzusprechen. Wernicke-Korsakow-Syndrom 5 Symptomatik: Verwirrtheit bis zur Desorientierung, Vigilanzschwan-
kungen, Augenmuskelparesen, Ataxie (Wernicke-Enzephalopathie) bzw. Desorientiertheit, mnestische Störungen und Konfabulationen (Korsakow-Syndrom). 5 Therapie: hoch dosiert Thiamin (Vitamin B1), z. B. 3–4×100 mg/Tag i.m. oder langsam i.v. ! Anaphylaktische Zwischenfälle unter Thiamin. Der Thiaminbedarf ist
bei gleichzeitiger Applikation glukosehaltiger Infusionen erhöht. Hepatische Enzephalopathie 5 Symptomatik: delirantes Syndrom unterschiedlicher Schwere mit Be-
wusstseinsstörungen bis hin zu Stupor und Koma; erhöhte Serumammoniakspiegel; psychomotorische Unruhe (jedoch auch stuporöse Zustandsbilder); zusätzlich »flapping tremor« der ausgestreckten Hände; bei schwerer Ausprägung Intensivüberwachung notwendig. 5 Therapie: – Leichtgradige bis mittelschwere hepatische Enzephalopathie: 1. Ausschluss einer gastrointestinalen Blutung oder Infektion, 2. Reduktion der Eiweißzufuhr auf 1–1,5 g/kg KG/Tag, 3. Beschleunigung der
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Kapitel 7 · Medikamente zur Behandlung von Abhängigkeit…
Darmentleerung durch 10–30 ml Lactulose 1–4×/Tag, es sollten 2 weiche Stühle pro Tag angestrebt werden, 4. L-Ornithin-L-Aspartat (LOLA, HEPA Merz®) 3×3–6 g/Tag p.o., 5. Bei Proteinintoleranz Proteinrestriktion auf 0,5–1 g/kg KG/Tag, zusätzlich verzweigtkettige Aminosäuren 0,25 g/kg KG/Tag p.o. – Höhergradige hepatische Enzephalopathie (Grad III—IV): Zusätzlich 1. Erhöhung der Lactulose-Dosis, 2. Strenge Einweißrestriktion auf 30 g pro Tag,3. Parenterale Ernährung, 4. LOLA i.v., 5. Darmsterilisation mit Neomycin, 6. Azidoseausgleich, 7. Flumazenil 1 mg als Therapieversuch bei klinisch relevanten Bewusstseinsstörungen Benzodiazepine meiden! Allgemeine Therapieprinzipien in der Rückfallprophylaxe der Alkoholabhängigkeit 5 Voraussetzung für die Vermeidung von Alkoholrückfällen ist die Be-
rücksichtigung neurobiologischer und psychosozialer Faktoren. Die Behandlung alkoholabhängiger Patienten sollte im Rahmen eines individuellen Gesamtbehandlungsplanes erfolgen. Dieser schließt pharmakologische, psychotherapeutische und sozialpsychiatrische Methoden ein. Gemeinsam mit dem Patienten wird ein konkret formuliertes Behandlungsziel erarbeitet. 5 Hauptziel in der Behandlung alkoholabhängiger Patienten ist das Erreichen der Abstinenz, das aber bei Bestehens eines hohen Schweregrades zugunsten eher erreichbarer Ziele, z. B. Verhinderung von Folgeschäden, aufgeweicht werden kann. Schon die Verlängerung der Abstinenzphasen kann dann zunächst ein Therapieziel sein. Hilfreich ist eine Orientierung am Stufenmodell der Veränderung, nach welcher der Betroffene einen Kreislauf von Vorahnungsphase (Motivationsarbeit), Entscheidungsphase (Planung der Behandlung/Entgiftung), Handlungsphase (Entgiftung), Abstinenzerhaltungsphase (Rückfallprophylaxe) und möglicherweise Abstinenzbeendigungsphase (Rückfall und erneute Motivationsarbeit) durchläuft. 5 Craving (unstillbares zwanghaftes Verlangen nach Alkohol) wird als Zeichen der psychischen Abhängigkeit mit erhöhter Auftrittswahrscheinlichkeit von Rückfällen angesehen. 5 Bei der Alkoholabhängigkeit besteht eine erhöhte Komorbidität mit anderen psychiatrischen Erkrankungen, besonders der Depression und Angststörungen. Mehr als 30% aller alkoholabhängigen Patienten leiden an einer behandlungsbedürftigen Depression; mehr als 10% aller alkoholabhängigen Patienten suizidieren sich im Verlauf ihres Lebens. Eine Antidepressivatherapie bei komorbiden Depression- oder Angststörungen senkt die Rückfallhäufigkeit. Ein großer Anteil von Alkohol-
7.2 · Suchtmittel
5 5
5 5
5
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7
abhängigen ist nikotinabhängig; auch diese Behandlung unterstützt die Alkoholabstinenzerhaltung. Die Entgiftung ist i. Allg. stationär als qualifizierter Entzug mit psychoedukativen Maßnahmen und Motivationsförderung vorzunehmen. Die Entwöhnungstherapie findet in anderen Ländern überwiegend ambulant, in Deutschland noch überwiegend stationär über 2–3 Monate statt. Weniger als 3% der Alkoholabhängigen unterzog sich im Jahr 2002 einer stationären Langzeitentwöhnung, weniger als 1% beendete ein vom Rentenversicherungsträger finanziertes strukturiertes ambulantes Entwöhnungsangebot. Die Entwöhnung ist wie auch die Entgiftung Bestandteil im Stufenmodell der Alkoholabhängigkeit, während sich die Rückfallprophylaxe im weiteren über die Phase der Aufrechterhaltung der Abstinenz erstreckt. Die aktive Teilnahme an Selbsthilfegruppen (z. B. Anonyme Alkoholiker mit einem strukturierten 12-Stufen-Programm) ist für viele Patienten in der Nachsorgephase zur Abstinenzerhaltung hilfreich. In den letzten 10 Jahren hat die medikamentöse Rückfallprophylaxe zunehmend ihre Wirksamkeit erwiesen, besonders von Acamprosat und Naltrexon. Wichtig ist die Anwendung kombinierter psychotherapeutischer und pharmakologischer Verfahren. Hinsichtlich der optimalen Behandlungsdauer in der Entwöhnungsphase liegen bislang allerdings keine prospektiven, randomisierten Studien vor. Mit vielen Einschränkungen wird derzeit auf der Basis von Metaanalysen am ehesten eine 4-wöchige stationäre Therapie für günstig gehalten. Es existieren bisher nur wenige empirische Daten über den Vergleich von Behandlungsprogrammen und -komponenten. Weiterhin ist zurzeit noch keine empirisch gesicherte Differenzialtherapie möglich.
Pharmakologische Ansätze zur Rückfallprophylaxe der Alkoholabhängigkeit ohne psychiatrische komorbide Störungen 5 Acamprosat als NMDA-Rezeptormodulator war in einer Reihe von
Doppelblindstudien einer Placebobehandlung überlegen und ist in der Rezidivprophylaxe der Alkoholabhängigkeit zugelassen. Es ist das Mittel der ersten Wahl. Da aber die Effektstärke im Vergleich zu anderen psychopharmakatherapeutischen Verfahren geringer ist, werden zunehmend Kombinationsbehandlungen angewandt (s. u.). 5 Naltrexon ist als µ-Opiatrezeptor-Antagonisten in den USA zur Rückfallprophylaxe zugelassen, in Deutschland/Europa noch nicht. Es liegen eine Reihe positiver und negativer placebokontrollierter Studien vor. Ein im Jahr 2002 veröffentlichtes Cochrane-Review sowie mehrere Metaanalysen geben eine positive Bewertung.
384
1 2
5 Disulfiram kann in speziellen Indikationen in der Rückfallprophylaxe
5
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5
5 5
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Kapitel 7 · Medikamente zur Behandlung von Abhängigkeit…
5
hilfreich sein und ist hierfür zugelassen; wegen der potenziell lebensbedrohlichen Komplikationen bei Trinkzwischenfällen stellt es jedoch keine Standardtherapie dar. Für Tiaprid (z. B. Tiapridex®) gibt es Hinweise, dass die Gabe von 3-mal 100 mg im Anschluss an die Entgiftung günstige Effekte auf die Entwöhnungsbehandlung hatte. Der 5-HT3-Rezeptorantagonist Ondansetron (z. B. Zofran®; 2×4 mg/ Tag) als Zusatztherapie bei kognitiver Verhaltenstherapie war in einer großen Doppelblindstudie bei Alkoholabhängigen mit frühem Beginn einer Placebobehandlung überlegen. Das Antiepileptikum Topiramat zeigte in einer Doppelblindstudie bei Alkoholabhängigen eine gegenüber Placebo überlegene Wirkung. Kombinationsbehandlungen mit Substanzen unterschiedlichen pharmakologischen Profils könnten eine Strategie zur Verbesserung des klinischen Effekts darstellen. Positive Berichte gibt es z. B. für die Kombination von Acamprosat und Disulfiram, von Naltrexon und Ondansetron oder von Acamprosat und Naltrexon. Die Behandlung mit SSRI bei Alkoholabhängigen ohne akut behandlungsbedürftige Depression kann nach zahlreichen doppelblinden, placebokontrollierten Studien nicht empfohlen werden.
10
7.2.2
11
Zur Intoxikation mit Benzodiazepinen 7 Kap. 17.5, zum Auftreten von Entzugssymptomen 7 Kap. 4.
12
7.2.3
Benzodiazepine
Opiate
13
Substanzcharakteristika 5 Zur Substanzgruppe der Opiate gehören Morphin und seine syntheti-
14
schen und halbsynthetischen Derivate. Wichtigster Vertreter ist das Heroin (Diazetylmorphin). 5 Opiate binden an spezifische Rezeptoren; bislang sind 4 unterschiedliche Rezeptortypen bekannt. Endogene Liganden sind z. B. Endorphine, Enkephaline und Dynorphine. 5 Den Opiaten gemeinsam sind euphorisierende, tranquilisierende und analgetische Wirkungen sowie eine Dämpfung des Atem- und Hustenzentrums, Obstipation, und ausgeprägte periphere parasympathomimetische Eigenschaften wie z. B. Miosis. 5 Durch Opiate kommt es zu einer starken physischen und psychischen Abhängigkeit.
15 16 17
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7.2 · Suchtmittel
7
5 Die Toleranzentwicklung bezüglich der verschiedenen Opiatwirkun-
gen vollzieht sich unterschiedlich rasch, es besteht eine Kreuztoleranz gegen Substanzen mit Hauptwirkort am gleichen Rezeptor. Intoxikation (7 Kap. 17) Entzugssyndrom und Entgiftungsbehandlung 5 Symptomatik: Das Opiatentzugssyndrom ist charakterisiert durch ei-
ne zentrale noradrenerge (Sympathikus-)Überaktivität (Noradrenalinsturm als Folge einer Enthemmung des pontinen Locus coeruleus), wobei eine Einteilung in Stadien nach Schweregrad erfolgt (. Tabelle 7.2). Ein Opiatentzugssyndrom tritt nach der letzten Einnahme von Heroin nach ca. 8 h, nach der letzten Einnahme von Methadon nach 24 h auf, erreicht nach 48 h das Maximum und klingt nach maximal 5–7 Tagen ab. In der Regel kommt es zwar subjektiv zu massiven Beeinträchtigungen durch Entzugssymptome, aber objektiv meist nicht zu vital bedrohlichen Symptomen (im Gegensatz zum Delirium tremens). 5 Therapie: Bei Entgiftungsbehandlung kommen nichtopiatgestützte und opiatgestützte Therapieverfahren zum Einsatz. Die nichtopiatgestützte Entgiftung wird im Regelfall mit Clonidin durchgeführt. Sie hemmt die zentrale noradrenerge Hyperaktivität und v. a. das körperliche Entzugssyndrom und besitzt gegenüber den opiatgestützten Verfahren den Vorteil einer kürzeren Behandlungsdauer (genaues Vorgehen 7 Kap. 7.4). . Tabelle 7.2. Stadien des Opiatentzugssyndroms nach letzter Opiatdosis. (Modifiziert nach Blachly, Goodwin u. Guze) Entzugsstadium
Symptomatik
Stadium 0
Verlangen nach Opiaten, Angst und Unruhe
Stadium I
Gähnen, Hyperhidrose, Tränenfluss, Rhinorrhö
Stadium II
Zusätzlich Mydriasis, Piloerektion, Tremor, Muskelzucken, Hitze- und Kälteschauer, Knochen- und Muskelschmerzen, Anorexie
Stadium III
Zusätzlich Schlaflosigkeit, Blutdruck- und Temperatursteigerung, Tachykardie, Tachypnoe, Übelkeit
Stadium IV
Zusätzlich Fieber, Diarrhö, Übelkeit, Erbrechen, Muskelkrämpfe, Spontanejakulationen und -orgasmus; laborchemisch Hämokonzentration mit Leukozytose; Eosinopenie, Anstieg von Blutzucker und Laktat
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Kapitel 7 · Medikamente zur Behandlung von Abhängigkeit…
Benzodiazepine können unter stationären Bedingungen zusätzlich eingesetzt werden, placebokontrollierte Studien liegen nicht vor. Die Anwendung sollte auf wenige Tage beschränkt werden. Bei ausgeprägter Diarrhö kann zusätzlich eine symptomatische Therapie mit Loperamid, z. B. Imodium®, Flüssigkeits- und Elektrolytausgleich erfolgen. Die opiatgestützte Entgiftungsbehandlung wird mit langwirksamen Opiaten, z. B. Methadon, Levomethadon oder Buprenorphin durchgeführt. Die Behandlungsdosis sollte so gewählt werden, dass die Entzugssymptome nachhaltig gemildert werden (7 Kap. 7.4). 5 Zur Entgiftung opiatabhängiger Patienten wurde in den letzten Jahren die Strategie der forcierten narkosebegleiteten Kurzzeitentgiftung (»Turbo-Entzug«) vorgeschlagen. Das Prinzip hierbei stellt die Gabe von hohen Dosen opiatantagonistischer Substanzen (Naloxon, Naltrexon) dar, die eine akute Verdrängung opiatagonistischer Substanzen von den (µ-)Opiatrezeptoren bewirken. Die dadurch induzierten Entzugssyndrome werden durch eine gleichzeitige medikamentös herbeigeführte ausgeprägte Sedierung oder Anästhesie des Patienten subjektiv nicht wahrgenommen. Ziel des Verfahrens ist es – durch Verkürzung der Dauer und der Intensität der Entzugssymptomatik – die Rate erfolgreicher Entgiftungen und anschließender Entwöhnungsbehandlungen mit dem Ziel langfristiger Abstinenz zu erhöhen. Die Wertigkeit dieses Verfahrens sowie die zu bevorzugende Vorgehensweise können derzeit noch nicht abschließend bewertet werden. Zu beachten ist bei einigen Verfahren der hohe Aufwand (intensivmedizinische Behandlung), die entgegen der Erwartung dennoch aufgetretenen prolongierten Entzugssymptome sowie die Gefahr schwerwiegender Komplikationen. Entwöhnung und Substitutionsbehandlung
Die Grundlage bildet die psychotherapeutisch geführte Entwöhnungsbehandlung. 5 Ziel einer Entwöhnungsbehandlung ist die dauerhafte Abstinenz. Sie kann von einem Teil der Patienten im Anschluss an eine erfolgreiche Entgiftungsbehandlung aufrecht erhalten werden. Zur Unterstützung der Rückfallprophylaxe kann der Opiatantagonist Naltrexon eingesetzt werden. 5 Bei einem Teil der Opiatabhängigen kann eine längerfristige Abstinenz aufgrund der Schwere oder Dauer der Störung sowie psychosozialer und medizinischer Komplikationen nicht erwartet werden. Hier kommt eine Substitutionsbehandlung mit den Opiatagonisten Methadon, Levomethadon oder dem kombinierten Opiatrezeptoragonisten/-antagonisten Buprenorphin in Frage. Vorteile sind die Ermöglichung der sozialen Reintegration, die Distanzierung von der Szene sowie eine Eindämmung
7.2 · Suchtmittel
387
7
der Beschaffungskriminalität und ein Wegfall des Infektionsrisikos. Die Methadonsubstitution ist aufgrund des Weiterbestehens der Abhängigkeit keine eigentliche Entwöhnungsmaßnahme und bedarf einer engen Indikationsstellung. Das Substitutionsmittel muss in der Regel unter Aufsicht eingenommen werden, die Einleitung einer sog. »Take-home-Vergabe« ist an die Einhaltung folgender Kriterien geknüpft: 1. Mindestens 6-monatige stabile Teilnahme an dem Substitutionsprogramm, 2. kein Beigebrauch anderer abhängigkeitserzeugender Substanzen, 3. Abgabe in nicht injizierbarer Form, 4. Einzeldosen und kindersichere Verpackung, 5. bei Flüssigkeiten sog. Single Dose Konfektionierung. Seit dem 1.7.2002 kann die Substitutionstherapie bei mehr als 3 Patienten nur von solchen Ärzten durchgeführt werden, die über die Anerkennung der Fachkunde »Suchtmedizinische Grundversorgung« oder einen gleichwertigen Qualifikationsnachweis verfügen. Von der Bundesärztekammer sind Richtlinien zur Durchführung der substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger abrufbar unter: http:www.bundesaerztekammer.de/30/Richtlinien/Richtidx/RlSubstitution.pdf Allgemeine Hinweise zur Rückfallprophylaxe der Opiatabhängigkeit 5 Die Entwöhnungsbehandlung erfolgt in der Regel stationär in speziel-
len Einrichtungen über 6–24 Monate. 5 Hierbei wird häufig ein Prinzip der therapeutischen Gemeinschaft mit
definierten sozialen Grundregeln (Ersatzfamilie, Nachreifung) mit verschiedenen psychoedukativen, verhaltenstherapeutischen und rehabilitativen Maßnahmen angestrebt (z. B. Arbeitstherapie, berufliche und soziale Reintegration). 5 Problematisch ist die oft unzureichende Abstinenzwilligkeit und Motivation zur Entwöhnungsbehandlung, wobei Therapien unter richterlicher Auflage prognostisch eher ungünstig sind. Die Abbruch- und Rückfallquoten sind hoch. 7.2.4
Kokain, Amphetamine und andere Substanzen aus der Gruppe der Psychostimulanzien
Substanzcharakteristika 5 Diese Psychostimulanzien hemmen die neuronale Wiederaufnahme
von Dopamin, Noradrenalin und Serotonin; Amphetamine führen zusätzlich zur Freisetzung neu synthetisierter Transmitter aus den synaptischen Vesikeln. 5 Als Konsequenz tritt eine vermehrte Neurotransmission in mesolimbischen und mesokortikalen Projektionen des dopaminergen Systems (sog. Reward-System) auf.
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1 2 3 4 5 6
Kapitel 7 · Medikamente zur Behandlung von Abhängigkeit…
5 Initial kommt es zu einer Stimulation mit euphorischen Zuständen,
Aktivitätssteigerung, erhöhter Aufmerksamkeit, vermindertem Schlafbedürfnis und subjektiv erhöhter Leistungsfähigkeit. 5 Die rasch auftretende Toleranzentwicklung ist wahrscheinlich durch eine Empfindlichkeitsverminderung von Katecholaminrezeptoren (»down regulation«) mitbedingt. Sie hängt auch von der Applikationsart (oral, nasal, geraucht) sowie dem Konsummuster ab. 5 Therapie der Abhängigkeit: Bislang gibt es keinen pharmakologischen Therapieansatz zur Behandlung einer Abhängigkeit von Kokain oder Psychostimulanzien, der sich auf ausreichende empirische Befunde zur Wirksamkeit stützen kann. Einzelne Studien sprechen für mögliche positive Effekte von Seleginin, Desipramin, Imipramin und SSRI bei Kokainabhängigen. Intoxikation (7 Kap. 17)
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Entzugssyndrom 5 Symptomatik: Zeichen der verminderten katecholaminergen Trans-
mission: depressive Verstimmung, Erschöpfung; Rebound-Hypersomnie, Hyperphagie; Angst- und Erregungszustände (v. a. initial möglich). Die Symptome halten nicht selten im Sinne eines protrahierten Entzugssyndroms mehrere Wochen (selten Monate) an. 5 Therapie des Entzugssyndroms: Therapeutische Effekte von Desipramin und Imipramin sind beschrieben, aber noch nicht gesichert; günstige Wirkungen offenbar bei begleitendem depressivem Syndrom, nach vorausgehender nur intranasaler Kokainapplikation und Fehlen antisozialer Persönlichkeitszüge. Bei Angst- und Erregungszuständen können Benzodiazepine eingesetzt werden. Der Nutzen von Dopaminagonisten (z. B. Bromocriptin) oder Amantadin ist fraglich. 7.2.5
14 15 16 17
Ecstasy (MDMA, 3,4-Methylendioxymetamphetamin) und Eve (MDA, 3,4-Methylendioxyamphetamin)
Substanzcharakteristika
Ecstasy und Eve sind synthetische (sog. Designer-) Drogen. Gelegentlich wird der Begriff »Entactogene« verwandt. MDMA wird im Körper u. a. zu MDA umgewandelt. 5 Es wird keine physische, möglicherweise eine psychische Abhängigkeit induziert. 5 Die Wirkung entsteht durch Förderung der Freisetzung von 5-HT aus präsynaptischen Vesikeln bei gleichzeitiger 5-HT-Rückaufnahmehemmung, Ausschüttung von Dopamin sowie einer reversiblen Hemmung der Monoaminooxidase Typ A.
7.2 · Suchtmittel
389
7
5 Bei chronischer Anwendung zeigen sich neurotoxische Effekte mit de5
5 5 5 5
generativen Veränderungen serotonerger Neuronen u. a. im Neokortex und im Hippocampus. Psychotrope Akuteffekte sind zentrale Stimulation und Euphorie. Typisch sind erhöhte Kontaktbereitschaft und Empathiegefühle, verminderte Ich-Abgrenzung sowie erhöhte Emotionalität. Im Gegensatz zu Halluzinogenen sind halluzinatorische Effekte seltener, Wahrnehmungsverschärfungen häufiger. Subakut treten Schlaf- und Appetitminderung, Konzentrationsstörungen, Gereiztheit sowie Erschöpfungszustände auf. Im Verlauf ist das Auftreten von Depressionen, paranoiden Syndromen, Depersonalisationssyndromen und besonders Panikstörungen beschrieben. Therapie: Bei akut auftretenden Angst- und Erregungszuständen sollten Benzodiazepine verordnet werden. Eine spezifische Pharmakotherapie der Abhängigkeit ist bislang nicht bekannt. SSRI können protrahierte psychotrope Effekte von MDMA, wie z. B. Angststörungen und depressive Syndrome mildern.
Intoxikation (7 Kap. 17)
7.2.6
Psychotomimetika (LSD, Meskalin, Psilocybin und ähnliche Substanzen)
Substanzcharakteristika
Die Substanzen dieser Gruppe charakterisiert eine vorwiegend zentralserotonerge Wirksamkeit (u. a. dorsaler Raphekern) durch einen partiellen Agonismus an 5-HT-Rezeptoren (insbesondere 5-HT2- und 5-HT1ARezeptoren). 5 Bereits in sehr geringen Dosen (z. B. im Fall der hochaktiven Droge Lysergsäurediethylamid: 75 µg) kommt es zur Manifestation psychotischer Phänomene: Störungen von Stimmung, Denken, Wahrnehmung, Ich-Erleben, Zeit- und Raumerleben, rauschartige Bewusstseinsveränderungen sowie insbesondere optische und akustische Illusionen bzw. Halluzinationen, wobei für die Ausgestaltung des Rauschzustandes neben Art, Dosis und Applikation die Umgebungsfaktoren (»setting«) bedeutsam sind. 5 Es resultiert eine schnelle Toleranzentwicklung (bei Kreuztoleranz gegen verwandte serotonerge Substanzen) mit rascher Rückbildung bei Absetzen; physische und psychische Abhängigkeit sind selten. 5 Gefährlich sind Horrortrips mit suizidalen bzw. fremdaggressiven Impulsen sowie Flashback-Psychosen (noch nach Monaten).
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1 2
Kapitel 7 · Medikamente zur Behandlung von Abhängigkeit…
5 Therapie: Eine spezifische Pharmakotherapie der Abhängigkeit ist bis-
lang nicht bekannt. Für die Behandlung von Flashback-Psychosen bestehen ebenfalls keine einheitlichen Leitlinien; positive Berichte existieren u. a. für Benzodiazepine, Clonidin und Naltrexon, Antipsychotika sollten nicht verordnet werden.
3
Intoxikation (7 Kap. 17)
4
7.2.7
5
Substanzcharakteristika
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Cannabis (THC, ∆-9-Tetrahydrocannabinol)
Cannabis ist der wichtigste psychoaktive Bestandteil von Haschisch und Marihuana (Gewinnung aus indischem Hanf: Haschisch = Harz der Pflanze, Marihuana = getrocknete Blätter und Blüten). 5 Als psychotroper Akuteffekt zeigt sich dosisabhängig eine anregende bzw. dämpfende Wirkung mit Zunahme der Dämpfung bei höheren Dosen. Verzerrung von Sinneseindrücken, Euphorie, Entspannung und verändertes Zeitgefühl sind typisch, gefolgt von Sedierung. In höheren Dosen treten auch Halluzinationen auf. »Horrortrips« bzw. »FlashbackPsychosen« sind beschrieben. 5 Die Substanz besitzt ein Abhängigkeitspotenzial; es tritt eine Toleranzentwicklung ein. 5 Bis zu 25% der regelmäßigen Cannabisnutzer berichten unangenehme psychische Nebenwirkungen. Langzeitmissbrauch kann zu schweren Persönlichkeitsveränderungen (amotivationales Syndrom mit Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Apathie, Desorganisiertheit) führen, die bei Abstinenz über mehrere Wochen reversibel sein können. 5 Therapie: Eine spezifische Pharmakotherapie ist bislang nicht bekannt. Die Einmalgabe des CB1-Rezeptorantagonisten Rimonabant (Allegria®) konnte in einer ersten offenen Studie akute euphorisierend empfundene Cannabis Effekte aufheben; zur Wirksamkeit dieser Substanz in der Behandlung der Cannabisabhängigkeit liegen noch keine Daten vor. Intoxikation (7 Kap. 17)
7.2.8
Nikotin
Substanzcharakteristika
17
Nikotin besitzt eine dosisabhängige Wirkung auf nikotinische Azetylcholinrezeptoren (in niedrigen Dosen als Agonist, in höheren Dosen als Antagonist). Die Wirkungen entfalten sich sowohl über den Sympathikus als auch den Parasympathikus.
7.3 · Weitere Medikamente in der Behandlung…
391
7
5 Charakteristische biphasische Wirkung mit initialer Stimulation sowie
Dämpfung in höheren Dosen. 5 Psychische und physische Abhängigkeit mit Toleranzentwicklung tritt
auf. Intoxikation 5 Symptomatik: Tachykardie, Blutdrucksteigerung, periphere Vasokonst-
riktion (in sehr hohen Dosen auch Bradykardie und Hypotonie), weiterhin Übelkeit und Erbrechen (v. a. zu Beginn). 5 Sehr hohe Dosen können zu Atemdepression führen, während niedrige Dosen zunächst eine Steigerung des Atemantriebs bewirken. Entzugssyndrom 5 Symptomatik (in der Ausprägung sehr unterschiedlich): Reizbarkeit,
Nervosität, Ruhelosigkeit, Konzentrationsstörungen, Benommenheit, Müdigkeit, Schwächegefühl, Dysphorie, depressive Verstimmungen (u. U. für mehrere Wochen), Schlafstörungen, Angstzustände, Kopfschmerzen, Obstipation, Übelkeit und Erbrechen, Appetitsteigerung und Gewichtszunahme. 5 Therapie: Nikotinersatzstoffe (Nikotinpflaster, Nikotinkaugummi, Nikotinnasenspray), schrittweises Ausschleichen. Entwöhnung 5 Therapie: Neben verhaltenstherapeutischen Maßnahmen (als Selbst-
hilfeintervention in Einzel- oder Gruppentherapie) gibt es bei der Raucherentwöhnung Wirksamkeitsnachweise für Nikotinpräparate, Nortriptylin und Bupropion. Die Kombinationsbehandlung von Nikotinpflastern und Bupropion wies in einer großen placebokontrollierten Studie einen additiven Effekt auf. Mit dem Cannabinoid-1-(CB1-)Rezeptorantagonisten Rimonabant steht möglicherweise in Zukunft eine zusätzliche Therapieoption zur Verfügung, für die Substanz liegt eine positive placebokontrollierte Studie vor. 7.3
Weitere Medikamente in der Behandlung von Abhängigkeit und Entzugssyndromen
In Ergänzung zu den Präparaten, für die in speziellen Indikationen empirische Belege für eine Wirksamkeit vorliegt (. Tabelle 7.1) und die in 7 Kap. 7.4 einzeln abgehandelt werden, gibt es zu den folgenden Substanzgruppen Hinweise für einen klinischen Nutzen bei der Behandlung von Entzugssyndromen und Abhängigkeit. Die Therapieempfehlungen zu An-
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1
Kapitel 7 · Medikamente zur Behandlung von Abhängigkeit…
tidepressiva und Antipsychotika basieren zumeist auf langjährigen Erfahrungen und nicht auf kontrollierten Therapieevaluationsstudien.
2
Antidepressiva 5 Indikation für Antidepressiva bei Entzugssyndromen nach Absetzen
3
von Stimulanzien wie Kokain und Amphetaminen mit Auftreten depressiver Verstimmung: Desipramin (100–200 mg/Tag), Imipramin (150– 250 mg/Tag). 5 Doxepin findet eine weit verbreitete Anwendung bei leichten Alkoholund Opiatentzugssymptomen und soll auch bei Benzodiazepinentzügen hilfreich sein, die Wirkung ist nicht sicher belegt. 5 Antidepressiva können zur Abstinenzerhaltung bei Alkoholabhängigen mit akut behandlungsbedürftiger affektiver (depressiver) Störung oder Angststörungen eingesetzt werden; die Datenlage für den Nutzen von SSRI bei monosymptomatischer Alkoholabhängigkeit ist allerdings negativ.
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Antipsychotika 5 Behandlung von Erregungszuständen im pathologischen Rausch: z. B.
Haloperidol 5–10 mg. 5 Alkoholhalluzinose, alkoholischer Eifersuchtswahn: z. B. Haloperidol
und Risperidon; Therapie unter Alkoholkarenz nach den Prinzipien der Psychosenbehandlung. 5 Paranoide Psychosen durch Stimulanzien oder Halluzinogenen. 5 Komplizierte Alkoholentzugssyndrome mit halluzinatorischen Zustandsbildern. Stimmungsstabilisierer
Es liegen Therapieempfehlungen, aber nur wenig kontrollierte Studien vor: 5 Lithium: Rückfallprophylaxe der sekundären Alkoholabhängigkeit bei primärer affektiver Störung. 5 Carbamazepin (7 Kap. 7.2.1): Anfallsprophylaxe beim Alkoholentzug, empfohlen unter stationären Bedingungen (rasche Aufdosierung, keine Retardpräparate, Dosierung an den ersten beiden Tagen zwischen 600 und 800 mg; dann über 5 Tage absetzen); Einsatz in der Behandlung von leichten bis mittelschweren vegetativen Entzugssyndromen, jedoch nicht Mittel der ersten Wahl; offenbar keine delirverhütende Wirkung. Positive Effekte von Carbamazepin im Benzodiazepinentzug sind beschrieben worden.
7.4 · Präparate
393
7
Benzodiazepine 5 Beim Alkoholentzugssyndrom mit und ohne Komplikationen (in den
USA meisteingesetzt, da dort Clomethiazol zur Alkoholentzugsbehandlung nicht zugelassen ist); insbesondere langwirkende Benzodiazepinen, wie z. B. Chlordiazepoxid und Diazepam finden Verwendung (Verabreichung in fraktionierten Dosen in kurzen Zeitabständen [»loading«], z. B. 5 mg Diazepam stündlich, ggf. auch i.v.; bei ausreichender Sedierung langsame Dosisreduktion)(7 Kap. 7.2.1) 5 Benzodiazepine sind bei Angst- und Erregungszuständen beim Entzug von Kokain, Amphetaminen und Psychostimulanzien indiziert. Azapirone 5 Buspiron: Wirkung auf Craving und Angstsymptome bei Alkoholab-
hängigen ist beschrieben; Wirksamkeit beim Einsatz zur Alkoholrückfallprophylaxe ist noch nicht hinreichend gesichert.
7.4
Präparate1
Acamprosat
Entwöhnungsmittel
Campral (AWD Pharma) Tbl. 333 mg (48, 84, 168 Tbl.) Pharmakodynamik 5 Indirekter antagonistischer Effekt auf postsynaptische Wirkungen exzi-
tatorischer Aminosäuren, besonders das glutamaterge System (NMDARezeptorkomplex). Pharmakokinetik 5 t1/2=ca. 13 h (Steady state nach etwa 7 Tagen regelmäßiger Einnahme);
orale Bioverfügbarkeit ca. 11%; langsame Resorption mit erheblichen interindividuellen Schwankungen; keine Plasmaproteinbindung. 5 Ausschließlich renale Elimination (zu etwa 50% in unveränderter Form), keine Metabolisierung durch die Leber. 5 Plasmakonzentration: 30–75 ng/ml(p).
1
Bei Generika wurde auf die Angabe der Packungsgröße verzichtet.
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1
Indikationen und Behandlungshinweise 5 Zur Unterstützung der Aufrechterhaltung der Abstinenz bei alkoholab-
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5
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Kapitel 7 · Medikamente zur Behandlung von Abhängigkeit…
5 5
hängigen Patienten im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzeptsz, das auch begleitende psycho- und soziotherapeutische Maßnahmen einschließt (rückfallverhütender Effekt in Kombination mit begleitender Psychotherapie belegt). Beginn der Behandlung unmittelbar nach der Entgiftung; empfohlene Behandlungsdauer 1 Jahr, wobei die Therapie im Fall eines Rezidivs nicht unterbrochen werden sollte. Ein rückfallverhütender Effekt besteht in der Regel nur, solange die Substanz eingenommen wird. Acamprosat ist nicht zur Behandlung des Alkoholentzugs geeignet. Nach derzeitigem Kenntnisstand kein Abhängigkeitspotenzial. Nach abruptem Absetzen entstehen keine Entzugssymptome.
Dosierung 5 Patienten mit einem Körpergewicht bis 60 kg: 4 Tbl. (1332 mg)/Tag,
über 60 kg 6 Tbl. (2 g)/Tag; Einnahme 3-mal täglich.
9
Nebenwirkungen 5 Häufig: Durchfall, seltener Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen; Juck-
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5 Selten: Verwirrtheit, Schlafstörungen; sexuelle Funktionsstörungen;
reiz, selten makulopapulöse Erytheme. leicht erhöhtes Kreatinin, Harnsäure, Cholesterin und Hämatokrit.
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Kontraindikationen 5 Bekannte Überempfindlichkeit gegen Acamprosat. 5 Niereninsuffizienz und schwere Leberinsuffizienz. Interaktionen 5 Keine Wirkungsverstärkung von Alkohol. 5 Keine Wechselwirkungen mit Disulfiram, Diazepam, Imipramin. Bewertung
Sinnvoll in der Anwendung im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplanes mit begleitenden psycho- und soziotherapeutischen Maßnahmen, wofür der rückfallverhütende Effekt belegt ist.
7.4 · Präparate
Buprenorphin
395
7
Substitutionsmittel
Subutex (Essex Pharma) Tbl. 0,4, 2, 8 mg (7, 28 Tbl.) Pharmakodynamik 5 Kombinierter Opiatrezeptoragonist/-antagonist (partieller µ-Opiatre-
zeptoragonist mit langsamer Rezeptorkinetik sowie κ-Opiatrezeptorantagonist); dadurch einzigartiges Wirkprofil unter den klinisch eingesetzten Opioiden.
Pharmakokinetik 5 Bei sublingualer Gabe Bioverfügbarkeit von ca. 30–50%; orale Gabe un-
geeignet. 5 t1/2=ca. 2–5 h; nach Resorption rasche Verteilung in Leber, Niere, Mus-
kel, Fettgewebe; von hier allmähliche Rückverteilung. 5 Metabolisierung in der Leber (CYP 3A4 beteiligt) durch N-Dealkylie-
rung und Glukuronidierung. N-Dealkylbuprenorphin ist ein µ-Agonist mit schwacher intrinsischer Wirksamkeit. 5 Ausscheidung zu ca. 80% durch biliäre Sekretion des glukuronidierten Metaboliten; ca. 20% im Urin. 5 Terminale Eliminationsphase: ca. 20–25 h. Indikationen und Behandlungshinweise 5 Substitutionsbehandlung bei Opiatabhängigkeit z. Diese erfolgt nach den
gleichen Regeln, wie sie für die Substitutionsbehandlung mit Methadon gelten (7 Kap. 7.2.3). 5 Auch im Rahmen einer Detoxifikationsbehandlung einsetzbar (hierbei sind allmähliche Dosisreduktionen nach Möglichkeit vorzuziehen). 5 Der Vorteil der Substanz besteht in der relativ breiten Sicherheitsspanne im Vergleich zu reinen µ-Opiatrezeptoragonisten bei vergleichbarer klinischer Wirksamkeit. Untersuchungen mit Dosierungen von 32 mg an nicht opiatabhängigen Patienten zeigten keine interventionspflichtigen Atemdepressionen. 5 Eine Umstellung von Patienten, die bereits auf Methadon/Levomethadon stabil eingestellt sind, ist möglich. Die unmittelbare Verabreichung von Buprenorphin insbesondere nach der Gabe eines reinen µ-Opiatagonisten kann jedoch ein Entzugssyndrom auslösen. Vor der Umstellung sollte daher die maximale Tagesdosis Methadon auf 60 mg reduziert werden. Ferner ist eine Medikationspause von mindestens 36 h bei
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Kapitel 7 · Medikamente zur Behandlung von Abhängigkeit…
einer bisherigen Tagesdosis von 30–60 mg Methadon bzw. von 24 h bei einer bisherigen Tagesdosis von <30 mg Methadon einzuhalten. 5 Buprenorphin eignet sich aufgrund der langen Halbwertzeit für die Gabe einer entsprechend höheren Einmaldosis alle 2–3 Tage (sog. »Alternate-day«-Verordnung). Buprenorphin eignet sich ebenfalls für eine »Take-home-Vergabe«. Allerdings ist hier zu bedenken, dass Buprenorphin nach Auflösung der Substanz zur i.v.-Gabe missbraucht werden kann. Aus diesem Grund entwickelt der Hersteller ein Kombinationspräparat aus Buprenorphin und Naloxon mit einem Mischungsverhältnis von 4:1 entwickelt, welches in den USA unter dem Namen Suboxone® bereits zugelassen ist. Dosierung 5 Effektiver Dosisbereich zur Substitutionsbehandlung liegt in der Regel
zwischen 6–12 mg/Tag; maximale Tagesdosis in Deutschland 24 mg, in Österreich 32 mg, in der Schweiz 16 mg. 5 Initiale Dosierung 2–4 mg, danach, falls klinisch erforderlich, Tagesdosis zügig um 2–4 mg täglich erhöhen, bis innerhalb von 24 h keine Entzugssymptome mehr auftreten. 5 Die Gabe von Buprenorphin alle 2–3 Tage sollte entsprechend . Tabelle 7.3 erfolgen. Nebenwirkungen 5 Sehr häufig: Asthenie, Entzugssyndrom, Schlaflosigkeit. 5 Häufig: Abhängigkeitsentwicklung vom Opiattyp; Bauchschmerzen,
Rückenschmerzen, Frösteln, Schwitzen; Obstipation, Diarrhö, Übelkeit, Erbrechen; Nasenfluss, Verlängerung des QT-Intervalls im EKG, Tränenfluss, Nervosität, Somnolenz. 5 Selten: Lebernekrose, Atemdepression, Ohnmacht, Blutdruckabfall, Halluzinationen. 5 Sehr selten: Bei ausgeprägter Verlängerung des QT-Intervalls Gefahr einer Torsade-de-Pointes-Arrhythmie. Kontraindikationen 5 Akute Alkohol-, Schlafmittel-, Analgetika-, Psychopharmakaintoxikation. 5 Bekannte Überempfindlichkeit gegen Buprenorphin. 5 Schwere Leberfunktionsstörungen; schwere respiratorische Insuffizi-
enz; akuter Alkoholismus oder Delirium tremens.
17
5 Behandlung mit MAO-Hemmern und Benzodiazepinen. 5 Relative Kontraindikationen: Besondere Vorsicht ist geboten bei ver-
längertem QT-Intervall, Bradykardie, gleichzeitiger Behandlung mit Antiarrhythmika Klasse I–III, Hypokaliämie, nach Schädel-Hirn-Trau-
397
7.4 · Präparate
7
. Tabelle 7.3. Dosierung Subutex Täglich
Alle 2 Tage
Alle 3 Tage
2 mg
4 mg
6 mg
4 mg
8 mg
12 mg
6 mg
12 mg
18 mg
8 mg
16 mg
24 mg
10 mg
20 mg
24 mg
12 mg
24 mg
24 mg
16 mg
24 mg
24 mg
24 mg
24 mg
24 mg
mata, bei erhöhtem intrakraniellem Druck, Erkrankungen der Atemorgane, Erkrankungen der Nieren, Diabetes mellitus, Prostatahypertrophie, abdominalen Erkrankungen, suizidalen Patienten oder im höheren Lebensalter. Bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren liegen keine ausreichenden Erfahrungswerte vor. ! Buprenorphin sollte in der Schwangerschaft nur nach einer sorgfälti-
gen Nutzen/Risiko-Analyse angewandt werden (relative Kontraindikation). Eine engmaschige Überwachung der Schwangeren und des Fetus muss durch den Arzt erfolgen. Buprenorphin sollte nicht in der Stillzeit verordnet werden. Eine eindeutige Differenzialindikation zwischen den Substituten in der Schwangerschaft besteht nicht, allerdings gibt es Hinweise auf ein geringer ausgeprägtes neonatales Entzugssyndrom nach Substitution mit Buprenorphin im Vergleich zu Methadon. Interaktionen 5 Gleichzeitige Einnahme von psychotropen Substanzen (Medikamente,
insbesondere Benzodiazepine, Alkohol, andere Drogen) kann zu wechselseitiger Wirkungsverstärkung mit dem Risiko einer letalen Überdosierung führen. 5 Kombinationen mit Antiarrythmika der Klassen I und III sollten wegen möglicher QT-Verlängerungen vermieden werden. 5 Kombinationen mit Opiatantagonisten (Ausnahme: Intoxikationstherapie), partiellen und vollen Agonisten sind zu vermeiden.
398
1 2 3 4 5
Kapitel 7 · Medikamente zur Behandlung von Abhängigkeit…
5 Erniedrigte Serumkonzentrationen möglich bei gleichzeitiger Einnah-
me von: Rifampicin, Carbamazepin, Phenobarbital, Phenytoin u. a. 5 Erhöhte Serumkonzentrationen möglich bei gleichzeitiger Einnahme
von: Erythromycin, Clarithromycin, Cimetidin, Proteaseinhibitoren, Ketoconazol, Itroconazol, Fluconazol u. a. 5 Weitere Interaktionen s. o. (Kontraindikationen) und . Tabelle 17.5. Bewertung
Sinnvolle Alternative zur Substitution mit Methadon/Levomethadon mit breiterem Sicherheitsspektrum und guter Akzeptanz durch die Patienten; Überbrückung von Feiertagen und Wochenenden ohne tägliche Kontakte möglich.
6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
Bupropion
Entwöhnungsmittel
(Synonym: Amphebutamon) Zyban (Glaxo Wellcome) Tbl. 150 mg (20, 60, 100 Tbl.) Pharmakodynamik 5 Kombinierter NA- und DA-Rückaufnahmehemmer. Keine Wirkung auf
die Serotoninrückaufnahme, auf postsynaptische Rezeptoren des cholinergen, adrenergen, dopaminergen oder serotonergen Systems. Pharmakokinetik 5 Bei oraler Gabe rasche Resorption. 5 Extensive Metabolisierung in der Leber mit ausgeprägtem First-pass-
Effekt im Wesentlichen durch CYP 2B6; drei bekannte Metaboliten, die pharmakologisch aktiv sind: Hydroxybupropion (Hauptmetabolit), Threo-Hydrobupropion und Erythro-Hydrobupropion. 5 Ausscheidung über Urin (ca. 85%) und Fäzes. 5 Biphasische Elimination; initiale Phase ca. 1,5 h; zweite Phase ca. 20 h; die Retardpräparation (Zyban) hat eine Eliminationshalbwertszeit von ca. 20–37 h. Indikationen und Behandlungshinweise 5 Entwöhnungsbehandlung bei Nikotinabhängigkeit in Verbindung mit
unterstützenden motivierenden Maßnahmenz. 5 Die Behandlung sollte noch während des aktiven Rauchens begonnen
werden. Ab der zweiten Behandlungswoche sollte das Rauchen beendet werden.
7.4 · Präparate
399
7
5 Empfohlene Behandlungsdauer: 7–9 Wochen. 5 Kombination mit Nikotinpflastern können die Wirksamkeit steigern. Dosierung 5 Initial 150 mg, ab dem 7. Tag 300 mg/Tag (in mindestens 8-stündigem
Abstand); Tageshöchstdosis 300 mg. 5 Bei Leberinsuffizienz, Niereninsuffizienz und älteren Personen werden
1-mal 150 mg/Tag empfohlen. Nebenwirkungen 5 Häufig: Schlafstörungen; Zittern; Konzentrationsstörungen; Kopf-
schmerzen, Schwindel; Depression, Ruhelosigkeit, Angst; trockener Mund, gastrointestinale Störungen einschließlich Übelkeit und Erbrechen, Bauchschmerzen, Obstipation; Fieber; Hautausschlag, Juckreiz, Schwitzen. Überempfindlichkeitsreaktionen wie Urtikaria, Geschmacksstörungen. 5 Gelegentlich: Tachykardie, Blutdruckerhöhung (manchmal schwerwiegend); Gesichtsröte; Verwirrtheit; Brustschmerzen; Asthenie; Änderung in der Miktionsfrequenz und oder Harnretention; Tinnitus; Sehstörungen. 5 Selten: Krampfanfälle; Schwankungen des Blutzuckerwertes; Vasodilatation; orthostatische Hypotonie; Synkope; Palpitationen; Reizbarkeit; Halluzinationen, Depersonalisation; Dystonie, Ataxie, Parkinsonismus, Muskelzucken und Koordinationsstörungen; Albträume, Parästhesien. ! In Deutschland wurden Todesfälle in Zusammenhang mit der Einnah-
me von Bupropion beschrieben (eine Kausalität ist nicht gesichert); weiterhin besteht der Verdacht, dass schwere depressive Störungen oder Suizidalität ausgelöst werden könnten. Kontraindikationen 5 Akute Alkohol-, Schlafmittel-, Analgetika-, Psychopharmakaintoxikation. 5 Überempfindlichkeit gegen Bupropion. 5 Abrupter Alkohol- oder Benzodiazepinentzug. 5 Anamnestisch bekannte Krampfanfälle jeglicher Ausprägung; bekann-
te bipolare affektive Störung; bekannte Diagnose einer Bulimie oder Anorexie; bekannter Tumor des ZNS. 5 Schwere Leberzirrhose; Kombination mit MAOH. Zwischen dem Ende einer Behandlung mit irreversiblen MAOH und dem Beginn einer Gabe von Bupropion müssen mindestens 14 Tage liegen. Bei reversiblen MAOH ist ein Zeitraum von 24 h ausreichend.
400
1 2 3 4 5 6 7 8 9
Kapitel 7 · Medikamente zur Behandlung von Abhängigkeit…
! Eine Verordnung von Bupropion bei einer psychiatrischen Vorge-
schichte, insbesondere einer bipolaren Erkrankung, sollte nicht erfolgen. 5 Schwangerschaft und Stillzeit. Interaktionen 5 Hemmt CYP 2D6, daher sind Interaktionen mit Substanzen zu erwarten, die hierüber metabolisiert werden (7 Kap. 16). 5 Metabolit Hydroxybupropion wird über CYP 2B6 verstoffwechselt; In-
teraktionen sind daher zu erwarten z. B. mit Cyclophosphamid, Efavirenz, Ifosfamid, Orphenadrin. 5 Vermehrte Nebenwirkungen bei gleichzeitiger Gabe von Dopaminergika (L-DOPA) möglich. 5 Die gleichzeitige Gabe von Substanzen, die die Krampfschwelle herabsetzen können (Antipsychotika, Antidepressiva, Theophyllin, systemische Steroide, Antimalariamittel, Tramadol, Chinolone, sedierende Antihistaminika), kann bei Verordnung von Bupropion das Risiko von Krampfanfällen erhöhen. 5 Weitere Interaktionen s. o. (Kontraindikationen) und 7 Kap. 16. Bewertung
10 11 12 13 14 15 16 17
In mindestens 2 großen Doppelblindstudien nachgewiesene Wirksamkeit als Entwöhnungshilfe bei Nikotinabhängigkeit. Die Indikationsstellung sollte derzeit sehr streng als Mittel der zweiten Wahl erfolgen, da es Präparate mit ebenfalls erwiesener Wirksamkeit und günstigerem Sicherheitsprofil gibt. Die Gefahr von Krampfanfällen, Tachykardie und Blutdruckerhöhung ist bei der Indikationsstellung besonders zu beachten. Hohes Interaktionsrisiko.
Clomethiazol
Entgiftungsmittel
Distraneurin (AstraZeneca) Kps. 192 mg (25, 100 Kps.) Tbl. 500 mg (25, 100 Tbl.) Mixtur 5 g/100 ml (300 ml) Pharmakodynamik 5 Verstärkung der Wirkung der inhibitorischen Neurotransmitter GABA
und Glycin, insbesondere am GABAA-abhängigen Chloridionenkanal.
7.4 · Präparate
401
7
Pharmakokinetik 5 t1/2= 2,3–5 h (bei Leberfunktionsstörungen ca. 9 h); rasche und fast
vollständige Metabolisierung in der Leber zu inaktiven Metaboliten; schnelle Absorption (nach Tablettengabe langsamer). 5 Renale Elimination. Indikationen und Behandlungshinweise 5 Alkoholentzugssyndrom und Alkoholentzugsdelir, mit und ohne
Krampfanfällez. 5 Medikamentös induziertes Delir 7 Kap. 12. 5 Clomethiazol wirkt sedierend, hypnotisch und antikonvulsiv. 5 Clomethiazol sollte i. d. R. nicht als Hypnotikum eingesetzt werden, al-
lenfalls vorübergehend bei sehr schweren, anders nicht behandelbaren Schlafstörungen unter sorgfältiger Abwägung der Nutzen-Risiko-Relation. 5 Wegen der antikonvulsiven Eigenschaften kann Clomethiazol beim Status epilepticus indiziert sein, wenn Benzodiazepine, Hydantoine, Valproinsäure und Barbiturate keine Wirkung zeigen. Dosierung 5 Verschiedene Applikationsformen, wobei Kapseln die Clomethiazol-
base, Tabletten und Mixtur das Ethandisulfonatsalz enthalten; 1 Kps. (192 mg), 1 Tbl. (500 mg) und 5 ml Mixtur (250 mg) sind therapeutisch äquivalent. 5 Die Dosierung sollte nicht schematisch, sondern flexibel nach Sedierungsgrad und der Schwere der Entzugssymptome der Patienten erfolgen. Die Entzugsschwere kann mit standardisierten Befundskalen, wie z. B. dem Alkoholentzugssymptombogen (AESB, . Tabelle 7.4) erfasst werden: – Alkoholentgiftung mit Hilfe des AESB-Bogens (. Tabelle 7.4): Innerhalb der ersten vier Tage wird eine Überwachung in 2 h Intervallen, am 5. Tag in 3 h Intervallen, am 6. Tag in 4 h Intervallen, am 7. Tag in 6 h Intervallen, am 8. Tag in 8 h Intervallen und am 9. Tag in 12 h Intervallen vorgenommen. Zu den Überwachungszeitpunkten werden jeweils die zehn verschiedenen Alkoholentzugssymptome 1. Blutdruck, 2. Puls, 3. Tremor, 4. Schwitzen, 5. Übelkeit/Erbrechen, 6. Ängstlichkeit/Nervosität, 7. Psychomotorische Unruhe, 8. Orientierung, 9. Trugwahrnehmungen und Halluzinationen, 10. Krampfanfälle erfasst. Für jedes der zehn Symptome wird anhand einer standardisierten Skala (. Tabelle 7.4) ein Punktwert ermittelt, welcher anschließend zu einem Summenwert addiert wird. Für eine Gesamtpunktzahl von 0–4 Punkten wird keine Kapsel, für einen Gesamt-
402
1
. Tabelle 7.4. Alkoholentzugssymptombogen (AESB) (nach Lange-Asschenfeldt et al. [2003])
2 3 4 5
1. Blutdruck (mmHg) bis 30 Jahre
31–50 Jahre
>50 Jahre
0
bis 120/80
bis 130/85
bis 140/90
1
bis 135/90
bis 145/95
bis 155/100
2
bis 150/95
bis 160/100
bis 170/105
3
bis 160/100
bis 170/105
bis 180/110
4
bis 160/100
>170/105
>180/110
6 7 8 9
2. Ruhepuls 0
<92/min
1
92–103/min
2
104–115/min
3
116–127/min
4
>128/min 3. Tremor
10 11 12 13
Kapitel 7 · Medikamente zur Behandlung von Abhängigkeit…
0
Kein Tremor
1
Fingertremor bei ausgestreckten Fingern
2
Händetremor bei ausgestreckten Armen
3
Deutlicher Ruhetremor von Fingern und Händen
4
Schwerer Ruhetremor von Armen, Beinen und Händen 4. Schwitzen
14
0
Kein Schwitzen
1
Warme, feuchte Haut
2
Umschriebene Schweißperlen (z. B. Gesicht, Thorax)
16
3
Ganzer Körper feucht und/oder sichtbares Schwitzen größerer Hautpartien
17
4
Massives Schwitzen
15
403
7.4 · Präparate
. Tabelle 7.4. (Fortsetzung) 5. Übelkeit/Erbrechen 0
Keine Übelkeit
1
Mäßige Übelkeit, ggf. selten Brechreiz
2
Schwere Übelkeit verbunden mit Würgen; Erbrechen 6. Ängstlichkeit/Nervosität
0
Keine Ängstlichkeit oder Nervosität
1
Leichte Ängstlichkeit oder Nervosität bzw. Angabe des Patienten nur auf Anfrage
2
Mäßige oder spontan ohne Befragen geäußerte Angst oder Nervosität
3
Schwere Angst oder Nervosität
4
Massive, schwerste panikartige Angstzustände
0
Ruhige, unauffällige Bewegungen
1
Zappeligkeit, leichte Unruhe oder Anspannung
2
Mäßige Bewegungsunruhe (z. B. Nesteln der Hände)
3
Dauernde Bewegungsunruhe (z. B. ständiges Drehen im Bett), Umherlaufen
4
Massive Erregtheit, Selbst- oder Fremdgefährdung
7. Psychomotorische Unruhe
8. Orientierung 0
Voll orientiert, eventuell leicht verzögerte Antwort
1
Zu Person und Ort voll orientiert, zur Zeit unscharf orientiert (nicht mehr als 2 Kalender- oder Wochentage)
2
Zu Person und Ort voll orientiert, zur Zeit nicht orientiert
3
Zur Person voll orientiert, zum Ort oder zur Situation nur teilweise orientiert, zur Zeit nicht orientiert
4
Zur Person orientiert, zur Situation zum Ort und zur Zeit nicht orientiert
5
Vollständig desorientiert, kein sinnvoller Kontakt möglich
7
404
1
Kapitel 7 · Medikamente zur Behandlung von Abhängigkeit…
. Tabelle 7.4. (Fortsetzung) 9. Trugwahrnehmungen und Halluzinationen
2
0
Keine
1
Wahrnehmungsverschärfung (z. B. Töne sind lauter, Licht ist heller)
2
Vorübergehende Verkennungen (z. B. Schatten, Umrisse), fragliche Halluzinationen oder Personenverkennungen, wobei Patient noch korrigierbar ist und Irrtum erkennt
5
3
Eindeutige, aber (noch) fluktuierende Halluzinationen oder Personenverkennungen
6
4
Länger andauernde Halluzinationen oder Personenverkennungen, keine Distanzierungsfähigkeit mehr
7
5
Ständig vorhandene Halluzinationen mit starker emotionaler Beteiligung und für den Patienten handlungsweisenden Charakter
3 4
10. Entzugsanfall
8 9 10
0
Keine Entzugsanfälle in der Vorgeschichte
3
Fragliche Entzugsanfälle in der Vorgeschichte
4
Ein Entzugsanfall in der Vorgeschichte
5
Mehr als ein Entzugsanfall in der Vorgeschichte oder ein Entzugsanfall in den letzen 8 Tagen
11 12 13 14 15 16 17
punktwert von 5–7 Punkten wird 1 Kps. Clomethiazol, für einen Gesamtpunktwert von 8–10 Punkten werden 2 Kps. Clomethiazol und für einen Gesamtpunktwert von ≥11 Punkten werden 3 Kps. Clomethiazol verabreicht. – Orientierungshilfe für eine festdosierte Behandlung: Initial 2–4 Kps. bzw. Tbl. oder 10–15 ml Mixtur, in den ersten 2 h bis zu 6–8 Kps. bzw. Tbl., dann in ca. 2-stündigem Abstand jeweils weitere 2 Kps. oder Tbl. bis zu einer Höchstdosis von ca. 24 Kps. oder Tbl. täglich; in Ausnahmefällen auch höher; bei zu starker Sedierung Dosisreduktion, nach Plateauphase von ca. 3 Tagen dann Clomethiazol ausschleichend absetzen. 5 Eine parenterale Applikationsform steht nicht zur Verfügung. 5 Bei Leberinsuffizienz geringere Dosierung.
7.4 · Präparate
405
7
Nebenwirkungen 5 Häufig: Erhöhte Speichel- und Bronchialsekretion; starke Müdigkeit,
Benommenheit; Kopfschmerzen; Herzklopfen; Missempfindungen wie Taubheit oder Kribbelgefühl; Juckreiz, Hautausschläge, Bindehautentzündung. 5 Selten: Blutdruckabfall, Exantheme, Nies- und Hustenreiz, Tränen der Augen, Magenbeschwerden; Brennen in Hals und Nase, Schnupfengefühl, Hustenreiz; Übelkeit; Erbrechen (nach einigen Behandlungstagen an Intensität abnehmend). 5 In Einzelfällen: Gesichtsödem, Blasenausschläge der Haut, Anstieg der Serumtransaminasen, Ikterus oder cholestatische Hepatitis, ! Absinken in Bewusstlosigkeit, Atemdepression und hypotone Blut-
druckreaktionen. ! Bereits nach relativ kurzfristiger Verordnung ist eine Abhängigkeits-
entwicklung möglich. Clomethiazol maximal 14 Tage und nicht ambulant verordnen. Kontraindikationen 5 Akute Alkohol-, Schlafmittel-, Analgetika-, Psychopharmakaintoxika-
tion. 5 Respiratorische Insuffizienz bzw. obstruktive Lungenerkrankungen
(Gefahr einer Atemdepression). Interaktionen 5 Bei gleichzeitiger Einnahme von anderen psychotrop wirkenden Sub-
stanzen, besonders von Anxiolytika, Hypnotika oder Alkohol, schwer abschätzbare, u.U. massive Wirkungsverstärkung. 5 Unter Cimetidin: Wirkungsverstärkung und -verlängerung. Bewertung
Wirksame und gut steuerbare Substanz zur Unterdrückung und Vorbeugung des gesamten Spektrums von Alkoholentzugssymptomen, insbesondere des Alkoholentzugsdelirs. Clomethiazol sollte wegen des Abhängigkeitspotenzials nur unter stationären Bedingungen und kurzfristig eingesetzt werden.
406
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
Kapitel 7 · Medikamente zur Behandlung von Abhängigkeit…
Clonidin Catapresan (Boehringer Ingelheim) Tbl. 0,075, 0,15, 0,3 mg (20, 50, 100 Tbl.) Kps. 0,25 mg (30, 60, 100 Kps.) (Catapresan Depot Perlongetten) Amp. 0,15 mg/ml (5 Amp.) Clonidin-ratiopharm (ratiopharm) Kps. 0,075, 0,15, 0,3, 0,25 mg (Clonidin retard-ratiopharm) Amp. 0,15 mg/ml (5 Amp.) Clonidin 150/300 Riker (3 M Medica) Tbl. 0,15, 0,3 mg
»Entgiftungsmittel« (Adjuvans) Clonistada 0,15/0,3 (Stada) Tbl. 0,15, 0,3 mg Kps. 0,25 mg (Clonistada retard) Haemiton (ASTA Medica AWD) Tbl. 0,075, 015, 0,3 mg Kps. 0,25 mg (Haemiton uno Retard) Amp. 0,15 mg/ml Mirfat 150/300 (Merckle) Kps. 0,15, 0,3 mg (20 Kps.)) Paracefan (Boehringer Ingelheim) Tbl. 0,1 mg Amp. 0,15 mg/ml
Pharmakodynamik
Zentraler α2-Agonist, dadurch v. a. Aktivitätshemmung noradrenerger Neurone im Locus coeruleus (wichtigstes noradrenerges Kerngebiet im ZNS mit hoher Opiatrezeptordichte, Dämpfung durch Opiate). Eingeführt als Antihypertensivum. Pharmakokinetik 5 t1/2=10–20 h (nach Nierenfunktion); Tmax=1,5–2 h (oral) bzw. 10–15 min
(parenteral). 5 Keine pharmakologisch aktiven Metaboliten. 5 Nahezu vollständige Resorption, renale Elimination.
14
Indikationen und Behandlungshinweise 5 Oral: Opiatentzugssyndromz (Mittel der ersten Wahl). 5 Komedikation (z. B. mit Chlomethiazol) beim Alkoholentzugssyndrom
15
bei im Vordergrund stehender (hypertoner bzw. tachykarder) HerzKreislauf-Symptomatik.
16 17
! Clonidin besitzt weder antikonvulsive noch delirverhütende Eigen-
schaften und ist daher in dieser Indikation nicht zur Monotherapie geeignet und vom BfArM nicht zugelassen.
7.4 · Präparate
407
7
5 Parenteral: Schweres Alkoholentzugssyndrom, jedoch nur unter konti-
nuierlicher intensivmedizinischer Überwachung und mit antikonvulsiver und delirverhütender Komedikation. 5 Bei Intoxikation durch Clonidin: α2-Antagonisten (z. B. Tolazolin), bei Bradykardien Atropin (7 Kap. 16). Dosierung 5 Oral: Beginn mit 3-mal 0,075 mg/Tag; Steigerung bis 0,9 mg/Tag, in Aus-
nahmefällen auch höhere Dosen. Nach Abklingen der Entzugssymptome (Heroin 4–7 Tage, Methadon bis 14 Tage) stufenweise Reduktion innerhalb von 3–5 Tagen. 5 Parenteral: initial Injektion von 0,15–0,6 mg langsam i.v. Tagesdosis nach klinischen Erfordernissen 0,3–4 mg. Wenn notwendig: fortsetzende Applikation über Perfusor. ! Bei schlagartigem Absetzen von Clonidin überschießende Sympathi-
kusreaktionen möglich. Nebenwirkungen 5 Häufig: Sedierung, Müdigkeit, Benommenheit; initial Blutdruckanstieg
bei parenteraler Gabe, später Blutdruckabfall und Pulsverlangsamung, daher sind häufige Blutdruck- und Pulskontrollen notwendig (Dosisreduktion bei Blutdruckabfall unter 90 mmHg systolisch bzw. Pulsfrequenz unter 55/min), Verstärkung vorbestehender Herzrhythmusstörungen (AV-Blockierung, AV-Dissoziation). 5 Gelegentlich: Hautrötung, Pruritus; Kopfschmerzen, Schwindel; Parästhesien; Mundtrockenheit; Obstipation, Übelkeit, Erbrechen; RaynaudSyndrom; Potenz- und Libidominderung; allergische Reaktionen mit Hautrötung, Pruritus. 5 Selten: Schlafstörungen, depressive Verstimmung, Wahrnehmungsstörungen, Sinnestäuschungen, Alpträume, Verwirrtheitszustände; Akkomodationsstörungen; Gewichtsabnahme; Gynäkomastie; Miktionsstörungen. Interaktionen 5 Abschwächung der blutdrucksenkenden Wirkung durch Tolazolin,
TZA oder Antipsychotika möglich. 5 Erhöhte Gefahr von (bradykarden) Herzrhythmusstörungen bei gleich-
zeitiger Therapie mit Herzglykosiden oder β-Blockern.
5 Verstärkung der antihypertensiven Wirkung von Antihypertensiva. 5 Verstärkung der sedierenden Wirkung von zentral dämpfenden Phar-
maka und Alkohol.
408
1 2 3
Kapitel 7 · Medikamente zur Behandlung von Abhängigkeit…
Kontraindikationen 5 Bekannte Allergie gegen Clonidin. 5 Sick-sinus-Syndrom, ausgeprägte (auch asymptomatische) Bradykar-
die oder Hypotonie. 5 Schwangerschaft und Stillzeit. 5 Relative Kontraindikationen: kardiale Vorschädigung, zerebrale Durch-
blutungsstörungen, (insbesondere höhergradige) AV-Blockierungen.
4
Bewertung
5
Mittel der ersten Wahl beim Opiatentzug; sinnvolle Komedikation bei im Vordergrund stehender Herz-Kreislauf-Symptomatik beim Alkoholentzug.
6 7 8 9 10 11 12 13 14
Disulfiram
Entwöhnungsmittel
Antabus (Altana Pharma/Byk Tosse) Tbl. 100 mg (50 Tbl.) (Antabus 0,1 Dispergetten) Tbl. 500 mg (50 Tbl.) (Antabus 0,5 Dispergetten) Pharmakodynamik 5 Irreversible Hemmung der Aldehyd-Dehydrogenase (weniger der Do-
pamin-β-Hydroxylase) durch wirksamen Metaboliten Diethyldithiocarbamat (DDC); Anstieg des Alkoholabbauprodukts Azetaldehyd auf das 10fache, dadurch im Falle eines Alkoholkonsums: sog. DisulfiramAlkohol-Reaktion (DAR, s. u.). Pharmakokinetik 5 Mäßig schnelle Aufnahme nach oraler Gabe (Tmax: ca. 8–10 h); i. Allg.
rascher Wirkungseintritt (10–30 min) nach Einnahme eines einzigen alkoholhaltigen Getränks. 5 Plasmakonzentration: ca. 2400 ng/ml(p).
15
Indikationen und Behandlungshinweise 5 Adjuvans zur Rückfallprophylaxe bei Alkoholabhängigen im Sinne ei-
16
5 Eine vorläufige Studie lässt einen Effekt der Substanz auch in der Be-
17
5 Symptome bei der Disulfiram-Alkohol-Reaktion (DAR): Übelkeit, Er-
ner Aversivbehandlungz. handlung der Opiatabhängigkeit erkennen. brechen; pochender Kopfschmerz, Flush; Durst; Tachypnoe, Dyspnoe; Angst; Herzrasen; Brustschmerz; Schwindel. Intensität mit starken interindividuellen Schwankungen von der Disulfiram- und Alkoholkon-
7.4 · Präparate
5 5 5 5
409
7
zentration abhängig. In Extremfällen: Atemdepression, massive Hypotonie, Arrhythmien, Krampfanfälle, Exitus. Sorgfältige Aufklärung über eine mögliche DAR; kontrollierte Einnahme. Wirkdauer einer DAR ca. 60–180 min mit den oben beschriebenen Symptomen. Eine DAR kann noch 1–2 Wochen nach der letzten Einnahme auftreten. Bei schwerer DAR: Trendelenburg-Position, parenterale Flüssigkeits- und Sauerstoffzufuhr, Antihistaminika, z. B. 50 mg Promethazin (Atosil®) i.v.
Dosierung 5 Orale Zieldosis nach Aufdosierung: 200–500 mg/Tag; ggf. Probetrunk
(2–3 Schlucke eines 40%igen alkoholhaltigen Getränks) nach 5–7 Tagen. Nebenwirkungen
Ohne gleichzeitigen Alkoholkonsum: 5 Häufig: Sedierung; Blutdruckabfall; Mundgeruch, unangenehmer Körpergeruch; Bauchschmerzen; Schweregefühl im Kopf, allergische Reaktionen; Sehstörungen; sexuelle Funktionsstörungen; 5 Gelegentlich: Optikusneuropathien; Obstipation, Durchfall; Kopfschmerzen; Psychotisches Erleben; Hepatotoxizität (Kontrollen der Leberenzyme notwendig). 5 Selten: schwere Ataxien, Dysathrien. 5 In Einzelfällen: Leberversagen. Kontraindikationen 5 Akute Alkohol-, Schlafmittel-, Analgetika-, Psychopharmakaintoxika-
tion. 5 Schwere Hepatopathien; floride Ulzera; kardiale Vorerkrankungen;
Epilepsien; psychotische Störungen. 5 Kombination mit Metronidazol, einigen Antibiotika (Cephalosporine,
Chloramphenicol), MAO-Hemmern und Isoniazid (schwere toxische ZNS-Symptomatik). Interaktionen 5 Reduzierte Clearance von Chlordiazepoxid, Diazepam, Phenytoin,
Desipramin, Imipramin (nicht aber von Oxazepam und Lorazepam) mit entsprechender Wirkungsverstärkung. 5 Acetaldehydsyndrom unter Paraldehyd. 5 s. o. (Kontraindikationen).
410
1 2 3 4 5
Kapitel 7 · Medikamente zur Behandlung von Abhängigkeit…
Bewertung
Aufgrund des Risikos möglicher Komplikationen einer DAR stellt Disulfiram keine Standardtherapie in der Alkoholrückfallprophylaxe dar. Acamprosat ist i. d. R. vorzuziehen. Disulfiram kann im Einzelfall bei complianten, motivierten, sozial stabilen Patienten hilfreich sein; im Vergleich zu Placebo kein positiver Effekt auf Zielparameter wie durchgängige Abstinenz oder Rückfallquote, jedoch mehr alkoholfreie Tage bei nichtabstinenten Patienten. Die Erfolgsrate bei supervidierter Einnahme erscheint günstiger.
Levomethadon
Substitutionsmittel
6 7
L-Polamidon (Aventis Pharma) Lsg. 5 mg/1 ml (100, 500 ml)
8
Pharmakodynamik 5 Synthetischer µ-Opiatrezeptoragonist. Levomethadon ist das L(–)-En-
9
antiomer von Methadon und besitzt die doppelte effektive und analgetische Potenz wie das Razemat aus Levomethadon und rechtsdrehendem D-Methadon.
10 11 12 13
Pharmakokinetik 5 t1/2=ca. 14–55 h (Wirkdauer steigt bei regelmäßiger Einnahme); abso-
lute Bioverfügbarkeit ca. 80%; rasche orale Resorption; Wirkungseintritt nach 1–2 h; Steady state nach 4–5 Tagen. 5 Ausscheidung im Urin (ca. 60%) sowie biliär über die Fäzes. 5 Levomethadon ist nicht dialysierbar. 5 Plasmakonzentration: 200–400 ng/ml(p).
14
Indikationen und Behandlungshinweise 5 Substitutionsbehandlung bei Opiatabhängigkeitz. Diese erfolgt nach
15
den gleichen Regeln, wie sie für die Substitutionsbehandlung mit Methadon gelten (7 Kap. 7.2.3). 5 Überbrückungssubstitution z. B. bei Krankenhausaufenthalten. 5 Eine »Take-home-Vergabe« muss durch den Arzt verordnet werden (s. o.).
16 17
Dosierung 5 Die Dosierung orientiert sich am Auftreten von Entzugssymptomen
und muss individuell ermittelt werden. Zur Vermeidung von Überdo-
7.4 · Präparate
5 5 5 5
411
7
sierungen werden am ersten Tag morgens 15–20 mg Levomethadon (entspricht 3–4 ml Lösung) verabreicht. Bei Bedarf können am ersten Tag zusätzlich 10–25 mg Levomethadon gegeben werden. Bei weiter unzureichender Wirksamkeit kann die Dosis täglich um jeweils 5–10 mg erhöht werden. Nach 1–6 Tagen wird die Tagesdosis einmalig morgens verabreicht. Die Umstellung auf einmalige morgendliche Gaben erfolgt in 5-mg-Schritten. Die Erhaltungsdosis wird nach 1–6 Tagen erreicht und kann bis zu 60 mg betragen. Höhere Dosen dürfen nur in begründeten Einzelfällen bei sicherem Ausschluss von Nebenkonsum eingenommen werden. Bei Patienten im höheren Lebensalter, in reduziertem Allgemeinzustand oder mit moderaten oder schweren Nieren- oder Leberfunktionsstörungen wird eine reduzierte Dosis empfohlen.
Nebenwirkungen 5 Häufig: Abhängigkeitsentwicklung vom Opiattyp; zu Beginn der Be5
5 5 5
handlung bei unzureichender Dosierung Symptome des Opiatentzugs (. Tabelle 7.2). Gelegentlich: Atemdepression; Sedierung; Übelkeit, Erbrechen; Bradykardie; Hyperhidrose; Appetitlosigkeit; Desorientiertheit; Sehstörungen; Mundtrockenheit, Obstipation, Gallenwegkoliken; Stimmungsschwankungen, Antriebslosigkeit; Blasenentleerungsstörungen; sexuelle Funktionsstörungen; Menstruationsstörungen; grippeartiges Gefühl, Kopfschmerzen, Asthenie, Muskel- und Gelenkschmerzen, Rhinitis. Selten: orthostatische Hypotonie; Verlängerung des QT-Intervalls mit Gefahr einer Arrhythmie (Torsade de pointes); Flush; Atemstillstand; EEG Veränderungen. Herabgesetztes Reaktionsvermögen, schließt die aktive Teilnahme am Straßenverkehr aus. Das genotoxische und kanzerogene Potenzial von Levomethadon ist noch nicht ausreichend beurteilbar (schwach klastogenes Potenzial, aber in Langzeitstudien bei Ratte und Maus kein karzinogenes Potenzial); zur Reproduktionstoxizität können Erkenntnisse zu D,L-Methadon herangezogen werden (Beeinträchtigung der Fertilität männlicher Ratten, vermindertes Ejakulatvolumen bei Männern).
Kontraindikationen 5 Akute Alkohol-, Schlafmittel-, Analgetika-, Psychopharmakaintoxikation. 5 Bekannte Überempfindlichkeit gegen Levomethadon. 5 Behandlung mit Narkotika-Antagonisten oder Agonisten/Antagonis-
ten (Ausnahme: Behandlung einer Überdosierung).
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Kapitel 7 · Medikamente zur Behandlung von Abhängigkeit…
5 Behandlung mit MAO-B-Hemmern. 5 Relative Kontraindikationen: Vorliegen einer Bewusstseinsstörung,
gleichzeitiger Anwendung von anderen zentral dämpfenden bzw. atemdepressiven Substanzen; Suizidalität; erhöhter intrakranieller Druck; Hypotension und Hypovolämie; moderate bis schwere Beeinträchtigung des Atemzentrums, Erkrankungen der Atemorgane; Pankreatitis; Prostatahypertrophie mit Restharnbildung; Gallenwegserkrankungen; obstruktive und entzündliche Darmerkrankungen; Hypothyreoidismus; Phäochromozytom; verlängertem QT-Intervall, Bradykardie, Hypokaliämie und Antiarrhythmika Klasse I–III. ! Eine strenge Indikationsstellung und besondere ärztliche Überwa-
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chung ist nötig bei Schwangerschaft und Stillzeit (Levomethadon tritt in die Muttermilch über, vom Stillen wird abgeraten).
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Interaktionen 5 Gleichzeitige Einnahme von psychotropen Substanzen (Medikamen-
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te, Alkohol, andere Drogen) kann zu wechselseitiger Wirkungsverstärkung mit dem Risiko einer letalen Überdosierung führen. 5 Kombinationen mit Opiatantagonisten, Agonisten/Antagonisten, partiellen und vollen Agonisten sind zu vermeiden. Buprenorphin darf frühestens 24 h nach Absetzen von L-Polamidon-Lösung zur Substitution angewendet werden. 5 Erniedrigte Serumkonzentrationen möglich bei gleichzeitiger Einnahme von: Rifampicin, Carbamazepin, Flunitrazepam, Phenobarbital, Spironolacton, Rifabutin, Indinavir, Saquinavir. 5 Erhöhte Serumkonzentrationen möglich bei gleichzeitiger Einnahme von: Antiarrhythmika, Cimetidin, Clarithromycin, Erythromycin, Fluconazol, Fluvoxamin, Itroconazol, Ketoconazol, Kontrazeptiva, Proteaseinhibitoren.
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Bewertung
Sinnvolle Alternative zur Substitution mit Methadon; Überbrückungssubstitution möglich; bei Dosierungsangaben ist wegen der Verwechslungsgefahr Levomethadon oder Razemat des Methadons immer zu spezifizieren.
16 Methadon
17 Methaddict (AddiCare) Tbl. 5, 10 mg (20, 50, 100 Tbl.) Tbl. 40 mg (20, 50, 75 Tbl.)
Substitutionsmittel
7.4 · Präparate
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Pharmakodynamik 5 µ-Opioidrezeptoragonist. 5 Razemat aus linksdrehendem Levomethadon und rechtsdrehendem D-
Methadon. 5 Levomethadon besitzt die doppelte effektive und analgetische Potenz
wie das Razemat Methadon. Bei Dosierungsangaben ist stets darauf zu achten, ob diese sich auf Methadon oder Levomethadon beziehen! Pharmakokinetik 5 t1/2=ca. 24–48 h (kann bei Opiatabhängigen deutlich verlängert sein). 5 Relativ schnelle Absorption; extensive hepatische Metabolisierung,
Ausscheidung sowohl renal als auch biliär. 5 Zu ca. 2% aktive Metaboliten (Methadol und Normethadol). 5 Hohe Gewebebindung (Methadon kann noch Wochen nach letzter Ein-
nahme im Gewebe nachweisbar sein). 5 Analgetische Wirkdauer: 4–6 h; eine methadoninduzierte Atemdepres-
sion kann bis zu 75 h anhalten. 5 Plasmakonzentration: 400–800 ng/ml(p). Indikationen und Behandlungshinweise 5 Substitutionsbehandlung bei Opiatabhängigkeitz. 5 Bei hohen Dosen ist auf prädisponierende Faktoren für das Auftreten
von Torsades de pointes (Brachykardie, Hypokaliämie, angeborenes QT-Syndrom, Medikamente die die Metabolisierung über CYP 3A4 beeinflussen) zu achten; EKG-Kontrollen empfohlen. Dosierung 5 Für jeden Patienten individuell zu bestimmen; Bandbreite der verord-
neten Dosen: Methadon: 5–100 mg/Tag. 5 Methadon muss ausreichend hoch dosiert werden: >60 mg/Tag, sonst
vermehrt Beigebrauch anderer Opiate oder anderer Drogen oder Suchtmittel wie z. B. Kokain. 5 Initial 30 mg Methadon pro Tag in zwei Tagesdosen, unabhängig von bisher eingenommener Heroindosis; langsame Dosiserhöhung alle 1– 2 Tage in 5–10-mg-Schritten (Methadon) bis zur Erhaltungsdosis (einmal täglich). 5 Spätere Dosisänderungen nur sukzessiv: wöchentlich 5–10 mg Methadon. 5 Pro Patient bzw. pro BtM-Rezept dürfen höchstens 3000 mg Methadon innerhalb von 30 Tagen verschrieben werden (je Anwendungstag nicht mehr als 300 mg Methadon).
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Kapitel 7 · Medikamente zur Behandlung von Abhängigkeit…
5 Täglich kontrollierte Abgabe an den Patienten mit supervidierter Ein-
nahme »Take-home-Verfahren« nur bei längerfristig stabilen Patienten ohne Beigebrauch. Nebenwirkungen 5 Häufig: Abhängigkeitsentwicklung vom Opiattyp; zu Beginn der Be-
handlung bei unzureichender Dosierung Symptome des Opiatentzugs (. Tabelle 7.2). 5 Gelegentlich: Desorientiertheit; Atemdepression; Sedierung; Übelkeit, Erbrechen; Bradykardie; Hyperhidrose; Appetitlosigkeit; Sehstörungen; Kopfschmerzen, Mundtrockenheit, Obstipation, Gallenwegkoliken; Stimmungsschwankungen; Antriebslosigkeit; Blasenentleerungsstörungen; sexuelle Funktionsstörungen, Menstruationsstörungen; Grippeartiges Gefühl, Kopfschmerzen, Asthenie, Muskel- und Gelenkschmerzen, Rhinitis. 5 Selten: orthostatische Hypotonie; Verlängerung des QT-Intervalls mit Gefahr einer Arrhythmie (Torsade de pointes); Flush; Atemstillstand; EEG Veränderungen 5 Herabgesetztes Reaktionsvermögen, schließt die aktive Teilnahme am Straßenverkehr aus.
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Kontraindikationen 5 Akute Alkohol-, Schlafmittel-, Analgetika-, Psychopharmakaintoxika-
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5 Überempfindlichkeit gegen Methadon, Bewusstseinsstörungen, insbe-
tion.
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sondere mit Atemdepression (z. B. im Rahmen von Psychopharmakaintoxikationen). Behandlung mit MAO-Hemmern. Behandlung mit Narkotika-Antagonisten oder Opiatagonisten/-antagonisten. Polytoxikomanie, Kombination mit opioidhaltigen Analgetika. Heroinabhängigkeit unter 2 Jahren Dauer, intermittierende Heroinabhängigkeit mit längeren drogenfreien Intervallen. Relative Kontraindikationen: erhöhter Hirndruck; Hypotension bei Hypovolämie; Prostatahypertrophie mit Restharnbildung; Gallenwegserkrankungen, obstruktive und entzündliche Darmerkrankungen; Phäochromozytom. Erhöhte Vorsicht bei Lebererkrankungen (Störung der Biotransformation von Methadon möglich).
7.4 · Präparate
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7
Interaktionen 5 Erniedrigte Methadonplasmaspiegel unter Rifampizin, Phenobarbital und Phenytoin (Enzyminduktion; . Tabelle 16.4 und 16.5) oder Anta-
zida (Resorptionshemmung). 5 Erhöhung der Methadonplasmakonzentration unter Erythromycin
oder Fluvoxamin. 5 Bei Kombination mit dem HIV-Proteasehemmer Efaviren sinken die 5 5 5 5
Methadonplasmaspiegel durch Enzyminduktion um über 50%. Dosisanpassung von Methadon erforderlich. Erhöhte Desipraminplasmaspiegel unter Methadon. Effekte einiger Antihypertensiva (z. B. Reserpin, Prazosin, Clonidin) können durch Methadon verstärkt werden. Vorsicht bei Kombination mit anderen stark wirksamen Analgetika. Weitere Interaktionen s. o. (Kontraindikationen).
Bewertung
Sinnvoll zur Substitutionsbehandlung bei Opiatabhängigen, für die eine drogenfreie Behandlung nicht in Frage kommt oder die mehrmals erfolglos behandelt worden sind; bisher sind keine Leitlinien zur Dauer einer Methadonsubstitution bekannt; das Rückfallrisiko ist nach Absetzen von Methadon hoch. Neue Hinweise auf kardiale Risiken bei hoher Dosis.
Naltrexon
Entwöhnungsmittel
Nemexin (Bristol Myers Squibb) Tbl. 50 mg (50 Tbl.) Pharmakodynamik 5 Kompetitiver µ-Opioidrezeptorantagonist (etwa zweifache Wirkstärke
von Naloxon). 5 Keine klinisch relevante intrinsische Wirkung. Pharmakokinetik 5 t1/2=ca. 4 h (Naltrexon) bzw. 13 h (Metabolit 6β-Naltrexol) (lange an-
haltende Opioidrezeptorblockade, Halbwertszeit 3–4 Tage!); orale Bioverfügbarkeit ca. 20%; hoher First-pass-Metabolismus. 5 Hauptmetabolit 6β-Naltrexol ebenfalls opiatantagonistisch wirksam, weiterer Metabolit 6α-Naltroxol mit agonistischer Wirkung. 5 Rasche Absorption nach oraler Gabe (im Gegensatz zu Naloxon). 5 Plasmakonzentration: ca. 9 ng/ml(p).
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Kapitel 7 · Medikamente zur Behandlung von Abhängigkeit…
Indikationen und Behandlungshinweise 5 Medikamentöse Unterstützung der psychotherapeutisch geführten Ent-
wöhnungsbehandlung bei Opiatabhängigkeitz (nach erfolgter Entgiftung). 5 Kein eigenes Abhängigkeitspotenzial. 5 Vor Behandlungsbeginn sollte ein Intervall von 7–10 Tagen ohne Opiateinnahme gesichert sein (Drogenscreening im Urin; im Zweifel fraktionierte Testinjektion von 0,2–2 mg/Tag Naloxon (7 Kap. 17.6.1). 5 Hinweise zur Wirkung bei der Rückfallprophylaxe der Alkoholabhängigkeit; bislang vom BfArM nicht zugelassen (s. u.). Dosierung 5 Initiale Dosis: ½ Tbl. falls nach 1 h keine Entzugssymptome auftreten,
kann die restliche ½ Tbl. verabreicht werden. 5 Übliche Tagesdosis: 1 Tbl. (50 mg), Einnahme durch Patienten selbst
oder supervidiert. 5 Wegen der langen Rezeptordissoziationshalbwertszeit sind Variationen
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des Dosierungsschemas möglich, z. B. montags 2 Tbl., mittwochs 2 Tbl. und freitags 3 Tbl. als Einmalgabe. Nebenwirkungen 5 Häufig: Erbrechen, Übelkeit, Bauchschmerzen und -krämpfe; Schlaf-
störungen, Antriebsschwäche, Angstzustände; Gelenk- und Muskelschmerzen, Kopfschmerzen; Symptome des Opiatentzugs (s. u.), diese Begleiterscheinungen können auch bei nicht mit Nemexin behandelten Patienten während des Opiatentzugs auftreten. 5 Gelegentlich: Müdigkeit; Veränderung des Blutdrucks, Schwindel, Hitzeflush; Herzklopfen; Hyperkinesie, Tremor; Sehstörung; Agitiertheit, Verwirrtheit, Euphorie, psychotisches Erleben, Depression; Leberfunktionsstörung (Vorsicht bei Patienten mit eingeschränkter Leber- und/ oder Nierenfunktion); Hautausschläge. 5 In Einzelfällen: In einem Fall idopathische trombozytopenische Purpura. Kontraindikationen 5 Akute Alkohol-, Schlafmittel-, Analgetika-, Psychopharmakaintoxi-
kation. 5 Bekannte Überempfindlichkeit gegenüber Naltrexon. 5 Akute Hepatitis, schwere Leberfunktionsstörungen. 5 Noch nicht erfolgte Opiatentgiftung, Entzugssymptome im Naloxon-
test (s.o.); gleichzeitige Behandlung mit Opiatanalgetika.
7.4 · Präparate
417
7
Interaktionen 5 Verminderte Wirkung von opiathaltigen Medikamenten (Hustenmit-
tel, Medikamente gegen Durchfall, opioiderge Analgetika) durch Naltrexon, daher sollte die gleichzeitige Gabe vermieden werden. 5 Bei Opiatabhängigen kann ein Entzugssyndrom ausgelöst werden. 5 Benötigt ein Patient in Notfallsituationen Opiatanalgetika, kann die zur Analgesie erforderliche Dosis höher sein. ! Patienten müssen über folgende Gefährdungen eingehend aufge-
klärt werden: Es besteht Lebensgefahr bei der Selbstverabreichung hoher Dosen von Opiaten unter Naltrexongabe, da die opiatantagonistische Wirkung von Naltrexon durchbrochen werden kann: Gefahr einer lebensgefährlichen opiatinduzierten Atemdepression mit HerzKreislauf-Stillstand. Es besteht Lebensgefahr bei der Selbstverabreichung auch relativ niedriger Dosen von Opiaten nach Absetzen von Naltrexon, da aufgrund einer Supersensitivität von Opiatrezeptoren Opiatwirkungen stärker ausgeprägt sein können (bis hin zur Gefahr einer lebensgefährlichen opiatinduzierten Atemdepression mit HerzKreislauf-Stillstand). Bewertung
Sinnvoll als medikamentöse Unterstützung bei der Entwöhnungsbehandlung von Opiatabhängigen nach erfolgter Opiatentgiftung bei hochmotivierten Patienten mit guter Compliance und ausreichender sozialer Integration. Für die Indikation einer Rezidivprophylaxe bei Alkoholabhängigkeit ist die Datenlage eingeschränkt positiv, eine Zulassung besteht nicht.
Nikotin
Entwöhnungsmittel
Nicorette (Pfizer)
Nicotinell Kaugummi (Novartis)
Nicorette Membranpflaster (Pfizer)
nikrofenon (Hefa Pharma)
Nicorette Nikotin-Kaugummi (Pfizer)
NiQuitin Lutschtabletten (GSK)
Nicotinell TTS (Novartis)
NiQuitin Transdermales Pflaster (GSK)
Pharmakodynamik 5 Agonist (niedrige Dosen) bzw. Antagonist (höhere Dosen) an nikotini-
schen ACh-Rezeptoren.
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Kapitel 7 · Medikamente zur Behandlung von Abhängigkeit…
Pharmakokinetik 5 t1/2= ca. 2 h. 5 Keine pharmakologisch aktiven Metaboliten, vorwiegend hepatische
Metabolisierung über CYP 2A6 mit Bildung von Cotinin. 5 Resorption über Haut bzw. Mundschleimhaut. 5 Bei Applikationsform Kaugummi starke Schwankungen der Plasma-
konzentration, bei Pflasterapplikation gleichmäßige Nikotinplasmaspiegel. Indikationen und Behandlungshinweise 5 Behandlung des Nikotinentzugssyndromsz und Unterstützung der Rau-
cherentwöhnung im Rahmen von Raucherentwöhnungsprogrammenz. Die Wirkung der Nikotinersatztherapie kann durch die Teilnahme an einem verhaltenstherapeutischem Raucherentwöhnungsprogramm gesteigert werden. 5 Klinische Wirkung biphasisch: zunächst stimulierend, bei höheren Dosierungen aber sedierend; niedrigere Dosen steigern den Atemantrieb, hohe Dosen können zur Atemdepression führen. 5 Die Nikotinersatztherapie kann die Symptome eines Nikotinentzugssyndroms, wie z. B. Reizbarkeit, innere Unruhe, Stimmungsschwankungen bis hin zu depressiven Syndromen, Konzentrationsstörungen, Appetitsteigerung und Gewichtszunahme mildern. Dosierung 5 Kaugummi: Raucher mit einem Konsum bis zu 20 Zigaretten täglich:
ein 2-mg-Kaugummi/h. Stärkere Raucher: ein 4-mg-Kaugummi/h, jedoch nicht mehr als 16 Kaugummi/Tag; nach 4–6 Wochen Dosisreduktion, nach 12 Wochen Beendigung des Konsums. 5 Lutschtabletten: Raucher mit einem Konsum bis zu 20 Zigaretten oder Konsum später als 30 min nach dem Aufstehen: eine 2-mg-Lutschtablette/h in Abhängigkeit vom Rauchverlangen. Stärkere Raucher: eine 4-mg-Lutschtablette/h in Abhängigkeit vom Rauchverlangen, jedoch nicht mehr als 15 Lutschtabletten/Tag; nach 4–6 Wochen Dosisreduktion, nach 12 Wochen Beendigung des Konsums. 5 Pflaster: Raucher bis zu 20 Zigaretten täglich ein 20-cm2-Pflaster/Tag, stärkere Raucher: zunächst Pflaster mit größerer Wirkstofffreigabe; nach 4–6 Wochen Übergang auf ein kleineres Pflaster, nach 12 Wochen Beendigung des Konsums. 5 Kaugummi bzw. Pflaster sind abzusetzen, wenn nicht innerhalb von 4 Wochen der Anwendung das Rauchen eingestellt werden kann.
7.4 · Präparate
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7
Nebenwirkungen
Für alle Applikationsformen: 5 Häufig: Grundsätzlich ähnliche Nikotinnebenwirkungen wie beim Rauchen: Kopfschmerz, Schwindel, Übelkeit, Tachykardie, vorübergehende leichte Hypertonie, periphere Vasokonstriktion; Erkältungs- und grippeartige Symptome. 5 Gelegentlich: Schlaflosigkeit; Schwindel; Muskelschmerz; Übelkeit, Bauchschmerzen, Verstopfung, Diarrhö; Schmerzen im Thorax; Blutdruckveränderungen. 5 Selten: Hitzewallungen; lokales Ödem, Gewichtszunahme; Extrasystolen, Hypertonie, Palpitationen; Magengeschwür, Mundtrockenheit, Flatulenz. 5 In Einzelfällen: allergische Reaktionen. 5 Pflaster: Hautreaktionen (Exantheme und Erytheme, Pruritus, Ödeme, Blasenbildung). 5 Kaugummi: Reizungen im Rachenraum, vermehrter Speichelfluss, gastrointestinale Störungen. Kontraindikationen 5 Instabile Angina pectoris, Zustand nach frischem Myokard- oder Hirn-
infarkt, schwere Herzrhythmusstörungen; Überempfindlichkeitsreaktionen der Haut. 5 Relative Kontraindikationen: stabile Angina pectoris, älterer Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz, Arteriosklerose, Hypertonie; Nieren- und Leberinsuffizienz; Hyperthyreose; Diabetes mellitus; Gastritis und akute Magen- und Duodenalulzera. Interaktionen 5 Durch im Rauch enthaltene polyzyklische Kohlenwasserstoffe kann es durch eine Enzyminduktion (CYP 1A2, 7 Kap. 16) zu verstärktem Me-
tabolismus verschiedener Pharmaka (z. B. Imipramin, Clomipramin, Clozapin) kommen. 5 Nach Aufgeben des Rauchens und Umstellung auf Entwöhnungsmittel ist mit einem Ansteigen der Plasmaspiegel verschiedener über CYP 1A2 verstoffwechselter Psychopharmaka (z. B. Clozapin oder Olanzapin) und vermehrten Nebenwirkungen zu rechnen. Eine Dosisreduktion dieser Medikamente, wenn möglich mit Kontrolle der Plasmakonzentration, wird empfohlen.
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Kapitel 7 · Medikamente zur Behandlung von Abhängigkeit…
Bewertung
Anwendung insbesondere sinnvoll im Rahmen der Raucherentwöhnung im Zusammenhang mit erweitertem, verhaltenstherapeutisch orientiertem Entwöhnungsprogramm.
8 Medikamente zur Behandlung von sexuellen Störungen 8.1
Übersicht
Sexuelle Störungen lassen sich bei Männern und Frauen im Wesentlichen in 3 Funktionsbereiche einteilen: 5 Sexuelles Interesse und Verlangen (Libidostörungen) 5 Sexuelle Erregungs- und Reaktionsfähigkeit (Erektionsstörungen beim Mann, Störungen der Lubrikation und sexuellen Erregung bei der Frau) 5 Sexuelles Erleben (Orgasmusstörungen, beim Mann auch Ejakulationsstörungen) Prinzipiell treten sowohl Störungen mit gesteigerter oder qualitativ abnormer Funktion (v. a. Libidostörungen) als auch – viel häufiger – Funktionseinschränkungen auf. Folgende Störungen sind im Rahmen der psychiatrischen Pharmakotherapie – weitgehend oder auch nur ansatzweise – zu beeinflussen: 5 Vermindertes sexuelles Verlangen (als primäre Störung) 5 Erektionsstörungen (Schwierigkeit, eine für einen befriedigenden Geschlechtsverkehr notwendige Erektion zu erlangen oder aufrecht zu erhalten) 5 Störungen der sexuellen Erregung bei der Frau (v. a. mangelnde oder fehlende Lubrikation) 5 Ejaculatio praecox (Unfähigkeit, die Ejakulation ausreichend zu kontrollieren, damit der Geschlechtsverkehr für beide Partner befriedigend ist), Ejaculatio retarda und Anejakulation 5 Substanzinduzierte, v. a. medikamentös bedingte, sexuelle Funktionsstörungen 5 Gesteigertes sexuelles Verlangen und sexuelle Paraphilien Für andere Diagnosen im Bereich sexueller Störungen sind derzeit keine pharmakotherapeutischen Ansätze bekannt. Sexuelle Funktionsstörungen sind in der Bevölkerung und insbesondere bei Patienten mit psychiatrischen Störungen (z. B. depressive Störungen, Schizophrenien, Abhängigkeitserkrankungen, Angststörungen) häufig.
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5 Altersabhängigkeit und Komorbidität mit Diabetes mellitus sowie 5 5
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Kapitel 8 · Medikamente zur Behandlung von sexuellen Störungen
5 5
Herz- und Kreislauferkrankungen sind v. a. bei erektilen Funktionsstörungen zu beachten. Etwa 50% aller Männer zwischen dem 40. und 70. Lebensjahr leiden unter einer Störung der Erektion, die häufig mit einer Beeinträchtigung der Lebens- und Partnerschaftsqualität einhergeht. Nach epidemiologischen Untersuchungen kann auch davon ausgegangen werden, dass unabhängig von psychiatrischen Störungen bei 20– 50% der erwachsenen Frauen zumindest eine sexuelle Funktionseinschränkung besteht. Während bei Männern Ejaculatio praecox und erektile Dysfunktionen deutlich überwiegen, sind es bei Frauen v. a. Libidostörungen, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr und Orgasmusstörungen. Sehr häufig führen auch Drogen und Medikamente (v. a. Psychopharmaka, aber auch internistische Medikamente, z. B. Antihypertensiva) zu sexuellen Dysfunktionen oder verschlechtern vorbestehende sexuelle Störungen.
Sexuelle Funktionsstörungen erfordern immer eine eingehende interdisziplinäre Diagnostik und Therapie. Grundlage einer Therapie ist die ausführliche Sexualanamnese (z. B. Erkennen der psychosozialen und interpersonalen Situation, sexuelle Vorerfahrungen einschließlich Missbrauchserfahrungen) und der Ausschluss somatischer (z. B. Gefäßerkrankungen, Diabetes mellitus, Hypothyreose und andere endokrine Störungen, neurologische Erkrankungen, andrologische bzw. gynäkologische Erkrankungen und Operationen) und psychiatrischer Ursachen (z. B. depressive Störungen, Angststörungen). Die Behandlung besteht, indikationsabhängig mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung, zumeist aus einer Kombination aus Psychotherapie (i. d. R. Verhaltenstherapie, Paartherapie) und medikamentösen Maßnahmen im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplans. Es werden hier die pharmakotherapeutischen Ansätze beschrieben. Wird eine hormonelle Therapie erwogen, ist immer der Urologe bzw. Gynäkologe und ggf. der Endokrinologe einzubeziehen.
16
8.2
Indikationen
17
8.2.1
Vermindertes sexuelles Verlangen
5 Es gibt offene Studien über positive Effekte von Bupropion in niedriger
Dosis (75 mg). Begründet wird die mögliche Wirksamkeit von Bupro-
8.2 · Indikationen
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8
pion v. a. durch die zentrale Dopaminrückaufnahmehemmung, die für die Steigerung des sexuellen Verlangens verantwortlich gemacht wird. Positive Einzelfallberichte bestehen zum Einsatz von Amantadin und Yohimbin bei Libidostörungen von Männern und Frauen (s. u.). 5 Untersuchungen zu endokrinologischen Therapiemaßnahmen, v. a. mit der Testosteronsubstitution, zeigten keine einheitlich positiven Befunde. Auch die Dosisempfehlung ist unklar. Diskutiert wird die NutzenRisiko-Abschätzung von DHEA (Dehydroepiandrosteron) auf der einen Seite mit einem beschriebenen Aktivierungspotenzial, auf der anderen Seite mit der Gefahr eines Zellwachstums, z. B. bei nicht erkanntem Prostatakarzinom bei Männern. 5 Bei Frauen mit postmenopausaler Libidoverminderung gibt es hormonelle Therapieansätze mit Tibolon (Liviella®), einem synthetischen Steroid mit kombinierter östrogenerger, progesteronerger und androgener Aktivität (gonadomimetisch). Neben Verbesserungen postmenopausaler Beschwerden zeigen einige Untersuchungen eine Verbesserung des sexuellen Verlangens. Allerdings muss auf das erhöhte Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen und Mammakarzinom bzw. ein erhöhtes Schlaganfallrisiko bei Einnahme von niedrigdosierten Östrogenen in der Menopause deutlich hingewiesen werden. 5 Derzeit werden niedrig dosierte Testosterongaben bei sexuellen Appetenz- und Erlebensstörungen auch bei Frauen untersucht. Mögliche Nebenwirkungen (v. a. Virilisierung) sind zu beachten (s. u.). 8.2.2
Erektionsstörungen
Die Unterscheidung in psychogene oder somatogene Ursachen erektiler Dysfunktionen ist oft nicht zielführend, in den meisten Fällen sind psychologische, somatische und soziale Aspekte beteiligt und lassen sich schwerlich trennen. Es besteht eine deutliche Abhängigkeit vom Alter und eine deutliche Häufung bei internistischen (v. a. arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus) und neurologischen (z. B. MS) Erkrankungen sowie nach urologischen Operationen (Prostatektomie). Die verschiedenen Faktoren sollten durch sorgfältige Anamnese, Untersuchung und interdisziplinäre Zusammenarbeit geklärt und multimodal behandelt werden. Der Therapieschwerpunkt bei den Erektionsstörungen hat sich seit der Einführung von Sildenafil und weiterer selektiver Phosphodiesterase-Typ 5-Inhibitoren (PDE-5-Hemmer) sehr stark auf die orale Medikation verlagert, die von der überwiegenden Mehrheit der Patienten bevorzugt wird. Alternativen (lokale Applikation von Prostaglandinen und mechanische Hilfen wie z. B. Vakuumpumpen und Penisprothesen) haben deutlich an Bedeutung verloren.
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Kapitel 8 · Medikamente zur Behandlung von sexuellen Störungen
Trotz der bedeutsamen medikamentösen Therapieerfolge ist die psychotherapeutische Führung, wenn möglich immer unter Einbeziehen der Partner, Voraussetzung für eine adäquate und längerfristig erfolgreiche Behandlung. 5 Hauptansatzpunkt der oralen Pharmakotherapie mit PDE-5-Hemmern ist die Regulation der Erektion durch die L-Arginin/Stickstoffmonoxid (NO)-Synthase/NO/zyklisches Guanosinmonophosphat (cGMP)/Calcium-Kaskade: Sexuelle Stimulation → penile NO-Ausschüttung durch Endothel- und nonadrenerge-noncholinerge Nervenzellen (NANC) → Aktivierung der Guanylzyklase → cGMP-vermittelte Verminderung des Ca-Einstroms in die glatte Muskulatur des Corpus cavernosum → Relaxation der glatten Muskulatur →Bluteinstrom in Cavernosum-Sinusoide → Erektion. – Sildenafil, Vardenafil und Tadalafil hemmen relativ selektiv die Isoform Typ 5 der Phosphodiesterase (Hauptvorkommen Corpus cavernosum, Gefäße, Thrombozyten), wodurch es bei sexueller Erregung zum verminderten Abbau von cGMP und somit zum verminderten Kalziumeinstrom und zur Erektion kommt. Vardenafil erreicht nach oraler Einnahme am schnellsten maximale Plasmaspiegel, Tadalafil hat eine deutlich längere Halbwertszeit als Sildenafil und Vardenafil. – Die umfangreichsten Erfahrungen liegen derzeit für Sildenafil vor; erste Langzeituntersuchungen (1–2 Jahre) mit Vardenafil und Tadalafil ergaben im wesentlichen die bekannten Nebenwirkungen und keinen Hinweis auf einen signifikanten Wirkungsverlust. – Erste direkte Vergleichsstudien zwischen den zugelassenen PDE5-Inhibitoren zeigten keine bedeutsamen Unterschiede bezüglich Wirksamkeit und Verträglichkeit zwischen Sildenafil (50–100 mg), Vardenafil (5–20 mg) und Tadalafil (10–20 mg). Auch bezüglich der Präferenz lassen sich derzeit keine generellen Schlussfolgerungen ziehen; die Bevorzugung einer Substanz hängt insbesondere vom individuellen Einsatzwunsch (Wirkdauer) und den Wirkungs- und Verträglichkeitserfahrungen ab. – Sildenafil und Vardenafil zeigen neben der PDE-5-Hemmung relevante Aktivität als Inhibitoren der PDE 6 (Hauptvorkommen: Retina), Tadalafil als Inhibitor der PDE 11 (Hauptvorkommen: Hoden, Herz, Skelettmuskel, Prostata). Dadurch lassen sich teilweise Neben-
8.2 · Indikationen
5
5
5
5
425
8
wirkungen erklären, für Sildenafil und Vardenafil Störungen des Farbensehens, für Tadalafil Rückenschmerzen und Myalgien. Neuere pharmakologische Ansätze beziehen sich auf die Weiterentwicklung von länger wirksamen hochselektiven PDE-5-Inhibitoren, aber auch auf andere Angriffspunkte, die eine vermehrte Verfügbarkeit von NO zum Ziel haben: – Bereits eine frühere kleine offene Studie konnte für L-Arginin, dem Präkursor des endogen entstehenden NO, bei oraler Applikation eine schwache Wirksamkeit bei erektiler Dysfunktion nachweisen. Eine neuere Studie zeigte bei zusätzlicher Gabe von Pycnogenol, einem NO-Synthase-Aktivator, deutlich positivere Befunde. – Aktuell werden u. a. Guanylat-Zyklase-Aktivatoren (YC-1), Rho-Kinase-Inihibitoren (Y-27632), zentrale Melanocortin-Rezeptoragonisten (Melanotan II), die über eine Erhöhung der NO-Konzentration wirken, und NO-freisetzende PDE-5-Inhibitoren geprüft. Länger bekannt ist die erektionsfördernde Wirkung des zentral an D1und D2-Dopaminrezeptoren agonistisch wirkenden Apomorphins. Dopaminerge Neurone im Nucleus paraventricularis innervieren oxytocinerge neuronale Zellen mit Projektionen u. a. in den Hippokampus, die Medulla oblongata und spinale Areale mit proerektogener Wirkung. Die erektionsfördernde Apomorphinwirkung ist dabei Testosteron- und NOabhängig. Wegen starker Nebenwirkungen, insbesondere Nausea (bei einer Dosis von 6 mg bis über 40%), fand dieses dosisabhängige Wirkprinzip bisher keine weitreichende Anwendung. Bei sublingualer Applikation niedriger Dosen sollen diese Nebenwirkungen geringer sein. Die Effizienz von Apomorphin ist geringer als die der PDE-5-Inhibitoren. Auf spinaler Ebene gibt es Hinweise für eine serotonerge Regulation der Erektion mit inhibitorischen Effekten von 5-HT1A/B-Rezeptoren sowie proerektogenen Effekten durch 5-HT2C-Rezeptoren. Untersuchungen mit dem Antidepressivum Trazodon (u. a. partieller 5-HT1A/2AAntagonist, 5-HT2C-Agonist, α-Antagonist) bei erektiler Dysfunktion konnten in placebokontrollierten Studien keinen Wirksamkeitsnachweis erbringen, auch wenn Fallberichte und offene Studien positive Ergebnisse wiederholt nahe legen. Für Yohimbin gibt es insgesamt keine überzeugenden Studienergebnisse, offene Studien und Tierversuche belegen jedoch eine gewisse Effizienz bei der Verbesserung der Schwellkörper-Erektilität. Der Wirkmechanismus besteht vorrangig in einer vermehrten Noradrenalinausschüttung aufgrund präsynaptischer α2-Blockade. Yohimbin ist für die Behandlung der erektilen Dysfunktion (insbesondere bei vermuteter »psychogener« Verursachung) zugelassen, spielt insgesamt aber zur Therapie der erektilen Dysfunktion eine untergeordnete Rolle.
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Kapitel 8 · Medikamente zur Behandlung von sexuellen Störungen
5 Für den peripheren α½-Antagonisten Phentolamin (Nebenwirkungen
v. a. Rhinitis, Schwindel und Kopfschmerzen) wurden bei oraler Verabreichung dosisabhängig schwach positive Ergebnisse in einer Untersuchung bei Patienten mit erektiler Dysfunktion berichtet (keine Zulassung in dieser Indikation). 5 Hormonelle Interventionen (z. B. Testosteronsubstitution) erscheinen bei nachgewiesenem Hypogonadismus empfehlenswert und stellen primär urologische Behandlungsmethoden dar. Zufriedenstellende placebo-kontrollierte Untersuchungen bei Erektionsstörungen ohne Hormonmangel fehlen. 5 Vor der Einführung von Sildenafil stellten intrakavernöse Injektionen von Alprostadil (Prostaglandin E1, Schwellkörperautoinjektionstherapie [SKAT]) und Papaverin (aus Opiumpflanze; gefäßrelaxierende Wirkung, auch in Kombination mit Phentolamin) sowie deren transurethrale Applikationen (Alprostadil [MUSE]) eine zuverlässige Behandlungsstrategie dar; der Patient erlernte die Selbstapplikation vor gewünschter sexueller Aktivität. Aufgrund der Komplikationen wie Fibrosen, Hypotonien und Priapismus (über 5% bei Alprostadil) kommen diese Verfahren lediglich bei Therapieversagen bzw. Kontraindikationen der oralen Pharmakotherapie zum Einsatz. 5 Als sichere Verfahren, die bei Therapieversagen, Kontraindikationen oder Ablehnung der medikamentösen Behandlungen immer noch zum Einsatz kommen können, gelten auch mechanische (Vakuumpumpen) und operative Verfahren (Implantation einer Penisprothese). 8.2.3
Störungen der sexuellen Erregung bei Frauen
5 Beim derzeitigen Kenntnisstand lässt sich ein der erektilen Dysfunkti-
on des Mannes entsprechendes Störungsbild bei Frauen nicht abgrenzen. Neuere Studien zeigen, dass v. a. Beziehungsaspekte sowie körperliches und psychisches Wohlbefinden Prädiktoren für die sexuelle Zufriedenheit von Frauen sind und weniger physiologische, objektivierbare Sexualfunktionen oder deren Störung. 5 Bei Frauen zeigte Sildenafil in mehreren Untersuchungen bei einem Teil der untersuchten Patientinnen sowohl eine Erhöhung des genitalen Blutflusses, eine Verminderung der Reizschwelle der Clitoris unter sexueller Stimulation als auch eine erhebliche subjektive Verbesserung der sexuellen Aktivität. Weitere kontrollierte Untersuchungen bei Frauen mit sexuellen Störungen und Diabetes mellitus, Multipler Sklerose und SSRI-induzierten Störungen ergaben jedoch keine eindeutige Wirksamkeit von Sildenafil bei der wenig klar definierten sog. »female sexual arousal disorder« (FSAD), so dass keine Zulassung für diese Indikation beantragt wurde.
8.2 · Indikationen
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5 Es gibt Hinweise für einen positiven Effekt von niedrig dosierten An-
drogenen (v. a. oral verabreichtes Methyl-Testosteron und Dehydroepiandrosteron [DHEA] und testosteronhaltige Cremes). Die Therapieoption sollte v. a. Frauen mit Androgendefizit vorbehalten bleiben (z. B. im höheren Alter oder nach Ovarektomie), Nebenwirkungen und Risiken bestehen v. a. in Virilisierung, Akne, Leberfunktionsstörungen sowie Hyperlipidämie und – bei Aromatisierung der Androgene zu Östrogenen – auch in den Risiken einer Östrogenbehandlung. 5 Die Anwendung von anderen Pharmaka, u. a. Olanzapin, L-Arginin, Yohimbin, Phentolamin, Apomorphin, Prostaglandin E1 und Amantadin haben bei Frauen mit sexuellen Störungen in Einzelfällen Besserungen erbracht, sind seither jedoch nicht geprüft oder haben in Studien keinen Wirksamkeitsnachweis erbracht. 8.2.4
Ejaculatio praecox und andere Ejakulationsstörungen
5 Eine Spontanremission ist nach neueren Untersuchungen eher selten
zu erwarten, eine persistierende Ejaculatio praecox als recht häufige Störung wird mit serotonerger Dysfunktion (v. a. 5-HT2C/5-HT1A-Rezeptoren) sowie mit infektiös-urogenitalen (v. a. chronische Prostatitis) und teilweise genetischen Faktoren in Zusammenhang gebracht. 5 Neben verhaltenstherapeutischen Maßnahmen (»Squeeze-Technik«) kann die unter SSRI-Behandlung beobachtete Nebenwirkung der Ejakulationsverzögerung therapeutisch eingesetzt werden. In mehreren Studien mit SSRI (Paroxetin, Sertralin, eingeschränkt Fluoxetin) konnte eine Wirksamkeit nachgewiesen werden. Eine regelmäßige Einnahme ist einer »On-demand«-Verabreichung nicht sicher überlegen (Einnahme 4–6 h vor gewünschtem Koitus). Die Erfolgsraten (EjakulationsLatenzverlängerung) liegen für SSRI zwischen 50 und 75%. Nebenwirkung treten bei bis 35% der Patienten auf (v. a. Übelkeit), dabei auch andere sexuelle Funktionsstörungen (Anorgasmie, Libidostörungen). 5 Mehrere placebokontrollierte doppelblinde Studien haben die Wirksamkeit von Clomipramin in einer Dosis bis 50 mg (2-mal 10–15 mg oder »on demand« 2–4 h vor sexueller Aktivität) mit Erfolgsraten von 50–85% belegt. Damit liegen die Effekte teilweise noch höher als mit SSRI bei allerdings deutlich höherer, v. a. anticholinerg bedingter Nebenwirkungsrate. 5 In offenen Studien zeigte der nicht-selektive und langwirksame α1/α2Rezeptorenblocker Phenoxybenzamin eine gewisse Wirksamkeit, während β-Blocker (Propranolol) gegenüber Placebo keine Überlegenheit hatten. Prospektive klinische Studien zur Effizienz neuerer α-Rezeptorenblocker wie Terazosin, Prazosin oder Urapidil bei Ejaculatio praecox liegen nicht vor.
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Kapitel 8 · Medikamente zur Behandlung von sexuellen Störungen
5 Eine Ejakulationsverzögerung bis zum kompletten Ausbleiben der Eja-
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kulation wurde in Einzelfällen und als Nebenwirkung in bis zu 10% bei Gabe sog. prostataspezifischer α-Rezeptorenblocker Alfuzosin bzw. Tamsulosin beschrieben, jedoch seither keine gezielte Studie bei Ejakulatio praecox durchgeführt. Unter Reboxetin und anderen Antidepressiva auftretende Ejakulationsstörungen wurden in Einzelfällen durch Tamsulosin gebessert. 5 Sildenafil als PDE-5-Inhibitor zeigte in klinischen Studien positive Effekte bei Ejaculatio praecox; eine neue Studie ergab deutlich bessere Ergebnisse bei einer Kombination von Sildenafil mit Paroxetin gegenüber Paroxetin-Monotherapie in dieser Indikation bei geringer Zunahme von Nebenwirkungen, für diese Indikation ist Sildenafil jedoch nicht zugelassen. 5 Positive Berichte in Fallserien liegen zur Lokaltherapie mit anästhesierenden Salben (Prilocain-Lidocain-Creme, chinesische Pflanzenextrakte) vor, die 20 min vor dem Koitus auf Glans und Penisschaft aufgetragen werden. 5 Bei Ejakulatio retarda bzw. Anejakulation ohne organische Ursache werden primär psychotherapeutische Verfahren eingesetzt; bei medikamentös induzierter Ejakulatio retarda oder retrograder Ejakulation sollte ein Medikationswechsel erfolgen. Erfolgreiche medikamentöse Behandlungsversuche bei Anejakulation und retrograder Ejakulation wurden u. a. mit Imipramin beschrieben.
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Gesteigertes sexuelles Verlangen und Paraphilien
5 Klinische Beobachtungen und Fallserien deuten darauf hin, dass SSRI,
analog zur Wirkung bei den verwandten obsessiven Erkrankungen, in höheren Dosierungen sowohl eine Verminderung des sexuellen Verlangens bewirken, als auch deviante sexuelle Phantasien und Praktiken (Paraphilien) bessern bzw. reduzieren können. 5 Es gibt Einzelfallberichte über erfolgreiche Behandlungen von gesteigert-dranghaften sexuellen Verhaltensweisen (»compulsive sexual behaviour«) mit Naltrexon. Bei Gesunden steigerte Naltrexon in einer Placebovergleichsstudie allerdings Libido und subjektive Orgasmusintensität, in einer weiteren placebo-kontrollierten Studie wurde eine Erhöhung der Anzahl frühmorgendlicher Erektionen gefunden, jedoch kein Einfluss auf Libido oder Geschlechtsverkehr. 5 Cyproteronacetat (Androcur®) fand sich in mehreren Studien geeignet, Hypersexualität und sexuell deviantes Verhalten zu reduzieren. Als Therapiealternative werden LHRH-Antagonisten, insbesondere Leu-
8.2 · Indikationen
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prorelinacetat, weiter untersucht und sind vielversprechend. Beide Präparate haben deutliche Nebenwirkungen. 5 Klinisch wurden im Einzelfall die ansonsten unerwünschten Wirkungen von Antipsychotika in höherer Dosierung auf Libido und sexuelle Erregbarkeit bei schwerer Hypersexualität (z. B. im Rahmen von manischen oder schizophrenen Episoden) wirksam eingesetzt, ohne dass empirische Daten vorliegen. 8.2.6
Substanzinduzierte sexuelle Funktionsstörungen
5 Folgende Medikamente können Ursache einer sexuellen Funktionsstö-
rung mit vorwiegend erektiler Dysfunktion sein: ACE-Hemmer, β-Blocker, Cimetidin, Clonidin, Kalziumantagonisten, Kortikosteroide, Methyldopa, Metoclopramid, Reserpin, Spironolacton, Thiazide; aus dem Kreis der Psychopharmaka sind es: Antipsychotika (konventionelle und atypische AP, s. u.), Benzodiazepine, Carbamazepin, Lithium, trizyklische Antidepressiva, SSRI (s. u.). Als Ursache für die Erektionsstörungen wird bei den trizyklischen Präparaten die anticholinerge Komponente diskutiert. 5 Alkohol und Nikotin führen bei chronisch hoher Einnahme zu erektiler Dysfunktion, unter Opiaten sind sexuelle Störungen häufig. Für Stimulanzien und Kokain sind insbesondere Libidosteigerungen beschrieben. 5 Priapismus kommt v. a. unter α-adrenolytischen Substanzen gehäuft vor, die häufigsten Fallbeschreibungen gibt es für Trazodon. Man nimmt an, dass α1-blockierende Effekte die sympathisch vermittelte Detumeszenz der Corpora cavernosa inhibieren. Dass auch andere Mechanismen bei Priapismus involviert sind, demonstrieren relativ häufige Fälle unter Alprostadil, seltener unter Sildenafil, SSRI und Antipsychotika ohne α1-blockierende Effekte. ! Bei anhaltender Erektion von über 4 h unverzüglich einen Arzt aufsu-
chen (urologischer Notfall!). Sexuelle Funktionsstörungen unter Behandlung mit Antidepressiva 5 Große Beobachtungsstudien haben ergeben, dass sexuelle Störungen
aller drei Funktionsebenen (s. o.) unter Antidepressiva am häufigsten unter TZA, SSRI und Venlafaxin auftreten (50–70%), am seltensten unter Bupropion und Moclobemid (5–20%, entspricht wahrscheinlich der Prävalenz sexueller Störungen bei Patienten mit deutlich gebesserten depressiven Störungen). Seltener als unter SSRI sind sexuelle Funkti-
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onsstörungen unter Mirtazapin (20–30%) und – mit Einschränkungen – unter Reboxetin (s. u.). Unter SSRI können dosisabhängig v. a. Ejakulationsverzögerungen, aber auch Störungen der sexuellen Appetenz sowie der Erektions- bzw. Erregungs- und Orgasmusfähigkeit auftreten. Über schmerzhafte Ejakulationen und Spontanejakulationen wurde unter der Einnahme von Reboxetin und anderen Antidepressiva berichtet. In Einzelfällen zeigten sich positive Effekte von Tamsulosin (s. o.). Priapismus wurde häufiger bei Trazodon beobachtet, aber auch bei trizyklischen Antidepressiva und anderen Antidepressiva mit α1-adrenolytischer Wirkung, in Einzelfällen unter Behandlung mit SSRI. Im Einzelfall sind unter α-blockierenden Substanzen (v. a. Trazodon) auch schmerzhafte Schwellungen der Klitoris (klitoraler Priapismus) aufgetreten. Die angenommenen Mechanismen bei der Entstehung Antidepressiva-induzierter sexueller Funktionsstörungen sind gleichzeitig Ansatzpunkte für deren Behandlung: – 5-HT2 und 5-HT3-Rezeptoren-Stimulation (SSRI und andere AD), – anticholinerge Wirkungen (ACh-Rezeptorblockade) (TZA u. a.), – NO-Synthase-Blockade (z. B. Paroxetin, mehr als andere SSRI), – Prolaktinerhöhung (geringgradig unter SSRI und anderen AD), – D2-antagonistische Wirkung (v. a. Trimipramin, Clomipramin).
Folgende Therapiemaßnahmen können bei sexuellen Funktionsstörungen, die unter Psychopharmaka auftreten, angewendet werden (die größten Erfahrungen bestehen für den Umgang mit unter Antidepressiva auftretenden erektilen Dysfunktionen): 5 Beratung und Abwarten (»wait and see«); v. a. bei schweren sexuellen Störungen häufig nicht erfolgsversprechend. Bei unter SSRI aufgetretenen Ejakulations- und Orgasmusstörungen wurde ein Rückgang der Beschwerden bei 20–60% der Patienten nach einem ½ Jahr berichtet. 5 Dosisreduktion, ggf. »drug holidays« (wenn psychiatrisch vertretbar); ein Aussetzen der SSRI- Medikation über das Wochenende war für Sertralin und Paroxetin in einer kleinen Studie begrenzt erfolgreich, während für Fluoxetin entsprechend der langen HWZ kein positiver Effekt gefunden wurde. 5 Zusätzliche Gabe eines Pharmakons zur Neutralisierung oder Behandlung der pharmakogenen sexuellen Funktionsstörung (Augmentierung) – Mirtazapin oder Mianserin (5-HT2A/C-Antagonisten) in niedriger Dosis (7,5–15 mg/Tag); zu beiden Substanzen liegen positive Ergebnisse aus Fallberichten oder offenen Studien vor; v. a. eine 5-HT2C-
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Blockade scheint den günstigen Effekt zumindest bei Männern zu bewirken; der selektive 5-HT3-Antagonist Granisetron war in 2 placebokontrollierten Studien bei der Behandlung von SSRI-induzierten sexuellen Funktionsstörungen jedoch nicht wirksam. Buspiron (5-HT1A-Agonist) in einer Dosis bis 60 mg/Tag; für die Wirksamkeit bei krankheitsbedingten und SSRI-induzierten sexuellen Funktionsstörungen liegen Ergebnisse aus offenen Kurzzeitstudien vor. Ob eine Langzeitwirksamkeit besteht, ist noch offen (je eine placebo-kontrollierte Studie mit positiven und negativen Ergebnissen). Amantadin (NMDA-Antagonist mit prodopaminerger Wirkung, Prolaktinhemmung) in einer Dosis von 50–100 mg/Tag; positive Wirksamkeitshinweise bei Männern; nicht aber in einer placebokontrollierten Studie bei Frauen. Nach Ausschluss von Kontraindikationen Gabe eines PDE-5-Inhibitors bei Erektionsstörungen oder andere Therapien zur Behandlung der erektilen Dysfunktion (s. o.). Für Sildenafil liegen Studien zum Wirksamkeitsnachweis auch bei medikamentös induzierter erektiler Dysfunktion vor. Darüber hinaus verbesserten sich parallel zur Besserung der erektilen Funktion auch depressive Symptomatik und Lebens- und Partnerschaftsqualität. Für die anderen PDE-5-Inhibitoren liegen noch keine entsprechenden Studienergebnisse vor. Experimentelle Arbeiten, Kasuistiken oder kleinere offene Studien haben positive Ergebnisse für verschiedene Substanzen ergeben, ohne dass gegenwärtig eine eindeutige Empfehlung ausgesprochen werden kann: – mACh-Agonisten (Betachenol, Carbachol) können über Steigerung der NO-Synthaseaktivität und cGMP-Erhöhung im Corpus cavernosum zu einer Verbesserung der erektilen Funktion führen. – Cyproheptadin, ein nichtselektiver 5-HT-Rezeptorantagonist und H1-Antagonist (Peritol®) kann wie andere 5-HT2C-blockierende Substanzen (Mianserin, Mirtazapin) zu einer Aufhebung SSRIinduzierter sexueller Störungen führen (v. a. Orgasmusstörungen); neben den stark sedierenden Wirkungen sind auch klinische Verschlechterungen (v. a. de-pressiver Symptome) möglich. – Für Yohimbin (α2-Antagonist) liegen positive Fallberichte bei Anorgasmie unter SSRI-Behandlung vor, allerdings wird vom Einsatz bei Patienten mit komorbider Panikstörung, Unruhe oder arterieller Hypertonie abgeraten. – Schließlich wurden in einzelnen Fällen auch positive Wirkungen für Ginkgo-Extrakte und Stimulanzien (Methyl-phenidate, Pemo-
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Kapitel 8 · Medikamente zur Behandlung von sexuellen Störungen
lin) bei der Behandlung SSRI-indu-zierter sexueller Störungen berichtet. 5 Bei anhaltenden sexuellen Störungen unter Antidepressiva sollte ein Umsetzen erwogen werden, vorzugsweise auf Mirtazapin oder Moclobemid (bei einem Teil der Patienten wird dann allerdings nicht mehr der erwünschte antidepressive Effekt erreicht). Es gibt bei Antidepressiva-induzierten sexuellen Störungen keinen empirisch validierten Behandlungsalgorithmus; daher ist es besonders wichtig, im Einzelfall unter Einbeziehen psychotherapeutischer Möglichkeiten eine Behandlungsstrategie zu entwickeln. Sexuelle Funktionsstörungen unter Behandlung mit Antipsychotika 5 Unter AP sind sexuelle Störungen häufig (40–70%), hierfür werden v. a.
direkte D2-antagonistische Wirkungen (z. B. auf das Rewardsystem) und die D2-antagonistisch vermittelte Prolaktinerhöhung durch viele AP verantwortlich gemacht. 5 Während bei unbehandelten Schizophrenien v. a. Störungen von Libido und sexuellem Erleben auftreten, werden unter Behandlung mit AP auch Erektionsstörungen häufig berichtet. Sexuelle Funktionsstörungen sind ein wichtiger Aspekt der reduzierten Lebensqualität unter Behandlung mit AP und werden als ein häufiger Grund für Noncompliance angenommen. 5 Studien zum Vergleich von konventionellen und atypischen AP (einschließlich Clozapin) haben bisher auch aufgrund der methodischen Probleme die zu erwartenden Vorteile für atypische AP nicht konsistent belegen können. In einer großen prospektiven Studie zum Vergleich von Haloperidol und Clozapin ergaben sich keine Unterschiede bei der Prävalenz sexueller Funktionsstörungen und auch kein Zusammenhang mit der Compliance der Patienten, während andere offene Studien Vorteile für Clozapin gegenüber konventionellen AP und Risperidon berichteten. 5 Während konventionelle hochpotente AP und dosisabhängig Risperidon, selten Olanzapin, insbesondere aber Sulpirid und Amisulprid eine deutliche Prolaktinerhöhung (D2-Antagonismus) mit einer relativen Häufung von assoziierten Störungen (v. a. Zyklusunregelmäßigkeiten, Amenorrhö, Galaktorrhö bei Frauen, Gynäkomastie und Libidostörungen bei Männern) hervorrufen, sind durch H1-Blockade (Sedierung), anticholinerge und adrenolytische Wirkungen Störungen von Libido, Erektion und Erleben auch ohne Prolaktinerhöhung bei anderen (»prolactin-sparing«) AP erklärbar. Zudem besteht allenfalls eine
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schwache Korrelation zwischen Prolaktinerhöhungen und dem Auftreten von sexuellen Funktionsstörungen. Unter Risperidon (2–3 mg) gibt es einige Fallbeschreibungen über Ejakulationshemmung nach ein- bis zweiwöchiger Einnahme. Priapismus kommt selten bei AP vor, v. a. bei α1-blockierenden Substanzen wie z. B. Chlorpromazin und Thioridazin, aber auch Clozapin (mehrere Fälle) und Olanzapin, in Einzelfällen bei Risperidon, Ziprasidon und anderen AP. Vergleichbar mit dem Vorgehen bei sexuellen Störungen unter Antidepressiva kann folgender Algorithmus vorgeschlagen werden, ohne dass eine empirische Prüfung erfolgt wäre: – Wenn möglich, zunächst eingehende Beratung und Zuwarten. – Wenn psychopathologisch vertretbar, bei Persistenz der sexuellen Störungen Versuch der Dosisreduktion. – Bei Auftreten von sexuellen Funktionsstörungen unter Antipsychotika kann die Prolaktinbestimmung im Plasma (i. d. R. Mehrfachbestimmungen unter definierten Bedingungen) und ggf. eine weitere Abklärung zielführend sein. Bei Therapie mit AP, die eine Prolaktinerhöhung bewirken können, sollte bei Persistieren von sexuellen Funktionsstörungen oder bei Auftreten schwerer und v. a. subjektiv nicht tolerierbarer Störungen eine Umstellung auf ein atypisches AP ohne Prolaktinerhöhung (z. B. Quetiapin, Ziprasidon, Aripiprazol, ggf. Clozapin) erwogen werden. Positive Effekte im Einzelfall wurden über eine Prolaktinsenkung mit niedrig-dosierten DopaminAgonisten (z. B. Bromocriptin, Cabergolin, Amantadin) beschrieben; sie sind u. a. wegen der potenziell psychotogenen Wirkung nicht generell zu empfehlen. – Bei nicht prolaktininduzierten sexuellen Funktionsstörungen kann analog zu den o.g. Maßnahmen eine Zusatzmedikation, z. B. mit niedrig dosiertem Mirtazapin oder mit einem PDE-5-Inhibitor bei erektiler Dysfunktion durchaus empfohlen werden; seither liegen in dieser Indikation jedoch lediglich Einzelfallberichte vor. Ein generelles Vorgehen bei durch Antipsychotika induzierten sexuellen Störungen ist noch nicht etabliert, ein individuelles Vorgehen unter Berücksichtigung der psychosozialen Komponenten wird daher angeraten.
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8.3
Kapitel 8 · Medikamente zur Behandlung von sexuellen Störungen
Präparate
Apomorphin
Mittel gegen erektile Dysfunktion
Dopaminagonist Uprima (Abbott) Ixense (Takeda Pharma) Sublingualtbl. 2 mg (2, 4, 8 Tbl.) Sublingualtbl. 2 mg (2, 4, 8 Tbl.) Sublingualtbl. 3 mg (2, 4, 8, 12 Tbl.) Sublingualtbl. 3 mg (2, 4, 8,12 Tbl.)
Pharmakodynamik 5 Zentral wirksamer, nichtselektiver Dopaminrezeptoragonist (10–
100fach höhere Affinität für D2- gegenüber D1-artigen Rezeptoren). Der proerektogene Effekt wird durch dopaminerge Aktivierung oxytocinerger Projektionen, die vorwiegend vom Nucleus paraventricularis ausgehen und in Hippokampus, Medulla und spinale Areale projizieren, vermittelt. Lokal führt dies zur Stimulation der NO/cGMP/CaKaskade. Pharmakokinetik 5 Bei sublingualer Verabreichung: Bioverfügbarkeit 17–18%; Tmax= 40–
60 min; t½= ca. 3 h.
5 Bei oraler Aufnahme nahezu vollständiger First-pass-Metabolismus. 5 Plasmaproteinbindung ca. 90%. 5 Ausgeprägter Phase-II-Metabolismus der unveränderten Muttersub-
stanz durch Sulfatierung zu Apomorphinsulfat. Im geringeren Ausmaß vorherige N-Demethylierung und konsekutive Glukuronidierung bzw. Sulfatierung. 5 Gering ausgeprägte renale Elimination. 5 Bisher kein Hinweis für Inhibition relevanter humaner Cytochromisoformen. Indikation und Behandlungshinweise 5 Erektile Dysfunktionz. 5 Hinweise für Wirkung auch bei gesicherter organischer Ursache; aller-
dings hat die Substanz bei dieser Indikation nach heutigem Stand keinen Stellenwert. 5 Einnahme bei Bedarf ca. 20 min vor sexueller Aktivität (unter der Zunge zergehen lassen; Schlucken aufgrund des First-pass-Effektes wirkungslos). 5 Wiederholung der Behandlung frühestens nach Ablauf von 8 h.
8.3 · Präparate
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Dosierung 5 Beginn mit 2 mg sublingual pro Bedarfsanwendung; Dosissteigerung
bis 3 mg zum Erhalt der vollen Penetrationsfähigkeit möglich. 5 Bei eingeschränkter Nierenfunktion maximale Dosis 2 mg. 5 Bei eingeschränkter Leberfunktion: sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwä-
gung, Beginn mit 2 mg, Dosiserhöhung nur mit Vorsicht. Nebenwirkungen 5 Häufig: Übelkeit; bei 7% bei Einhaltung der Dosierungsempfehlung
von 3 mg; bis über 40% bei 6 mg (dabei Effektivität von etwa 60%). 5 Weiterhin häufig: Kopfschmerzen, Schwindel, Benommenheit, Schweiß-
neigung, Hitzewallungen; orthostatische Dysregulationen (in seltenen Fällen Synkopen); Husten, Pharyngitis, Rhinitis; Gähnzwang und Schmerzwahrnehmungen. Kontraindikationen 5 Patienten, denen von sexueller Aktivität abzuraten ist, z. B. mit schwe-
rer instabiler Angina pectoris, schwerer Herzinsuffizienz und kürzlich abgelaufenem Herzinfarkt; schwere Hypotonie; Frauen. 5 Relative Kontraindikationen: leichte bis mäßiggradige Hypotonie, unbehandelte Hypertonie, gleichzeitige antihypertensive Therapie mit Nitraten bzw. NO-Donatoren (Gefahr der orthostatischen Dysregulation bzw. vasovagalen Synkopen); Leber- und Nierenfunktionsstörungen; Patienten mit anatomischer Penisdeformation (wie Penisdeviation, kavernöse Fibrose, Induratio penis plastica). 5 Keine Erfahrungen bei Patienten mit Rückenmarksverletzungen, multipler Sklerose und bei Patienten mit Prostatektomie oder Operationen im Beckenbereich, Diabetes mellitus. 5 Kombination mit anderen Behandlungsmethoden der erektilen Dysfunktion nicht zu empfehlen. Interaktionen 5 Verstärkung des hypotensiven Effekts unter Alkohol oder Nitrat- bzw.
NO-Donatortherapie mit Gefahr der Synkope. 5 Addition bzw. Interferenz mit anderen zentral-wirksamen Dopami-
nantagonisten bzw. -agonisten. 5 Bisher keine Hinweise für pharmakokinetische Interaktionen mit an-
deren Pharmaka. Bewertung
Die dosisabhängige Effektivität von Apomorphin (45–50% in empfohlener Dosis) ist geringer als bei PDE-5-Inhibitoren (60–80%). Deutliche Ein-
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Kapitel 8 · Medikamente zur Behandlung von sexuellen Störungen
schränkung der Anwendung durch häufiges Auftreten von Nausea und relative Kontraindikationen. Therapieversuch empfehlenswert nur bei Kontraindikationen gegenüber PDE-5-Inhibitoren bzw. deren Wirkungslosigkeit.
PDE-5-Inhibitoren
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Nebenwirkungen, Kontraindikationen und Wechselwirkungen sind für die drei derzeit verfügbaren PDE-5-Inhibitoren (Sildenafil, Tadalafil, Vardenafil) ähnlich und werden daher für diese Gruppe gemeinsam angegeben (spezifische Aspekte s. bei den Präparaten). Nebenwirkungen 5 Wichtigste Nebenwirkungen . Tabelle 8.1. 5 Nebenwirkungen sind i. d. R. vorübergehend und leicht bis mittelgra-
dig ausgeprägt. 5 Nach Markteinführung der PDE-5-Inhibitoren wurde im zeitlichen Zu-
sammenhang mit dem Gebrauch über Überempfindlichkeitsreaktionen, teilweise schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse einschließlich Hirnblutung, TIA, plötzlichem Herztod, Herzinfarkt, instabiler Angina pectoris, ventrikulären Arrhythmien, Hypertonie, Hypotonie, Synkope, Tachykardie und Palpitationen sowie über Erbrechen, prolongierte Erektionen und Priapismus berichtet.
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Kontraindikationen
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! Gleichzeitige Anwendung von Nitraten (z. B. Glyceroltrinitrat) oder
anderen NO-Donatoren (z. B. Molsidomin, Nitroprussid-Natrium): Potenzierung hypotensiver Effekte möglich.
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5 Patienten, denen von sexueller Aktivität abzuraten ist, v. a. mit schweren 5 5 5 5
Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z. B. instabile Angina pectoris, schwere Herzinsuffizienz). Hypotonie (RR<90/50 mmHg). Patienten mit kürzlich erlittenem Schlaganfall oder Herzinfarkt (<3–6 Monate). Schwere Leberinsuffizienz. Relative Kontraindikationen: Anatomische Penismissbildungen (z. B. Fibrose, Morbus Peyronie), für Priapismus prädisponierende Erkran-
8
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8.3 · Präparate
. Tabelle 8.1. Die wichtigsten Nebenwirkungen von PDE-5-Inhibitoren Häufigkeit (%)
Sildenafil 25–100 mg
Vardenafil 5–20 mg
Tadalafil 2,5–20 mg
Kopfschmerzen
++
++
++
Gesichtsröte (»Flush«)
++
++
(+)
Dyspepsie
+
(+)
+
Rhinitis (»verstopfte Nase«)
(+)
+
(+)
Schwindel
(+)
+
(+)
Myalgie
(–)
(–)
+
Rückenschmerzen
(–)
(–)
+
Sehveränderungen und -störungen
(+)
(+)
(–)
(–) <1%; (+) 1–5%; + 5–10%; ++ 10–15% Die Daten sind aus verschiedenen Studien mit unterschiedlichen Dosierungen und Patientengruppen zusammengefasst, so dass die Häufigkeiten lediglich als Anhaltspunkte dienen können
kungen (z. B. Sichelzellenanämie, Plasmozytom, Leukämie); Kombination mit anderen Behandlungen einer erektilen Dysfunktion; Gerinnungsstörungen; aktive peptische Ulzera; erhöhte Empfindlichkeit gegenüber vasodilatativen Substanzen (z. B. Multisystematrophie, Aortenstenose, obstruktive Kardiomyopathie). 5 Kombination mit Ritonavir. Interaktionen 5 Addition des blutdrucksenkenden Effektes von Antihypertensiva oder
anderen Substanzen mit blutdrucksenkenden Eigenschaften möglich ! Kombination mit Nitraten oder anderen NO-Donatoren, s. Kontraindi-
kationen. 5 Erhöhung der Plasmakonzentration durch CYP-3A4-Inhibitoren wie
Cimetidin, Erythromycin, HIV-Proteasehemmer oder Grapefruitsaft. Wegen der geringen oralen Bioverfügbarkeit (etwa 15%) ist diese Interaktion bei Vardenafil am stärksten ausgeprägt. 5 Kombination mit α-Rezeptorenblockern: erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Nebenwirkungen und Priapismus.
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Kapitel 8 · Medikamente zur Behandlung von sexuellen Störungen
Sildenafil
Mittel gegen erektile Dysfunktion
PDE-5-Inhibitor
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Viagra (Pfizer) Tbl. 25, 50, 100 mg (4, 12 Tbl.) Pharmakodynamik 5 Relativ selektiver Inhibitor der PDE 5 (cGMP-Anstieg; 7 Kap. 8.2.1). 5 Schwache Inhibition der PDE 6 (Retina).
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Pharmakokinetik 5 Tmax=ca. 1 h; t½=ca. 4 h; Bioverfügbarkeit ca. 40%; hohe Plasmaprotein-
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5 Metabolisierung hauptsächlich über CYP 3A4, geringer auch über CYP
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5 Wirksamer Metabolit: N-Desmethyl-Sildenafil (ca. 50% der pharmako-
bindung (96%). 2C9.
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logischen Aktivität der Muttersubstanz, trägt mit ca. 20% zur Gesamtwirkung bei; t½ ebenfalls ca. 4 h). 5 Absorptionsminderung und -verzögerung durch fettreiche Mahlzeiten. 5 Erhöhte Sildenafilplasmakonzentrationen bei Patienten über 65 Jahren, bei Niereninsuffizienz (Kreatininclearance <30 ml/min), Leberinsuffizienz und in Kombination mit CYP-3A4-Hemmstoffen. Indikationen und Behandlungshinweise 5 Erektile Dysfunktionz jeglicher Genese, insbesondere auch bei gesicher-
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5 5 5 5 5 5
ter organischer Ursache (z. B. bei Diabetes mellitus, Rückenmarksverletzungen). Vor medikamentöser Behandlung: Diagnosestellung und Ursachenklärung, Erhebung des kardiovaskulären Status (insbesondere kardiales Risiko bei sexueller Aktivität). Sildenafil wirkt auch bei substanzinduzierter erektiler Dysfunktion unter SSRI. Einnahme bei Bedarf ca. 1 h vor sexueller Aktivität. Höchstens eine Bedarfsanwendung pro Tag. Sildenafil wirkt nur bei sexueller Stimulation, kein pharmakologischer Effekt auf die Libido. Psychotherapeutische Begleitung (auch der Partnerin) ist anzustreben. Die Kombination mit anderen Pharmaka gegen Erektionsstörungen ist nicht untersucht und sollte vermieden werden.
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8.3 · Präparate
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Dosierung 5 Beginn mit 50 mg oral pro Bedarfsanwendung, abhängig von Wirkung
und Nebenwirkungen ggf. Dosisreduktion auf 25 mg bzw. Dosissteigerung auf bis zu 100 mg (Höchstdosis). 5 Startdosis bei Patienten >65 Jahren und bei Nieren- oder Leberinsuffizienz 25 mg. 5 Bei Kombination mit CYP-3A4-Inhibitoren 25 mg, bei Kombination mit Ritonavir nicht mehr als 25 mg in 48 h. Nebenwirkungen (s.o. PDE-5-Inhibitoren) Kontraindikationen (s.o. PDE-5-Inhibitoren) 5 Zusätzlich: bekannte erblich bedingte Retinaerkrankung (z. B. Retinitis
pigmentosa).
5 Bei Kombination mit α-Rezeptorenblockern: mindestens 4 h Abstand. Interaktionen (s.o. PDE-5-Inhibitoren und 7 Kap. 16.5) 5 Keine klinisch relevanten Sildenafilwechselwirkungen mit Azetylsali-
zylsäure, Alkohol, Amlodipin, Antazida, Atorvastatin, Azithromycin, Digoxin, Tolbutamid, Warfarin, Antihypertensiva, TZA und SSRI. Bewertung
Effektives und bei Berücksichtigung von Kontraindikationen und Anwendungsbeschränkungen gut verträgliches Medikament gegen erektile Dysfunktion mit seither breitester Datenbasis unter den PDE-5-Inhibitoren.
Tadalafil
Mittel gegen erektile Dysfunktion
PDE-5-Inhibitor Cialis (Lilly) Tbl. 10 mg (4 Tbl.) Tbl. 20 mg (4, 8 Tbl.) Pharmakodynamik 5 Relativ selektiver Inhibitor der PDE 5 (cGMP-Anstieg; 7 Kap. 8.2.1). 5 Zusätzlich Inhibitor der PDE 11. Die Bedeutung der PDE-11-Hemmung
ist im Einzelnen noch nicht bekannt; das PDE-11A-Isoenzym kommt u. a. in der Skelettmuskulatur vor. Pharmakokinetik 5 Rasche Resorption; Bioverfügbarkeit unbekannt.
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5 Kein Einfluss von Mahlzeiten auf die Resorption. 5 Hohe Plasmaproteinbindung von etwa 94%. 5 Wirkungseintritt nach etwa 30 min; Tmax=2 h ; t½=ca. 17,5 h; daher
Wirkungen bis zu 24–36 h anhaltend. 5 Metabolisierung v. a. über CYP 3A4 und CYP 2C9; Hauptmetabolit Me-
thylcatechol-Glucuronid mit geringerer Selektivität bzgl. PDE 5 vs. PDE 11A, wahrscheinlich nicht klinisch relevant. 5 Inhibitoren von CYP 3A4 erhöhen die Plasmaspiegel von Tadalafil. 5 Ausscheidung >60% über Fäzes und etwa 35% renal. 5 Reduktion der Tadalafil-Clearance bei höherem Lebensalter (>65 Jahre) um ca. 25% und bei Patienten mit Leberinsuffizienz und Niereninsuffizienz (bei Kreatininclearance 30–50 ml/min Verdopplung der Plasmaspiegel von Tadalafil). Indikationen und Behandlungshinweise 5 Erektile Dysfunktionz 5 Lange Wirkungsdauer (24–36 h), empfohlen ist eine Einnahme ½–12 h
vor erwünschter sexueller Aktivität 5 Vor medikamentöser Behandlung: Diagnosestellung und Ursachenklä-
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Kapitel 8 · Medikamente zur Behandlung von sexuellen Störungen
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rung, Erhebung des kardiovaskulären Status (insbesondere kardiales Risiko bei sexueller Aktivität). Tadalafil wirkt nur bei sexueller Stimulation, kein pharmakologischer Einfluss auf die Libido. Psychotherapeutische Begleitung (auch der Partnerin) anstreben. Die Kombination mit anderen Pharmaka gegen Erektionsstörungen ist nicht untersucht und sollte vermieden werden. Von der täglichen Einnahme über einen längeren Zeitraum wird abgeraten.
Dosierung 5 Empfohlene Dosis 10 mg ½–12 h vor erwarteter sexueller Aktivität. 5 Wirkung kann bis zu 24 h nach Einnahme und länger anhalten. 5 Bei ausbleibender Wirkung kann Dosis auf max. 20 mg erhöht werden;
maximale Einnahmehäufigkeit einmal täglich. 5 Keine Dosisanpassung bei älteren Männern oder Diabetes mellitus
notwendig. 5 Bei Patienten mit Leber- oder Nierenfunktionsstörungen maximal
10 mg.
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Nebenwirkungen (s.o. PDE-5-Inhibitoren) 5 Bei Patienten über 75 Jahre sind die Daten zu Tadalafil begrenzt.
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8.3 · Präparate
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Kontraindikationen (s.o. PDE-5-Inhibitoren) 5 Zusätzlich: Herzinsuffizienz NYHA II innerhalb der letzten sechs Mo-
nate; hereditäre Galaktose-Intoleranz, Laktase-Mangel oder GlukoseGalaktose-Malabsorption 5 Kombination mit α-Rezeptorenblockern nicht empfohlen Interaktionen (s.o. PDE-5-Inhibitoren und 7 Kap. 16.5) Bewertung
Effektives Medikament gegen erektile Dysfunktion mit längerer Wirkungsdauer. Wichtig ist die Berücksichtigung von Kontraindikationen und Anwendungsbeschränkungen. Die Bedeutung der zusätzlichen PDE11-Hemmung ist noch unklar.
Vardenafil
Mittel gegen erektile Dysfunktion
PDE-5-Inhibitor Levitra (Bayer, GlaxoSmithKline) Tbl. 5, 10, 20 mg (4, 8, 12 Tbl.) Pharmakodynamik 5 Relativ selektiver Inhibitor der PDE 5 (cGMP-Anstieg; Kap. 8.2.1). 5 Zusätzlich schwache Inhibition der PDE 6 (Retina). Pharmakokinetik 5 Rasche Resorption, Bioverfügbarkeit etwa 15%. 5 Fettreiche Mahlzeiten (>50% Fettgehalt) können die Resorption von
Vardenafil verzögern. 5 Zumindest drei pharmakologisch aktive Metaboliten (M1, M4, M5)
(primärer Hauptmetabolit M1 t½ 4 h, ebenfalls selektiver PDE-5-Inhibitor). 5 Tmax=ca. 1 h; t½=ca. 4–5 h; hohe Plasmaproteinbindung (etwa 95% für Vardenafil und M1). 5 Vardenafil wird hauptsächlich in der Leber durch CYP 3A4 mit geringer Beteiligung von CYP 3A5 und CYP 2C9 metabolisiert und zu >90% über die Fäzes ausgeschieden. Inhibitoren dieser Isoenzyme können daher die Vardenafil-Clearance vermindern. 5 Um etwa 25% reduzierte renale Clearance für Vardenafil bei Patienten mit Niereninsuffizienz (Kreatininclearance <30 ml/min), obwohl bei Gesunden nur etwa 5% renal eliminiert werden; keine signifikan-
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Kapitel 8 · Medikamente zur Behandlung von sexuellen Störungen
te Veränderungen der Vardenafil-Plasmaspiegel bei Kreatininclearance >30 ml/min. 5 Bei Leberinsuffizienz (Child A/B) Erhöhung der Plasmaspiegel von Vardenafil proportional zur hepatischen Störung um 20–300%. Auch im höheren Alter (>65 Jahre) Anstieg der Plasmaspiegel um bis zu 50%. Indikationen und Behandlungshinweise 5 Erektile Dysfunktionz 5 Vor medikamentöser Behandlung: Diagnosestellung und Ursachenklä5 5
rung, Erhebung des kardiovaskulären Status (insbesondere kardiales Risiko bei sexueller Aktivität). Vardenafil wirkt nur bei sexueller Stimulation, kein pharmakologischer Einfluss auf die Libido. Psychotherapeutische Begleitung (auch der Partnerin) ist anzustreben. Die Kombination mit anderen Pharmaka gegen Erektionsstörungen ist nicht untersucht und sollte vermieden werden. Maximale Einnahmehäufigkeit einmal täglich.
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Dosierung 5 Empfohlene Standarddosis 10 mg, abhängig von Wirkung und Neben-
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wirkungen ggf. Dosisreduktion auf 5 mg bzw. Dosissteigerung auf bis zu 20 mg (Höchstdosis). 5 In höherem Lebensalter und bei leicht bis mäßig eingeschränkter Leberfunktion oder stark eingeschränkter Nierenfunktion: Initialdosis 5 mg. 5 Bei gleichzeitiger Anwendung von Erythromycin: 5 mg nicht überschreiten. 5 Empfohlener Einnahmezeitpunkt ca. 25 min bis 1 h vor angestrebter sexueller Aktivität.
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Nebenwirkungen (s.o. PDE-5-Inhibitoren)
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Kontraindikationen (s.o. PDE-5-Inhibitoren) 5 Zusätzlich: dialysepflichtige Niereninsuffizienz, Kombination mit star-
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ken CYP-3A4-Inhibitoren (Ritonavir, Indinavir, Itraconazol und Ketoconazol) bei Männern über 75 Jahre; bekannte erblich bedingte Retinaerkrankung (z. B. Retinitis pigmentosa). 5 Kombination mit α-Rezeptorenblockern nicht empfohlen.
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8.3 · Präparate
8
Interaktionen (s.o. PDE-5-Inhibitoren und 7 Kap. 16.5) 5 Wegen der geringen oralen Bioverfügbarkeit von 15% ist die pharma-
kokinetische Interaktion mit CYP-3A4-Inhibitoren bei Vardenafil am ausgeprägtesten. Bewertung
Effektives Medikament gegen erektile Dysfunktion. Wichtig ist die Berücksichtigung von Kontraindikationen und Anwendungsbeschränkungen.
Yohimbin
α2-Antagonist Yohimbin Spiegel (DESMA) Tbl. 5 mg (30, 100)
Mittel gegen erektile Dysfunktion
Yocon-Glenwood (Glenwood) Tbl. 5 mg (50, 100)
Dosierung 5 3-mal 5–10 mg/Tag für 6 bis 8 Wochen oder »on demand« 10–15 mg
etwa eine Stunde vor der gewünschten sexuellen Aktivität. Bewertung 5 Aufgrund der begrenzten Wirksamkeit und möglichen Nebenwirkun-
gen (häufig Unruhe, Zittern, Palpitationen, Ängstlichkeit, Schlafstörungen) keine überzeugende Alternative zu PDE-5-Inhibitoren. Trotz Zulassung bei erektiler Dysfunktionz, daher allenfalls bei leichtgradigen Störungen und fehlenden Alternativen empfehlenswert. ! Risiko der hypertonen Kreislaufreaktionen.
9 Medikamente zur Behandlung von Essstörungen 9.1
Übersicht
5 Unter Essstörungen versteht man persistierende Störungen des Ess-
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verhaltens, die zu einem veränderten Konsum oder einer Malabsorption von Nahrung führen und damit die körperliche Gesundheit und die psychosoziale Funktionsfähigkeit beeinträchtigen. Ein Maß für das Körpergewicht ist der sog. Body-mass-Index (BMI, Quotient aus: Körpergewicht in kg und der Körpergröße in m2). Die Nahrungsaufnahme wird auf unterschiedlichen Ebenen gesteuert. Die . Tabelle 9.1 gibt eine Übersicht über Inhibitoren und Stimulatoren der Nahrungsaufnahme. Es gibt 4 Essstörungen, die neben der internistischen Basistherapie auch im Rahmen der psychiatrischen Pharmakotherapie behandelt werden können: Anorexia nervosa (Magersucht), Bulimia nervosa (EssBrech-Sucht), Binge-eating-Störung und Adipositas. Die Behandlung der Anorexia nervosa, Bulimia nervosa und der Binge-eating-Störung besteht indikationsabhängig mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung zumeist aus einer Kombination von Psychotherapie (vorwiegend kognitive Verhaltenstherapie, aber auch interpersonelle Therapie) und der Behandlung mit Antidepressiva. Die Adipositas ist eine primär internistische Erkrankung, die jedoch zentralnervös mitreguliert wird und mit psychischen Problemen einhergehen kann (z. B. Anpassungsstörungen, Impulskontrollstörungen). Deshalb erfordern die für die Adipositas neu zugelassenen Präparate jetzt auch eine Besprechung in der psychiatrischen Pharmakotherapie. Die Medikamente müssen im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplans verordnet werden. Gewichtszunahme ist auch eine häufige Nebenwirkung von verschiedenen Psychopharmaka. Es gibt eine Vielzahl von körperlichen Störungen und Verhaltensauffälligkeiten, die auf eine unerkannte Essstörung hinweisen: Wachstumsstörungen, große Schwankungen des Körpergewichts, Unfähigkeit zur Gewichtszunahme, rasche Erschöpfbarkeit, Obstipation oder Diarrhö, Neigung zu Knochenbrüchen, verspätete Menarche, Hypokaliämie, Hyperphosphatämie, metabolische Azidose oder Alkalose, hohe
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Kapitel 9 · Medikamente zur Behandlung von Essstörungen
. Tabelle 9.1. Inhibitoren und Stimulatoren der Nahrungsaufnahme Inhibitoren
Stimulatoren
Hormone, die auf die Zufuhr von Nahrungsbestandteilen reagieren
CRH, ADH, Calcitonin, Neurotensin, Östrogene, Leptin, Adiponectin (erhöht Insulinsensitivität), Melanozytenstimulierendes Hormon (_-MSH), Urocortin, Oxytocin
GH und GHRH, AgoutiProtein, „Agouti-related protein“ (hypothalamisch), Progesteron, Insulin, Corticosteron, Melanozytenkonzentrierendes Hormon (MCH), Orexin
Enzyme, die für die Aufnahme/Distribution der Nährstoffe verantwortlich sind
Gastrointestinale Hormone (z. B. Substanz P, Gastrin, Sekretin, CCK, pankreatisches Polypeptid, Peptid YY) inhibieren übergeordnet die Aufnahme im Sinne eines negativen Feedbackmechanismus
Ghrelin
Neurotransmitter, die an der Appetitregulation beteiligt sind
Serotonin (verschiebt Nährstoffaufnahme von Kohlenhydraten zu Proteinen) über 5-HT2A/C–, aber auch 5-HT1B-Rezeptoren, anscheinend für das „Sättigungsgefühl“ verantwortlich, Melanocortin insbesondere über MC4-Rezeptoren
Neuropeptid Y (präferenziell für Kohlenhydrate), Galanin (präferenziell für Fett), Dopamin (mesolimbisch, v. a. „stressbezogene“ Nahrungsaufnahme), NA (selektiv für Kohlenhydrate, eher Zunahme des Mahlzeitenumfangs als der -frequenz), Endorphine (selektiv für Fett)
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Amylaseserumkonzentrationen, veränderte Essgewohnheiten, Schwierigkeiten der Nahrungsaufnahme im sozialen Kontext, Abneigung gegen Messung des Gewichts, Drogenabusus, exzessive körperliche Betätigung, häufiges Durchführen von Diäten bereits in frühem Alter. Deshalb erfordern Essstörungen immer eine interdisziplinäre Diagnostik und Therapie.
9.2 · Indikationen
9.2
Indikationen
9.2.1
Anorexia nervosa
9
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Anorexia nervosa tritt bei ca. 0,5% der Bevölkerung auf, wobei Frauen etwa 10-mal häufiger betroffen sind (der Altersgipfel liegt bei Mädchen bei 17–18 Jahren, bei Jungen bei 12 Jahren, Erstmanifestationen nach dem 40. Lebensjahr sind selten, aber möglich). Die Mortalitätsrate ist mit 0,56% pro Jahr sehr hoch. Es besteht eine hohe Komorbidität mit depressiven Störungen. Die monomorphe Symptomatik bereitet differenzialdiagnostisch kaum Schwierigkeiten, zur Ätiopathogenese existieren jedoch nur Hypothesen. Die Anorexia nervosa ist eine oft chronische, rezidivierende Erkrankung. Wahrscheinlich spielt für die Entstehung und Aufrechterhaltung der Störung die »psychobiosoziale« Interaktion (genetische, neurochemische, psychosoziale Faktoren) eine wichtige Rolle. 5 Hauptkriterien für die Diagnose sind: – Körpergewicht unter 85% der Norm (bzw. ein BMI≤17,5) – intensive Furcht vor einer Gewichtszunahme, – gestörte Körperwahrnehmung, – Amenorrhö (primär oder sekundär). Die multiplen hormonellen Veränderungen werden als Adaptationen an das geringe Körpergewicht gesehen. 5 Es werden 2 Typen unterschieden: – der »restriktive« und – der »bulimische« Typ (mit »Fressattacken« und/oder selbstinduziertem Erbrechen). 5 Die empirisch sicherste Aussage zur Behandlung lässt sich zu Patienten machen, deren Erkrankung vor dem 18. Lebensjahr und nicht länger als vor 3 Jahren begann. In diesen Fällen ist Familientherapie primär indiziert. Sonst haben sich zur Gewichtsregulierung und zur Besserung der psychosozialen Anpassung psychoedukative und kognitiv-verhaltenstherapeutische Maßnahmen als bedingt erfolgreich herausgestellt. Therapieziele zur Behandlung der Anorexia nervosa (nach Fichter 1998) 5 Gewichtsnormalisierung 5 Vermittlung eines normalen Essverhaltens 5 Behandlung körperlicher Folgen der Magersucht 5 Behandlung dysfunktionaler Gedanken, Überzeugungen und Wert-
haltungen 6
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Kapitel 9 · Medikamente zur Behandlung von Essstörungen
5 Behebung von Defiziten im Bereich der Regulation von Gefühlen
und Verhalten 5 Verbesserung psychologischer Schwierigkeiten, die im Zusammen-
hang mit der Essstörung stehen 5 Einbeziehung der Familie und/oder Partner, wenn erforderlich 5 Maßnahmen zur Rückfallprophylaxe 5 Eine effektive psychopharmakologische Therapie ist bei der Anorexia
nervosa nicht gesichert. SSRI hatten in einigen Studien nach bereits erfolgter Gewichtszunahme einen positiven rückfallprophylaktischen Effekt, in anderen jedoch waren SSRI Placebo gegenüber nicht überlegen. Empfohlen werden kann daher nur ein Versuch mit SSRI – Fluoxetin (20 mg/Tag) war in einer neuen kleinen Studie gegenüber Placebo über 1 Jahr wirksam -, besonders bei begleitender Depression. Therapiestudien mit TZA und Cyproheptadin waren negativ. Trotz der oft wahnhaft anmutenden Überzeugung der Patienten, übergewichtig zu sein, sind Antipsychotika unwirksam mit der möglichen Ausnahme von Olanzapin, das in einer kleinen kontrollierten Studie bezogen auf Gewichtszunahme und Therapieakzeptanz erfolgversprechend war. 5 Ein primäres Ziel der Therapie ist die Wiederherstellung eines aus medizinischer Sicht akzeptablen Körpergewichts. Dabei sollte die parenterale (Zwangs-)Ernährung nur den Patienten vorbehalten bleiben, die unter psychoedukativen oder verhaltenstherapeutischen Maßnahmen keine Gewichtszunahme gezeigt haben. Eine zu schnelle Gewichtszunahme kann zu generalisierten Ödemen oder – in Einzelfällen – zu einer Herzinsuffizienz führen. 9.2.2
Bulimia nervosa
Bulimia nervosa tritt bei 1–4% der Bevölkerung auf, wobei Frauen häufiger als Männer betroffen sind. Der Altersgipfel liegt bei 20–30 Jahren. Biologische Faktoren, individuelle Defizite, soziokulturelle Einflüsse und chronische Belastungen sollen eine ätiologische Rolle spielen. Bulimia nervosa tritt oft in Zusammenhang mit affektiven Störungen und bei Patienten mit Impulskontrollstörung, Drogenabhängigkeit, Angststörungen, dissoziativen Störungen und (anamnestischem) sexuellem Missbrauch auf. Im Gegensatz zur Anorexia nervosa weisen die Patienten eine Hyperorexie, Hyperphagie mit starken Gewichtsschwankungen bei Normal- bis Übergewicht auf. Die Prognose ist ungünstiger als bei der Binge-eatingStörung (s. u.). 5 Hauptkriterien für die Diagnose sind:
9.2 · Indikationen
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9
– rezidivierendes »binge eating«, d. h. Konsum einer ungewöhnlich großen Menge an Nahrungsmitteln während eines bestimmten Zeitintervalls – »Fressattacken« – mit Kontrollverlust (mindestens 2mal pro Woche für 3 Monate), – rezidivierendes Erbrechen, exzessive körperliche Betätigung oder Fasten (mindestens 2-mal pro Woche für 3 Monate), – übermäßige Beschäftigung mit Essen, Figur, Gewicht, – Ausschluss einer Anorexia nervosa. Es werden 2 Typen unterschieden: – der »Purging-Typ« und – der »Non-Purging-Typ« (kaum von der Binge-eating-Störung abzugrenzen). Placebokontrollierte Studien zeigten mit Amitryptilin, Desipramin, Imipramin und Fluoxetin eine gute Wirkung, nicht aber mit Moclobemid und Venlafaxin. Höhere Dosen hatten oft einen besseren Effekt. Die notwendige Dauer der medikamentösen Therapie ist noch unklar, für Desipramin und Fluoxetin, wie in einer neuen Studie gezeigt wurde, scheinen 24 Monate Erhaltungstherapie zur Rückfallprophylaxe günstig zu sein. Fluoxetin hat als einzige Substanz die Zulassung zur Behandlung der Bulimie. Auch bei der Bulimia nervosa sollten Antidepressiva nur im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplans zusammen mit einer psychotherapeutischen Intervention erfolgen. Es gibt eine positive Doppelblindstudie mit Ondansetron (5-HT-Antagonist) 24 mg/Tag. Die relativ geringe Wirkstärke und pharmakoökonomische Aspekte lassen die Substanz gegenwärtig bei Bulimie jedoch nicht empfehlenswert erscheinen. Topiramat (75-200 mg/Tag) scheint ebenfalls wirksam und in dieser Dosierung gut verträglich zu sein. Aufgrund seiner Wirkung auch bei Binge-eating-Störung und Alkoholabhängigkeit (zur Rückfallprophylaxe) hat es ein besseres Nutzen-Kosten-Profil als Ondansetron.
9.2.3
Binge-eating-Störung
Die Binge-eating-Störung kommt etwa doppelt so häufig wie die Bulimia nervosa vor (5-10% der Bevölkerung), wobei der Anteil der Frauen bei 60% liegt. Dieses Störungsbild ist durch den intermittierenden Verzehr großer Nahrungsmengen bei fehlender dauerhafter Beschäftigung mit der Figur gekennzeichnet und stellt (noch) kein allgemein akzeptiertes Krankheitskonzept dar. Da das Erbrechen fehlt, sind die Patienten meist übergewichtig. Es findet sich im Gegensatz zur Adipositas ohne Binge-eating-Störung eine doppelt so hohe Inzidenz von affektiven Störungen und Angststörungen.
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5 Hauptkriterien für die Diagnose sind:
– rezidivierendes »binge eating«; – ausgeprägte Schwierigkeiten in mindestens 3 der folgenden Bereiche: – sehr schneller Verzehr von Nahrungsmitteln, – essen, bis unangenehmes Völlegefühl erreicht ist, – essen ohne hungrig zu sein, – häufiges Essen ohne Gesellschaft, – Ekel- oder Schuldgefühl nach einem »binge«; – kein rezidivierendes Erbrechen, exzessive körperliche Betätigung oder Fasten; – keine Anorexia nervosa. 5 Binge eating kann sowohl im Rahmen der Anorexie als auch der Bulimie und bei der Adipositas auftreten. 5 Placebokontrollierte Studien deuten auf die Wirksamkeit von SSRI (z. B. Fluvoxamin) hin, wobei der impulskontrollfördernden Wirkung dieser Antidepressiva besondere Bedeutung zukommt. Außerdem haben sich 75 mg Imipramin, sowohl bezogen auf das Körpergewicht als auch auf die Anzahl der »binges«, als günstig erwiesen. Auch scheint Topiramat in Dosen von 100-400 mg/Tag eine positive Wirkung zu haben. Schließlich hat auch Sibutramin eine gute Wirkung bei Binge eating. 5 Psychotherapeutisch haben sich IPT und CBT als wirksam erwiesen. 9.2.4
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Kapitel 9 · Medikamente zur Behandlung von Essstörungen
Adipositas
Adipositas ist eine häufige internistische Erkrankung (Übergewicht: BMI>25; Adipositas: BMI>30). Adipositas ist mit einem deutlich erhöhten Risiko für multiple internistische Begleiterkrankungen, besonders dem kardiovaskulären Risiko verbunden. In der psychiatrischen Pharmakotherapie hat die Gewichtszunahme einen wichtigen Einfluss auf die Compliance vieler Präparate 5 Medikamentöse Therapien waren bislang in der Indikation Adipositas nicht zugelassen und z. T. sehr risikoreich, wie Psychostimulanzien, Laxanzien, Diuretika, L-Thyroxin oder Nikotin. Zusätzlich standen zentral wirksame Präparaten wie Fenfluramin und Dexfenfluramin zur Verfügung. Diese Medikamente hatten den Nachteil, durch die unspezifische Wirkung zentralnervöse Nebenwirkungen zu induzieren. Als auch pulmonale Hypertensionen und Herzklappenfehler unter der Behandlung mit Dexfenfluramin beobachtet wurden, wurden die Präparate aus dem Handel genommen. 5 Als Antiadiposita zugelassen sind Sibutramin, ein dem Venlafaxin ähnlicher, zumindest in der empfohlenen Dosierung nicht antidepressiv
9.2 · Indikationen
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wirksamer,kombinierter Serotonin-Noradrenalinwiederaufnahmehemmer und Orlistat, ein Lipasehemmer, der nur im Darm wirksam ist. Zur Gewichtsreduktion nicht zugelassen, aber möglicherweise wirksam sind Topiramat (s. o.), Metformin (Erhöhung der Insulinsensitivität), der H2-Antagonist Nizatidin und Cannabinoid-1-Rezeptor-Antagonisten. In Einzelfällen (BMI>40) werden auch operative Maßnahmen (»gastric banding«) angewendet. Der genetische Anteil an der Entwicklung dieser Störung scheint stärker zu sein als es früher angenommen wurde, so dass eine medikamentöse Therapie flankierend zu verhaltenstherapeutischen (mit Selbsthilfemanualen) und diätetischen Maßnahmen sinnvoll ist. Die Nahrung sollte in erster Linie fettarm sein, wobei auch sog. Fettsimulatoren unter Nutzen-Risiko-Abwägung eingesetzt werden können. Eine fragliche Alternative stellt die sogenannte Atkins-Diät dar, die kohlenhydratarm ist, aber bisher nicht evaluiert ist und deren Folge auf kardiovaskuläre Erkrankungen, Schlaganfallrisiko, Karzinome u. a. nicht bekannt ist. Trotz neuer medikamentöser Behandlungsmöglichkeiten bleibt die Adipositasprävention höchstes Ziel. Eine Alternative stellt die sogenannte Atkins-Diät dar, die kohlenhydratarm ist. Trotz der neuen medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten bleibt die Adipositasprävention höchstes Ziel.
Gewichtszunahme unter Psychopharmaka 5 Gewichtszunahmen treten unter trizyklischen Antidepressiva, Antipsy-
chotika (besonders Phenothiazine und einigen atypische Antipsychotika, besonders Clozapin und Olanzapin), Lithium, Carbarmazepin und Valproinsäure, nicht jedoch unter Lamotrigin, das meist gewichtsneutral ist und unter Topiramat, unter dem oft Gewichtsabnahmen beobachtet werden, auf. 5 Unter SSRI kommt es zunächst zu einer leichten Gewichtsabnahme, anschließend zu einer geringgradigen Gewichtszunahme. Insgesamt ist Venlafaxin gewichtsneutral, allerdings kommen in Einzelfällen Gewichtszunahmen vor. Bupropion und Reboxetin führen zu leichten Gewichtsabnahmen. Reboxetin hat eine schützende Wirkung (im Vergleich zu Placebo) auf die Olanzapin-induzierte Gewichtszunahme. Unter Mirtazapin finden sich geringgradige Gewichtszunahmen.
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9.3
Kapitel 9 · Medikamente zur Behandlung von Essstörungen
Präparate
Orlistat
Antiadipositum
Lipasehemmer Xenical (Roche) Kps. 120 mg (42, 84 Kps.)
5
Pharmakodynamik 5 Orlistat bindet kovalent im molaren Verhältnis 1:1 über einen Serin-
6
rest an die Pankreaslipase, die im Lumen des Dünndarms blockiert wird. Diese Bindung ist praktisch irreversibel, 30% des aufgenommenen Fetts wird somit unverdaut wieder ausgeschieden. 5 Keine Wirkung auf α-Amylase, Trypsin, Chymotrypsin und Cholinesterase.
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Pharmakokinetik 5 Weniger als 1% der eingenommenen Dosis wird aus dem Gastrointes-
tinaltrakt absorbiert. Die Wirkung auf die Fettverdauung beginnt nach ca. 2 Tagen, erreicht nach 4 Tagen ein Maximum und klingt nach Absetzen nach 2–3 Tagen wieder ab.
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Indikationen und Behandlungshinweise 5 Symptomatische Behandlung einer Adipositasz bei gleichzeitiger Ein-
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haltung einer milden, hypokalorischen Diät im Sinne eines »Gewichtsmanagements«. Es wird eine obst- und gemüsereiche Kost empfohlen. Die tägliche Fettaufnahme sollte 60 g nicht überschreiten, da sonst die Nebenwirkungen so heftig werden, dass Inkontinenzprobleme entstehen können. Obwohl dieses Phänomen theoretisch verhaltenstherapeutisch genutzt werden könnte, führt es bei 25% der Patienten zum Abbruch der Behandlung. 5 Die Phase der Gewichtsabnahme erstreckt sich über ca. 6 Monate, wobei es den meisten Patienten auch darüber hinaus möglich zu sein scheint, das reduzierte Gewicht zu halten.
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Dosierung 5 3-mal 120 mg/Tag, wobei die Kapseln 30–60 min vor der Nahrungs-
aufnahme und nicht mehr als 1 h später eingenommen werden sollten. Enthält die Mahlzeit keine Fette oder wird sie sogar gänzlich ausgelassen, kann auf die Medikation verzichtet werden.
9.3 · Präparate
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Nebenwirkungen 5 Diarrhö (22%), Steatorrhö (20%), ölige Absonderungen am After (27%),
Völlegefühl und Blähungen, Rektumschmerzen. In Einzelfällen: Hypertonie. 5 Unspezifische Nebenwirkungen: Angstzustände; Kopfschmerzen. Kontraindikationen 5 Chronisches Malabsorptionssyndrom. 5 Cholestase. 5 Stillzeit (während der Schwangerschaft nicht empfohlen). Interaktionen 5 Bislang keine pharmakodynamischen Interaktionen bekannt, pharma-
kokinetisch wäre an die gestörte Resorption der fettlöslichen Vitamine zu denken. Diese ließ sich bislang jedoch nicht regelmäßig finden. Daher wird eine Substitutionstherapie als nicht für unbedingt erforderlich angesehen. 5 Erhöhtes Risiko dosisabhängiger Nebenwirkungen bei gleichzeitiger Gabe von Pravastatin. 5 Bei gleichzeitiger Gabe von Antikoagulanzien wie Phenprocoumon sollte die INR regelmäßig kontrolliert werden. 5 Von der gleichzeitigen Einnahme von Fibraten, Acarbose und Biguaniden wird abgeraten. Bewertung
Zur Therapie der Adipositas geeignet. Größter Vorteil: keine systemische, sondern lokale Wirkung. Wegen häufigen Auftretens subjektiv sehr unangenehmer Inkontinenzsymptome nur eingeschränkt anwendbar. Einzelfallberichte deuten auf eine Wirksamkeit bei Gewichtszunahme als unerwünschter Wirkung von Psychopharmaka hin.
Sibutramin
Antiadipositum
Serotonin-/Noradrenalinwiederaufnahmehemmer Reductil (Knoll) Kps. 10, 15 mg (28, 56, 98 Kps.) Pharmakodynamik 5 Hemmt die Wiederaufnahme von Monoaminen (v. a. Serotonin und
Noradrenalin). Wirkt wahrscheinlich über eine Appetitreduktion und
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Kapitel 9 · Medikamente zur Behandlung von Essstörungen
Zunahme der Thermogenese. Keine Freisetzung von Monoaminen, keine MAO-Hemmung. 5 Keine Affinität zu 5-HT1A-, 5-HT1B-, 5-HT2C-, β1-, β3-, D1-, D2-, mACh-, H1- und NMDA-Rezeptoren. Pharmakokinetik 5 Gute enterale Resorption (>80%) mit ausgeprägtem First-pass-Mecha-
nismus; Plasmaproteinbindung von Sibutramin 97%, der beiden wirksamen Metaboliten jeweils 94%; Tmax=1,2 h (der 2 wirksamen Metaboliten je 3 h); t½=1,1 h (der 2 wirksamen Metaboliten 14-16 h!). 5 Sibutramin wird hauptsächlich über CYP 3A4 metabolisiert, in geringem Umfang auch durch CYP 2C9 und auch CYP1A2. Indikationen und Behandlungshinweise 5 Symptomatische Behandlung einer Adipositasz im Rahmen des Ge-
wichtsmanagements mit diätetischen Maßnahmen, Änderung des Lebensstils (z. B. Alkoholkarenz) und sportlicher Betätigung bei einem BMI >30 oder bei einem BMI >27, falls gleichzeitig adipositasbedingte kardiovaskuläre Risikofaktoren vorliegen (z. B. Diabetes mellitus, Hyperlipoproteinämie). 5 Auch bei Binge eating wirksam. 5 Regelmäßige Kontrolle von Blutdruck und Puls mindestens alle 2 Wochen in den ersten Monaten. 5 Bei hepatischer und renaler Vorschädigung ggf. Dosisanpassung. ! Vorsicht bei Anwendung bei Patienten mit arterieller Hypertonie.
Dosierung 5 10 mg/Tag (morgens). Sollten weniger als 2 kg an Körpergewicht in den
ersten 4 Wochen abgenommen und die Substanz gut vertragen worden sein, kann für weitere 4 Wochen ein Therapieversuch mit 15 mg/Tag als Einmalgabe morgens durchgeführt werden. Die Maximaldosis ist unabhängig vom Grad der Adipositas und vom Geschlecht.
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Nebenwirkungen 5 Häufig: Appetitlosigkeit, Obstipation, Mundtrockenheit; Insomnie. 5 Gelegentlich (1–10%): Tachykardie, Hypertonie, Übelkeit (i. Allg. zu Be-
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5 In Einzelfällen: Hypertensive Krise; Krampfanfälle; akute interstitielle
ginn der Therapie mit abnehmender Tendenz im Verlauf, reversibel). Nephritis; Thrombozytopenie; reversible Leberenzymerhöhung. Kann bei bipolarer Störung möglicherweise Manie auslösen.
9.3 · Präparate
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Kontraindikationen 5 Koronare Herzkrankheit, nicht suffizient eingestellter Hypertonus, ze-
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rebrovaskuläre Erkrankung in der Anamnese. Schwangerschaft und Stillzeit (wegen tierexperimenteller Fehlbildungen). Vorbestehende Anorexia nervosa. Hyperthyreose, Phäochromozytom. Engwinkelglaukom; Prostatahyperplasie. Patienten unter 18 und über 65 Jahre (aufgrund fehlender Erfahrung). Laut Hersteller: organisch bedingte Adipositas, bei nicht länger als 2 Wochen zurückliegender Behandlung mit einem MAO-Hemmer oder einem anderen Psychopharmakon, psychiatrische Erkrankungen (!); aufgrund des Rezeptoraffinitätsprofils wäre die Induktion einer psychotischen Exazerbation bei schizophrenen Patienten denkbar.
Interaktionen 5 Vorsicht bei gleichzeitiger Gabe eines Medikaments, das die QTc-Zeit
verlängert. Gegenseitige Plasmaspiegelerhöhung bei gleichzeitiger Anwendung von CYP 3A4-Inhibitoren (z. B. Ritonavir, Ketoconazol, Erythromycin, 7 Kap. 16), gegenseitige Plasmaspiegelerniedrigung bei gleichzeitiger Gabe von CYP 3A4-Induktoren (z. B. Carbamazepin, Phenytoin, 7 Kap. 16). ! Auftreten eines serotonerges Syndrom, z. B. bei gleichzeitiger Gabe
von SSRI, Sumatriptan oder Opioiden ist möglich. Keine Kombination mit MAO-Hemmern. Bewertung
Zur Therapie der Adipositas (Gewichtsabnahme nach 12 Monaten im Durchschnitt ca. 6 kg gegenüber 2 kg unter Placebo) geeignet. Maximale Studiendauer bisher 1 Jahr. Es gibt wenig Studien zur Interaktion mit Psychopharmaka und zur Gewichtsreduktion bei unerwünschter Gewichtszunahme unter Psychopharmaka.
10 Psychostimulanzien und weitere Medikamente zur Behandlung von ADHS und Hypersomnien 10.1
Übersicht
Das Bindeglied dieses Kapitels ist die Möglichkeit, die hier beschriebenen Syndrome mit Psychostimulanzien bzw. mit Modafanil behandeln zu können. Es sind die 5 Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und die 5 Hypersomnie. Es werden Narkolepsie, primäre Hypersomnie und Syndrome mit verstärkter Tagesmüdigkeit aufgrund eines gestörten Nachtschlafs (SchlafApnoe-Syndrom, Restless-legs-Syndrom [RLS] und »periodic limb movements in sleep« [PLMS]) von einander abgegrenzt. Zu unterscheiden sind weiterhin Hypersomnien bei körperlichen Erkrankungen (z. B. Hypothyreose, chronische Infektionen, entzündliche Hirnerkrankungen), substanzinduzierte Hypersomnien (z. B. Missbrauch von Benzodiazepinen) und Hypersomnien im Rahmen einer anderen psychischen Erkrankung (z. B. atypische Depression). Das Chronic-Fatigue-Syndrom wird in 7 Kap. 1 besprochen. 10.2
Indikationen
10.2.1 Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bei Erwachsenen Die ADHS (Synonyma: »attention deficit disorder« [ADD], »attention deficit hyperactivity disorder« [ADHD], hyperkinetisches Syndrom [HKS]) manifestiert sich in der Kindheit vorrangig mit Defiziten in der Aufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität. Häufig resultieren Komplikati-
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onen im Lernverhalten, verminderte Organisationsleistung und z. T. erhebliche Fehlanpassungen im Sozialverhalten. Diese Leitsymptome finden sich auch im Erwachsenenalter wieder, häufig prägen hier Aufmerksamkeitsdefizite und emotionale Instabilität die Symptomatik. Nach ICD-10 ist zur Diagnosestellung eine Symptomatik aus Unaufmerksamkeit und Hyperaktivität/Impulsivität gefordert, nach DSM-IV ist eine Beeinträchtigung in einer dieser beiden Hauptbereiche zur Diagnosestellung ausreichend. Es finden sich gehäuft Komorbiditäten: Persönlichkeitsstörungen (v. a. antisoziale Persönlichkeitsstörung), Alkohol- und Substanzmissbrauch bzw. Abhängigkeit, Angsterkrankungen und affektive Störungen. Zur Häufigkeit und klinischen Einordnung dieser Erkrankung gibt es für das Erwachsenenalter noch wenig Untersuchungen. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass zumindest ein Drittel der betroffenen Kinder ins Erwachsenenalter hinein persistierende Symptome aufweist. Bei hoher Varianz der klinischen Ausprägung und einer angenommenen Heterogenität der Pathogenese wird u. a. eine Hypoaktivität des frontolimbischen Systems angenommen. In der funktionellen Bildgebung findet sich eine verminderte präfrontale Glukoseutilisation, eine verminderte präfrontale Dopaminsynthesekapazität und eine erhöhte Dopamintransporterkapazität. In genetischen Untersuchungen werden Assoziationen zwischen der ADHS und Polymorphismen des Dopamin-Transporter-Gens sowie des Dopamin-D4-Rezeptor-Gens beschrieben. Einige dieser Befunde und das spezifische pharmakologische Ansprechen sprechen für eine dopaminerge/noradrenerge Funktionsstörung. 5 In den letzten Jahren hat man in der medikamentösen Therapie der ADHS auch bei Erwachsenen positive Erfahrungen, besonders mit Psychostimulanzien, gemacht. Bei Erwachsenen haben sich beim Einsatz von Psychostimulanzien Ansprechraten bis zu 70% gezeigt. Die Wirksamkeit erstreckt sich sowohl auf die Kernsymptome Hyperaktivität, Impulsivität und Aufmerksamkeitsdefizite als auch auf die komplexen Begleitsymptome wie soziale Defizienzen, schulische Probleme und Kommunikationsstörungen. 5 Auch bedingt durch eine breite öffentliche Diskussion besteht zur Zeit eine Unsicherheit, in welchem Ausmaß eine Behandlung mit Psychostimulanzien einen Risikofaktor für einen späteren Substanzmissbrauch darstellt. Neuere Untersuchungen ergeben jedoch klare Hinweise, dass die Therapie mit Stimulanzien sogar zu einem erniedrigten Risiko für einen späteren Substanzmittelbrauch beitragen kann. Dieser mögliche protektive Faktor einer pharmakologischen Behandlung der ADHS hinsichtlich der Entwicklung einer späteren Substanzmittelabhängigkeit kann aber noch nicht abschließend beurteilt werden. Daher ist der Einsatz von Psychostimulanzien grundsätzlich aufgrund seiner
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hohen Ansprechrate zu empfehlen, er muss jedoch engmaschig kontrolliert werden. Die verpflichtende Aufbewahrung der BtM-Rezepte für den einzelnen Patienten bietet eine gute Kontrollmöglichkeit. Liegt bereits eine komorbide Suchterkrankung vor, wird tendenziell zurzeit mit Alternativpräparaten zu den Psychostimulanzien gearbeitet (selektiv nordadrenerge Antidepressiva). Die meisten Erfahrungen liegen in der Erwachsenenbehandlung innerhalb der Gruppe der Psychostimulanzien mit Methylphenidat vor. Grundsätzlich kann auch die Behandlung mit anderen Psychostimulanzien wie d-Amphetamin, dl-Amphetamin und Pemolin erwogen werden. Antidepressiva mit einer vorwiegend noradrenergen Wiederaufnahmehemmung wie Nortriptylin, Desipramin und Reboxetin sowie Venlafaxin mit dem kombiniert serotonerg/noradrenergen Wirkmechanismus stellen die erste Alternative zu den Psychostimulanzien in der Behandlung der ADHS des Erwachsenen dar. Auch für MAO-Hemmer (Tranylcypromin, Selegilin) liegen positive Erfahrungen vor. Die Dosierungen liegen in Bereichen der antidepressiven Behandlung, es sollte in jedem Falle zunächst mit einer niedrig bis mittleren Dosierung begonnen werden, um die Ansprechrate zu überprüfen. Weiterhin gibt es zu Bupropion und Antihypertensiva (Clonidin, Guanfacin) positive Berichte. Für Clonidin und Guanfacin wird der Wirkmechanismus bei der ADHS über eine α2-Adrenozeptor agonistisch vermittelte Aktivität vermutet. Modafinil zeigte in ersten Untersuchungen zur ADHS von Kindern und Erwachsenen eine gute Wirksamkeit. Der selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Atomoxetin (Strattera®) ist das bisher einzige in den USA zugelassene Medikament zur Behandlung der ADHS des Erwachsenen; es hat kein Abhängigkeitspotenzial. Bisher wurden 2 offene und 7 randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Untersuchungen zu Atomoxetin bei ADHS durchgeführt, davon 6 bei Kindern und Jugendlichen sowie 3 bei Erwachsenen. Die Untersuchungen zeigten eine gute Wirksamkeit, häufigste Nebenwirkung war verminderter Appetit. Atomoxetin hat kein Abhängigkeitspotenzial. Die Zulassung in Deutschland wird für 2005 erwartet, möglicherweise zunächst nur im Kindes- und Jugendalter. Unabhängig vom gewählten Präparat sollte das klinische Ansprechen anhand standardisierter Rating-Skalen (z. B. ADHD-IV-Rating-Skala) festgehalten werden, um den Therapieverlauf zu objektivieren. Nach bisher gültiger klinischer Erfahrung sollte ein erfolgreiche pharmakologische Behandlung über einen Zeitraum von 6–18 Monaten durchgeführt werden, bevor ein Reduktions- bzw. Absetzversuch initiiert wird.
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10.2.2 Narkolepsie Bei der Narkolepsie liegt eine Störung der Schlaf-Wach-Regulation vor, bei der die Abgrenzung des Wachzustandes von den verschiedenen Schlafstadien nicht mehr gewährleistet ist. Es kann eine Fragmentierung des Schlafs über 24 h eines Tages resultieren. Symptome sind: ausgeprägte Tagesmüdigkeit mit imperativem Schlafdrang, Einschlafattacken, und REM-assoziierte Symptome wie Schlaflähmung (bis in den Wachzustand andauernde Muskelatonien), hypnagoge Halluzinationen und Kataplexie (durch Gemütsbewegungen ausgelöster Tonusverlust quer gestreifter Muskulatur bis hin zu Sturzereignissen). Das Schlaf-EEG zeigt eine stark verkürzte REM-Latenz und eine verminderte Schlaflatenz. EEG-Veränderungen finden sich im Nachtschlaf und in den Schlafphasen am Tage (Nachweis im Multiplen-Schlaf-LatenzTest, MSLT). Es wird eine multifaktorielle Vererbung angenommen (Konkordanzrate ca. 20% unter monozygoten Zwillingen). Im familiären Umfeld wird häufiges Auftreten von vermehrter Tagesmüdigkeit beobachtet. Über 99% der Narkolepsiepatienten sind HLA-DR2-positiv. Dieser Marker eignet sich wegen der hohen Prävalenz in der gesunden Bevölkerung nur zum Ausschluss einer Narkolepsie. Ätiologisch wird die Beteiligung noradrenerger und serotonerger Systeme (u. a. verminderte Liquor-5HIAA- und HVA-Konzentrationen) und eine Dysfunktion des Orexinsystems in der REM-Schlafregulation angenommen. 5 Therapeutisch sind Verhaltensmaßregeln indiziert. Es ist ein regelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus und ein stabiles Lebensumfeld anzustreben. Durch regelmäßige Ruhe- und Schlafpausen kann Einschlafattacken vorgebeugt werden. Monotone Arbeitstätigkeiten sind zu meiden. 5 Modafinil führt zu einer deutlichen Verbesserung von Einschlafattacken und Tagesmüdigkeit. Gegenüber den zuvor häufig eingesetzten Psychostimulanzien (Methylphenidat, Amphetamine, Pemolin) zeigt Modafinil bisher klinisch keine Anzeichen von Toleranz- und Abhängigkeitsentwicklung. Daher bleibt Methylphenidat trotz seiner Zulassung bei der Narkolepsie zweite Wahl nach Modafinil. REM-assozierte Symptome (z. B. Kataplexie) lassen sich durch REM-supprimierende Antidepressiva (Imipramin und Clomipramin) und MAO-Hemmer behandeln. Auch Venlafaxin hat sich als effektiv in der Behandlung von Kataplexien erwiesen.
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10.2.3 Schlaf-Apnoe-Syndrom Das Schlaf-Apnoe-Syndrom ist durch nächtliche Atempausen charakterisiert; unterschieden werden ein zentral bedingtes und ein obstruktives Apnoesyndrom. Die zahlreichen nächtlichen Atempausen, die durch kurzzeitige Vigilanzanhebung begrenzt werden, führen zu einer Fragmentierung des Schlafes. Folge sind Tagesmüdigkeit mit Einschlafneigung, Nachlassen der geistigen Leistungsfähigkeit mit Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen, depressive Verstimmungen, sexuelle Funktionsstörungen und morgendliche Kopfschmerzen. Internistische Folgekrankheiten können sein: Hypertonie, Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen und Polyglobulie. Die Diagnosesicherung ist durch eine polysomnographische Untersuchung im Schlaflabor mit Registrierung respiratorischer Parameter möglich. 5 Die Therapie richtet sich nach dem Schweregrad. Allgemeine Verhaltensmaßnahmen umfassen Regulierung des Schlaf-Wach-Rhythmus, Vermeidung von abendlichem Alkoholkonsum, keine Verordnung von sedierenden Medikamenten am Abend, ggf. Gewichtsreduktion. In leichten Fällen kann ein Therapieversuch mit abendlicher Gabe von retardiertem Theophyllin (250–700 mg) gemacht werden, das einen atemstimulierenden Effekt hat. Bei schwerer ausgeprägter Symptomatik ist eine kontinuierliche Überdruckbeatmung während der Nacht notwendig (»continuous positive airways pressure«, CPAP); in manchen Fällen ist auch ein chirurgischer Eingriff indiziert. 5 Modafinil erhielt die Zulassungserweiterung zur Behandlung von Patienten mit mittelschwerem bis schwerem obstruktivem Schlaf-ApnoeSyndrom (OSAS), die trotz adäquater CPAP-Therapie unter exzessiver Tagesschläfrigkeit leiden. 10.2.4 Restless-legs-Syndrom (RLS) und Periodic limb movements in sleep (PLMS) Das RLS und die als PLMS bezeichneten nächtlichen Myoklonien treten im Alter (besonders ab dem 50. Lebensjahr) häufiger und oft auch kombiniert auf. Prinzipiell ist zwischen idiopathischen und symptomatischen Formen zu unterscheiden. Symptomatische Formen des RLS kommen u. a. bei Niereninsuffizienz, rheumatischer Polyarthritis und Eisenmangelanämie vor. Symptomatische RLS-Syndrome im dritten Trimenon der Schwangerschaft bilden sich nach der Entbindung meist spontan zurück. Für Patienten mit RLS wurden von der International Restless Legs Syndrome Study Group klinische Diagnosekriterien aufgestellt. Sie beinhalten 4 obligate Minimalkriterien: 1. Bewegungsdrang der Beine, üblicher-
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weise begleitet von sensiblen Störungen wie Parästhesien, Dysästhesien; 2. Motorische Unruhe, d.h. die Patienten fühlen sich gezwungen, sich zu bewegen und nutzen unterschiedliche motorische Strategien, um ihre unangenehmen Sensationen in den Beinen zu erleichtern; 3. Die Symptome treten ausschließlich in Ruhe auf mit zumindest teilweiser und vorrübergehender Erleichterung durch Aktivität, 4. Die Symptome sind abends und in der Nacht deutlich ausgeprägter als zu anderen Tageszeiten. Diese Kriterien sind zur Diagnosestellung zwingend erforderlich, zusätzlich 10 fakultative Kriterien, die sehr häufig bei Patienten mit RLS auftreten. Die PLMS ist durch kurze stereotype Bewegungen bzw. Muskelkontraktionen im Bein mit einem Rhythmus von 20–60 s gekennzeichnet. Polysomnographie, Bewegungsaufzeichnung und Immobilisationstests sichern die Diagnose. 5 Mittel der ersten Wahl bei RLS sind L-DOPA/aromatische Aminosäuredecarboxylase (AADC)-Inhibitorpräparate (einschleichende Eindosierung bis 400 mg/Tag), sowohl bei der idiopathischen als auch bei der symptomatischen Form. Vorteile von L-DOPA sind der schnelle Wirkungseintritt (innerhalb einer Stunde nach der Ersteinnahme), die gute Steuerbarkeit sowie die relativ geringen Therapiekosten. Wegen der kurzen Wirkdauer ist die kombinierte Einnahme des retardierten und unretardiertem Präparats sinnvoll (bisher für RLS zugelassene L-DOPA/AADC-Präparate: Restex® und Restex retard®, 100–300 mg/Tag). Auch eine Wirksamkeit auf PMLS wurde gezeigt. 5 Bei einem Teil der mit L-DOPA behandelten Patienten kommt es zu einer sog. Augmentation, d. h. nach initial gutem Ansprechen kommt es unter der Therapie zu einer Verstärkung der RLS-Beschwerden: Nächtliche Beschwerden können wieder zunehmen und sich in andere Körperregionen ausweiten. Um dann eine kontiniuierliche Dosissteigerung zu vermeiden, ist L-DOPA langsam auszuschleichen und parallel hierzu die Behandlung mit einer anderen Substanz, i. d. R. mit einem Dopaminagonisten, zu beginnen. 5 Ebenfalls wirksam sind Dopaminagonisten mit z. T. deutlich längerer Halbwertzeit. Es wird hier unterschieden zwischen Ergot-Derivaten (αDihydroergocryptin, Bromocriptin, Cabergolin, Lisurid, Pergolid) und Nicht-Ergot-Derivaten (Ropinirol, Pramipexol). Während der ersten Behandlungswoche mit Dopaminagonisten aus der Gruppe der ErgotDerivate empfiehlt sich eine antiemetische Komedikation. Dies ist bei den Nicht-Ergot-Derivaten (Ropinirol, Requip® 0,5–4 mg/Tag; Pramipexol, Sifrol® 0,26–0,54 mg/Tag) nicht unbedingt erforderlich. Die therapeutischen Dosen sind deutlich niedriger als bei der Parkinson-Therapie. Die Medikamenteneinnahme erfolgt unabhängig von den Mahlzeiten als abendliche Einmaldosis. Zur Vermeidung von häufigen do-
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paminergen Nebenwirkungen wie Übelkeit, arterieller Hypotonie und Schwindel sollten Dopaminagonisten langsam eindosiert werden. 5 Bei Patienten mit unzureichendem Ansprechen auf dopaminerge Substanzen ist ein Therapieversuch mit Opioiden (Oxycodon, Tilidin, Tramadol) oder Antikonvulsiva (Gabapentin, Valproinsäure) möglich. Aus der Gruppe der Benzodiazepine ist für Clonazepam und Diazepam eine Wirksamkeit beschrieben. Aufgrund der möglichen Toleranzentwicklung ist jedoch ein längerfristiger Einsatz nicht indiziert. 10.2.5 Primäre Hypersomnie Hauptmerkmal der primären (idiopathischen) Hypersomnie ist eine übermäßige Schläfrigkeit mit verlängertem nächtlichem Schlaf und Schwierigkeiten aufzuwachen oder mit unbeabsichtigten und wenig erholsamen Schlafepisoden am Tag. Eine seltene Variante stellt das Kleine-Levin-Syndrom dar, bei der rezidivierend in den Phasen mit vermehrter Tagesschläfrigkeit noch weitere Verhaltensauffälligkeiten hinzutreten, z. B. sexuelle Enthemmung und übermäßiges Essen. 5 Die Therapie der Tagesmüdigkeit bei der primären Hypersomnie entspricht den Empfehlungen bei der Narkolepsie (7 Kap. 10.2.2). Auch Modafinil ist wirksam, aber für diese Indikation nicht zugelassen.
10.3
Präparate
Methylphenidat
Zentralnervöses Stimulans
Methyl-[(RS;SR) (phenyl) (2-piperidyl) acetat] Ritalin (Novartis Pharma) Tbl. 10 mg (20, 50 Tbl.)
Concerta (Janssen-Cilag) Retardtbl. 18, 36 mg (30 Tbl.)
Medikinet (Medice) Tbl. 10 mg (20, 50 Tbl.)
Ritalin SR (Novartis Pharma) Retardtbl. 20 mg (100 Tbl.)
Equasym (Celltech) Tbl. 5, 10, 20 mg (20, 50 Tbl.)
Ritalin LA (Novartis Pharma) Retardtbl. 20, 30 mg (100 Tbl.)
Pharmakodynamik 5 Blockade des Dopamintransporters (DAT), dadurch Rückaufnahme-
hemmung von Dopamin aus synaptischem Spalt (langsamere Kinetik
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als das ähnlich wirkende Kokain). Ebenso erfolgt eine Hemmung der noradrenergen Wiederaufnahme. 5 Im Diskriminations-Tierversuch kann Methylphenidat den Effekt von Amphetamin und Kokain ersetzen. 5 Diskutiert wird eine Reetablierung eines im Krankheitsfall durch DATÜberfunktion verminderten Reward-Mechanismus. Pharmakokinetik 5 Nahezu vollständige enterale Resorption; geringe Bioverfügbarkeit
(11–51%) wegen First-pass-Metabolismus; Plasmaproteinbindung 10– 33%; tmax=2 h; t½=2 h; rascher Wirkungseintritt nach 30–60 min. 5 Rasche und intensive Metabolisierung zu renalem Hauptausscheidungsprodukt Phenyl-2-piperidinessigsäure (60–86%). Geringe Mengen an Hydroxymetaboliten. Weniger als 1% an Methylphenidat wird unverändert ausgeschieden. 5 Neue Retardpräparate: Seit einiger Zeit stehen Retardpräparate von Methylphenidat zur Verfügung. Diese ermöglichen eine vereinfachte Verabreichung. Concerta® wird nach dem OROS-Prinzip (»osmotic controlled release delivery system«) freigesetzt, d. h. es steht eine Initialdosis von etwa 22% Methylphenidat und eine Verzögerungsdosis von etwa 78% zur Verfügung. Die Wirkdauer von Concerta® beträgt bis zu 12 h; Ritalin LA® wird nach dem SODAS-Prinzip (»spheroidal oral drug absorption system«) freigesetzt, d. h. es steht eine Initialdosis von etwa 50% Methylphenidat und eine Verzögerungsdosis von ebenfalls etwa 50% zur Verfügung. Die Wirkdauer von Ritalin LA® beträgt bis zu 8 h, Ritalin LA® muss über die Auslandsapotheke bestellt werden. Vergleichsuntersuchungen von beiden Substanzen werden derzeit durchgeführt, können noch nicht abschließend beurteilt werden. Mit Metadate® CD (USA)/Equasym® XL (England) (10, 20, 30 mg Tbl.) wird bald ein weiteres Retardpräparat von Methylphenidat zur Verfügung stehen. Es besteht eine Initialdosis von etwa 30% Methylphenidat und eine Verzögerungsdosis von etwa 70%. Hieraus wird ersichtlich, dass die Hersteller der Retardpräparate versuchen, unterschiedliche prozentuale Anteile der initialen und der verzögerten Methylphenidat-Dosierung in den entsprechenden Präparaten anzubieten. Für den einzelnen Patienten ergibt sich damit die Möglichkeit, eine individuelle Anpassung vorzunehmen. Ritalin SR® (»sustained release«) ist ebenfalls ein Retardpräparat von Methylphenidat mit einer verzögerten Freisetzung. Ritalin SR® enthält keine Initialkomponente von Methylphenidat, so dass die Patienten häufig eine Kombination aus Ritalin SR® und dem rasch wirksamen Ritalin®, Medikinet® oder Equasym® wählen müssen, um ein hinreichend schnelles Ansprechen zu erreichen. Ritalin SR® erreicht eine Wirkdauer von bis zu etwa 8 h.
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5 D-Methylphenidat ist die pharmakologisch wirksame Komponente des
bisher herkömmlich verabreichten Razemates d,l-Methylphenidat (Ritalin®, Medikinet®, Equasym®). D-Methylphenidat (Focalin®) wurde in den USA zur Behandlung der ADHS von Kindern und Jugendlichen zugelassen. Im deutschsprachigen Raum liegen mit diesem Enantiomer bisher keine ausreichenden Erfahrungen vor. Grundsätzlich wird erwartet, dass d-Methylphenidat gegenüber d,l-Methylphenidat möglicherweise weniger Nebenwirkungen und Interaktionen zeigt. D-Methylphenidat ist kein Retardpräparat, hat eine mit d,l-Methylphenidat vergleichbare Wirkdauer. Indikationen und Behandlungshinweise 5 Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung.
Anwendung nach sorgfältiger Sicherung der Diagnose; das Risiko ist nach derzeitigem Kenntnisstand geringer als es die pharmakologischen Daten vermuten lassen. Methylphenidat ist BtM-pflichtig; die Zulassung bei Erwachsenen wird noch geprüft. 5 Narkolepsie (für Ritalin®z). Dosierung 5 Einschleichend (initial 5–10 mg) bis zur individuell festgelegten Tages-
höchstdosis (Kinder und Erwachsene 60 mg); Dosiserhöhungen wöchentlich um nicht mehr als 5–10 mg. 5 Dosis über den Tag verteilen, je nach individuellen Erfordernissen. Späte Einnahmezeitpunkte sind zu vermeiden. Oben erwähnte Retardpräparate ermöglichen bei manchen Patienten eine einmalige Tagesgabe. Nebenwirkungen ! Methylphenidat besitzt als dopaminerg wirkendes Psychostimulans
grundsätzlich ein Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial. 5 Häufig: Schlaflosigkeit; Appetitminderung; Hyperhidrosis. 5 Gelegentlich: Tachykardie, Arrhythmien, RR- und Herzfrequenzerhö-
hung aber auch -erniedrigung; Kopfschmerzen, Schwindel; Nausea/ Vomitus, Mundtrockenheit; Akkommodationsstörungen; Arthralgien; Haarausfall; dermatologische Unverträglichkeiten vereinzelt bis hin zu exfoliativer Dermatitis oder Erythema multiforme. 5 Sehr selten: Transaminasenerhöhungen, Leberfunktionsstörungen bis hin zum hepatischen Koma; Blutbildveränderungen u. a. mit Blutungsneigung; zentralnervöse Komplikationen mit Tics, Krampfanfällen, Choreoathetosen; zentrale Arteriitiden. 5 Rebound-Phänomene nach Absetzversuchen.
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Kontraindikationen 5 Bekannte Missbrauchs- oder Abhängigkeitserkrankungen. Nach neu-
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eren Erkenntnissen kann in Einzelfällen der Einsatz von Methylphenidat bei Patienten mit komorbiden Suchterkrankungen erwogen werden, wenn die ADHS zur Suchterhaltung eindeutig beiträgt. In diesen Fällen ist eine sorgsamste Risiko-Nutzen-Abwägung zu treffen. Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Psychotische Symptomatik; Essstörungen. Bekannte Krampfanfälle; Gilles de la Tourette-Syndrom; motorische Tics; organische Hirnerkrankungen. Hyperthyreose; Phäochromozytom. Engwinkelglaukom; benigne Prostatahyperplasie. Gleichzeitige oder zeitnahe Einnahme von MAO-Hemmern. 14 tägiger Abstand zwischen Einnahme eines irreversiblen MAO-Hemmers und Methylphenidat. Schwangerschaft und Stillzeit.
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Interaktionen 5 Methylphenidat verstärkt die initialen sympathomimetischen Effekte
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von Guanethidin und Amantadin. 5 Verstärkung der Wirkung und der Nebenwirkungen von Haloperidol,
Desimipramin, Imipramin, Phenylbutazon, Phenytoin, Phenobarbital, Primidon, Coumarinen. Das genaue Isoenzym ist noch nicht bekannt. Antazida können die Resorption von Methylphenidat vermindern. 5 Bei Kombination mit vasopressorisch wirksamen Substanzen ist mit einem Blutdrucksanstieg zu rechnen. 5 Bei Kombination mit halogenierten Anästhetika besteht das Risiko eines plötzlichen Blutdruckanstieges. Wenn ein chirurgischer Eingriff geplant ist, sollte Methylphenidat an diesem Tag nicht verabreicht werden. Bewertung
Methylphenidat ist bei Erwachsenen mit ADHS wirksam. Die neuen Retardpräparate erleichtern den Einnahmemodus. Hinsichtlich der Verordungsfrequenz von Methylphenidat ist weiterhin auf eine möglich Missbrauchs- oder Abhängigkeitsproblematik zu achten, auch wenn neuere klinische Untersuchungen diesen Bereich weniger problematisch einstufen als ältere Erkenntnisse.
10.3 · Präparate
Modafinil
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Psychoanaleptikum
2-[(Diphenylmethyl)sulfinyl] acetamid Vigil (Merckle) Tbl. 100 mg (20, 50 Tbl.) Pharmakodynamik 5 Das Psychoanaleptikum Modafinil kann bisher keiner der bekannten
psychotropen Arzneimittelgruppen zugeordnet werden. Der Wirkmechanismus ist nicht vollständig aufgeklärt. Obwohl Modafinil kein direkter oder indirekter α1-adrenerger Agonist ist, legen Experimente nahe, dass die Förderung der Wachheit durch Modafinil eines intakten noradrenergen Transmittersystems bedarf. Dazu scheint Modafinil das serotonerge Transmittersystem zu beeinflussen. Zusätzlich reduziert die Einnahme von Modafinil die Aktivität von GABAergen Neuronen im ventrolateralpräoptischen Bereich des Hypothalamus. Neuere Untersuchungen lassen vermuten, dass diese Wirkung auf eine Blockade der NA-Wiederaufnahme zurückzuführen ist. Diskutiert werden auch die Aktivierung von orexinergen Neuronen der Perifokalregion, sowie eine leichte Inhibierung von Dopamintransportern. 5 Beim Menschen steigert Modafinil dosisabhängig die Wachheit während des Tages. Pharmakokinetik 5 Gute, aber langsame Resorption. Metabolisierung in der Leber, die
Hauptmetaboliten Modafinilsäure und Modafinilsulfon sind pharmakologisch inaktiv. Modafinil und seine Metaboliten werden vorwiegend über die Niere ausgeschieden. 5 Tmax=2–3 h; t½=10–12 h. 5 Modafinil wird nur zu 62% an Plasmaproteine gebunden. 5 Modafinil hat in therapeutischer Dosierung eine gering enzyminduzierende Wirkung auf CYP 3A4. Ein hemmender Effekt wird wahrscheinlich auf CYP 2C19 ausgeübt. Indikationen und Behandlungshinweise 5 Narkolepsie mit und ohne Kataplexienz. 5 Mittelschweres bis schweres obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom mit ex-
zessiver Tagesschläfrigkeit trotz adäquater CPAP-Therapiez. 5 Hinweise für die Wirkung bei primärer Hypersomnie. 5 Erste Hinweise für die Wirkung bei der ADHS, zur Augmentation der
antidepressiven Therapie, zur Behandlung der Fatigue bei Multiple-
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Sklerose-Patienten sowie bei Patienten mit zerebraler Schädigung (z. B. Schädel-Hirn-Trauma, Schlaganfall). 5 Modafinil ist BtM-pflichtig. Eine Einstellung auf Modafinil sollte nur in spezialisierten Facheinrichtungen erfolgen. 5 Die Responderrate für die Tagesmüdigkeit lag in den bisherigen Untersuchungen bei etwa 70%, eine positive Wirkung auf kataplektische Anfälle konnte allerdings nur bei etwa 5% der Patienten festgestellt werden. Das häufig gegen kataplektische Anfälle eingesetzte Clomipramin oder Venlafaxin kann ggf. bei gleichzeitiger Gabe von Modafinil reduziert werden. 5 Bei Patienten mit Bluthochdruck ist eine Überwachung des Blutdrucks und der Herzfrequenz erforderlich. Bei Patienten mit Herz-KreislaufErkrankungen sollten regelmäßige EKG-Untersuchungen durchgeführt werden.
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Dosierung 5 Tagesdosis 200–400 mg (morgens und mittags oder als Einzeldosis am
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Morgen) sowohl bei der Narkolepsie als auch beim obstruktiven SchafApnoe-Syndrom. Die abendliche Einnahme kann zu Schlafstörungen führen. Bei schwerer Einschränkung der Leber- und Nierenfunktion sollte die Tagesdosis halbiert werden. 5 Die Narkolepsie erfordert eine langjährige Therapie. Für Modafinil sollte die Notwendigkeit der Therapie in regelmäßigen Abständen (1 Jahr) kontrolliert werden. Beim obstruktiven Schlaf-Apnoe-Syndrom muss die Kontrolle der Behandlung stets parallel zur CPAP-Therapie erfolgen.
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Nebenwirkungen 5 Sehr häufig: Kopfschmerzen, Nervosität. 5 Gelegentlich bis häufig: Innere Unruhe, Schlaflosigkeit, Zuckungen
(insbesondere der Gesichtsmuskulatur), gesteigerte Bewegungsaktivität, erhöhte Krampfbereitschaft, Angst, Niedergeschlagenheit, Euphorie, Amnesie, Erhöhung von Leberenzymen, Erhöhung des Blutdrucks, Appetitlosigkeit.
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Kontraindikationen 5 Gleichzeitige Behandlung mit Arzneimitteln, die Prazosin (α1-Rezep-
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5 Abhängigkeitsentwicklungen in der Vorgeschichte (Alkohol, Medika-
tor-Antagonist) enthalten. mente, Drogen). Abhängigkeitserkrankungen in der Anamnese werden als absolute Kontraindikationen gesehen, obgleich aus den bisherigen klinischen Erfahrungen über Therapien bis zu 10 Jahren mit Modafi-
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nil keine Anhaltspunkte für psychische oder physische Abhängigkeiten bestehen. Allerdings gibt es erste Berichte über den missbräuchlichen Einsatz von Modafinil als Partydroge. 5 Relative Kontraindikationen: schwere Angstzustände, Patienten mit Psychosen in der Vorgeschichte; schwere Leber- oder Nierenerkrankungen; Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Hypertonie. 5 Schwangerschaft und Stillzeit. 5 Die Fähigkeit zur Teilnahme am Straßenverkehr und zum Bedienen von Maschinen kann beeinträchtigt sein. Interaktionen 5 Zu Wechselwirkungen von Modafinil liegen nur begrenzte Erfahrun-
gen vor. Modafinil hat enzyminduzierende Eigenschaften (s. o.). Daher ist bei gleichzeitiger Anwendung von anderen Arzneimitteln besondere Vorsicht geboten, dies gilt insbesondere für trizyklische Antidepressiva und orale Kontrazeptiva. 5 Bei Kombination mit Clomipramin wurde ein Anstieg der Plasmaspiegel von Clomipramin und Desmethylclomipramin beobachtet, wahrscheinlich durch Hemmung von CYP 2C19. 5 Bei Anwendung von Östrogen-Gestagen-Präparaten zur hormonellen Kontrazeption kann deren empfängnisverhütende Wirkung während der Behandlung mit Modafinil sowie noch für die Dauer eines Zyklus nach Behandlungsende herabgesetzt sein. Dies gilt insbesondere für Mini- oder Mikropille. Während der Behandlung mit Modafinil sollten daher zur Empfängnisverhütung normal dosierte orale Kontrazeptiva (Gehalt an Ethinylestradiol mindestens 0,05 mg) oder andere Methoden der Empfängnisverhütung angewendet werden. Bewertung
Psychoanaleptikum zur Behandlung der Narkolepsie; bisher nur begrenzte klinische Erfahrungen zur Wirksamkeit und längerfristigen Behandlungsmöglichkeit. Neues Indikationsfeld des obstruktiven Schlaf-ApnoeSyndroms. BtM-Pflicht gewährleistet eine hohe Anwendungssicherheit. Allerdings gibt es erste Berichte über den missbräuchlichen Einsatz als Partydroge.
11 Medikamente zur Behandlung von Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen 11.1
Übersicht
Die Klassifikation dieser Gruppe von Störungen (sog. Achse-II-Störungen in multidimensionalen Diagnosesystemen) ist weiterhin nicht als abgeschlossen anzunehmen. Nach ICD-10 und DSM-IV werden Persönlichkeitsstörungen generell als meist früh in Kindheit oder Jugend beginnende, anhaltende Muster von rigiden, nicht angepassten Denk- und Verhaltensweisen, die sich in nahezu allen Lebensbereichen (eigenes Erleben, Beziehungen, Beruf) als Störung für den Betreffenden oder die Umwelt äußern, konzeptualisiert. Die vorherrschenden, prägnanten Symptome, die oft kombiniert auftreten, werden dann einzelnen Subtypen von Persönlichkeitsstörungen (oder Diagnosen) zugeordnet. Nach DSM-IV lassen sich pragmatisch drei Cluster mit unterschiedlicher Symptomprägnanz, möglicherweise unterschiedlicher biologischer und psychologischer Grundlage sowie unterschiedlichen therapeutischen Ansätzen differenzieren: Cluster A (»sonderbar« bzw. »exzentrisch«): Merkmale sind v. a. Denkund Wahrnehmungsverzerrungen, magisches Denken, argwöhnisches und misstrauisches Verhalten, distanzierte Beziehungen. 5 Schizotypische Persönlichkeitsstörung (Prototyp des Clusters, in ICD-10 schizotype Störung in der Gruppe der Schizophrenien) 5 Paranoide Persönlichkeitsstörung 5 Schizoide Persönlichkeitsstörung Cluster B (»dramatisch«, »emotional betont« und »launisch«): Wesentliche Merkmale sind v. a. dramatische und emotionale Verhaltensweisen, Impulsivität und Impulskontrollverlust, Affektstörungen, insbesondere emotionale Instabilität, Instabilität in Beziehungen, Auto- und Fremdaggressivität. 5 Emotional instabile Persönlichkeitsstörung (nach ICD-10: impulsiver Typus und Borderline-Persönlichkeitsstörung, Prototyp des Clusters)
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Kapitel 11 · Medikamente zur Behandlung von Persönlichkeits- und…
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5 Histrionische Persönlichkeitsstörung 5 Antisoziale Persönlichkeitsstörung (ICD-10: dissoziale Persönlichkeits-
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5 Narzisstische Persönlichkeitsstörung (nicht in ICD-10)
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Cluster C (»ängstlich-unsicher«): Merkmale sind sozialer Rückzug, Unsicherheit im selbständigen Denken und Handeln, Rigidität und Überkontrolliertheit, unterschwellige Affektstörungen, v. a. Ängstlichkeit und Depressivität. 5 Selbstunsichere Persönlichkeitsstörung (nach ICD-10: ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung; Prototyp dieses Clusters) 5 Abhängige Persönlichkeitsstörung 5 Zwanghafte Persönlichkeitsstörung 5 Passiv-aggressive Persönlichkeitsstörung (nicht in ICD-10)
störung)
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Die Therapie wird in Abhängigkeit von diesen Symptomclustern durchgeführt. Neben Persönlichkeitsstörungen sind auch Verhaltensauffälligkeiten im Zusammenhang mit Intelligenzminderungen sowie abnorme Gewohnheiten und Impulskontrollstörungen (v. a. pathologisches Spielen, Pyromanie, Kleptomanie, Trichotillomanie) psychiatrisch relevant und zumindest teilweise einer psychopharmakologischen Behandlung zugänglich. Allerdings kommen etwa Impulskontrollstörungen nicht nur im Rahmen von Persönlichkeitsstörungen, sondern auch im Rahmen von AchseI-Störungen vor. 11.2
Allgemeine Therapiehinweise
Es muss immer zunächst geklärt werden, ob sich zusätzlich zu einer bestehenden Persönlichkeitsstörung eine mit Psychopharmaka sicher behandelbare psychiatrische Störung (Achse-I-Störung) entwickelt hat. Besonders häufig sind depressive Episoden, die mit Antidepressiva, wegen der besseren Verträglichkeit vorzugsweise mit SSRI, gut behandelt werden können, und Substanzmissbrauch und -abhängigkeit (v. a. Alkohol, Benzodiazepine). 5 Spezifische Medikamente zur Behandlung der Persönlichkeitsstörung
gibt es noch nicht, die Therapie erfolgt im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplans. Dieser beinhaltet psychotherapeutische Maßnahmen (v. a. Verhaltens- und Traumatherapie), psychosoziale Unterstützungs-
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module und die symptomorientierte medikamentöse und supportivpsychiatrische Behandlung. Dies ist bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen von besonderer Bedeutung, um die meist drastisch eingeschränkte Lebensqualität zu verbessern. Obwohl psychotherapeutische Behandlungsverfahren derzeit im Zentrum der Interventionen bei Persönlichkeitsstörungen stehen, erfordern schwerwiegende psychopathologische Symptome häufig den Einsatz von Psychopharmaka. Wichtigste Zielsyndrome für psychopharmakologische Interventionen bei Persönlichkeitsstörungen sind: – depressive und andere affektive Symptome, – unkontrollierbare Impulsivität und Aggressivität, – dissoziative oder psychotische Symptome. Voraussetzung einer Therapie ist auch stets der Ausschluss bzw. die Kenntnis organischer Erkrankungen, um die medikamentöse Therapie ggf. anzupassen. Empfehlungen zur Dauer der Therapie können nicht gegeben werden, da sich die meisten Studien jeweils nur auf wenige Wochen beziehen. Eine erfolgreiche Pharmakotherapie sollte man aber längerfristig mit der niedrigsten effektiven Dosis unter sorgfältiger Überwachung von möglichen Nebenwirkungen fortführen.
5 Bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen sind Besonderheiten bei
der Pharmakotherapie zu berücksichtigen: – Häufig ablehnende Haltung gegenüber Medikamenten – Häufig nur geringe Compliance und hohe Abbruchrate – Nebenwirkungen werden oft sensitiv oder verstärkt wahrgenommen – Wechsel und Änderung von Therapien werden oft als Zurückweisung erlebt – Medikamente erzeugen bei manchen Patienten das Gefühl von Kontrollverlust – Die Medikation kann zum Interaktionsfeld werden (»Agieren«) – Bei Erfolg wird manchmal Therapieende und »Beziehungsabbruch« antizipiert – Suizidrisiko (Intoxikationen!), v. a. bei Borderline-Persönlichkeitsstörungen 5 Diesen Schwierigkeiten ist durch ein besonders sorgfältiges psychiatrisch-psychotherapeutisches Vorgehen zu begegnen: – Pharmakotherapie ist i. d. R. nur auf der Basis einer tragfähigen und kontinuierlichen therapeutischen Beziehung sinnvoll 6
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Kapitel 11 · Medikamente zur Behandlung von Persönlichkeits- und…
– Die Dosierung sollte individuell, an Zielsymptomen und Nebenwirkungen orientiert, erfolgen. Meist sind relativ niedrige Dosierungen ausreichend. – Mitbeteiligung der Patienten bei Auswahl, Dosierung und Einnahmeschemata (Information, »shared decision making«) – Erfolgserwartungen eher niedrig ansetzen (entsprechend der aktuellen Studien) – Notwendige Kontrolluntersuchungen, Nebenwirkungen und Begleiteffekte vorher besprechen; ggf. auch mögliche Alternativen und Konsequenzen – Ggf. mögliche Optionen bei Wechsel der Medikation besprechen – Frühzeitig die Konsequenzen eines medikamentösen Therapieerfolgs thematisieren (Erfolge definieren, Zielvereinbarungen, Stufenplan ausarbeiten) – Klare »Verträge« mit entsprechenden Maßnahmen und Konsequenzen können manchmal hilfreich sein (z. B. bei selbstverletzendem Verhalten, Suizidalität, Zwangssymptomen) – Verschreibung möglichst sicherer Medikation und ggf. kleiner Packungsgrößen
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Spezifische Therapiehinweise
Die Aussagen zur Wirksamkeit der medikamentösen Therapie beziehen sich größtenteils auf offene oder randomisierte Studien mit kleinen Fallzahlen. Aus diesen Studien kann man die folgenden Therapieempfehlungen zur Zeit ableiten. 11.3.1 Therapie von spezifischen Persönlichkeitsstörungen 5 Für die meisten Subtypen der Persönlichkeitsstörungen gibt es derzeit
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noch keine empirisch fundierte Therapieleitlinie unter Berücksichtigung pharmakologischer Ansätze. 5 Das Fehlen umfassender psychopharmakologischer Therapien gilt insbesondere für dissoziale (bzw. antisoziale) Persönlichkeitsstörungen, bei denen auch psychotherapeutische Interventionen nicht sicher wirksam sind. 5 Auch für Verhaltensauffälligkeiten bei histrionischen Persönlichkeitsstörungen kann aus den wenigen Fallberichten derzeit noch keine pharmakologische Empfehlung abgeleitet werden. 5 Für Persönlichkeitsstörungen mit Symptomen, die auch im Rahmen von Achse-I-Störungen auftreten und dabei wirksam behandelt wer-
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den können (v. a. depressive Symptome, Angstsymptome, psychosenahe Symptome, Zwangssymptome), lassen sich zumindest Hinweise für die Symptombehandlung bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen gewinnen. Dies trifft insbesondere für schizotypische, paranoide, zwanghafte und selbstunsichere Persönlichkeitsstörungen zu. 5 Für die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) liegen sowohl Studien zur Wirksamkeit psychotherapeutischer Verfahren (DBT, dialektisch-behaviorale Therapie nach Linehan) vor als auch Empfehlungen zur symptomatischen medikamentösen Therapie, die sich teilweise auf kontrollierte Studien, zumindest jedoch auf offene Studien und umfangreiche Fallberichte stützen können . 5 Die bei BPS gefundenen wirksamen syndromorientierten Therapiemöglichkeiten lassen sich auch für Patienten mit dieser Symptomatik im Rahmen anderer Persönlichkeitsstörungen nutzen. 11.3.2 Zielsyndromorientierte Psychopharmakotherapie bei Persönlichkeitsstörungen Affektstörungen (depressive Stimmung, Wut, aggressive Stimmung, Angst) 5 Komorbide affektive und Angststörungen sind entsprechend zu behandeln (7 Kap. 1, 2 und 4); nach effektiver Behandlung depressiver Stö-
rungen besserten sich auch andere Symptome komorbider Persönlichkeitsstörungen. Komorbide Persönlichkeitsstörungen sind andererseits häufig Prädiktoren für schlechteres Ansprechen depressiver Störungen auf Antidepressiva. 5 Bei affektiven Symptomen (insbesondere depressiven Verstimmungen, Stimmungsschwankungen, Empfindlichkeit gegen Abweisung, Angst, pathologischem Ärger, Wut und Feindseligkeit) werden SSRI (Fluoxetin, Sertralin) und Venlafaxin empfohlen; zu den SSRI liegen Akut-, Langzeit- und Erhaltungstherapiestudien (bis 3 Jahre) vor. Bei mangelnder Wirksamkeit eines ersten SSRI sollte ein Versuch mit einem zweiten SSRI oder Venlafaxin gemacht werden, bevor auf andere Medikationen zurückgegriffen wird. 5 Für die Therapie von aggressiven Affektdurchbrüchen und aggressiven Verhaltensweisen liegen positive Studienergebnisse für Haloperidol vor; allerdings sind atypische AP (z. B. Risperidon, Quetiapin) wahrscheinlich in dieser Indikation besser geeignet und daher – trotz noch fehlender Studien – aufgrund ihrer besseren v. a. Langzeitverträglichkeit vorzuziehen. In einer offenen Studie haben sich Olanzapin und niedrig dosiertes Clozapin als nützlich bei der Behandlung von affektiven Symptomen (Depressivität, Aggressivität) bei BPS erwiesen.
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5 Als Zusatzmedikation bei Stimmungsschwankungen und affektiven
Symptomen können unter Vorbehalten (Nebenwirkungen, Intoxikationsrisiko) und entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen und Kontrollen bei zuverlässigen Patienten Lithium, Carbamazepin und Valproinsäure erwogen werden. Für Valproinsäure liegen kleinere kontrollierte Studien vor, die eine Wirksamkeit bei Aggressivität und Irritabilität im Rahmen von BPS belegen. Eine generelle Empfehlung kann jedoch für Stimmungsstabilisierer in dieser Indikation nicht gegeben werden. 5 Bei therapierefraktärer Angst liegen Einzelfallberichte zur Wirksamkeit von Benzodiazepinen (Clonazepam, Alprazolam) vor; unter Alprazolam wurde in Einzelfällen Kontrollverlust berichtet; insgesamt sollen Benzodiazepine nur akut und mit Vorsicht eingesetzt werden (Abhängigkeitsrisiko). Bei vorrangig sozialen Ängsten (soziale Phobie) hat sich Gabapentin als wirksam erwiesen. Störungen der Impulskontrolle, Reizbarkeit und unkontrollierte Wut, impulsive Aggression, impulsive Selbstverletzung 5 Bei impulsiver Aggression, Wut, Reizbarkeit und auch selbstverletzen-
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dem Verhalten im Rahmen einer BPS werden SSRI (Fluoxetin, Sertralin) und auch Venlafaxin empfohlen. Gewünschte Effekte auf Wut und impulsive Aggression treten oft früher und unabhängig von Wirkungen auf Stimmung oder Angst ein. Unklar ist bei dieser Indikation, ob ein Versuch mit einem zweiten SSRI erfolgreich ist, wenn der erste Versuch fehlschlägt; ggf. sollte auf Valproinsäure oder ein atypisches Antipsychotikum zurückgegriffen werden. Lithium kann bei impulsiver Aggression i. R. von Persönlichkeitsstörungen offensichtlich in Mono- oder Zusatztherapie wirksam sein. Vorsichtsmaßnahmen und Kontrollen sind in jedem Falle erforderlich, es besteht eine geringe Sicherheit bei unzuverlässigen Patienten (geringe therapeutische Breite). Carbamazepin und Valproinsäure werden bei impulsiver Aggression häufig eingesetzt; für Valproinsäure liegen mittlerweile kleine kontrollierte Studien zur Wirksamkeit bei aggressiver Impulsivität i. R. von Persönlichkeitsstörungen vor, insbesondere, wenn SSRI unwirksam sind. Für Lamotrigin und Topiramat liegen offene Studien zur Wirkung gegen Aggressivität und selbstverletzendes Verhalten (v. a. bei geistiger Retardation) vor, die eine generelle Empfehlung derzeit jedoch noch nicht erlauben. Bei impulsiver Aggressivität und schweren Selbstverletzungsimpulsen wurde in Einzelfällen unter Einhaltung der übrigen Kontraindikationen und Kontrollen Clozapin mit Erfolg eingesetzt, möglicherweise sind auch andere atypische AP in dieser Indikation wirksam. Für Que-
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tiapin liegen positive Einzelfallberichte bei Patienten mit antisozialer Persönlichkeitsstörung vor. Zur raschen Kontrolle eskalierender impulsiver Symptome (Erregungszustände mit akuter Wut, aggressiven Angriffen und Selbstverletzungen) ist Haloperidol wirksam, ggf. kann auch ein Einsatz von Zuclopenthixol-Azetat notwendig sein; allerdings konnte für konventionelle Antipsychotika kein spezifischer Effekt auf die Impulsivität nachgewiesen werden. Bei impulsiver Reizbarkeit (v. a. bei »hysteroider Dysphorie«) haben frühere Studien unter Einhaltung von Vorsichtsmaßnahmen und Diätvorschriften Monoaminooxidase-Hemmer (u. a. Tranylcypromin) erfolgreich eingesetzt, können aber nicht generell empfohlen werden. In Fallserien wurde Naltrexon erfolgreich bei Selbstverletzungstendenzen im Rahmen von BPS verordnet, immer sind jedoch begleitende psychotherapeutische Maßnahmen empfohlen. Benzodiazepine werden auch bei dieser Zielsymptomatik nur für Akutund Notfallsituationen empfohlen; Einzelfälle von Kontrollverlust wurden unter Benzodiazepinen berichtet.
Kognitive Symptome und Wahrnehmungsverzerrungen 5 Verhaltenseigentümlichkeiten, Verzerrungen des Denkens und der
Wahrnehmung sowie ein Unbehagen bei nahen Beziehungen können als Symptome v. a. bei schizotypischen Persönlichkeitsstörungen auftreten; Misstrauen und Beziehungsideen sind Kennzeichen der paranoiden Persönlichkeitsstörung. Diese Symptome sowie Derealisationsund Depersonalisationserleben sind jedoch auch bei anderen Persönlichkeitsstörungen der Cluster A und B, insbesondere bei BPS, nicht selten. 5 Zur Behandlung von im Rahmen von Persönlichkeitsstörungen auftretenden Beziehungsideen, Illusionen, meist passageren Halluzinationen und Pseudohalluzinationen und paranoiden Ideen sowie der häufig damit verbundenen Hostilität haben sich konventionelle hochpotente Antipsychotika (u. a. Haloperidol, Perphenazin, Flupentixol) in niedriger Dosierung in Kurzzeitstudien als effektiv erwiesen. Allerdings zeigte sich in längeren Studien eine geringe Verträglichkeit dieser Medikation (v. a. EPS einschließlich tardiver Dyskinesien, Depressivität) 5 Trotz fehlender kontrollierter Studien sollte atypischen Antipsychotika (v. a. Olanzapin, Risperidon, ggf. Clozapin, möglicherweise auch Ziprasidon, Quetiapin, Amisulprid) in möglichst niedriger Dosierung unter Einhaltung der üblichen Kontraindikationen und Kontrolluntersuchungen der Vorzug bei Behandlungsversuchen für diese Zielsymptomatik gegeben werden.
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5 Bei dissoziativen Symptomen, insbesondere im Rahmen einer BPS, kann
ein Versuch mit Naltrexon (Dosis meist 25–100 mg/Tag) in Kombination mit Psychotherapie unternommen werden; positive Ergebnisse aus Fallserien liegen hierfür vor.
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Verhaltensstörungen bei Intelligenzminderung und Autismus 5 Bei aggressivem Verhalten bei Intelligenzminderung kann zunächst
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Risperidon versucht werden. Andere atypische Antipsychotika wurden seither nicht in kontrollierten Studien untersucht. Bei chronisch aggressivem Verhalten ist im zweiten Schritt ein Therapieversuch mit Valproinsäure oder Carbamazepin vorsichtig indiziert. Bei organisch bedingten aggressiven Störungen kann ein Therapieversuch mit Betablockern (vorzugsweise Propranolol) auch in höherer Dosierung oder mit Clonidin erfolgversprechend sein (langsam aufdosieren). Bei Oligophrenien und anderen geistigen Behinderungen tritt nicht selten neben motorischen Stereotypien repetitives selbstverletzendes Verhalten mit zum Teil auch mutilierenden Selbstverletzungen auf. In dieser Indikation kann Risperidon eingesetzt werden, möglicherweise wirkt auch Olanzapin oder ein anderes atypisches Antipsychotikum positiv. Bei expansiven und disinhibierten Verhaltensstörungen im Rahmen von Oligophrenien kann ein Versuch mit Valproinsäure oder Antipsychotika (konventionelle AP in niedriger Dosis oder atypische AP, insbesondere Risperidon) empfohlen werden. Bei Autismus und bei autistischen Symptomen bei geistiger Behinderung (starker emotionaler und sozialer Rückzug, Stereotypien, Veränderungsangst, Wutausbrüche) wurde die symptomatische Wirksamkeit von Risperidon in niedriger Dosis auch bei Kindern und Jugendlichen belegt. Eine neuere offene Studie zeigte auch positive Effekte von Citalopram in dieser Indikation. Allerdings sind frühere Befunde für SSRI bei Autismus und ähnlichen Störungen eher diskrepant; neben Besserungen wurden auch Zunahmen von Aggressivität und Hyperaktivität berichtet. Eine offene Studie mit Topiramat als »Add-on«-Medikation legt eine Wirksamkeit bei Verhaltensstörungen und Aggression im Rahmen geistiger Behinderung nahe. Keine Empfehlung kann trotz positiver Fallberichte für Naltrexon und Methylphenidate bei geistiger Retardation und autistischen Symptomen ausgesprochen werden.
11.4 · Psychopharmaka bei Persönlichkeits- und …
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Spezifische Impulskontrollstörungen und Paraphilien 5 Bei spezifischen Störungen der Impulskontrolle (pathologisches Spie-
len, Pyromanie, Kleptomanie, Trichotillomanie) und sexuellen Paraphilien haben sich in Fallserien SSRI in oft höherer Dosierung und über mehrere Monate als hilfreich erwiesen, eine Kombination mit psychotherapeutischen Interventionen ist in jedem Fall zu empfehlen. 5 Auch ein zweiter Versuch mit einem SSRI scheint ggf. angeraten, bevor ein atypisches Antipsychotikum auch in Kombination – wie bei therapieresistenten Zwangsstörungen – versucht werden kann (v. a. Olanzapin, Quetiapin, Risperidon, Ziprasidon). Kontrollierte Studien liegen hierzu nicht vor. Schlafstörungen 5 Die häufig bei Persönlichkeitsstörungen auftretenden Schlafstörungen
und Albträume lassen sich meist gut mit niedrig dosierten Antidepressiva (z. B. Mirtazapin, Trimipramin) oder niederpotenten Butyrophenonen (Melperon, Pipamperon) behandeln (7 Kap. 5). Positive Wirkungen auf den Schlaf werden auch für Buspiron berichtet. 11.4
Psychopharmaka bei Persönlichkeitsund Verhaltensstörungen
11.4.1 Antidepressiva 5 Bei depressiven Störungen im Rahmen von Persönlichkeitsstörun-
gen, insbesondere BPS, sind SSRI und Venlafaxin Mittel der ersten Wahl. 5 Für Mirtazapin und Reboxetin fehlen noch entsprechende Studien, Reboxetin könnte nach ersten Fallberichten bei begleitenden Symptomen einer Aufmerksamkeitsstörung mit impulsiv-hyperaktiven Symptomen günstig wirken. Mirtazapin in einer Dosis von 7,5–15 mg kann mit Erfolg auch bei Schlafstörungen im Rahmen von Persönlichkeitsstörungen eingesetzt werden. 5 Impulsiv-aggressives Verhalten, Reizbarkeit und suizidale Handlungen werden ebenfalls unter SSRI gebessert (20–60 mg Fluoxetin, 50–100 mg Sertralin). Wahrscheinlich spielt das serotonerge System bei der Beeinflussung des impulsiven, aggressiven und autoaggressiven Verhaltens eine wichtige Rolle. Bei begleitender Depression ist bei Agitation und/ oder impulsiver Aggression eine Indikation für SSRI relativ früh gegeben; die Besserung mit SSRI ist von der depressiven Stimmung unabhängig. Bei selbstverletzendem Verhalten gibt es zwar positive Berichte
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Kapitel 11 · Medikamente zur Behandlung von Persönlichkeits- und…
für SSRI, es wurde aber auch eine Verstärkung des aggressiven Verhaltens beschrieben.
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11.4.2 Antipsychotika
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5 Bei aggressivem Verhalten, emotionaler Instabilität, mangelnder Im-
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pulskontrolle und vorübergehenden psychotischen Symptomen bei BPS ist ein Therapieversuch mit einem atypischen Antipsychotikum über einige Wochen indiziert; die zusätzlich sedative Wirkung kann von Fall zu Fall genutzt werden. Wirksamkeit ist für Olanzapin 7,5 mg, Risperidon 2 mg (bei schizotyper Persönlichkeitsstörung) und Clozapin 250 mg/Tag bei therapieresistenten Patienten mit Wahn und Halluzinationen beschrieben. Die Dosis sollte über 4–6 Wochen zunächst niedrig gewählt werden, danach Erhöhung bei nicht optimaler Wirkung. 5 Bei selbstverletzendem Verhalten gibt es positive Fallberichte mit 5– 15 mg Olanzapin. Bei aggressivem Verhalten i. R. einer Intelligenzminderung ist Risperidon in niedriger Dosis zu empfehlen. Diese Studien reichen aber zu einer generellen Therapieempfehlung, insbesondere zur Langzeittherapie, nicht aus. 5 Auch affektive Symptome bessern sich unter Antipsychotika (7 Kap. 3.4.4); unter 5–10 mg Olanzapin kam es zu einer Besserung der Dysthymie bei BPS. 5 Konventionelle Antipsychotika sollten bei dieser Indikation, auch in geringer Dosierung, wegen erhöhter Nebenwirkungen nur mehr in Ausnahmefällen (z. B. Haloperidol und Zuclopenthixol bei aggressivem Verhalten) verordnet werden. 11.4.3 Benzodiazepine 5 Sie sind bei der Notwendigkeit einer akuten, vorübergehenden Sedie-
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rung für die in diesem Kapitel genannten Störungen kaum verzichtbar und dann zu empfehlen (Lorazepam). Bei vorherrschender Angst im Rahmen einer emotionalen Instabilität können sie besser als SSRI wirken (Clonazepam). ! Mögliche Bahnung von impulsivem Kontrollverlust ist unter Benzo-
diazepinen möglich (wurde für Alprazolam beschrieben).
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5 Wegen des Abhängigkeitsrisikos sollte bei Patienten mit Persönlich-
keitsstörungen keine Langzeittherapie mit Benzodiazepinen durchgeführt werden.
11.4 · Psychopharmaka bei Persönlichkeits- und …
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11.4.4 Betarezeptorenblocker und Clonidin 5 Sie sind bei organisch bedingtem aggressivem Verhalten als Reser-
vemedikation einsetzbar. Ein Versuch z. B. mit Propranolol, beginnend mit 20 mg, sehr langsam steigernd bis auf 200 mg/Tag (auch über höhere Dosen wird berichtet), kann auch bei aggressiven Verhaltensstörungen über mindestens 8 Wochen versucht werden. ! Vorsicht bei organischen, v. a. kardialen Grundkrankheiten und inter-
nistischer Komedikation.
11.4.5 Stimmungsstabilisierer 5 Obwohl für Lithium bei suizidalem Verhalten im Rahmen von depres-
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siven Störungen eine rezidivverhütende Wirkung gesichert ist, sollte es bei suizidalem Verhalten bei BPS nur in Ausnahmefällen angewandt werden (zu hohes Risiko bei Überdosierung; Fehlen eines antisuizidalen Wirksamkeitsnachweises bei Persönlichkeitsstörungen). Bei impulsiver Aggressivität i. R. von BPS erwies sich Lithium in Monotherapie oder in Kombination mit SSRI als wirksam. Mögliche Interaktionen und Nebenwirkungen sind immer zu beachten; eine generelle Empfehlung kann nicht erfolgen. In frühen Studien wurde ein emotional stabilisierender Effekt von Lithium gezeigt. Eine Indikation hat sich aber in größeren Studien nicht erhärtet. Carbamazepin zeigte in einer kontrollierten Studie bei BPS negative Ergebnisse. Insgesamt ist die weitverbreitete Therapie der Impulskontrollstörungen i. R. von BPS mit Carbamazepin unschlüssig und durch Studien nicht belegt. Für Valproinsäure liegen mittlerweile zumindest kleinere kontrollierte Studien bei BPS vor, die eine Wirksamkeit in üblicher Dosierung (Plasmaspiegel 50–100 µg/ml) bei Impulsivität, Aggressivität und Reizbarkeit sowie die relative Sicherheit und Verträglichkeit bei Einhaltung der Kontraindikationen und Kontrollen belegen konnten. Bei chronisch aggressivem Verhalten gibt es einige erfolgreiche Therapieergebnisse unter Carbamazepin bis 800 mg/Tag und besonders unter Valproinsäure bis 1000 mg/Tag. Positive Therapieberichte mit Lamotrigin bei BPS und komorbider bipolarer Störung rechtfertigen noch keine Verallgemeinerung. Für Topiramat liegt ebenfalls eine offene Studie vor, die als »Add-on«-Medikation (Dosis 150–350 mg) eine Wirksamkeit bei Verhaltensstörungen im Rahmen geistiger Behinderung nahe legt. Langsame Aufdosierung
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Kapitel 11 · Medikamente zur Behandlung von Persönlichkeits- und…
und mögliche Nebenwirkungen sind bei beiden Substanzen zu beachten. Für Gabapentin liegen Studien vor, die eine Wirksamkeit bei sozialen Ängsten (soziale Phobie) belegen. 11.4.6 Naltrexon 5 Bei selbstverletzendem Verhalten und bei dissoziativen Symptomen
i. d. R. im Rahmen von BPS zeigte Naltrexon in kleinen Studien (Dosierung 25–100 mg/Tag) eine gute Wirkung. 5 Zu Naltrexon bei sexuellen Funktionsstörungen und Paraphilien 7 Kap. 8.
12 Pharmakotherapie psychiatrischer Akutsituationen 12.1
Übersicht und allgemeine Gesichtspunkte
Psychiatrische Notfallsituationen kommen als krisenhafte Zuspitzungen i. R. psychiatrischer Grundkrankheiten und bei Gesunden (z. B. Agitiertheit, Stupor bei akuter Belastungsreaktion oder Suizidalität bei Anpassungsstörungen) vor. Die medikamentöse Behandlung erfolgt syndromgerichtet. Der Vielfalt psychiatrischer Diagnosen bzw. krisenbegünstigender Faktoren steht eine relativ geringe Anzahl notfallpsychiatrisch relevanter Syndrome gegenüber: 5 psychomotorische Erregungszustände, 5 delirante Syndrome, 5 Störungen des Bewusstseins, 5 stuporöse Zustände, 5 Suizidalität. Diese Syndrome sind diagnoseübergreifend und zeigen Überlappungen. Für die Pharmakotherapie psychiatrischer Notfallsituationen werden einige bewährte Psychopharmaka empfohlen (. Tabelle 12.1): 5 Als Antipsychotika wurden die Butyrophenone Haloperidol und Melperon wegen ihrer Effektivität, Verbreitung und relativen Sicherheit (Melperon besondere für geriatrische und internistisch multimorbide Patienten) und das atypische Antipsychotikum Olanzapin wegen seiner guten Verträglichkeit und akuten Wirksamkeit bei Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis sowie der Manie ausgewählt. Die Medikamente können oral und parenteral verabreicht werden. Atypische Antipsychotika haben in der Pharmakotherapie psychiatrischer Akutsituationen an Bedeutung gewonnen und stellen bereits jetzt in vielen Fällen eine wirksame Alternative zu konventionellen hochpotenten Antipsychotika dar. Als Anxiolytikum wird Lorazepam als kurzwirksames Benzodiazepin ohne wirksame Metaboliten empfohlen; es hat zudem den Vorteil der Sicherheit bei Anwendung der schnelllöslichen Darreichungsform. 5 Es gibt Alternativen zu dieser Auswahl, so etwa das kurzwirksame Depot-Antipsychotikum Zuclopenthixol oder andere Butyrophenone
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Indikation
Dosierung
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Haloperidol
5 Psychotische Zustandsbilder 5 Psychomotorische Erregung auch schwerster Ausprägung jeglicher Genese
5 i.v./i.m.: initial 5–10 mg 5 p.o.: initial 5–10 mg 5 Ggf. Wiederholung 1–2x im Abstand von 30 min, nicht mehr als 50 mg parenteral in 24 h
5 Hohes Wirkpotenzial 5 Vor allem in niedrigerer Dosis und kurzer Anwendung relativ gute kardiovaskuläre Verträglichkeit
5 QTc-Verlängerung möglich 5 In hohen Dosen kardiotoxisches Risiko (ventrikuläre Tachyarrhythmien), dann möglichst Monitorüberwachung 5 Frühdyskinesien, dann Biperiden (Akineton) 2,5–5 mg i.v.
Olanzapin
5 Psychotische Zustandsbilder 5 Psychomotorische Erregung bei Schizophrenie und Manie, insbesondere bei erhöhter Neigung zu EPS
5 i.m.a: initial 10 mg 5 p.o.b: initial 10–20 mg 5 Wiederholung im Abstand von 30 min möglich, nicht mehr als 30 mg in 24 h
5 Geringeres EPS-Risiko 5 Problemloser Übergang in orale Erhaltungstherapie
5 Bisher wenig Erfahrung bei sehr starken Erregungszuständen und drohender Gefahr körperlicher Gewaltanwendung sowie bei akuter organisch bedingter Erregung (z. B bei Delir)
Kapitel 12 · Pharmakotherapie psychiatrischer Akutsituation
Präparat
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. Tabelle 12.1. Auswahl der wichtigsten Psychopharmaka zur Behandlung psychiatrischer Akutsituationen
Präparat
Indikation
Dosierung
Besonderheiten
CAVE
Melperon
5 Leicht- bis mittelgradige psychomotorische Erregung bei geriatrischen und multipel internistisch Erkrankten
5 i.m.: initial 50–100 mg 5 p.o.: initial 50–100 mg 5 nicht mehr als 200 mg in 24 h
5 Gute sedierende Eigenschaften bei mäßiger antipsychotischer Wirkung und fehlenden anticholinergen Eigenschaften
5 Keine i.v.-Applikation 5 Zum Teil ausgeprägte orthostatische Hypotonie möglich
Lorazepam
5 Psychomotorische Erregung 5 Angstzustände
5 i.v./i.m.: initial 1–2 mg 5 p.o.: initial 1–2,5 mg 5 Ggf. Wiederholung alle 30 min (»rapid tranquilization«), nicht mehr als 10 mg in 24 h
5 Kurze Halbwertszeit, keine aktiven Metaboliten 5 Gut steuerbar
5 Hypotonie und Atemdepression möglich, insbesondere in hohen Dosen und bei i.v.-Gabe 5 i.v.-Applikation langsam!
Kombination von Olanzapin i.m. plus Lorazepam ist bisher nicht geprüft und sollte vermieden werden. In einer neuen offenen Studie waren Risperidon 2 mg p.o.plus Lorazepam 2–2,5 mg p.o. in der Initialphase einer akuten Psychose wirksamer als eine i.m.-Versorgung mit Standardantipsychotika.
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a Die
12.1 · Übersicht und allgemeine Gesichtspunkte
. Tabelle 12.1. (Fortsetzung)
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Kapitel 12 · Pharmakotherapie psychiatrischer Akutsituation
(z. B. Benperidol, Pipamperon) oder atypische Antipsychotika (z. B. Ziprasidon, Risperidon) sowie andere Benzodiazepine (z. B. Diazepam, Oxazepam). Bei der Behandlung prädeliranter und deliranter Zustände, v. a. im Rahmen des Alkoholentzugssyndroms, hat sich über Jahrzehnte in Deutschland Clomethiazol wegen seiner Effektivität und guten Steuerbarkeit bewährt, während es in angloamerikanischen Ländern nicht eingesetzt wird; nachteilig sind dessen geringe therapeutische Breite und die eingeschränkte parenterale Verwendungsfähigkeit, die nur unter intensivmedizinischen Bedingungen möglich ist. Als niedrigpotentes Antipsychotikum ist außerdem Levomepromazin weithin in Gebrauch und gut wirksam, insbesondere als Adjuvans zur Dämpfung akuter psychomotorischer Erregungszustände. Generell ist jedoch bei der Anwendung niedrig potenter trizyklischer Antipsychotika wegen des anticholinergen und kardiovaskulären Nebenwirkungspotenzials Vorsicht geboten. Verhalten in der psychiatrischen Akutsituation
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Die folgenden Maßnahmen sollten der medikamentösen Behandlung des psychiatrischen Notfalls unmittelbar vorausgehen (. Abb. 12.1): 5 Abschätzung, ob der Patient eine akute Gefahr für Untersucher, Personal und/oder sich selbst darstellt. 5 Ausschluss einer unmittelbaren vitalen Bedrohung durch eine internistische oder chirurgische (Grund-)Erkrankung. 5 Vorläufige diagnostische Einordnung von a) Notfallsyndrom und b) vermuteter zugrundeliegender psychiatrischer Störung (psychotisch, affektiv, Intoxikation, reaktiv, Persönlichkeitsstörung) durch Fremdanamnese (Polizei, Personal, Angehörige) und Verhaltensbeobachtung. Eine genauere Diagnosestellung ist initial häufig nicht möglich und hat auch keine Priorität. 5 Festlegung der Behandlungsstrategie und -modalität (freiwillig – unfreiwillig, sofort – nach Aufnahme/Übernahme). Besteht Selbst- oder Fremdgefährdung, muss sofort gehandelt werden; für eine Rechtsgrundlage (Unterbringungsbeschluss, Betreuung) ist ggf. unmittelbar nach Bewältigung der akuten Krise zu sorgen.
Generelle Verhaltensregeln sind: 5 Schaffen einer ruhigen, aber vor allem sicheren Gesprächssituation (immer direkter Fluchtweg; ggf. Anwesenheit von Personal, zumindest jedoch in Rufweite) 5 Ruhiges, sicheres Auftreten 6
487
12.1 · Übersicht und allgemeine Gesichtspunkte
Agitierter Patient
Ruhiges, sicheres Auftreten; Patienten ernst nehmen; Patienten nicht in die Enge treiben; Gefährdung evaluieren
Kooperativ? Gesprächsbereit?
ja
Krisenintervention:
nein
Gespräch Spannungsreduktion durch Angebote: 5 gemeinsame Konfliktlösung 5 geplante Maßnahmen erklären 5 ggf. Essen, Trinken, Zigarette 5 Einbeziehen oder Ausschließen von 5 Angehörigen nach Wunsch des Patienten
ggf. Medikation Erfolg
Absprachefähigkeit beurteilen Aufnahmeindikation klären
kein Erfolg Gefährdung reevaluieren
5 Stärke und Präsenz (Personal) signalisieren 5 Befugnis ggf. zu Maßnahmen gegen
den Willen des Patienten erklären
Erfolg
5 Entschlossenheit zeigen
kein Erfolg
Nach Regelung der Rechtsgrundlage: 5 Medikation auch ohne Einwilligung des Patienten 5 ggf. kurzfristige Fixierung
. Abb. 12.1 Handlungsablauf bei psychomotorischen Erregungszuständen
12
488
1 2 3
Kapitel 12 · Pharmakotherapie psychiatrischer Akutsituation
5 5
Klare, eindeutige Anweisungen Aktives, empathisches Zuhören (Nachfragen, offene Fragen, reflektierende Antworten) 5 Konsequentes Handeln 5 Die Sicherheit von Untersucher und Personal ist vorrangig Das Verhalten des Arztes muss der Situation individuell angepasst sein.
4 5
12.2
6
Psychomotorische Erregungszustände (. Tabelle 12.2) sind durch ausgeprägte Antriebssteigerung sowie motorische Hyperaktivität, z. T. mit Gereiztheit, Aggressivität und Kontrollverlust gekennzeichnet. Oft besteht eine ängstliche Grundstimmung (v. a. bei psychotischen Erregungszuständen und Angststörungen). Erste Anzeichen sind mangelnde Kooperation, motorische Unruhe, Auf- und Abschreiten, intensives Gestikulieren, lau-
7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
Psychomotorische Erregungszustände
. Tabelle 12.2. Übersicht über Differenzialdiagnose und Notfalltherapie psychomotorischer Erregungszustände Differenzialdiagnose
Therapie
Psychotische Erregung und Aggressivität bei Schizophrenie und manischen Syndromen
Haloperidol (alternativ Olanzapina), Lorazepam
Erregung bei depressiven Syndromen
Lorazepam; Einleitung der antidepressiven Basistherapie
Erregung bei Angststörungen mit/ohne Panikattacken
Lorazepam
Erregung bei symptomatischen Psychosen bei somatischen Erkrankungen (z. B. internistisch/neurologisch/Intoxikationen)
Haloperidol; kausale Therapie (speziell bei geriatrischen und multimorbiden Patienten: Melperon)
Erregung bei Drogenintoxikationen inkl. (kompliziertem) Alkoholrausch
Haloperidol (bei Alkoholintoxikation CAVE Benzodiazepine)
Erregung bei Delir
. Tabelle 12.3 und 7 Kap. 12.3
a Die Kombination von Olanzapin i.m. plus Lorazepam ist bisher nicht geprüft und sollte vermieden werden.
12.3 · Delirante Syndrome
489
12
te Sprache mit Drohgebärden, »Starren«, Reizbarkeit und Impulsivität. Eigen- und/oder Fremdgefährdung sind möglich. Notfalltherapie beim psychomotorischen Erregungszustand 5
Basistherapie mit einem Antipsychotikum: Haloperidol 5–10 mg p.o. oder i.v./i.m., ggf. 1- bis 2-malige Wiederholung im Abstand von 30 min, aber maximal 50 mg in 24 h. 5 Alternativ: Olanzapin 10–20 mg p.o.1 oder 10 mg i.m2. 5 Zusätzlich als Komedikation Benzodiazepine: Lorazepam 1–2,5 mg p.o. (am besten »Expidet«-Formulierung) oder 1–2 mg i.v./i.m., ggf. Wiederholung in 30-minütigen Abständen (»rapid tranquilization«). !
12.3
Additive Effekte bei sedierend wirkender Vormedikation. Insbesondere sind Komplikationen bei i.v.-Applikation von Benzodiazepinen unter Clozapin beschrieben, so dass die Anwendung dieser Kombination nur speziellen Situationen vorbehalten bleiben sollte (z. B. starke Erregung bei mit Clozapin vorbehandelten Patienten oder u. U. beim malignen neuroleptischen Syndrom).
Delirante Syndrome
Ein Delir ist eine akute organische Psychose mit unterschiedlicher, häufig multifaktorieller Genese. Leitsymptome sind Bewusstseins-, Aufmerksamkeits- und kognitive Störungen (z. B. mnestische Störungen, Verwirrtheit) sowie Desorientiertheit. Zusätzlich können vorkommen: Wahrnehmungsstörungen mit – v. a. optischen – Halluzinationen und illusionären Verkennungen, erhöhte Suggestibilität, psychomotorische Unruhe und Erregung, z. T. mit Bewegungsstereotypien; außerdem fokal-neurologische Symptome wie Ataxie, Dysarthrie, Tremor und vegetative Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Diarrhöe, Hyperhidrosis, Hyperthermie und Tachykardie, Blutdruckanstieg.
1
In einer neuen offenen Studie waren Risperidon 2 mg p.o. plus Lorazepam 2–2,5 mg p.o. in der Initialphase einer akuten Psychose wirksamer als eine i.m.Versorgung mit Standardantipsychotika. 2 Die Kombination von Olanzapin i.m. plus Lorazepam ist bisher nicht geprüft und sollte vermieden werden.
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Kapitel 12 · Pharmakotherapie psychiatrischer Akutsituation
Charakteristisch sind die Entwicklung der Symptomatik bis zum Vollbild innerhalb kürzester Zeit (Stunden bis wenige Tage) und ein Fluktuieren der Ausprägung. Delirante Syndrome sind potenziell lebensbedrohliche Zustände; kontinuierliche Überwachung ist dringend geboten. Ätiologisch liegen v. a. Entzugssyndrome (hauptsächlich Alkohol), Intoxikationen sowie Komplikationen bei internistischen und neurologischen Erkrankungen zugrunde. Diagnostik bei Verdachtsdiagnose Delir: – körperliche Untersuchung, – Vitalparameter, EKG, Körpertemperatur, – laborchemische und hämatologische Parameter (v. a. Alkoholspiegel, Glukose, Elektrolyte, Leber- und Nierenparameter, Entzündungszeichen, Blutbild), – Urinstatus mit Drogenscreening, – Röntgen-Thorax, - wenn möglich MRT oder CT des Schädels, – evtl. EEG zum Ausschluss epileptischer Aktivität, – evtl. Lumbalpunktion. Eine Übersicht über die Differenzialdiagnose und Therapie gibt . Tabelle 12.3. Es ist zu beachten, dass sich die Behandlung des Alkoholentzugsdelirs (7 Kap. 7.2.1) von den übrigen Delirformen unterscheidet.
Notfalltherapie beim deliranten Syndrom 5
Basistherapie mit einem Antipsychotikum: Haloperidol 1–2 mg p.o. oder i.v. 2- bis 4-stündlich (schweregradabhängig ggf. Dosiserhöhung), bei älteren Patienten niedrigere Start- und Zieldosis. 5 Zusätzlich (bei Bedarf oder bei Alkoholentzugsdelir als Basistherapie): Clomethiazol 2 Kps. alle 1–2 h, maximal 20 Kps./Tag (7 Kap. 7, Präparat) parenterale Anwendung nicht empfohlen. ! Unter Clomethiazol ist auf Atem- und Kreislaufdepression sowie
bronchiale Hypersekretion zu achten. 5
Alternativ Benzodiazepine (statt Clomethiazol): Lorazepam 0,5–2 mg p.o. oder i.v. 2- bis 4-stündlich.
491
12.3 · Delirante Syndrome
. Tabelle 12.3. Übersicht über Differenzialdiagnose und Notfalltherapie deliranter Syndrome Differenzialdiagnose
Therapie
Delir bei Alkoholentzug 7 Kap. 7.2.1
Clomethiazol (7 Kap. 12.7 und Präparat), (alternativ Lorazepam); ggf. zusätzlich Haloperidol Kein Alkohol!
Delir bei Benzodiazepinentzug
Sukzessiver Entzug (ggf. über Wochen); ggf. Haloperidol
Delir bei Drogenintoxikation 7 Kap. 17.6
Sofortiger Drogenentzug Haloperidol
Delir als Nebenwirkung von Psychopharmaka (z. B. zentrales Serotonin- oder anticholinerges Syndrom) 7 Kap. 12.7
Sofortiges Absetzen oder starke Reduktion der Arzneimittel (entsprechend dem Schweregrad des Delirs); bei Erregung ggf. zusätzlich Haloperidol und/oder Lorazepam Physostigmin nur in der Intensivmedizin
Delir bei somatischen Erkrankungen (Beispiele): 5 ZNS: akut entzündlich, Epilepsie, Trauma, zerebrovaskulär, neoplastisch 5 metabolisch: hyper-/hypoglykämisch, Hyperthyreose, renale/hepatische Insuffizienz 5 kardiopulmonal: Arrhythmien, Herzinsuffizienz, akute Myokardischämie 5 systemisch: infektiöse/neoplastische Erkrankungen, Temperatur/Flüssigkeits-/Elektrolytentgleisungen, Anämie, postoperativ, Polytrauma
Primäre Behandlung der Grunderkrankung; ggf. zur Sedierung Melperon Bei Agitation Haloperidol Ggf. adjuvant Benzodiazepine
12
492
1
12.4
Kapitel 12 · Pharmakotherapie psychiatrischer Akutsituation
Störungen des Bewusstseins
12.4.1 Quantitative Bewusstseinsstörungen
2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
Bei quantitativen Bewusstseinsstörungen handelt es sich um Störungen der Vigilanz mit Ausprägung von Benommenheit/Somnolenz über den Sopor bis zum Koma. Sie bilden eine phänomenologische Einheit und unterscheiden sich lediglich im Schweregrad (Einteilung mittels Glasgow Coma Scale). Psychopharmaka sind i. d. R. kontraindiziert. Die diagnostische Abklärung und (ggf. intensiv-)medizinische Behandlung hat Vorrang. Somnolenz
Als Somnolenz wird eine Vigilanzminderung mit vermehrter Schlafneigung bei noch möglicher Erweckbarkeit auf Ansprache bezeichnet. Zusätzlich besteht psychomotorische Verlangsamung mit herabgesetzter Reaktionsfähigkeit sowie meistens auch Aufmerksamkeitsstörungen und kognitiver Verlangsamung. 5 Ätiologie: neurologisch (z. B. Epilepsie, meist postiktal, entzündliche Prozesse wie Meningitis/Enzephalitis, metabolische Enzephalopathien, Hirnstammprozesse, Schädel-Hirn-Trauma), internistisch (z. B. Intoxikationen, Hyperglykämie, Hypothyreose, Elektrolytstörungen, Komplikation bei schweren Allgemeinerkrankungen). 5 Diagnostik: körperliche Untersuchung, Labor (Elektrolyte, Entzündungs-, Leber-, Nierenparameter, Glucose, Schilddrüsenwerte, Blutbild, Urinstatus inkl. Drogenscreening, Lumbalpunktion), EEG, zerebrale Bildgebung. 5 Bei Somnolenz i. R. der hepatischen Enzephalopathie evtl. Versuch mit Flumazenil i.v. (Anexate®, fraktioniert 0,1–1 mg); dabei vorübergehende Vigilanzbesserung möglich (diagnostisch), zuvor aber Ausschluss einer epileptischen Aktivität im EEG; 7 Kap. 17.5. Sopor und Koma
Unter Sopor wird eine Vigilanzminderung mit (kurzfristiger) Erweckbarkeit nur durch starke Schmerzreize bei fehlender Spontanmotorik verstanden. Das Koma ist ein Zustand tiefer Bewusstlosigkeit mit überwiegend fehlender Responsivität auch auf Schmerzreize, ungezielte Abwehrbewegungen sind möglich. Schutzreflexe können vorhanden sein oder fehlen. 5 Ätiologie und Diagnostik: prinzipiell wie bei Somnolenz; Intensivüberwachung notwendig, ggf. Sicherstellung von Atmung und Kreislauffunktionen.
12.5 · Stuporöse Zustände
493
12
12.4.2 Qualitative Bewusstseinsstörungen Organische dissoziative Störung
Bei der organischen dissoziativen Störung (»Dämmerzustand«) handelt es sich um eine vorübergehende Bewusstseinsveränderung bzw. traumartige Einengung des Bewusstseins. Die Handlungsfähigkeit ist erhalten bei jedoch verminderter intentionaler Spannweite. Charakteristisch ist ein teilweiser oder völliger Verlust der normalen Integration von Erinnerungen an die Vergangenheit sowie des Identitätsbewusstseins, unmittelbarer Wahrnehmungen und der bewussten motorischen Kontrolle. Häufig sind psychomotorische und kognitive Verlangsamung sowie teilnahmslos-apathisches Verhalten mit möglichen Affektdurchbrüchen und Erregungszuständen. Zum Teil besteht forensische Relevanz durch mögliches (und oft persönlichkeitsinkongruentes) fremdaggressives und impulsives Verhalten. Typisch ist eine Amnesie für den Zeitraum des Auftretens, gelegentlich mit »Erinnerungsinseln«. 5 Ätiologie: überwiegend bei Epilepsie (v. a. postiktal, aber auch iktal als Anfallsäquivalent), weiterhin bei pathologischem Alkoholrausch, Schädel-Hirn-Verletzungen, progressiver Paralyse, entzündliche Prozesse. 5 Diagnostik: körperliche Untersuchung, Labor, zerebrale Bildgebung, EEG, evtl. Lumbalpunktion. 5 Differenzialtherapie: bei epileptischer Genese bzw. sicherem Ausschluss einer Intoxikation Benzodiazepine (z. B. Lorazepam 2 mg i.v.), beim pathologischen Alkoholrausch Haloperidol 5–10 mg p.o. oder i.v./i.m.
12.5
Stuporöse Zustände
Unter einem Stupor wird ein abnormer Zustand psychomotorischer Hemmung mit eingeschränkter bzw. aufgehobener Reaktivität auf Umweltreize verstanden. Das Wachbewusstsein ist voll erhalten, eine Amnesie entsteht i. d. R. nicht. Die Ätiologie ist vielfältig, das Syndrom kann bei verschiedenen psychiatrischen und internistischen Grunderkrankungen auftreten (zur Differenzialdiagnostik . Tabelle 12.4). Stupor bei katatoner Schizophrenie
Bei der katatonen Schizophrenie kommen psychomotorische Hemmung, zumeist mit Mutismus und Stupor, vor. Beobachtet werden kann dabei auch das Phänomen der »wächsernen Biegsamkeit« (Flexibilitas cerea): hierbei wird die passiv bewegte Extremität in z. T. grotesken Stellungen beibehalten.
494
Kapitel 12 · Pharmakotherapie psychiatrischer Akutsituation
1
. Tabelle 12.4. Übersicht über Differenzialdiagnose und Notfalltherapie stuporöser Zustände
2
Differenzialdiagnose
Therapie
3
Stupor bei katatoner Schizophrenie
Initial Lorazepam; Haloperidol oder Olanzapina
4
Depressiver bzw. manischer Stupor
Lorazepam; nach Abklingen des Akutzustandes antidepressive bzw. antimanische/stimmungsstabilisierende Behandlung
Stupor bei organischer katatoner Störung
Haloperidol, Behandlung der Grunderkrankung, bei substanzinduzierter Genese Absetzen bzw. Entzug der verursachenden Substanz
Dissoziativer Stupor
Lorazepam, ggf. psychotherapeutische Krisenintervention
5 6 7 a
8 9
Die Kombination von Olanzapin i.m. plus Lorazepam ist bisher nicht geprüft und sollte vermieden werden.
! Ein abruptes Umschlagen von katatonem Stupor in einen katatonen
psychomotorischen Erregungszustand ohne offensichtlichen äußeren Anlass ist möglich. Sehr selten: lebensbedrohliche »perniziöse Katatonie« mit Fieber (febrile Katatonie), autonomer Entgleisung, Akrozyanose, Petechien, Bewusstseinstrübung. Differenzialdiagnose: malignes neuroleptisches Syndrom (7Kap. 3.6).
10 11 12
Notfalltherapie beim Stupor unbekannter Genese
13 14 15 16 17
5 5
Initial Versuch mit Lorazepam, z. B. 2,5 mg (Expidet) p.o. oder i.v. Bei ausbleibendem Erfolg Antipsychotikum: Haloperidol 5–10 mg p.o. oder i.v./i.m. wenn malignes neuroleptisches Syndrom ausgeschlossen ist. 5 Bei perniziöser Katatonie zusätzlich Kühlung, Volumensubstitution, ggf. intensivmedizinische Behandlung; EKB nach Ausschluss einer Enzephalitis. Depressiver Stupor
Bei Vorliegen der diagnostischen Kriterien für eine depressive Episode steht eine ausgeprägte Antriebsminderung mit psychomotorischer und kognitiver Hemmung (»Pseudodemenz«) im Vordergrund. Die affektive
12.5 · Stuporöse Zustände
495
12
Resonanzfähigkeit kann bis zur Affektstarre eingeschränkt sein, häufig besteht Negativismus. Blickkontakt ist vorhanden, das Verhalten bei Exploration wirkt passiv-duldend, weniger autistisch und bizarr (DD: katatone Schizophrenie). Notfalltherapie beim depressiven Stupor 5 5
Benzodiazepine: Lorazepam, z. B. 2,5 mg (Expidet) p.o. oder i.v. Stationäre antidepressive Einstellung unter adjuvanter Beibehaltung von Lorazepam
! Vorsicht: Suizidalität.
Manischer Stupor
Bei einer manischen Episode kann z. B. durch extreme Gedankenbeschleunigung oder psychotische Symptome die Handlungsfähigkeit bis hin zur Entwicklung eines Stupors eingeschränkt sein. Auch kann ein stuporöses Syndrom bei manisch-depressiven Mischbildern (mit oder ohne psychotische Merkmale) auftreten. Notfalltherapie beim manischen Stupor 5 5
Benzodiazepine: Lorazepam, z. B. 2,5 mg (Expidet) p.o. oder i.v. Stationäre Verlaufsbeobachtung und ggf. phasenprophylaktische Einstellung.
Stupor bei organischer katatoner Störung
Phänomenologisch besteht Ähnlichkeit mit dem Stupor bei katatoner Schizophrenie. Differenzialdiagnostisch wegweisend sind pathologische Befund bei der internistischen bzw. neurologischen Diagnostik (. Tabelle 12.4). 5 Ätiologie: z. B. entzündlich, Intoxikation, zerebrale Raumforderung, Epilepsie. Notfalltherapie bei organischer katatoner Störung 5
Behandlung der Grunderkrankung, ggf. Antipsychotikum: Haloperidol 5–10 mg p.o. oder i.v./i.m.
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1 2 3
Kapitel 12 · Pharmakotherapie psychiatrischer Akutsituation
Dissoziativer Stupor (psychogener Stupor)
Bei bestehender psychomotorischer Hemmung mit Mutismus sowie fehlender oder stark eingeschränkter Reagibilität auf äußere Reize finden sich unauffällige organische Befunde, anamnestisch sind meistens keine psychiatrischen Achse I-Störungen festzustellen. Diagnostisch wegweisend sind unmittelbar bzw. kurz vorausgegangene belastende Erlebnisse (Fremdanamnese). Häufig liegt eine auffällige Persönlichkeitsstruktur zugrunde.
4 Notfalltherapie beim psychogenen Stupor
5 6
5
Reizabschirmung, Distanz vom belastenden Ereignis bzw. belastenden Faktoren schaffen, Gespräch in ruhiger, neutraler Umgebung suchen, Zeit nehmen. 5 Benzodiazepine: Lorazepam, z. B. 2,5 mg (Expidet) p.o. oder i.v.
7 8
12.6
9
Suizidalität kommt als Symptom bei allen psychiatrischen Erkrankungen vor (v. a. bei – insbesondere bipolaren – affektiven Störungen, schizophrenen Psychosen, alkoholbezogenen und Persönlichkeitsstörungen (besonders Borderline-Persönlichkeitsstörung), jedoch auch unabhängig von psychiatrischen Krankheitsbildern (z. B. »Bilanzsuizid«, Lebenskrisen, v. a. Verluste, Trennungen, drastische äußerlich geprägte Änderungen der Lebensweise, schwere Kränkungen), wobei hier Persönlichkeitsfaktoren oft konfundieren. Bei 90% aller Suizide liegt eine psychiatrische Erkrankung zugrunde (bei ca. 60% eine affektive Störung). Diagnoseunabhängig können drei Prägnanztypen suizidalen Verhaltens (nach unterschiedlicher Ätiologie und Prognose) unterschieden werden: 5 ängstlich-agitierter Prägnanztyp: z. B. im Rahmen schwerer depressiver Störungen oder Angststörungen, schizophrener Psychosen; erhöhtes Risiko akuter Suizidalität; 5 impulsiv-aggressiver Prägnanztyp: z. B. bei Borderline-Persönlichkeitsstörung, Alkoholabhängigkeit vom Typ II nach Cloninger; wahrscheinlich mit verminderter zentralnervöser Serotoninfunktion und niedrigem Serumcholesterin; längerfristig erhöhtes Risiko akuter Suizidalität; 5 anhedon-hoffnungsloser Prägnanztyp: z. B. bei schizophrener Negativsymptomatik oder chronifizierten depressiven Störungen; längerfristig erhöhtes Risiko für Suizidalität.
10 11 12 13 14 15 16 17
Suizidalität
12.6 · Suizidalität
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12
Ein generell höheres Suizidrisiko haben Männer, ältere und alleinlebende Menschen, psychiatrisch ersterkrankte Patienten sowie alters- und diagnoseunabhängig Patienten mit schlechtem Behandlungserfolg. Besonders gefährdet sind weiterhin Personen mit Suizidversuchen in der Anamnese und diagnoseübergreifend Patienten mit aktuell depressiver oder dysphorisch-agitierter Symptomatik. Gute familiäre, soziale und berufliche Bindungen sind protektive Faktoren. 12.6.1 Umgang mit suizidalen Patienten Jede Suizidäußerung eines Patienten ist ernst zu nehmen, eine ausführliche Exploration ist zwingend nötig. 5 Die ausführliche Anamnese ist zur Einschätzung der akuten Gefährdung wichtig (Risikofaktoren sind konkrete frühere Suizidversuche, schwer ausgeprägtes psychiatrisches Störungsbild, fehlende soziale Einbindung oder Verlust von Bezugspersonen, handlungsweisender Charakter der Suizidideationen). 5 Bei Verdacht auf Suizidalität muss diese offen thematisiert werden, die Absprachefähigkeit des Patienten ist zu beurteilen. 5 Akut suizidale Patienten sind unverzüglich in Begleitung in eine psychiatrische Klinik einzuweisen, bei fehlender Krankheitseinsicht oder Behandlungsbereitschaft kann eine Einweisung nach dem Betreuungsgesetz bzw. dem Psychisch-Kranken-Gesetz (PsychKG) notwendig werden. Wichtige Fragen: 5
Bestehen schon konkrete Vorstellungen oder sind schon Vorbereitungen getroffen? 5 Drängen sich Suizidgedanken passiv auf? 5 Wurden Suizidabsichten bereits angekündigt? 5 Haben sich zwischenmenschliche Kontakte in der letzten Zeit reduziert?
Notfalltherapie bei Suizidalität 5
Die Therapie ist stets abhängig von der Grunderkrankung, grundsätzlich sollte kombiniert pharmako- und psychotherapeutisch vorgegangen werden. 5 Suizidalität bei psychotischen Angst- und Erregungszuständen: konsequente antipsychotische Behandlung, zusätzlich passagere Gabe 6 von Benzodiazepinen (z. B. Lorazepam 2–4 mg/Tag).
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Kapitel 12 · Pharmakotherapie psychiatrischer Akutsituation
Suizidalität bei depressiven Störungen: konsequente antidepressive Pharmakotherapie, zusätzlich passagere Gabe von Benzodiazepinen (z. B. Lorazepam 2–4 mg/Tag); bei Vorhandensein psychotischer Symptome zusätzlich antipsychotische Behandlung. Suizidalität bei schweren Angststörungen: passagere Gabe von Benzodiazepinen (z. B. Lorazepam 2–4 mg/Tag). Suizidale Krisen bei Persönlichkeitsstörungen: passagere Gabe von Benzodiazepinen (z. B. Lorazepam 2–4 mg/Tag) oder niedrig dosierten Antipsychotika kann hilfreich sein, um Anspannung und autoaggressive Impulse zu reduzieren. Suizidalität bei Suchterkrankungen: bei akuter Drogenintoxikation zunächst stationäre Behandlung zur Entgiftung (7 Kap. 7). Krankheitsunabhängig ist für ausreichenden Nachtschlaf (v. a. Durchschlafen) zu sorgen; empfehlenswert ist ggf. eine Dosisverteilung mit höherer Dosis des Antipsychotikums bzw. Antidepressivums am späten Abend, evtl. zusätzlich Verordnung eines Schlafmittels.
12.6.2 Suizidprävention Wichtigste Maßnahme zur längerfristigen Suizidprävention bei psychiatrischen Erkrankungen ist die Durchführung einer Erhaltungstherapie bzw. Rezidivprophylaxe (je nach Diagnose antipsychotisch, antidepressiv bzw. phasenprophylaktisch oder kombiniert). Bei schizophrenen Psychosen wurde unter Behandlung mit Clozapin eine Abnahme des Suizidrisikos festgestellt. Bei (bipolaren) affektiven Störungen hat eine längerfristige Lithiumtherapie über den stimmungsstabilisierenden Effekt hinaus auch eine suizidpräventive Wirkung (7 Kap. 2). Je akuter und ausgeprägter die Suizidalität ist, desto mehr muss zunächst die sedierende Komponente der medikamentösen Therapie betont werden. Eine kontinuierliche Überwachung und Betreuung des Patienten ist selbstverständlich. Der Patient sollte möglichst frühzeitig mit dem auch langfristig weiterbehandelnden Arzt in Kontakt gebracht werden, um ein Vertrauensverhältnis aufzubauen.
499
12.7 · Psychopharmaka
12.7
12
Psychopharmaka als Ursache psychiatrischer Akutsituationen
12.7.1 Allgemeine Störungen . Tabelle 12.5 gibt einen Überblick über durch Pharmaka ausgelöste psy-
chiatrische Akutsituationen.
. Tabelle 12.5. Arzneimittelinduzierte psychiatrische Akutsituationen durch Psychopharmaka (andere Pharmaka 7 Kap. 12.8 bzw. . Tabelle 12.6) Substanzgruppe
Symptomatik und Therapie
Antidepressiva Antidepressiva ohne sedierende Eigenschaften
Psychomotorische Unruhe, Umtriebigkeit, Erregtheit Therapie: Reduktion bzw. Absetzen des Präparates, evtl. Umsetzen auf ein sedierendes Antidepressivum
SRI und SSRI
Zentrales Serotoninsyndrom: z. T. delirante Symptomatik, Erregungszustände, Euphorie Therapie: Absetzen des Präparates, symptomatische Therapie, ggf. Behandlung mit Methysergid bzw. Cyproheptadin (7 Kap. 12.7.2)
Antidepressiva mit anticholinerger Begleitwirkung
Zentrales anticholinerges Syndrom: agitierte Verlaufsform mit deliranter Symptomatik Therapie: Absetzen des Präparates, symptomatische Therapie, ggf. zusätzlich Benzodiazepine; 7 Kap. 12.7.2
Antipsychotika Allgemein
Akute depressive Verstimmungen bis hin zur Suizidalität (zu depressiven Störungen unter Antipsychotika 7 Kap. 3.4.4) Therapie: Reduktion bzw. Umstellung des Präparates, ggf. Benzodiazepine, Antidepressiva Psychomotorische Unruhe, Umtriebigkeit, Erregtheit (v. a. in hohen Dosisbereichen; DD: Akathisie) Therapie: Reduktion bzw. Absetzen des Präparates, evtl. zusätzlich Benzodiazepine
Antipsychotika mit anticholinerger Begleitwirkung
Zentrales anticholinerges Syndrom (7 Kap. 12.7.2): agitierte Verlaufsform mit deliranter Symptomatik Therapie: Absetzen des Präparates, symptomatische Therapie, ggf. zusätzlich Clomethiazol bzw. Benzodiazepine
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Kapitel 12 · Pharmakotherapie psychiatrischer Akutsituation
12.7.2 Spezielle Störungen Malignes neuroleptisches Syndrom
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Beim malignen neuroleptischen Syndrom handelt es sich um eine sehr seltene Nebenwirkung einer Antipsychotikatherapie, vorwiegend bei hohen Dosen hochpotenter, in Einzelfällen auch unter atypischen Antipsychotika, jedoch auch bei normaler Dosierung. In der Regel tritt es innerhalb von 2 Wochen nach Beginn der Antipsychotikatherapie auf; dabei besteht vitale Gefährdung. Die Symptome entwickeln sich innerhalb von 24–72 h. 5 Symptomatik: extrapyramidale Störungen: Rigor, Akinesie, z. T. auch Dys- und Hyperkinesien; fluktuierende Bewusstseinsstörungen bis zum Koma; autonome Funktionsstörungen: Tachykardie, (labiler) Hypertonus, Tachy- bzw. Dyspnoe, Hautblässe oder -rötung, Hypersalivation, Hyperhidrose, Harninkontinenz. 5 Labor: erhöhte Kreatinkinase (CK), nicht selten auch Erhöhung der Transaminasen sowie der alkalischen Phosphatase; Leukozytose; metabolische Azidose. ! Myoglobinämie bzw. -urie mit drohenden renalen Komplikationen (Rhabdomyolyse). 5
Differenzialdiagnostik: febrile Katatonie, maligne Hyperthermie (Anästhesiezwischenfall), Enzephalitis.
Notfallherapie beim malignen neuroleptischen Syndrom 5
Absetzen der Antipsychotika, Kühlung, (parenterale) Flüssigkeitszufuhr; Intensivüberwachung ist indiziert. 5 Prinzip der Weiterbehandlung: Dantrolen (Dantamacrin®) 50 mg p.o. (Dosissteigerung bis auf 4–10 mg/kg KG p.o.), evtl. Schnellinfusion 2,5 mg/kg KG, ggf. danach Dauerinfusion bis zu 10 mg/kg KG tgl. i.v. und anschließend 2,5 mg/kg KG/Tag i.v.; alternativ Bromocriptin (Pravidel®) 10–30 mg/Tag (bis 60 mg/Tag), Amantadin (PKMerz®) 200–400 mg/Tag oder Lorazepam 4–8 mg i.v.; wenn keine Besserung: EKT.
16 Zentrales Serotoninsyndrom
17
Beim zentralen Serotoninsyndrom kommt es zu seltenen Neben- bzw. Wechselwirkungen von Pharmaka mit serotonerger Wirkkomponente (SSRI, Venlafaxin, TZA, MAO-Hemmer, 5-HT-Agonisten, Tryptophan, Kokain, Amphetamine, aber auch Lithium), vorwiegend in der Kombinati-
12.7 · Psychopharmaka
501
12
onstherapie (pharmakodynamische Interaktion auf Ebene der serotonergen Neurotransmission im Sinne einer serotonergen Überaktivität). Es ist potenziell lebensbedrohlich und tritt überwiegend innerhalb der ersten 24 h nach Applikation auf. 5 Symptomatik: Trias aus Fieber, neuromuskulären Symptomen (Hyperrigidität, Hyperreflexie, Myokloni, Tremor) und psychopathologischen Auffälligkeiten (delirante Symptome wie Bewusstseins- und Aufmerksamkeitsstörungen, Desorientiertheit, Verwirrtheit, z. T. Erregungszustände); weiterhin gastrointestinale Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö; vital bedrohliche Komplikationen durch epileptische Anfälle, Herzrhythmusstörungen, Koma, Multiorganversagen, Verbrauchskoagulopathie. Notfalltherapie beim zentralen Serotoninsyndrom 5
Absetzen der Medikation (in 90% der Fälle ausreichend); bei Persistenz Methysergid (Deseril®) 2–6 mg initial p.o. bis 6 mg/Tag bzw. Cyproheptadin (Peritol®) 4–8 mg initial p.o. bis 0,5 mg/kg KG/Tag sowie symptomatisch (evtl. Kühlung, Volumensubstitution, bei Bedarf Sedierung), bei Komplikationen u. U. Notwendigkeit der intensivmedizinischen Therapie.
Zentrales anticholinerges Syndrom
Das zentrale anticholinerge Syndrom tritt auf bei Überdosierung bzw. Intoxikation mit anticholinerg wirksamen Pharmaka (z. B. Clozapin, TZA) sowie additiv bei deren Kombination, aber auch bereits in normalen Dosisbereichen, z. B. bei »Slow-metabolizer«-Status. Es ist potenziell lebensbedrohlich. 5 Symptomatik: periphere anticholinerge Symptome wie trockene Haut und Schleimhäute, Hyperthermie, Mydriasis, Harnverhalt, Obstipation (bis zum paralytischen Ileus), tachykarde Herzrhythmusstörungen; zentral: agitierte Verlaufsform mit deliranter Symptomatik, Desorientiertheit, Verwirrung, evtl. Sinnestäuschungen (optische und z. T. akustische Halluzinationen), motorische Unruhe und Agitation, Dysarthrie und zerebrale Krampfanfälle, aber auch sedative Verlaufsform mit Somnolenz bzw. Koma.
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Notfalltherapie beim zentralen anticholinergen Syndrom 5
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Kapitel 12 · Pharmakotherapie psychiatrischer Akutsituation
Absetzen der anticholinergen Substanz, bei agitierter Verlaufsform ggf. Benzodiazepine und/oder Antipsychotika je nach Symptomausprägung; bei Persistenz bzw. schwerer Ausprägung Applikation von 2–4 mg Physostigmin (Anticholium® Injektionslösung) i.m. oder langsam i.v. (sowohl bei agitierter als auch sedativer Verlaufsform wirksam) und ggf. als Dauerinfusion über Perfusor (2–4 mg/h), jedoch nur unter intensivmedizinischen Bedingungen mit kontinuierlichem Monitoring der Kreislauffunktionen und Möglichkeit der assistierten Beatmung; außerdem symptomatische Therapie z. B. bei Hypotonie, Herzrhythmusstörungen, Elektrolytentgleisung, Krampfanfällen etc.
12.8
Andere Pharmaka als Ursache psychiatrischer Akutsituationen
Eine Vielzahl von nicht primär psychotropen Pharmaka aus nahezu jeder größeren Substanzklasse kann zentralnervöse Störungen und speziell psychiatrische Akutsituationen als unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) verursachen, was v. a. für den psychiatrischen Konsiliardienst von großer Bedeutung ist. Risikogruppen sind insbesondere geriatrische und mehrfacherkrankte bzw. multipel vorbehandelte Patienten. Grundsätzlich sind auch bei pharmakogenen Störungen in der Psychiatrie UAW von Intoxikationen, Allergien bzw. Idiosynkrasien (z. B. »Metabolizer«-Status) zu unterscheiden. UAW werden als unvermeidbare Phänomene trotz sachgemäßer Anwendung im therapeutischen Dosisbereich ggf. nach individueller Anpassung (Alter, Grunderkrankungen) definiert. 5 Voraussetzung für die psychotrope Wirkung von Arzneimitteln ist deren zentrale Verfügbarkeit, z. B. durch lipophile Substanzen bzw. BlutHirn-Schrankenstörung (höheres Lebensalter, Arteriosklerose, entzündliche Prozesse). 5 Weitere Einflussfaktoren bzw. Wirkmechanismen sind Überdosierung, Hemmung des (hepatischen) Metabolismus (CYP-System, Elimination), reduzierte renale Clearance bei gestörter Nierenfunktion, Arzneimittelinteraktionen (Kap. 16), Veränderung der neuronalen Transmitter- bzw. Ionenhomöostase, zentrale toxisch-embolische Phänomene (z. B. ProcainPenicillin G); häufig sind additive und synergistische Wirkungen. 5 Die Latenzzeit nach Medikationsbeginn bis zum Auftreten psychotischer Nebenwirkungen (unmittelbar bis Tage nach Erstgabe) ist meis-
12.8 · Andere Pharmaka
503
12
tens geringer als bei Nebenwirkungen mit depressiver oder manischer Ausprägung (Wochen bis Monate). Vor diesem Hintergrund ist eine auch zeitlich exakte Medikamentenanamnese bei neu aufgetretenen psychiatrischen Störungen unerlässlich, insbesondere bei Risikopatienten mit Mehrfachbehandlungen. 5 Therapie: Besteht in der Akutsituation der Verdacht auf eine pharmakogene psychiatrische Störung, sollte die Medikation zunächst abgesetzt werden; bei Persistieren der Störung muss eine syndromgerichtete psychiatrische Pharmakotherapie eingeleitet werden.
Die Einstellung auf ein Medikament mit potenziellen psychiatrischen Nebenwirkungen sollte, insbesondere bei Risikopatienten (höheres Lebensalter, Mehrfacherkrankungen und -behandlungen), stets einschleichend beginnen und niedrig dosiert erfolgen (»start low and go slow«). Pharmakologische Polypragmasie ist zu vermeiden.
Einen Überblick über arzneimittelinduzierte psychiatrische Syndrome bzw. Akutsituationen (geordnet nach Substanzgruppen und Syndromen) gibt . Tabelle 12.6. Es konnten lediglich Pharmaka mit häufiger und konsistenter Nennung in der Literatur berücksichtigt werden. Schwierigkeiten bei der Erfassung von psychiatrischen Nebenwirkungen von Nichtpsychopharmaka ergeben sich besonders, weil dazu bisher keine systematischen Untersuchungen vorliegen und die Erfassung der Syndrome meist nicht mit evaluierten Symptomskalen erfolgt. Meistens existieren nur sporadische Berichte von primär nicht psychiatrisch tätigen Ärzten. Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass arzneimittelinduzierte psychiatrische Syndrome heterogen sein können und häufig atypische oder abortive Formen annehmen, was kürzlich in einer Metaanalyse für iatrogene depressive Syndrome gezeigt wurde. Arzneimittelinteraktionen bei Polypharmakotherapie – v. a. bei geriatrischen und multimorbiden Patienten – sind im folgenden nicht systematisch berücksichtigt (7 Kap. 17).
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Depressive Syndrome
Manische Syndrome
Angstsyndrome
Paranoid-halluzinatorische Syndrome
Delirante Syndrome
Indometacin
Ibuprofen, Indometacin
Ibuprofen, Indometacin
Ibuprofen, Indometacin
Buprenorphin
Morphin, Pentacozin
Pentacozin, Tramadol
Cimetidin, Ranitidin
Cimetidin, Ranitidin
Analgetika/Antiphlogistika 5 Nichtsteroidale Antiphlogistika
Indometacin
5 Opiate
Pentacozin
5 Sonstige Analgetika Antihistaminika 5 (H1-/H2-Blocker)
Paracetamol Cimetidin, Ranitidin
Cimetidin, Ranitidin, Terfenadin
5 ACE-Hemmstoffe
Enalapril
Captopril, Enalapril
5 β-Rezeptorenblocker
Metoprolol, Nadolol, Pindolol, Propranolol, Timolol
5 Vasodilatatoren
Cinnarizin, Diltiazem, Felodipin, Flunarizin, Nifedipin
Antihypertensiva Hydralazin
Captopril
Nifedipin
Diltiazem
Kapitel 12 · Pharmakotherapie psychiatrischer Akutsituation
Substanzklasse
504
. Tabelle 12.6. Arzneimittelinduzierte psychiatrische Akutsituationen (Nicht-Psychopharmaka): Substanzklassen, Pharmaka (Auswahl häufig genannter Präparate) und Syndrome
Substanzklasse
Depressive Syndrome
5 Antisympathotonika
Clonidin, α-Methyldopa, Reserpin
5 Diuretika
Thiazide
Manische Syndrome
Angstsyndrome
Paranoid-halluzinatorische Syndrome
Delirante Syndrome
Clonidin
12.1 · Andere Pharmaka
. Tabelle 12.6. (Fortsetzung)
Thiazide
Chemotherapeutika
5 Antimykotika 5 Virustatika
5 Zytostatika
L-Asparaginase, Mesna, Mithramycin, Vincristin
Procarbazin
5 Andere Chemotherapeutika
Mefloquin
Chloroquin
Amoxicillin, Ciprofloxacin, Clarithromycin, Erythromycin, Isoniazid, Ofloxacin, Procain-Penicillin G, Trimethoprim-Sulfamethoxazol
Cefazolin, Cefoxitim, Cefuroxim, Procain-Penicillin G, Rifampicin, Streptomycin, Sulfonamide
Amphotericin B
Ketoconazol
Amphotericin B
Aciclovir, Amantadin, Interferon-α
Amantadin
Aciclovir, Amantadin, Interferon-α
Cisplatin, Ifosfamid
Cisplatin, Ifosfamid
Chloroquin
Chloroquin
Isoniazid, Procain-Penicillin G
ProcainPenicillin G
Ifosfamid
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Cotrimoxazol, Isoniazid
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5 Antibiotika
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. Tabelle 12.6. (Fortsetzung) Substanzklasse
Manische Syndrome
Angstsyndrome
Paranoid-halluzinatorische Syndrome
Delirante Syndrome
Prednisolon
Verschiedene Kortikosteroide
Hormone und hormonähnliche Substanzen 5 Kortikosteroide
Dexamethason, Prednisolon, Triamcinolon
5 Kontrazeptiva
Verschiedene Kombinationspräparate
5 Gestagene
Norethisteron
ACTH, Dexamethason, Hydrokortison, Prednisolon
5 Prostaglandinderivate
Misoprostol
5 Andere
GnRH-Analoga, Tamoxifen
Kardiaka
Chinidin, Disopyramid, Lidocain, Procainamid, Verapamil
Procainamid, Propafenon
Flecainid, Lidocain
Amiodaron, Chinidin, Procainamid, Propafenon
Sympathomimetika
Prazosin
Salbutamol
Oxymetazolin
Ephedrin, Salbutamol
Digitoxin, Digoxin, Lidocain, Propafenon, Verapamil
Kapitel 12 · Pharmakotherapie psychiatrischer Akutsituation
Depressive Syndrome
Substanzklasse
Depressive Syndrome
Manische Syndrome
Angstsyndrome
Andere Pharmaka
HMG-CoA-Reduktase-Inhibitoren (z. B. Lovastatin, Pravastatin), Interferon α+β, Interleukin-2, Metoclopramid, Retinoide, Streptokinase, Sulfasalazin
Baclofen, L-Dopa, L-Thyroxin
Theophyllin, L-Thyroxin
Paranoid-halluzinatorische Syndrome
Delirante Syndrome
12.1 · Andere Pharmaka
. Tabelle 12.6. (Fortsetzung)
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12
13 Psychopharmaka1 im Alter und bei internistischen Erkrankungen 13.1
Psychopharmaka im Alter
Physiologische Alterungsprozesse haben einen starken Einfluss auf Wirkung und Verträglichkeit von Arzneimitteln im ZNS. 5 Entscheidende pharmakokinetische Faktoren sind (. Tabelle 13.1): – Reduzierte Körpermasse mit relativ erhöhtem Anteil an Fettgewebe, dadurch zunehmendes Verteilungsvolumen lipophiler Arzneimittel (wie Psychopharmaka) mit verlängerter systemischer Verweildauer und Wirkung sowie Gefahr der Akkumulation. – Verminderung des Plasmaproteingehaltes, dadurch evtl. erhöhte Konzentration von freien (ungebundenen) Arzneimitteln. – Eingeschränktes Herzzeitvolumen und Gefäßveränderungen sowie Abnahme von Leber- und Nierenvolumen, dadurch Verringerung des hepatischen und renalen Blutflusses mit eingeschränktem Arzneimittelmetabolismus bzw. -elimination; außerdem erhöhte Bioverfügbarkeit für Substanzen mit hoher präsystemischer Elimination. 5 Zu bedenken ist weiterhin das erhöhte Risiko von Interaktionen bei häufig bestehender Polypharmakotherapie im Alter (7 Kap. 16). 5 Pharmakodynamisch finden sich Veränderungen im Bereich der Neurotransmission für fast alle Neurotransmittersysteme; es wurde eine Abnahme der Zellzahl, eine verringerte Rezeptordichte sowie eine Reduktion der Neurotransmittersynthese mit möglichem Einfluss auf Wirkmechanismus bzw. Nebenwirkungsspektrum verschiedener Psychopharmaka gezeigt: – dopaminerges System: erhöhte Suszeptibilität für EPS bzw. Spätdyskinesien bei D2-antagonistischen Substanzen;
1
Mitberücksichtigt bei Risikoeinschätzungen bzw. Empfehlungen zur Anwendung im Alter und bei internistischen Erkrankungen sind in diesem Kapitel auch Pharmaka mit Stellenwert in der psychiatrischen Pharmakotherapie, bei denen es sich nicht um Psychopharmaka im engeren Sinne handelt (z. B. Sildenafil, Orlistat).
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Kapitel 13 · Psychopharmaka im Alter und bei internistischen Erkrankungen
. Tabelle 13.1. Veränderung pharmakokinetischer Parameter im Alter und ihre Auswirkung Parameter
Veränderung im Alter
Resorption
Nur geringgradige Veränderungen, kaum Einschränkung der Resorptionsquote im Alter
Distribution
Relative Erhöhung des Anteils an Körperfett, zunehmendes Verteilungsvolumen lipophiler Substanzen
Verlängerte Verweildauer und Wirkung bzw. Toxizität
Phase 1 (Metabolismus im engeren Sinne)
Abnahme der Enzymaktivität (z. B. Decarboxylierung, Desaminierung, Hydrolyse, Oxidation, Reduktion)
Verlängerte Verweildauer bzw. Toxizität; verzögerte Inaktivierung, ggf. verzögerte Transformation in aktive Metaboliten
Phase 2 (Konjugation)
Keine Beeinträchtigung von Kopplungsreaktionen (z. B. Glukuronidierung, Sulfatierung, Azetylierung)
Exkretion
Reduktion der renalen Clearance
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Hepatischer Metabolismus
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Auswirkung
Verzögerte Elimination, verlängerte Verweildauer bzw. Toxizität
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– serotonerges System: erhöhte Disposition für Nebenwirkungen bei serotonergen Pharmaka (Agitation, Inappetenz, Dyspepsie, sexuelle Dysfunktion); – cholinerges System: erhöhte Empfindlichkeit für periphere und v. a. zentrale anticholinerge Symptome bei Pharmaka mit anticholinergem Nebenwirkungsprofil aufgrund einer degenerativ bedingten Verringerung der cholinergen Reserven im Alter (daher erhöhte Neigung zu Verwirrtheitszuständen bzw. Ausprägung deliranter Zustandsbilder). 5 Einfluss psychosozialer Faktoren auf die Pharmakotherapie im Alter: Complianceminderung durch soziale Isolation, vermehrte Nebenwir-
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13.1 · Psychopharmaka im Alter
13
. Tabelle 13.2. Risikoeinschätzung psychiatrischer Pharmaka im Alter
a
Indikationsgruppe
Risikoeinschätzunga Gering
Mäßig
Antidementiva
Donepezil, Galantamin, Rivastigmin
Memantine
Antidepressiva
Mirtazapin, Moclobemid, SSRI, Venlafaxin
Nortriptylin, Maprotilin, Mianserin, Milnacipran, Reboxetin
Tranylcypromin, Trazodon, TZA (außer Nortriptylin)
Antipsychotika
Amisulprid, Melperon, Pipamperon
[Aripiprazol], Flupenthixol, Fluphenazin, Haloperidol, Olanzapin, Perphenazin, Quetiapin, Risperidon, Sulpirid, Ziprasidon, Zotepin, Zuclopenthixol
Clozapin, Chlorpromazin, Levomepromazin, Pimozid, Thioridazin
Anxiolytika/ Hypnotika
Lorazepam, Oxazepam, Zaleplon, Zolpidem, Zopiclon
Benzodiazepine (außer Lorazepam, Oxazepam)
Stimmungsstabilisierer
Oxcarbazepin
Carbamanzepin, Gabapentin, Lamotrigin, Valproinsäure
Andere Pharmaka/ Psychopharmaka
Orlistat
Acamprosat, Buprenorphin, Bupropion, Sibutramin, Sildenafil
Erhöht
Lithium
Auswahl der gängigsten Präparate aus den einzelnen Substanzgruppen, basierend auf dem derzeitigen Literaturstand sowie Empfehlungen der Hersteller und bezogen auf therapeutische Dosisbereiche. Bei präparaten in eckigen Klammern ist z. Zt. aufgrund einer schmalen Datenbasis nur eine vorläufige Einstufung möglich.
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Kapitel 13 · Psychopharmaka im Alter und bei internistischen Erkrankungen
kungen, komplizierte Behandlungsschemata, Versorgungsprobleme, kognitive Beeinträchtigung (7 Kap. 6). Bei der medikamentösen Behandlung geriatrischer Patienten ist stets an eine Dosisanpassung zu denken. In der Regel sind geringere Dosen und langsame Aufdosierung unter sorgfältiger Überwachung relevanter Parameter (Nierenfunktion, Leberparameter, kardialer Status) anzustreben. Zur Sicherung der Compliance sollten Verwandte oder Pflegepersonen einbezogen werden. Das therapeutische Regime ist so einfach wie möglich zu halten und sollte regelmäßig überprüft werden, Medikation ist in übersichtlicher Form anzubieten. Schnelllösliche bzw. flüssige Präparationen können die Anwendung bei kontrollierter Applikation erleichtern.
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Zu Besonderheiten der Einzelpräparate bezüglich der Anwendung im Alter siehe unter »Indikationen und Behandlungshinweise« im Präparateteil der entsprechenden Kapitel und . Tabelle 13.2.
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13.2
Psychopharmaka bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen
13.2.1 Allgemeine Gesichtspunkte
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In therapeutischer Dosierung besteht für herzgesunde Patienten ein relativ geringes kardiovaskuläres Risiko bei der Anwendung von Psychopharmaka. Allerdings gibt es neue Untersuchungen, die die Unbedenklichkeit von trizyklischen Substanzen und von Butyrophenonen in Frage stellen (7 Kap. 1.6 und 3.6). Bei kardiovaskulärer Vorschädigung (insbesondere vorbeschriebene oder latente Erregungsleitungsstörungen, Herzinsuffizienz, koronare Herzerkrankung, Blutdruckdysregulation) können Psychopharmaka in unterschiedlichem Ausmaß kardiotoxisch wirken (. Tabelle 13.3); die wichtigsten Faktoren im Nebenwirkungsprofil sind: 5 Anticholinerge Wirkung (v. a. trizyklische Substanzen): Herzfrequenzerhöhung, Aufhebung bzw. Reduktion der protektiven parasympathischen (vagalen) Wirkung, auch durch Abnahme der Herzfrequenzvariabilität. 5 Orthostatische Wirkung (α1-Rezeptorantagonismus), dadurch z. B. Reflextachykardie, (koronare und zerebrale) Durchblutungsstörungen, Kollapsneigung.
13.2 · Psychopharmaka bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen
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13
. Tabelle 13.3. Risikoeinschätzung psychiatrischer Pharmaka bei Herzkreislauferkrankungen Indikationsgruppe
Risikoeinschätzunga Gering
Antidementiva
a
Mäßig
Erhöht
Donepzil, Galantamin, [Memantine], Rivastigmin
Antidepressiva
Mianserin, Mirtazapin, SSRI, Viloxazin,
[Milnacipran] Moclobemid, Nortriptylin, Reboxetin, Venlafaxin
Maprotilin, Tranylcypromin, Trazodon, TZA (außer Nortriptylin)
Antipsychotika
Amisulprid, Melperon, Olanzapin, Pipamperon, Sulpirid
[Aripiprazol], Haloperidol, Quetiapin, Risperidon, [Ziprasidon], Zotepin
Clozapin, Pimozid, Phenothiazine (v. a. Thioridazin)
Anxiolytika/ Hypnotika
Benzodiazepine, Zaleplon,Zolpidem, Zopiclon
Stimmungsstabilisierer
Gabapentin, Lamotrigin, Tiagabin, Valproinsäure, Vigabatrin
Carbamazepin, Oxcarbazepin,
Lithium
Andere Pharmaka/ Psychopharmaka
Acamprosat, Bupropion, Naltrexon, Orlistat
[Buprenorphin], Clomethiazol, Modafinil,
Disulfiram, Methylphenidat, Levomethadon, Methadon, Sibutramin, Sildenafil, [Tadalafil], [Vardenafil]
Auswahl der gängigsten Präparate aus den einzelnen Substanzgruppen, basierend auf dem derzeitigen Literaturstand sowie Empfehlungen der Hersteller und bezogen auf therapeutische Dosisbereiche. Bei Präparaten in eckigen Klammern ist zurzeit aufgrund einer schmalen Datenbasis nur eine vorläufige Einstufung möglich
5
Erregungsleitungsstörungen (Depolarisationsstörungen), z. B. durch chinidinartigen und negativ inotropen Effekt trizyklischer Substanzen. 5 Proarrhythmische Wirkung durch mögliche QTc-Intervall-Verlängerung (Repolarisationsstörungen). Die QT-Zeit (QTc nach Frequenzkor-
514
rektur) ist ein elektrokardiographisches Maß für die kardiale Repolarisation, deren mögliche Verlängerung bei Patienten nach Myokardinfarkt oder mit kongenitalem »Long-QT-Syndrom« mit dem Risiko des plötzlichen Herztodes (maligne ventrikuläre Tachykardien, charakteristischerweise Torsade de pointes/TdP) in direkter Verbindung steht (7 Kap. 1.6 und 3.6).
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Kapitel 13 · Psychopharmaka im Alter und bei internistischen Erkrankungen
13.2.2 Antidepressiva Tri-/tetrazyklische Antidepressiva
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Ausgeprägte anticholinerge sowie α1-antiadrenerge Wirkung, daher häufig Herzfrequenzanstieg, orthostatische Dysregulation (weniger ausgeprägt bei dem sekundären Amin Nortriptylin). 5 Depolariationsverzögerungen wegen Na+-Kanal-blockierender (»chinidinartiger«) Wirkung, QTc-Verlängerung mit arrhythmogenem Potenzial. 5 Bei kardialer Vorschädigung (insbesondere Erregungsleitungsstörungen, Blockbildern im EKG, jedoch auch bei klinisch symptomatischer KHK und Herzinsuffizienz kontraindiziert. 5
Selektive Serotoninrückaufnahmehemmer (SSRI) 5
Kein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko (nur seltene Einzelfallberichte und Intoxikation mit sehr großen Mengen), keine Repolarisationsstörungen beschrieben trotz mittlerweile breiter Anwendung. 5 Wohl keine Auswirkung auf die linksventrikuläre Auswurffraktion, daher Behandlung bei Herzinsuffizienz möglich. 5 Antidepressiva der ersten Wahl bei kardialen Vorerkrankungen; v. a. untersucht bei KHK: Paroxetin, Sertralin (letzteres auch bei instabiler Angina pectoris und nach akutem Myokardinfarkt). Monoaminooxidasehemmer
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5
Moclobemid: Blutdruckerhöhung möglich (jedoch bisher nicht systematisch untersucht), daher sorgfältige und engmaschige Überwachung und ggf. Dosisreduktion, insbesondere bei arterieller Hypertonie; kardiovaskuläres Risiko wächst mit Dosissteigerung. 5 Tranylcypromin: wegen irreversibler, nonselektiver MAO-Hemmung besondere Gefährdung durch hypertensive Krisen im Behandlungsverlauf, v. a. bei Diätfehlern (s. Präparat), aber auch hypotone Zustände (insbesondere bei Therapiebeginn) orthostatische Dysregulation; bei kardiovaskulären Erkrankungen nicht zu empfehlen.
13.2 · Psychopharmaka bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen
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13
Andere Antidepressiva 5
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Mianserin: Wahrscheinlich kein erhöhtes Risiko; keine anticholinerge, jedoch α1-antiadrenerge Wirkung, daher gelegentlich orthostatische Hypotonie, (Reflex-)Tachykardie. Milnacipran: Günstiges kardiovaskuläres Nebenwirkungsprofil in bisherigen Untersuchungen, vergleichbar den SSRI; in einer kontrollierten Studie im Vergleich zu Fluoxetin häufigere, jedoch geringgradige Herzfrequenzerhöhung. Mirtazapin: gelegentlich Auftreten von orthostatischer Hypotonie (bei leichter Affinität zu peripheren α1-Adrenozeptoren), sonst eher günstiges kardiovaskuläres Risikoprofil; zurzeit großangelegte multizentrische Studie zur Anwendung nach akutem Myokardinfarkt. Reboxetin: orthostatische Dysregulation, Herzfrequenzerhöhung; aus bisherigen Daten keine kardialen Repolarisationsstörungen (QTc-Verlängerung) ableitbar. Trazodon: orthostatische Hypotonie möglich, keine anticholinergen Wirkungen; QTc-Verlängerung schon kurzfristig nach Therapiebeginn möglich; Anwendung bei koronarer Herzerkrankung nicht empfohlen. Venlafaxin: gelegentlich anhaltende Blutdruckerhöhungen insbesondere bei höheren Dosierungen möglich, daher Vorsicht in der Anwendung bei arterieller Hypertonie; bisher kaum Erfahrung bei Herzinsuffizienz und nach Myokardinfarkt. Viloxazin: wahrscheinlich kein erhöhtes Risiko bei kardiovaskulären Erkrankungen; keine anticholinerge oder α1-antagonistische Komponente.
13.2.3 Stimmungsstabilisierer 5
Lithium: mögliche (jedoch seltene), v. a. Sinus- aber auch AV-Knotendysfunktion, Bradykardien: keine Anwendung bei Erregungsleitungsstörungen; weiterhin Repolarisationsstörungen: abnorme T-Wellen (Abflachung, Negativierung), ventrikuläre Extrasystolie, daher keine Anwendung bei zusätzlichen Risikofaktoren für ventrikuläre Arrhythmien (7 Tabelle 13.3); Gefahr von Elektrolyt- und Volumenverschiebungen, daher möglichst keine Anwendung bei Herzinsuffizienz; wenn unumgänglich: nur nach guter medikamentöser Einstellung und unter engmaschigen und sorgfältigsten Kontrollen; erhöhte Lithiumserumspiegel bei gleichzeitiger Gabe von (v. a. Schleifen-)Diuretika und ACEHemmern, Wirkungsverstärkung gleichzeitig verabreichter Digitalisglykoside möglich. 5 Carbamazepin: übliches Risikoprofil trizyklischer Substanzen (v. a. anticholinerge Wirkung, Erregungsleitungsstörungen, EKG-Veränderun-
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gen mit QTc-Verlängerung, ventrikuläre Rhythmusstörungen), kardiovaskuläre Effekte jedoch seltener und geringer ausgeprägt als unter trizyklischen Antidepressiva und Antipsychotika; Anwendung bei kardialer Vorschädigung nur unter engmaschigen EKG-Kontrollen; nicht selten sind Hyponatriämien, daher Vorsicht bei Herzinsuffizienz und Diuretikatherapie; kontraindiziert bei Erregungsleitungsstörungen 5 Gabapentin und Lamotrigin: keine erhöhte Komplikationsrate bei kardiovaskulären Vorerkrankungen (Gabapentin anscheinend auch sicher bei hohen Dosen). 5 Oxcarbazepin: kardiales Risikoprofil theoretisch ähnlich wie bei Carbamazepin, jedoch weniger interaktionsträchtig; bisher kaum klinische Daten zur Anwendung bei kardiovaskulären Vorerkrankungen; sorgfältige, Labor-, EKG- und klinische Kontrollen bei kardialer Vorschädigung empfohlen; Hyponatriämie wie unter Carbamazepin, daher entsprechende Vorsichtsmaßnahmen. 5 Valproinsäure: keine erhöhte Komplikationsrate bei kardiovaskulären Vorerkrankungen; aufgrund des pharmakokinetischen Hemmpotenzials (v. a. CYP 2C-Gruppe) jedoch Vorsicht vor entsprechenden Interaktionen und Risikoerhöhung bzgl. Komedikation. 13.2.4 Antipsychotika Konventionelle Antipsychotika 5
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Kapitel 13 · Psychopharmaka im Alter und bei internistischen Erkrankungen
Butyrophenone: in geringer bis mittlerer Dosierung i. d. R. gut verträglich bei kardiovaskulären Vorerkrankungen, zudem geringes Interaktionspotenzial; gelegentlich orthostatische Hypotonie (v. a. bei hohen Dosierungen und schneller Aufdosierung), keine klinisch relevanten anticholinergen Eigenschaften; nicht selten Repolarisationsstörungen mit QTc-Verlängerung (s. o., kann bereits unmittelbar nach Therapiebeginn auftreten); TdP-Arrhythmien und plötzlicher Herztod sind insgesamt selten, jedoch beschrieben; Anwendung bei kardiovaskulären Vorerkrankungen unter Berücksichtigung des individuellen Risikoprofils (. Tabelle 13.3); engmaschige Kreislauf- und EKG-Kontrollen; geringeres Risiko als bei Phenothiazinen. 5 Phenothiazine und Thioxanthene: ausgeprägte anticholinerge und α1antagonistische Eigenschaften, orthostatische Regulationsstörungen sind häufig (dosisabhängig, v. a. unter Levomepromazin); Störungen der Erregungsleitung und Repolarisation mit QTc-Verlängerung, TdPArrhythmien und plötzlichem Herztod sind möglich (am häufigsten beschrieben für Thioridazin), daher keine Anwendung bei zusätzlichen Risikofaktoren für ventrikuläre Arrhythmien (. Tabelle 13.3); Anwendung bei KHK wird nicht empfohlen.
13.2 · Psychopharmaka bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen
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13
Pimozid: Repolarisationsstörungen mit erhöhter Gefahr ventrikulärer Arrhythmien mit plötzlichem Herztod (TdP mit fatalem Ausgang gut dokumentiert); bei entsprechender Prädisposition bzw. Komedikation mit anderen QTc-verlängernden Substanzen kontraindiziert; Anwendung bei kardialen Vorerkrankungen wird nicht empfohlen.
Atypische Antipsychotika 5
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Aripiprazol: geringste Affinität zu α1-, H1- und mACh-Rezeptoren unter allen atypischen Neuroleptika; entsprechend günstiges kardiovaskuläres Risikoprofil aus bisherigen klinischen Daten; keine QTc-Verlängerung (z. T. Hinweise für Verkürzung der QTc-Zeit); Vorsicht und regelmäßige Kontrollen von EKG, Labor und Klinik bei kardialen Vorerkrankungen, insbesondere bis ausreichend Daten auch für die Langzeitbehandlung vorliegen. Amisulprid und Sulpirid: kein wesentliches Risiko bei kardiovaskulären Vorerkrankungen; keine anticholinergen Effekte, keine EKG-Veränderungen, kaum orthostatische Dysregulation. Clozapin: z. T. ausgeprägte orthostatische Hypotonie mit Reflextachykardie, starke anticholinerge Wirkung mit dauerhaftem Herzfrequenzanstieg; kontraindiziert bei Erregungsleitungsstörungen, dosisabhängige QTc-Verlängerung (v. a. in der langfristigen Behandlung); in seltenen Fällen Kardiomyopathien, Myokarditiden (Auftreten auch bei fehlender kardialer Vorschädigung zumeist innerhalb der ersten 6 Behandlungswochen); bei kardiovaskulären Vorerkrankungen bzw. Risikoprofil (. Tabelle 13.3) nicht zur Anwendung empfohlen; wenn unumgänglich: sehr langsame Aufdosierung und niedrige Zieldosis, engmaschige EKG-, Labor-, klinische und Plasmaspiegelkontrollen. Olanzapin: orthostatische und anticholinerge Effekte möglich, nach bisheriger Datenlage insgesamt eher geringes Risiko bei kardialer Vorschädigung; in einer neueren großen Metaanalyse kein nachweisbarer Einfluss auf die QTc-Zeit, es liegen jedoch Fallberichte und experimentelle Ergebnisse mit QTc-Verlängerung vor. Quetiapin: anscheinend geringes Risiko bei kardiovaskulärer Vorschädigung; gelegentlich orthostatische Dysregulation, daher langsame Eindosierung, Vorsicht bei Herzinsuffizienz (dann Dosisreduktion und engmaschige klinische und EKG-Kontrollen); QTc-Verlängerung beschrieben. Risperidon: orthostatische Dysregulation möglich, daher langsame Aufdosierung bzw. reduzierte Dosis bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Ziprasidon: bisher kaum Daten zur Anwendung bei kardiovaskulären Erkrankungen; mäßige QTc-Verlängerung (jedoch ausgeprägter als bei Quetiapin, Risperidon, Olanzapin, Haloperidol); bei Vorschädigung
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Kapitel 13 · Psychopharmaka im Alter und bei internistischen Erkrankungen
sorgfältige Kontrollen, Beachtung des individuellen Risikoprofils für Arrhythmien (. Tabelle 13.3). 5 Zotepin: Aufgrund mäßiger anticholinerger und α1-antagonistischer Komponente Herzfrequenzanstieg und orthostatische Dysregulation möglich; dosisabhängige QTc-Verlängerung; regelmäßige EKG- und Blutdruckkontrollen bei kardialer Vorschädigung bzw. entsprechendem Risikoprofil.
4
13.2.5 Benzodiazepine und Non-Benzodiazepine
5
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Relativ sicher bei Herz-Kreislauferkrankungen; wegen möglichen Blutdruckabfalls eher niedrig dosieren. 5 Zentral-atemdepressive Wirkung (v. a. bei respiratorischer Globalinsuffizienz, in der die Hypoxämie noch einen Atemantrieb darstellt), bei akuter pulmonaler Dekompensation daher kontraindiziert. 5 Zaleplon, Zolpidem, Zopiclon: wahrscheinlich kein über Benzodiazepine hinausgehendes kardiales Risiko. 13.2.6 Antidementiva 5
Donepezil und Galantamin: in einer Vielzahl von kontrollierten Studien zur Wirksamkeit gute kardiovaskuläre Verträglichkeit; wegen auch geringgradiger peripherer cholinomimetischer Wirkung wird dennoch Vorsicht bei Bradykardie und Erregungsleitungsstörungen empfohlen. 5 Rivastigmin: gute Verträglichkeit bei Patienten mit Hypertonie (vergleichbar mit Placebo); in großer Studie keine EKG-Veränderungen; wegen auch peripher möglicher cholinomimetischer Wirkung in therapeutischer Dosierung dennoch Vorsicht bei Bradykardie und Erregungsleitungsstörungen wie bei den anderen Acetylcholinesterasehemmern empfohlen. 5 Memantine: Datenbasis zur Anwendung bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen schmal; Empfehlungen zur Anwendung insbesondere bei Herzinsuffizienz, unmittelbar zurückliegendem Myokardinfarkt oder Hypertonie daher derzeit nicht möglich. 13.2.7 Andere Pharmaka/Psychopharmaka 5
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Acamprosat: in der aktuellen Literatur kein Hinweis für Einschränkung der Anwendung bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen. 5 Buprenorphin: wie alle Opioide parasympathomimetisch wirksam, daher häufig (v. a. diastolischer) Blutdruckabfall und Bradykardie: regel-
13.2 · Psychopharmaka bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen
5
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13
mäßige Kontrolle von EKG und Kreislaufparametern bei kardial vorgeschädigten Patienten; sorgfältige Indikationsstellung. Bupropion: in einer neuen kontrollierten Studie zur Anwendung bei kardiovaskulären Erkrankungen kein erhöhtes Risiko gegenüber Placebo; in einer Vielzahl von Studien keine Auswirkung auf die QTc-Zeit. Clomethiazol: wie Benzodiazepine, Blutdruckeffekt jedoch ausgeprägter. Disulfiram: bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen kontraindiziert. Methadon und L-Methadon: aufgrund der opiateigenen parasympathomimetischen Wirkung (v. a. in hohen Dosen) Bradykardie und (v. a. diastolischer) Blutdruckabfall; Vorsicht bei Bradykardie und Erregungsleitungsstörung, Verlängerung der QTc-Zeit beschrieben; strenge Indikationsstellung. Methylphenidat: bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen kontraindiziert. Modafinil: bei arterieller Hypertonie adäquate Blutdruckeinstellung, dann regelmäßige Kontrolle der Kreislaufparameter. Naltrexon: keine Anwendungsbeschränkungen bei Herzerkrankungen, jedoch regelmäßige Kontrollen von EKG und Kreislaufparametern empfohlen. Orlistat: kaum systemische Wirkung bei nur minimaler Resorption, bisher kein kardialer Risikonachweis. Sibutramin: gelegentlich Blutdruck- und Herzfrequenzanstieg, selten hypertensive Krisen; kein Einfluss auf EKG-Standardparameter; kontraindiziert bei nicht suffizient eingestellter arterieller Hypertonie und instabiler KHK. Sildenafil: absolut kontraindiziert bei Patienten mit instabiler kardiovaskulärer Grunderkrankung, denen von einer sexuellen Betätigung allgemein abgeraten wird (instabile Angina pectoris und entgleiste Hypertonie, dekompensierte Herzinsuffizienz NYHA Grad III und IV, Zustand nach Myokardinfarkt innerhalb der vergangenen 2 Wochen, ventrikuläre Arrhythmien, obstruktive Kardiomyopathie, mittel- bis hochgradiges Vitium); auch bei Vorliegen von leichteren und sonstigen Formen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist eine vorherige kardiologische Abklärung unbedingt erforderlich; Sildenafil ist kontraindiziert bei gleichzeitiger Medikation mit Nitropräparaten. Tadalafil und Vardenafil: prinzipiell wie Sildenafil, bisher jedoch wenig Daten.
520
1
13.3
Kapitel 13 · Psychopharmaka im Alter und bei internistischen Erkrankungen
Psychopharmaka bei Lebererkrankungen
13.3.1 Allgemeine Gesichtspunkte
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Wie alle Arzneimittel unterliegen auch Psychopharmaka einer mehr oder weniger ausgeprägten hepatischen Verstoffwechselung bzw. biliären Exkretion. Je nach Ausmaß kommt es bei Leberinsuffizienz – primär unabhängig von der Ätiologie – für überwiegend hepatisch entgiftete Pharmaka zu einer verlängerten Eliminationshalbwertszeit bzw. Plasmaspiegelerhöhung und Gefahr der Akkumulation aufgrund: 5 Absorptionsverzögerung bei portaler Hypertension, 5 erhöhter Bioverfügbarkeit bei Substanzen mit hoher präsystemischer Elimination, 5 eingeschränkten oxidativen Ab- bzw. Umbaus und eingeschränkter Konjugation (gestörter Phase-I- und Phase-II-Metabolismus), 5 erhöhter Konzentration des freien Wirkstoffes bei eingeschränkter hepatischer Plasmaalbuminsynthese, 5 vergrößerten Verteilungsvolumens bei Aszites- und Ödembildung. Hieraus ergeben sich für die meisten Psychopharmaka Konsequenzen hinsichtlich notwendiger Dosisanpassung (z. B. reduzierte Initial- und Zieldosis, langsame Aufdosierung), notwendiger zusätzlicher Kontrollen bzw. mögliche Kontraindikationen (. Tabelle 13.4). 13.3.2 Antidepressiva Tri-/tetrazyklische Antidepressiva 5
Gemeinsames Merkmal: extensive hepatische Metabolisierung; weiterhin ausgeprägte präsystemische Elimination (orale Bioverfügbarkeit zumeist deutlich unter 60%) sowie hohe Plasmaproteinbindung (>80%). 5 Daher schweregradabhängig deutlich erhöhte Plasmakonzentrationen mit Akkumulation bei Leberfunktionsstörungen; erhöhtes Risiko bzgl. der Anwendung bei hepatischer Vorschädigung (bei schweren Formen der Leberinsuffizienz kontraindiziert). 5 Bei leichten und mittelgradigen Formen Dosisanpassung sowie niedrigere Einstiegsdosis; zusätzlich sollten engmaschige Laborkontrollen sowie – wenn möglich – therapeutisches Drug Monitoring (7 Kap. 1.10.1) erfolgen. 5 Bei einigen trizyklischen Antidepressiva besteht das Risiko einer intrahepatischen Cholestase als unerwünschte Wirkung auch bei lebergesunden Patienten (z. B. Amitriptylin, Nortriptylin, Imipramin).
13.3 · Psychopharmaka bei Lebererkrankungen
13
521
. Tabelle 13.4. Risikoeinschätzung bei Leberfunktionsstörungen Indikationsgruppe
Risikoeinschätzunga Gering
Mäßig
Erhöht
Antidementiva
Rivastigmin
[Donepezil], [Memantine]
Galantamin
Antidepressiva
Milnacipran
Moclobemid, Reboxetin, SSRI, Mianserin, Mirtazapin, Trazodon, Venlafaxin
Tranylcypromin, TZA
Antipsychotika
Amisulprid, Sulpirid
[Aripiprazol], Butyrophenone, Chlorprothixen, Flupentixol, Fluspirilen, Olanzapin, Pimozid, Quetiapin, Risperidon, [Topiramat], [Ziprasidon], Zotepin, Zuclopentixol
Clozapin, Phenothiazine (v. a. Chlorpromazin)
Anxiolytika/ Hypnotika
Kurzwirksame Benzodiazepine (z. B. Lorazepam, Oxazepam)
Langwirksame Benzodiazepine (z. B. Chlordiazepoxid, Diazepam; Zaleplon, Zolpidem, Zopiclon
Stimmungsstabilisierer
Gabapentin, Lithium
Carbamazepin, Lamotrigin, [Oxcarbazepin]
[Tiagabin], Valproinsäure
Acamprosat, Buprenorphin, Clomethiazol, Disulfiram, Methylphenidat, Modafinil, [Naltrexon], Orlistat, Sibutramin, Sildenafil, Tadalafil, [Vardenafil]
Bupropion, Levomethadon, Methadon
Andere Pharmaka/ Psychopharmaka
a
Auswahl der gängigsten Präparate aus den einzelnen Substanzgruppen, basierend auf dem derzeitigen Literaturstand sowie Empfehlungen der Hersteller und bezogen auf therapeutische Dosisbereiche. Bei Präparaten in eckigen Klammern ist zurzeit aufgrund einer schmalen Datenbasis nur eine vorläufige Einstufung möglich.
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5
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Ein zusätzliches Problem bei der Anwendung anticholinerger Substanzen ist die verlängerte Verweildauer des Darminhaltes mit erhöhter Absorptionsrate toxischer Substanzen.
Selektive Serotoninrückaufnahmehemmer (SSRI) 5
Geringere präsystemische Elimination im Vergleich zu, trizyklischen Antidepressiva jedoch vergleichbar extensiver oxidativer (mikrosomaler) hepatischer Metabolismus. 5 Daher bei Leberinsuffizienz schweregradabhängig verlängerte Eliminiationshalbwertszeiten. Interaktionsrisiko mit anderen (z. B. internistischen) Medikamenten, da einige SSRI über ein pharmakokinetisches Hemmpotenzial verfügen (Fluoxetin und Norfluoxetin: CYP 2D6, 3A3/4; Fluvoxamin CYP 1A2, 2C; Paroxetin CYP 2D6). 5 Zu Escitalopram bisher keine systematischen Daten, bei Leberfunktionsstörungen sollten schweregradabhängig Dosisanpassung sowie engmaschige Laborkontrollen erfolgen. Monoaminooxidasehemmer 5
Moclobemid: bei Leberzirrhose Plasmaspiegelanstieg und verlängerte Eliminationshalbwertszeit bis um das 3-fache beschrieben, daher Dosisreduktion (halbe bis Dritteldosis je nach Schweregrad). 5 Tranylcypromin: wegen Hepatotoxizität möglichst keine Anwendung bei Leberinsuffizienz, wenn unumgänglich bzw. bei leichten Formen: niedrige Dosierung, sehr langsames Einschleichen, engmaschige Laborkontrollen. Andere Antidepressiva 5
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Kapitel 13 · Psychopharmaka im Alter und bei internistischen Erkrankungen
5
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Mianserin und Mirtazapin: deutlich reduzierte Clearance bei Leberschaden möglich (bis ca. 30% beschrieben), daher Dosisanpassung und regelmäßige Kontrollen erforderlich; bei schwerer Leberinsuffizienz kontraindiziert. Milnacipran: bei überwiegend renaler Elimination kaum Einfluss von Leberfunktionsstörungen auf die Pharmakokinetik; Laborkontrollen empfohlen. Reboxetin: lineare Pharmakokinetik mit rascher renaler Elimination, bisher keine Komplikationen bei Leberfunktionsstörungen berichtet; Laborkontrollen, ggf. Dosisreduktion. Trazodon: wiederholt Berichte über Hepatotoxizität auch beim Gesunden, daher engmaschige Laborkontrollen; keine Anwendung bei höhergradigen Leberfunktionsstörungen. Venlafaxin: bei Hepatopathien Clearanceminderung; Dosisanpassung und engmaschiges Labormonitoring empfohlen.
13.3 · Psychopharmaka bei Lebererkrankungen
5
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13
Viloxazin: bei Leberfunktionsstörungen regelmäßige Laborkontrollen und ggf. Dosisreduktion.
13.3.3 Stimmungsstabilisierer 5
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5
Carbamazepin: Dosisanpassung bzw. Verlängerung der Dosierungsintervalle sowie Laborkontrollen einschließlich Plasmaspiegelbestimmung bei hepatischer Vorschädigung; kontraindiziert bei schwerer Leberinsuffizienz; gelegentlich Berichte von Hepatitis und Cholestase beim Lebergesunden; häufig Transaminasenanstieg unter Behandlung, v. a. bei Therapiebeginn. Lamotrigin: sorgfältige Kontrollen der Leberfunktion bei Hepatopathien; nach neueren Studienergebnissen bei mäßiger Leberinsuffizienz Dosisreduktion um 50%, bei schwerer Ausprägung 75%, keine Abweichung der Pharmakokinetik bei leichter Leberinsuffizienz. Lithium: aufgrund rein renaler Elimination bei Hepatopathien unbedenklich. Oxcarbazepin: im Gegensatz zu Carbamazepin Metabolismus über CYP-unabhängige Reduktasen, daher kein diesbezügliches Interaktionspotenzial; bei leichter und mittelschwerer Leberfunktionsstörung keine Dosisanpassung erforderlich; bisher keine Daten zu schwerer Leberinsuffizienz, daher regelmäßiges Labormonitoring und ggf. Plasmaspiegelkontrollen empfohlen. Valproinsäure: bei mittelgradigen bis schweren Leberfunktionsstörungen sowie symptomatischen Hepatopathien kontraindiziert; bei entsprechender Eigen- oder Familienanamnese erhöhte Vorsicht; Hepatotoxizität auch beim Gesunden möglich (Häufigkeit des akuten Leberversagens ca. 1:10.000); grundsätzlich sorgfältige Überwachung laborchemischer Leber- und Gerinnungsparameter.
13.3.4 Antipsychotika Konventionelle Antipsychotika 5
Butyrophenone: Substanzgruppe mit überwiegend guter hepatischer Verträglichkeit (v. a. Haloperidol); gelegentlich Transaminasenerhöhungen auch bei Gesunden; bei schweren Leberfunktionsstörungen bzw. persistierenden Laborwertveränderungen Dosisanpassung und regelmäßige Kontrollen empfohlen. 5 Phenothiazine: potenziell hepatotoxische Substanzgruppe, u. a. mögliches Risiko der intrahepatischen Choletase (Beginn meistens innerhalb von 2–4 Wochen nach Therapiebeginn); häufig (meist passagere) Transaminasenerhöhung (ca. 20%); Laborkontrollen und ggf. Dosisre-
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1 2 3 4
duktion bei leichten bis mittelgradigen Leberfunktionsstörungen; keine Anwendung bei schwerer Leberinsuffizienz. 5 Thioxanthene und Diphenylbutylpiperidine: vorwiegend hepatischer Metabolismus, daher ggf. Dosisreduktion bei leichter bis mittelgradiger Leberinsuffizienz, regelmäßige Laborkontrollen; keine Daten zu schwerer Leberinsuffizienz; gelegentlich passagere Transaminasenerhöhung, selten Cholestase. Atypische Antipsychotika 5
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Kapitel 13 · Psychopharmaka im Alter und bei internistischen Erkrankungen
Amisulprid: kaum hepatische Metabolisierung, daher bei Leberfunktionsstörungen keine Dosisanpassung notwendig. Aripiprazol: bisher keine Berichte über Anwendungseinschränkungen bei hepatischer Vorschädigung, jedoch noch keine systematischen Daten; regelmäßige klinische und laborchemische Kontrollen empfohlen, Vorsicht v. a. bei schwerer Leberfunktionsstörung. Clozapin: bei leichter bis mittelgradiger Leberfunktionsstörung engmaschige klinische und Laborkontrollen (einschließlich Plasmaspiegel) sowie je nach Ausprägung Dosisreduktion; bei schwerer Leberinsuffizienz kontraindiziert; intrahepatische Cholestase sowie (nach Absetzen reversible) toxische Hepatitis auch beim Lebergesunden möglich. Olanzapin: passagere Transaminasenerhöhung möglich; engmaschige Laborkontrollen (einschließlich Plasmaspiegelkontrollen) bei hepatischer Vorschädigung trotz eher geringer Auswirkung auf die hepatische Clearance bei leicht- bis mittelgradiger Leberfunktionsstörung empfohlen; Dosisanpassung und niedrigere Einstiegsdosis/langsame Aufdosierung bei schwerer Leberinsuffizienz. Quetiapin: extensiver hepatischer Metabolismus mit linearer Pharmakokinetik, daher reduzierte Clearance bei hepatischer Dysfunktion; ggf. Dosisanpassung und niedrigere Einstiegsdosis; evtl. transiente Transaminasenerhöhung. Risperidon: wenig veränderte Pharmakokinetik bei Lebererkrankungen, jedoch wegen hoher Plasmaproteinbindung bei Leberinsuffizienz erhöhter Anteil der freien Substanz, daher Dosisreduktion; wenn möglich Plasmaspiegelkontrollen empfohlen. Sulpirid: beinahe keine hepatische Metabolisierung; passagere reversible Transaminasenerhöhung möglich; gute hepatische Verträglichkeit, keine Dosisreduktion erforderlich. Ziprasidon: bei leichter bis mittelgradiger Leberfunktionsstörung ggf. Dosisanpassung und regelmäßige Kontrollen relevanter Leberparameter; bisher keine Daten zur Anwendung bei schwerer Leberinsuffizienz und zur Pharmakokinetik der Metaboliten bei hepatischer Funktionseinschränkung.
13.3 · Psychopharmaka bei Lebererkrankungen
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13
Zotepin: bei Leberinsuffizienz erhöhte Plasmaspiegel (schweregradabhängig bis auf das 3-fache der Norm beschrieben), daher Dosisanpassung und Laborkontrollen.
13.3.5 Benzodiazepine und Non-Benzodiazepine 5 5
5
5
5
Zum Teil relevante Veränderung der Pharmakokinetik bei eingeschränkter Leberfunktion. Hohe Plasmaeiweißbindung (80–99%, Ausnahmen: Bromazepam und Lorazepam), daher bei verminderter Lebersyntheseleistung hohe Plasmaspiegel der freien Substanz. Komplexer hepatischer Metabolismus; i. R. des oxidativen Phase-I-Metabolismus entstehen häufig (z. T. mehrere) wirksame Metaboliten mit z. T. längeren Eliminationshalbwertszeiten als bei der Muttersubstanz; Funktionsstörungen infolge von Leberzirrhose oder akuter viraler Hepatitis resultieren daher in verminderter Clearance von vorwiegend durch Phase-I-Biotransformation metabolisierten Benzodiazepinen (Alprazolam, Chlordiazepoxid, Diazepam, Nitrazepam), daher sollte die Anwendung dieser Substanzen dann eher vermieden bzw. schweregradabhängig dosisangepasst werden. Daher bei Leberfunktionsstörungen in niedriger Dosis Benzodiazepine der Wahl: hydroxylierte Benzodiazepine, die schnell und vorwiegend ohne viele Vorstufen über den Phase-II-Metabolismus (Konjugation) metabolisiert werden: Lorazepam, Oxazepam und Temazepam. Zaleplon, Zolpidem, Zopiclon: Dosisreduktion bei eingeschränkter Leberfunktion, keine Anwendung bei schwerer Leberinsuffizienz.
13.3.6 Antidementiva 5
Donepezil: in bisherigen Untersuchungen mit begrenzter Patientenzahl geringgradig veränderte Pharmakokinetik (Clearanceminderung ca. 20%) bei leichten Leberfunktionsstörungen; keine systematischen Untersuchungen bei höhergradigen Ausprägungen, daher Überwachung und ggf. Dosisanpassung empfohlen. 5 Galantamin: bei Leberfunktionsstörungen signifikante Clearanceminderung, daher Dosisreduktion erforderlich; bei schwerer Leberinsuffizienz kontraindiziert. 5 Memantine: kaum hepatischer Metabolismus; da keine Daten vorliegen: sorgfältige Laborkontrollen empfohlen. 5 Rivastigmin: im Gegensatz zu Donepezil und Galantamin kaum oxidativer hepatischer Metabolismus, keine Änderung relevanter pharmakokinetischer Parameter bei Leberinsuffizienz; bisher keine berichteten Komplikationen bei vorbestehender Leberschädigung.
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13.3.7 Andere Pharmaka/Psychopharmaka 5
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Kapitel 13 · Psychopharmaka im Alter und bei internistischen Erkrankungen
Acamprosat: wahrscheinlich kein hepatischer Metabolismus, da ca. die Hälfte unverändert renal und die andere Hälfte biliär ausgeschieden wird; bei leichter bis mäßiger Leberfunktionsstörung keine Änderung der Pharmakokinetik, bei schwerer Leberfunktionsstörung kontraindiziert. Buprenorphin: in interindividuell unterschiedlichem Ausmaß Akkumulation von Muttersubstanz und Metaboliten bei Leberfunktionsstörungen, daher Dosisreduktion; gelegentlich Berichte von Lebertoxizität mit Hepatitiden und Leberzellnekrosen. Bupropion: bei schwerer Leberinsuffizienz kontraindiziert, bei leichten und mäßigen Ausprägungen Dosisreduktion und engmaschige Laborkontrollen. Clomethiazol: verlängerte Eliminationshalbwertszeit bei Hepatopathien mit Risiko der Akkumulation, ggf. Dosisanpassung. Disulfiram: keine Kontraindikation bei schweren hepatischen Erkrankungen. Methadon und L-Methadon: erhöhte Vorsicht bei Lebererkrankungen, ggf. niedrigere Einstiegsdosis und langsamere Eindosierung. Modafinil: aufgrund extensiver hepatischer Metabolisierung Dosisanpassung und sorgfältige Überwachung bei Leberfunktionsstörungen empfohlen. Naltrexon: keine Änderung leberbezogener Laborparameter in kontrollierten Studien; bei Leberfunktionsstörungen bisher wenig Daten, Anwendung bei schwerer Leberinsuffizienz wird nicht empfohlen. Orlistat: Einzelfallberichte über toxische Hepatitis; wegen nur minimaler Resorption kaum systemische Wirkungen zu erwarten; bisher keine berichteten Komplikationen bei vorbestehender Leberschädigung. Sibutramin: bei Leberfunktionsstörungen je nach Ausprägung evtl. erhöhte Bioverfügbarkeit bzw. verzögerte Elimination. Sildenafil: neuere Untersuchungen zeigen schweregradabhängig erhöhte Plasmaspiegel durch verminderte präsystemische Elimination und reduzierte Elimination bei Leberinsuffizienz, daher Dosisreduktion (empfohlene Dosis 25 mg). Tadalafil: keine Anwendungseinschränkungen bei leichter bis mittlerer Leberinsuffizienz, keine Daten zur Sicherheit bei schwerer Ausprägung. Vardenafil: bisher keine Daten aus kontrollierten Studien zur Anwendung bei Hepatopathien.
13.4 · Psychopharmaka bei Nierenerkrankungen
13.4
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13
Psychopharmaka bei Nierenerkrankungen
13.4.1 Allgemeine Gesichtspunkte Unabhängig von der Ätiologie ergeben sich bei Nierenfunktionsstörungen bzw. -insuffizienz für Auswahl und Dosierung von Psychopharmaka wichtige Konsequenzen: 5 Das Ausmaß der renalen Elimination eines Arzneimittels bzw. seiner Metaboliten bestimmt den Risikograd seiner Anwendung und die eventuelle Notwendigkeit von Dosisanpassung und Verlaufskontrollen (laborchemische Nierenparameter, v. a. Harnretentionswerte und Clearance, Plasmaspiegelbestimmung etc.) (. Tabelle 13.5). 5 Neben der verzögerten Elimination können Nierenerkrankungen auch negativen Einfluss auf die Plasmaprotein-Bindungskapazität haben, z. B. durch Erniedrigung des Serum-pH-Wertes bei Urämie sowie Hypoproteinämie beim nephrotischen Syndrom. 5 Bei dialysepflichtigen Patienten sind Psychopharmaka mit hoher Plasmaprotein-Bindungskapazität (z. B. SSRI) zu bevorzugen, da diese kaum durch die Dialyse eliminiert werden. Substanzen mit potenziell orthostatischen Nebenwirkungen sollten wegen der häufigen dialyseinduzierten Hypotonie vermieden werden. Orientierende Plasmaspiegelbestimmungen sind hilfreich bei der Dosisfindung. 13.4.2 Antidepressiva Tri-/Tetrazyklische Antidepressiva 5
Pharmakokinetische Charakteristika dieser gesamten Substanzgruppe sind komplexer hepatischer Metabolismus mit Bildung einer Vielzahl von konjugierten und nichtkonjugierten Metaboliten; geringer Anteil (<5%) von mit dem Urin unverändert ausgeschiedener Substanz. 5 Bei Niereninsuffizienz sind die biologisch inaktiven konjugierten Metabolite im Serum erhöht, was in der Regel durch eine vermehrte biliäre Ausscheidung kompensiert wird. 5 Daher stellen Nierenfunktionsstörungen aller Schweregrade für sich allein genommen keine Kontraindikation gegen die Anwendung triund tetrazyklischer Antidepressiva dar, Dosisreduktion ist in der Regel nicht erforderlich. Selektive Serotoninrückaufnahmehemmer (SSRI) 5
Citalopram: bei Niereninsuffizienz aller Schweregrade keine Dosisanpassung notwendig.
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Kapitel 13 · Psychopharmaka im Alter und bei internistischen Erkrankungen
. Tabelle 13.5. Risikoeinschätzung bei Nierenfunktionsstörungen
1
Indikationsgruppe
Risikoeinschätzunga
2
Gering
Mäßig
3
Antidepressiva
Moclobemid, SSRI, TZA
Mianserin, Milnacipran, Mirtazapin, Reboxetin, Tranylcypromin, Trazodon, Viloxazin, Venlafaxin
Antidementiva
Galantamin
[Donepezil], Memantine, Rivastigmin
Stimmungsstabilisierer
Valproinsäure
Carbamazepin, Gabapentin, [Lamotrigin], [Oxcarbazepin]
Lithium, Topiramat
Antipsychotika
Butyrophenone, Olanzapin, Quetiapin
[Aripiprazol], Chlorprotixen, Flupentixol, [Fluspirilen], [Pimozid], Phenothiazine, Risperidon, Ziprasidon, Zotepin, Zuclopentixol
Amisulprid, Clozapin, Sulpirid
Anxiolytika/ Hypnotika
Chlordiazepoxid, Lorazepam, Zaleplon, Zolpidem, Zopiclon
Sonstige Benzodiazepine (z. B. Diazepam)
Alprazolam, Dikaliumclorazepat, Oxazepam
Andere Pharmaka/ Psychopharmaka
Orlistat
Buprenorphin, [Bupropion], Clomethiazol, Disulfiram, Levomethadon, Methadon, [Methylphenidat], Modafinil, Naltrexon, [Sibutramin], Sildenafil, [Tadalafil], [Vardenafil]
[Acamprosat]
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Erhöht
Auswahl der gängigsten Präparate aus den einzelnen Substanzgruppen, basierend auf dem derzeitigen Literaturstand sowie Empfehlungen der Hersteller und bezogen auf therapeutische Dosisbereiche. Bei Präparaten in eckigen Klammern ist zurzeit aufgrund einer schmalen Datenbasis nur eine vorläufige Einstufung möglich.
13.4 · Psychopharmaka bei Nierenerkrankungen
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Escitalopram: verlängerte Eliminationshalbwertszeit und geringgradig erhöhte Plasmaspiegel bei Nierenfunktionsstörungen; bisher wenig Daten; Dosisanpassung schweregradabhängig empfohlen (z. B. halbe Einstiegsdosis), engmaschige klinische und laborchemische Kontrollen. 5 Fluoxetin: kaum Auswirkungen auf die Pharmakokinetik bei allen Graden der Niereninsuffizienz in Studien mit Einmalgabe; keine Veränderung der Pharmakokinetik und Wirksamkeit bei Hämodialyse. 5 Fluvoxamin und Paroxetin: bei Nierenfunktionsstörungen Dosisreduktion und sorgfältige klinische und Laborkontrollen empfohlen. 5 Sertralin: kaum renale Elimination in unveränderter Form, daher Anwendung bei Nierenfunktionsstörungen bisher unproblematisch; in mehreren kontrollierten Studien neben guter antidepressiver Wirksamkeit bei Dialysepatienten Besserung der Hämodynamik bei dialyseinduzierter Hypotension. Monoaminooxidasehemmer 5
Moclobemid: bei Nierenfunktionsstörungen aller Grade keine Anwendungsbeschränkungen, Dosisreduktion nicht erforderlich. 5 Tranylcypromin: Dosisanpassung empfohlen. Andere Antidepressiva 5 5
5 5
5
Mianserin und Mirtazapin: bei Niereninsuffizienz verlängerte Eliminationshalbwertszeit mit Akkumulationsrisiko, daher Dosisanpassung. Milnacipran: bei renaler Insuffizienz Clearanceminderung (bei Einmalgaben schweregradabhängig um bis zu 2/3 des Ausgangswerts); Dosisreduktion. Reboxetin: deutlich reduzierte Clearance bei mittel- bis hochgradiger Niereninsuffizienz, daher Dosisreduktion (Initialdosis 4 mg). Trazodon und Viloxazin: bisher keine Berichte über Komplikationen bei Niereninsuffizienz, jedoch keine kontrollierten Untersuchungen; ggf. engmaschige Laborkontrollen (Retentionswerte). Venlafaxin: reduzierte Clearance bei Nierenfunktionseinschränkung mit hoher interindividueller Variabilität; Dosisreduktion um 25 bis 50%, in Einzelfällen mehr; aufgrund niedriger Plasmaproteinbindung auch Dosisanpassung bei Dialysepatienten (50%).
13.4.3 Stimmungsstabilisierer 5
Carbamazepin und Oxcarbazepin: bei renaler Funktionseinschränkung Dosisreduktion und engmaschige Laborkontrollen empfohlen, v. a. auch der Serumelektrolyte (insbesondere Natrium); zu Oxcarbazepin bisher wenig Daten, Halbierung der Anfangsdosis und wöchentlichen Steige-
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Kapitel 13 · Psychopharmaka im Alter und bei internistischen Erkrankungen
rung vom Hersteller empfohlen; bei Carbamazepin selten Berichte von akutem Nierenversagen unter Therapie. 5 Lamotrigin: bisher keine Daten zur Anwendung bei Niereninsuffizienz; in pharmakokinetischen Studien mit Einmalgaben kaum Veränderung der Pharmakokinetik, jedoch Erhöhung des Plasmaspiegels der glukuronidierten Form; sorgfältige Laborkontrollen empfohlen, ggf. Dosisreduktion. 5 Lithium: ausschließlich renale Exkretion, daher bei schweren Nierenfunktionsstörungen kontraindiziert; risikoreich jedoch auch bei leichter und mittelgradiger Ausprägung; wenn Anwendung dennoch notwendig: Dosisreduktion und sorgfältige Laborkontrollen einschließlich Plasmaspiegel (s. Präparat). 5 Valproinsäure: ggf. Dosisanpassung, jedoch bisher keine Berichte über Komplikationen bei Nierenfunktionsstörungen.
7
13.4.4 Antipsychotika
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Konventionelle Antipsychotika
9 10 11 12 13
5
Butyrophenone: Niereninsuffizienz ist keine Kontraindikation für hochpotente Antipsychotika aus dieser Substanzgruppe; sorgfältige Kontrollen der Nierenfunktion und ggf. Dosisanpassung. 5 Phenothiazine und Thioxanthene: komplexer hepatischer Metabolismus, nur sehr geringe renale Ausscheidung der unveränderten Substanz, daher kaum Einschränkung der Clearance bei Nierenfunktionsstörungen; zumindest bei leichter und mäßiger Ausprägung keine Dosisanpassung erforderlich. 5 Diphenylbutylpiperidine: wenig Daten; aufgrund eines überwiegend hepatischen Metabolismus wenig Änderung der Clearance bei renalen Funktionsstörungen zu erwarten (z. B. Pimozid). Atypische Antipsychotika
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5
Amisulprid und Sulpirid: vorwiegend renale Elimination, daher engmaschige Kontrollen der Nierenfunktion und Dosisreduktion (schweregradabhängig um 50–70%) bei Nierenfunktionsstörungen; die Anwendung von Amisulprid bei schwerer Ausprägung wird nicht empfohlen, da unzureichende Datenbasis; die Sulpiriddosis ist unter dieser Bedingung nach Kinetikstudien (mit Einmalgaben) um ein bis zwei Drittel zu reduzieren, Anwendung bleibt jedoch problematisch. 5 Aripiprazol: bisher keine Berichte über renale Komplikationen bzw. Anwendungsbeschränkungen bei Niereninsuffizienz, jedoch noch keine systematischen Daten; regelmäßige klinische und laborchemische Kontrollen (v. a. Retentionswerte) empfohlen.
13.4 · Psychopharmaka bei Nierenerkrankungen
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Clozapin: bei leichter bis mittelgradiger Niereninsuffizienz Dosisanpassung und engmaschiges Labormonitoring (einschließlich Plasmaspiegel), bei schwerer Ausprägung kontraindiziert; wiederholt Berichte über Auftreten von interstitieller Nephritis unter Therapie. Olanzapin: extensiver hepatischer Metabolismus, nur geringe Auswirkung von Nierenfunktionsstörungen auf pharmakokinetische Parameter in Studien mit Einmalgabe; unter der Maßgabe regelmäßiger Kontrollen keine Dosisanpassung erforderlich. Quetiapin: keine Dosisanpassung bei renaler Insuffizienz erforderlich, da keine Auswirkung auf Pharmakokinetik. Risperidon: in einer neueren Studie bei einer geriatrischen Stichprobe keine Korrelation von Plasmaspiegel und eingeschränkter renaler Clearance; bei manifester Niereninsuffizienz jedoch reduzierte Clearance (um bis zu 60%) mit Verlängerung der Eliminationshalbwertszeit und erhöhten Plasmaspiegeln, daher Dosisanpassung. Ziprasidon: keine Änderung der relevanten pharmakokinetischen Parameter bei allen Graden der Niereninsuffizienz; keine zwingende Notwendigkeit der Dosisanpassung bei leichter bis mittelgradiger Niereninsuffizienz; aufgrund der bisher unzureichenden Datenlage Vorsicht bei schwerer Ausprägung. Zotepin: keine Daten zur Anwendung bei Niereninsuffizienz; bei eingeschränkter Nierenfunktion erhöhte Plasmaspiegel und Akkumulationsrisiko zumindest von polaren Metaboliten denkbar, daher im Einzelfall Dosisanpassung und Laborkontrollen.
13.4.5 Benzodiazepine und Non-Benzodiazepine 5
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Anwendungsbeschränkungen von Benzodiazepinen bei Niereninsuffizienz richten sich nach dem Ausmaß des hepatischen Metabolismus (s. o.). Aufgrund des komplexen hepatischen Metabolismus mit nur geringem Anteil unveränderter Substanz im Urin ist bei einem Großteil der Benzodiazepine die Clearance bei Nierenfunktionsstörungen kaum beeinträchtigt, bei wenigen ist jedoch Vorsicht geboten. Alprazolam: Elimination vorwiegend renal, daher bei Niereninsuffizienz deutliche Dosisreduktion und engmaschige Kontrollen; wenn möglich bei höherer Ausprägung Ausweichen auf Alternativpräparat. Chlordiazepoxid: extensive hepatische Metabolisierung, wahrscheinlich keine Dosisanpassung notwendig. Diazepam: Akkumulation bei höhergradigen Nierenfunktionsstörungen möglich, da neben extensivem hepatischem Metabolismus auch si-
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Kapitel 13 · Psychopharmaka im Alter und bei internistischen Erkrankungen
gnifikanter Beitrag der renalen Exkretion zur Clearance; daher ggf. Anwendung mit Vorsicht und reduzierter Dosis. Dikaliumclorazepat und Oxazepam: überwiegende renale Elimination (einschließlich des Metaboliten Oxazepam), daher auch in Anbetracht der Alternativen möglichst keine Anwendung bei Niereninsuffizienz. Lorazepam: Praktisch keine Veränderung der Pharmakokinetik bei Niereninsuffizienz aller Grade bei vorwiegend hepatischer und nachfolgend biliärer Elimination, verstärkte biliäre Exkretion mit zunehmender Nierenfunktionseinschränkung. Zaleplon: keine Dosisanpassung bei leichten und mittelgradigen renalen Funktionsstörungen; bei schwerer Ausprägung bisher nicht untersucht; in einer Doppelblindstudie gute Wirksamkeit und Verträglichkeit bei Schlafstörungen bei Dialysepatienten. Zolpidem: keine Dosisreduktion bei allen Graden der Niereninsuffizienz, da keine Änderung der Clearance; in einer offenen Studie gute Wirksamkeit und Verträglichkeit bei Schlafstörungen bei Dialysepatienten. Zopiclon: trotz vorwiegend renaler Exkretion (ca. 80% einschließlich Metabolite) bisher keine Berichte über Akkumulation bei Niereninsuffizienz; dennoch Vorsicht bei schwerer renaler Funktionseinschränkung.
13.4.6 Antidementiva 5
Donepezil: trotz überwiegender renaler Ausscheidung keine Clearanceänderung bei leichter und mittelschwerer renaler Funktionsstörung, daher keine Dosisanpassung bei verminderter Nierenfunktion; keine Daten zu schwerer Ausprägung. 5 Galantamin: in einer neuen Metaanalyse mit hoher Stichprobenzahl kein signifikanter Unterschied des Plasmaspiegels zwischen Normalkollektiv und Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz; keine Dosisreduktion erforderlich. 5 Memantine: lineare Beziehung von Kreatininclearance und renaler Gesamtclearance; daher entsprechend Dosisanpassung bei Nierenfunktionsstörungen; bisher keine Daten zur Langzeitanwendung bei schwerer renaler Insuffizienz; es besteht eine (Urin-) pH-abhängige tubuläre Rückresorption, die durch Alkalisierung erhöht wird, so dass entsprechende pH-Wert-Schwankungen vermieden werden sollten (massive Einnahme von Antazida, grundlegende Kostumstellung, z. B. von fleischhaltige auf vegetarische Ernährung). 5 Rivastigmin: in pharmakokinetischen Studien mehr als doppelte Erhöhung der maximalen Plasmakonzentration bei mäßiger Nierenfunktionsminderung, jedoch keine Änderung bei schwerer Ausprägung; ggf. Dosisanpassung und Laborkontrollen werden empfohlen.
13.4 · Psychopharmaka bei Nierenerkrankungen
533
13
13.4.7 Andere Pharmaka/Psychopharmaka 5
5 5
5 5
5
5
5 5
5
5
5
Acamprosat: lineare Beziehung zwischen Kreatininclearance und Gesamtclearance der Substanz bei ausschließlich renaler Elimination; daher bei schwerer Niereninsuffizienz kontraindiziert; bisher keine Daten zu leichteren Formen. Buprenorphin: nur geringer Einfluss von Nierenfunktionsstörungen auf Pharmakokinetik bzw. Substanzclearance. Bupropion: bisher keine Untersuchungen zur Anwendung bei verminderter Nierenfunktion; überwiegend renale Ausscheidung der Metaboliten, daher Akkumulation denkbar; Dosisreduktion (z. B. Tagesdosis 150 mg) empfohlen, engmaschige Überwachung. Clomethiazol: wegen eventuell verzögerter Elimination bei Nierenfunktionsstörungen sorgfältige Überwachung und Dosisanpassung. Disulfiram: bei Niereninsuffizienz sorgfältige Überwachung empfohlen, ggf. reduzierte Dosis, da über 90% renale Exkretion in Form von konjugierten Metaboliten. Methadon und L-Methadon: aufgrund bei höheren Dosen vorwiegend renaler Exkretion von Muttersubstanz und Metaboliten ist Dosisreduktion bei eingeschränkter Nierenfunktion geboten; Pharmakokinetik unterliegt starken interindividuellen Schwankungen; nicht dialysabel. Methylphenidat: bisher keine Daten zur Anwendung bei Nierenfunktionsstörungen; aufgrund nur geringgradiger renaler Elimination von unveränderter Substanz jedoch vermutlich keine wesentlichen Beeinträchtigungen zu erwarten; klinische und Laborkontrollen empfohlen. Modafinil: vorwiegend renale Ausscheidung von Muttersubstanz und Metaboliten; bei Niereninsuffizienz Dosisanpassung. Naltrexon: bei leichter bis mittelgradiger Niereninsuffizienz niedrigere Einstiegs- und Erhaltungsdosis; bisher keine Daten bei schwerer Ausprägung. Orlistat: aufgrund nur minimaler Resorption kaum systemische Wirkungen zu erwarten; kumulative renale Exkretion >2%, keine Dosisänderung bei Niereninsuffizienz. Sibutramin: extensiver hepatischer Metabolismus, geringgradige renale Exkretion inaktiver Metaboliten; bisher keine Erfahrungen zur Anwendung bei verminderter Nierenfunktion. Sildenafil: bei leichten bis mäßigen Graden von Niereninsuffizienz kaum veränderte Pharmakokinetik in Studien mit Einmalgabe; bei schwerer Ausprägung Dosisreduktion (Einstiegsdosis 25 mg); in einer Vielzahl von kontrollierten Studien gute Verträglichkeit und Wirksamkeit bei chronischen Dialysepatienten.
534
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
5
Kapitel 13 · Psychopharmaka im Alter und bei internistischen Erkrankungen
Tadalafil: erhöhte Plasmaspiegel bei allen Graden der Niereninsuffizienz in bisherigen klinischen Untersuchungen mit Dosis 10 mg; bisher jedoch keine Daten für höhere Dosen; sorgfältige Indikationsstellung und engmaschige Überwachung. 5 Vardenafil: bisher keine Daten zur Anwendung bei Niereninsuffizienz und unter Dialyse.
14 Psychopharmaka in Schwangerschaft und Stillzeit 14.1
Übersicht
Die Pharmakotherapie psychischer Störungen nach der Entbindung unterscheidet sich grundsätzlich nicht von einer Therapie außerhalb dieser Zeiten. Unabhängig davon, ob sich eine psychische Störung in der Schwangerschaft, im Wochenbett oder in der Stillzeit manifestiert oder ob sie als Remanifestation einer vorbestehenden psychischen Störung auftritt, bleibt die psychiatrische Pharmakotherapie symptomorientiert. Das Erkrankungsrisiko für Psychosen ist in der Schwangerschaft erniedrigt, dagegen besonders in den ersten Wochen und bis zu einem Jahr danach anhaltend, deutlich erhöht. Die begleitende Psychotherapie und die Entlastung der Mutter durch Hilfspersonal (nach der Entbindung für mehrere Wochen) haben einen hohen Stellenwert im Rahmen der Behandlung postnataler Depressionen bzw. postnataler Psychosen. 5 Die Gabe psychotroper Medikamente während Schwangerschaft und Stillzeit wird stets ein sorgfältiges Abwägen zwischen der Exposition des Kindes auf der einen und dem Risiko des Rezidivs der psychischen Erkrankung der Mutter nach dem Absetzen der Medikation auf der anderen Seite beinhalten. 5 Eine Beeinflussung für das sich im Mutterleib befindliche Kind oder den zu stillenden Säugling durch Psychopharmaka ist zu keiner Zeit gänzlich auszuschließen, denn nahezu alle Psychopharmaka sind plazentagängig und gehen in die Muttermilch über. 5 Eine Behandlung mit Psychopharmaka insbesondere im ersten Trimenon der Schwangerschaft sollte nur dann durchgeführt werden, wenn das mit der psychischen Störung assoziierte Risiko für Mutter und Fetus das mit einer medikamentösen Behandlung verbundene Risiko übersteigt. 5 Vor der Gabe von Psychopharmaka in Schwangerschaft oder Stillzeit sollte Kontakt zu Gynäkologen bzw. Pädiatern aufgenommen werden. 5 Mit einer in der Schwangerschaft durchgeführten Psychopharmakotherapie assoziierte Problemkomplexe sind: – Teratogenität, – Perinatalsyndrome (Perinataltoxizität),
536
– postnatale Entwicklungs- und Verhaltensstörungen (Verhaltenstoxizität).
1 2 3
Kapitel 14 · Psychopharmaka in Schwangerschaft und Stillzeit
14.2
Antidepressiva
14.2.1 Trizyklische Antidepressiva (TZA)
4
Teratogenes Risiko
5
5 5
6
Perinatale Risiken
7 8 9 10 11
5
Werden Antidepressiva während der Perinatalzeit abgesetzt, können bei Neugeborenen »Entzugssyndrome« mit erhöhter Reizbarkeit, Erregbarkeit und Krampfbereitschaft auftreten.
Mit dem Stillen assoziierte Risiken 5
TZA gehen nur in sehr geringem Umfang in die Muttermilch über. Dies gilt insbesondere für Nortriptylin. 5 Vorsicht ist zum Teil durch Metaboliten, die zu klinischen Effekten beitragen können, geboten. Langfristige Verhaltens- und Entwicklungseffekte 5
12 13
Eindeutige teratogene Risiken konnten für TZA nicht gefunden werden. Am risikoreichsten ist der Einsatz von TZA mit starker anticholinerger Komponente.
Langfristige negative Auswirkungen auf Entwicklung und Verhalten nach pränataler Exposition mit TZA sind nach derzeitigem Kenntnisstand unwahrscheinlich.
Empfehlungen 5
15
Trotz relativer Sicherheit von TZA bei pränataler Exposition sollte zumindest im ersten Trimenon auf eine Einnahme verzichtet werden. Sollten TZA in der Schwangerschaft gegeben werden, sollte auf Nortriptylin zurückgegriffen werden. 5 Vom Stillen unter TZA ist abzuraten.
16
14.2.2 Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI)
17
Teratogenes Risiko
14
5
SSRI können als relativ sicher gelten. Die umfangreichsten Daten existieren für Fluoxetin. Die Substanz gilt im 3. Trimenon als sicheres Medikament, auch im 1. und 2. Trimenon gibt es keine Hinweise auf erhöhte Fehlbildungsraten.
14.2 · Antidepressiva
537
14
5
Auch für Citalopram, Fluvoxamin, Paroxetin und Sertralin liegen ausreichend Daten vor, die nicht auf erhöhte Fehlbildungsraten hinweisen. 5 Für Escitalopram liegen noch nicht genügend Daten vor, um eine Risikoabschätzung zu treffen. Perinatale Risiken 5
Ähnlich wie für TZA wurde auch für SSRI über Absetzeffekte in der Perinatalzeit berichtet. Andere Autoren gehen eher von einer serotonergen Überstimulation aus. Die Syndrome sind transienter Natur und in der Regel nicht lebensbedrohlich.
Mit dem Stillen assoziierte Risiken 5
Die vorliegenden Studien weisen darauf hin, dass SSRI nur in relativ geringem Maß in die Muttermilch übergehen. Dies gilt insbesondere für Paroxetin und Sertralin. Es existieren jedoch noch zu wenig Daten, um die Einnahme während der Stillzeit als gänzlich unproblematisch erscheinen zu lassen.
Langfristige Verhaltens- und Entwicklungseffekte 5
Hierzu gibt es keine gesicherten Erkenntnisse.
Empfehlungen 5
Aufgrund der bisher vorliegenden Untersuchungen erscheint eine Verschreibung von Fluoxetin zumindest im 3. Trimenon der Schwangerschaft vertretbar. Die lange Halbwertszeit und das mögliche Auftreten von perinatalen Komplikationen schränkt die Empfehlung ein. 5 Die für Citalopram, Fluvoxamin, Paroxetin und Sertralin vorliegenden Daten weisen nicht auf erhöhte Fehlbildungsrisiken hin. 14.2.3 Monoaminooxidasehemmer 5
Wegen möglicher hypertensiver Blutdruckkrisen wird i. Allg. von der Gabe von MAO-Hemmern in der Schwangerschaft abgeraten. Zu Moclobemid sind keine systematischen Untersuchungen publiziert. 5 Vom Stillen unter MAO-Hemmern ist abzuraten. 14.2.4 Andere Antidepressiva 5
Eine prospektive Studie an 150 Müttern, die während der Schwangerschaft mit Venlafaxin behandelt wurden, konnte keine erhöhten Fehlbildungsraten nachweisen. 5 Für Mianserin, Milnacipran, Mirtazapin, Trazodon und Viloxazin liegen keine verlässlichen Daten vor.
538
1
14.3
Kapitel 14 · Psychopharmaka in Schwangerschaft und Stillzeit
Lithium
Teratogenes Risiko
2
5
3 4 5 6 7
Durch Einnahme von Lithium während der Schwangerschaft können kardiovaskuläre Fehlbildungen ausgelöst werden, selten kann es zur Ausbildung einer Ebstein-Anomalie (Kombination aus Trikuspidalinsuffizienz, offenem Ductus arteriosus und Hypoplasie des rechten Ventrikels) kommen. Das Risiko, durch Einnahme von Lithium im 1. Trimenon kardiovaskuläre Fehlbildungen auszulösen, wird heute aber deutlich geringer eingeschätzt, als ursprünglich nach Auswertung des sog. Lithium-Babyregisters in den 70er-Jahren vermutet wurde.
Perinatale Risiken 5 5
8 9
Das Frühgeburtsrisiko ist bei Schwangeren unter Lithium erhöht. Bei Behandlung der Mutter mit Lithium in den letzten Schwangerschaftswochen zeigt das Neugeborene u. U. ein Floppy-infant-Syndrom: Lethargie, muskuläre Hypotonie, Hypothermie, Ateminsuffizienz, abgeschwächte Saugreflexe mit Ernährungsstörungen. Eine Rückbildung ist meist innerhalb von 1–2 Wochen zu erwarten. Gelegentlich bei Neugeborenen beobachtete Strumen sind innerhalb einiger Monate reversibel.
Mit dem Stillen assoziierte Risiken
10
5
11 12 13 14 15 16 17
Bei Einnahme von Lithium während der Stillzeit werden beim Säugling Werte zwischen 10 und 50% der bei der Mutter erhobenen Spiegel gemessen, Folgen dieser Lithiumserumspiegel sind für das Kind unbekannt.
Langfristige Verhaltens- und Entwicklungseffekte 5
In den bisherigen Nachuntersuchungen gibt es keine Hinweise auf Entwicklungseinbußen, jedoch liegen insgesamt nur sehr wenige Ergebnisse vor.
Empfehlungen 5
Frauen, die Lithium einnehmen, sollten aufgrund des potenziell teratogenen Risikos grundsätzlich kontrazeptive Maßnahmen einleiten. 5 Bei geplanter Schwangerschaft ist eine Latenz von 2 Wochen zwischen Absetzen von Lithium und Konzeption notwendig. 5 Es sollte grundsätzlich versucht werden, im 1. Trimenon auf eine Behandlung mit Lithium zu verzichten. 5 Aufgrund der neueren Risikobeurteilung wird z. T. zu einem veränderten Umgang mit Lithium bei Schwangeren mit bipolaren affektiven Störungen geraten. Bei klinischer Notwendigkeit könnte bereits im
14.4 · Antikonvulsiva
539
14
2. Trimenon wieder Lithium gegeben werden, es sollte dann in jedem Fall auf mehrere Tagesdosen verteilt werden. 5 Vom Stillen unter Lithium ist abzuraten. ! Rasches Absetzen von Lithium erhöht das Rezidivrisiko. Möglicher-
weise ist bei Wiederansetzen von Lithium keine Response mehr zu erreichen (7 Kap. 2).
14.4
Antikonvulsiva
Teratogenes Risiko 5 5
5
5
5
Carbamazepin und Valproinsäure müssen bei Einnahme im 1. Trimenon als teratogen betrachtet werden. Carbamazepin- und Valproinsäureeinnahme während des 1. Trimenons erhöht das Risiko für Neuralrohrverschlussstörungen (Spina bifida) und für Verschlussstörungen im Urogenitaltrakt (Hypospadie). Während der Schwangerschaft sollten deshalb neben Ultraschalluntersuchungen auch Kontrollen von α-Fetoprotein (α-FP) und Azetylcholinesterase durchgeführt werden. Bei Neuralrohrdefekten finden sich gehäuft erniedrigte Folsäurespiegel. Da Valproinsäure den Folsäurespiegel zu senken vermag, wird empfohlen, Folsäure 4 Wochen vor einer Konzeption und bis zum Ende des 1. Trimenons an Frauen zu verabreichen, die Valproinsäure oder auch Carbamazepin während der Schwangerschaft weiter einnehmen. Unter Carbamazepinexposition fanden sich in erhöhtem Maße Entwicklungsverzögerungen, kraniofaziale Anomalien, Fingernagelhypoplasien und Wachstumsretardierungen. Lamotrigin gilt nach derzeitigem Kenntnisstand (>700 dokumentierte Geburten) als relativ sicher. Bei Monotherapie lag die Fehlbildungsrate bei ca. 2%, bei Kombination mit anderen Antikonvulsiva (ohne Valproinsäure) bei 3,4% und bei Kombination mit Valproinsäure bei 10,4%.
Perinatale Risiken 5
Carbamazepin und Valproinsäure können das Risiko neonataler Hämorrhagien aufgrund verminderter Bildung Vitamin-K-abhängiger Gerinnungsfaktoren erhöhen. Deshalb soll Vitamin K präventiv während der letzten 1–2 Monate der Schwangerschaft sowie dem Neugeborenen bei Geburt verordnet werden. 5 Die Lamotrigin-Clearance ist während der Schwangerschaft beschleunigt. Nach der Geburt normalisiert sie sich rasch. Daher sind Plasmaspiegel-Kontrollen und ggf. Dosisanpassungen notwendig.
540
1 2 3
Kapitel 14 · Psychopharmaka in Schwangerschaft und Stillzeit
Mit dem Stillen assoziierte Risiken 5
Da keine Untersuchungen vorliegen, wird insgesamt von der Einnahme während der Schwangerschaft abgeraten.
Langfristige Verhaltens- und Entwicklungseffekte 5
4
Die Untersuchungen hierzu sind widersprüchlich. Neuere Daten weisen darauf hin, dass Antikonvulsiva möglicherweise zu Entwicklungsverzögerungen führen.
Empfehlungen
5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
5
Bei teratogenem Risiko von Carbamazepin und Valproinsäure sollte auf ihre Anwendung während der Schwangerschaft verzichtet werden. 5 Unter Lamotrigin ist demgegenüber nach dem derzeitigen Kenntnisstand die Fehlbildungsrate nicht erhöht. 5 Vom Stillen unter Carbamazepin oder Valproinsäure ist abzuraten. 14.5
Antipsychotika (AP)
Teratogenes Risiko 5
Bisher gibt es keinen eindeutigen Nachweis teratogenen Potenzials und einer damit verbundenen Zunahme von Fehlbildungen nach AP-Exposition, aber nach pränataler Exposition gegenüber Phenothiazinen (mit aliphatischer Seitenkette, z. B. Chlorpromazin) gibt es Berichte über das Auftreten von Fehlbildungen im Bereich der kardiovaskulären Organe, des ZNS und des Skeletts. 5 Die Erfahrungen mit atypischen AP in der Schwangerschaft sind begrenzt. Die umfangreichsten Daten sind für Olanzapin publiziert; obwohl diese nicht auf erhöhte Fehlbildungsraten hinweisen, kann aufgrund der niedrigen Fallzahlen auch diese Substanz nicht als unbedenklich gelten. Für die anderen atypischen AP liegen nur Einzelfallberichte vor. 5 Patienten, die unter atypischen AP an Gewicht zunahmen, wiesen signifikant geringere Folsäureserumkonzentrationen auf als eine Kontrollgruppe von Krankenhauspatienten. Ihre tägliche Folsäureaufnahme lag unter dem Grenzwert, der als protektiv für Neuralrohrdefekte gilt. Daraus wurde auf ein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen des Neuralrohrs bei Patienten, die mit atypischen AP behandelt werden, geschlossen. Die kausalen Zusammenhänge sind jedoch unklar. Perinatale Risiken 5
Bei Neugeborenen, deren Mütter während der Schwangerschaft konventionelle AP eingenommen haben, muss mit EPS gerechnet werden.
14.6 · Benzodiazepine und Non-Benzodiazepinhypnotika
541
14
Tremor oder motorische Unruhe werden als perinatale Syndrome gesehen, sie bilden sich nach einigen Tagen zurück. Perinatalsyndrome wurden jedoch auch bei Gabe von Olanzapin berichtet. Mit dem Stillen assoziierte Risiken 5
AP können in unterschiedlichem Umfang in die Muttermilch übergehen. Daher ist bei Behandlung mit Antipsychotika vom Stillen abzuraten. Clozapin ist kontraindiziert.
Langfristige Verhaltens- und Entwicklungseffekte 5
In klinischen Beobachtungen sind bisher keine eindeutigen Hinweise auf intellektuelle Defizite oder Verhaltensauffälligkeiten nach pränataler AP-Exposition gefunden worden; jedoch fehlen systematische, kontrollierte Langzeitstudien.
Empfehlungen 5
5 5
5 5
Auf eine Gabe von AP im 1. Trimenon sollte verzichtet werden. Muss eine Behandlung während der Schwangerschaft durchgeführt werden, sollte ca. 14 Tage vor dem erwarteten Geburtstermin ein Absetzversuch bzw. zumindest eine Dosisreduktion angestrebt werden, um das Risiko für EPS beim Neugeborenen zu verringern. Bei zwingender Notwendigkeit ist am ehesten eine niedrig dosierte Therapie mit Haloperidol durchzuführen, da hier die größten klinischen Erfahrungen vorliegen. Wenn ein atypisches AP verordnet werden soll, erscheint Olanzapin am wenigsten risikoreich (s. o., Folsäure!). Auf eine ausreichende Zufuhr an Folsäure ist besonders bei Patienten, die unter atypischen AP an Gewicht zunehmen, zu achten. Auf die Behandlung mit Depotpräparaten sollte, wenn möglich, wegen der nach der Injektion auftretenden Plasmaspiegelspitzen verzichtet werden. Vom Stillen unter Antipsychotika ist abzuraten. Hinweis: Auf die Gabe des Antiparkinsonmittels Biperiden sollte in der Schwangerschaft verzichtet werden, da die Substanz als zumindest gering teratogen einzuschätzen ist. Vom Stillen unter Biperiden ist in jedem Fall abzuraten.
14.6
Benzodiazepine und Non-Benzodiazepinhypnotika
Teratogenes Risiko 5
Eine definitive Aussage zur Teratogenität von Benzodiazepinen besonders bei Gabe im ersten Trimenon kann zur Zeit nicht gemacht werden.
542
1 2 3 4 5
Besonders in älteren Untersuchungen gibt es Hinweise auf das gehäufte Auftreten von Gesichtsspalten. 5 Clonazepam wird hinsichtlich des teratogenen Risikos gegenwärtig als am wenigsten bedenklich eingeschätzt. Messungen in Nabelschnurblut legen nahe, dass Lorazepam in geringerem Umfang als andere Benzodiazepine die Plazenta passiert. 5 In einer prospektiven Studie an 31 Frauen, die während der Schwangerschaft Zopiclon erhalten hatten, konnte kein erhöhtes Fehlbildungsrisiko nachgewiesen werden. Perinatale Risiken 5
6 7 8 9
Kapitel 14 · Psychopharmaka in Schwangerschaft und Stillzeit
Bei Neugeborenen kann es zum Floppy-infant-Syndrom (7 Kap. 14.3) kommen. Auch Entzugssyndrome kommen beim Neugeborenen nach längerer Benzodiazepineinnahme durch die Mutter vor. Diese Symptome halten meist nur wenige Stunden oder Tage an, sie können jedoch bis zu mehreren Wochen persistieren. Langwirksame Benzodiazepine mit aktiven Metaboliten sind als besonders bedenklich einzuschätzen, da sie im Fetus wegen des unzureichenden Stoffwechsels kumulieren können.
Mit dem Stillen assoziierte Risiken 5
10
Benzodiazepine gehen in die Muttermilch über, die beschriebenen Spiegel sind in der Regel allerdings sehr niedrig.
Langfristige Verhaltens- und Entwicklungseffekte
11
5
12 13
Empfehlungen 5
14 15 16 17
Klinische Untersuchungen zeigen unterschiedliche Ergebnisse hinsichtlich Entwicklungsverzögerungen. Häufig findet sich bei retardierter Entwicklung der Kinder bei den Müttern neben der Einnahme von Benzodiazepinen ein Missbrauch von Alkohol oder Drogen.
Soweit möglich, sollte jegliche Benzodiazepingabe im 1. Trimenon aufgrund des nicht auszuschließenden teratogenen Risikos vermieden werden. Im 2. Trimenon scheinen geringe kontrollierte Gaben von Benzodiazepinen keine Komplikationen hervorzurufen. 5 Da die Metabolisierungskapazitäten beim Säugling nicht ausgereift sind, muss mit ausgeprägten Benzodiazepinwirkungen (Sedierung, Lethargie, Trinkschwierigkeiten) gerechnet werden. Da Benzodiazepine jedoch nur in geringem Maße in die Muttermilch übergehen, raten einige Autoren dennoch nicht prinzipiell vom Stillen ab. 5 Für die Non-Benzodiazepinhypnotika Zaleplon und Zolpidem liegen kaum Daten vor; sie sollten in Schwangerschaft und Stillzeit nicht gegeben werden.
14.7 · Elektrokrampfbehandlung
14.7 5
543
14
Elektrokrampfbehandlung
Die Sicherheit für Schwangere und Fetus wird als hoch erachtet, wenn erweiterte Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden: Anwesenheit eines Frauenarztes während der EKB, EKG-Monitoring der Mutter während der EKB, arterielle Blutgasanalysen während und unmittelbar nach der EKB, Doppler-Ultrasonographie der fetalen Herzrate während und unmittelbar nach der EKB, Tokographie des uterinen Tonus während der EKB.
15 Psychopharmaka und Fahrtüchtigkeit Bei der Beurteilung der Fahrtüchtigkeit eines psychisch Kranken muss stets abgeschätzt werden, ob eine Einschränkung aufgrund der psychischen Störung selbst oder durch eine zu ihrer Behandlung eingeleitete Psychopharmakotherapie vorliegt. 5 Im zeitlichen Verlauf der psychopharmakologischen Behandlung gilt folgende Leitlinie: – In der Ein- oder Umstellungsphase mit sedierenden Psychopharmaka wird i. d. R. die Fahrtüchtigkeit für mindestens 10–14 Tage verneint werden. Dieses Intervall kann im Einzelfall erheblich länger sein. In einer Studie zur Auswirkung von 10 und 20 mg Zaleplon nach einer Einmaldosis zeigten sich am nächsten Morgen keine neuropsychologischen Funktionseinschränkungen. – Eine stabile Erhaltungstherapie wird i. d. R. die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht beeinflussen. Die Einnahme von Benzodiazepinen, sedierenden Antidepressiva oder Antipsychotika hingegen kann die Fahrtüchtigkeit im Einzelfall auch langfristig beinträchtigen. 5 Es ist zu beachten, dass bei einigen Erkrankungen, die von sich aus die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausschließen können, erst durch die Arzneimittelbehandlung die Voraussetzungen zum Führen von Kraftfahrzeugen wieder erreicht werden können. Entscheidend bleibt jedoch auch hier, ob eine Arzneimitteltherapie zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der psychophysischen Leistungsfähigkeit führt. Bei Unsicherheit in dieser Frage kann ggf. eine verkehrsmedizinische Untersuchung unter Einbeziehung objektiver Leistungstests erfolgen. 5 Für die einzelnen Psychopharmaka gibt es nur wenige Untersuchungen zur Beurteilung der Fahrtüchtigkeit. 5 Über eine mögliche Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit durch Psychopharmaka sowie über mögliche Interaktionen mit anderen Arzneimitteln, besonders mit Alkohol, muss der Patient vor Teilnahme am Straßenverkehr stets aufgeklärt werden. Die Inhalte der Aufklärung sollten im Krankenblatt dokumentiert werden.
546
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
5
Kapitel 15 · Psychopharmaka und Fahrtüchtigkeit
Dem Patienten muss seine Mitverantwortung und Entscheidungskompetenz zugewiesen werden. 5 Das Gutachten »Krankheit und Kraftverkehr« (zuletzt 2000 vom Gemeinsamen Beirat für Verkehrsmedizin von den Bundesministerien für Verkehr und Gesundheit unter dem neuen Titel »Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrteignung« herausgegeben), beinhaltet Grundlagen zur medizinischen Beurteilung der Fahreignung. Es ist eine Stellungnahme, die im Einzelnen aber nicht für jeden Patienten Gültigkeit haben kann. 5 Sinngemäß enthalten die »Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrteignung« u. a. folgende Leitsätze zu psychiatrischen Grunderkrankungen: – Bei jeder schweren Depression, die z. B. mit Wahn, stuporösen Symptomen oder akuter Suizidalität einhergeht, und bei allen manischen Phasen sind die Voraussetzungen zum sicheren Führen von Kraftfahrzeugen nicht gegeben, ebenso wenig wie in akuten Stadien schizophrener Episoden, bei Demenz oder bei organischen Psychosen wie einem Delir oder einem Korsakow-Syndrom. – Grundsätzlich werden nach Abklingen der Akutsymptomatik Überprüfungen der Fahrtauglichkeit empfohlen. Die Eignung zur aktiven Wiederteilnahme am Straßenverkehr setzt allerdings symptomfreie Intervalle voraus. Diese differieren je nach Grunderkrankung erheblich, z. B. kann in der Regel nach einer ersten schweren psychotischen Episode nach 6-monatiger Symptomfreiheit die Fahrerlaubnis wiedererlangt werden. Besonders günstige Krankheitsverläufe rechtfertigen eine Verkürzung dieser Zeit. 5 Hinweise zur Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit unter verschiedenen Psychopharmaka . Tabelle 15.1.
Kapitel 15 · Psychopharmaka und Fahrtüchtigkeit
547
15
. Tabelle 15.1. Hinweise zur Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit unter Psychopharmakaeinfluss Psychopharmaka
Eigenschaften
Einfluss auf Fahrtüchtigkeit
Antidepressiva
Sedierend (z. B. Amitryptilin, Doxepin, Mirtazepin)
Fahrtüchtigkeit während Aufdosierung und in den ersten 2 Wochen nach Erreichen der Zieldosis eingeschränkt; Beeinträchtigung auch während Erhaltungstherapie möglich
Nichtsedierend (z. B. Nortriptylin, Desipramin, Reboxetin, SSRI, MAOH, Venlafaxin)
Fahrtüchtigkeit oft nicht eingeschränkt; Beeinträchtigung kann im Einzelfall jedoch auch längerfristig fortbestehen
Zu Beginn der Behandlung Sedierung und Einschränkung der Konzentrationsfähigkeit, orthostatische Dysregulation (besonders Phenothiazine mit aliphatischer Seitenkette, z. B. Levopromazin)
Fahrtüchtigkeit während Aufdosierung und in den ersten 2 Wochen nach Erreichen der Zieldosis eingeschränkt; Beeinträchtigung auch während Erhaltungstherapie möglich
Sedierender Effekt bei Clozapin, Olanzapin und Quetiapin kann länger anhaltend sein
Bei Clozapin, Olanzapin und Quetiapin muss mit längerer Einschränkungszeit gerechnet werden
Benzodiazepine (auch Non-Benzodiazepinhypnotika)
Sedierend, Konzentrationsstörung und Funktionsstörungen der Muskulatur bekannt, Amnesie möglich
Fahrtüchtigkeit sowohl in Einstellungsphase als auch bei höherer Dosierung in der Erhaltungstherapie eingeschränkt
Lithium
Als initiale Nebenwirkungen leichte Müdigkeit und feinschlägiger Tremor bekannt
Fahrtüchtigkeit während Aufdosierung eingeschränkt; Beeinträchtigung auch während Erhaltungstherapie möglich
Antipsychotika (AP)a
548
Kapitel 15 · Psychopharmaka und Fahrtüchtigkeit
. Tabelle 15.1. (Fortsetzung)
1 2
Psychopharmaka
Eigenschaften
Einfluss auf Fahrtüchtigkeit
Carbamazepin
Bei Therapiebeginn Benommenheit, Schwindel, ataktische Störungen und Müdigkeit bekannt
Fahrtüchtigkeit während Aufdosierung eingeschränkt; Beeinträchtigung auch während Erhaltungstherapie möglich
Valproinsäure
Bei Therapiebeginn Sedierung, Tremor und ataktische Störungen bekannt
Fahrtüchtigkeit während Aufdosierung eingeschränkt; Beeinträchtigung auch während Erhaltungstherapie möglich
3 4 5 6 a
7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
Konventionelle AP beeinträchtigen die Fahrtüchtigkeit i. d. R. stärker als atypische AP
16 Pharmakokinetik und Arzneimittelinteraktionen
Die Pharmakokinetik beschreibt die 5 Aufnahme (Absorption): i. d. R. enterale Resorption über den Verdauungstrakt, 5 Verteilung (Distribution): verschiedene Verteilungsräume, z. B. Gehirn (Blut-Hirn-Schranke), Fettgewebe etc.; Bindung an Plasmaproteine (Albumin, αl-Glykoprotein), 5 Verstoffwechselung (Metabolismus bzw. Biotransformation) und 5 Ausscheidung (Exkretion): i. d. R. über Niere oder Galle von Medikamenten und deren Metaboliten im menschlichen Körper (ADME-Schema). Metabolisierung und Exkretion werden auch als Elimination zusammengefasst (. Abb. 16.1). Bei vielen Psychopharmaka sind auch die Metaboliten pharmakologisch aktiv und haben dann meist eine längere Eliminationshalbwertszeit als die Muttersubstanz. Biotransformationsreaktionen im Arzneistoffwechsel werden unterteilt in: 5 Phase-I-Reaktionen (Einfügung oder Freilegung einer funktionellen Gruppe): – Oxidation (Hydroxylierung, N- und O-Dealkylierung, wie z. B. Demethylierung, Deaminierung), – Reduktion, – Hydrolyse. 5 Phase-II-Reaktionen: – Konjugationen (z. B. Glukuronidierung, Azetylierung). Unterschiede im Arzneimittelmetabolismus können teilweise durch genetisch determinierte Allelvarianten der verstoffwechselnden Enzyme (Polymorphismen; Vorkommen bei 1% oder mehr innerhalb der Bevölkerung) erklärt werden (Pharmakogenetik). Für die Oxidation von Psychopharmaka sind v. a. die Cytochrom-P450-Isoenzyme (CYP) als mikrosomale mischfunktionelle Oxygenasen von Bedeutung. Aufgrund von Aminosäuresequenzhomologien werden verschiedene CYP-Familien, -Unterfamili-
550
1 2 3 4 5 6 7
Kapitel 16 · Pharmakokinetik und Arzneimittelinteraktionen
en und -Isoenzyme unterschieden. CYP-Enzyme können durch Pharmaka, Hormone oder Alkohol (Ethanol) in ihrer Aktivität moduliert werden (Enzyminduktion, Enzyminhibition). Für die Metabolisierung von Psychopharmaka und für mögliche Arzneimittelwechselwirkungen (s. u.) – sind insbesondere folgende CYP-Enzyme von Bedeutung: 5 CYP 1A2 5 CYP 2C9 5 CYP 2C19 5 CYP 2D6 5 CYP 3A4 5 CYP 2E1
(. Tabelle 16.1), (. Tabelle 16.2), (. Tabelle 16.3), (. Tabelle 16.4), (. Tabelle 16.5), (. Tabelle 16.6).
Durch Verabreichung eines Inhibitors eines CYP-Enzyms werden Konzentration und Eliminationshalbwertszeit der von diesem CYP-Enzym verstoffwechselten Substrate erhöht, durch Einnahme eines Induktors erniedrigt.
8 Distribution
9
Wirkort: ZNS Rezeptoren, Enzyme gebunden frei
10
Gewebe frei
gebunden
11 12 13 14 15
Blutkreislauf Arzneimittel
Absorption
gebundenes Pharmakon
freies Pharmakon
Exkretion
Metaboliten gebunden
frei
16 17
Metabolismus/ Biotransformation
Metaboliten
. Abb. 16.1. Distribution von Pharmaka im menschlichen Körper
16 · Pharmakokinetik und Arzneimittelinteraktionen
551
16
CYP 3A4 ist mit bis zu 60% des CYP-Gehalts (Mittelwert 29%) in der Leber das wichtigste CYP-Enzym; seine Aktivität bestimmt wesentlich die Bioverfügbarkeit vieler Psychopharmaka. Im Vergleich zu anderen CYP-Enzymen weist es eine geringere Substratspezifität und Saturierbarkeit auf. 5 Für einige CYP-Enzyme existieren aufgrund von Polymorphismen genetisch bedingte Aktivitätsunterschiede, die für Wirkungen und Nebenwirkungen der durch sie verstoffwechselten Pharmaka bedeutsam sein können. 5 CYP 2D6: 7–10% der mitteleuropäischen Bevölkerung sind »poor metabolizer« mit fehlender oder reduzierter Funktion; 1–3% der mitteleuropäischen Bevölkerung sind “ultrarapid metabolizer” mit einer gesteigerten Enzymaktivität. 5 CYP 2C19: 2–6% der mitteleuropäischen Bevölkerung sind »poor metabolizer«. Die Kenntnis bestimmter pharmakokinetischer Kenngrößen von Medikamenten ist unerlässlich, um Dosierungsempfehlungen geben und mögliche Wirkungen und Nebenwirkungen, deren Dauer und potenzielle Wechselwirkungen eines Pharmakons beurteilen zu können. Folgende Begriffe sind zur Beschreibung pharmakokinetischer Kenngrößen von Bedeutung: 5 Bioverfügbarkeit: Ausmaß und Geschwindigkeit, mit dem bzw. der ein Pharmakon den Blutkreislauf (und damit mittelbar den Wirkort) erreicht. 5 Clearance: Blut- oder Plasmavolumen, aus dem in einer definierten Zeiteinheit das Pharmakon eliminiert wird: – hepatische Clearance: wichtig für Bioverfügbarkeit (First-pass-Effekt); abhängig von Enzymaktivität, Lebermasse und -durchblutung; – renale Clearance: abhängig von Nierendurchblutung und glomerulärer Filtration. 5 Bei nierenpflichtigen, nicht über Leber (oder Darm) verstoffwechselten Pharmaka lässt sich die Clearance eines Pharmakons anhand der Kreatininclearance abschätzen. 5 Verteilungsvolumen: scheinbares Volumen als Quotient von Pharmakonmenge im Körper zu Plasmakonzentration des Pharmakons. 5 Eliminationshalbwertszeit (t½): Zeit, innerhalb derer die Plasmakonzentration um die Hälfte absinkt, abhängig von Clearance und Verteilungsvolumen. 5 Kumulation: Anstieg der mittleren Konzentration eines Pharmakons bei wiederholter Gabe. 5 Aufsättigungszeit: Zeit, die benötigt wird, bis 90% des Plateauwertes der Plasmakonzentration erreicht werden (ca. 4×t½).
552
1 2 3 4
Kapitel 16 · Pharmakokinetik und Arzneimittelinteraktionen
. Tabelle 16.1. Substrate, Inhibitoren und Induktoren von CYP 1A2 Substrate
Inhibitoren
Induktoren
Psychopharmaka und psychotrop wirksame Substanzen
Amitriptylin, Chlorpromazin, Clomipramin, Clozapin, Coffein, Duloxetin, Fluphenazin, Fluvoxamin, Imipramin, Olanzapin, Perphenazin, Tacrin
Fluvoxamin
Carbamazepin, Modafanil, Rauchen
Internistische und sonstige Medikamente
Amiodaron, Flu tamid, Frovatrip tan, Melatonin, Paracetamol, Phenacetin, Proprano lol, Riluzol, Ropiva cin, Tamoxifen, Theophyllin, Tizanidin, Warfarin Zolmitriptan
Cimetidin Ciprofloxacin, Enoxacin, Lomefloxacin, Mexiletin, Norfloxacin, Propafenon
Omeprazol
5 6 7 8 9 10 11
. Tabelle 16.2. Substrate, Inhibitoren und Induktoren von CYP 2C9 Substrate
Inhibitoren
Induktoren
Psychopharmaka und psychotrop wirksame Substanzen
Amitriptylin, Fluoxetin, Perazin, Phenytoin, Sertralin
Fluvoxamin, Modafanil, Valproinsäure
?
Internistische und sonstige Medikamente
Celecoxib, Diclofenac, Ibuprofen, Losartan, Metoclopramid, Naproxen, Piroxicam, Propranolol, Sildenafil, S-Warfarin, Tenoxicam, Tolbutamid
Fluconazol, Ritonavir Sulfaphenazol,
Carbamazepin, Cyclophosphamid, Ifosfamid, Phenobarbital, Phenytoin, Rifabutin, Rifampin, Ritonavir
12 13 14 15 16 17
16 · Pharmakokinetik und Arzneimittelinteraktionen
553
. Tabelle 16.3. Substrate, Inhibitoren und Induktoren von CYP 2C19 Substrate
Inhibitoren
Induktoren
Psychopharmaka und psychotrop wirksame Substanzen
Alprazolam, Amitriptylin, Barbiturate, Citalopram, Clomipramin, Diazepam, Doxepin, Escitalopram, Flunitrazepam, Fluoxetin, Imipramin, Moclobemid, Nordazepam, Sertralin, S-Mephenytoin
Fluvoxamin, Tranylcypromin
Felbamat, Modafinil, Topiramat
Internistische und sonstige Medikamente
Esomeprazol, Lansoprazol, Omeprazol, Proguanil, Propranolol, Ritonavir, Selegelin, Ticlopidin
Ketoconazol, Omeprazol
Rifampizin
16
1
2
3
4
5
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7
8
9
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13
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15
16
17
554
. Tabelle 16.4. Substrate, Inhibitoren und Induktoren von CYP 2D6 Inhibitoren
Induktoren
Psychopharmaka und psychotrop wirksame Substanzen
Amitriptylin, Chlorpromazin, Clomipramin, Codein, Desipramin, Dextromethorphan, Dihydrocodein, Donepezil, Duloxetin, Flunarizin, Fluoxetin, Fluphenazin, Fluvoxamin, Galantamin, Haloperidol, Imipramin, Levomepromazin, mCPP (Trazodon, Nefazodon), Methadon, Mianserin, Norfluoxetin, Nortriptylin, Paroxetin, Perphenazin, Risperidon, Sertralin, Thioridazin, Tramadol, Venlafaxin, Ziprasidon, Zuclopenthixol
Bupropion, Duloxetin, Fluoxetin, Levomepromazin, Melperon, Methadon, Moclobemid, Norfluoxetin, Paroxetin, Thioridazin
?
Internistische und sonstige Medikamente
Ajmalin, Alprenolol, Bopindolol, Bufarolol, Carvedilol, Encainid, Flecainid, Hydroxyzin, Indoramin, Metoclopramid, Metoprolol, Mexiletin, Ondansetron, Penbutolol, Pindolol, Prajmalin, Propafenon, Propranolol, Timolol, Tropisetron, Urapidil
Chinidin, Cimetidin, Metoclopramid, Metoprolol, Propanolol, Ritonavir
?
Kapitel 16 · Pharmakokinetik und Arzneimittelinteraktionen
Substrate
Inhibitoren
Induktoren
Psychopharmaka und psychotrop wirksame Substanzen
Alprazolam, Amitriptylin, Aripiprazol, Bromazepam, Buprenorphin, Buspiron, Carbarmazepin, Chlorpromazin, Clomipramin, Clonazepam, Clozapin, Dextromethorphan, Diazepam, Donepezil, Ethosuximid, Flunitrazepam, Fluoxetin, Galantamin, Haloperidol, Imipramin, LAAM, Methadon, Midazolam, Mirtazapin, Nefazodon, Nimodipin, Niniodipin, Nordazepam, Norfluoxetin, Perazin, Pimozid, Reboxitin, Sertralin, Sibutramin, Trazodon, Triazolam, Venlafaxin, Zaleplon, Ziprasidon, Zolpidem, Zopiclon, Zotepin
Fluoxetin, Norfluoxetin
Carbamazepin, Johanniskraut/ Hyperforin, Modafinil, Oxcarbazepin, Phenobarbital, Phenytoin
Internistische und sonstige Medikamente
Amiodaron, Androsteron, Astemizol, Atorvastatin, Chinidin, Chloroquin, Ciclosporin, Cyclophosphamid, Cortisone, Dapson, Dexamethason, Diltiazem, Doxycyclin, Erythromycin, (Ethinyl)-Östradiol, Felodipin, Fentanyl, Indinavir, Lidocain, Loratadin, Lovastatin, Nifedipin, Nimodipin, Omeprazol, Pantoprazol, Propafenon, Ritonavir, Saquinavir, Sildenafil, Simvastatin, Tacrolimus, Tamoxifen, Terfenadin, Testosteron, Tramadol, Verapamil
Atorvastatin, Cimetidin, Ciprofloxacin, Cisaprid, Clarithromycin, Delaviridin, Diltiazem, Erythromycin, Felbamat, Indinavir, Itraconazol, Ketoconazol, Lovastatin, Metronidazol, Naringenin (Grapefruitsaft), Nelfinavir, Norfloxacin, Ritonavir, Simavastatin, Telithromycin, Troleandomycin, Verapamil
Efavirenz, Dexamethason, Lovastatin, Oxybutynin, Prednison, Rifabutin, Rifampicin
555
Substrate
16 · Pharmakokinetik und Arzneimittelinteraktionen
. Tabelle 16.5. Substrate, Inhibitoren und Induktoren von CYP 3A3/4
16
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Kapitel 16 · Pharmakokinetik und Arzneimittelinteraktionen
. Tabelle 16.6. Substrate, Inhibitoren und Induktoren von CYP 2E1 Substrate
Inhibitoren
Induktoren
Psychopharmaka und psychotrop wirksame Substanzen
Alkohol (Ethanol)
Diethyldithiocarbamat (-sulfoxid)
Alkohol (Ethanol), Isoniazid, Rauchen
Internistische und sonstige Medikamente
Enfluran, Halothan, Isofluran, Sevofluran
Isoniazid
5 Eliminationszeit: Zeit, die benötigt wird, bis 90% des Plateauwertes der Plasmakonzentration eliminiert worden sind (ca. 4×t½). 5 Lineare Pharmakokinetik: Vorliegen einer linearen Dosis-Konzentrations-Beziehung. 5 Nichtlineare Pharmakokinetik: Vorliegen einer nichtlinearen DosisKonzentrations-Beziehung, z. B. überproportionaler Anstieg der Konzentration eines Pharmakons im Steady state bei Gabe höherer Dosierungen. Für die Interpretation pharmakokinetischer Daten zur Abbildung einer Verteilungskinetik werden Kompartimentmodelle zugrundegelegt, wobei als Kompartiment ein hypothetischer, zumeist nicht anatomischen Strukturen korrespondierender »Raum« definiert wird, in dem die Konzentration eines Pharmakons näherungsweise als räumlich konstant und proportional zur Menge des Pharmakons angesehen wird. Wird vereinfachend ein Einkompartimentmodell angenommen, wird der Körper als ein einziges Kompartiment angesehen, in welchem die Konzentration des Pharmakons monoexponenziell abfällt. Werden mehrere Pharmaka gleichzeitig oder sequenziell verabreicht, können daraus Arzneimittelinteraktionen (Wechselwirkungen) resultieren, wobei Pharmakonwirkungen oder -nebenwirkungen durch Zugabe einer zweiten Substanz qualitativ oder quantitativ verändert werden können (Verstärkung, Abschwächung, Erweiterung/Einschränkung bzw. Verschiebung des Wirkungs- bzw. Nebenwirkungsspektrums). Arzneimittelinteraktionen können sowohl unbeabsichtigt und dann meist unerwünscht als auch – im Rahmen einer Therapieoptimierung – beabsichtigt, sinnvoll und erwünscht sein. Bei Arzneimittelinteraktionen werden verschiedene Ebenen unterschieden:
16 · Pharmakokinetik und Arzneimittelinteraktionen
557
16
5 Pharmakodynamisch: – identischer Wirkmechanismus (z. B. Verstärkung anticholinerger Nebenwirkungen durch Kombination anticholinerg wirksamer Antipsychotika und Antidepressiva), – anderer Wirkmechanismus (z. B. zentrales Serotoninsyndrom durch MAO-Hemmung und gleichzeitige 5-HT-Rückaufnahmehemmung), – synergistisch: Verschiebung der Dosis/Konzentrations-Wirkungskurve des Pharmakons nach links, – antagonistisch: Verschiebung der Dosis/Konzentrations-Wirkungskurve des Pharmakons nach rechts. 5 Pharmakokinetisch (verbunden mit der Veränderung pharmakokinetischer Kennparameter, wie z. B. höhere Blutkonzentrationen, verlängerte Eliminationshalbwertszeit usw.): – Absorption (z. B. Resorptionshemmung durch Antazida, Ionenaustauscher, Nahrungsbestandteile, wie Gerbstoffe, Resorptionsveränderung durch anticholinerg wirksame Pharmaka aufgrund Motilitätsänderungen der Magen-Darm-Passage), – Verteilung (z. B. beim Ein- oder Austransport von Arzneimitteln in oder aus Organen über ATP-abhängige Transportproteine), – Metabolismus (z. B. Enzyminhibition durch Hemmstoffe oder kompetitive Verdrängung; Enzyminduktion durch Antikonvulsiva wie Carbamazepin), – Exkretion (z. B. Veränderungen der Nierendurchblutung durch nonsteroidale Antiphlogistika, ACE-Hemmer oder Theophyllin/ Coffein mit Auswirkungen auf die Lithiumserumkonzentration). Arzneimittelinteraktionen stellen häufig ein Wechselspiel zwischen pharmakodynamischen und pharmakokinetischen Effekten dar. Bedeutsames Beispiel sind Arzneimittelinteraktionen mit kardiotoxischen Konsequenzen. Wird beispielsweise Amitriptylin in einer Dosis, die normalerweise unkritisch ist, mit Fluoxetin kombiniert, kann es zu Tachyarrhythmien oder sogar zum Herzstillstand kommen. Fluoxetin und sein Metabolit Norfluoxetin sind potente Inhibitoren von CYP 2D6 (. Tabelle 16.4). CYP 2D6 ist am Abbau von Amitriptylin beteiligt (. Tabelle 16.4). Dadurch steigen die Blutspiegel von Amitriptylin an und erreichen unter therapeutisch empfohlenen Dosen unter Umständen toxische Werte. Ein Indikator für kardiotoxische Wirkungen ist die Verlängerung der QT-Zeit. Ältere Patienten oder Patienten mit einem »Poor-metabolizer-Status« können für Arzneimittelinteraktionen besonders anfällig sein. Bei bestimmten Psychopharmaka muss mit Arzneimittelinteraktionen auch noch nach deren Absetzen gerechnet werden: z. B. anhaltende MAO-
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Kapitel 16 · Pharmakokinetik und Arzneimittelinteraktionen
Inhibition noch über ca. 10–14 Tage nach Absetzen eines irreversiblen MAO-Hemmers, anhaltende 5-HT-Rückaufnahmehemmung durch Fluoxetin und dessen langwirksamen Metaboliten Norfluoxetin noch über ca. 4–5 Wochen nach Absetzen von Fluoxetin oder anhaltende Acetylcholinesterasehemmung durch Rivastigmin. Für Psychopharmakawirkungen und -nebenwirkungen können metabolische Arzneimittelinteraktionen auf der Ebene der verschiedenen CYP-Enzyme von großer Bedeutung sein. Bekannte oder zu erwartende metabolische Wechselwirkungen können aus den . Tabellen 16.1 bis 16.6 abgeleitet werden. Arzneimittelinteraktionen auf der Ebene der Exkretion sind v. a. bei einer Lithiummedikation zu bedenken, aber auch bei anderen vorwiegend renal eliminierten Psychopharmaka wie z. B. Sulpirid.
17 Intoxikationen1
17.1
Allgemeine Gesichtspunkte
Die Kenntnis der wichtigsten Intoxikationssyndrome bzw. der potenziellen Gefahren bei Überdosierung von Psychopharmaka der verschiedenen Stoffgruppen ist für den im psychiatrischen Konsiliar- und Notdienst tätigen Arzt von hoher Wichtigkeit. Jede Intoxikation mit psychotropen Substanzen stellt schon im Verdachtsfall eine Notfallsituation dar und erfordert umgehende internistische Überwachung und ggf. Behandlung. 5 Psychopharmakaintoxikationen ereignen sich meistens in suizidaler Absicht. Sie kommen aber auch akzidentell vor: z. B. in der Einstellungsphase bei Wechselwirkungen (insbesondere bei »Poor Metabolizern«) und nach Verwechslungen der Medikamente durch ältere oder verwirrte Patienten. Es ist jedoch zu beachten, dass in den meisten Fällen (v. a. bei Suizidversuchen) Mischintoxikationen vorliegen; eine genaue Diagnosestellung ist meistens nur aufgrund einer (Fremd-) Anamnese (Angehörige, Pflege- oder Rettungsdienstpersonal) und internistischer Abklärung möglich. Bei gezieltem Verdacht sollten – wenn immer möglich – Plasmaspiegelbestimmungen erfolgen. 5 Drogenintoxikationen: häufig durch Fehleinschätzung der Dosis (obskure Bezugsquellen bei illegalen Drogen) oder des additiven bzw. potenzierenden Effekts bei kombiniertem Drogenmissbrauch (v. a. bei »Drogenanfängern«), aber auch in suizidaler Absicht. 5 Die Therapie bei akuten Intoxikationen (in einer geeigneten internistischen Abteilung unter kontinuierlichem Monitoring und ggf. intensivmedizinischer Intervention) ist mehrgleisig: – Einschätzung und ggf. Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Vitalfunktionen: Bewusstsein (Ansprechbarkeit, Schutzreflexe), Atmung (Freimachen bzw. Sicherung der Atemwege, Sauerstoffapplikation, ggf. Intubation und Beatmung), Kreislauf (antihypertensive 1
Es werden Daten zu jenen Psychopharmaka bzw. -gruppen erwähnt, für die eine Zulassung für eine entsprechende psychiatrische Indikation besteht (blaue Unterlegung des Psychopharmakons im Präparateteil). Ausgenommen sind die Präparate der 7 Kap. 8 und 9.
560
1 –
2 3 4
–
5 6
–
7 8
–
9
17.2
Kapitel 17 · Intoxikationen
bzw. antihypotensive Therapie, Schockbehandlung, ggf. kardiopulmonale Reanimation). Primäre Detoxifikation: nur bei bewusstseinsklaren oder intubierten Patienten und wenn Zeitpunkt der Einnahme bekannt; induziertes Erbrechen bzw. Diarrhö, Magenspülung, Applikation von Aktivkohle in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Ingestion und eingenommener Menge sowie pharmakokinetischen Parametern der Substanz (Absorptionsgeschwindigkeit). Symptomatische Therapie: Behandlung zentraler und/oder vegetativer sowie sonstiger internistischer Komplikationen (Sedierung, Blutdruckregulation, Antiarrhythmika, Flüssigkeits-, Elektrolytund Azidoseausgleich, Temperaturausgleich, antikonvulsive Behandlung). Sekundäre Detoxifikation: forcierte Diurese, Hämodialyse bzw. -perfusion; abhängig von pharmakokinetischen Parametern (nicht sinnvoll z. B. bei großem Verteilungsvolumen oder hoher Plasmabindungskapazität). Gegebenfalls Applikation von Antidota.
Antidepressiva
10
17.2.1 Trizyklische Antidepressiva (TZA)
11
Toxische Effekte und Symptomatik
12 13 14 15 16 17
5 Periphere anticholinerge Effekte: Mundtrockenheit, Miktionsstörungen, Obstipation bis zum paralytischen Ileus, Hyperthermie, Akkommodationsstörungen (besonders in der Initialphase einer Behandlung bzw. bei leichten Vergiftungen). 5 Zentrales anticholinerges Syndrom (7 Kap. 12.7.2) mit deliranter Symptomatik (agitierte Verlaufsform) bzw. sedative Verlaufsform mit Vigilanzsstörungen bis zu Sopor bzw. Koma. 5 Epileptische Anfälle (insbesondere in der Initialphase der Therapie). 5 Tachykarde und bradykarde Herzrhythmusstörungen (QTc-Verlängerung; kardiale Erregungsleitungsstörungen als Folge der chinidinartigen, membranstabilisierenden Wirkung, 7 Kap. 1.6). 5 Hypotension aufgrund zentraler (Vasomotorenzentrum) und peripherer (Vasodilatation venöser Kapazitätsgefäße) Rezeptorblockade bzw. von Herzrhythmusstörungen. 5 Pulmonale Komplikationen bis zur respiratorischen Insuffizienz (bedingt durch Perfusionsstörungen), evtl. Lungenödem und ARDS.
17.1 · Antipsychotika (Neuroleptika)
561
17
Therapie
5 Primäre Detoxifikation: Magenspülung, Applikation von Aktivkohle, evtl. Natriumhydrogencarbonat zur Erhöhung der Plasmaeiweißbindung der freien TZA. 5 Symptomatische Therapie: Antikonvulsiva, Antiarrhythmika, Volumenersatz, Azidoseausgleich. 5 Beim zentralen anticholinergen Syndrom und/oder starker peripherer anticholinerger Symptomatik: Physostigmin (Anticholium®) initial bis zu 6 mg i.v., dann 1–4 mg/h über Perfusor (nur unter intensivmedizinischen Bedingungen!). 5 In Abhängigkeit von Bewusstseinslage und Blutgaswerten intensivmedizinische Überwachung und ggf. Intubation und Beatmung. 5 Sekundäre Detoxifikation gilt wegen hoher Plasmaeiweißbindung und großem Verteilungsvolumen der TZA als ineffektiv. 17.2.2 Selektive Serotoninrückaufnahmehemmer (SSRI) Toxische Effekte und Symptomatik
5 In der Literatur sind bislang aufgrund der großen therapeutischen Breite selten schwere Vergiftungen beschrieben worden. 5 Symptomatik prinzipiell wie beim zentralen Serotoninsyndrom möglich (7 Kap. 12.7.2): Dyskinesien, Ataxie, Hyperrigidität, Muskelzittern und -krämpfe. 5 Kopfschmerzen, Agitation und ängstliche Unruhe. 5 Bewusstseinsstörungen: Somnolenz bis Sopor, selten komatöse Zustände, Krampfanfälle. 5 Sehr selten Herzrhythmusstörungen, z. B. supraventrikuläre Tachykardien; Dyspnoe; Übelkeit, Erbrechen, abdominelle Schmerzen; Gerinnungsstörungen. 5 Urtikaria, evtl. Myalgien, Arthralgien. 5 Miktionsstörungen. 5 Laborbefunde: Leukozytose. Therapie
5 Primäre Detoxifikation: wegen spontan auftretender Übelkeit und nachfolgendem Erbrechen kann auf induziertes Erbrechen bzw. Magenspülung häufig verzichtet werden: Applikation von Carbo medicinalis. 5 Symptomatische Therapie (Antiarrhythmika, Antihistaminika, Antikonvulsiva). 5 Sekundäre Detoxifikation gilt bei den meisten SSRI wegen großer Verteilungsvolumina von Muttersubstanz und Metaboliten als ineffektiv.
562
1
Kapitel 17 · Intoxikationen
17.2.3 Monoaminooxidasehemmer (MAOH) Toxische Effekte und Symptomatik
2 3 4 5 6 7 8 9 10
5 Auch bei selektiven MAO-A-Hemmern (Moclobemid) kommt es in höheren Dosen (=Intoxikationsbedingungen) zu einer kombinierten TypA-/Typ-B-Hemmung, d. h. toxikodynamische Wirkungen sind prinzipiell gleich wie bei nichtselektiven MAOH (Tranylcypromin). 5 Symptomatik ähnelt phänomenologisch dem zentralen Serotoninsyndrom bzw. dem malignen neuroleptischen Syndrom (7 Kap. 12.7.2). 5 Typischerweise Auftreten von Intoxikationssymptomen erst nach einer Latenzzeit (6–24 h). 5 Delirante Symptomatik mit Bewusstseins-, Aufmerksamkeits- und kognitiven Störungen sowie Desorientiertheit, Verwirrtheit, Agitation, optischen Halluzinationen. 5 Epileptische Anfälle, Myoklonien, Tremor, Opisthotonus. Hypertensive Krisen, aber auch orthostatische Hypotension, Tachykardie. 5 Übelkeit, Erbrechen, Obstipation bis zum paralytischen Ileus, akutes Nierenversagen, Hyperthermie, Rhabdomyolyse. 5 Laborbefunde: Myoglobinämie, -urie, Transaminasenanstieg, Azidose, Hämolyse, Gerinnungsstörungen, Hypoxämie, Hyperkapnie. Therapie
5 Primäre Detoxifikation:
11 12 13 14 15 16 17
! Bei Hypertension unter MAOH wegen intrakranieller Blutungsgefahr
kein induziertes Erbrechen!
5 Bei bereits vorhandenen Vergiftungssymptomen kann auf induziertes Erbrechen wegen der langen Latenzzeit verzichtet werden, da in diesem Falle bereits von einer nahezu vollständigen Absorption ausgegangen werden muss. 5 Symptomatische Therapie: bei Hypotension Volumensubstitution (wegen Gefahr der Rhabdomyolyse wird auch bei Normotension reichliche Flüssigkeitszufuhr empfohlen), in schweren Fällen Katecholamine unter intensivmedizinischen Bedingungen; bei Hypertension antihypertensive Therapie (v. a. β-Rezeptorenblocker); antikonvulsive Behandlung; Heparinisierung bzw. gezielte Faktorensubstitution bei Verbrauchskoagulopathie; antipyretische Therapie (zunächst Kühlung, dann medikamentös); Azidoseausgleich. 5 In Abhängigkeit von der Bewusstseinslage und Blutgasanalyse Intubation und Beatmung.
17.1 · Antipsychotika (Neuroleptika)
563
17
5 Effektivität einer sekundären Detoxifikation ist bisher nicht nachgewiesen. 17.2.4 Andere Antidepressiva Toxische Effekte und Symptomatik
5 Geringgradiges toxisches Potenzial bei Mirtazapin und Reboxetin; bisher keine schweren Vergiftungen bzw. letaler Ausgang bei Überdosierungen beschrieben; Venlafaxin entsprechend 7 Kap. 17.2.2. 5 Im Allgemeinen verstärkte Nebenwirkungen bei Intoxikation, v. a. Sedation und Übelkeit; bei Mirtazapin delirähnliches Bild, bei Reboxetin epileptische Anfälle und hypertensive Blutdruckentgleisungen möglich. 5 Gefahr der additiven (z. B. sedierenden) Wirkung bei Mischintoxikationen. Therapie
5 Primäre Detoxifikation: bei hohen Ingestionsdosen ggf. Carbo medicinalis, Magenspülung. 5 Symptomatische Therapie: Antiarrhythmika, Antikonvulsiva, Volumenersatzmittel; evtl. Schockbehandlung. 5 Sekundäre Detoxifikation: zur Effektivität bisher keine sicheren Daten. 17.3
Stimmungsstabilisierer
17.3.1 Lithium Toxische Effekte und Symptomatik
5 Ursachen für Lithiumintoxikation: Überdosierung (akzidentiell oder suizidal), Kalium- oder Kochsalzmangel (natriumarme Diät), Kombination mit Diuretika, starkes Schwitzen, interkurrente Erkrankungen (insbesondere mit Nierenfunktionsstörungen, Elektrolytverschiebungen), sonstige Flüssigkeitsverluste; Verminderung der renalen Lithiumclearance durch nichtsteroidale Antiphlogistika oder ACE-Hemmer. 5 Serumkonzentrationsbereich: mäßige Intoxikation: 1,5–2,5 mmol/l; schwere Intoxikation: 2,5–3,0 mmol/l. 5 Symptome: zunächst Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, grobschlägiger Händetremor, Abgeschlagenheit, psychomotorische Verlangsamung, Vigilanzminderung, Schwindel, Dysarthrie, Ataxie; später: Rigor, Hyperreflexie, Faszikulationen, Krampfanfälle, Schock, Bewusstseinstrübung bis zum Koma, Herz-Kreislauf-Stillstand.
564
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Kapitel 17 · Intoxikationen
Therapie
5 Primäre Detoxifikation: nur Magenspülung (keine Absorption an Aktivkohle, laxierende und erbrecheninduzierende Maßnahmen nicht notwendig wegen der entsprechenden Lithiumeigenwirkung). 5 Symptomatische Therapie: antihypotensive Maßnahmen, Antiarrhythmika, Antikonvulsiva, Azidose- und Elektrolytausgleich. 5 Sekundäre Detoxifikation: Infusion isotoner Kochsalzlösung, Clearancesteigerung durch Carboanhydrasehemmer, z. B. Acetazolamid (Diamox®), Hämodialyse (effektivstes Verfahren), Hämofiltration; forcierte Diurese wird nicht mehr empfohlen. 17.3.2 Carbamazepin Toxische Effekte und Symptomatik
5 In hohen Ingestionsdosen starke Ähnlichkeiten mit TZA mit sedierenden und möglichen proarrhythmischen Effekten, auch ähnliche anticholinerge Potenz. 5 Toxische Dosen beim Erwachsenen ab ca. 3 g; maximale Plasmakonzentrationen können aufgrund verlangsamter Resorption (anticholinerger Effekt) bis zu 72 h nach Ingestion auftreten. 5 Schon bei relativ niedrigen Intoxikationsdosen: Nystagmus, Schwindel, Ataxie, weiterhin Mydriasis, Akkomodationsstörungen, Krampfanfälle. 5 Zentrales anticholinerges Syndrom (7 Kap. 12.7.2) mit Agitiertheit bzw. Somnolenz bis Koma (fluktuierender Verlauf möglich) sowie periphere anticholinerge Effekte (wie TZA). 5 Kardiale Reizleitungsstörungen (Blockbilder, Vorhofflimmern), toxische Myokardschädigung, Hypotension. 5 In späteren Stadien Dyspnoe, Ateminsuffizienz. 5 Übelkeit, Erbrechen. 5 Laborbefunde: Elektrolytentgleisungen (v. a. Hyponatriämie), Leukozytose. Therapie
5 Primäre Detoxifikation: Magenspülung, aufgrund verlangsamter Resorption u. U. noch späte Durchführung indiziert (12–24 h). 5 Symptomatische Therapie: Hypotoniebehandlung (Volumenersatz, ggf. Katecholamine), antiarrhythmisch (bis hin zur temporären Schrittmacherversorgung), Antikonvulsiva; ggf. Intubation, Beatmung. 5 Sekundäre Detoxifikation: Wirksamkeit wird aufgrund hoher Plasmaeiweißbindung und großen Verteilungsvolumens zurückhaltend beurteilt; evtl. Magendauerspülung, Mehrfachinstillation von Carbo medicinalis.
17.1 · Antipsychotika (Neuroleptika)
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17
17.3.3 Valproinsäure Toxische Effekte und Symptomatik
5 Berichtete toxische Dosen bei Erwachsenen ab 2 g. 5 Vigilanzstörungen mit Somnolenz bis Koma, gelegentlich aber auch Agitiertheit, Halluzinationen; evtl. Hirnödem. 5 Muskuläre Hypotonien, jedoch auch Myoklonien und Spasmen, Ataxie, erhöhte Anfallsbereitschaft. 5 Hypotension, Bradykardie bis Asystolie; Ateminsuffizienz. 5 Oligurie, Anurie. 5 Gerinnungsstörungen, im Extremfall disseminierte intravasale Gerinnung. 5 Elektrolytentgleisungen. Therapie
5 Primäre Detoxifikation: Carbo medicinalis, Applikation von Glaubersalz. 5 Symptomatische Therapie: Volumenersatz, Elektrolyt-/Azidoseausgleich, bei schweren Formen mit Ateminsuffizienz bzw. Kreislaufstillstand Intubation und Beatmung; ggf. Hirnödembehandlung; prophylaktische Heparinisierung wegen Gefahr der disseminierten intravasalen Gerinnung empfohlen, 5 Sekundäre Detoxifikation: Hämodialyse, Hämoperfusion gelten – insbesondere in Kombination – als effektiv.
17.4
Antipsychotika (AP)
17.4.1 Butyrophenone und Phenothiazine Toxische Effekte und Symptomatik
5 Butyrophenone: große therapeutische Breite, letale Verläufe sind daher selten; in hoher Dosierung starke EPS, in toxischen Dosen sedierend und hypotensiv. 5 Phenothiazine: sedierend und mit z. T. ausgeprägten vegetativen Symptomen (schon in therapeutischer Dosierung). 5 Zentrale und periphere anticholinerge Wirkungen sind bei Phenothiazinderivaten eher stark, bei Butyrophenonen jedoch eher gering ausgeprägt. 5 Bewusstseinsstörungen: Somnolenz bis Koma, aber auch Erregungszustände. 5 Tremor, zerebrale Krampfanfälle (Senkung der Anfallsschwelle).
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Kapitel 17 · Intoxikationen
5 Hypotension (Rezeptorblockade, zentrale Kreislaufdepression), Herzrhythmusstörungen (chinidinartiger, membranstabilisierender Effekt, QTc-Zeit-Verlängerung mit entsprechenden Risiken, 7 Kap. 3.6). 5 Zentrale und periphere Temperaturregulationsstörungen, Ateminsuffizienz, Lungenödem, Miktionsstörungen. 5 Laborbefunde: Hypoglykämie möglich (bei Butyrophenonen). Therapie
5 Primäre Detoxifikation: Induziertes Erbrechen ist wegen antiemetischer Wirkung der Antipsychotika beider Gruppen problematisch und daher nicht zu empfehlen; Magenspülung nur bei hohen Dosen; Carbo medicinalis. 5 Symptomatische Therapie: antihypotensiv, antiarrhythmisch, antikonvulsiv. 5 Bei Dyskinesien im Rahmen von EPS: Biperiden (Akineton®) 5–10 mg i.v. 5 Bei (allerdings seltenem) zentralem anticholinergen Syndrom: Physostigmin (Anticholium®) 2–6 mg i.v., evtl. 1–4 mg/h über Perfusor je nach Symptomatik nur unter intensivmedizinischer Überwachung, 7 Kap. 12.7.2). 5 Sekundäre Detoxifikation ist wahrscheinlich ineffektiv.
10
17.4.2 Clozapin
11
Toxische Effekte und Symptomatik
12 13 14 15 16 17
5 Ausgeprägte anticholinerge Effekte (peripher: Miktionsstörungen, Obstipation bis zum paralytischen Ileus, Akkommodationsstörungen; zentrales anticholinerges Syndrom mit deliranter Symptomatik, 7 Kap. 12.7.2) und Bewusstseinsstörungen (soporöse bis komatöse Zustände) bereits in therapeutischer Dosierung möglich. 5 Epileptische Anfälle (Senkung der Anfallsschwelle), Ataxie, Dysarthrie, Tremor. 5 Hypotone Kreislaufdysregulation, akute Linksherzdekompensation, tachykarde und bradykarde Herzrhythmusstörungen (Reizleitungsstörungen aufgrund starker anticholinerger Eigenschaften, ventrikuläre Arrhythmien, QTc-Verlängerung, 7 Kap. 3.6 und Präparat). 5 Respiratorische Insuffizienz bis zum Atemstillstand. 5 Hypersalivation (bereits in therapeutischer Dosierung), Hyperthermie.
17.1 · Antipsychotika (Neuroleptika)
567
17
Therapie
5 Primäre Detoxifikation: sinnvoll wegen langer Resorptionszeit und anticholinerger Wirkung (=lange Verweildauer im Verdauungstrakt); Applikation von Carbo medicinalis und Glaubersalz; evtl. bei Darmparalyse hohe Darmeinläufe. 5 Symptomatische Therapie: Kühlung, Antikonvulsiva, antihypotensive und antiarrhythmische Maßnahmen, Azidoseausgleich, bei respiratorischer Insuffizienz ggf. Intubation und Beatmung. 5 Bei zentralem anticholinergen Syndrom: s. o., 7 Kap. 12.7.2. 5 Sekundäre Detoxifikation: nicht effektiv (u. a. wegen hoher Plasmaeiweißbindung). 17.4.3 Atypische Antipsychotika (außer Clozapin) Toxische Effekte und Symptomatik
5 Geringgradiges toxisches Potenzial, bisher keine Berichte über fatalen Ausgang bei Monointoxikation mit Amisulprid, Olanzapin, Quetiapin, Risperidon, Ziprasidon (zum Problem QTc-Verlängerung 7 Kap. 3.6). 5 Im Allgemeinen Akzentuierung von Nebenwirkungen, v. a. Sedierung, Hypotonie, (Reflex-)Tachykardie. 5 Gefahr der additiven (z. B. sedierenden) Wirkung bei Mischintoxikationen. Therapie
5 Primäre Detoxifikation: bei hohen Ingestionsdosen ggf. Carbo medicinalis, Magenspülung. 5 Symptomatische Therapie: Antiarrhythmika, Antikonvulsiva, Volumenersatz; evtl. Schockbehandlung. 5 Sekundäre Detoxifikation: zur Effektivität bisher keine sicheren Daten. 17.5
Benzodiazepine
Toxische Effekte und Symptomatik
5 Gefährdung hauptsächlich bei hohen Dosen bzw. Mischintoxikationen mit anderen sedierenden Substanzen (z. B. Alkohol, Opiate). 5 Allgemeine Apathie, Bewusstseinstrübung (Somnolenz bis Koma), Hypo- bis Areflexie, muskuläre Schwäche, Dysarthrie, Ataxie, Nystagmus, gelegentlich Doppelbilder. 5 Hypotension, (Reflex-)Tachykardie, Ateminsuffizienz. 5 Schwindelzustände, Übelkeit, Kopfschmerzen.
568
1 2 3 4 5 6
Kapitel 17 · Intoxikationen
Therapie
5 Primäre Detoxifikation: in Abhängigkeit von Dosis und Zeitpunkt der Ingestion bzw. Bewusstseinslage evtl. induziertes Erbrechen, Magenspülung, Carbo medicinalis. 5 Symptomatische Therapie: Einschätzung der Bewusstseinslage und Sicherung der Atemwege, Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der Vitalfunktionen, ggf. Intubation und Beatmung. 5 Antidot: In besonderen Fällen kann die Applikation des Antidots Flumazenil (Anexate®, kompetitiver Antagonist am Benzodiazepinrezeptor) durch den Notarzt oder Intensivmediziner erwogen werden. Dosierung: initial langsam 0,2 mg i.v., bei Ansprechen 0,1–0,3 mg/min bis maximal insgesamt 1–2 mg, danach auch Perfusorapplikation möglich (kurze t½ im Vergleich zu Benzodiazepinen). 5 Sekundäre Detoxifikationsmaßnahmen: verzichtbar.
7 17.6
8 9 10 11 12 13 14 15 16
Drogenintoxikationen
17.6.1 Opiate Toxische Effekte und Symptomatik
5 Besonders große Gefahr von Intoxikationserscheinungen wegen des oft bestehenden zusätzlichen Substanzkonsums; Symptomatik und Toxikodynamik bei allen Opiatrezeptoren prinzipiell gleich. 5 Vegetative Dysregulation mit Überwiegen der Aktivität des zentralen Parasympathikus gegenüber dem Sympathikus. 5 Anfänglich Euphorie, Analgesie, dann Vigilanzstörungen (Somnolenz bis zum Koma). 5 Hypotonie, (vornehmlich bradykarde) Herzrhythmusstörungen, Hypothermie (periphere Vasodilatation, Histaminfreisetzung). 5 Zentrale Atemlähmung, evtl. Lungenödem als Folge der Hypoxämie. 5 Miosis (oft hinweisend); Übelkeit, Erbrechen, Obstipation bis zum paralytischen Ileus; Oligurie durch antidiuretischen Effekt der Opiate. Therapie
5 Antidot: Naloxon (Narcanti®) i.v. in 0,2-mg-Schritten bis 2 mg. ! Bei zu schneller bzw. hoch dosierter Gabe von Naloxon können Opiat-
17
entzugssymptome mit Erregungszuständen auftreten. Wegen geringer t½ von Naloxon sind ggf. Nachinjektionen erforderlich.
17.1 · Antipsychotika (Neuroleptika)
569
17
5 Primäre Detoxifikation spielt eine untergeordnete Rolle wegen seltener oraler Opiatapplikation (Ausnahmen: Methadon, Codeinderivate) und Vorhandensein eines Antidots. 5 Symptomatische Therapie: Sauerstoffapplikation, antihypotensive Maßnahmen, antiarrhythmische Therapie, Antikonvulsiva (Diazepam jedoch in der Regel wegen zusätzlicher Atemdepression nur nach Intubation und Beatmung), Flüssigkeitsbilanzierung (auf ausreichende Diurese achten, evtl. Beschleunigung der renalen Elimination durch Ansäuern des Urins mit Ammoniumchlorid), Schutz vor Auskühlung, Azidoseausgleich; bei respiratorischer Insuffizienz abhängig von Blutgasanalyse bzw. klinischem Bild Intubation und Beatmung. 17.6.2 Kokain Toxische Effekte und Symptomatik
5 Aufgrund zentraler Sympathikusstimulation starke sympathoadrenerge vegetative und zentrale Effekte. 5 In der Regel biphasischer Verlauf eines Intoxikationssyndroms: anfänglich Phase der Stimulation: Euphorie, Unruhe, Reizbarkeit, allgemeine Agitation, zerebrale Krampfanfälle, psychotische Zustandsbilder, z. T. mit Halluzinationen; später Phase der Depression: Kopfschmerzen, Insomnie, Verwirrtheit, Verlangsamung, Hyporeflexie, Anhedonie mit gelegentlicher Suizidalität, Anorexie. 5 Evtl. respiratorische Insuffizienz. 5 Gastrointestinale Symptomatik mit Übelkeit, Erbrechen. 5 Vasokonstriktion in verschiedenen Gefäßstromgebieten und entsprechende ischämische Komplikationen: akuter Myokardinfarkt, Nekrosen an Extremitäten, Hirn-, Mesenterial-, Niereninfarkt, Zentralarterienverschluss der Retina. 5 Hypertension mit entsprechenden Komplikationen: intrakranielle Blutungen; ventrikuläre und (tachykarde) supraventrikuläre Herzrhythmusstörungen. 5 Metabolische Katecholaminwirkungen: Hyperglykämie, Hyperthermie, Laktatazidose. 5 Rhabdomyolyse, Lebernekrosen, eosinophile Myokarditis. 5 Gerinnungsstörungen bis zur disseminierten intravasalen Gerinnung. 5 »Kokainschock«: akut lebensbedrohliche Komplikation, Auftreten unmittelbar nach Einnahme: ausgeprägte innere Unruhe und Angst, psychomotorische Erregung, Hypotonie, Bradykardie, extreme Hautblässe, Bewusstseinstrübung bis zum Koma.
570
1 2 3 4
Kapitel 17 · Intoxikationen
Therapie
5 Entspricht im Wesentlichen der Therapie bei Intoxikation mit Amphetaminen bzw. »Designerdrogen« (7 Kap. 17.6.3 und 17.6.4). 5 Bei Kokainschock: Adrenalin (Suprarenin®) 0,5–1,0 mg verdünnt i.v., 500–1000 mg Prednisolon (z. B. Solu-Decortin H®) i.v.; allgemeine Maßnahmen: Sauerstoffzufuhr, ggf. Intubation und Beatmung. 17.6.3 Amphetamine und -derivate Toxische Effekte und Symptomatik
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5 Toxikodynamik ergibt sich aus dem starken zentralen und peripheren sympathomimetischen Wirkprinzip der Substanzen (Förderung der Freisetzung bzw. Wiederaufnahmehemmung aller synaptisch lokalisierten biogenen Amine). 5 Klinische Einteilung der Amphetaminintoxikation in 4 Schweregrade: – I Unruhe, Irritabilität, Insomnie, Tremor, Hyperreflexie, Mydriasis, Flush; – II Hypertonie, Tachykardie, Herzrhythmusstörungen, Hyperpyrexie, Verwirrtheit; – III Delir, psychotische Symptomatik mit Sinnestäuschungen, Angst, Agitation; – IV Krampfanfälle, Koma, Herz-Kreislauf-Versagen. 5 Weitere Symptome: Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Tenesmen. 5 Vasospasmen mit der Gefahr der Infarzierung lebenswichtiger Organe (sympathomimetischer Effekt). Therapie (auch bei Kokainintoxikationen)
5 Primäre Detoxifikation: Magenspülung und Applikation von Carbo medicinalis prinzipiell sinnvoll, jedoch wegen Agitiertheit meistens kaum durchführbar. Durchführung nicht erzwingen! 5 Symptomatische Therapie: Sedierung bzw. antipsychotische Medikation (z. B. Haloperidol 5–10 mg i.v.p). ! Herabsetzung der Krampfschwelle möglich, daher adjuvant Benzodi-
azepine, z. B. Diazepam 10 mg i.v.)
5 Bei Vasospasmen bzw. Hypertonie: Kalziumantagonisten, z. B. Nifedipin (Adalat®) p.o. und/oder Nitrokörper s.l. bzw. i.v. als Perfusorapplikation; antihypertensive Maßnahmen; Antiarrhythmika, Antikonvulsiva, Flüssigkeits-, Elektrolyt- und Azidoseausgleich; kühlende Maßnahmen. 5 Sekundäre Detoxifikation gilt als ineffektiv.
17.1 · Antipsychotika (Neuroleptika)
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17
17.6.4 Ecstasy (MDMA) und Eve (MD) Toxische Effekte und Symptomatik
5 Aufgrund einer Vielzahl neuerer Berichte kann die MDMA-Intoxikation als eigenständiges Syndrom betrachtet werden; Todesfälle (v. a. Leberversagen, jedoch auch im Zusammenhang mit Dehydratation) sind bekannt geworden. 5 Ursachen für toxische Effekte sind serotonerge und dopaminerge sowie zentrale und periphere sympathomimetische Wirkungen; hinsichtlich toxischer Dosisbereiche besteht eine hohe interindividuelle Varianz. 5 Hepatopathien mit Cholestase, Transaminaseerhöhungen, Lebersynthesestörungen bis zum fulminanten Leberversagen mit fatalem Ausgang. 5 Palpitationen, Sinustachykardien, erhöhte ektope Erregungsbildung mit Gefahr ventrikulärer Tachyarrhythmien (insbesondere bei kardialer Vorschädigung, z. B. WPW-Syndrom). 5 Arterieller Hypertonus (häufig). 5 Hyperthermie, Elektrolytentgleisung (auch SIADH beschrieben), zerebrale Krampfanfälle. 5 Gerinnungsstörungen bis zur disseminierten intravasalen Gerinnung. 5 Rhabdomyolyse, Nephropathien, akutes Nierenversagen. Einzelfälle von aplastischer Anämie. Therapie
5 Primäre Detoxifikation (nur bei größeren Mengen, z. B. Einnahme in suizidaler Absicht: Magenspülung, Carbo medicinalis, forcierte Diarrhö). 5 Symptomatische Therapie: Sedierung bzw. antipsychotische Medikation (z. B. Haloperidol 5–10 mg i.v.). ! Herabsetzung der Krampfschwelle möglich, daher adjuvante Benzo-
diazepine, z. B. Diazepam 10 mg i.v.;
Bei Hypertonie: Kalziumantagonisten, z. B. Nifedipin (Adalat), evtl. in Kombination mit Clonidin; Antiarrhythmika, ggf. Kardioversion; Antikonvulsiva; Flüssigkeits-, Elektrolyt- und Azidoseausgleich; kühlende Maßnahmen. 5 Sekundäre Detoxifikation: wahrscheinlich ineffektiv, jedoch Hämodialyse bei diuretikaresistentem akutem Nierenversagen.
572
1
Kapitel 17 · Intoxikationen
17.6.5 Cannabis (∆-9-Tetrahydrocannabinol, THC) Toxische Effekte und Symptomatik
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Geringe Toxizität. 5 Initial psychische Stimulation mit Euphorie, später Sedierung und depressive Verstimmung; Halluzinationen, Agitation, Angstzustände; zerebrale Krampfanfälle, Flashbacks. 5 Tachykardie (in hohen Dosen Bradykardie), zunächst Hyper-, später Hypotension. 5 Pharyngitis, Bronchitis, in extrem hohen Dosen Atemdepression. Hunger- und Durstgefühl, Übelkeit, Erbrechen. Therapie
5 Primäre Detoxifikation wegen geringer oraler Bioverfügbarkeit nicht sinnvoll. 5 Symptomatische Therapie: Sedierung bzw. antipsychotische Medikation (z. B. Haloperidol 5–10 mg i.v.); ggf. antihypotensive Maßnahmen. 5 Keine Indikation für sekundäre Detoxifikation wegen der relativ kurzen Wirkdauer der Substanz 17.6.6 Psychomimetika (Halluzinogene: Lysergsäurediethylamid, LSD) Toxische Effekte und Symptomatik
11 12 13 14 15
5 Bei vorwiegend zentral-serotonerger Wirksamkeit kommen periphere Intoxikationserscheinungen zumeist erst bei sehr hohen Dosen vor. 5 Psychotische Symptomatik (Angst- und Erregungszustände, »Horrortrip«) mit optischen und akustischen Sinnestäuschungen; Vigilanzstörungen bis zum Koma, zerebrale Krampfanfälle, Hyperreflexie, Mydriasis, Anisokorie; Flashback (7 Kap. 12, . Tabelle 12.3) prinzipiell dosisunabhängig möglich. 5 Tachykardie, Hypertonie; Tachypnoe, evtl. Atemdepression Übelkeit, Erbrechen. 5 Piloerektion, Flush, Hyperthermie; Gerinnungsstörungen. Therapie
16 17
5 Primäre Detoxifikation: Nach oraler Aufnahme toxischer Mengen kann eine Magenspülung und Aktivkohle indiziert sein (bei Agitation jedoch oft nicht möglich). 5 Symptomatische Therapie: ggf. Antihypertensiva (v. a. Kalziumantagonisten, Nitrate); Antikonvulsiva; bei Hyperthermie Kühlung; Azido-
17.1 · Antipsychotika (Neuroleptika)
573
17
seausgleich; antipsychotische Behandlung (z. B. Haloperidol 5–10 mg p.o. oder parenteral; 7 Kap. 12, . Tabelle 12.2). 5 Sekundäre Detoxifikation wird nicht empfohlen.
Anhang
577
A–D
Diagnoseverzeichnis
D
Für die aufgelisteten ICD-10-Diagnosen und Syndrome finden sich unter den angegebenen Seitenzahlen jeweils die ausführlichen Therapiedarstellungen. Für alle anderen Aspekte s. Sachverzeichnis.
A ADHS 457 Adipositas 450 affektive Störung – bipolare 114, 118 – – manische Episode 180 – – Phasenprophylaxe 118 – saisonal abhängige 9 Aggression 476 Agoraphobie 16 – bei Panikstörung 14, 280 Akathisie 189 Alkoholabhängigkeit, Rückfallprophylaxe 383 Alkoholentzugsdelir 380 Alkoholentzugssyndrom 378 Alkoholhalluzinose 183, 381 Alkoholintoxikation 378 Alzheimer-Krankheit 357 Angststörung 182 – generalisierte 15, 280 Anorexia nervosa 447 anticholinerges Syndrom, zentrales 500 atypische Depression 9 Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung 457 Autismus 478
B Belastungsstörung, posttraumatische 18 Bewusstseinsstörung – qualitatives 493 – quantitatives 492 Binge-eating-Störung 449
bipolare affektive Störung 114, 118 – manische Episode 180 – Phasenprophylaxe 118 bipolare Depression 115 Bulimia nervosa 448
C Chorea Huntington 181 Chronic-Fatigue-Syndrom 20
D DAT 357 delirantes Syndrom 489 Delirium tremens 380 Demenz 182 – bei Alzheimer Krankheit 357 – frontotemporale 360 – leichte kognitive Störung 361 – vom Lewy-Körperchen-Typ 183, 359 – vaskuläre 359 Depression – atypische 9 – bipolare 115 – bei geriatrischen Patienten 10 – bei kardiovaskulären Erkrankungen 10 – wahnhafte 180 depressive Episode 8, 115, 180, 281 Dermatozoenwahn 178 DLB 183, 359 double depression 9 drogeninduzierte Psychose 184 Dyskinesie 181, 189 Dysmorphophobie 19 Dysthymie 8
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D 2 3 4 5 6 7 8 9
11 12 13 14 15
Diagnoseverzeichnis
E Eifersuchtswahn 178, 381 einfache Phobie 16 Ejaculatio praecox 427 Entzugssyndrom 21 Enzephalopathie, hepatische 381 Episode – bei bipolarer affektiver Störung 118 – depressive 8, 115 – – rezidivierende kurze 9 – manische 107, 114, 281 – – bipolare affektive Störung 180 Erektionsstörung 423 Erregungszustand, psychomotorischer 488 extrapyramidalmotorische Störung 282
17
katatone Schizophrenie 177 kognitive Störung 177 – leichte 361 Kokainentzugssyndrom 388
M major depression 9 malignes neuroleptisches Syndrom 189, 500 manische Episode 107, 114, 281 – bipolare affektive Störung 180 Migräne 19 mild cognitive impairment 394 minor depression 9 Morbus Parkinson 181
F N Fibromyalgiesyndrom 20 frontotemporale Demenz 360 Frühdyskinesie 189 Funktionsstörung, sexuelle 422 – Ejaculatio praecox 427 – Erektionsstörung 423 – gesteigertes sexuelles Verlangen 428 – substanzinduzierte 429 – vermindertes sexuelles Verlangen 422
G GAD 15, 280 gemischte Episode bei bipolarer affektiver Störung 118 generalisierte Angststörung 15, 280
H
16
K
hepatische Enzephalopathie 381 Hypersomnie, primäre 463
I Impulskontrollstörung 476
Narkolepsie 460 Negativsymptomatik 176 Nikotinentzugssyndrom 391
O Oligophrenie 478 Opiatentzugssyndrom 384
P Panikstörung mit/ohne Agoraphobie 15, 280 Paraphilie 428, 479 Parkinsonoid 189 periodic limb movements in sleep 461 Persönlichkeitsstörung 471 Phobie – einfache 16 – soziale 16 phobische Störung 16, 280 PLMS 461 PMDS 20 Positivsymptomatik 175
579
Diagnoseverzeichnis
Post-stroke-Depression 10 posttraumatische Belastungsstörung 18 prämenstruell-dysphorisches Syndrom 20 psychomotorischer Erregungszustand 488 Psychose – drogeninduzierte 184 – zykloide 179, 180 PTSD 18
R Rapid cycling 122 recurrent brief depression 9 Restless-legs-Syndrom 461 RLS 461
S SAD 9 schizoaffektive Störung 179 – Akutphase 179 – depressive Störung 180 – Phasenprophylaxe 123 schizophrene Störung 173, 281 – Akutphase 175 – depressive Symptomatik 176 – katatone Symptomatik 177 – kognitive Störung 177 – Negativsymptomatik 176 – Positivsymptomatik 175 – Zwangsstörung 182 schizotype Störung 178 Schlaf-Apnoe-Syndrom 461 Schlafstörung 22, 321, 479 Schmerzsyndrom 19, 184 Selbstverletzung 476 Serotoninsyndrom, zentrales 539 sexuelle Funktionsstörung 422 – Ejaculatio praecox 427 – Erektionsstörung 423 – gesteigertes sexuelles Verlangen 428 – substanzinduzierte 429 – vermindertes sexuelles Verlangen 422
sexuelles Verlangen – gesteigertes 428 – vermindertes 422 somatoforme Störung 18, 281 soziale Phobie 16 Spätdyskinesie 189 Störung – affektive bipolare 114, 118, 180 – – saisonal abhängige 9 – depressive 8, 180, 281 – extrapyramidalmotorische 282 – kognitive 177 – – leichte 361 – phobische 16, 280 – schizoaffektive 179 – – Akutphase 179 – – depressive Störung 180 – – Phasenprophylaxe 123 – schizophrene 173, 281 – – Akutphase 175 – – depressive Symptomatik 176 – – katatone Symptomatik 177 – – Negativsymptomatik 176 – – Positivsymptomatik 175 – – Zwangsstörung 182 – schizotype 178 – sexuelle Erregung 426 – somatoforme 18, 281 – wahnhafte 178 Stupor 493 – depressiver 494 – manischer 495 Suizidalität 176, 496
T Tic-Störung 181 Tourette-Syndrom 181
V vaskuläre Demenz 359 Verhaltensstörung 471 – bei Intelligenzminderung und Autismus 478
E–V D
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D 2 3 4 5 6 7 8 9
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Diagnoseverzeichnis
W wahnhafte Depression 180 wahnhafte Störung 178 Wernicke-Korsakow-Syndrom 381 Winterdepression 9
Z zentrales anticholineres Syndrom 500 zentrales Serotoninsyndrom 500 Zwangsstörung 16, 182 zykloide Psychose 179, 180
581
A–B
Pharmakaverzeichnis In das Pharmakaverzeichnis sind die chemischen Kurzbegriffe kursiv und die Handelsnamen in gerader Schrift aufgenommen. Eine fettgedruckte Seitenzahl verweist auf die ausführliche Beschreibung im Präparateteil. Handelsnamen von Präparaten aus Österreich (A) und der Schweiz (CH) sind mit dem Verweis auf den Substanznamen aufgenommen, wenn sie von den in Deutschland gebräuchlichen Handelspräparaten abweichen.
A Abilify 227 Acamprosat 393, 518, 526, 533 Additiva Vitamin E 300 372 Adumbran 310 AH 3N Tabletten 304 Alfuzosin 428 Allegria 390 Alprastad (A) s. Alprazolam Alprazolam 294, 531 Alprazolam AbZ 294 Alprazolam AL 294 Alprostadil 426 Alutan (CH) s. Citalopram Alz 40mg 366 Amantadin 431, 500 Amineurin 55 Amioxid-neuraxpharm 58 Amisulprid 8, 181, 210, 517, 524, 530 Amitriptylin 55 Amitriptylin beta 55 Amitriptylinoxid 58, 143, 225 Amitriptylin-RPh 55 Amitriptylin-Teva 55 amitriptylin von ct 55 Amphebutamon. s. Bupropion Anafranil 61 Anexate 492 Antabus 408 Antelepsin 300 Antioxidans E-Hevert 372
Anxiolit (A, CH) s. Oxazepam Anxut 297 Apertia (A) s. Citalopram Apomorphin 425, 434 Aponal 65 Ardeytropin 344 Aricept 363 Aripiprazol 109, 227, 517, 524, 530 Aristo 350 75 Arminol 267 Atarax 304 Atarax (A, CH) s. Hydroxyzin Ativan (CH) s. Lorazepam Atomoxetin 459 Atosil 340 Aurorix 83 Aurorix (CH) s. Moclobemid Avigilen 369 Axura 367
D P
1
1
1
B Bendorma (CH) s. Diphenhydramin Benocten (CH) s. Diphenhydramin Benperidol 228 Benperidol-neuraxpharm 228 Bespar 297 Betachenol 431 Betadorm D 332 Biperiden 541 Bromalich 295 Bromaz 6–1A 295
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582
D P 3 4 5 6 7
Pharmakaverzeichnis
Bromazanil 295 Bromazepam 295 Bromazepam AL 296 Bromazepam beta 296 Bromazepam-neuraxpharm 296 Bromazepam ratiopharm 296 bromazep von ct 295 Bromocriptin 53, 224, 500 Bromperidol 183, 230 Brotizolam 329 Buprenorphin 395, 518, 526, 533 Bupropion 6, 391, 398, 459, 519, 526, 533 Busp 297 Buspar (A, CH) s. Buspiron Buspiron 16, 47, 276, 297, 393, 431
C
8 9
11 12 13 14 15 16 17
Cabergolin 462 Calmaben (A) s. Diphenhydramin Campral 393 carba 200 mg AbZ 132 carba 200 von ct 132 Carbabeta 132 Carbachol 25, 192, 431 carbadura 132 Carbaflux 132 Carbagamma 132 Carbamazepin 102, 112, 117, 120, 132, 139, 379, 392, 515, 523, 529, 539 Carbamazepin AL 132 Carbamazepin-biomo 132 Carbamazepin-neuraxpharm 133 Carbamazepin 1A-Pharma 132 Carbamazepin-ratiopharm 133 Carbamazepin-RPh 133 Carbamazepin Sandoz 133 Carbamazepin Stada 133 Carbium 133 Cassadan 294 Catapresan 406 Cerepar N 369
Cernevit Trockensubstanz 372 Chloraldurat 500 330 Chloraldurat blau 330 Chloraldurat rot 330 Chloralhydrat 316, 330 Chloralhydrat Rectiole (A, CH) s. Chloralhydrat Chlordiazepoxid 298, 379, 531 Chlorpromazin 193, 202, 231 Chlorprothixen 232 Chlorprothixen Holsten 232 Cialis 439 Ciatyl 273 Cilex 59 Cipralex 69 Cipramil 59 Cipram (A) s. Citalopram Citalopram 3, 15, 43, 59, 527 Citalopram AL 59 Citalopram-1A Pharma 59 Citalopram beta 59 Citalopram-biomo 59 Citalopram ecosol (CH) s. Citalopram Citalopram HelvePharm (CH) s. Citalopram Citalopram HEXAL 59 Citalopram Hormosan 59 Citalopram-Mepha (CH) s. Citalopram Citalopram-neuraxpharm 59 Citalopram-ratiopharm 59 Citalopram Sandoz 59 Citalopram Stada 59 Claropram 20/40 (CH) s. Citalopram Clobazam 299 Clomethiazol 316, 320, 379, 380, 400, 486, 519, 526, 533 Clomipramin 3, 61, 427 Clomipramin-neuraxpharm 61 Clomipramin-ratiopharm 61 Clomipramin Sandoz 61 Clomipramin von ct 61 Clonazepam 281, 282, 300, 542
Pharmakaverzeichnis
Clonidin 380, 406 Clonidin-ratiopharm 406 Clonidin 150/300 Riker 406 Clonistada 406 Closin 340 Clozapin 110, 117, 176, 179, 181, 192, 202, 212, 218, 222, 224, 233, 498, 517, 524, 531, 566 Clozapin beta 233 Clozapin Hexal 233 Clozapin-neuraxpharm 233 Clozapin-Pharma 233 Co-dergocrin 362 Concerta 463 Convulex 153 Convulsofin 153 Convulsofin-Tropfen 153 Cuxabrain 369 Cymbalta 68 Cyproheptadin 431, 501 Cyproteronacetat 428
D Dalmadorm 336 Dantamacrin 500 Dantrolen 500 Dapotum 241 Dapotum D 241 DCCK 362 Decentan 257 Decentan-Depot 257 Deleptin (A) s. Carbamazepin Deltalipid LCT 372 Demetrin 312 Depakine (CH) s. Valproinsäure Deprilept 79 Deramciclan 277 Deroxat (CH) s. Paroxetin Deseril 501 Desipramin 3, 63, 392 Detulin 400 372
583
diazep AbZ 301 Diazepam 288, 301, 531 Diazepam Desitin 301 Diazepam-Lipuro 301 Diazepam-ratiopharm 301 Diazepam Sandoz 301 diazep von ct 301 Dibenzepin 64, 65 Dibondrin (A) s. Diphenhydramin Dihydergot 25, 192 Dihydroergotamin 25, 192 Dikaliumclorazepat 303, 532 Diphenhydramin 316, 332 Dipiperon 259 Distigmin 25, 188 Distraneurin 400 Disulfiram 384, 408, 519, 526, 533 Dogmatil 267 Dolestan 332 Dominal 261 Donepezil 363, 518, 525, 532 Doneurin 65 Dopa 224 Doppelherz Vitamin E 372 Dormalon Nitrazepam 339 Dormo-Puren 339 Dormutil N 332 Doryl 192 Dosulepin 65 Dougink 3000 366 Doxepia 65 Doxepin 379 Doxepin AL 66 Doxepin beta T 66 doxepin-biomo 66 Doxepin dura T 66 Doxepin-neuraxpharm 66 Doxepin-ratiopharm 66 Doxepin-RPh 66 Doxepin-Teva 66 Doxepin Sandoz 66 Doxepin Stada 66
B–D D P
1
1
1
1
1
1
1
584
D P 3
Pharmakaverzeichnis
Doxe TAD 66 Doxylamin 316, 333 Duloxetin 68 duralozam 306 durazanil 296 durazepam 310
E
4 5 6 7 8 9
11 12 13 14 15 16 17
Eatan N 339 Ebixa 367 Edronax 90 Efectin (A) s. Venlafaxin Efexor (CH) s. Venlafaxin Effortil 25, 192 Elcrit 233 Eldoral 96 Elex Verla E 372 elmendos 139 Ergenyl (A) s. Valproinsäure Elroquil N 304 Embial 600 372 Encephabol 370 Ephynal vital 372 Eplonat 372 Equasym 463, 464 Equilibrin 58 Ergenyl 153 Ergocalm 338 Ergodesit 362 ergotox 2,5 362 Esbericum forte 75 Escitalopram 3, 15, 69, 529 espa-dorm 348 espa-lepsin 133 espa-valept 153 etazepam-ratiopharm 338 Etilefrin 25, 192 E-Tonil 372 Eunerpan 251 Euplix 87 Eusedon-mono 340
Eusovit 372 E-Vicotrat 372 Evion 100 372 E Vitamin E 372 E-Vitamin-ratiopharm 372 Exelon 370
F Faustan 302 Felicium (A) s. Fluoxetin Fevarin 73 Finlepsin 133 Flexal Vitamin E 372 Florafit 373 Flox-ex (CH) s. Fluvoxamin Floxyfral (A, CH) s. Fluvoxamin Fluanxol 239 Fluctin 70 Fluctine (A, CH) s. Fluoxetin Flumazenil 316, 492 Fluneurin 70 Fluni 1–1 A Pharma 335 Flunibeta 1 335 Flunimerck 335 Fluninoc 335 Flunitrazepam 335 Flunitrazepam-neuraxpharm 335 Flunitrazepam-ratiopharm 335 Fluocim (CH) s. Fluoxetin Fluox 70 fluox-basan (CH) s. Fluoxetin FluoxeLich 70 Fluoxemerck 70 Fluoxe Q 70 Fluox-puren 71 Fluoxetin 3, 15, 43, 54, 70, 529, 537 Fluoxetin AL 71 Fluoxetin beta 71 fluoxetin-biomo 71 Fluoxetin Helvepharm (CH) s. Fluoxetin Fluoxetin-Mepha (CH) s. Fluoxetin
585
Pharmakaverzeichnis
Fluoxetin-neuraxpharm 71 Fluoxetin-ratiopharm 71 Fluoxetin-RPh 71 Fluoxetin Sandoz 71 Fluoxetin Stada 71 Fluoxetin TAD 71 fluoxetin von ct 71 Fluoxgamma 71 Fluoxibene (A) s. Fluoxetin Fluoxifar (CH) s. Fluoxetin Fluoxistad (A) s. Fluoxetin Flupentixol 239 Flupentixol-neuraxpharm 239 Fluphenazin 241 Fluphenazin-neuraxpharm D 241 Flurazepam 336 Flusol (CH) s. Fluoxetin Fluspi 244 Fluspirilen 244 Fluspirilen beta 244 Fluvohexal 73 Fluvoxadura 73 Fluvoxamin 3, 15, 43, 73, 529 Fluvoxamin AL-neuraxpharm 73 Fluvoxamin beta 73 Fluvoxamin-neuraxpharm 73 Fluvoxamin-ratiopharm 73 Fluvoxamin Stada 73 Flux (A) s. Fluoxetin Fluxet 71 Fluxil (A) s. Fluoxetin Fokalepsin 133 Frisium 10/20 Tabs 299
G Gabapentin 113, 516 Galantamin 364, 518, 525, 532 Gamonil 78 Gamonil 70 (CH) s. Lofepramin Gepiron 277 Gincuran 366
D–H
Gingiloba 366 Gingium 366 Gingobeta 366 Gingopret 366 Ginkgobil ratiopharm 366 Ginkgo biloba 366 Ginkgodilat 366 Ginkgo-Isis 366 Ginkgo Stada 366 Ginkgo 40 von ct 366 Ginkokan 366 Ginkopur 366 Gittalun Trinktabletten 333 Gityl 296 Gladem 92 Glianimon 228 Granisetron 431 Guanfacin 459 Guttanotte (A) s. Flunitrazepam
D P
H Haemiton 406 Halbmond 332 Halcion 343 Haldol-Janssen 245 Haldol-Janssen Decanoat 246 Haloperidol 183, 202, 245, 378, 392, 483 Haloperidol Desitin 245 Haloperidol HEXAL 245 Haloperidol-neuraxpharm 246 Haloperidol-ratiopharm 246 Haloperidol Stada 246 Haloper von ct 246 Harmosin 251 HEPA Merz 382 Herphonal 96 Hevert-Dorm 332 Hoggar N 333 Hydergin 362 Hydro-Cebral-ratiopharm 362 Hydroxyzin 276, 304
1
1
1
1
1
1
1
586
D P 3 4 5 6 7 8 9
Pharmakaverzeichnis
Hyperforin 6 Hypericin 6 Hypericum 6, 75 Hypnorex retard 143
I Idom 65 Imap 244 imeson 339 Imipramin 76, 392 Imipramin-neuraxpharm 76 Imovane (CH) s. Zopiclon Impromen 230 Insidon 309 iosan E 400 372 Ipsapiron 277 Isoginkgo 366 Ivadal (A, CH) s. Zolpidem Ixense 434
J
11
Jarsin 300 75 Jatrosom N 93
K
12 13 14 15 16 17
Kalma 344 Kaveri 366 Ketoconazol 53
L Lactulose 192 Lamictal (A, CH) s. Lamotrigin Lamotrigin 102, 112, 117, 120, 132, 139, 224, 516, 523, 530 Lamra 302 Laubeel 306 L-Dopa 224 Lendormin 329 Lendorm (A) s. Brotizolam
Leponex 233 Leptilan 153 Leptilanil (A) s. Valproinsäure Leuprorelinacetat 429 Levanxol (A) s. Temazepam Levitra 441 Levium 249 Levomepromazin 249, 486, 516 Levomepromazin-neuraxpharm 249 Levomethadon 410 Lexostad 296 Lexotanil 296 Librax (CH) s.Chlordiazepoxid Librium 298 Limbatril 56 Limbitrol (CH) s. Amitriptylin Lisurid 462 Litarex (CH) s. Lithium(salze) Lithiofor (CH) s. Lithium(salze) Lithium(salze) 53, 103, 108, 116, 119, 132, 143, 392, 515, 523, 530, 538 Lithium Apogepha 143 Lithium-Aspartat 143 Liviella 423 Li 450 »Ziethen« 143 Lofepramin 3 LOLA 382 Longopax 56 Loprazolam 337 Loramet (CH) s. Lormetazepam Lorasifar (CH) s. Lorazepam Lorazepam 177, 281, 282, 306, 483, 532, 542 Lorazepam-neuraxpharm 306 Lorazepam-ratiopharm 306 Loretam 338 Lormetazepam 338 Lormetazepam acis 338 Lormetazepam AL 338 L-Polamidon 410 L-Tryptophan-ratiopharm 344 Ludiomil 79
587
Pharmakaverzeichnis
Lyogen 241 Lyogen Depot 241 Lyorodin 241 Lyorodin-Depot 242
M Malton E 373 Maprolu 79 Maprotilin 3, 79 Maprotilin-neuraxpharm 79 Maprotilin-ratiopharm 79 Maprotilin von ct 79 Mareen 66 Medazepam 307 Medianox (CH) s. Chloralhydrat Medikinet 463 Medyn 380 Mel-Puren 251 Melatonin 287, 316, 320 Melleril 268 Melneurin 251 Melperomerck 251 Melperon 251, 483 Melperon AL 251 Melperon beta 251 Melperon-neuraxpharm 251 Melperon-Teva 251 Melperon Sandoz 251 Melperon Stada 251 Melperon von ct 251 Memantine 358, 367, 518, 532 Merepine (CH) s. Doxylamin Mereprine Sirup 333 Meresa 267 Metadate 464 Methaddict 412 Methadon 412, 519, 526, 533 Methylphenidat 53, 459, 460, 463, 519, 533 Methysergid 501 Metyrapon 53 Miabene (A) s. Mianserin
H–N
Mianeurin 80 Mianserin 3, 80, 430, 515, 522, 529 Mianserin-neuraxpharm 80 Mianserin-ratiopharm 80 mianserin von ct 80 Milnacipran 81, 515, 522, 529 Mirfat 406 Mirfudorm 310 Mirtazapin 6, 18, 28, 47, 82, 430, 515, 522, 529 Moclix 83 Moclo A 150/300 (CH) s. Moclobemid Moclobemid 6, 45, 83, 432, 514, 522, 529 Moclobemid 1A 83 Moclobemid AL 83 Moclobemid-Puren 83 Moclobemid-ratiopharm 83 Moclobemid Sandoz 83 Moclobemid Stada 83 Moclobemid von ct 84 Moclobeta 84 Moclodura 84 Moclonorm 84 Modafinil 53, 459, 460, 467, 519, 526, 533 Modasomil (A, CH) s. Modafinil Mogadan 339 Mondeal (A) s. Zolpidem Moradorm 332 Movicol 192 Mowivit Vitamin E 600 373 Multum 298 Mutan (A) s. Fluoxetin
N Naloxon 568 Naltrexon 386, 415, 428, 519, 533 Narcanti 568 Nemexin 415 neogama 267 neo OPT 296 Nervifene (CH) s. Chloralhydrat
D P
1
1
1
1
1
1
1
588
D P 3 4 5 6 7 8 9
11 12 13 14 15 16 17
Pharmakaverzeichnis
nervo OPT N 332 Neurocil 249 Neurolepsin (A) s. Lithium(salze) Neurolithium (CH) s. Lithium(salze) Neuroplant 300 75 Neurotrop (A) s. Carbamazepin Nicergobeta 368 Nicergolin 368 Nicergolin-neuraxpharm 368 Nicergolin-ratiopharm 368 nicergolin von ct 368 Nicerium uno 368 Nicorette 417 Nicotinell 417 Nikotin 390, 417 nikrofenon 417 Nimodipin 369 Nimodipin HEXAL 369 Nimotop 369 Nipolept 271 NiQuitin 417 Nitrazepam 339 Nitrazepam AL 339 Nitrazepam-neuraxpharm 339 Nobrium (A) s. Medazepam Noctamid 338 Noctamid (A, CH) s. Lormetazepam Noctor (A) s. Diphenhydramin Nootrop 369 Nordazepam 308 Norkotral Thema 342 Normabrain 369 Normison (CH) s. Temazepam Normoc 296 Nortrilen 86 Nortriptylin 3, 86, 391 Novanox 339 Noveril 64 Noveril TR (CH) s. Dibenzepin Novoprotect 55 Nytol (CH) s. Diphenhydramin
O Olanzapin 102, 107, 109, 117, 121, 179, 222, 253, 353, 483, 517, 524, 540 Omca 241 Ondansetron 384 Opipramol 277, 309 Opipramol-neuraxpharm 309 Optidorm 348 Optovit 373 Orahexal (A) s. Oxazepam Orap 259 Orfiril 153 Orlistat 451, 452, 519, 526, 533 Orphol 362 Oxazepam 282, 310, 532 Oxazepam AL 10 310 Oxazepam-neuraxpharm 310 Oxazepam Sandoz 311 Oxazepam 10 STADA 311 Oxa von ct 310 Oxcarbazepin 113, 152, 516, 523, 529 Oxet 87
P Paceum (CH) s. Diazepam Pantoprazol 380 Pantozol 380 PaoLich 88 Paracefan 406 Parexat (CH) s. Paroxetin Paroxat 88 paroxedura 88 Paroxetin 3, 15, 18, 43, 88, 90, 92, 514, 529 Paroxetin AbZ 88 Paroxetin Al 88 Paroxetin 1A Pharma 88 Paroxetin beta 88 Paroxetin-Mepha (CH) s. Paroxetin Paroxetin-neuraxpharm 88
589
Pharmakaverzeichnis
Paroxetin-ratiopharm 88 Paroxetin biomo 88 Paroxetin Sandoz 88 Paroxetin Stada 88 Paroxetin TAD 88 paroxetin von ct 88 Pemolin 459 Perazin 255 Perazin-neuraxpharm 255 Pergolid 53, 462 Peritol 501 Perphenazin 257 Petylyl 63 Pexan E 373 Phenergan (A, CH) s. Promethazin Phenoxybenzamin 427 Phentolamin 426 Physostigmin 502 Pimozid 202, 259 Pindolol 47 Pipamperon 259 Pipamperon-neuraxpharm 259 Piracebral 369 Piracetam 369 Piracetam AbZ 369 Piracetam AL 369 Piracetam-ELBE-MED 369 Piracetam-neuraxpharm 369 Piracetam-ratiopharm 369 Piracetam RPh 369 Piracetam Sandoz 369 Piracetam Stada 370 Piracetam 800 Verla 369 piracetam von ct 369 Piracetrop 1200 370 PK-Merz 500 Planum 342 Polamidon 410 Positivum (A) s. Fluoxetin Pramipexol 462 Pravidel 500 Praxiten 311
N–R
Prazepam 312 Pregabalin 277 Priadel (CH) s. Lithium(salze) Prisma 80 Promazin 261 Promethazin 316, 340 Promethazin-neuraxpharm 340 Pronervon T 10/T 20 342 Proneurin 25 340 Propaphenin 231 Prothazin 340 Prothazin liquidum 340 Prothipendyl 261 Pryleugan 76 Psychopax (A, CH) s. Diazepam Psychotonin 300 75 Puncto E400 373 Pycnogenol 425 Pyritinol 370
D P
Q Quetiapin 102, 110, 117, 179, 181, 202, 222, 262, 517, 524, 531 Quilonorm (A, CH) s. Lithium(salze) Quilonum 143 Quilonum retard 143
R Radedorm 339 Radepur 10 298 Ranitic 380 Ranitidin 380 Reboxetin 3, 90, 515, 522, 529 Reductil 453 Remergil 82 Remeron (A, CH) s. Mirtazapin Remestan 342 Reminyl 364 Remotiv 75 Requip 462
1
1
1
1
1
1
1
590
D P 3 4 5 6 7 8 9
11 12 13 14 15 16 17
Pharmakaverzeichnis
Restex 462 Rimonabant 390, 391 Risperdal 264 Risperidon 102, 110, 179, 202, 220, 222, 264, 353, 517, 524 Ritalin 463 Rivastigmin 370, 518, 525, 532 Rivotril 300 Rohypnol 335 Rökan 366 Ropinirol 462 Rudopram (CH) s. Citalopram Rudotel 307 Rusedal 307
S S.8 332 Sanalepsi (CH) s. Doxylamin Sanar (A) s. Carbamazepin SanavitanS 373 Saroten 55 Saroten Retard (CH) s. Amitriptylin SchlafTabs ratiopharm 333 Sedaplus Filmtabletten 334 Sedaplus Saft 334 Sedazin (CH) s. Lorazepam Sediat 332 SE Ginkgo 366 Selegilin 459 Sepram 59 Seresta (CH) s. Oxazepam Serital 59 Sermion 368 Seropram (A, CH) s. Citalopram Seroquel 262 Seroxat 88 Serpax (CH) s. Oxazepam Sertralin 3, 15, 43, 92, 514, 529 Sibutramin 450, 453, 519, 526, 533 Sifrol 462 Sigacalm 311 Sigaperidol 246
Sildenafil 423, 424, 426, 438, 519, 526, 533 Sinapsan 370 Sinophenin 261 Sinquan 66 Sinquan (A, CH) s. Doxepin Sirtal 133 Sleepia 332 Sleepia (A, CH) s. Diphenhydramin Solian 225 Solvex 90 Somagerol 306 Somnal (A) s. Zopiclon Somnosam 348 Somnubene (A) s. Flunitrazepam Sonata 345 Sonin 337 Spondyvit 373 Sponsin 362 Stangyl 96 Staurodorm (A) s. Flurazepam Staurodorm Neu 336 Stesolid (A, CH) s. Diazepam Stilnox (A, CH) s. Zolpidem Strattera 459 Subutex 395 Sulpirid 202, 210, 267, 517, 524, 530 Sulpirid AL 267 Sulpirid beta 267 Sulpirid HEXAL 267 Sulpirid-neuraxpharm 267 Sulpirid-ratiopharm 267 Sulpirid RPH 267 Sulpirid Stada 267 Sulpirid von ct 267 Sulpivert 267 Surmontil (CH) s. Trimipramin Syneudon 55
T Tadalafil 424, 439, 519, 526, 534 Tafil 294 Tagonis 88
591
Pharmakaverzeichnis
Tamsulosin 428 Tavor 306 Taxilan 255 Tebonin 366 Tegretal 133 Tegretol (A, CH) s. Carbamazepin Temazepam 342 temazep von ct 342 Temesta (A, CH) s. Lorazepam Tesoprel 230 Thiamin 381 Thioridazin 193, 202, 268, 516 Thioridazin-neuraxpharm 268 Thombran 96 Tiagabin 113 Tiaprid 379, 384 Tiapridex 384 Tibolon 423 Timonil 133 Timox 152 Tocopherol 372 Tocorell Vit. E 373 Tocovital 373 Tofranil 76 Tolid 306 Tolvin 80 Tolvon (CH) s. Mianserin Topiramat 113, 224, 384, 450 Tranxilium 303 Tranxilium N 308 Tranylcypromin 6, 28, 54, 93, 116, 459, 514, 522, 529 Trazodon 6, 96, 425, 429, 515, 522, 529 Trazodon Hexal 96 Trazodon neuraxpharm 96 Tresleen (A) s. Sertralin Trevilor 98 Triazolam 343 Trileptal 152 Trimidura 96 Trimineurin 96 Trimipramin 96
R–V
Trimipramin beta 96 Trimipramin-neuraxpharm 96 Trimipramin Sandoz 97 Trimipramin Stada 97 Trimipramin TAD 97 Trittico (A, CH) s. Trazodon Truxal 232 Tryptizol (A, CH) s. Amitriptylin Tryptophan 317, 321, 344 Tymelyt (A) s. Lofepramin
D P
U Ubretid 188 Umbrium (CH) s. Diazepam Uprima 434 Urbanyl (CH) s. Clobazam Uskan 311
V Valium 302 Valocordin-Diazepam 302 Valproat-neuraxpharm 153 Valproat-RPh 153 Valproat Sandoz 153 Valpro-beta 153 Valprodura 153 Valproflux 153 Valproinsäure 102, 111, 117, 120, 132, 153, 224, 516, 523, 530, 539 Valproinsäure-ratiopharm 153 Valproinsäure von ct 153 Valprolept 153 Valpro TAD 153 Vardenafil 424, 441, 519, 526, 534 Venlafaxin 3, 18, 45, 47, 98, 459, 515, 529, 537 Viagra 438 Vigil 467 Viloxazin 3, 100, 523, 529 Vitalipid 373
1
1
1
1
1
1
1
592
D P 3 4 5 6 7 8 9
Pharmakaverzeichnis
Vitamin E AL 373 Vitamin-E-300-Kapseln 373 Vitamin E – mp 100 373 Vitamin-E-Natur-Kapseln 373 Vitamin E Sanum 373 Vitazell E 600 373 Vivalan 100 Vivinox 332
X Xanax 294 Xanor (CH) s. Alprazolam Xenical 452 Xerenal (A) s. Dosulepin Ximovan 348
Y Yentreve 68 Yocon-Glenwood 443 Yohimbin 425, 431, 443 Yohimbin Spiegel 443
Z
11 12 13 14 15 16 17
Zaleplon 315, 345, 532 Zeldox 269 Zerene (A) s. Zaleplon Ziprasidon 110, 202, 269, 517, 524, 531 zodormdura 346
Zodurat 348 Zofran 384 Zoldem 346 Zoloft 92 Zolpidem 315, 346, 532 Zolpidem AL 346 Zolpidem beta 346 Zolpidem-neuraxpharm 346 Zolpidem-ratiopharm 346 Zolpidem real 346 Zolpidem Sandoz 346 Zolpidem Stada 346 Zolpidem von ct 346 Zolpi-Lich 347 Zolpinox 347 Zop 348 Zopicalm 348 zopiclodura 348 Zopiclon 315, 348, 532 Zopiclon beta 348 ZopiclonLich 348 Zopiclon-neuraxpharm 348 Zopiclon-ratiopharm 348 Zopiclon Stada 348 Zopiclon TAD 348 Zopi-Puren 348 Zotepin 271, 518, 525, 531 Zuclopenthixol 273, 483 Zyban 398 Zyprexa 253
593
Sachverzeichnis A Abhängigkeit 375–420 – s. auch Alkoholabhängigkeit – s. auch Drogenabhängigkeit – s. auch Nikotinabhängigkeit – s. auch Suchtmittel – Definition 375 – körperliche 375 – Pharmakotherapie 377 – psychische 375 – Therapiephasen 376 Absetzsyndrom, Antidepressiva 29 Absorption 549 ADHS s. Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung Adipositas 445, 450, 451 – Definition 450 – medikamentöse Therapie 450 Affektstörungen 475 Aggression, impulsive 476 Agoraphobie 14, 16, 280 Agouti-Protein 446 Agranulozytose – Antidepressiva 2 – Antipsychotika 192 Albtraum 479 Alkoholabhängigkeit 21, 171, 377–384 – Rückfallprophylaxe 171 – sexuelle Funktionsstörungen 429, 430 Alkoholentzugsdelir 380, 491 Alkoholentzugssyndrom 378–380, 486 – Therapie 380, 381 Alkoholfolgekrankheiten 381, 382 Alkoholhalluzinose 183, 381, 392 Alkoholintoxikation 378 allergische Reaktionen, Antipsychotika 193 Alter, Psychopharmaka 509–512
A D
Alzheimer-Krankheit 357, 358 – Demenz 351 Amenorrhö 447 Amphetamine 387, 388 – Intoxikation 570 Anämie, hämolytische 193 Anejakulation 421 Angst, therapierefraktäre 476 Angststörung, generalisierte 15, 16, 280, 475 – Alkoholabhängigkeit 392 – Antipsychotika 182 Angstsymptome 171 Angstsyndrom 504–507 Anorexia nervosa 21, 445, 447, 448 – Diagnose 447 – Häufigkeit 447 – Therapie 447, 448 Antiadiposita 452–455 Antidementiva 351–373 – Herz-Kreislauf-Erkrankungen 518 – Indikationen 351 – Indikationen 356–361 – Lebererkrankungen 525 – Nierenerkrankungen 532 – Präparate 362–373 – und Psychotherapie 361, 362 – Therapieprinzipien 353–355 – Wirkmechanismen 352 Antidepressiva 1–100 – Absetzsyndrom 29 – ADHS 459 – Agranulozytose 27 – Akuttherapie 49 – im Alter 511 – Augmentationsstrategie 53 – Behandlungsdauer 47–50 – Dosierung 43–46 – Einteilung 1 – Entzugssyndrome 392
P S
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Sachverzeichnis
Erhaltungstherapie 49 Fahrtüchtigkeit 547 Herz-Kreislauf-Erkrankungen 514, 515 hypertensive Krise 28 Indikationen 8–22 Interaktionen 33–42 Intoxikation 33, 60–563 Kombinationsstrategie 54 Kontraindikationen 33 Krampfanfall 27 Lebererkrankungen 561, 562 Leukopenie 27 Nebenwirkungen 22–25 Nierenerkrankungen 527 Persönlichkeitsstörungen 479 Phasenprophylaxe 121 Plasmaspiegel 45 Präparate 55–100 Rezidivprophylaxe 47–50 Schlafstörungen 313, 316, 319 Schwangerschaft 536 Schwellenkonzentration 45 sexuelle Funktionsstörungen 28, 429, 466 – Stillzeit 536 – Tachykardie 1, 25, 514, 520 – therapeutisches Fenster 46 – Therapieprinzipien 6, 7 – Therapieresistenz 50–55 – Tremor 28 – trizyklische 1, 103, 514, 520 – – Interaktionen 35–38 – – Intoxikation 560 – Wirkmechanismus 2–6 – Wirkungseintritt 47 Antiinsomnika s. Hypnotika Antikonvulsiva 102 – Dosierung 132 – im Alter 511 Antikonvulsiva, Indikationen 117, 120 – manische Episode 111–113 – Nebenwirkungen 124, 125 – Phasenprophylaxe 119 – Schwangerschaft 539
– Stillzeit 539 – Wirkmechanismus 103, 104 Antipsychotika 159–274 – Absetzversuch 214 – Agranulozytose 192 – Akutphase 209, 215 – allergische Reaktionen 193 – im Alter 511 – antimanische Wirksamkeit 102 – atypische 102, 110–111, 118, 517, 524, 530, 567 – Augmentationsstrategie 223 – Behandlungsdauer 212–214 – Compliance 187 – Depotmedikation 214 – Dosierung 208, 209 – Einteilung 159 – Fahrtüchtigkeit 547 – Gewichtszunahme 188, 196, 197 – Herz-Kreislauf-Erkrankungen 516 – Hypotonie 192 – Indikationen 117, 173–184 – Interaktionen 204–207 – Intoxikation 565–567 – Kombinationstherapie 220–223 – Kontraindikationen 203, 204 – konventionelle 103, 110, 165, 279, 523, 530 – Krampfanfall 194 – Langzeitmedikation 209, 212–214 – Lebererkrankungen 523 – Leukopenie 193 – Leukozytose 193 – Nebenwirkungen 186–203 – Negativsymptomatik 165 – Nierenerkrankungen 530 – Persönlichkeitsstörungen 480 – Pharmakokinetik 210 – Phasenprophylaxe 121 – Plasmaspiegel 210 – Positivsymptomatik 165 – Präparate 225–274 – psychiatrische Akutsituationen 483 – QTc-Verlängerung 202
Sachverzeichnis
– Schlafstörungen 313, 316, 319 – Schwangerschaft 540 – sexuelle Funktionsstörungen 188, 429, 432, 433 – Spätdyskinesien 214 – Stabilisierungsphase 209 – Stillzeit 541 – Tachykardie 192 – Therapieprinzipien 169–173 – Therapieresistenz 216–224 – Thrombose 194 – trizyklische 159 – Umsetzen 215, 218 – Wirkmechanismus 166–169 – Wirkungseintritt 212 – Wirkungsprofil 164, 165 Anxiolytika 275–312 – Dosierung 293 – Indikationen 279–283 – Kontraindikationen 288–289 – Nebenwirkungen 284–288 – Pharmakokinetik 289 – Präparate 294–312 – und Psychotherapie 283 – Therapieprinzipien 278, 279 – Wirkmechanismus 275–277 Arzneimittelexanthem, Antipsychotika 193 Arzneimittelinteraktionen 556, 557 Atemstillstand, Clozapin 207 Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätss törung 457–459 Aufsättigungszeit 551 Augmentationsstrategie – Antidepressiva 53 – Antipsychotika 223 Autismus 478 Azetylcholinesterasehemmer 352, 361 Azetylcholinrezeptoren 390
B Barbiturate 313 Belastungsstörung, posttraumatische 18
595
A–B
Benzodiazepinabhängigkeit 21, 284, 285 Benzodiazepine – s. auch Anxiolytika – Abhängigkeit 377 – Absetzproblem 285 – Alkoholabhängigkeit 379 – Alkoholentzugssyndrome 393 – chronische Einnahme 288 – Entzugsbehandlung 286, 287 – Entzugssymptome 285, 286 – Fahrtüchtigkeit 547 – Herz-Kreislauf-Erkrankungen 518 – Interaktionen 291–293, 327 – Intoxikation 567, 568 – Lebererkrankungen 525 – manische Syndrome 103, 113 – Nebenwirkungen 287 – Nierenerkrankungen 531 – Persönlichkeitsstörungen 480 – Pharmakokinetik 289 – Schlaf-EEG-Parameter 317 – Schwangerschaft 541, 542 – Stillzeit 542 – Überdosierung 288 – Wirkmechanismen 275, 276, 315, 316 Benzodiazepinhypnotika 313 – Abhängigkeit 324 – Pharmakokinetik 325, 326 – Therapieprinzipien 318 – Wirkmechanismen 315, 316 Bewegungstherapie, Depression 14 Bewusstseinsstörungen 483, 492 – qualitative 493 – quantitative 492 Binge-eating-Störung 22, 445, 449, 450 Biotransformation 549 Bioverfügbarkeit 551 Body-mass-Index 445 Borderline-Persönlichkeitsstörung 471, 473 Bulimia nervosa 21, 445, 448, 449 – Diagnose 448 – Häufigkeit 448
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Sachverzeichnis
C Calcitonin 446 Cannabis 390 – Intoxikation 572 Carbamazepin – Alkoholabhängigkeit 379 – Fahrtüchtigkeit 547 – Herz-Kreislauf-Erkrankungen 515, 516 – Intoxikation 564 – Persönlichkeitsstörungen 481 Chloralhydrat 313 – Interaktionen 328 – Schlafphasen 317 – Wirkmechanismus 316 Chorea Huntington 181 Chronic-Fatigue-Syndrom 20 Clearance 551 Craving, Alkohol 382 Cytochrom-P450-Enzyme 550–556
D Dämmerzustand 493 Delir 183, 483, 489, 490 – Diagnostik 490 – Differenzialdiagnose 491 – Notfalltherapie 490 delirantes Syndrom 197, 483, 489, 490, 504–507 Delirium tremens s. Alkoholentzugsdelir Demenz 183 – bei Alzheimer-Krankheit 351, 357, 358 – Diagnose 356 – frontotemporale 351, 360, 361 – gemischte 351 – mit Lewy-Körperchen 183, 351, 359, 360 – medikamentöse Therapie 353–355 – vaskuläre 351, 359 Depression (s. auch Syndrom, depressives) 8–15 – im Alter 10 – atypische 9
– bipolare 101 – – Therapie 115–119 – chronische 24 – postpsychotische 172 – postschizophrene 174 – Psychotherapie 24 – Therapie 11–15 – therapierefraktäre 181 – unipolare 51, 103 – wahnhafte 180 Designerdrogen 388 Diabetes mellitus, Antipsychotika 197 Diacylglycerol 104 Distribution 549 double depression 9 Drogenabhängigkeit 377 – sexuelle Funktionsstörungen 429 Drogenintoxikation 559, 568 Dysfunktion – erektile s. Erektionsstörungen – glutamaterge 168 Dyskinesien 181 Dysmorphophobie 19 Dyssomnien (s. auch Schlafstörungen) 314 Dysthymie 8
E Ecstasy 388 – Intoxikation 571 Eifersuchtswahn 381 Ejaculatio praecox 421 – Therapie 427, 428 Ejaculatio retarda 421, 428 Ejakulationsstörungen 421 – Therapie 427, 428 Elektrokrampfbehandlung 12, 113 – Schwangerschaft 543 Eliminationshalbwertszeit 549, 556 Entactogene 388 Entgiftung 376 – Alkohol 383 – Opiate 386, 387
597
Sachverzeichnis
– Psychopharmaka 560 – qualifizierte 376, 383 Entwöhnung 376 – Alkohol 383 – Nikotin 391 – Opiate 386, 387 Entwöhnungsmittel 393–420 Entzugssyndrom (s. auch Alkoholentzugs syndrom) 21, 375–420 – Nikotin 391 – Opiate 385, 386 – Psychostimulanzien 388 Enzephalopathie – hepatische 381, 38 – metabolische 492 Episode – depressive 8, 19, 115, 117 – gemischte 101, 107 – – Therapie 118 – manische 106–114, 180, 281 – – Antidepressiva 29 – – Compliance 109 – – Therapie 108–115 Erektionsstörungen 421 – psychogene 423 – somatogene 423 – Therapie 423–4426 Erregung – paradoxe 322 – psychomotorische 488, 489 – psychotische 497 Ess-Brech-Sucht s. Bulimia nervosa Essstörungen 21, 22, 445–455 Eve 388 – Intoxikation 571 expressed emotions 186
F Fahrtüchtigkeit – Benzodiazeptine 28 – Psychopharmaka 545–548 Familientherapie 124
C–H
Fettsucht s. Adipositas Fibromyalgiesyndrom 20 Flashback-Psychose 389 Flexibilitas cerea 493 Floppy-infant-Syndrom 542 Funktionsstörungen, sexuelle 421–443 – Angstpsychotika 188 – Antidepressiva 28, 429–432, 466, 467 – Antipsychotika 429, 432, 433 – Häufigkeit 421, 422 – substanzinduzierte 421, 429–433
D P S
G GABAA-Rezeptor 315, 319, 378 GABA-Katabolismus 104 Galanin 446 Gastrin 446 Gedächtnistraining 361 Gewichtsreduktion, Adipositas 451 Gewichtszunahme – Antipsychotika 188, 196, 197 – Psychopharmaka 451 Ghrelin 446 Glukosetoleranz, pathologische 197
H Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Psychopharmaka 512–519 high expressed emotions 186 hirnorganisches Psychosyndrom 351 5-HT-Rezeptoren 389, 427, 446 5-HT-Rückaufnahmeinhibitoren s. Seroto ninrückaufnahmeinhibitoren, selektive Hyperhomozysteinämie 358, 380 Hyperlipidämie Antipsychotika 197 Hypersalivation, Clozapin 192 Hypersomnie 457 – primäre 457, 463 – substanzinduzierte 457 hypertensive Krise, MAO-Hemmer 28 Hypertriglyzeridämie, Antipsychotika 197
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Sachverzeichnis
Hypnotika 313–349 – Abhängigkeit 324 – im Alter 511 – Anforderungen 313 – Behandlungsdauer 329 – Dosierung 329 – Indikationen 321, 322 – Interaktionen 327, 328 – Kontraindikationen 324, 325 – Nebenwirkungen 323, 324 – Pharmakokinetik 325–328 – Präparate 329–349 – und Psychotherapie 322, 323 – Therapieprinzipien 317–321 – Wirkmechanismen 315–317 Hypomanie 101 Hypotonie – Antidepressiva 25 – Antipsychotika 192 – orthostatische 25, 192
I Impulskontrolle, Störungen 476, 479 Inositoltriphosphat 104 Insomnie (s. auch Schlafstörungen) 314 – primäre 315 Intelligenzminderung 478 Intoxikation, Psychopharmaka 559–573 Ionenkanal 104
K Kalziumantagonisten, manische Syndrome 113 Kalziumkanalhemmer 352 Katatonie 177 Kindling-Hypothese 104 Kleine-Levin-Syndrom 314 Kleptomanie 479 Knochenmarksschädigung 126 Kokain 387, 388 Kokainabhängigkeit 377 Kokainintoxikation 569 Koma 492
Kombinationsstrategie – Antidepressiva 54 – Antipsychotika 220–223 Konsum, schädlicher 376 Krampfanfall, generalisierter – tonisch-klonischer, Antipsychotika 194 – zerebraler 27 Kumulation 551
L Lebererkrankungen, Psychopharmaka 520–526 Leptin 446 Leukopenie – Antidepressiva 27 – Antipsychotika 193 Leukozytose, Antipsychotika 193 Lewy-Körperchen s. Demenz Libido, gesteigerte 421 – Therapie 428 Libidostörungen 421 – Therapie 423 Lichttherapie 13 Lithium 102 – Dosierung 131 – Fahrtüchtigkeit 547 – Genexpression 105 – Herz-Kreislauf-Erkrankungen 515 – Intoxikation 563 – Kontraindikationen 125, 126 – manische Episode 108, 111 – Monotherapie 108 – Nebenwirkungen 124, 125 – Persönlichkeitsstörungen 481 – Phasenprophylaxe 119, 123 – Schwangerschaft 538 – Stillzeit 538 – Teratogenität 125 – Wirkmechanismus 103, 104 – zirkadiane Rhythmen 105 LSD 389 Lubrikationsstörungen 421 Lysergsäurediethylamid 389
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Sachverzeichnis
M Magersucht s. Anorexia nervosa Magnetstimulation, repetitive transkranielle 14 Major depression 8, 9 malignes neuroleptisches Syndrom s. Syndrom, malignes neuroleptisches Manie (s. auch Episode, manische) 101 MDA s. Eve MDMA s. Ecstasy Melanozyten-stimulierendes Hormon 446 Melatonin – Demenz 355 – Schlafstörungen 313, 316, 320, 321 mesolimbisches/mesokortikales System 167 metabolisches Syndrom 197 Minor depression 9 Mischintoxikation 559 Missbrauch, Definition 375 Mnemotechniken 362 Monoaminoixidasehemmer 6 – Herz-Kreislauf-Erkrankungen 514 – Intoxikation 562 – Nierenerkrankungen 529 – Schwangerschaft 537 – Stillzeit 537 Morbus Parkinson 181 Multiinfarktdemenz 359 Mutismus 177, 493 Myoklonie, Antidepressiva 27
N Nahrungsaufnahme – Inhibitoren 446 – Stimulatoren 446 Narkolepsie 314, 457, 460 – Therapie 460 Natriumkanal 104 Negativsymptomatik 165, 176 Nervus-vagus-Stimulation 14
H–P
Neuroleptika s. Antipsychotika neuroleptische Potenz 160 Neuropeptid Y 446 Neurotransmission – GABAerge 104 – serotonerge 104, 105 Nierenerkrankungen, Psychopharmaka 527–534 nigrostriatales System 167 Nikotin, Wirkung 390 Nikotinabhängigkeit 171, 377, 390, 391 Nikotinentwöhnung 391 Nikotinentzugssyndrom 391 Nikotinintoxikation 391 NMDA-Antagonist 467 NMDA-Rezeptor 380 Non-Benzodiazepinhypnotika 315 – Abhängigkeit 324 – Pharmakokinetik 327 – Therapieprinzipien 319 – Wirkmechanismen 315 Nootropika 351
D P S
O Ödem, angioneurotisches 193 Oligophrenie 478 Opiatabhängigkeit 171, 377, 384–388 – Rückfallprophylaxe 387 Opiatantagonisten 386 Opiate 384 – Entgiftung 386 – Entwöhnung 386, 387 – Entzugssyndrom 385, 386 – Intoxikation 568 – Substitutionsbehandlung 386, 387 Orexin 446 Orgasmusstörungen 421 Oxytocin 446
P Panikstörung 14, 15 – Anxiolytika 280
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Sachverzeichnis
Pankreatitis 126 Panzytopenie 193 Paraphilie 421 – Therapie 428 Parasomnie (s. auch Schlafstörungen) 314 PDE-5-Hemmer 423, 424, 428 Peptid YY 446 periodic limb movements in sleep 457, 461–463 Persönlichkeitsstörungen (s. auch Störungen) 22, 471–482 – abhängige 472 – antisoziale 472 – emotionale instabile 472 – histrionische 472 – narzisstische 472 – paranoide 471 – passiv-aggressive 472 – Pharmakotherapie 473–482 – Psychopharmaka 479–482 – schizoide 471 – selbstunsichere 472 – suizidale Krise 497 – Therapie 472–482 – zwanghafte 472 Pharmakokinetik 549–558 Phasenprophylaxe – Antidepressiva 12 – Antikonvulsiva 12 – Antipsychotika 12 – Präparate 12 – und Psychotherapie 123, 124 – schizoaffektive Störungen 12 Phobie – s. auch Störungen, phobische – soziale 16, 172, 280 Phosphatidylinositoldephosphat 104 Phosphodiesterase-Typ 5-Hemmer 423 Phospholipase C 104 Polytoxikomanie 376 Porphyrie 126 Positivsymptomatik 165, 175 Post-partum-Psychose 179
Post-stroke-Depression 10, 359 posttraumatische Belastungsstörung s. Belastungsstörung, posttraumatische Potenz, neuroleptische 160 prämenstruell-dysphorisches Syndrom 20, 21 Priapismus 429, 430, 433 Prolaktinsekretion – Antipsychotika 433 – Erhöhung 195 Pseudodemenz, depressive 10 Psilocybin 389 Psychoedukation, Schizophrenie 185 Psychomimetika 389 – Intoxikation 572 Psychopharmaka – Fahrtüchtigkeit 545–548 – Intoxikation 559–573 – Nierenerkrankungen 527–534 – Pharmakokinetik 549–558 – Schwangerschaft 535–543 – Stillzeit 535–543 Psychose – paranoide 392 – drogeninduzierte 184 Psychostimulanzien 387, 388, 457–469 – ADHS 458 – Präparate 463–469 Psychosyndrom, hirnorganisches 351 Pyromanie 479
Q QTc-Verlängerung, Antipsychotika 202
R Rapid cycling 9, 102, 105, 107, 109, 118 Rapid cycling 9 – Definition 122 – Therapie 122, 123 Realitätsorientierungstherapie 362 Rebound-Insomnie 318 Reizbarkeit 476, 480
Sachverzeichnis
repetitive transkranielle Magnetstimulation 14 Restless-leg-Syndrom 457, 461–463 Retinitis pigmentosa 193
S Schilddrüsenhormone 113 Schizophrenia simplex 174 Schizophrenie – s. auch Störungen, schizophrene – Antipsychotika 184–186 – hebephrene 174 – katatone 174, 493 – paranoide 174 – Psycho-/Soziotherapie 184–186 – Psychoedukation 185 – Suchterkrankung 171 – undifferenzierte 174 Schlaf, nichterholsamer 314 Schlafanalyse 314 Schlaf-Apnoe-Syndrom 314, 457, 461 Schlaf-EEG 317 Schlafentzug, Depression 12 Schlafhygiene 323 Schlafmittel s. Hypnotika Schlafphasenvorverlagerung 12 Schlafrestriktion 323 Schlafstörungen 22 – Antidepressiva 313, 316, 319 – Antipsychotika 183 – Antipsychotika 313, 316, 319 – Ätiologie 314 – ausgeprägte 173‚ – diagnostisches Vorgehen 314 – Homöopathika 313, 317 – Klassifikation 314 – medikamentenbedingte 314 – Melatonin 313, 316, 320, 321 – nicht-organische 314 – organische 314 – bei Persönlichkeitsstörungen 479 – Phytopharmaka 313, 317, 321 – bei psychiatrischen Störungen 314 – Tryptophan 313, 317, 321
601
P–S
Schmerzsyndrom 19, 184 Schwangerschaft, Psychopharmaka 535– 543 Selbstverletzung 476, 480 Serotonin, Nahrungsaufnahme 446 Serotoninfreisetzung 115 Serotoninkatabolismus 105 Serotoninrückaufnahmehemmer, selektive 1, 3, 522 – Gewichtszunahme 451 – Herz-Kreislauf-Erkrankungen 514 – Interaktionen 39–41 – Intoxikation 561 – Nierenerkrankungen 527, 528 – Schwangerschaft 536, 537 – Stillzeit 536, 537 Serotoninsyndrom, zentrales 500, 501 sexuelle Störungen s. Funktionsstörungen, sexuelle Signaltransduktionssystem 103, 104 Somnolenz 492 Sopor 492 Sozialrhythmus-Therapie 124 Spannungskopfschmerz 19 Spätdyskinesien, Antipsychotika 214 SSRI s. Serotoninrückaufnahmeinhemm er, selektive Stevens-Johnson-Syndrom 193 Stillzeit, Psychopharmaka 535–543 Stimmungsstabilisierer 102, 476, 481 – Entzugssyndrome 392 – Herz-Kreislauf-Erkrankungen 515, 523 – Intoxikation 563 – Nierenerkrankungen 529, 530 Störungen – affektive 180 – aggressive 478, 480 – bipolare affektive 101–157 – – Akutphase 105 – – Phasenprophylaxe 118, 119 – – Therapie 105–107, 114–123 – depressive 480 – – Antipsychotika 180 – – Anxiolytika 281 – – Suizidalität 497
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Sachverzeichnis
– extrapyramidalmotorische 282 – kognitive, Antipsychotika 165, 177 – organische dissoziative 493 – phobische (s. auch Phobie) 16, 280 – psychotische 178 – schizoaffektive 179 – – Phasenprophylaxe 123 – schizophrene (s. auch Schizophrenie) 173–177 – – Anxiolytika 281 – schizotype 178 – sexuelle s. Funktionsstörungen, sexuelle – somatoforme 18, 19 – – Anxiolytika 281 – wahnhafte 178 Stupor 177, 483, 493 – depressiver 494, 495 – Differenzialdiagnostik 494 – dissoziativer 496 – manischer 495 – Notfalltherapie 494 – bei organischer katatoner Störung 495 – psychogener 496 Substanz P 446 Substitutionsbehandlung, Opiatabhängigkeit 386, 387 Sucht, Suizidalität 497 Suchtmittel 378–391 Suchttherapie 376 Suizidalität 483, 495–497 – Antidepressiva 29 – Antipsychotika 176 – Benzodiazepine 281 – Notfalltherapie 497 – Risikofaktoren 497 Suizidprävention 497 Syndrom – delirantes 197, 483, 489, 490, 504–507 – depressives 353, 504–507 – der inadäquaten ADH-Sekretion 29 – malignes neuroleptisches 500
– – Notfalltherapie 500 – manisches 106, 504–507 – metabolisches 197 – paranoid-halluzinatorisches 504–507 – zentrales anticholinerges 499, 501, 502 Syndrom-Kurztest 356 Synkope, Clozapin 207
T Tachykardie – Antidepressiva 25 – Antipsychotika 192 Testosteronsubstitution 423 THC s. Cannabis Therapieresistenz, Antipsychotika 216– 224 Thrombose, Antipsychotika 194 Thrombozytopenie 193 Thyroxin 113 Tic-Störungen 181 Tourette-Syndrom 181 Tremor, Antidepressiva 28 Trichotillomanie 479 Tryptophan, Schlafstörungen 313, 317, 321 tuberoinfundibuläres System 167 Turbo-Entzug 386
U Überaktivität, dopaminerge 167 Unruhe, psychomotorische 183 Urocortin 446
V Valproinsäure – Dosierung 131 – Fahrtüchtigkeit 547 – Herz-Kreislauf-Erkrankungen 516 – Intoxikation 565 – Kontraindikationen 126
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Sachverzeichnis
– Nebenwirkungen 125 – Teratogenität 125 Vergiftung s. Intoxikation Verhaltensstörungen 471–482 – disinhibierte 478 – expansive 478 – bei Intelligenzminderung 478 – kognitive 124 Verteilungsvolumen 551 Vigilanzstörungen 492 Vulnerabilitäts-Stress-Modell 186
W Wahrnehmungsverzerrung 477 Wernicke-Enzephalopathie 380 Wernicke-Korsakow-Syndrom 381 Winterdepression 9 Wut, unkontrollierte 476
S–Z D P S
Z Zwangsstörungen 16, 17, 472 – Antipsychotika 182
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