Washika Haak-Saheem Dubai als Staat und Organisation
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Washika Haak-Saheem Dubai als Staat und Organisation
GABLER RESEARCH Entscheidungs- und Organisationstheorie Herausgegeben von Prof. Dr. Egbert Kahle
Die Schriftenreihe soll Forschungsergebnisse aus den Bereichen Entscheidungstheorie und Organisationstheorie einschließlich der damit verbundenen Problemfelder Kommunikation, Wahrnehmung, Unternehmenskultur, Unternehmensethik und Unternehmensstrategie vorstellen und – über Einzeldarstellungen hinaus – den Gesamtzusammenhang der Probleme und Lösungsansätze vermitteln. Der ausdrückliche Theoriebezug schließt dabei eine konkrete Praxisorientierung im Einzelnen mit ein.
Washika Haak-Saheem
Dubai als Staat und Organisation Entwicklung und Aufstieg einer neuen Wirtschaftskultur? Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Egbert Kahle
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Leuphana Universität Lüneburg, 2008
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Marta Grabowski | Britta Göhrisch-Radmacher Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-8349-1540-5
Geleitwort Die Arbeit von Frau Haak-Saheem beschäftigt sich mit einem breit angelegten aktuellen und theoretisch noch offenen Problem, das erhebliche praktische und theoretische Relevanz hat. Sie ist originär betriebswirtschaftlich in ihrer Frage nach den Erfolgsfaktoren des Staats Dubai bzw. der „Dubai Group“, die durch die herrschende Familie Al-Maktoum geleitet werden. Sie ist zugleich wirtschaftssoziologisch in ihrer Frage nach den interkulturellen Bedingungen, die das strategische Muster der Entwicklung von Dubai beeinflussen und der Frage nach dem Einfluss von Netzwerken auf diesen Prozess. Mit diesen Fragen wird theoretisches Neuland betreten, das der Arbeit ihre besondere Bedeutung verleiht. Die Arbeit gliedert sich – von Einleitung und Schlusszusammenfassung abgesehen – in vier große Abschnitte, in denen die Problematik beschrieben, die Vorgehensweise begründet und die Befunde und Wertungen dargelegt werden. Im ersten Abschnitt wird das Problem der Kultur sowohl bezüglich der interkulturellen Zusammenarbeit als auch der Unternehmensbezogenheit aufgegriffen. Sie kann das hervorragend durch die differenzierte Einarbeitung der arabischen Begriffe fundieren. Der Kulturbegriff wird zu recht als interdisziplinär genutzt und unterschiedlich verwendet charakterisiert und in wesentlichen Merkmalen beschrieben. Der danach aufgegriffene Zusammenhang von kulturellem Umfeld und ökonomischem Handeln ist weiterführend für den Fortgang der Arbeit. Das Verwerfen der Nutzung der vorhandenen Studien von Hofstede, Hall & Hall und Trompenaars ist berechtigt. Die Begrenztheiten dieser Ansätze werden sichtbar und führen zu einem neuen Ansatz zur Erfassung der interkulturellen Diversität von westlich-abendländischem Wirtschaftshandeln und dem in arabisch-islamischen Ländern, obwohl von vornherein klargestellt wird, dass diese nicht monolithisch sind; gerade darin lag ein weiterer Mangel der verworfenen Studie von Hofstede, der für 9 verschiedene arabische Länder völlig gleiche Werte in seinen vier Dimensionen auswies.
V
Der zweite Hauptabschnitt der Arbeit ist deshalb als der theoretisch bedeutsamste Teil anzusehen, weil er sehr deutlich und mit einer bisher kaum beachteten Quellenlage die Wirtschaftskultur des Islam beschreibt und dabei auch deutlich über die 1994 diesem Fachbereich vorgelegte Dissertation von Winterberg hinausgelangt. Vor allem die Darlegung der wirtschaftstheoretischen Analysen des Ibn Kaldun aus dem Übergang vom 14. zum 15. Jahrhundert sind wegweisend. Dabei wird auch der Vergleich zum abendländischen modernen Wirtschaftsstil gezogen und es werden Max Webers Analysen einbezogen. Im dritten Abschnitt wird Dubai als Staat und Organisation beschrieben. Neben der Beschreibung werden vor allem auch die Konzepte der „Emiratization“ und der Sicherung des Wohlstandes erörtert und kritisch gewürdigt. Im letzten Abschnitt werden Netzwerke als Erfolgsfaktoren des „Dubai-Konzepts“ gewürdigt. Das Phänomen Dubai wird mit einem interessanten Ansatz aus Philosophie, Geschichte, Wirtschaftstheorie und Organisationstheorie erklärt, der in dieser Gemengelage Kenntnis für eine betriebswirtschaftliche Fragestellung neuartig ist und weiterreichende Erklärungen ermöglicht. Ich wünsche dem gelungenen Werk die positive Aufnahme in Theorie und Praxis, die es wahrlich verdient hat.
Professor Dr. Egbert Kahle
VI
Vorwort Das Verfassen dieser Dissertation war eine groȕe Herausfordeung und Bereicherung zum gleichen Maȕen. Mit der Fertigstellung dieser Arbeit ist ein Lebenstraum in Erfüllung gegangen. Auf diesem Weg haben mich Menschen begleitet, denen ich zum Dank verpflichtet bin. Zunächst möchte ich Herrn Professor Dr. Egbert Kahle danken, der mich in fachlich-wissenschaftlichen Fragen stets gefördert und gefordert hat. Besonders danken möchte ich Frau Professor Dr. Ricarda Bouncken, die ich als Freundin und Kritikerin schätze. Die Unterstützung und Hilfestellung meines Ehemannes Martin Khaled Haak haben mich stets motiviert am Ball zu bleiben. Meine Kinder Iman und Ilias haben ebenfalls ihren Beitrag zur Fertigstellung dieser Dissertation geleistet, indem sie oft auf ihre Mutter verzichten mussten. Auch möchte ich mich an dieser Stelle bei meinen Eltern und meiner gesamten Familie bedanken, die mir immer tatkräftig zur Seite standen.
Washika Haak-Saheem
VII
Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ......................................................................................................... 1 1.1
Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit ........................................... 2
1.2
Vorgehensweise ....................................................................................... 3
2. Kultur – eine vielfältige Erscheinung unterschiedlicher Wissenschaftstheorien .................................................................................... 5 2.1
Der Begriff der Kultur, eine interdisziplinäre Herangehensweise .......... 6
2.2
Wesentliche Merkmale der Kultur ........................................................ 10
2.3
Zur Rolle der Kultur innerhalb der Betriebswirtschaftslehre ................ 16 2.3.1 Organisationen im Kontext der Interkulturalität.......................... 20 2.3.2 Organisationskultur vs. Nationale Kultur .................................... 24
2.4
Zusammenhang zwischen kulturellem Umfeld und ökonomischem Handeln .................................................................................................. 26
2.5
Management und Kultur ........................................................................ 29 2.5.1 Führungsverhalten und Interkulturalität ...................................... 30 2.5.2 Strategie und kulturelle Diversität ............................................... 31
2.6
Studien zur Landeskultur innerhalb des internationalen Managements 31
2.7
Zusammenfassung ................................................................................. 34
3. Die Wirtschaftskultur des Islam .................................................................. 37 3.1
Qur’an und Sunna – die Durchdringungskraft des Islams durch alle Lebensbereiche ...................................................................................... 39
3.2
Die Wirtschaftstheorie des Ibn Khaldnjn ............................................... 46 3.2.1 Das Staatswesen bei Ibn Khaldnjn................................................ 50 3.2.2 Muslimisch-wirtschaftliche Strukturen im Mittelalter ................ 53 3.2.3 Ibn Kaldnjn – mehr als eine historische Größe? ........................... 59
3.3
Religion und Wirtschaftsstil .................................................................. 62 3.3.1 Die abendländische Moderne....................................................... 67 3.3.2 Max Webers „Ethik des Protestantismus und der Geist des Kapitalismus“ ............................................................................... 69
3.4
Die muslimische Wirtschaftsordnung ................................................... 75
IX
3.4.1 Muslimische Denkschulen .......................................................... 77 3.4.2 Wirtschaftsethik im Islam ............................................................ 82 3.4.3 Die ordnungspolitische Sicht des Islam ....................................... 86 3.5
Islam und Management.......................................................................... 98 3.5.1 Führung und muslimisches Wertesystem .................................. 100 3.5.2 Macht und Autorität ................................................................... 104 3.5.3 Strategie und Planung im Islam ................................................. 109
3.6
lslam – Motor oder Bremse ökonomischer Entwicklungen? .............. 110
3.7
Zusammenfassung .............................................................................. 113
4. Dubai – Prototyp der Arabischen Welt?................................................... 115
X
4.1
Vereinigte Arabische Emirate – Geschichte, Entwicklung und Bevölkerung ......................................................................................... 117
4.2
Dubai– Tradition vs. Moderne? ........................................................... 121 4.2.1 Wachstumswunder Dubai – trotz oder gerade unter Berücksichtigung der traditionellen Stellung der Familie? ....... 123 4.2.2 Die Herrscherfamilie Al-Maktoum ............................................ 125 4.2.3 Shaikh Mohammed bin Rashid Al-Maktoum ............................ 128
4.3
Geschlechterordnung ........................................................................... 129
4.4
Traditionelle Werte und internationale Anforderungen – ein Widerspruch? ....................................................................................... 135
4.5
Multikulturalität und „Emiratization“ – Chancen und Risiken ........... 136 4.5.1 Berücksichtigung der Einheimischen beim ökonomischen Wandel ....................................................................................... 138 4.5.2 Koordinierung von Anforderungsprofil und Kandidatenprofil . 141 4.5.3 Einfluss der ausländischen Arbeitnehmer auf die Organisationsbzw. Landeskultur ...................................................................... 142
4.6
Bildung zur Sicherung des Wohlstands ............................................... 145 4.6.1 Arabische Wissensgesellschaft .................................................. 147 4.6.2 Dubai – das neue Wissenszentrum der Arabischen Welt? ........ 149
4.7
Vermarktung Dubais als internationale Handels-, Logistik- und Tourismusdrehscheibe ......................................................................... 152
4.8
Zusammenfassung ............................................................................... 156
5. Kultur – Netzwerkbildung – Erfolg. Determinieren soziale Netzwerke die ökonomische Struktur? .................................................... 157 5.1
Kultur und Netzwerkbildung – Alter Wein in neuen Schläuchen? ..... 160
5.2
Grundlagen der Netzwerktheorien....................................................... 163
5.3
Persönliche Netzwerke ........................................................................ 169 5.3.1 Strukturelle Einbettung .............................................................. 173 5.3.2 Relationale Ebene ...................................................................... 179 5.3.3 Kognitive Ebene......................................................................... 186 5.3.4 Zusammenfassung ..................................................................... 193
5.4
Unternehmensnetzwerke...................................................................... 201 5.4.1 Strukturelle Ebene...................................................................... 205 5.4.2 Relationale Ebene ...................................................................... 213 5.4.3 Kognitive Ebene......................................................................... 222 5.4.4 Zusammenfassung ..................................................................... 230
5.5
Dubai – das fokale Element? ............................................................... 237 5.5.1 Steuerung in Netzwerken ........................................................... 239 5.5.2 Zusammenfassung ..................................................................... 241
6 Fazit .............................................................................................................. 243 Literaturverzeichnis…………………………………….……………………247
XI
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Abfolge der Herrscher von Dubai .............................................126 Abbildung 2: Verteilung der Studenten auf die Studienbereiche....................134 Abbildung 3: Überblick über die aktuellen veröffentlichten Projekte Dubais........................................................................................155 Abbildung 4: Ausprägungsformen gesellschaftlicher Vernetzung.................206 Abbildung 5: Dreiphasenmodell zur Evolution von interorganisationalen Unternehmensbeziehungen........................................................216 Abbildung 6: Dubai das fokale Element..........................................................240 Abbildung 7: Die Determinanten der Wirtschaftskultur Dubais....................243
XIII
Abkürzungsverzeichnis AHDR
Arab Human Development Report
BIP
Bruttoinlandsprodukt
Bd.
Band
ca.
circa
DIFC
Dubai International Financial Center
d.h.
das heißt
ENDP
Emirates National Development Programme
Hrsg.
Herausgeber
n.Chr.
nach Christus
MENA
Middle East and North Africa
No.
Number
Nr.
Nummer
OECD
Organisation for Economic Cooperation and Development
PC
Personal Computer
S.
Seite
s.o.
siehe oben
UAE
United Arab Emirates
UNDP
United Nations Development Programme
USD
US Dollar
u.a.
und andere
u.v.a.
und viele[s] andere
VAE
Vereinigte Arabische Emirate
vgl.
vergleiche
Vol.
Volume
WiWo
Die Wirtschaftwoche
z.B.
zum Beispiel
XV
1.
Einleitung
Der Wunsch, sich mit den wirtschaftskulturellen Aspekten Dubais auseinanderzusetzen keimte bereits im Jahre 2003 auf. Bei einem privaten Aufenthalt am Arabischen Golf enstand die Faszination für dieses Land und seine Erfolgsgeschichte. Die ersten Eindrücke der Vereinigten Arabischen Emirate, insbesondere Dubais, waren beeindruckend und beängstigend zugleich. Die Bilder entsprachen in keinster Weise den Vorstellungen, die man in Europa mit dem Orient verbindet. Stattdessen war eine Metropole vorzufinden, die so facettenreich ist wie wenige andere auf der Welt. Die kulturelle Vielfalt, die Wolkenkratzer oder der pulsierende Zeitgeist, erinnerten an New York, Hong Kong oder Singapur. Es entsteht der Eindruck, dass die Uhr in Dubai etwas schneller läuft als woanders. Die unglaubliche Architektur des legendären Hotels Burj Al Arab oder des Madinat Jumeiras lassen den Betrachter nicht mehr aus dem Staunen heraus. Die noch damals im Bau befindliche Inselgruppe „The Palm“ war nur ein Zeichen für das zukünftige Leitungspotential des Emirats. Die Tatsache, dass sich jeder fünfte Baukran in Dubai befindet, lässt erahnen, wie sich die Architektur dieses Emirates binnen weniger Jahre verändern wird. Diese Eindrücke sind nicht nur in den prächtigträchtigen Attributen oder populistischer Betrachtungsweise begründet sondern auch in der anscheinend nachhaltigen Leistungsfähigkeit Dubais, die anhand des Beispiels der „Dubai Group“ herausgearbeitet werden soll. Dubai ist in wenigen Jahrzehnten zum Inbegriff von Glanz und Glamour geworden. Wie ein Magnet zieht es Touristen, Investoren und Arbeitnehmer aus aller Welt an. Keine Stadt der Welt wächst so rasant. Diese ersten Eindrücke machten Lust auf mehr. Auf die Phase des Staunens muss die nüchterne Frage nach dem Erfolgsrezept Dubais folgen. Es sollte aber nicht außer Acht gelassen werden, dass in der Dynamik der Entwicklung sich auch Gefahren verbirgt. Die zentrale Frage, die sich in diesem Zu1 W. Haak-Saheem, Dubai als Staat und Organisation, DOI 10.1007/978-3-8349-6696-4_1, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
sammenhang stellt, bezieht sich auf die Krisensicherheit des Erfolgsmodells? Wird es Dubai gelingen weiterhin dieses Tempo beizubehalten oder drosselt bzw. negiert die weltweite Finazkrise die Entwicklung des Emirates? 1.1
Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
Das Durchsichten der Literatur zum Thema Arabische Emirate oder Dubai verfällt häufig in einseitige Betrachtung. Artikel, die in der deutschen Literatur zu finden sind, beschäftigen sich weniger mit Forschungsfragen, sondern vielmehr mit populistischen Beschreibungen Dubais als „Business–Mekka“ (WiWo Nr. 36, oder „Dubai – das Übermorgenland“ (vgl. Spiegel Nr. 6, 2008). Darüber hinaus finden sich in der deutschen Literatur lediglich Publikationen, (der Außenhandelskammer), die dem Leser Handlungsempfehlungen für Verhalten oder erfolgreiche Verhandlungsführung in den Arabischen Emiraten vermitteln möchten. Eine tiefergehende Erörterung der kulturellen bzw. wirtschaftskulturellen Hintergründe des Phänomens Dubai wird vermutlich aufgrund ihrer Komplexität in diesem Zusammenhang vernachlässigt. Daher können diese Zeitschriftenartikel nicht die tiefgehende wissenschaftliche Thematisierung ersetzen. In der englischsprachigen Literatur ist ein gesteigertes Interesse in den letzten fünf Jahren zu konstatieren. Der Großteil der Publikationen fokussiert auch hier die gegenwartsbezogene Analyse des ökonomischen Erfolgs. Allzu oft vernachlässigen westlich orientierte Forscher die soziale Einbettung Dubais in einer arabischen Kultur und das Hochglanzzeitalter des Islams. Vereinzelt ist bei arabisch geprägten Autoren muslimisch orientiertes Gedankengut vorzufinden. Daher ist die Rolle und der Einfluss des Islams innerhalb des wirtschaftlichen Handelns als eine wesentliche Forschungslücke zu bezeichnen. Der Islam bestimmt in den Golfstaaten nicht nur den religiösen Alltag, er ist in sämtlichen Lebensbereichen allgegenwärtig und richtungweisend. Es ist deshalb von besonderem Interesse, die muslimische Perspektive als maßgebende Einflussgröße zu diskutieren. Bis auf einzelne Arbeiten (Weinberg 1994, Ali 2005, Abuznaid 2006, vgl. Grant/Golawala/
2006)
McKechnie 2007, Rice 2004)
wird diese Betrachtungsweise nicht thematisiert.
Basierend auf dem Zusammenhang Wirtschaft und Kultur ergeben sich folgende Fragen: 2
1
Was heißt eigentlich Kultur?
2
Welcher Zusammenhang existiert zwischen Wirtschaft und Kultur?
3
Welche Erklärungsansätze liefert Ibn Khaldnjn?
4
Muslimisch geprägte Wirtschaftskultur – Progression oder Regression?
5
Ist Dubai der Prototyp einer neuen arabischen Wirtschaftskultur?
6
Welche Bedeutung ist der Herrscherfamilie, insbesondere Shaikh Mohamed Bin Rashid Al Maktoum, beizumessen?
7
Sind Soziale Netzwerke die wahren Erfolgstreiber Dubais?
Diese Fragen zugrunde gelegt, verfolgt die Arbeit das Ziel, die vorhandene Forschungslücke zu schließen und einen Beitrag zum Verständnis der muslimischarabischen Wirtschaftskultur zu leisten. 1.2
Vorgehensweise
Beginnend mit dem Kulturbegriff wird die Basis der Arbeit definiert. Die Annäherung an den Kulturbegriff wird aus der Perspektive unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen angestrebt. Anschließend wird das Verhältnis zwischen Kultur und Betriebswirtschaftslehre anhand relevanter Literatur analysiert. Die Besonderheiten der muslimischen Wirtschaftskultur müssen in diesem Kontext hervorgehoben werden, weil sie den Referenzrahmen aller gesellschaftlich-ökonomischer Prozesse bildet. Zum allgemeinen Vertständnis wird zunächst die Durchdringungkraft des Islams kurz skizziert. Ibn Khaldnjns wirtschaftstheoretischer Ansatz wird zur Klärung der muslimisch geprägten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung herangezogen. Die Thematisierung des Zusammenhangs zwischen Religion und Wirtschaftsstil ist eine sinnvolle Ergänzung, um eine Typologisierung der Wirtschaftskultur Dubais vornehmen zu können. Die These Max Webers, dass der Kapitalismus ein Produkt der protestantischen Askese sei, wird dahingehend überprüft, ob
3
nicht auch andere Religionsgemeinschaften – in diesem Fall – eine muslimische Gesellschaft kapitalistisch orientierte Wirtschaftstendenzen hervorbringen kann. Die Frage nach der Pionierrolle Dubais ist von wesentlicher Bedeutung. Es soll diskutiert werden, ob andere arabische Länder (besonders die Golfstaaten) dem Beipiel Dubais folgen werden oder ob das Phänomen Dubai ein Unikat bleiben wird. Im Rahmen dieser Arbeit wird auch den sozialen Netzwerken eine hohe Bedeutung beigemessen. Sie sind nicht nur der Ausdruck der wirtschaftskulturellen Entwicklung Dubais, sondern auch – so wird vermutet – die wahren Erfolgstreiber der Wirtschaftsordnung des Emirats. Nach Überprüfung dieser These wird die Arbeit mit einem Fazit abgeschlossen.
4
2.
Kultur – eine vielfältige Erscheinung unterschiedlicher Wissenschaftstheorien
Der Begriff der Kultur ist ein fester Bestandteil unterschiedlicher Wissenschaften. Kaum ein anderer Begriff ist so häufig Gegenstand verschiedener Forschungsdisziplinen wie der Begriff Kultur. Besonderes Interesse genießt er innerhalb der Sozialwissenschaften. Dieses Interesse scheint im Zeitalter der Globalisierung noch mehr an Bedeutung gewonnen zu haben. In Fukuyamas Arbeit, in der er sich mit dem Konflikt der Kulturen und ihrer Überlegenskraft beschäftigt, begründet er die hohe Relevanz der Kultur mit ihrer neu gewonnen Bedeutung in den Bereichen der Weltwirtschaft und der internationalen Ordnung (vgl. Fukuyama 1997, S. 19).
Bereits Anfang der sechziger Jahren waren ca. 160 verschiedene Definitionen zum Kulturbegriff von Strodtbeck dentifiziert und aufgezählt worden (vgl. Kluckkohn/ Strodtbeck 1961). Diese Tatsache macht deutlich, dass eine eindeutige Definition und Abgrenzung des Kulturbegriffes schon seit einigen Jahrzehnten angestrebt wird. Angelehnt an einige Sozialwissenschaftsdisziplinen ist eine grobe Klärung des Kulturbegriffs jedoch möglich. Dieser Aufwand sollte in Kauf genommen werden, denn eine Annäherung an die Definition des Begriffes der Kultur ist für das weitere Vorgehen notwendig. Sie schärft den Blick und gibt der eigenen Definition einen theoretischen Rahmen. Diese Arbeit soll allerdings keinen abschließenden Beitrag zur Klärung des Kulturbegriffes liefern. Vielmehr soll sie auf Grundlage einer theoretischen Betrachtung eine Annäherung an die Bedeutung des Kulturbegriffes erarbeiten, die dann als Orientierung für das weitere Vorgehen dienen kann. Grundsätzlich beweisen Definitionen nichts, bei sorgfältiger Betrachtung und Formulierung können sie jedoch zur Orientierung oder Neuorientierung des Denkens beitragen. Der angestrebte Kulturbegriff soll zur Neubewertung der relevanten Fragen der vorliegenden Arbeit dienen.
5 W. Haak-Saheem, Dubai als Staat und Organisation, DOI 10.1007/978-3-8349-6696-4_2, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Um die theoretische Betrachtung zugänglich zu machen, wird in den nächsten Abschnitten der Begriff der Kultur zunächst kurz aus der anthropologischen, psychologischen und sozialen Perspektive umrissen. Anschließend werden einige wesentliche Merkmale der Kultur diskutiert. Im Abschnitt 2.3 geht es um die eigentliche Fragestellung, nämlich um die Einbettung der Kultur in die Betriebswirtschaftslehre und ihre Konsequenz für den homo economicus. 2.1
Der Begriff der Kultur, eine interdisziplinäre Herangehensweise
Während der Mensch bei Max Weber erst durch die Kultur das Stadium der Vollkommenheit erreicht, empfindet Niclas Luhmann Kultur als einen der „schlimmsten“ Begriffe, die je gebildet wurden. Auch habe die Verbindung von Kultur mit Religion und Kunst „verheerende“ Folgen (vgl. Burckardt 2004, S. 14). Andere sind der Meinung, dass man den Menschen nur verstehen kann, wenn man seine kulturelle Prägung kennt. In seinen frühesten Perioden scheint die Existenz der Kultur in der Natur begründet zu sein. In all seinen Bedürfnissen und all seinen praktischen Interessen hängt der Mensch von seiner natürlichen Umwelt ab (vgl. Cassirer 1960, S. 13). Dieser Ansatz hat wenig mit neueren Überlegungen zum Kulturbegriff zu tun. Der Kulturbegriff hat im Laufe seiner Entwicklung eine Vielzahl an Bedeutungen gewonnen. Aufgrund seiner diffusen Definition ist er heute ein unliebsamer Untersuchungsgegenstand. Die unterschiedlichen Wissenschaften, insbesondere die Sozialwissenschaften und neuerdings auch die Wirtschaftswissenschaften, bemühen sich um eine adäquate „Problembehebung“. Diese interdisziplinäre Vorgehensweise soll zeigen, inwiefern sich die einzelnen Disziplinen in ihrem Versuch, der Kultur eine Definition zuzuordnen, tatsächlich unterscheiden, oder ob ein „roter Faden“ in den Sichtweisen der unterschiedlichen Disziplinen aufzufinden ist. Auf diese und weitere Fragen wird im Folgenden eingegangen. Es sollte in diesem Zusammenhang erwähnt werden, dass diese Herangehensweise zur Gewinnung eines kurzen Überblickes dienen wird und keineswegs den Anspruch einer vertieften Auseinandersetzung erhebt.
6
Das Wesen der Kultur ist hauptsächlich in der Anthropologie und insbesondere in der Kulturanthropologie zu ergründen. Die Anthropologie, die allumfassende Lehre vom Menschen, und ihre unterschiedlichen Einzeldisziplinen wie die Ethnologie, Ethnographie, Völkerkunde oder Sozialanthropologie nehmen diese umfangreiche Aufgabe sehr ernst (vgl. Maletzke 1996). Dieser Wissenschaft sind ca. 4000 verschiedene Kulturen bekannt. Sie weiß auch, dass eine einheitliche globale Kultur eine Utopie ist und vermutlich nie der Realität nahe kommen wird (vgl. Durham 1991). Die moderne Kulturanthropologie ist sich in den Grundzügen einig, was unter Kultur zu verstehen ist: Kultur ist ein System von Konzepten, Überzeugungen, Einstellungen und Wertvorstellungen, die sich sowohl im Verhalten und Handeln des Menschen als auch in den geistigen und materiellen Produkten sichtbar werden (vgl. Hazod 1993, Maletzke 1996). Die Suche nach einer einheitlichen Bestimmung des Kulturbegriffes innerhalb der Kulturphilosophie ist aussichtslos. Ähnlich wie die Anthropologen tun sich auch die Philosophen schwer, eine verbindliche und einheitliche Begriffsbestimmung durchzusetzen. Eine ausgereifte und wohl überlegte Definition, auf die oft zurückgegriffen wird (vgl. Orth 2000), liefert Cassirer. Seine Ausgangsüberlegungen sind denen der Sozialbiologen und Kulturanthropologen ähnlich. Auch er stellt eine enge Verbindung zwischen der natürlichen Umgebung des Menschen und der Kultur her: „Die ersten Schritte, die zum geistigen und kulturellen Leben des Menschen führen, können beschrieben werden als Akte, zu denen eine Art geistiger Anpassung an die unmittelbare Umwelt gehört“ (vgl. Cassirer 1960, S. 13). Am Anfang ist der Mensch bemüht seine Umwelt kennen zu lernen und zu erforschen. Die weitere Entwicklung zeigt eine Umorientierung und Neufokussierung. Der Mensch ist bemüht, sich selbst und sein Inneres zu verstehen (vgl. Cassirer 1960, S. 13). Der Zusammenhang zwischen Kultur und Natur ist auch Forschungsgegenstand der Psychologie. Die biologischen Grenzen der Natur sind nicht von Dauer und absoluter Wichtigkeit. Segall/Berry/Poortinga gehen davon aus, dass die Kombination Kultur und Natur den Menschen ausmacht: „Our nature is both sociocultural and biological“ (vgl. Segall/Berry/Poortinga 1990, S. 12). Die Psychologie, insbe-
7
sondere die Sozialpsychologie, sucht nach Antworten auf die Fragen, inwieweit sich Kultur und Persönlichkeit wechselseitig bedingen. Welche prägende Funktion nimmt die Kultur bei Wertorientierung, Einstellung, Emotion und Verhaltenweise wahr? Eine weitere zentrale Frage lautet, ob es allgemeinmenschliche, in allen Kulturen vorkommende Universalien gibt. (vgl. Maletzke 1996, Bruner 1997, Thomas 1996, Segall/Berry/Poortinga 1990).
Weitere Fragen werden zum Individuum gestellt: Warum verhalten sich Menschen innerhalb eines Kulturkreises unterschiedlich? Sind die Unterschiede innerhalb eines Kulturkreises größer oder kleiner als zwischen den Kulturen? (vgl. Grossmann 1993, S. 53)
Die Alltagspsychologie, ein Zweig der allgemeinen Psychologie, die sich mehr oder weniger normativen Beschreibungen widmet, beachäftigt sich haptsächlich mit der Forschung beschäftigt dessen, wie Menschen „ticken“, wie der menschliche Geist aussieht, welche Arten situierten Handelns erwartet werden können und welche Lebensweisen möglich sind (vgl. Bruner 1997). Für Jacob Burckhardt ist die Kultur – neben dem Staat und der Religion – eine der drei großen Mächte, die die menschliche Daseinswirklichkeit und den Verlauf der Geschichte beeinflussen. Die Bedeutung der Kultur ist im Laufe der Geschichte abgeschwächt. Die Kultur hat Platz für die Dinge gemacht, die das moderne Leben des Menschen signifikant bestimmen: stets nach technischen, ökologischen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Maximen zu suchen (vgl. Tenbruck 1990, S. 9).
Burckhardt definiert Kultur als ein Element, welches die äußere Form der Gesellschaft charakterisiert: „Kultur nennen wir die ganze Summe derjenigen Entwicklungen des Geistes, welche spontan geschehen und keine universelle oder Zwangsgeltung in Anspruch nehmen“ (vgl. Burckhardt 1929, S. 54). Genau wie die beiden anderen Potenzen (Staat und Religion) ist der Verlauf der Kultur durch eine spezifische und sich immer wiederholende Entwicklung gekennzeichnet. Niclas Luhmann umgeht die Kulturdiskussion, indem er Kultur schlichtweg als „Gedächtnis der Gesellschaft“ beschreibt (vgl. Burckardt 2004, S. 22). Der Gedächtnisbegriff wird zunächst auf der Ebene der Systemtheorie eingeführt. Luhmann
8
versteht Gedächtnis nicht als ein Wissensspeicher, sie ist mit einer zeitbezogenen Funktion, wie Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft ausgestattet. Max Weber bezeichnete den Menschen als ein Wesen, welches in ein selbst gesponnenes Bedeutungsgewebe verstrickt ist, wobei Kultur als dieses Gewebe angesehen wird (vgl. Weber 1980). Dieser Ansicht schließt sich auch Geertz an, wobei er diesem Ansatz einen weiteren Schliff gibt (vgl. Geertz 1983): Die Beschäftigung mit dem Kulturbegriff ist keine experimentelle Wissenschaft, sondern eine interpretierende. Sie sucht nicht nach Gesetzen und Regeln. Ihr geht es um die Deutung gesellschaftlicher Ausdrucksformen und ihrer Erläuterungen, die auf den ersten Blick rätselhaft erscheinen (vgl. Geertz 1983). Geertz gelingt es mit dieser Definition, dem Kulturbegriff einen erheblichen Schritt näher zu kommen. Er erkennt die Tatsache, dass dem Begriff der Kultur bestimmte Funktionen zuzuschreiben seien, die ihn gleichzeitig auch definieren. Auf diese Elemente der Kultur wird in den späteren Abschnitten Bezug genommen. Wie schon eingangs erläutert, ist der Begriff der Kultur aufgrund seiner vielfältigen Bezüge und seiner ungenauen Definition ein eher ungeliebter Untersuchungsgegenstand. Die Forschung hat ihre Arbeit nicht aufgegeben, es wird in den unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen nach neuen Erkenntnissen und Ansätzen gesucht. Die Tatsache, dass besondere Bemühungen im Bereich der Wirtschaftswissenschaften zu beobachtensind, macht die Bedeutung, die Rolle und den Einfluss der Kultur deutlich. Dennoch ist anzumerken, dass trotz großer Vielfalt an Definitionen auch einige grundsätzliche Übereinstimmungen vorzufinden sind. Für die Inhalte unterschiedlicher Definitionen der einzelnen Wissenschaftsdisziplinen werden teilweise unterschiedliche Terminologien verwendet, aber die Beschreibungen sind sich doch in vielen Aspekten ähnlich. Die Basis einer fruchtbaren Diskussion zum Interkulturellen Management sollte eine Begriffsdefinition der Kultur bilden. Idealerweise sollte ein Paradigma zur Definition des Begriffs Kultur, zumindest eine Abgrenzung, zusammenfassend dargestellt werden. Grundsätzlich beweisen Definitionen nichts, aber bei sorgfältiger Betrachtung und Formulierung können sie doch zur Orientierung oder Neuorientierung des Denkens beigetragen. Daher wird auch nicht eine Neudefinition des Kulturbegriffes angestrebt, sondern auf eine bereits bestehende zurückgegrif9
fen. Es bieten sich in diesem Zusammenhang die Definitionsansätze der Kulturanthropologie an. Wenn im Folgenden also die Rede von Kultur ist, dann immer im Sinne der modernen Kulturanthropologie. Zwar existiert auch hier eine Vielfalt an unterschiedlichen Meinungen und Vorstellungen, aber in den Grundzügen ist eine allgemeine Übereinstimmung vorzufinden (vgl. Maletzke 1996). Kultur ist als ein System von Konzepten, Überzeugungen, Einstellungen und Wertorientierungen zu verstehen. Diese werden sowohl im Verhalten und Handeln als auch in ihren geistigen und materiellen Produkten sichtbar. Kultur definiert die Art und Weise, wie Menschen leben und handeln, was sie aus sich selbst und ihrer Welt machen (vgl. Tenbruck 1990, Maletzke 1996). Sie umfasst alles, was durch menschliches Handeln erzeugt wird, diese Besonderheit zeichnet den Menschen als Kulturwesen aus (vgl. Tenbruck 1990, S. 15). Die Kultur ist etwas spezifisch Menschliches, sie hat eine Orientierungsfunktion (vgl. Baecker 2004, S. 58). Die Besonderheit dieser Begriffsbestimmung ist, dass das Handeln und Verhalten des Menschen in den Vordergrund gestellt werden. Zwischen einer Kultur und ihren Mitglieder herrscht eine Wechselbeziehung. Der Mensch schafft Kultur und wird wiederum von ihr geprägt. Diese Annäherung an die Begrifflichkeit der Kultur ist für das weitere Vorgehen dieser Arbeit ausreichend. Vor allem für den Umgang mit dem Begriff der Kultur in der Betriebswirtschaftslehre ist eine solide Basis gegeben. Um dieses Konzept der Kultur besser zu verstehen, werden im nächsten Abschnitt einige wesentliche Merkmale der Kultur kurz erläutert. In diesem Zusammenhang spielen auch cognitive maps eine Rolle, denn es soll die Frage geklärt werden, worauf die Differenzen im Verhalten und Handeln des Menschen in den unterschiedlichen Kulturen basieren. Anschließend wird der Bogen zur Betriebswirtschaftslehre geschlagen. 2.2
Wesentliche Merkmale der Kultur
In diesem Abschnitt werden die einzelnen Bausteine erläutert, um dem Gesamtgerüst Kultur einen Schritt näher zu kommen.
10
Wie bereits erwähnt handelt es sich bei dem Begriff der Kultur um einen Begriff mit hohem Abstraktionsniveau. Die einzelnen Kulturmerkmale stehen in einem integrierten Zusammenhang zueinander und zwar in der Weise, dass sich gegenseitig verstärken und ergänzen (vgl. Trommsdorff 1989, S. 12). Die nachstehenden Merkmale sind also nicht isoliert zu betrachten, sondern als einzelne Puzzleteile, die erst einen Sinn ergeben, wenn ein Gesamtbild entworfen ist.
a)
Symbol
Symbole nehmen heute innerhalb einer Kultur eine hohe Bedeutung ein. Sie sind für die Weitergabe und Übermittlung von kulturellen Phänomenen von hohem Stellenwert (Rothlauf 1999, S. 19). Ernst Cassirer hob, als einer der ersten Autoren innerhalb der Sozialwissenschaften, die Wichtigkeit der Symbolik hervor. Ihm folgten Clifford Geertz oder auch Victor W. Turner und David M. Schneider (vgl. Fröhlich/Mörth 1998, S. 11). Kultur ist als ein Netzwerk von Symbolen zu verstehen. Dieses wird von Menschen gemacht, allerdings formt es die Menschen gleichzeitig. Bei Tenbruck nehmen Smbole eine wichtige Funktion ein: Sie wirken auch dann, wenn sie in der Flut unterzugehen drohen (vgl. Tenbruck 1990). Der Mensch reagiert nicht auf Gegebenheiten, sondern führt sein Handeln über Vorstellungen, welche die Gegebenheiten „symbolisch“ deuten und repräsentieren. Luhmann hat die Wichtigkeit der Symbole betont, lehnte aber die Überbewertung ab, die Kultur sei keine Lagerhalle von Symbolen (vgl. Luhmann 2004).
b)
Religion
In diesem Teilabschnitt wird kurz auf die Rolle der Religion für die Kultur eingegangen. Die Religion bildet einen wichtigen Baustein innerhalb der Kultur. Wie bereits konstatiert, ist der Mensch ein Kulturwesen (vgl. Tenbruck 1990), daher beeinflusst die Religion das menschliche Handeln und Verhalten. Luhmann ver11
steht Religion als einen Kulturbegriff, einen Begriff, der Toleranz impliziert (Luhmann 2000). Die Religion gibt dem menschlichen Dasein einen Sinn und verleiht ihm eine Struktur. Die Religion kann eine maßgebende Größe im Leben des Menschen sein. Sie berührt und beeinflusst – abhängig von der jeweiligen Religion – unterschiedliche Bereiche des menschlichen Lebens. Sie erfüllt mehrere Funktionen: Zum einen trägt sie maßgeblich zur Stabilisierung der gesellschaftlichen Ordnung bei, zum anderen wirktt sie bei der fundamentalistischen Verfestigung der Institutionen und rigiden Verhaltenskontrollen der Menschen mit. Sie kompensiert die faktische Unsicherheit des Lebens, indem sie jenseitige Sicherheit und Glücksperspektiven eröffnet. Im Gegensatz zur modernen säkulaisierten Lebenform des Christentums berücksichtigt der Islam sämtliche Aspekte des Lebens, wobei hier betont werden sollte, dass die mangelnde Einbeziehung christlicher Werte und Normen in der Säkulkarisierung des heutigen Lebens begründet ist und nicht im Anspruch der Lehre. Die vielen Bedürfnisse des Menschen erfordern eine Ideologie und ein Gedankensystem, das flexibel genug ist, um als Leitfaden für alle Situationen und Bedürfnisse zu dienen (Ahmad 1980, S. 47). Zum einen werden im Zusammenhang mit der Säkularisierung und Bedeutungsabnahme der Religion der Fortschritt und somit auch Wohlstandserreichung gesehen (vgl. Hillmann 2004, S. 2004), zum anderen wird zum Beispiel von Max Weber (als dem prominentesten Vertreter diese Domäne) gerade in einer bestimmten religiösen Kultur die Wahrscheinlichkeit zur Wohlstandserreichung höher eingestuft. In diesem Sinne wird Max Webers Arbeit von der „Ethik des Protestantismus“ aus einer bisher unbekannten Perspektive beleuchtet. Denn obwohl nicht Askese, sondern Streben nach Erfolg und Wohlstand die Maxime bilden, wird später am Beispiel der Vereinigten Arabischen Emirate, insbesondere Dubais, aufgezeigt, dass sich wirtschaftlicher Erfolg auch auf muslimischen Werten und Normen gründen kann. Viele Autoren, wie Ghaussy, sind allerdings davon überzeugt, dass die Marktwirtschaft, wie Weber sie verstanden hat, nicht mit dem Islam
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vereinbar ist (Ghaussy 1995, S. 5). Im weiteren Verlauf der Arbeit wird ausführlich auf den Zusammenhang zwischen Religion und Wohlstand eingegangen.
c)
Werte und Normen
Werte und Normen sind das Ergebnis oder die Konsequenz des menschlichen Kulturdaseins. Studien zu Werten und Normen haben innerhalb der Soziologie und Anthropologie eine lange Tradition (vgl. Kluckhohn & Strodtbeck 1961). Sie prägen das menschliche Verhalten maßgebend. Sie dienen dem Menschen als Raster oder Katalog, der markiert was richtig und was falsch ist. Auf diese Orientierungshilfe kann der Mensch nicht verzichten. Die Allgemeinheit hält an ihr Wertesystem auch in einer veränderten Umwelt fest. Wertewandel ist daher ein Generationsphänomen und vollzieht sich über einen Wechsel von Generationen (vgl. Hillmann 2004, S. 145). Adam Smiths Arbeit „Wealth of Nature“ ist eine der ersten Arbeiten, welche sich mit der Rolle von Kultur, insbesondere den Werten und Normen einer Gesellschaft, beschäftigt und eine Beziehung zum Wohlstand herstellt. Dieser Zusammenhang ist besonders hervorzuheben und wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit thematisiert.
d)
Natur
Die Natur bildet in vielen Kulturen das Gegenstück zur Kultur. Die Französische Revolution hat das Verhältnis zur Natur im Abendland nachhaltig verändert (vgl. Tenbruck 1990, S. 81).
Dieser Vorgang wird auch häufig mit der Entzauberung der
Natur bezeichnet. Es ist nicht die Biologie, sondern die Kultur, die das menschliche Dasein und den menschlichen Geist formt. Dem Handeln des Menschen wird dadurch Bedeutung verliehen, dass sie ihm zugrunde liegende intentionale Zustände in einem interpretativen System situiert (vgl. Bruner 1997).
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Dülfers Schichtenmodell geht von einer Beziehung zwischen Natur und Kultur aus; er ist der Meinung, dass die Innovationskraft und die Affinität zu neuen Technologien ganz erheblich von der Beziehung zur Natur geprägt sind (vgl. Dülfer 2001). Die Beziehung zur Natur kann in den einzelnen Religionen voneinander abweichen. Im Islam wird eine eindeutige Stellung zur Natur bezogen: Die Natur ist von Gott geschaffen und bedarf des menschliches Schutzes. Mit natürlichen Ressourcen hat der Mensch planvoll und sparsam umzugehen.
e)
Gesellschaft
Wie bei dem Begriff der Kultur, ist auch der Begriff der Gesellschaft innerhalb der unterschiedlichen Sozialwissenschaften nicht unumstritten. Zwar ist er als zentraler Begriff innerhalb der Soziologie oft diskutiert, aber eine eindeutige und zweifelsfreie Begriffsdefinition ist nicht vorzufinden. Der enge Zusammenhang zwischen Kultur und Gesellschaft wird unter anderem bei Tenbruck deutlich; es gibt keine Kultur ohne Gesellschaft und keine Gesellschaft ohne Kultur (vgl. Tenbruck 1990, S. 45). Kultur und Gesellschaft sind also zwei Seiten derselben Medaille. Oft wird der Begriff der Gesellschaft als materieller Begriff definiert (vgl. Ahmad 1980). In materiellem Fortschritt ist die Entwicklung der Gesellschaft begründet. Tönnies stellte bereits 1887 dem Begriff der Gesellschaft den Begriff der Gemeinschaft gegenüber. Demnach ist eine Gemeinschaft durch gegenseitiges Vertrauen, Homogenität und emotionale Anbindung geprägt. In einer Gesellschaft ist die Verfolgung von individuellen Zielen der Mitglieder hervorzuheben. Dieser Ansatz ist auch später bei Max Webers Vergesellschaftung vorzufinden. Parsons Konzept beschreibt die Gesellschaft als ein soziales System. Bei Luhmann ist sie das umfassendste System überhaupt (vgl. Luhmann 2000). Der Gliederung Tenbrucks, die die Gesellschaft in primitive, Hochkultur und moderne Gesellschaftsformen unterteilt, ist grundsätzlich zuzustimmen, wobei die Bezeichnung primitiv oft als diskreditierend verurteilt wird.
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Bei den Gesellschaftsformen handelt es sich – wie bei der Kultur – um dynamische Gebilde, d.h. jede Gesellschaftsform neigt zur Veränderung. Tenbruck stellt fest, dass es sich um eine offene Ordnung handelt, deren vielfältige Veränderung in eine offene Zukunft münden kann (vgl. Tenbruck 1990, S. 59). Fukuyama vertritt die Auffassung, dass die Evolution ihr Ziel erreicht habe; die menschliche Gesellschaft sei an ihrem Endziel angekommen (vgl. Fukuyama 1995). Prisching bezeichnet die Weltgesellschaft als Resultat und Endergebnis dieser Entwicklung. Nicht die Entität sondern die Heterogenität zeichnet eine solche Gesellschaftsform aus. Die immer diversifizierende Arbeitsteilung (vgl. Tenbruck 1990, Ahmad 1980), die Ausprägung und Etablierung von Herrschaftsstrukturen (vgl. Breuer 1990) sowie die Kommunikation über Raum und Zeit (vgl. Luhmann 2000) sind wesentliche Merkmale der modernen Gesellschaft. Die zentrale Frage, die sich aus diesem Zusammenhang ergibt, lautet, wie homogen bzw. heterogen eine moderne Gesellschaft darf sein, damit sie beständig und stabil bleibt. Wie tief darf die soziale Differenzierung greifen, um eine Gesellschaft zu strukturieren? Die Diversifizierung ist laut Islam von Gott gewollt, da heißt es: „If Allah had so willed, He could have made them a single people…“(Qur’an 42:8) Welche Herrschaftsprinzipien sind für die moderne Gesellschaft geeignet? Ist das von den westlichen Gesellschaften favorisierte Prinzip der Demokratie für alle Gesellschaftsformen ideal? Nur wenige Aspekte dieser Fragestellungen können im Rahmen dieser Arbeit beantwortet werden. Da dieser Arbeit eine ökonomische Ausrichtung zugrunde liegt, müssen andere Schwerpunkte gebildet werden. Daher wird im nächsten Abschnitt auf den Zusammenhang zwischen Betriebswirtschaftslehre und Kultur eingegangen.
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2.3
Zur Rolle der Kultur innerhalb der Betriebswirtschaftslehre
Globalisierung ist zwar ein Container-, aber dennoch ein Schlüsselbegriff zum Verständnis der nationalen und internationalen Entwicklungen (vgl. Fürstenberg 2004). Die Globalisierungsdiskussion thematisiert in erster Linie ökonomische und politische Verflechtungen und Entwicklungen. In diesem Zusammenhang geht es um internationale Arbeitsteilung und Handelsbeziehungen suprastaatlicher Organisationen und internationaler Kooperationen. Die Globalisierung kultureller Erscheinungen schien bis vor einigen Jahren Nebenschauplatz im Kontext der Globalisierungsdebatte zu sein. Erst seit einigen Jahren wird die kulturelle Dimension in der deutschen Literatur thematisiert, sie ist aber weiterhin eine Domäne der angelsächsischen Kulturdiskussion (vgl. Hillmann 2004). Es ist allgemein ein Paradigmenwechsel zu verzeichnen (Meissner 1997). Zukin/DiMaggio sind von der „…failures of the neoclassical tradition“ überzeugt (vgl. Zukin/DiMaggio 1990, S. 14). Sie betrachten die Forschung nach Alternativen als eine Herausforderung, die zu bewältigen sei. Richter/Furubotn beschreiben treffend, dass mit der bloßen Erkenntnis der Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels in der Ökonomie wenig gewonnen ist (vgl. Richter/Furubotn, S. 506). Noch zu unscharf sind die Untersuchungsergebnisse, die gewonnenen Kenntnisse sind wenig sortiert, ein Mainstream ist nicht erkennbar. Die Vielfältigkeit der globalisierten Wirtschaft und die Einflussnahme der Kultur sind für einen „Einheitsbrei“ nicht geeignet. Sowohl die Literatur als auch die Praxis sind bestrebt, „die notwendigen“ Antworten zu liefern. Nicht nur die Ökonomie, sondern auch andere Bereiche wie Politik oder Soziologie usw. müssen innerhalb einer globalisierten Welt neue Überlegungen anstellen und innovative und effektive Ideen hervorbringen. Die Intensivierung internationaler Kontakte, zunehmende Auslandsorientierung und Verflechtung der geschäftlichen Aktivitäten beanspruchen nicht nur in großen Konzernen, sondern auch in kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) einen erheblichen Raum. Die Fehleinschätzung des fremden Umfeldes kann gravierende Folgen haben (vgl. Dülfer 1997). Die kulturelle Heterogenität ist nicht nur
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ein Phänomen der Internationalisierung bzw. der Globalisierung, sie tritt auch im Mutterland eines Unternehmens auf, wenn zum Beispiel Spezialisten und Führungskräfte international rekrutiert werden. Es ist allgemein bekannt, dass der Bundesrepublik Deutschland in den nächsten Jahrzehnten die Fachkräfte ausgehen werden, deutsche Unternehmen bemühen sich bereits um ausländische Mitarbeiter (Greencard Initiative). Dieser Zustand wird sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen. Die internationale bzw. interkulturelle Zusammensetzung von Teams zwingt Unternehmen zu einer Auseinandersetzung mit dem Phänomen Kultur: „With today’s competitive workforce demographics the existence of culturally diverse teams is inevitable; and with today’s competitive environment, firms cannot afford to forego their value“ (vgl. Distefano/ Maznevski 2005, S. 45). Hauptaufgabe der Betriebswirtschaftslehre besteht darin, die Kultur als eine Einflussgröße anzuerkennen und der Praxis die Möglichkeit aufzuzeigen, wie sie die kulturelle Diversität als eine „competitive advantage and opportunity“ begreifen kann (vgl. Wheeler 2005, S. 5). Der Wandel durch die globalisierte Wirtschaft ist nicht mehr aufzuhalten, allzu deutlich haben sich die Rahmenbedingungen in der Betriebswirtschaftslehre verändert und „… the successful corporation of the future must be capable to manage them“ (vgl. Ohmae, 2006, S. 25). Ohmae, der noch in den 90er Jahren die wirtschaftliche Gewichtung in der Triade sah, bezieht sich heute auf eine Weltwirtschaft, die nicht nur die „ökonomischen Supermächte“ Japan, Europa und USA einbezieht. Die Entwicklung wird nicht nur von diesen Staaten koordiniert. Obwohl 486 der so genannten 1000 Globalplayer aus den USA stammen, ist ein Gegenwind aus Asien zunehmend zu spüren. Die ökonomischen Wunder werden weder in Japan, den USA, noch in Europa vollbracht. China und Indien sind die großen vielversprechenden Wirtschaftsmächte der Zukunft. Auch geographisch kleinere Boomländer wie die Vereinigten Arabischen Emirate stehen selbstbewusst zu ihrer neuen Rolle. Bei einer Podiumsdiskussion der Vorstandsmitglieder der Dubai World, BT, Saudi Basic Industries Corporation (Sabic), and Abraj Capital zur Strategieformulierung und Zukunftsperspektive Asiens, Chinas und Teilen des Orients hatte man ein klares Bild skizziert:
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"The West is ageing and losing momentum," sagt Mohammed Al Abbar. "You've got an ageing population, and an ageing economy. The East is where the true glamour is. The key with the East is to go very, very early, when airports aren't built and when highways aren't built. “The policies are about to change, and for those where the heart is strong and the mind is brilliant, you'll get the best of that world.” (vgl. Gulfnews, 12.06.2006). Wie oben bereits erwähnt, ist die ökonomische „Umbruchstimmung“ in allen Teilen der Welt zu verspüren. Ohmae unterteilt in einem aktuellen Aufsatz den Wandel in drei unterschiedliche Dimensionen:
Technological Change: Der technologische Wandel verändert die Rahmenbedingungen der Unternehmen. Die Informationsgeschwindigkeit hat enorm zugenommen. Die Informationstechnologie wird weiter rasant wachsen. Unternehmen aller Branchen und Größen müssen sich dieser Bedingung stellen.
Personal Change: Der Mensch muss lernen, für sich selbst und seine Karriere zu arbeiten. Er muss anpassungsfähig sein und Teil der globalen Geschehnisse werden. Die Rolle des Beobachters sollte der Vergangenheit angehören.
Organizational Change: Organisationen verändern sich durch ihre Mitglieder. Die neue Organisation ist heimatlos, adaptiv und innovativ (vgl. Ohmae, 2006, S. 25).
Die Annahmen Ohmaes zeigen ein klares Bild: Der Wandel ist der Ausdruck einer globalisierten Wirtschaft. Dieser Wandel betrifft sämtliche Aspekte des menschlichen Daseins. Diese Bedingungen stoßen eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem kulturellen Einfluss in der Betriebswirtschaftslehre an (vgl. Meissner 1997, Schneider & Barsoux 2003, Fischer 2001 u.v.a.). Die Evidenz des allgemeinen Interesses und der Priorisierung dieser Thematik wird in der Flut von Veröffentlichungen deutlich. Aufgrund dieser Tatsache wird an dieser Stelle nicht weiter auf den Zusammenhang zwischen Betriebswirt-
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schaftslehre und Kultur eingegangen, sondern auf die oben genannten Arbeiten hingewiesen. Die weiteren Ausführungen dieser Arbeit werden zeigen, dass die kulturelle Nivellierung Levitts nur bedingt korrekt ist. Kulturelle Unterschiede können immer wieder zu erheblichen Spannungen führen. Beispielsweise wollte die USamerikanische Regierung die Sicherheitskontrollen ihrer Häfen nicht in die „arabischen Hände“ des Unternehmens Dubai Port geben. Ein weiteres Beispiel ist die in westlichen Räumen verbreitete Neigung, Streitigkeiten vor Gericht auszutragen, während Konflikte in arabischen Ländern primär mit Hilfe von Vermittlern gelöst werden (vgl. Huntigton 1996, Fukuyama 1997). An dieser Stelle ist es hilfreich, sich das im vorangegangenen Kapitel beschriebene Selbstverständnis der Kultur ins Gedächtnis zu rufen. Zusammenfassend umfasst der Begriff der Kultur folgende Eigenschaften:
Kultur ist ein System von Konzepten, Überzeugungen, Einstellungen und Wertorientierungen
Diese werden sowohl im Verhalten und Handeln als auch in ihren geistigen und materiellen Produkten sichtbar
Kultur definiert die Art und Weise, wie Menschen leben und handeln und was sie aus sich selbst und ihrer Welt machen
Die Kultur ist etwas spezifisch Menschliches, sie hat eine Orientierungsfunktion
Kultur umfasst alles, was durch menschliches Handeln erzeugt wird, diese Besonderheit zeichnet den Menschen als Kulturwesen aus
Zwischen einer Kultur und ihren Mitgliedern herrscht eine Wechselbeziehung: Der Mensch schafft Kultur und wird wiederum von ihr geprägt.
Während die angloamerikanische Literatur eher praxisorientiert ist und nach dem „case studie Prinzip“ die Forschung vorantreibt, bemüht sich die deutschsprachige Literatur, neue Forschungsergebnisse in vorhandene Theorien einzuordnen. Das Ziel beider Vorgehensweisen ist vorgegeben: „…managers and researchers
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should recognize that diversity has become an inescapable social fact and figure out how to maximize its benefits while minimizing its negative effects” (vgl. Wheeler 2005, S. 53). 2.3.1
Organisationen im Kontext der Interkulturalität
Der Zusammenhang zwischen Betriebswirtschaftslehre und Kultur ist in groben Zügen oben beschrieben worden. Spätestens nach den Veröffentlichungen von Hofstede, Trompenaars/ Hampden – Turner und Hall & Hall ist der kulturelle Einfluss innerhalb der Wirtschaftswissenschaften nicht mehr wegzudenken. Die interkulturelle Vielfalt ist die „…single most important performance of the 21st century“(vgl. Wheeler 2005). Diese Annahme hebt die Funktion der Kultur als einer immer vorhandenen Größe hervor. Auf der einen Seite fördert Diversität die Flexibilität, Kreativität und die Innovationsfähigkeit, auf der anderen Seite bedroht sie die Stabilität einer Organisation. Die Aufgabe der Organisationsmitglieder, insbesondere des Managements besteht darin „… to maximize its benefits while minimizing its negative effects“ (vgl. Kahle 2001, Wheeler 2005). Die gewonnenen Kenntnisse werden sowohl in der Forschung als auch in der Beratungspraxis angewandt und teilweise weiterentwickelt. Beide Bereiche sind bemüht, immer neue Ansätze zu präsentieren. Besonders die Forschung unternimmt Anstrengungen um die Weiterentwicklung, um den Faktor Kultur in den relevanten Bereichen. In diesem sich teilweise noch im Rohbau befindlichem Theoriegebäude sind auch die aktuellen Ansätze zur Organisationstheorie untergebracht. Organisationen sind komplexe soziale Gebilde, die vielen Problemen ausgesetzt sind, die jedoch eine theoretische Durchdringung wert sind. Es existieren unterschiedliche theoretische Ansätze, die Integration einer „Supertheorie“, die alle Teilaspekte betrachtet, ist bisher jedoch noch nicht gelungen (vgl. Kieser, 2002).
Der Organisationsforscher Morgan stellte fest: „Organizations are many things at once“ (Morgan, 1986). Ein Abbau des Theoriepluralismus sollte nicht Ziel der Organisationswissenschaften sein. Die unterschiedlichen Organisationstheorien sind nicht Untersuchungsgegenstand dieses Abschnittes.
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Hier soll die Frage beantwortet werden, inwieweit Organisationen dem kulturellen Einfluss unterliegen oder ob es Organisationen und Teilbereiche gibt, die wenig oder gar nicht vom kulturellen Einfluss tangiert werden. Grundsätzlich sind Organisationen ein Ausdruck des Kollektiven, d.h. es findet immer eine menschliche Interaktion statt. Kollektivität unterliegt dem kulturellen Einfluss, da Menschen in Interaktion treten, auch Menschen unterschiedlicher Kulturen. Im Abschnitt 5 dieser Arbeit wird aufgezeigt, wie netzwerkartige Organisationen Innovationspotenzial hervorbringen kann. Wie ist die Balance zwischen rationaler, zweckorientierter und ökonomisch effizienter Performance unter Berücksichtigung der so genannten Softskills zu koordinieren? Mit anderen Worten: „…the diversity Performance Factor is the nexus, the convergence, the intersection, at which diversity can be an enabler, or inhibitor – an advantage or a disadvantage – to achieving business success” (vgl. Wheeler 2005, S. 53).
Die Rolle der Kommunikation ist in diesem Zusammenhang besonders hervorzuheben. Fischer geht in seiner Arbeit soweit, dass er Kommunikation als den grundlegenden Prozess der Organisation darstellt (vgl. Fischer 2001, S. 21). Wirtschaft ist ein Teilsystem der Gesellschaft. Ökonomisches Handeln ist immer zugleich soziales Handeln (vgl. Aderhold 2003, S. 175). Kieser greift diesen Gedanken des sozialen Aspektes der Organisation auf und kommt zu dem Ergebnis, dass Organisationen sich durch Kommunikation und Handeln bzw. Interaktion auszeichnen. Sie werden ständig durch Kommunikation intersubjektiv interpretiert sowie neu interpretiert und damit stabilisiert bzw. verändert (vgl. Kieser 2002, S. 305). In diesem Sinne werden Organisationen als soziale Systeme verstanden, sie sind ein Teilsystem der Gesellschaft. Jede Organisation ist in ihre jeweilige Umwelt eingebettet. Sie wird von der umgebenen Gesellschaft geprägt und die jeweilige Gesellschaft wird wiederum durch sie beeinflusst. Es herrscht eine wechselseitige Austauschbeziehung. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, ist die Kultur die Ausprägung einer Gesellschaft (vgl. Tenbruck 1990). Schlussfolgernd ist die wirtschaftliche Sphäre nicht von der kulturellen Sphäre zu trennen (vgl. Fukuyama 1995). Organisationen sind dem kulturellen Einfluss un-
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terlegen. Trotz dieser Erkenntnis findet der Faktor Kultur in den modernen Organisationstheorien und innerhalb der Unternehmen wenig Akzeptanz. Die Fortpflanzung dieses Gedankengutes zeichnet sich in vielen Bereichen ab. Besonders die amerikanische Beraterpraxis leistet an einigen Stellen Pionierarbeit (vgl. Trompenaars/Hampden-Turner 2000). Im Zeitalter der Globalisierung und verstärkten Wettbewerbs sollten Unternehmen (dieser Begriff wird synonym zu Organisationen verwendet) sich dieses Einflusses bewusst werden. Die Schärfung des Bewusstseins und Fokussierung des Faktors Kultur können einen erheblichen Wettbewerbsvorteil bedeuten. Die Gewichtung der Kultur kann allerdings in unterschiedlichen Branchen und Unternehmensbereichen unterschiedlich ausfallen. Während die technische oder informationstechnologische Branche kaum den Einfluss der Kultur wahrnimmt, haben andere Branchen wie die Dienstleistungsbranche, insbesondere die Unternehmensberatungen, sich dieser Einflussgröße geöffnet. Gerade für Unternehmen, die Technik oder Informationstechnologie in den Vordergrund stellen, rückt das Phänomen Kultur oder kulturelle Heterogenität in den Hintergrund. Dabei ist nicht die Interkulturalität an sich das Problem, sie birgt aber oft einen nicht erkannten und daher gefährlichen Anteil an Problemen. Zum Beispiel kann der bisherige Erfolg des Flugzeugbauers Airbus nicht darüber hinwegtäuschen, dass unterschiedliche kulturelle Interessen und Mentalitäten auch für Spannungen im internationalen Gefüge sorgen (vgl. Pateau 1999). Mit anderem Worten sollten auch technik- bzw. ingenieurlastige Unternehmen Organisationsstrukturen schaffen, die den Faktor Kultur berücksichtigen. Die vermeintliche Unabhängigkeit der Technologie wird zum Beispiel bei der Einführung neuer Softwareprojekte deutlich. Die mental-kulturellen Faktoren werden vernachlässigt, obwohl einige Autoren bereits in vergangener Zeit darauf hinwiesen, dass die vorwiegend technischen Aufgabenstellungen in die so genannten sozialen Systeme eingebettet sind (vgl. Heim, 1999). Ein Tochterunternehmen der deutschen Telekom AG (die T-Systems) hat in jüngster Zeit das Problem erkannt; die Berücksichtigung des kulturellen Umfeldes soll nun eine größere Rolle genießen. Gerade bei der Entwicklung neuer IT-Projekte oder ihrer Ein-
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führung soll in der Zukunft bei T-Systems dem Faktor Kultur mehr Beachtung geschenkt werden. Die Knappheit wirtschaftlicher Güter und die daraus resultierenden ökonomischen Probleme, sowie die Möglichkeit ihrer Verminderung durch arbeitsteilige Aufgabenerfüllung bilden den Kern des Organisationsproblems (vgl. Picot/Reichenwald/Wieland 2001). Dieses Kernproblem ist im Zeitalter der Globalisierung um die Problematik gewachsen, die sich aus der zunehmenden internationalen bzw. interkulturellen Zusammenarbeit ergibt. Die Globalisierung und der dadurch intensivierte Wettbewerb konfrontiert nicht nur große Unternehmen, sondern auch KMUs mit neuen Problemen. Unternehmen aller Branchen müssen sich mit dem Phänomen Kultur auseinandersetzen, denn „Many organization of the 21st century are multicultural“ (vgl. Triandis 2007, S. 200). Kulturelle Diversität führt zu Veränderungen in den Organisationen. Die unten aufgeführte Wertschöpfungskette nach Porter zeigt alle relevanten Bereiche eines Unternehmens. Anhand dieser graphischen Darstellung soll aufgezeigt werden, wie stark der kulturelle Einfluss die einzelnen Bereiche tangiert. Die Analyse einzelner Teilbereiche eines Unternehmens lässt sich anhand der Wertschöpfungskette gut darstellen. Der Faktor Kultur ist eine Einflussgröße auf alle Bereiche eines Unternehmens. Beispielsweise ist die Firmenstruktur bzw. Unternehmenskultur die Reflexion der jeweiligen Landeskultur. Der Bereich Forschung und Entwicklung wird durch die zunehmende Zusammensetzung multikultureller Teams mit dem Faktor Kultur konfrontiert. Marketing ist besonders der kulturellen Diversität unterlegen. Für die Analyse und Erschließung neuer Absatzmärkte muss dieser Einflussgröße große Beachtung geschenkt werden. Perlitz kommt auch zu der Überzeugung, dass der Einfluss der Kultur in allen Teilbereichen evident ist, aber die Kultursensibilität besonders in personenund verhaltensbezogenen Bereichen gefragt ist (Perlitz 1995, S. 300). Aus diesem Grund wird an anderer Stelle auf die internationale Personalpolitik Bezug genommen.
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Hohe Informationsgeschwindigkeit, neue Technologie sowie das Internet schalten eine singuläre Betrachtung der Marktpartner quasi aus. Die ursprünglich hohen Anbahnungskosten zwecks Informationsbeschaffung sind durch die Nutzung und Verbreitung des Internets um ein Vielfaches gesunken. Mit anderen Worten: Bei mono- bzw. oligopolistischen Marktsituationen sind die Partner aufeinander angewiesen, d.h. die kulturellen Barrieren müssen zugunsten von Erfolgsaussichten beseitigt werden. 2.3.2
Organisationskultur vs. Nationale Kultur
Es ist evident, dass Organisationen in ihre jeweilige Umwelt eingebettet sind (vgl. Die Unternehmenskultur hat durch ihre schlagartige Verwendung in der Praxis an Popularität gewonnen (vgl. Kahle 1991, S. 17). Die anfangs fehlende wissenschaftliche Einordnung ist im Laufe der Zeit nachgeholt und in einer Fülle von Publikationen ausführlich diskutiert worden.
Granovetter 1985, Dülfer 2001, Sutcliffe/Huber 1998, Schein 2004).
In diesem Abschnitt ist der Zusammenhang zwischen der Organisationskultur und ihrer Einbettung in die nationale Kultur Gegenstand der Betrachtung. Es soll lediglich aufgezeigt werden, inwiefern die Organisationskultur die nationale Kultur beeinflusst – oder auch umgekehrt – wie die Landes- bzw. nationale Kultur die Organisationskultur beeinflusst. Diese Wechselbeziehungen, zwischen einer muslimisch – arabischen Landeskultur einerseits und einer hohen Diversität anderer Kulturen der Mitarbeiter andererseits, bilden in Dubai die Basis jeder Organisation. Allgemein betrachtet ist dieser Ansatz in der Betriebswirtschaftslehre; „…the most frequently discussed cultural sphere is corporate culture“ (vgl. Schneider/Barsoux 1997, S. 68).
Unter Unternehmenskultur ist ein historisch gewachsenes, von den Erlebnissen der Vergangenheit geprägtes, gruppenspezifisches Phänomen, das von gemeinsam geteilten Werthaltungen bestimmt, ist zu verstehen (vgl. Perlitz 1995, S. 511). Die Identifikation mit dem „eigenem“ Unternehmen wird international zwar angestrebt, aber unterschiedlich forciert. Während deutsche Unternehmen sich meistens auf gemeinsame Grundsätze und Ziele beschränken, demonstrieren zum 24
Beispiel japanische Unternehmen ihr Zusammengehörigkeitsgefühl durch gezieltes soziales Vernetzen. Beispielsweise wird die Freizeit gemeinsam gestaltet, das Tragen von einheitlicher Arbeitsbekleidung, nachbarschaftliches Wohnen in unternehmenseigenen Einrichtungen, der Besuch der Kinder von gleichen Schulen usw. (vgl. Fukuyama 1997, Rothlauf 1999). Ein Teilbereich des Airbus Topmanagements ist überzeugt, wenn die Mitarbeiter des Konzerns mehr (Frei-) Zeit miteinander verbringen würden, könnten einige Lösungsansätze außerhalb des Betriebes generiert werden. Hofstede liefert mit seiner „klassischen“ IBM Studie den Beleg, dass trotz einer starken Unternehmenskultur, „…national culture continues to play a major role in differentiating work values“ (vgl. Hofstede 1991, S 56). Mit anderen Worten, eine starke Unternehmenskultur kann nach außen eine Einheit (corporate identity) suggerieren, eine Divergenz der unterschiedlichen Werte und Normen bleibt aber dennoch erhalten. Vadi erwähnt in diesem Zusammenhang folgerichtig, „…culture units peoples’ behavior, but it may also create barriers between different groups…“ (vgl. Vadi 2006). Unternehmen sind unterschiedlichen Herausforderungen ausgesetzt: Zum einen müssen sie sich auf einem wettbewerbsintensiven, global ausgerichteten Markt durchsetzen, zum anderen soll die Konsequenz der Internationalisierung bzw. Globalisierung ökonomisch sinnvoll genutzt werden. Es ist von entscheidender Bedeutung eine Unternehmenskultur zu entwickeln, die so ausgerichtet ist, dass sie die Bedürfnisse der Unternehmen und ihrer Mitarbeiter zufrieden stellend deckt. Von besonderem Interesse ist die Fragestellung, die und auf welchem Wege Organisationen mit einer einer hohen Diversität eine Unternehmenskultur entwickeln. Im 5. Teil der vorliegenden Arbeit wird unter Berücksichtung sozialer Vernetzungen diese Thematik ausführlicher diskutiert werden. Bei der Gestaltung der Unternehmenskultur geht es zwar nicht nur um die Diversität ihrer Mitglieder, sondern die Einbettung des Unternehmens in eine Gesellschaft im Sinne Granovetters spielt eine wesentliche Rolle (vgl. Granovetter 1997, Hofstede 1997, Dülfer 1997). Die Umwelt – Unternehmen Beziehung übt in beide Richtungen eine prägende Rolle.
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Die Vielschichtigkeit der Kultur und ihr Einfluss werden insgesamt unterschätzt. Besonders deutlich ist diese Tendenz in der Praxis zu beobachten. Um den Unternehmenserfolg nicht zu gefährden, sollte bei der Entwicklung der Unternehmenskultur bewusst die Komponente Kultur eine tragende Rolle spielen. Im Laufe der Arbeit wird anhand der Fallstudie Dubai deutlich, wie konkret Unternehmens- und Landeskultur miteinander verknüpft sind. Während die nationale Kultur sich grundlegend im Laufe von Generationen verändert, ist eine Anpassung und Neuausrichtung bei der Unternehmenskultur schneller vollziehbar. Diese kurze Einführung wird keineswegs der hohen Bedeutung der Unternehmenskultur gerecht. Sie soll lediglich den Zusammenhang zwischen der Landesund der Unternehmenskultur belegen. Thematisch wird im weiteren Verlauf dieser an diesen Punkt angeknüpft werden, um die Wirkung dieses Kontextes für Dubai heraus zu arbeiten. 2.4
Zusammenhang zwischen kulturellem Umfeld und ökonomischem Handeln
Zu Beginn dieses Abschnitts wird auf die Frage eingegangen, inwieweit ökonomisches Handeln durch kulturabhängiges Verhalten beeinflusst wird. Diese Fragestellung hat ihren Ursprung in den Sozialwissenschaften, insbesondere in der Soziologie. Die ökonomische Effizienz bzw. Ineffizienz der Handlungen findet in diesem Sinne Berücksichtigung. Wie oben bereits erwähnt, ist die Nivellierung der Kultur nicht vertretbar und wird durch empirische und theoretische Arbeiten abgelehnt. Es ist kein Geheimnis, dass die Menschen zu unterschiedlichen Fragestellungen, wie Gerechtigkeit, Absicherung in allen möglichen Lebenslagen, Demokratieverständnis, Wettbewerb usw. unterschiedliche Meinung haben. Individuelle Fähigkeiten, menschliches Wissen und Verhalten sind teilweise schwer mit Worten erfass- und beschreibbar. Der Mensch versucht zwar rational zu handeln, dies gelingt ihm aber nur in begrenztem Maße. Für dieses Verhalten nennt Simon unterschiedliche Gründe: Zum einem existieren neurophysiologische Ursachen, die eine limitierte
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Informationsverarbeitungskapazität des menschlichen Gehirns zur Folge haben. Zum anderem nennt er kommunikative Probleme, die erst durch Training und Vermittlung vom impliziten Wissen zu überwinden seien. Die Frage, die hier aufgeworfen wird, lautet: Wie wird insbesondere das wirtschaftliche Verhalten von Menschen unterschiedlicher Kulturen beeinflusst? Hofstede, einer der meistzitierten Autoren im Bereich des Interkulturellen Managements, konstatiert, dass „every person carries within him or herself patterns of thinking, feeling and potential acting which were learned throughout their lifetime“ (vgl. Hofstede, 1991, S. 4). Jeder Mensch hat einen kulturellen Hintergrund, der ständig präsent ist und sein Verhalten beeinflusst. Der Ansatz der Cognitive maps hat sich im Kontext von Kultur und Ökonomie bewährt (Kahle 1999). Mitglieder der gleichen Kultur verhalten sich nicht immer gleich. Vielmehr ist anzunehmen, dass Handlungen von Kollektiven sich aus der Summe der Aktivitäten ihrer einzelnen Mitglieder erklären lassen. Granovetter bezeichnet diesen Zusammenhang als Problem des „embeddedness“ (vgl. Granovetter 2001, S. 51). Soziale Strukturen „… especially in the form of social networks, affect economic outcomes…“ (vgl. Granovetter 2005, S. 33). Die Menschen in demokratisch orientierten Ländern mit einer marktwirtschaftlichen Prägung stellen Leistung und Selbstverantwortung in den Vordergrund. Menschen in Diktaturen oder auch in den ehemaligen kommunistischen Ländern zeigen eine Abneigung gegenüber Selbstständigkeit und geben Verantwortung nach oben ab (vgl. Hummel & Zander 2005, S. 10). Während Granovetter vom „problem of embededdness“ ausgeht und das „economic behaviour“ aus einer soziologisch anthropologischen Perspektive betrachtet, geben die Autoren der Neuen Institutionsökonomie dieser Betrachtungsweise kaum Raum. In diesem Ansatz, der stark von North und Williamson geprägt ist, verlagert sich der Fokus. Nicht das Individuum oder das Wirtschaftssubjekt stehen im Vordergrund, sondern Institutionen. Diese Institutionen beeinflussen und strukturieren das menschliche Verhalten (vgl. Opper, 2001). Williamson nimmt später auf die sozialen Aspekte Rücksicht: „….the economic institution needs to
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make provision of two background conditions: the condition of societal embededdness and the attributes of human actors” (vgl. Williamson 1998, S. 75). Die zentrale Frage, die Williamson in diesem Zusammenhang stellt, lautet: “A recurring concern is when and why do reputation-effect mechanism work well and poorly?” (vgl. Williamson 1998, S. 77). Nach der ersten Veröffentlichung Ronald Coases im Jahre 1937 zum Thema “The Nature of the firm” hat Williamson viele Jahre später seine Gedanken um weitere wichtige Aspekte erweitert. Die Veränderung der Transaktionskostenstruktur durch die Berücksichtigung des kulturellen Umfeldes und die daraus resultierende Verhaltensanahme wird in den neueren Arbeiten berücksichtigt. Kernbereich der Managementfunktion der Organisation ist es, Organisationsstrukturen aufzubauen und zu gestalten. Diese formalen Strukturen dienen den Mitgliedern als ein Referendum. Sie tragen maßgeblich zum Verhalten der Organisationsmitglieder bei. Kieser hebt hervor, dass Organisationsstrukturen sozial und nicht technisch konstruiert sind (vgl. Kieser 2002, S. 304). Demzufolge sind auch die Organisationsstrukturen von der Nicht-Trivialität des Menschen bestimmt. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, wird das Verhalten des Menschen maßgeblich durch seine Kultur geprägt (vgl. Hall & Hall 1998, Hofstede 2001, Trompenaars 2006, Triandis 1997, Granovetter 2001). Die unten aufgeführte Tabelle geht auf einige Aspekte der Kulturdimension von Hall & Hall ein. Dieser kleine Ausschnitt zeigt, wie unterschiedliche Kulturen das Verhalten ihrer Mitglieder prägen können. Grundsätzlich sind Menschen und Organisationen in der Lage komplexe Situationen sachgerecht zu handhaben, allerdings passiert das nicht immer (vgl Kahle 2001).
Das Supereffiziente Unternehmen wäre das Resultat einer solchen Vorgehensweise (vgl. Hammer 2002). Wie allgemein bekannt, ist dieser Idealzustand eher realitätsfremd. Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass der kulturelle Hintergrund der Organisationsmitglieder das Handeln und Verhandeln stark beeinflusst. Jede Or-
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ganisation muss diesen Faktor berücksichtigen und in ihre Strategie integrieren. Durch gezielte Nutzung der Synergieeffekte, die bei kultureller Vielfalt entstehen, kann man eine Reduktion von negativen Effekten erreichen (vgl. Oesterle 2007). 2.5
Management und Kultur
Die Beziehung zwischen Betriebswirtschaftslehre und Kultur ist im Abschnitt 2.2 diskutiert worden. Es liegt eine Vielzahl von Befunden vor, die einen Zusammenhang konstatieren und es scheint, als ob „Cross- cultural management is rapidly becoming everyone’e challenge“ (vgl. Tjosvold/Leung 2003, S. 1). Dementsprechend sind Managementforscher und Beratungsunternehmen damit beschäftigt vorhandene Managementansätze durch Ergänzungen zu verändern und/oder neue zu entwickeln, die dieser Herausforderung gerecht werden sollen. An weiterer Stelle dieser Arbeit wird erkennbar, dass mit allgemeinen Managementansätzen nicht jedes (kultur-)spezifische Problem behoben werden kann. Daher wird die Forschung noch lange an dieser Thematik arbeiten müssen. Die allgemeine Managementlehre mit den unterschiedlichen Ansätzen ist europäischamerikanisch geprägt. Besonders in den USA genießen Managementansätze große Popularität. Trompenaars und Hampden-Turner bezeichnen die Rolle der USA innerhalb des Managements als „...the principal source of management theory…“ allerdings gestehen sie ihr auch trotz der enormen Bedeutung in der Theorie und Praxis zu, dass “…the favorite American solutions do not always solve the dilemmas of other nations.“ (vgl. Trompenaars/Hampden-Turner 1997, S. 183). In der deutschsprachigen Literatur ist in der Regel ein Zurückgreifen auf die amerikanischen Arbeiten zu beobachten. Die Evidenz des Kontextes zwischen der Betriebswirtschaft und Kultur führt zu Veränderungen vieler Managementaufgaben. Die Bezeichnung Management oder Manager ist facettenreich, daher ist es sinnvoll, eine grobe Begriffsdefinition vorzunehmen. In der Literatur wird zwischen dem funktionellen und dem institutionellen Begriff des Managements unterschieden (vgl. Dülfer 2001, S. 1). Die funktionelle Bedeutung des Managements wird oft an die betriebswirtschaftli-
29
Funktionsbereiche geknüpft (vgl. Porter 1985). Die funktionelle Aufgabe des Managements ist im Rahmen dieser Arbeit relevant, weil sie Aspekte wie Führungsverhalten oder Strategieformulierung berücksichtigt, außerdem werden interkulturelle Vernetzungen diesem Bereich zugeordnet. Wie oben bereits festgestellt, ist der Faktor Kultur aus der Betriebswirtschaftslehre nicht mehr wegzudenken. Welche Rolle übernimmt er innerhalb der Managementlehre? Ist die Rolle der Kultur eher adaptiv, d.h. wird sie dem herrschenden Managementansatz untergeordnet. Oder verändert ihre neu erworbene Wahrnehmung die ursprünglichen Ansätze? 2.5.1
Führungsverhalten und Interkulturalität
Betriebswirtschaftliches Handeln ist stets nur das Handeln von Menschen. Der Erfolg der Führungskräfte ist somit davon abhängig, ob sie die eigenen (kulturbedingten) Vorstellungen in das konkrete Verhalten anderer Menschen umsetzen. Dies setzt Erkenntnisse der kulturellen Prägung der Mitarbeiter voraus, die das Verhalten beeinflussen oder sogar steuern. Parson weist mit der Funktion des „latent pattern maintenance“ in seiner Theorie des Handlungssystems darauf hin, dass die Tradierung von kulturellen Mustern auch in unbewussten oder unbeabsichtigten Prozessen erfolgen kann (vgl. Parson 1976, S. 20, Luhmann 2000, S. 587).
Die Wahrnehmung der Umwelt (vgl. Dülfer 2001) und ihre Einschätzung spielt innerhalb einer Organisation eine mehrdimensionale Rolle. So konstatieren Sutcliffe und Huber in ihrer empirisch orientierten Arbeit, dass „…perception of the environment is important for enhancing our understanding of strategic decision processes, firm actions and organizational outcomes“ (vgl. Sutcliffe/Huber 1998). Soweit Vertrauen in die Betrachtung mit eingeht, verändert sich auch die Dimension, in der Transaktionskosten erfasst werden, weil Vertrauen als Gut „sui generis“ in ganz anderen Wirkungszusammenhängen als materielle Gewinne und Verluste verankert ist (vgl. Kahle 1997).
30
2.5.2
Strategie und kulturelle Diversität
Die Begriffe Strategie und Planung wurden historisch im Zusammenhang mit militärischen Fragestellungen und Kriegsführung verwendet. In den 1960ern wurde, bedingt durch die Knappheit der Ressourcen und Zunahme des Wettbewerbes, der Begriff des Strategischen Managements in die Betriebswirtschaftslehre übertragen. Die anfänglichen Arbeiten fokussierten die “… organisational strength and weakness and environmental opportunities and threats (SWOT)…” (vgl. Schneider/Barsoux 2003, S. 119). Auf Grundlage der SWOT Analyse wurden entsprechende Strategien entwickelt. Insbesondere im Zusammenhang mit der Internationalisierung von Unternehmen genießt die SWOT-Analyse eine größere Rolle (vgl. Kutschker/Schmid 2005, Perlitz 1997, Welge/Holtbrügge 2001). Strategisches Management gewann vor allem bei den internationalen Beratungsunternehmen an Bedeutung. Die Boston Consulting Group oder die McKinsey spezialisierten sich auf dieses Feld und gaben dem Management unterschiedliche Instrumente zur Bewältigung des Alltags in die Hand. In den 80ern genoss die SWOT-Analyse oder die Matrix der „…cash, cows, dogs and stars“ eine große Popularität (vgl. Schneider/Barsoux 2003, S. 119). Die Arbeit von Porter rückte die Identifizierung von Wettbewerbsvorteilen in den Vordergrund (vgl. Porter 1985). Managementansätze, wie die ressource-based view oder institution Al-view, die Konzentration auf die Kernkompetenzen oder der Ansatz des Wissensmanagements, gewannen an Bedeutung innerhalb des Strategischen Managements. Diese Ansätze haben bis heute nicht an Glanz verloren. Die Globalisierung der Unternehmen hat allerdings Managementforscher und -berater auf einen weiteren relevanten Aspekt aufmerksam gemacht. Die Diversität der Kulturen und ihr Einfluss auf betriebswirtschaftliche Prozesse haben vor allem deskriptive Ansätze zur Beschreibung und Einordnung der Kultur und ihre anschließende Handhabung zur Folge gehabt. Dieser Wandel wurde von der empirischen Arbeit Hofstedes ausgelöst. 2.6
Studien zur Landeskultur innerhalb des internationalen Managements
Sowohl in der Betriebswirtschaftslehre, als auch in anderen Disziplinen, hat der Faktor Kultur an Brisanz und Popularität zugenommen. Der Gliederungspunkt 31
2.3 zeigte, dass die Kultur in zahlreichen Wissenschaften auf großes Interesse stößt. Es ist zunehmend zu beobachten, dass die Bemühungen um adäquate Lösungsansätze zugenommen haben. Nicht der Umgang mit dem Faktor Kultur ist neu, sondern die Erkennung des Zusammenhanges zwischen Kultur und Ökonomie. Es ist von großer Bedeutung, das Verhalten des Menschen aus einer kulturellen Prägung heraus zu erklären. Nachdem die Rolle der Kultur im Kontext des menschlichen Verhaltens und der Unternehmenskultur diskutiert wurde, sind ausgewählte Studien zur Kultur Gegenstand der Untersuchung. Ziel dieser Vorgehensweise ist es, einen Gesamtüberblick der bisher relevanten Arbeiten wiederzugeben, der sich mit der Thematik Betriebswirtschaftslehre und Kultur beschäftigt. Unabhängig von der Frage, ob die Konfrontationen der Kulturen Konflikte (vgl. Huntington 1998), Anpassung oder Wandel auslösen, ist es heute von zentraler Bedeutung zu verstehen, worin sich Kulturen unterscheiden. Durch die Erkennung und Erzeugung von Verständnis der kulturellen Unterschiede wird die Möglichkeit geschaffen „…to understand, approach, and handle our cultural differences“ (vgl. Tjosvold/Leung 2002, S. 1). Schein argumentiert ähnlich wie beispielsweise Hofstede oder Triandis und beschreibt den Einfluss der Kultur als mächtig. Er ist überzeugt, dass „if we don’t understand the operation of these forces, we become victim of them“ (vgl. Schein 2004, S. 3). Diese Überlegungen überzeugten im ersten Moment, die Studien der Landeskultur der einschlägigen Autoren wie Hofstede, Triandis, Trompenaars/ HampdenTurner, Hall & Hall und Dülfer zur Entwicklung des Lösungsansatzes heranzuziehen. Zu Beginn der Bearbeitung dieses Abschnittes stand fest, dass die Studien zur Kultur innerhalb des internationalen Managements von Bedeutung sind und sie daher unbedingt berücksichtigt werden sollten. Nach intensiver Beschäftigung mit den Studien von Hofstede, Tropenaars/ Hampden-Turner, Hall/ Hall, Triandis und Dülfer im Kontext der Wirtschaftskultur Dubais, zeichnet sich ein Problem ab: Diese Ansätze sind im Zusammenhang mit einer überwiegend arabisch-muslimischen Kultur wenig brauchbar. Die oft zitierten Arbeiten haben zu einer großen Theoriegenese in der westlich-betriebswirtschaftlichen Betriebs32
wirtschaft geführt. Es ist durchaus möglich, dass die unterschiedlichen Kulturstudien im Kontext westlich geprägter Fragestellungen fruchten, aber sie sind in anderen Kulturräumen nur bedingt nutzbar. Zur Gewinnung eines ersten Eindrucks oder Überblicks können diese Arbeiten herangezogen werden; zur Lösung konkreter Probleme der Wirtschaftskultur Dubais können sie jedoch keinen wesentlichen Beitrag leisten. Gerade die „klassische“ Studie Hofstedes bei IBM, die Bestandteil jeder wirtschaftskulturellen Arbeit sein muß, stößt im Umgang mit nicht westlich geprägten Fragestellungen an ihre Grenzen. Beispielsweise ist die arabische Kultur nach Hofstedes Klassifizierung feministisch ausgeprägt. Diese Begrifflichkeit ist unglücklich gewählt. Nicht westlich geprägte Menschen verbinden mit dem Begriff “feministisch“ andere Attribute. Araber als feministisch zu bezeichnen, kann Konflikte auslösen, weil diese Beschreibung beleidigend wirken kann. Ein weiterer Mangel besteht darin, dass Hofstede für 9 verschiedene arabische Länder völlig gleiche Werte in vier Dimensionen ausweist. Es vernachlässigt die Tatsache, dass diese nicht monolithisch sind. Es lassen sich noch eine Reihe weiterer Beispiel aufführen, die belegen, dass die Ansätze der unterschiedlichen Autoren sich zur Charakterisierung von arabischmuslimischen Kulturräumen nicht eignen. Trompenaars zeigt Einsicht und zieht in Erwägung, dass die US-amerikanischen Ansätze eventuell nicht unbedingt auch auf andere Kulturen zu übertragen seien. Die Begrenztheiten dieser Ansätze werden sichtbar und führen zu einem neuen Ansatz zur Erfassung der interkulturellen Diversität von westlich-abendländischen Wirtschaftshandeln und dem in arabisch-muslimischen Ländern. Im Verlauf dieser Arbeit wurde das Problem der Inkompatibilität dieser Studien festgestellt und daher der Ansatz, aus diesen Arbeiten eine eigene Studie zur Charakterisierung der Wirtschaftskultur Dubais zu entwickeln, verworfen.
33
2.7
Zusammenfassung
In diesem Kapitel war der Begriff der Kultur Gegenstand der Untersuchung. Es wurde aufgezeigt, dass menschliches Handeln im Kontext seiner kulturellen Prägung zu sehen ist. Im Zuge der Globalisierung ist das Interesse der unterschiedlichen Wissenschaften an kulturbezogenen Fragestellungen gestiegen. Insbesondere hat die Kultur in der Betriebswirtschaftslehre an Bedeutung gewonnen, weil ihr Einfluss in den unterschiedlichen betriebswirtschaftlich relevanten Bereichen nicht zu übersehen ist. Kahle griff bereits 1991 zur Beschreibung der Unternehmenskultur auf die tradierten Normen und Werte zurück (Kahle 1991, S. 17). Insgesamt ist ein gesteigertes Interesse in der Betriebswirtschaftslehre vorhanden, welches sich in der Flut von Neuveröffentlichungen widerspiegelt. Auch die Managementberatung fokussiert sich verstärkt auf den Faktor Kultur in Unternehmen. Allerdings kratzen viele kostenintensive Beratungen, Trainings und Seminare oft nur an der Oberfläche. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, taugen diese Leistungen bestenfalls zur Gewinnung eines ersten Eindrucks. Für ein tieferes Verständnis der kulturellen Inhomogenität ist ein weiter gefasster Ansatz notwendig. Gerade der Umgang mit Kulturen, die viele implizite Merkmale aufweisen, bedarf einer adäquaten Herangehensweise. Der Versuch, die wirtschaftskulturellen Besonderheiten und Unterschiede Dubais mit den vorhandenen Kulturstudien zu erfassen, ist gescheitert, weil die eigene kulturelle Prägung der Autoren westlich orientiert und nur bedingt in anderen Kulturräumen nutzbar ist. Das Thema der eigenen kulturellen Prägung ist nicht nur in diesem Zusammenhang problematisch. Bassam Tibis Kritik an der europäischen Sichtweise fällt scharf aus: in langen historischen Perioden hätten Europäer, parallel zu ihrer Eroberung der Welt, ihre Bilder „der Anderen“ entwickelt und gepflegt, welche nur wenig Informationen und sehr viel mehr Vorurteile und projektive Vorstellungen über „die Anderen“ enthielten (vgl. Bassam Tibi, 1986, S. 9).
Das grundsätzliche Ziel des Kapitels ist erreicht; Es ist evident, dass menschliches Verhalten aus seiner kulturellen Prägung heraus zu verstehen ist. Daher be-
34
darf die betriebswirtschaftliche Lehre des ungehinderten Zugangs zu kulturrelevanten Informationen.
Im nächsten Abschnitt wird der Versuch unternommen, aus der Geschichte des Wirtschaftsdenkens im muslimisch-arabischen Kulturraum die Ökonomie Dubais zu typologisieren und einzuordnen.
35
3.
Die Wirtschaftskultur des Islam
Die Idee, in eine ökonomisch basierte Arbeit eine historische Entwicklung der Religion zu integrieren, mag ungewöhnlich erscheinen. Aber um den wirtschaftlichen Aufschwung Dubais im internationalen Kontext zu verstehen, ist ein geschichtlicher Abriss notwendig. Wie an anderer Stelle erwähnt, eignen sich herkömmliche, westlich geprägte Kulturstudien zur Erklärung der Wirtschaftskultur Dubais nicht. Um die wirtschaftliche Entwicklung Dubais zu verstehen, wird daher der Ansatz einer ganzheitlich historischen Herangehensweise gewählt, bei der auch die historische Entwicklung der Wirtschaft unter dem Einfluss des Islams betrachtet werden soll. Ziel dieser Vorgehensweise ist es, aus den geschichtlichen Grundlagen heraus die moderne Wirtschaftskultur Dubais zu erklären. Die Idee dieser Methode ist innerhalb der Betriebswirtschaftslehre ungewöhnlich, aber wie Burckhardt treffend feststellte, könne die Geschichte zum Verständnis aktueller Probleme und Fragestellungen einen erheblichen Beitrag leisten (vgl. Burckardt 1929). Die Durchdringungskraft der muslimischen Religion durch alle Lebensbereiche fordert daher die Einbeziehung der muslimischen Religion in die Untersuchung. Ziel dieses Kapitels ist es nicht, gesamtgeschichtliche Zusammenhänge wiederzugeben, sondern die wirtschaftskulturelle Entwicklung Dubais aus der Geschichte abzuleiten, denn Geschichte und Tradition sind auch Merkmale moderner, muslimisch geprägter Wirtschaftstheorien. Die Besonderheit des Islam besteht primär darin, dass es sich nicht nur um eine Religion handelt:Er ist der Entwurf einer Gesellschaftsordnung (vgl. Gellner 1985). Mit der Islamisierung (622) begann ein neues Zeitalter für die gesamte arabische Welt. Die Bezeichnung „Arabische Welt“ ist ein kontrovers diskutierter Begriff. Häufig wird mit dem Begriff der „Arabischen Welt“ eine Region assoziiert, in der arabisch gesprochen wird. Allerdings wird auch relativ schnell deutlich, dass die Funktion dieser Begrifflichkeit nicht nur deskriptiver Natur ist. Der Leitbegriff der arabischen Welt wird häufig verwendet, insbesondere in der Politik und
37 W. Haak-Saheem, Dubai als Staat und Organisation, DOI 10.1007/978-3-8349-6696-4_3, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
den Medien. Mit dem Attribut „Welt“ wird offenbar eine eindeutige Raumabgrenzung vermieden (vgl. Popp 2003). Die Karte betrachtend, auf der arabische Staaten und Gebiete darstellt sind, bezieht sich der Begriff der „Arabischen Welt“ auf die arabischen Staaten (vgl. Ronat 1972). Die „Arabische Welt“ umfasst die Länder Marokko, Westsahara, Mauretanien, Algerien, Tunesien, Sudan, Syrien, Libanon, Palästina, Jordanien, Irak, Kuwait, Saudi-Arabien, Bahrain, Katar, Vereinigte Arabische Emirate, Oman, Jemen, Djibuti, Somalia und die Komoren. Der Begriff der „Arabischen Welt“ wird laut der Karte zum Synonym für die politische Zusammenfassung der Mitgliedsstaaten zur „Arabischen Liga“. Diese Staatenzuordnung ist auf der einen Seite überzeugend, aber auf der anderen Seite weist sie auch Merkwürdigkeiten auf: In den Staaten Somalia, Djibuti, auf den Komoren und im Sudan sind die arabischstämmigen Bürger Minderheiten. Wenn die Bezeichnung „Araber“ als Merkmal der Zusammengehörigkeit zu einer bestimmte Ethnie angesehen wird, ist eine geographische Zuordnung eher problematisch. Denn die Personen, die als Araber bezeichnet werden, sind weder homogen noch leben sie zusammenhängend in einer Region. Es gilt eine enge Nachbarschaft oder Mischung arabischer und nicht arabischer Menschen. Außerdem ignoriert eine geographische Zuordnung die Minderheiten. In einer globalisierten Welt wird immer wichtiger, dass Personen, die möglicherweise als Araber bezeichnet werden, nicht immer einen geographischen Bezug zu dem Land haben müssen, aus dem sie stammen. In einigen Städten in Frankreich ist die Dichte der Araber gleich hoch oder sogar höher als die der restlichen Bevölkerung. Ähnlich sieht es im Südosten der Türkei aus. Umgekehrt ist der Anteil der ausländischen Arbeitnehmer in den Golfstaaten höher als der Anteil der arabischen Staatsbürger. Sind die Golfstaaten deshalb keine arabischen Länder mehr? In der Literatur sind keine eindeutigen Belege vorzufinden, wie der Begriff der „Arabischen Welt“ zu definieren ist (vgl. Popp 2004). Eine triviale und dennoch überzeugende Erklärung liefert das „Lexikon der arabischen Welt“: Alle Sprecher des Arabischen sind Araber (vgl. Ronat 1972). Demzufolge basiert die Zuordnung auf einem linguistischen Zusammenhang. 38
3.1
Qur’an und Sunna – die Durchdringungskraft des Islams durch alle Lebensbereiche
Nachdem im letzten Abschnitt der Begriff der Arabischen Welt skizziert wurde, soll nun die Rolle der islamischen Religion Gegenstand der Betrachtung sein. Die prämuslimische Phase wird vernachlässigt, weil sie zur Klärung ökonomisch-sozialer Fragestellungen, die sich auf das heutige Dubai beziehen, nicht relevant ist. Gläubige Muslime sehen in ihrer Religion nicht nur ein Element in ihrem Leben, welches, abgetrennt von allen anderen Bereichen, metaphysische Empfindungen bzw. Bedürfnisse systematisiert und befriedigt. Sie sehen im Islam den Entwurf für einen Lebensstil, der alle Bereiche des Lebens betrifft und durchdringt. Der praktizierende Muslim findet auf jede Detailfrage des Alltagslebens eine Antwort in den Primärquellen des Islam. Diese Primärquellen sind der Qur’an (gesammelte Niederschriften von Offenbarungen, die der Prophet Mohammed direkt von Gott «arab. „Allah“» erhalten hat) und die Sunna des Propheten Mohammed, d.h. Verhaltensregeln, die sich aus dem Leben des Propheten, aus seinen Taten, seinen Empfehlungen und Verboten ableiten. Diese sind in den Ahadith (pl.) gesammelt. Die göttliche Offenbarung im Qur’an hat eher einen allgemeinen Charakter; sie findet ihre Präzisierung durch die einzelnen Ahadith, die besondere Fragestellungen beantworten. Das Verhältnis zwischen Qur’an und Hadith (sing.) entspricht in etwa dem Verhältnis von Gesetzestext und Durchführungsverordnung, an anderer Stelle dem Verhältnis von Verfassung zum Gesetzestext. Erst wenn sich eine bestimmte Fragestellung ergibt, für die weder eine Offenbarung noch ein Hadith vorliegt, entsteht die Notwendigkeit einer neuen Regelung. In diesen Fällen greifen die sekundären Quellen der göttlichen Rechtleitung. So gibt es die Möglichkeit, ein Rechtsgutachten (arab. „Fatwa“) von einem Gelehrten (arb. „Alem“ sing.) einzuholen. Im Falle einer weit reichenden Allgemeingültigkeit für die Gemeinschaft aller Muslime (arab. „Umma“), werden die Ulemma (pl. von Alem), die anerkannten Gelehrten bzw. Weisen der muslimischen Welt, um eine gemeinsame Fatwa gebeten. In der westlichen Welt wurde
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die Bedeutung von solchen Fatwas zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Verbot der Mädchenbeschneidung durch den Rat der Ulemma bekannt (http://www.target-human-rights.de/HP-08_fatwa/index.php 24.11.2006/13.05.2008).
Individualfragen und Fragestellungen, die einer kurzfristigen Beantwortung bedürfen, werden auf Grundlage einer weiteren, als bedeutsam anerkannten Sekundärquelle der Rechtleitung durch Gott auf Grundlage der Ratio des einzelnen Gläubigen, beantwortet. Der Muslim trifft also selber ein Entscheidung, auf Grundlage seiner Kenntnis des Qur’an (im Idealfall in der kommentierten Fassung „Tafsir“), der Ahadith und ggf. bekannter Fatwas, die das aktuelle Problem zwar nicht regeln oder einen Analogieschluss zulassen, aber eventuell eine Richtungsweisung für eine persönliche Entscheidung durch den verantwortlichen Gläubigen geben können. Je geringer der Bildungsgrad, desto geringer die Quantität, aber auch die Qualität der Entscheidungsgrundlagen und umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, ungenau oder falsch zu entscheiden. Der Grundgedanke dieser Regel ist die eigenverantwortliche Entscheidungsfreiheit in Alltagsfragen. Die Fragen des Geschäftsalltags sind durch quranische Rechtssätze bzw. Ahadith geregelt. Die Rechtsquellen des Qur’an werden in der westlichen Hemisphäre oft als mittelalterlich geschmäht. In diesem Zusammenhang werden üblicherweise lediglich die strafrechtlichen Sanktionen betrachtet, die aus heutiger Betrachtung mit kulturell westlichem Hintergrund als extrem hart und vielfach überaus grausam empfunden werden. Dabei werden sehr oft die sinnvollen und gut strukturierten zivilrechtlichen Regeln und Handlungsempfehlungen übersehen, die seit mehr als 14 Jahrhunderten dem Geschäftsleben in der arabischen Welt eine Grundlage geben. Exemplarisch für eine Fülle sinnvoller Ahadith sei hier nur der Folgende dargestellt: „Der Gesandte Allahs, (Allahs Segen und Friede auf ihm) verbot den Verkauf durch den Wurf der Ware, und dies bedeutet, dass der Verkäufer ein Kleidungsstück zum Käufer hinwirft, das er auch kauft, ohne es jedoch hin und wieder gewendet und gesehen zu haben…“ (vgl. Al Bukhari, S.274, Hadith 2144).
Der Islam gibt Handlungsempfehlungen für alle Bereiche des täglichen Lebens, z.B. Körper- oder Lebensmittelhygiene, Haushaltsführung, Landwirtschaft und Handel etc.. Es existiert auch eine Fülle von Ahadith, welche die vermutlich äl40
testen Vorschriften zum Kriegsvölkerrecht darstellen „Eine Frau wurde in einer Schlacht, die unser Prophet (Allahs Segen und Friede auf ihm) unternahm, tot aufgefunden. Und der Gesandte Allahs (Allahs Segen und Friede auf ihm) verbot das Töten von Frauen und Kindern.“ (vgl. Al Bukhari 1996, S.332, Hadith 3015) oder auch „…löst die Fesseln der Kriegsgefangenen (bzw. Sklaven), speist den Hungrigen und besucht den Kranken!“ (vgl. Al Bukhari 1996, S.334, Hadith 3046). Die Tatsache, dass der gläubige Muslim sein Seelenheil von der göttlichen Gnade abhängig sieht, die er mit einem möglichst regelkonformen Leben zu erlangen sucht, führt zur allgemeinen Anerkennung und weitgehenden Befolgung dieser Regeln in der gesamten Muslimischen Welt. In diesem Zusammenhang gilt es, die kollektive Religionsausübung der Muslime zu beachten, die zu einem hohen Integrationsgrad religiöser Regeln, Formen und Werte in das gesellschaftliche Miteinander führt. Der Islam gründet sich auf die fünf Säulen des Glaubens, das Glaubensbekenntnis (Shahadah), das Gebet (Salah), die Zahlung der Sozialsteuer (Zakah), das Fasten im Monat Ramadan (Saum) und die Pilgerreise nach Mekkah, die einmal im Leben zur Zeit des Opferfestes vollzogen werden soll (Hajj). Shahadah, das Glaubensbekenntnis “Know, therefore, that there is no god but Allah, and ask forgiveness for your fault...” (vgl. Qur’an 47:19). Das Glaubensbekenntnis „Es gibt keinen Gott außer Allah und Mohammed ist der Gesandte Allahs“ spricht der Gläubige mehrmals täglich im Zusammenhang mit vielen rituellen Handlungen. Ein Konvertit wird zum Muslim durch dreimaliges Aussprechen dieses Glaubensbekenntnisses in arabischer Sprache vor mindestens zwei Zeugen. Durch das Glaubensbekenntnis werden implizit auch die folgenden Grundsätze des Islam anerkannt: -
der Glaube an den Qur’an als das Wort Gottes
-
der Glaube an die Engel als Boten Gottes
-
der Glaube an einen Tag des Jüngsten Gerichts
41
-
die Anerkennung der Singularität und Allmacht Gottes
-
der Glaube an das Prophetentum Mohammeds
Salah, das Gebet “Verily, I am Allah: there is no god but I: so serve you Me (only), and establish regular Prayer for celebrating My praise.” (vgl. Qur’an 20:14). Das Gebet wird fünfmal am Tag vollzogen. Die allgemein übliche Gleichsetzung des Arabischen Wortes Salah mit Gebet ist eine wörtliche und daher ungenaue Übertragung. Das Salah ist eine gottesdienstliche Handlung, die eher als eine kurze Andacht, mit rituellen Pflichtgebeten (fars ~ Pflicht), rituellen Gebeten gemäß den Gebräuchen des Propheten Mohammed (Summa ~ Tradition des Propheten) und einem abschließenden Bitt-/ Fürbittgebet, zu verstehen ist. Gebetsvoraussetzungen sind unter anderem die rituelle Reinheit, welche z.B. nach dem Toilettengang durch eine rituelle Waschung erreicht wird. Trunkenheit oder sonstige Bewusstseinstrübungen verhindern die Fähigkeit, der Gebetspflicht nachzukommen. Die Gebetszeiten sind: -
Fajr (Morgengebet): zu Beginn der Morgendämmerung
-
Dhuhr (Mittagsgebet): nachdem die Sonne den Zenit überschritten hat
-
Asr (Nachmittagsgebet): wenn die Sonne zwischen Zenit und Horizont steht
-
Maghrib (Abendgebet): beim Sonnenuntergang
-
Isha (Nachtgebet): Nach dem Ende der Abenddämmerung und dem vollendeten Einbruch der Dunkelheit
Für die Gebete ruhen alle weltlichen Aktivitäten. Westliche Geschäftsleute stellen bei Verhandlungen mit arabischen Gesprächspartnern in Dubai hin und wieder fest, dass eine Besprechung, die länger als geplant gedauert hat, für die Dauer des Gebets unterbrochen oder sogar ergebnislos abgebrochen wird. Eventuell erklärt der Gesprächspartner nach der Rückkehr vom Gebet seine Entscheidung; ebenso ist es möglich, dass auf einen hastigen Abschied eine spätere E-mail oder ein Anruf mit der Mitteilung einer schnellen und pragmatischen Entscheidung, 42
Genehmigung bzw. Lösung eines zuvor diskutierten Problems folgt. Hier kann die Unterbrechung der Besprechung den praktischen Nutzen haben, dass eine Diskussion nicht in unendlichen Schleifen fortgesetzt wird und eine kurze Neubesinnung (nach meditativer Einkehr im Gebet) zu einem schnelleren Ergebnis führt. Hieraus geht hervor, wie tief greifend das Salah die Sitten und Gebräuche im täglichen Leben beeinflussen. Zakah, die Sozialsteuer ”So establish regular Prayer and give regular Charity;...” (vgl. Qur’an, 24:56), auch ”Alms are for the poor and the needy, and those employed to administer the (funds); for those whose hearts have been (recently) reconciliated (to Truth); for those in bondage and in debt….” (vgl. Qur’an, 9:60) Die Zahlung von Zakah, der Sozialsteuer (in der Literatur auch als Armensteuer bezeichnet), muss jeder erwachsene, geistig gesunde Muslim leisten. Die Höhe des Zakah beträgt 2,5% dessen, was der Muslim über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr angespart (und damit dem Wirtschaftskreislauf entzogen) hat. Das Wort Zakah bedeutet auch Reinigung, die Zahlung wird einerseits als göttlich auferlegte Pflicht, andererseits aber auch als Chance begriffen, sich von der Sünde der Habgier, die sich eventuell in die Motive des Gläubigen eingeschlichen haben könnte, zu reinigen. Zakah übt damit einen direkten Einfluss auf den Wirtschaftsprozess aus. Der am Wirtschaftsleben aktiv teilnehmende Muslim vergegenwärtigt sich also regelmäßig, dass es gottgefällig ist, Erträge zu reinvestieren und nicht dem Wirtschaftskreislauf zu entziehen. Die Zakah ist religiöse Pflicht des Gläubigen; sie ist nicht zu verwechseln mit freiwilligen Spenden des Gläubigen an Bedürftige (Sadaqah). Die Zakat-Zahlung ist ein wichtiger Bestandteil jeder muslimischen Gemeinschaft, da sie sowohl die soziale Sicherheit, als auch das Gefühl der Verbundenheit zwischen den Muslimen fördert. Sie sichert die Lebensgrundlage der Armen, ohne dass sich der Empfänger schämen oder verpflichtet fühlen muss. Dem Bedürftigen steht der Empfang der Zakah als religiöses Recht gegen seinen Bruder zu.
43
Saum, das Fasten im Monat Ramadan „Ramadan is the (month) in which was sent down the Qur’an, as a guide to mankind, also clear (Signs) for guidance and judgement (between right and wrong). So every one of you who is present (at his home) during that month should spend it in fasting, but if any one is ill, or on a journey, the prescribed period (should be made up) by days later.” (vgl. Qur’an, Sure 2, Vers 185)
Im Monat Ramadan besinnt sich die gesamte muslimische Welt auf die Religion und die religiösen Pflichten. Fastenbeginn ist vor Beginn der Morgendämmerung; die Unterbrechung des Fastens für die Nacht erfolgt mit Sonnenuntergang. In dieser Zeit nimmt der Gläubige keine Speisen und keine Flüssigkeiten zu sich. Muslime, die sich auf Reisen befinden oder krank sind, können alternativ zu einem späteren Zeitpunkt fasten. Diese Regel wird entsprechend auch von Schwangeren oder stillenden Müttern angewandt. Das Fasten ist eine Leistung, die der Gläubige für Gott erbringt, denn die Täuschung der Menschen, die den Fastenden umgeben, ist leicht: Ein Schluck Wasser oder ein Stück Brot zur Erleichterung der Entbehrung wären schnell unbemerkt herunter geschluckt. Der Gläubige macht durch das Fasten die körperliche Erfahrung von Hunger und Durst: Dadurch kann er sich leichter in die Situation der Bedürftigen hinein versetzen – entsprechend großzügiger fließen im Ramadan die Spenden. Die Muslime konzentrieren sich im Ramadan auf die Ausübung ihrer Religion. Nicht muslimische Geschäftspartner werden in diesem Zusammenhang möglicherweise als Störfaktor empfunden und daher abgewimmelt. Dadurch wird zu Beginn des Monats Ramadan das Wirtschaftsleben gebremst; in den letzten zehn Tagen ziehen sich religiöse Muslime gänzlich zurück. Das Wirtschaftsleben kommt fast völlig zum Erliegen. Das Fest zum Ende des Ramadan, Id-ul-Fitr, hin und wieder auch ungenau als Zuckerfest bezeichnet (weil Süßigkeiten verteilt werden), dauert weitere drei Tage, in denen alle Unternehmen (ausgenommen Gastronomie und Unterhaltung) geschlossen bleiben, also das Wirtschaftsleben ruht. Hajj, die Pilgerfahrt nach Mekkah, "For Hajj are the months well known. If any one undertakes that duty therein, let there be no obscenity, nor wickedness, nor 44
wrangling in the Hajj. And whatever good you do, (be sure) Allah knows it..." (vgl. Qur’an 2:197). Die Pilgerfahrt wird im zwölften Monat des muslimischen Mondkalenders unternommen. Es ist die Pflicht eines jeden gesunden Muslims (männlich wie weiblich, mit ausreichenden finanziellen Mitteln), einmal im Leben diese Reise zu unternehmen. Auf dem Weg nach bzw. in Mekkah werden verschiedene Rituale ausgeführt, z. B. die Steinigung des Teufels, der die Menschen vom rechten Weg abzubringen versucht. Als Ausdruck der Gleichheit der Pilger vor Gott und der Abhängigkeit von Gottes Gnade, tragen die männlichen Pilger ab (Erreichen eines definierten Zustands der rituellen Reinheit und bestimmter „Meilensteine“) ein einfachstes Gewand, das sich aus zwei grob gewebten Tüchern zusammensetzt. Die Höhepunkte der Pilgerfahrt sind die Bitte um Vergebung aller Sünden (die bei richtiger Ausführung der Pilgerfahrt versprochen ist) und das Opferfest. Die muslimische Religion sollte zusammen mit der weltlichen Macht, die sie implizierte, das ganze Universum umfassen. Bis dieses Ziel erreicht ist, bleibt die Welt in zwei Teile geteilt: dƗr ul-Islam, das Land des Islams und dƗr ul-hƗrb, das Land des Krieges (vgl. Levtzion 1987, S. 143). Der Islam ist als eine ganzheitliche Religion zu verstehen. Wie andere Religionen ist auch der Islam ein Zustand des Herzen; ein Gefühl, ein inneres Empfinden des Unsichtbaren, des Verborgenen (arab. „Ghaib“) – eine verschlossene, unklare Wahrnehmung (vgl. Mahmoud 1999, S. 188). Der Referenzpunkt der muslimischen Zeitrechnung ist die Auswanderung des Propheten Mohammed von Mekka nach Medina (arab. Hidjra). Im Zusammenhang damit haben sich eine Reihe von „Experten“ mit soziologisch-ökonomischen Fragestellungen im Islam auseinander gesetzt. Die Ergebnisse sind teilweise nicht nur sachlich falsch, sondern geben ein völlig verzerrtes Bild der muslimischen Geschichte wieder. Beispielsweise erntete der Soziologe Rodinson für seine Arbeit „Islam und Kapitalismus“ (Rodinson 1986) nicht nur in 45
Europa Lob und Anerkennung. Aber nach kurzem Studium seiner Arbeit wurden elementare Fehler im Verständnis der muslimischen Religion und in seiner Methodik zur Entwicklung eines Lösungsansatzes sichtbar. In seinem Vorwort spricht er den Muslimen die eigene religiöse Identifizierung ab: „Er will ihnen helfen, ihre eigne Bestimmung zu erkennen“ (vgl. Rodinson 1986, S. 7) Die Auseinandersetzung mit dieser Thematik basiert auf einer Reihe von falschen Begrifflichkeiten (zum Beispiel spricht er irrtümlicherweise von der mohammedanischen Religion). Es scheint so, als ob Übertragungsfehler bei der Übersetzung von der französischen in die deutsche Sprache aufgetreten seien, die zu wesentlichen inhaltlichen Fehldarstellungen geführt haben. So wird beispielsweise dargestellt, dass zur Vermehrung des Staatsvermögens der Prophet Mohammed, als Herrscher über den Stadtstaat Medina, Kapital zinsträchtig angelegt habe (vg. Rodinson 1986, S. 40). Das Verleihen von Kapital mit Zinsen ist aber nach der Lehre des Qur’an ausdrücklich verboten (vgl. Winterberg 1994, S. 197). 3.2
Die Wirtschaftstheorie des Ibn Khaldnjn
Um ein Verständnis für die Ganzheitlichkeit des Islam zu erzeugen, ist es notwendig, elementare Arbeiten aus der Glanzphase dieser Religion heran zu ziehen. Im Zeitraum vom 9. bis etwa zum 17. Jahrhundert haben sich viele muslimische Gelehrte mit den unterschiedlichen Wissenschaftstheorien auseinander gesetzt. Die bedeutenden Bibliotheken, wie beispielsweise in Cordoba oder Bagdad, stellten eine Quelle der Inspiration und Wissensschöpfung dar. Daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass das Mittelalter eine Reihe von bedeutenden (muslimischen) Wissenschaftlern hervorgebracht hat. In der muslimischen Geschichte nehmen Gelehrte aus dem Mittelalter einen hohen Stellenwert ein. Die Arbeiten dieser großen Gelehrten sind unterschiedlichen Wissenschaftstheorien zuzuordnen. Die Präferenz der Muslime in den theoretischen Diskussionen der Philosophie, Medizin, Mathematik oder Ökonomie war ein wesentliches Merkmal dieser Blütezeit. Der Qur án schreibt eindeutig vor, dass es die Verpflichtung jedes Muslimen sei, sich neben religiösem auch profanes Wissen anzueignen (vgl. Husaini, 2002). Einer der frühesten Versuche zur Klassifizierung von Wissenschaft wurde im 9. Jahrhundert (n. Chr.) von Al-Kindi un46
ternommen. Es folgte eine Reihe von weiteren Arbeiten, die bis heute noch eine gewisse Relevanz aufweisen. Einen Schwerpunkt vieler wissenschaftlicher Arbeiten dieser Zeit bildete das Thema Wissen und Bildung. Einige Theoretiker wie Al Farabi (950 n.Chr.), Ibn Sina (1037 n.Chr.), Al Ghazali (1111 n.Chr.) oder Ibn Rushed (1198 n.Chr.) konzentrierten sich nachhaltig auf die Weiterentwicklung vorhandener Texte und prägten so die muslimische Welt im Mittelalter (vgl. Azimi 2002, Noth 1991). In der Zeit vom 14. bis zum 17. Jahrhundert entstanden einige Werke, die bis heute nicht an Bedeutung und Glanz verloren haben. Einer dieser Theoretiker war der Tunesier Ibn Khaldnjn, dessen Ansätze sich noch heute in den Diskussionen der aktuellen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Prozesse wiederfinden lassen. Schefold bezeichnet ihn als einen der bedeutendsten Ökonomen überhaupt – weitaus wertvoller als mancher sekundärer Klassiker des 19. Jahrhunderts (Schefold 2000, S. 5). Andere Autoren weisen neben den Leitungen Ibn Khaldnjns auch der Arbeit von Al-Ghazali eine hohe Relevanz zu. Husaini nimmt im dritten Kapitel seines Buches mit dem Titel: „Islamic philosophy of knowledge and education: classification and outline of environmental engineering systems planning education“ einen Vergleich der Autoren Al-Ghazali und Ibn Khaldnjn vor (vgl. Husaini 2002, S. 34 ff.) Die unterschiedliche Herangehensweise dieser beiden Autoren -basierend auf einem gemeinsamen Referenzpunkt (sharƯ’a)- rechtfertigt seiner Meinung nach diesen Vergleich. Die beiden Arbeiten unterscheiden sich in ihrer Vorgehensweise und Akzentuierung der Themen. Al Ghazali beschäftigte sich überwiegend mit der Klassifizierung von Wissen und Bildung, während Ibn Khaldnjn sich stärker mit wirtschaftstheoretischen Erscheinungen auseinander setzte. Die herausragende Leistung Al-Ghazalis bestand darin, dass er der muslimischen Welt ein Bild ihrer Religion aufzeichnete, das auf der Generierung von Wissen basierte. Er empfahl den Muslimen, sich dieser göttlichen Verpflichtung stets bewusst zu sein und sich permanent in religiösen Fragestellungen weiterzubilden. Der Muslim sei zu weiteren Lernprozessen verpflichtet; zum Beispiel soll er sich mit „beliefs and actions of the state of the heart“ auseinander setzen (vgl. Husaini 2002). Mit dieser Formulierung brachte er das Kernelement seiner Forschung zum Aus-
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druck, lehnte starre Dogmatik ab und lehrte stattdessen den Weg zu einem Gottesbewusstsein, welches dem Herzen entsprang. Daher bildete die Mystik eine zentrale Rolle seiner Arbeiten. Seine Beziehung zur Philosophie ist zwiespältig. Zum einen belegen seine Arbeiten eine umfassende Kenntnis der griechischen und muslimischen Philosophie, zum anderen lehnt er Philosophie als eigenständigen Weg zur Wahrheitsfindung ab. Er wirft beispielsweise seinem Vorgänger Al-Farabi vor, durch die Adaption der aristotelischen und platonischen Philosophie die Rolle der muslimischen Religion zu schwächen. Vor allem in der späten Phase seines Lebens widmete sich Al-Ghazali der Systematisierung des sufischen Gedankengutes und trug maßgeblich zur Anerkennung des Sufismus im Islam bei (vgl. Husaini, 2002, Schefold 2000, Schimmel 2000, Mahmoud 1996).
Seine Arbeiten wurden auch ins Lateinische übersetzt, um sie dem jüdischen und christlichen Publikum zugänglich zu machen. Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, wird auf die Diskussion weiterer Bestandteile der Arbeiten des Al-Ghazali verzichtet. Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass Al-Ghazalis Lehre nicht nur Muslime angeregt hat, sich mit profanen und mystischen Elementen auseinander zu setzen und dabei immer die Allmacht Gottes zu berücksichtigen. Eine detaillierte Charakterisierung der Ausarbeitungen Al-Ghazalis ist leider an dieser Stelle nicht möglich. Die kurzen Informationen sollten lediglich zur Gewinnung eines ersten Eindrucks der intellektuellen Leistung der muslimischen Gemeinschaft (Umma) im Mittelalter beitragen. Die Arbeiten des Theoretikers Ibn Khaldnjn werden nachfolgend ausführlicher diskutiert, weil die Berücksichtigung der wirtschaftsrelevanten Themen einen wichtigen inhaltlichen Beitrag zur Fragestellung dieser Arbeit leistet. Die umfangreichen Arbeiten des Ibn Khaldnjn werden in der Sekundärliteratur unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen zugeordnet. Husaini wählt die Bezeichnung des Philosophen, andere Autoren ordnen ihn der Wirtschaftstheorie oder Ökonomie zu (vgl. Husaini 2002, Schefold 2000, Essid 2000). Gellner sieht ihn mehr zwischen den Sozialwissenschaften Philosophie und Soziologie: Ibn Khaldnjn ist weit weniger als Platon ein präskriptiver politischer Philosoph und weit mehr ein
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empirisch deskriptiver Soziologe (vgl. Gellner 1985, S. 37). Ohne einen eindeutigen Bezug zu einer bestimmten Wissenschaftsdisziplin können Ibn Khaldnjns Arbeiten zu den Themen Religion, Gesellschaft und Ökonomie heute noch als wichtige Beiträge zur muslimischen Literatur bezeichnet werden. Husaini hebt die Rolle Al-Ghazali und Ibn Khaldnjn besonders hervor, weil “… certain characteristics of the islamic philosophy of knowledge and education are summarised from the writings of two medieval scholars...“ (vgl. Husaini 2002, S. 34). Um Ibn Khaldnjn in einen historischen Zusammenhang einzuordnen, werden nachfolgend einige wichtige Eckdaten seines Lebens aufgezeigt. Besonderes Interesse gilt anschließend seinen Vorstellungen von Stammesstrukturen und denen des Stadtlebens. Die theoretischen Überlegungen über den Grundlagen eines Staates sind nicht von der Geschichte seiner Zeit zu trennen. Es wird an anderer Stelle aufgezeigt werden, dass seine zahlreichen Reflexionen über Gesellschaft und Staat heute noch Aufmerksamkeit verdienen. Einen ersten Entwurf seines Werkens „Muqaddima“ hat Ibn Khaldnjn mit 45 Jahren im Jahre 1377 n. Chr. vorgelegt. Dieses Buch ist in mehrere Sprachen übersetzt worden und genießt heute noch den Ruf eines klassischen Standardwerkes. Die Übersetzung ins Deutsche ist von Matthias Pätzold unter dem Titel „Das Buch der Beispiele und Sammlung der Anfänge und der (nachfolgenden) Geschichte zur Zeit der Araber, Nichtaraber und Berber sowie der gleichzeitig mit ihnen existierenden mächtigsten Herrscher“ erfolgt. Nicht immer wird der Aufwand getrieben, wirtschaftliches Gedankengut anderer Kulturen in die eigene Reflexion aufzunehmen. Die Erschließung des byzantinischen Wirtschaftsdenkens wird oft in der westlich geprägten Literatur vernachlässigt, Schummpeter beispielsweise übersprang diese Epoche (vgl. Schefold 2000, S. 6).
Ibn Khaldnjn verfolgte das Ziel, die muslimische Religion vor Missverständnissen und Fehlern seitens der Wissenschaftler zu schützen und verteidigte: „the legitimacy of both religious knowledge and scientific philosophic knowledge in their proper spheres“ (vgl. Husaini 2002, S. 47)
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3.2.1
Das Staatswesen bei Ibn Khaldnjn
Ibn Khaldnjns Theoriegerüst in Bezug auf das Staatswesen unterscheidet sich sowohl von Platons antiker griechischer Polis als Gemeinwesen, als auch von anderen muslimischen Theorien, weil sämtliche Facetten einer Gesellschaft, wie die Zusammenhänge zwischen Wirtschaft und Religion, berücksichtigt und einer gewissen Dynamik ausgesetzt sind. Für Platon ist der Preis für die Zivilisation die Notwendigkeit, mit Waffengewalt deren materielle Voraussetzungen zu verteidigen. Ibn Khaldnjn entwickelt diesbezüglich keine Lösungsansätze und Empfehlungen. Er akzeptiert die Gesellschaft, so wie er sie vorfindet. Die politische und militärische Unfähigkeit der Stadt ist einfach eine Gegebenheit, deren Implikationen er erforscht, für die er sich aber kein endgültiges Heilmittel zu finden erhofft (vl. Gellner 1985, Schimmel 2000, Hottiner 2000, Scheefold 2000). Bei Ibn Khaldnjn werden unterschiedliche Lebensweisen (verbunden mit dem jeweiligen Beruf), wie Ackerbau oder Tierhaltung, erörtert. Größere Überschüsse und Fortschritte können durch Sesshaftigkeit erzeugt werden. Die Nomaden seien allerdings der Ausgangspunkt aller weiteren Entwicklungen:„…das nomadische Leben ist die Wiege der Städte und des sesshaften Lebens und geht beiden zeitlich voraus“ (vgl. Pätzold 2000, S. 69). Sein Hauptinteresse war es, den Aufbau der Gesellschaft, ihre Merkmale und die verschiedenen Bedingungen zu erklären, die an ihrem Zustandekommen mitwirken. Dieses Vorhaben musste ihn zu einem Ansatz führen, der heute multidisziplinär bezeichnet wird, denn er beinhaltet Politik, Soziologie und die Untersuchung einer Reihe von wirtschaftlichen Faktoren (Hottinger 2000, Essid 2000). Die Beduinengesellschaft (mu÷tama) sei von einer bestimmten Zeit an gezwungen, die Phasen vom wilden Leben (tawahhu) zur Zivilisation zu durchlaufen (vgl. Essid 2000, S. 63). Ibn Khaldnjns Ausarbeitungen lassen sich zusammenfassend als Ursachenforschung von Wurzeln und Ursprüngen von Dynastien sowie der menschlichen Kultur, gestützt auf seine Studien der Völker im Maghrib, charakterisieren (vgl. Pätzold 2000, Schefold 2000). Einen bemerkenswerten Punkt seiner Arbeit bildet die These, die Entwicklung der Gesellschaft werde nicht durch äußere, sondern
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durch innere Ursachen erklärt – insbesondere durch die Struktur ihrer Wirtschaft (vgl. Essid 2000, S. 63). Mit anderen Worten: Die Evolution und Wandlung einer Gesellschaft können nicht durch äußere Faktoren beeinflusst werden; eine veränderungswillige Gesellschaft muss aus dem inneren Kern die Bereitschaft und den Mut zur Veränderung hervorbringen. Aus diesem Grund ist in der Regel eine Implementierung westlichen Gedankenguts in eine fremde kulturelle Umgebung nicht ratsam. Westlich orientierte Länder haben sehr genaue Vorstellungen, wie die Entwicklung und der Fortschritt in anderen Kulturen vorangetrieben werden können. Die Entwicklung wird hierbei als der Übergang von einer traditionellen zu einer modernen Gesellschaft verstanden: Die traditionelle Gesellschaftsform mit ihrer Kultur und ihren Werten muss aufgegeben werden, weil eben diese Kultur und diese Werte als Hindernisse für die Entwicklung und als Bremsklötze angesehen werden (vgl. Gellner 1985, Essid 2000). Die Anstrengungen, dem westlichen Ideal näher zu kommen, lassen die Frage im Keim ersticken, ob es nicht ratsam wäre, ein anderes (neues) Wirtschaftssystem zu entwickeln, das etwas spezifisch Eigenes werden könnte. Zum einen fehlt häufig den arabischen Länder das Selbstbewusstsein, aus ihrer ruhmreichen Vergangenheit in Verbindung mit der Herausforderung der Globalisierung etwas Eigenständiges Innovatives zu entwickeln; auf der anderen Seite versuchen die westlich geprägten Industrienationen ihr Erfolgsrezept zu transferieren. Oftmals werden Versuche unternommen, Veränderungen der wirtschaftlichen Aspekte – losgelöst von der jeweiligen sozialen Einbettung – voranzutreiben. Der mäßige Erfolg ist das Resultat solcher Anstrengungen. An anderer Stelle dieser Arbeit wird aufgezeigt, wie eine muslimisch-arabische Gesellschaft die Kompetenz entwickeln könne, aus der Verbindung ihrer eigenen Kultur und Tradition mit westlichem Gedankengut eine fruchtbare Wirtschaftsstruktur zu schaffen. Während Ibn Khaldnjn die Stammessolidarität (asabƯya) als Referenzrahmen des Zusammenhaltes in der Beduinengesellschaft bezeichnet, wählen Autoren aus der heutigen Sicht den Begriff der Segmentierung (vgl. Gellner 1985). Die Segmentierungstheorie bezieht sich in der Regel auf die Strukturen eines Stammes. Unabhängig von der Größe bildet der Shaikh das Oberhaupt einer solch segmentier-
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ten Gesellschaftsform. Allerdings liegt nicht die gesamte Macht bei einer Person, sie ist auf alle Punkte der Stammesstruktur verteilt; politische Führerschaft ist auf Situationen beschränkt, in denen ein Stamm oder Stammessegment vereinzelt handelt. Dies ist zum Beispiel bei Kriegsfragen der Fall. Das grundlegende Prinzip der Stammesstruktur besteht in der Opposition von Stammessegmenten. Daher ist eine Machtverteilung notwendig. In diesem Sinne gibt es in einem solch segmentierten System keinen Staat und keine Regierung (vgl. Evans – Pritchard 1949). Die deskriptive Funktion des Begriffes der Segmentierung vernachlässigt die dynamische Entwicklung von Formen der Herrschaft und Lebenserhaltung (vgl. Schefold 2000). Diese Bezeichnung ist an anderer Stelle von Gellner und anderen Autoren kritisiert worden, weil sie nicht die tatsächlichen Strukturen beschreiben würde. Der Begriff der Segmentierung sei ein Idiom und somit sei seine Verwendung zur Charakterisierung einer tatsächlichen Gesellschaftsform ungerechtfertigt (vgl. Gellner 1985). In der Literatur wird überwiegend eine Anpassung an die modernen Begriffe vermieden, weil diese den Sinn und die Bedeutung des Ursprünglichen verschieben könne. Viele Autoren arbeiten daher zunächst mit den Begriffen, die bereits Ibn Khaldnjn wählte, und versuchen anschließend, sie an moderne Theorieansätze anzukoppeln (vgl. Hottinger 2000). In den Städten verändern sich die Machtstrukturen und Mechanismen; die Stammesführung wird durch eine stammesübergreifende Führungseinheit abgelöst. Im 18. Abschnitt seines Werkes Muqaddima erklärt Ibn Khaldnjn, „das sesshafte Dasein ist der Höhepunkt menschlicher Kultur. Es bedeutet einen Abschluss ihrer Lebenszeit und läutet ihren Verfall ein“ (Pätzold/Schimmel 2000, S. 144). Der sozio-ökonomische Fortschritt läge in den Händen der führenden Elite: „Die ist einzig durch die Nähe der Regierungsmacht zu den Menschen bedingt, die ihre Gelder ihnen zufließen lässt, so wie das Wasser seine Umgebung und den nahe gelegenen Boden begrünt, während die weiteren Umgebungen trocken bleiben“ (vgl. Pätzold 2000, S. 193). Um die Nähe zum Volk nicht zu verlieren, ist es in den Vereinigten Arabischen Emiraten üblich, dass der Herrscher an einem Tag der Woche den Bürgern persönlich zur Verfügung steht. Die Menschen können ihre Probleme oder Fragen direkt mit ihm besprechen. Der Herrscher Dubais, Shaikh Mohammed bin Rashid Al-Maktoum nimmt sich regelmäßig Zeit und be-
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sucht Schulen, Krankenhäuser oder abgelegene Dörfer, um sich persönlich nach den Lebensumständen und Bedürfnissen der Menschen zu erkundigen. Auf Missstände wird umgehend reagiert. 3.2.2
Muslimisch-wirtschaftliche Strukturen im Mittelalter
Das Bemerkenswerte an der Ausarbeitung Ibn Khaldnjns ist die kohärente Zusammenführung gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Faktoren. Daher ist eine isolierte Analyse seiner ökonomischen Überlegungen nicht ausreichend. Ibn Khaldnjn zu verstehen bedeutet, seine Gesamtüberlegungen im Sinne einer Einbettung als Ganzes in Betracht zu ziehen. Die Schilderung vom Aufstieg und Zerfall der Reiche, die von Dynastien errichtet worden sind, bezieht in jeder Phase den ökonomischen Kontext ein. Die Erklärungen, die er vom Aufschwung und Verebben von Wohlstand und Macht entwirft, lassen sich wie lange Wellen der wirtschaftlichen Entwicklung kenntlich machen, die allerdings nicht mit modernen Theorieansätzen zu erklären sind. Prosperität und Depression hängen von der wirtschaftlichen Aktivität und der Nachfrage, vom Aufstieg und Verfall gesellschaftlicher und politischer Ordnung ab. Charakteristisches Merkmal seiner Überlegungen sind die zyklischen Verläufe, die Wandel und Dynamik zum Ausdruck bringen. Bei der Erörterung der verschiedenen Facetten der Tätigkeit des Menschen in der Gesellschaft musste Ibn Khaldnjn auch Fragestellungen berücksichtigen, die aus heutiger Sicht den Wirtschaftswissenschaften zugeordnet werden: Arbeitsteilung, Austausch, sowie damit zusammenhängende Themen wie Geld, Preis oder Wert, Produktion usw. (vgl. Gellner 1985, Daiber 2000, Essid 2000, Schimmel 2000). Die liberale Tendenz in wirtschaftlichen Fragen zeigt sich beispielsweise in der Empfehlung, die Steuersätze so gering wie möglich zu halten (er begründet sie mit dem religiösen Gesetz). Einen weiteren Grund sieht er in der auf niedrige Steuern folgenden wirtschaftlichen Dynamik und benennt die Vorbedingungen unternehmerischer Tätigkeit:Rechtssicherheit, Unabhängigkeit vom Staat, ein geordnetes Geldwesen und eine mit der Prosperität zunehmende und sich durch Investitionen in ihren Beschäftigungswirkungen kumulativ verstärkende Nachfrage (vgl. Daiber 2000, Essid 2000, Schefold 2000). Die Festsetzung der Höhe der Steuer und ein ausgeglichener Staatshaushalt bildeten die
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volkswirtschaftlichen Aspekte seiner Arbeit. Das Besteuerungsprinzip wird im gesamten Werk immer wieder aufgenommen. Ibn Khaldnjn warnt vor zu hohen Steuersätzen, weil diese sich negativ auf Einkommen und Absatz auswirken. Ein angemessener Steuersatz hingegen stimuliert die wirtschaftliche Tätigkeit. In seinen Überlegungen liefert Ibn Khaldun keine exakten Modelle, die zur Berechnung des Steuersatzes herangezogen werden können. Er bezieht sich auf die Empfehlungen aus dem Qur’an und Reden des Propheten Mohammed. In der muslimischen Religion existieren drei Arten von Steuern: Armensteuer, Grundsteuer und Kopfsteuer (Pätzold 2000, S. 120). Diese Festsätze dürfen nicht überschritten werden. Aufgrund anderer Schwerpunktsetzung wird das komplexe muslimische Besteuerungssystem nicht detaillierter analysiert. Bei Interesse ist dieses Besteuerungssystem bei Azmi nachzulesen (vgl. Azmi 2002). Zwei Merkmale der Muqaddima verdienen an dieser Stelle besondere Beachtung, weil sie auch eine tragende Rolle für die wirtschaftskulturelle Entwicklung Dubais spielen könnten. Zunächst ist auf das Phänomen Stammessolidarität (abasƯya) hinzuweisen. Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl wurde primär auf Grund familiärer Bindungen erzeugt, allerdings weist Ibn Khaldnjn darauf hin, dass auch andere, nicht verwandtschaftliche Beziehungen, einen ähnlich intensiven Bindungscharakter entwickeln können wie Blutsverwandtschaften. Die muslimische Glaubensgemeinschaft (Umma) ermöglichte weitere, nicht nur verwandtschaftliche Formen von Beziehungen. Unterschiedliche Beduinenstämme kooperierten so miteinander zur Erreichung bestimmter militärischer oder ökonomischer Ziele. Diese kollektivistische Idee der arabischen Gesellschaft hat vermutlich ihren Ursprung in diesem Beziehungsgefüge (vgl. Hofstede 1992). Die abasƯya innerhalb der Beduinengesellschaft nimmt eine andere Funktion wahr als die Stammessolidarität in dem urbanen Umfeld. Im achten Abschnitt seines Werkes bezieht sich Ibn Khaldnjn explizit auf das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Wüste; „Die abasƯya kommt nur durch enge Verbundenheit, die aus gemeinsamer Abstammung oder etwas Ähnlichem herrührt, zustande“ (Schimmel/Pätzold 2000, S. 120).
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An einer anderen Stelle hebt er die Notwendigkeit der Stammessolidarität hervor; „Nur Stämme, die durch den Gemeinschaftsgeist zusammengehalten werden, können in der Wüste leben“ (Gellner 1985, S. 49). Die Attribute Mut oder Stolz der Beduinen entsprachen den rauen Verhältnissen der Wüste. Die Führungsmechanismen entwickelten sich aus dem Zusammengehörigkeitsgefühl, denn „Führerschaft entsteht nur durch Übermacht und Übermacht nur durch Gemeinschaftsgeist“ (vgl. Ibn Khaldnjn in Gellner 1985, S. 48). Die Beduinengesellschaft hatte zwar keine materiellen Reichtümer, aber die abasƯya erzeugte jene Kraft, die zur Bildung eines Staates notwendig war. Die dynamische Perspektive seiner Beobachtungen kommt im dritten Abschnitt besonders zum Tragen: „Das nomadische Leben ist älter als das sesshafte und geht diesem zeitlich voraus. Das freie, offene Land ist Wiege und Kraftborn der menschlichen Kultur und der großen Städte“ (vgl. Schimmel/Pätzold 2000, S. 117). Der Zusammenschluss diente in erster Linie der gegenseitigen Hilfe zum Abdecken der lebensnotwendigen Bedürfnisse (vgl. Essid 2000). Eine erste Form der Arbeitsteilung ist auch bei diesem Gesellschaftstypus festzustellen: einige Nomaden betrieben Ackerbau, andere wandten sich der Tierhaltung und -zucht zu. Ihren Bedarf ermittelten sie nicht im Voraus, sie produzierten soviel Lebensmittel wie sie benötigten. Reichtum und Wohlstand waren die Konsequenz eines überschüssigen Wirtschaftens. Die Gesetze der Evolution und der Entwicklung bedingten, dass diese Phase nicht von unendlich langer Dauer ist. Weil sich die Art und Weise ihres Lebensunterhaltes veränderte, musste sich die Stammesorganisation wandeln und zum sesshaften Leben übergehen (vgl. Essid 2000). Als sie dieses Stadium erreichten, modifizierte sich ihr Lebensstil: Sie arbeiteten gemeinsam nunmehr für das, was über das Maß hinausging. Ihre Bedürfnisse veränderten ihre Lebensumstände. Sie bauten immer größere Häuser und Paläste und trugen kostbare Kleidung. Der Prozess des sesshaften Lebens bedingte gewisse Formen der Strategischen Planung. Verhalten und Planung der Menschen bezogen sich nicht mehr nur auf die unmittelbare Zukunft, es wurden längerfristige Entscheidungen zur Erreichung bestimmter ökonomischer Ziele getroffen. Der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit verlagerte sich von einer eher landwirtschaftlichen Tätigkeit zum Handel.
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Diese Austauschprozesse erweitern die Beziehungsdimensionen. Es fand ein Übergang statt – von den Blutsbanden hin zu Abhängigkeits – und Klientelverhältnissen (vgl. Essid 2000, S. 70). Die kulturelle Heterogenität wurde durch weiträumigen Handel gefördert. Es wurden Handelsbeziehungen zum jüdischchristlichen Europa gepflegt. Der älteste Handelsvertrag betrifft den Austausch zwischen Tunesien und Pisa und wurde im Jahr 1157 n.Chr. geschlossen (vgl. Schefold 2000, S. 10). In den Städten spielten jüdische und christliche Kaufleute sowie Eingewanderte eine wichtige Rolle, darunter die vor der unvollendeten christlichen Rückeroberung Spaniens geflüchteten Andalusier (vgl. Essid 2000, Gellner 1985, Schefold 2000). Die niedrigen Steuern in den muslimischen Städten waren ein wesentlicher Anreiz für kulturell anders geprägte Kaufleute. Den Juden wurde in den muslimischen Städten, ganz im Gegensatz zu den christlich geprägten Städten, der Zugang zu den Bibliotheken und universitären Einrichtungen nicht verwehrt. Der Grundsatz der muslimischen Lehre „Du deine Religion, ich meine“ (vgl. Qur’an) bot die Grundlage für ein friedliches und fruchtbares Miteinander in den Städten. Das Beziehungsgeflecht in der Stadt basierte also nicht mehr nur auf einer gemeinsamen Abstammung. Vermutlich beschreiben die Beziehungsformen in der Wüste und der Stadt die ersten Formen sozialer Netzwerke, wobei die Netzwerke in der Wüste eher abhängig von der Stammeszugehörigkeit waren, während die Beziehungen in der Stadt sich durch arbeitsteilige Prozesse auszeichneten. Ibn Khaldnjns Perspektiven der Wirtschaftsstrukturen sind aus diesem gesellschaftlichen Kontext heraus heute noch einzigartig. Die Begrifflichkeiten, wie ma aš (die Art und Weise den Lebensunterhalt zu verdienen) oder kasb (der Erwerb von Wohlstand) erschliessen sich erst, nachdem ein Gesamtverständnis für diese Werke erzeugt wurde (vgl. Essid 2000, S. 64). Die Arbeitsteilung, die bereits Bestandteil der beduinischen Gesellschaft war, wurde in den Städten weiter differenziert. Um der immer anspruchsvoller werdenden Nachfrage gerecht zu werden, führte dies zur weiteren Spezialisierung. Die individuelle Leistung eines einzelnen Menschen „…ist nicht in der Lage, all
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seine Bedürfnisse zu befriedigen. Er muss sich mit seinesgleichen zusammentun, und aus ihrer Solidarität erwächst die Zivilisation. Dadurch kann aber eine Gruppe nicht nur ihre eigene Bedürfnisse befriedigen, sondern auch die einer viel größeren Anzahl von Menschen. So kann z. B. niemand ganz allein all das Getreide erzeugen, das er für seine Nahrung benötigt. Sechs bis zehn Männer hingegen können ihre Kräfte vereinen: Ein Schmied und ein Tischler stellen die Geräte zur Bearbeitung des Bodens her, andere kümmern sich um das Vieh, beackern den Boden, ernten das Getreide und führen andere landwirtschaftliche Arbeiten aus. Auf dieser Weise werden sie durch ihre individuelle oder gemeinschaftliche Arbeit eine Menge an Nahrung erwirtschaften, die weit über ihren eigenen Bedarf hinausgeht. Die gemeinsame Arbeit erzeugt mehr als das Notwendige für die Arbeiter“ (Prol., IV, 11, S. 571 in Essid 2000, S. 73). Die agrarwirtschaftliche Arbeitsteilung ist zwar von Ibn Khaldnjn mit einfachen Worten beschrieben, aber an dieser Stelle wird deutlich, dass eine kooperationswillige Gesellschaft mehr Erfolg generieren kann als einzelne Individuen. Ähnlich wie im landwirtschaftlichem Bereich schildern vor Ibn Khaldnjn bereits arabische Autoren arbeitsteilige Kooperationen zwischen Kaufleuten. Denn der Handel war vor dem Islam die Berufung der Araber, und die Marktmechanismen waren den arabischen Kaufleuten wohl bekannt. Mit der Islamisierung der Arabischen Welt wurde die gesellschaftliche Stellung der Kaufleute weiter verstärkt. Der Prophet Mohammed stammte selbst aus einer Kaufmannsfamilie und betrieb ebenfalls Handel. Seine spätere Frau war Großhändlerin. Dem Handel wurde in der gesamten Geschichte der Araber eine hohe Bedeutung beigemessen, er sicherte auch in späteren Phasen den Lebensunterhalt der Menschen; „Within the Gulf there had been an internal trade in dates and dried fish, also exported to some extent but amily from Muscat, outside the Gulf“ (vgl. Al Qasimi 1999,S.) Später nahm der Handel mit Perlen eine wichtige Rolle innerhalb der Wirtschaftsstruktur der arabischen Halbinsel ein. Die mittelalterlichen arbeitsteiligen Kooperationen weisen bemerkenswerte Parallelen zur heutigen Formen der Zusammenarbeit auf: Das Prinzip des Großhändlers (hƗzzan) basierte darauf, billig einzukaufen und teuer zu verkaufen, sein Hauptinteresse galt der Beschaffung von Informationen (ahbƗr) bezüglich der Preise, des Ausmaßes der Transaktionen, des verfügbaren Kapitals, der Bewe57
gungen der Schiffe und Karawanen, der Ankunft oder des Versandes der Waren, der allgemeinen Sicherheitslage der Verkehrswege und des Ziellandes. Dieser Kaufmanntyp vermied Opportunitätskosten und – aufgrund der Bandbreite seiner Aufgaben – war er auf einen Partner angewiesen. Ähnlich wie aktuelle Herausforderungen zur Bewältigung von Problematiken auf globaler Ebene, war der Großhändler auf die Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit seines Partners angewiesen. Die Beziehungen waren eng geknüpft und basierten auf Vertrauen. Aus der Korrespondenz geht hevor, „…dass man mit seinen Partnern durch ebenso enge Bande verbunden war, wie mit der eigenen Familie. Dies waren wahrhaft freundschaftliche Beziehungen“ (vgl. Essid S. 78). Neben dem Großhändler existierte der reisende Kaufmann (rakkƗd), der sich hauptsächlich selbst um seine Geschäfte kümmerte. Er verzichtete zunächst auf die Zusammenarbeit mit anderen Händlern, bis sein Unternehmen das Volumen eines Großhandels erreichte und er auch in den Genuss von Größenvorteilen kam. Die dritte Form von Kaufleuten konzentrierte sich nicht hauptsächlich auf die Austauschprozesse mit Waren. Dieser Kaufmann (mu÷ahhiz) beteiligte sich mittels Vertrag (commenda) finanziell an Unternehmen. Unter dem Ansatz der Shareholder – Value würde diese Art der betriebswirtschaftlichen Tätigung als Stakeholder bezeichnet werden. Die Begrifflichkeiten haben sich im Laufe der geschichtlichen Entwicklung verändert, die arbeitsteiligen Prozesse sind sich auf eine bemerkenswerte Art und Weise ähnlich: Zur Minimierung des Risikos setzt der Handelsagent seine Zeit und seinen Aufwand aufs Spiel und der Kapitalgeber seine monetären Mittel (vgl. Essid 2000, Al Qasimi 1999, Nagel 1991). Das kooperative Verhalten der Kaufleute half ihnen Transaktionskosten, zu minimieren, das Risiko zu streuen, neue Märkte zu erschließen oder einen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren Konkurrenten zu generieren. Im Abschnitt 5 dieser Arbeit wird deutlich, dass diese Ziele sich auch im modernen Netzwerkgedanken wiederfinden lassen.
Neben dem Phänomen der arbeitsteiligen Kooperationen, diskutierte Ibn Khaldnjn die Preisfindungsmechanismen und die Funktion des Geldes. Diese Themen werden an dieser Stelle nicht weiter verfolgt, weil sie für die Gesamtarbeit wenig relevant sind. Befunde können bei Essid (2000), Hinz (1991) oder Gellner (1985) nachgelesen werden.
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3.2.3
Ibn Kaldnjn – mehr als eine historische Größe?
Lange vor Adam Smith setzt sich Ibn Khaldnjn mit gesellschaftlich-wirtschaftlichen Wirkungszusammenhängen auseinander. Die einschlägige Typologie von Ibn Khaldnjn könnte zwar auch als ein Leitfaden einer gesellschaftlichen Entwicklung angesehen werden, jedoch ohne zu unterstellen, dass diese Entwicklung ein unausweichliches Gesetz darstelle. Die deduktive Leistung Ibn Khaldnjns zeichnet präzise das Bild eines gesellschaftlichen Idealtyps, obwohl er keine weiteren Gesellschaftsformen kannte. Tenbruck und auch Gellner bemerken zu Recht, dass die Entdeckung der gesellschaftlichen Entwicklung von Gesetzmäßigkeiten der Kenntnis von unterschiedlichen Gesellschaftstypologien bedarf (vgl. Gellner 1985, Tenbruck 1991). Es wird vermutet, dass Ibn Khaldnjn andere Gesellschaftsformen fremd waren, weil er die menschliche Gesellschaft so analysierte, als ob sie überall, zu allen Zeiten in der Form beschaffen sei (vgl. Gellner 1985, S. 141). Es ist zu bezweifeln, ob diese Annahme tatsächlich zutreffend ist. Ibn Khaldnjn hat sich zwar nur auf die Darstellung einer einzigen Gesellschaftstypologie konzentriert, aber er schildert immer wieder auch das Zusammenleben mit den Juden oder Christen. Diese abweichenden Formen der Gesellschaft waren ihm wahrscheinlich nicht ganz fremd, aber er hat sich dennoch aus unbekannten Gründen entscheiden, nur die muslimische Gesellschaft zu analysieren. Es ist anzumerken, dass auch die muslimische Gesellschaft an sich nicht homogen ist: Neben den verschiedenen Rechtsschulen existiert eine Reihe von kulturellen Differenzen, die in den unterschiedlichen Gesellschaften vorhanden sind. Die muslimische Gemeinschaft ist sich weder in politischen, noch in ökonomischen Fragen einig. Die Folgen der Zersplitterung der muslimischen Welt sind bis heute nicht überwunden. Das einst vorhandene Innovationspotenzial der muslimischen Gesellschaft ist aufgrund innerer Zersplitterung und Kräftemessens nicht ausgenutzt worden. Im Gegensatz zum christlichen Abendland sind wesentliche Modernisierungsphasen verschlafen worden. Die Feststellung, dass es andere Gesellschaftsformen gibt, die nicht mit Ibn Khaldnjns Darstellungen übereinstimmen, ist an dieser Stelle nicht wesentlich. Er liefert ein genaues Bild einer höchst wichtigen Gesellschaftsform – nämlich einer Gesellschaft, in der nebeneinander Beduinentum (badi a) und
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Städte existieren, in der der allgemeine technologische und ökonomische Entwicklungsstand von einer Art ist, dass er Städte unentbehrlich erscheinen lässt. Die Existenzberechtigung der Beduinen ist im Kontext der Religion zu sehen; der Islam würde Stammesleben begünstigen und einer politischen Zentralisierung entgegenstehen. Trotz vorhandener Diversität, gelingt es ihm jedoch darzustellen, wie die Geschichte und Wirtschaft der überwiegend nordafrikanischen Länder miteinander verflochten sind. Die geographische Reichweite seiner Analyse reicht bis zur arabischen Halbinsel, die als Ursprung des Islams gilt. Dabei ist der Mensch bei Ibn Khaldnjn nicht nur rational, er verfügt auch über ein gewisses Aggressionspotenzial; er ist auf Autorität angewiesen. Während in der späteren Aufklärungsphase in Europa die Vernunft des Menschen eine überragende Rolle wahrnahm, war Ibn Khaldnjn überzeugt, dass der Mensch auf die Führung eines Herrschers angewiesen ist. Innerhalb der Beduinengesellschaft (badi a) griffen Führungsmechanismen, die aus dem Inneren der Stammessolidarität hervorgingen. In der urbanen Gesellschaft übernahm eine Herrscherfamilie bzw. ein einzelner Herrscher die Führung. Die Kreislauftheorie Ibn Khaldnjns setzt das Bestehen einer eigenständigen badi a voraus. Seiner Meinung nach ist das Beduinentum „das Ursprüngliche“, das zuerst da war; es ist die Triebkraft der Geschichte und ist die Grundlage weiterer Entwicklungen. Diese asabƯa zerfällt im Luxus der „sanften“ Welt der Zivilisation (umrƗn), und ihr Zusammenbruch ist der Grund, warum nach einiger Zeit neue Kräfte aus der Wüste, die eine frische asabƯa besitzen, die verweichlichte Zivilisation umwerfen und sie ihrer Macht unterstellen (vgl. Hottinger 2000, S. 92). Der wirtschaftskulturelle Aspekt spielt bei den unterschiedlichen Entwicklungsphasen der Gesellschaft eine wichtige Rolle. Das interdependente Verhalten zwischen Wirtschaft und Gesellschaft wird in jeder Entwicklungsstufe deutlich. Anhand der ökonomischen Strukturen ist eine Beurteilung möglich, in welcher Evolutionsphase sich eine Gesellschaft befindet. Sie tragen maßgeblich dazu bei, wie erfolgreich eine Gesellschaft werden kann. Beispielsweise kann eine zu hohe Besteuerung, die in Willkür und Tyrannei (vgl. Essid 2000) ausarten kann, die Dauerhaftigkeit einer Dynastie erheblich verkürzen.
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Neben diesen wirtschaftsrelevanten Bedingungen werden keine weiteren Gründe aufgeführt, wieso sich Zivilisation und Zusammenhalt gegenseitig ausschließen. Im Rahmen dieser Arbeit sind zwei Merkmale der Gesellschaftstypologie Ibn Khaldnjns von hoher Bedeutung: Zum einen wird die Stammessolidarität asabƯya im weiteren Verlauf einen Schwerpunkt bilden, zum anderen verdient die Evolution der Arbeitsteiligkeit ein besonderes Interesse, weil sie auch in modernen Gesellschaften eine zentrale Variable bildet, die in direktem Zusammenhang mit anderen Elementen steht, welche für gesellschaftliche Zusammenhänge grundlegend sind. Es wird herausgearbeitet werden, wie die asabƯya ein natürliches Netzwerk bildet und dieses die Fähigkeit erlangt, große arbeitsteilige Netze hervorzubringen. Zur Erlangung von Wohlstand ist die Kompetenz des Zusammenarbeitens entscheidend, sie ist wesentliches Kennzeichen moderner, erfolgreicher Gesellschaften. Das Vorhandensein solcher Tugenden ist spätestens seit Ibn Khaldnjns Arbeiten bekannt. Die arabisch-muslimische Gesellschaft verfügte über eine Vielzahl von Wissen und Möglichkeiten, erfolgreich mit der Umwelt umzugehen, auch wenn diese von westlichen Autoren gar nicht oder nur als Vorstufen einer voll entwickelten Zivilisation eingestuft werden (Weber 2005). Das derzeit geringe Interesse an seinen Arbeiten ist auf unterschiedliche Faktoren zurückzuführen. Einerseits dominieren westlich geprägte wirtschaftswissenschaftliche Theorien, zum anderen fehlt den Arabern oft das nötige Selbstbewusstsein, sich mit der eigenen Historie auseinander zu setzen. Essid kritisiert scharf die Vernachlässigung jeglicher Suche nach einem muslimisch-arabischen Ökonomiedenken (vgl. Essid 2000, S. 60). Zur Lösung des Problems fordert er, diese Notwendigkeit zu erkennen und die nationale Identität, die Einheit des Arabischen über alle Partikularismen und die Aufsplitterung in unabhängige Nationen hinweg zu bestärken (vgl. Essid 2000). Zweifelsfrei blickt die arabische Welt auf eine gemeinsame Vergangenheit, die vor allem durch den Islam geprägt wurde, zurück. Die gemeinsame Sprache ist der Ausdruck ihrer inneren Verbundenheit. Allerdings ist die Zersplitterung dieser Region größer als je zuvor. Während sich die Golfstaaten aufgrund ihrer natürlichen Ressourcen zu wichtigen internationalen Wirtschaftspartnern entwickeln konnten, rüttelt der Nahostkonflikt an der 61
einst ruhmreichen Vergangenheit Libanons und Palästinas. Die Nordafrikanischen Länder schaffen es aufgrund innerer wirtschaftskultureller Faktoren (wie hoher Arbeitslosigkeit oder schwacher Führung) nicht, ihre rückständige Wirtschaft zu modernisieren. Im Verlauf dieser Arbeit wird aufgezeigt, wie sich ein Teil des ehemaligen Bündnisses vieler der Problematiken entledigt und eine ökonomische Entwicklung durchläuft, die auf globaler Ebene für Bewunderung und Verwirrung zugleich sorgt. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wieso sich die asabƯa in Dubai nicht in Formen zerstörender Solidarität entwickelt hat, sondern sich aus dem Beduinentum abdia eine Zivilisation entwickelt hat, die durch Bildung, Toleranz und Prosperität gekennzeichnet ist. Mit anderen Worten: Welche inneren Kräfte sind zu mobilisieren, damit aus Ibn Khaldnjns Wüstenbeduinen erfolgreiche „Global Player“ hervorgehen und diese Rolle möglichst dauerhaft beibehalten? Wirtschaftsrelevante Phänomene sind nicht statisch. Sie wandeln und verändern sich und entwickeln sich analog zu der Gesellschaft, für die sie charakteristisch sind. Die Idee der Einbettung von wirtschaftlichen Themen in den gesellschaftlichen Kontext ist bei Ibn Khaldnjn in seiner ursprünglichen Form nachzulesen. Im Gegensatz zu neueren Theorien (vgl. Granovetter 1985, Burt 1992) bildet die Religion den Ausgangspunkt seiner Überlegungen. 3.3
Religion und Wirtschaftsstil
Die Arbeit Ibn Khaldnjns hat eine arabische Gesellschaftstypologie aufgezeigt, die einen engen religiösen Bezug aufweist. Nachfolgend wird der Zusammenhang zwischen Religion und Wohlstand genauer betrachtet. Es soll geklärt werden, ob die Religion bei der Generierung von ökonomischem Wohlstand in modernen Gesellschaften eine Rolle spielt. Ibn Khaldnjn hat diesen Aspekt bereits im 14. Jahrhundert für nennenswert erachtet und war sich des religiösen Einflusses bewusst. Obwohl auch andere Autoren vor Max Weber sich mit dieser Thematik auseinander gesetzt haben, hat Max Weber im Bezug auf das christliche Abendland mit seiner Arbeit „Die protestantische Ethik aus dem Geist des Kapitalismus“ ei-
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ne Pionierarbeit geleistet. Seine hohe internationale Reputation verdient eine besondere Aufmerksamkeit. Er ist einer von vielen Autoren, die überzeugt sind, dass Kapitalismus ein Produkt der christlichen, insbesondere der protestantischen Religionsbewegung ist (Fukuyama 1997, Ghaussy 1995, Rodinson 1986, Weber 2005). Religion kann wirtschaftliches Wachstum behindern oder fördern, indem sie Methoden zur Verfügung stellt, die ein angemessenes Verhalten kontrollieren sollen (vgl. Fukuyama 1997, S. 191).
Die Rolle der Religion ist vielfältig. Sowohl Luhmann als auch Hillmann konstatieren eine allgemeine Bedeutungsabnahme der Funktion der Religion. Während Luhmann dieser Tendenz wenig Bedeutung beimisst, geht Hillmann davon aus, dass sich diese Entwicklung in einer globalisierten Welt fortsetzen wird (vgl. Luhmann 2000, Hillmann 2004). Mit zunehmenden kulturübergreifenden Interaktionen, gewinnt der Faktor Kultur eine neue Bedeutung (siehe Absatz 2.3). Winterberg stellt fest, dass „…ethische sowie nicht zuletzt im Glauben gründende Differenzen die Zusammenarbeit und das gegenseitige Verständnis erschweren“ (Winterberg 1994, S. 17). Die interkulturellen Austauschprozesse erhöhen die Sensibilität für unterschiedliche Verhaltensnormen. Zum einen wird die eigene kulturelle Prägung wahrgenommen und zum anderen wird das abweichende Verhalten des Partners im Kontext seines kulturellen Hintergrunds gesehen. Mit anderen Worten: Die Kultur bringt bestimmte Formen wirtschaftlichen Verhaltens hervor (Fukuyama 1997). Wie oben ausgearbeitet, bildet die Religion ein wesentliches Merkmal der Kultur, ihr kommt als umfassendem, kulturprägendem Deutungssystem eine entscheidende Rolle zu. Schluchter bemerkt in der Monographie Webers, dass die aus der Religion abgeleitete Lebensmacht die Verpflichtung zwar im historischen Sinne wechseln kann, aber die Wertorientierung ein Grundzug sei, den der Kulturmensch besitzt. Der Mensch handle nicht nur zweckorientiert, sondern auch wertorientiert (vgl. Schluchter 1987, S. 30). Die Religionen beziehen sich auf das reale Leben und tradieren nicht nur Glaubensinhalte, sondern geben auch Regeln für sämtliche Bereiche des menschlichen Handelns vor. Im Verlauf dieses Kapitels wird aufgezeigt werden, wie umfassend der Eingriff der Religionen, insbesondere des Islams in den unterschiedlichen Lebensbereichen ist.
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Die abgeleiteten Handlungsempfehlungen führen zur Genese von Moralvorstellungen, die in der Religion verwurzelt sind. Unter dem Begriff Moral wird im Allgemeinen in der Literatur die Gesamtheit der geltenden und faktisch allgemein zu beachtenden Regeln, Normen und Verhaltensmaximen verstanden, die in einem engen Zusammenhang zur Religion zu sehen sind (vgl. Gabriel 2003, S. 22). In der Literatur der Globalisierung von ökonomischen Aktivitäten hat sich ein zunehmender Konkurrenz- und Erfolgsdruck entwickelt, der sich vor allem in der Umgehung von moralischen und rechtlichen Regeln auswirkt (vgl. Ali 2005, Tenbruck 1991, Gabriel 2003). Diese Erscheinung ist allerdings nicht nur ein aktuelles Problem. Bereits in den 60ern prägte Briefs den Begriff der „Grenzmoral“, der die Entstehung eines moralischen Minimalismus dokumentieren sollte (vgl. Briefs 1966). Im Zuge der zunehmenden Bedeutung des Sozial- und Vertrauenskapitals scheint diese Aussage an Bedeutung zu verlieren. Zu Recht stellt Gabriel fest, dass die Wirtschaft, als ein Teil der Gesellschaft, auf einem „unsichtbaren Sockel moralischer Ressourcen“ ruht, den sie selbst nicht schaffen kann. Sie ist auf das Funktionieren dieser ethischen Standards und ihre Befolgung durch die Wirtschaftsakteure angewiesen und wird daher immer eine relevante Rolle einnehmen (vgl. Gabriel 2003, S. 23). Fukuyama sieht ebenfalls die Vertrauensbildung im Kontext der Moral, denn „normalerweise entsteht Vertrauen, wenn eine Gemeinschaft eine Reihe gemeinsamer moralischer Vorstellungen hat, die regelgerechtes Verhalten berechenbar machen“ (vgl. Fukuyama 1997, S. 190). Die einzelnen Werte und Normen sind im Grunde genommen nicht ausschlaggebend, wichtig ist, dass diese von der Majorität der Gesellschaft geteilt werden. Vermutlich sind Gesellschaften mit einem hohen Grad an Solidarität und gemeinsamen moralischen Werten wirtschaftlich effizienter als individualistisch ausgerichtete Gesellschaften, weil sie die Wahrscheinlichkeit des opportunistischen Verhaltens reduzieren. Auf der anderen Seite können bestimmte Formen der Solidarität oder Loyalität positive wirtschaftliche Prozesse, wie die Generierung von Innovationen, behindern. Wenn beispielsweise bestimmte wirtschaftlich notwendige organisatorische Entscheidungen nicht getroffen werden können, weil sie Verwandte vernachlässigen oder gar verletzen. Die Frage, die in diesem Zusammenhang auftaucht, bezieht
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sich auf das angemessene Verhältnis von Moral, Solidarität und wirtschaftlichem Erfolg im Sinne von Erreichung und Sicherung von Wettbewerbsvorteilen. Die Religion als Grundlage der Lebensführung und moralischer Überzeugung wird immer eine wichtige Funktion wahrnehmen, denn „…human societies, even primitive tribal communities, have all developed rules to regulate the conduct of personal and social relations“ (vgl. Al-Kaysi 2000, S.11). Jede Religion verpflichtet ihre Gläubigen auf moralisch qualifizierte Handlungen, die die eigene persönliche und soziale Integrität betreffen und damit zugleich das soziale Zusammenleben und die ökonomischen Tätigkeiten fördern sollen. Die religiös-kulturellen Bedingungen ökonomischer Prozesse, die die Betriebswirtschaftslehre bis vor kurzem noch ausgeblendet hat, bestimmen als eine wesentliche Einflussgröße die spezifischen Präferenzen und Handlungsoptionen, die sich unter anderem in der Wirtschaftsordnung widerspiegeln. Die Frage nach den mentalen Voraussetzungen und religiösen Grundlagen wirtschaftlichen Handelns findet in den aktuellen Globalisierungsdiskussionen große Beachtung. Dies auch deshalb, weil sich gezeigt hat, dass die Bedeutung der Religion in den gesellschaftlichen Entwicklungen des 21. Jahrhundert nicht abnimmt. Die Säkularisierungsthese des 19. bzw. 20 Jahrhunderts, sowie die Modernisierungstheorien der 50er Jahre, haben sich als unzutreffend erwiesen (Winterberg 1994, Lewis 1999, Gabriel 2003). Die Revitalisierung religiöser Tradition findet allerdings häufig in fundamentalistischer Form statt. Diese Mechanismen werden vielfach entwickelt, um die eigene kulturelle Identität zu schützen. Sie können ein enormes Aggressionspotenzial entwickeln oder aber zu neuen Verbindungen von kulturell-religiöser Mentalität, institutioneller Rahmen- und Marktordnung, führen, die der eigenen Tradition besser entsprechen und daher stabiler sind. Die Kritik an dem laizistischen Gedankengut in der Türkei ist berechtigt, weil es den Menschen die Identität der eigenen kulturell-religiösen Prägung abspricht. Es wird sich langfristig zeigen, dass diese Leitidee Atatürks nicht das Bedürfnis des Menschen nach eigener kultureller Identität befriedigt und zu Konflikten – auch wirtschaftlicher Natur – führen wird. Im Unterschied zum französischen Laizismus, der stark durch den Freiheitsgedanken voran getrieben und aus dem Inneren der Gesellschaft entwickelt wurde,
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ist die türkische Form des Laizismus eine Kopie dessen, was die französische Revolution hervorgebracht hat. Die französische Revolution wurde aus dem Bedürfnis des Volkes, sich der unterdrückenden Macht der profanen und kirchlichen Fürsten zu entziehen, geboren. In der Türkei wurde der Laizismus dem Volk auferlegt; er wurde hingenommen, da er durch eine neu, starke Führung eingeführt und vertreten wurde. Die kulturell-religiöse Identität des Volkes wurde dabei völlig außer Acht gelassen, in verschiedenen Bereichen gar durch einen starken Nationalismus ersetzt. Eigenständige Wirtschaftsformen und -ordnungen entstehen aus der Verbindung der kapitalistischen Zweckrationalität in den unterschiedlichen Gesellschaften mit ihrer jeweiligen Kultur, Religion und Historie. Diese Mischformen können eher fruchten, weil sie das Bedürfnis des Menschen nach dem eigenständigen Handeln und Verhalten befriedigen (vgl. Rodinson 1986). Die Globalisierung wirkte sich nicht nur auf die Austauschprozesse der unterschiedlichen Wirtschaftsformen der westlichen Kulturen aus, sie stellte auch den Bezug zu den asiatischen Wirtschaftskulturen her. Diese Wechselbeziehungen führen nicht nur zu Konkurrenz bzw. Dominanz, sondern bieten auch die Option zu Korrekturen. Dies könnte sich auch auf unterschiedliche Wirtschaftsstile auswirken, deren Differenzen nicht zu einem „Kampf der Kulturen“, sondern zu der Frage führen sollten, welcher Wirtschaftsstil und welche Wirtschaftsform am besten die integrale Entwicklung des Menschen fördern. Die Impulse müssten im Sinne Ibn Khaldnjns aus der Gesellschaft heraus entwickelt werden; dabei ist es ratsam die Erfahrungen anderer Kulturen zu nutzen. Die These, dass Religionen per se modernitätsfeindlich sind und die Wirtschaftskultur eines Landes negativ beeinflussen, ist nicht haltbar. Die moralgenerative Funktion von Religionen kann sich auf wirtschaftlich-gesellschaftliche Prozesse durchaus positiv auswirken (vgl. Gabriel 2003). Die Tugenden, wie Fairness und Vertragstreue, aber auch die Bereitschaft und Kompetenz zu Toleranz und friedlicher Konfliktbewältigung, werden durch die Sozialisation, im Sinne von Hoftstede (vgl. Hoftstede 1992) durch die „mentale Programmierung“, vermittelt. Die Sozialisation in der Familie ist ihrerseits rückgekoppelt an die jeweilige Religionsgemeinschaft, zivilgesellschaftliche Gruppe oder die allgemeinen Moralvorstellungen in der Gesellschaft. Dieser Funktion der Religion ist eine hohe Bedeutung beizumessen, da sie den Menschen hilft, 66
die Welt auf ihre spezifische Art und Weise zu sehen. Für den Menschen, der seinen inneren Impuls (im Sinne Ibn Khaldnjns) verspürt und eine Änderung seiner Sicht passieren lässt, ändert sich alles. In der Geschichte der Religionen war es immer dieses Aufbrechen neuer Vorstellungen, das den Beginn neuen Lebens brachte, eine Wandlung, durch die die Menschen lernten, mit neuen Augen zu sehen und ihre Energien neuen Lebensformen zuzuwenden (vgl. The Report of Global Governance 1995, S. 47). Das heißt aber nicht, dass die innovative Kraft immer neuere Religionen hervorbringen muss. Ein religiös induzierter Bewusstseinswandel sollte moralisches Innovationspotenzial für die Bewältigung der neuen Wirklichkeiten bringen. Ebenso gilt allerdings auch das Gegenteil: Religiöser Fundamentalismus kann zur Stagnation und Lernunfähigkeit ganzer Gesellschaften führen. An dieser Stelle ist festzuhalten, dass die Religion als ein wesentliches Merkmal der Kultur auch ökonomische Prozesse durchdringen kann. Ghussy bemerkt folgerichtig, dass der ökonomische und gesellschaftliche Bereich in seiner „komplementären Bezogenheit“ als gleichrangig anzusehen sind (vgl. Ghaussy 1995, S. 6). Diese Anmerkung gewinnt bei der Thematisierung der muslimischen Wirtschaftslehre eine besondere Bedeutung. 3.3.1
Die abendländische Moderne
Im letzten Absatz wurde die Rolle und Funktion der Religion innerhalb ökonomischer Prozesse hervorgehoben. In diesem Teil der Arbeit geht des darum aufzuzeigen, inwieweit der Anspruch der abendländischen Moderne auf ihre „immer und überall“ funktionierende Wirtschaftsordnung gerechtfertigt ist. Es soll dabei nicht ein Vergleich zwischen den Religionen gezogen, sondern ausgearbeitet werden, inwiefern die Konvergenzthese im Zeitalter der Globalisierung auch die religionssoziologischen Aspekte der wirtschaftlichen Prozesse verändert. Mit anderem Worten: Ist eine bedingungslose Adaption der westlichen Wirtschaftskultur in jede andere Kultur, insbesondere in die muslimisch-arabische Kultur sinnvoll und durchführbar? Die Vorteile der westlichen Marktwirtschaft überwiegen häufig jede Form von Skepsis. Der ideologischer Ansatz beruht auf der Vorstellung, dass die „unterentwickelten“ Länder zur Überwindung ihrer 67
Schwierigkeiten den gleichen Weg und die gleiche Entwicklung einschlagen müssten wie die kapitalistischen Länder des Westens; und letztere müssten hierzu zum großen Teil die notwendigen Techniken und das notwendige Kapital bereitstellen. Die nicht westlichen Länder können und müssen sich also ebenso entwickeln wie „ihre Vorbilder“, die Industrienationen, und dazu müssen sie auf dieselben technischen Mittel zurückgreifen, um vergleichbare Resultate zu erzielen. Kurz gesagt: Wer Fortschritt und Innovation generieren will, muss den Westen nachahmen (vgl. Gaussy 1995, Fukuyama 1997, Essid 2000). In diesem Zusammenhang werden die lokalen religiös-kulturellen Spezifikationen gerne vernachlässigt. Diese Tatsache ist nicht bösartiger Natur, sie ist das Ergebnis der eigenen Empfindungen und Erfahrungen. Die westliche Welt, angeführt von den USA, ist von der eigenen Schaffungskraft überzeugt. Teilweise ist diese Haltung auch gerechtfertigt, denn ihr sind auch große Fortschritte – wie ihre Einsichten in die Natur des Geldes oder der Märkte, zu verdanken. Ob dieser Anspruch des Westens sich langfristig durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Im asiatischen Raum entwickeln sich Indien und China unaufhaltsam zu neuen Wirtschaftsmächten, der Erfolg der Golfstaaten, insbesondere die Entwicklung Dubais, skizziert ein ganz neues Bild von ökonomischer Erfolgsgenerierung, wie sie der Westen in dieser Form nicht kannte. Die Entwicklung der genannten Länder zeigt, dass die Zeit der Abhängigkeit vom Westen in jeder Hinsicht der Vergangenheit angehören könnte. Erstrebenwert wäre es, einen Weg zu finden, der zum einen die eigene kulturelle Identität berücksichtigt, und zum anderem die Kompetenz erwirbt, aus den Erfahrungen des Westens lernen zu können. Die muslimische Welt sollte (wie einst das westliche Europa) Technologien und innovative Ideen adaptieren und bei Bedarf weiterentwickeln. In der Blütezeit des Islams wurde der umgekehrte Weg bechritten: Die Christen haben muslimisches Gedankengut adaptiert und präzisiert. Der vom technischen Fortschritt beförderte Kapitalismus hat enormen Wohlstand geschaffen und dient als Inkubator für die Entwicklung liberaler politischer Systeme (vgl. Fukuyama 1997, S. 17). Die Arbeit Max Webers, die den religiösen Kontext als Ausgangspunkt seiner wirtschaftlich angetrieben Überlegungen annimmt, wird im Folgenden diskutiert. Es soll herausgearbeitet werden, ob die
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„protestantische Ethik“ tatsächlich Tugenden hervorbringt, die Funktion eines Katalysators wahrnimmt, die ökonomischen Prozesse beeinflusst und so nachhaltig zum gesellschaftlichen Erfolg beiträgt (vgl. Weber 2005). Anschließen soll schrittweise diskutiert werden, ob nicht auch die muslimische Religion Grundzüge aufweist, die die marktwirtschaftlichen Bedingungen erfüllt. Um nicht von der Grundthematik abzuweichen, werden die Begriffe Marktwirtschaft und Kapitalismus synonym verwendet. 3.3.2
Max Webers „Ethik des Protestantismus und der Geist des Kapitalismus“
Über den kulturellen, insbesondere den religiösen Einfluss auf die Wirtschaft ist viel geschrieben worden. Ein großer Teil der Literatur konzentriert sich auf die Arbeit von Max Weber. Im Jahre 1905 veröffentlichte Weber sein Werk „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“. 1906 publizierte er in der Frankfurter Zeitung einen weiteren zweiteiligen Aufsatz über Kirchen und Sekten; noch im gleichen Jahr präzisierte er seinen Referenzrahmen und bezog sich explizit auf Kirchen und Sekten in Nordamerika. Sein Interesse für den Zusammenhang zwischen Religiosität und Ökonomie begründete er mit dem menschlichen Verhalten auf Grundlage religiöser Prägung. Die Fähigkeit und Disposition des Menschen zu bestimmten Arten von praktisch-rationaler Lebensführung hängt vom Glauben an die Verbindlichkeit der in einer religiösen Ethik formulierten Pflichten ab (vgl. Schlichter 1987, S. 29). Die Arbeit Max Webers „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ ist durch eine größere Öffentlichkeit bekannt geworden. Ausgangspunkt seiner Überlegungen bildete die Verknüpfung der Beziehung zwischen Protestantismus und der kapitalistischen Entwicklung. Die bestimmende Größe dieser Entwicklung ist zunächst in der protestantischen Askese zu finden. Diese Lebenshaltung mündete in die der neuen Wirtschaftsordnung, die das ökonomische Geschehen im Okzident bestimmte (vgl. Guttandin 1998, S. 8). Die Protestantismusthese wurde lange Zeit ausschließlich mit dem modernen Kapitalismus diskutiert. Diese Thematisierung hat heute noch in der angelsächsischen Literatur Konjunktur (vgl. Fukuyama 1997). Dieses besondere Interesse ist auch auf die Ak69
zentuierung Webers zurückzuführen: Er bezog sich häufig auf die anglo-amerikanische Form des Protestantismus. Die Forschungsfragen gehen auch noch heute dahin, warum Großbritannien und die USA seit 300 Jahren eine Vormachtstellung in der Welt einnehmen. Mead kommt zu einem ähnlichen Schluss wie einst Weber: Kapitalismus und offene Gesellschaft, die er beide auf den protestantischen Geist zurückführt, waren und sind grundlegend für die anglo-amerikanische Dominanz (vgl. Mead 2005). Tenbruck sieht in der Entstehung der rationalen Kultur des Abendlandes das zentrale Thema der Arbeit Webers (Tenbruck, 1990). Im Gegensatz zu Weber vertritt er allerdings im Kontext der modernen Gesellschaft eine These der Einschränkung der Religion, die Entstehung einer von der Kirche gelösten Kulturintelligenz. Die Wiege der modernen Wissenschaft sei ein westeuropäisches Ereignis und bliebe in der Tradition der griechischen Antike und ihrem Glauben an die rationale Verstehbarkeit (vgl. Tenbruck, 1990, S. 89). Im ersten Moment entsteht zwar der Eindruck, die Bedeutung der religiös bedingten Moralvorstellungen hätte im Laufe der Zeit abgenommen, aber beim genauen Hinsehen glaubt auch Tenbruck an die normative Kraft der Religion. Der Gedanke, dass die Aufklärung und die französische Revolution nicht die Haupttreiber für Bürgerrechte und eine neue Sortierung und Systematisierung der Weltordnung seien, sondern die Lebenseinstellung der frommen Nonkonformisten des 18. Jahrhundert zur wirtschaftlichen Neuausrichtung geführt habe, ist laut den Recherchen Guttandins nicht ganz neu (vgl. Guttandin 1998, S. 11). Dabei muss erwähnt werden, dass sich die Entwicklung Frankreichs beispielsweise von der Entwicklung Großbritanniens im erheblichen Maße unterschied. Der Wandel in Frankreich ist hauptsächlich auf die Volksbewegung und die Revolution zurückzuführen. Hier ging es darum, sich von dem kirchlichen Einfluss zu befreien. Daher ist ein Vergleich Frankreichs mit anderen kapitalistisch geprägten Ländern nicht sinnvoll. Auch Fukuyama sieht einen Unterschied hinsichtlich wirtschaftlicher Strukturen zwischen Frankreich und anderen Industrienationen (vgl. Fukuyama 1997). Unabhängig von diesen Erscheinungen ging Max Weber davon aus, dass der Zusammenhang zwischen protestantischer Ethik und dem Geist des Kapitalismus evident sei. Er stellte dar, wie verschiedene, im Protestantismus enthaltene Wert-
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haltungen zur Ausbildung eines langfristig orientierten, kapitalistischen Wirtschaftssystems führten. Häufig untermauerte er seine Thesen durch seine Erfahrungen in den USA. Die Diskussion, in welchem Kontext die protestantische Ethik und der Kapitalismus zu sehen sind, dauert bis heute an. Weber hat selbst einige Änderungen und Ergänzungen vorgenommen. Der Forscher Jellinek hatte bereits einige Jahre vor der Veröffentlichung Webers auf einige Ungereimtheiten hingewiesen (vgl. Guttandin 1998, S. 13). Es entstehe der Eindruck, dass es Max Weber nicht um ein isoliertes Problem ginge, sondern um einen Problemkomplex. Es scheint, als ob Weber einen Beitrag zu sozialen Wandlungsprozessen leisten wolle und es im Kern gar nicht so sehr um „den Geist des Kapitalismus“ ginge, sondern vielmehr um gesellschaftliche Veränderungen. Die religiösen Tugenden, wie die Beeinflussung der Lebensführung durch bestimmte Arten der Frömmigkeiten, letztlich um den Sieg jenes „ethischen Lebensstils“, der den Triumph des Kapitalismus in der Seele bedeutet, bildeten den zentralen Ansatz seiner Arbeit (vgl. Guttandin 1998, S. 11). Mit anderen Worten: Die Begründung, warum sich im Okzident (und nur da) eine neue Wirtschaftsordnung im Sinne des Kapitalismus herausbildete, ist in den ethischen Grundsätzen der Protestantismus zu sehen. Den Ausgangspunkt seiner Überlegungen bildet der Begriff des „Berufes“, welcher sich im Sinne des Rationalisierungsgedankens und religiöser Vorstellung entwickelt: „…in dem deutschen Wort ‚Beruf’, ebenso wie in vielleicht noch deutlichere Weise in dem englischen ‚calling’ verbirgt sich die religiöse Vorstellung einer ‚…von einem Gott gestellten Aufgabe’ …“ (vgl. Max Weber 2005, S. 66). Im weiteren Verlauf seiner Ausarbeitung präzisiert Weber seine Aussage bezüglich des „Berufsethos“ und ist überzeugt, dass die Grundlage der rationalen Lebensführung aus dem Geist der „christlichen Askese“ geboren sei. Der Puritaner wollte ein Berufsmensch sein, denn nicht die Arbeit an sich, sondern rationale Berufsarbeit sei das, was Gott verlangte (vgl. Weber 2005, Fukuyama 1997). Hier ist eine Parallele zur muslimischen Religion festzustellen: In der Hadithsammlung Al Bukhari findet sich eine eindeutige Stellung zu Broterwerb: Vermutlich geht der
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Wunsch nach einer Berufsausbildung und die dadurch gewonnene Spezialisierung auf diese Grundannahme Webers zurück. In der Ausübung des Berufes sieht er nicht nur den Segen Gottes, sondern “…was noch wichtiger war, die religiöse Wertung der rastlosen, stetigen, systematischen, weltlichen Berufsarbeit als das höchste asketische Mittel schlechthin und zugleich sicherste und sichtbarste Bewährung des wiedergeborenen Menschen…“ (Weber 2005, S. 151). Weber hebt die Bedeutung des Berufes zwar hervor, kann allerdings den Zusammenhang zur christlichen Askese nicht eindeutig darlegen. Auch in anderen und früheren Kulturen haben sich aufgrund ökonomischer Anforderungen Arbeitsteiligkeiten herausgebildet. Neben dieser Aussage bezüglich des Berufes zählt Weber eine Reihe von weiteren Tugenden, die zu einem kapitalistischen Wirtschaftssystem geführt haben. Der Umgang mit der Zeit bildete eine weitere Thematik in Webers Arbeit; sie sollte optimal genutzt werden. Zeit zu verschwenden sei verwerflich; die Zeitspanne des Lebens sei begrenzt. Zeitverlust durch Geselligkeit, „faules Gerede“, Luxus, selbst durch mehr als der Gesundheit nötigen Schlafes – 6 bis höchstens 8 Stunden – ist sittlich absolut verwerflich (vgl. Weber 2005, S. 137).
Weber räumt der Zeit eine ähnlich hohe Bedeutung zu wie Franklin, der den Satz prägte: „Zeit ist Geld“ (vgl. Weber 2005, Guttandin 1998). Während die Spezialisierung im Beruf noch eine logische Voraussetzung der kapitalistischen Wirtschaftsordnung darstellte, ist der Umgang mit Zeit nicht konsequent analysiert. Es geht in erster Linie nicht um die Quantität, sondern um die Qualität der Verwendung der Zeit. In China oder Indien gibt es Arbeiter, die täglich mehr als 15 Stunden körperlich hart arbeiten, ohne jemals in den Genuss von Reichtum zu kommen. Sie leben immer nach dem Prinzip von der “Hand in denMund“. Erst der rationale Umgang mit der Zeit kann einen Beitrag zum Wirtschaftssystem leisten. Im Zusammenhang mit der Zeit wird auch das Wesen des Menschen als Gesellschaftsmensch vernachlässigt. Tenbruck macht im Kontext von Kulturtypologien darauf aufmerksam, dass der Mensch die Gesellschaft und die Geselligkeit seiner Mitmenschen braucht. Gabriel zitiert Levi Strauß, der ebenfalls den Menschen als Gemeinschaftswesen betrachtet: „Das einzige, was einer menschlichen Gruppe wirklich zum Verhängnis werden kann, was sie unweigerlich daran hindern wird, ihre Natur voll zu verwirklichen, ist es allein zu sein“ (Strauß 1961 in Gabriel 2003, S. 27). 72
Die alleinige Verwendung der Zeit zur „harten Arbeit“ und der Verzicht auf Geselligkeit kann den einzelnen Menschen oder ganze Gesellschaften auf Dauer unglücklich und unzufrieden machen. Bei der Thematisierung der Arbeitsethik im Islam (3.2.2) wird ausgeführt, dass zwischen dem Privatleben des Menschen und seiner Berufswelt nicht unterschieden wird. Persönliche Beziehungen werden am Arbeitsplatz genauso intensiv gepflegt wie im privaten Bereich (vgl. Trompenaars 1993, Hofstede 2000).
Ein weiteres Merkmal ist die „innerweltliche protestantische Askese – sie wirkte mit voller Wucht gegen den unbefangenen Genuss des Besitzes, sie schnürte die Konsumtion, speziell die Luxuskonsumtion ein“ (vgl. Weber 2005, S. 150). Das Ergebnis harter Arbeit und die Kapitalbildung durch asketischen Sparzwang führen gezwungenermaßen zum Reichtum: Der strikte Calvinismus in Holland zeigte in nur sieben Jahren, dass die einfache Lebensführung, der Verzicht auf Konsumgüter und ein durch Fleiß überdurchschnittliches Einkommen zu enormen Reichtümern führten und sich daraus regelrecht eine „Kapitalansammlungssucht“ entwickelte (vgl. Weber 2005, S. 155). Dieses Ergebnis scheint sich nicht im Sinne des Protestantismus zu entwickeln. Nicht nur die Leistungsbereitschaft könnte im Zuge des Reichtums abnehmen, auch die Religiosität könnte unter der Ansammlung von Kapital leiden. Die protestantische Frömmigkeit könnte sich in eine konsumorientierte Lebenseinstellung entwickeln, wenn die monetären Mittel zur Verfügung stehen. Dieser Wandel würde das Verhältnis des Menschen zu Gott negativ beeinflussen. An dieser Stelle ist auf einen weiteren Grund hinzuweisen, weshalb der Mensch sich von den religiösen Verpflichtungen entfernen könnte: Der technologische Fortschritt könnte Veränderung und Wandel hervorrufen (vgl. Hottinger 2000). Dieser Wandel könnte sich auch in der Haltung des Menschen zu seiner Religion bemerkbar machen. Auch hier zeichnet sich ein gravierender Unterschied zum Wirtschaftssystem in Dubai ab. Das gesamte Leben ist in Dubai auf Luxus und Komfort ausgerichtet. Das luxuriöseste Hotel der Welt, der „Burj Al Arab“ ist beispielsweise das derzeitige Markenzeichen Dubais. Dieses Hotel ist zum Wahrzeichen des „arabische Geistes des Kapitalismus“ geworden. Die Emiratis zeigen eindrucksvoll,
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dass der Hang zu Luxus und Komfort sich mit der Erreichung von ökonomischen Zielen vereinbaren lässt. Die protestantische Ethik verliert in dieser Hinsicht an Reiz, denn die harte Ausübung des Berufes, gepaart mit dem einfachen Leben und dem Verzicht auf Konsum von Luxusgütern, kann die Bedürfnisse des Menschen nicht langfristig zufrieden stellen. Es stellt sich auch die Frage nach der Verwendung des Kapitals: Welchen Zweck kann Kapital haben, wenn es nicht ausgegeben werden darf und kann? Moderne Volkswirtschaften belegen, dass der Konsum den Markt beleben und so einen positiven Einfluss auf das Wirtschaftssystem ausüben kann. Die Sorge Webers, dass Reichtum zum Leistungsabfall führen kann, wird allerdings heute noch in der Literatur geteilt (vgl. Ghaussy 1995). Weber erkennt das Problem, ohne jedoch eine adäquate Lösung anbieten zu können. Die Ansammlung von Reichtum kann nur durch Reinvestition umgangen werden. Zur Vermeidung dieses Szenarios kann der staatliche Eingriff, im Sinne von Innovations- und Erfolgsdruck, Abhilfe schaffen. Die Regierung Shaikh Mohammeds gibt klare Ziele vor; die Erreichung dieser Ziele kommt der Gemeinschaft als Ganzem zu Gute. Es findet eine Vermischung der Interessen der Regierung und des Volkes statt. Shaikh Mohammed stellt hohe Anforderungen an die Menschen in Dubai, der Satz „Nicht jeder, der auf einem Pferd sitzt, ist ein Reiter“ zeichnet ein Bild, das die Nutzung jedes Verbesserungspotentials anmahnt. Max Webers Überlegungen zum Thema „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ sind hier nur skizzenhaft angerissen worden. Eigentlich verdient diese Arbeit eine ausführlichere Behandlung. Doch die Thematik dieses Abschnittes sollte nur darstellen, dass der Zusammenhang von Religion und Ökonomie schon früher diskutiert worden ist. Außerdem wird im Laufe dieser Arbeit auf einige Teilaspekte der „Weberschen“ Arbeit zurückgriffen, um religiös-kulturelle Unterschiede im Wirken auf die Wirtschaftlichkeit von Gesellschaften aufzuzeigen.
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3.4
Die muslimische Wirtschaftsordnung
Nachdem die Rolle der Religion im Kontext der Wirtschaftslehre diskutiert und der Höhepunkt der Diskussion dieses Zusammenhangs in der okzidentalen Moderne den Arbeiten Max Webers, besonders „Die protestantische Ethik sowie der Geist des Kapitalismus“, zugeordnet wurde, ist es an der Zeit sich mit der muslimischen Lehre und dem dazugehörigen ökonomischen System zu befassen. Die eingehende Frage Webers, die Rodinson als das Hauptproblem der Weltgeschichte bezeichnet, lautete, warum sich der Kapitalismus nur in Westeuropa und nur hier entwickelt und dieser Region einen entscheidenden Aufschwung und eine deutliche Überlegenheit gegenüber anderen Kulturen beschert hat (Rodinson 1986). Beide Autoren sehen in der christlichen Religion, insbesondere ihrer protestantischen Form, die Ursache dieser Entwicklung. Sowohl Weber als auch Rodinson sind überzeugt, dass der Islam im Widerspruch zum Kapitalismus steht und daher die muslimische Welt nicht in den Genuss einer ähnlichen Entwicklung kommen wird (Schluchter 1987, Rodinson 1986). Um eine explizit diskriminierende Wertung der muslimischen Religion zu vermeiden, wird nicht die Religion an sich als historisches bzw. aktuelles Hindernis kapitalistischer Entwicklung gesehen, sondern die Strukturen, das heißt das Zusammenwirken der muslimischen Staatengebilde, ihres Beamtentums und ihrer Rechtsfindung (vgl. Rodinson 1986, Schluchter 1987).
Aus der allgemeinen Lehre des Islams wird sukzessiv die Wirtschaftstypologie Dubais geformt. Wie bereits oben erwähnt, ist die Durchdringungskraft des Islams größer als die anderer Offenbarungsreligionen, wie die des Christentums oder des Judentums. Häufig wird das muslimische Wirtschaftssystem auf das Bank- bzw. Zinsgeschäft reduziert. Zweifelsohne bildet dieser Unterschied ein wichtiges Merkmal muslimischer Wirtschaftsordnung, dennoch sollten die anderen Aspekte, wie die Arbeitsethik oder das Verhältnis zur strategischen Planung, im Islam nicht außer Acht gelassen werden. Die gegenwärtig praktizierte Wirtschaftsordnung in den arabischen Golfstaaten ist durch eine hohe Diversität gekennzeichnet. Es wäre falsch, von der „muslimischen Wirtschaftsordnung“ zu sprechen. Die wirtschaftliche Struktur in Nord75
afrika weist andere Merkmale auf als das ökonomische System auf der arabischen Halbinsel. Trotz der geographischen Konzentration der Golfstaaten auf einen relativ engen Raum ist die Wirtschaftsordnung nicht in jedem Golfstaat gleich. Selbst die sieben Emirate weichen, unter anderem im Hinblick auf ihr Wirtschaftssystem, voneinander ab. Daher ist es ratsam, öfter die gemeinsame Geschichte der Arabischen Welt in die Diskussion einzubeziehen, weil sie einen natürlichen Charakter (im Sinne einer ursprünglichen Unverfälschtheit) aufweist. Obwohl die Existenz der wirtschaftlichen Heterogenität auf der Hand liegt, bewegen sich diese Systeme in einem ähnlichen Referenzrahmen. Neben dem religiösen Zusammengehörigkeitsgefühl blickt die Arabische Welt auf eine gemeinsame Historie zurück – „… the cities along the silk road were thriving centers of commerce…“(vgl. Wilson 2006, S. 109). Die Islamisierung der Arabischen Welt verband die Menschen stärker miteinander. Die Darstellungen Ibn Khaldnjns zeigten eine Vielzahl an Gemeinsamkeiten, die sich auch auf die Wirtschaftsordnung bezogen. Neben dieser Gemeinsamkeit ist die Rolle der muslimischen Religion „…to be a powerful force in todays political and business area”– klar vorgegeben (vgl. Ali 2005, S. 1). Die muslimische Lehre und ihre Ausstrahlungskraft auf sämtliche Lebensbereiche ist bereits diskutiert worden (Abschnitt 3.1). Bezüglich des Wirkens der Religion innerhalb ökonomischer Prozesse hat sich in der Literatur eine Vielzahl von Autoren mit dieser Thematik beschäftigt. Es sind grundsätzlich zwei entgegengesetzte Meinungsströme zu verzeichnen: Die einen entwickeln, oft aufgrund eigener muslimischer Zugehörigkeit, ein positives Verhältnis zwischen Religion und Wirtschaftsordnung (vgl. Husaini 2002, Abuznaid 2006); andere, oft westlich geprägte Autoren, sehen in diesem Zusammenhang die Ursache der Rückständigkeit und Stagnation der muslimischer Wirtschaftsordnung (vgl. Rodinson 1986, Lewis 2000). Die Unterentwicklung der muslimischen Wirtschaftssysteme ist Gegenstand vieler Untersuchungen. In der vorliegenden Arbeit wird auf eine bewertende Analyse weitgehend verzichtet, die Argumente der Forscher beider Lager finden Berücksichtigung. Die Unterscheidung zwischen der sunnitischen und schiitischen Form des Islam wird in der nachfolgenden Diskussion ausgeblendet; nicht nur weil sich die Sun-
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niten weltweit in einer deutlichen Überzahl befinden, sondern auch da zur Bestimmung der Wirtschaftstypologie Dubais von einer größeren Relevanz des sunnitischen Islams auszugehen ist, da die überwiegende Anzahl der Emiratis dieser Glaubensrichtung angehören. Diese Verhältnismäßigkeit trifft nicht auf alle Golfstaaten zu. In Bahrain überwiegt beispielsweise der Schiitische Islam, in Saudi Arabien bestimmt die Wahabitische Denkrichtung des Sunnitischen Islams das gesellschaftliche Leben. Im Hinblick auf wirtschaftliche Schlussfolgerungen unterscheiden sich diese drei Ausprägungen der Religion nur unwesentlich. Die Wahabiten vertreten in vielen Punkten eine konservativere Ausrichtung als die Sunniten, die dieser Denkrichtung nicht folgen. Häufig wird vermutet, dass das reduzierte Entwicklungstempo in Saudi Arabien auf diesen Sachverhalt zurückzuführen sei. Die wirtschaftlichen Ordnungsvorstellungen des Islams beruhen auf den im muslimischen Glauben verankerten Werten und Normen. Diese umfassen wiederum die juristischen, organisatorischen und sittlichen Elemente der muslimischen Lehre, die in ihrem Zusammenwirken die Lebensform einer muslimischen Gemeinschaft oder Gesellschaft prägen (vgl. Ghaussy 1995). Die Allmacht Gottes wirkt auch in der Wirtschaftsordnung des Islams. Die muslimische Gesetzgebung (shari’a) ist zugleich auch weltliches Gesetz und bestimmt somit auch die Wirtschaftslehre des Islams. Die anschließenden Aspekte geben Auskunft über einen wesentlichen Bereich des Wirtschaftssystems. 3.4.1
Muslimische Denkschulen
Zur Generierung von Wissen im religiösen Sinne wird den muslimischen Denkschulen eine hohe Bedeutung beigemessen. Der Wissenserwerb bildet insgesamt einen wichtigen Punkt muslimischer Religion “…acquiring knowledge is a virtue that sustain not only personal faith, but also the continuity and evolution of the community“ (vgl. Husaini 2002, S. 117). In der Blütezeit der muslimischen Hochkultur wurde dem Faktor Bildung eine außerordentlich wichtige Funktion zugewiesen, diese Rolle wird im überwiegenden Teil der muslimischen Welt nicht mehr ernsthaft verfolgt. Die Taliban in Afghanistan, die sich selbst als „Gotteskrieger“ 77
bezeichnen, hatten während ihrer Machtausübung die Schulen (insbesondere für Mädchen) schließen lassen. Dabei wird die Bedeutung von Bildung und Wissen im Qur’an und in der Sunna immer wieder wiederholt. Im Qur’an ist nachzulesen: „And say, 'O my Lord! Increase in my knowledge' “ (vgl. Qur’an 20:114). Aus diesem Vers geht eindeutig hervor, dass die Muslime zum Wissenserwerb mit Gottes Hilfe rechnen könnten. Zu Lebzeiten des Propheten galt der Grundsatz der Meinungsfreiheit in der muslimischen Gemeinschaft, Umma. Problemlösungsansätze wurden in der Umma (häufig unter der Leitung des Propheten) durch Diskussion in der Runde entwickelt, insbesondere ökonomische und politische Angelegenheiten waren Gegenstand solcher Debatten. In diesem Zusammenhang lag die Macht beim Propheten, aber die Ahadith besagen, dass er neuen und innovativen Lösungswegen nicht abgeneigt war. So wird überliefert, dass er gesagt haben soll „The differences [in opinion] among the thinkers in my community are blessings“. An einer anderen Stelle fügt er hinzu: „ even if they make a mistake in exercisng their right to think, in a matter of religious law, they are rewarded“ (vgl. Haykal 1976, S. 79). In den Ahadith sind häufig Textstellen vorzufinden, die die Bedeutung des Wissenserwebs und der Bildung hervorheben. Diese Form des Gespräches und der Diskussion ist in einigen Teilen der Arabischen Welt bis heute vorzufinden. Die sogenannten „majlis“ finden regelmäßig zwecks Informationsaustausch und Intensivierung der persönlichen Beziehungen statt. Allerdings haben sich Unterschiede in den Formen der Konsensfindung etabiliert: In vielen Teilen der Arabischen Welt haben sich starke Machtstrukturen durchgesetzt, die den ursprünglichen Empfehlungen nicht mehr Folge leisten; dabei ist im Qur’an die Art der Argumentation genau vorgegeben: „And argue with them in ways that are best and most gracious“ (vgl. Qur’an 16:125). Die Freiheit, Problemlösungsansätze zu entwickeln, führte selbst zu Lebzeiten des Propheten zu unterschiedlichen Denkprozessen und Herangehensweisen. Zu seinen Lebzeiten wurde das Ansehen und die Autorität des Propheten Mohammed nicht in Frage gestellt. Seine Sichtweise und sein Rat wurden grundsätzlich befolgt, das heißt aber nicht, dass „…there was no diversion among the Muslim community at that time“ (vgl. Ali 2005, S. 36). Die voneinander abweichenden Haltungen in der muslimischen Gesellschaft bezogen sich im Überwiegenden auf ökonomische Prozesse sowie gesellschaftliche und politische Strukturen. Der 78
starke Glaube und die muslimischen Grundsätze überwogen die Differenzen: „…during the Prophet’s era, loyalty and allegiance to the new faith transcended Arab tribal division and rivalry and transformed the Arab into unprecedented coherent group” (vgl. Beekun 1997, S.9). Die gesamte Arabische Welt erlebte ein Zeitalter des Aufschwungs in intelektueller, gesellschaftlicher, politischer und ökonomischer Hinsicht. Die Einheit der Muslime war nicht von langer Dauer. Nach dem Tod des Propheten fühlten sich einige Muslime verpflichtet, die Nachfolge Mohammeds als Oberhaupt der Gemeinschaft zu übernehmen. Andere zweifelten an der Wahrheit der muslimischen Lehre. Die junge muslimische Gemeinschaft erlebte eine ernsthafte Krise; die Notwendigkeit einer Führung zeichnet sich zu Beginn der Islamisierung der Araber ab. Sie waren sowohl in der Wüste, als auch in der Stadt gewohnt von einem Herrscher geführt zu werden. Dieser Bedarf ist bis heute in der Arabischen Welt vorhanden. Die Rolle des Herrschers ist nicht nur auf sein Führungsverhalten reduziert. Er übernimmt auch – im Idealfall – die Rolle eines „Vaters“, der sich um die Belange seines Stammes bzw. Volkes kümmert. Um die Krise nach dem Tod des Propheten zu überwinden, rief der spätere zweite Kalif, Omar bin Al Khattab, die Bewohner des Stadtstaats Medina zu einer Versammlung zusammen, in der der Schwiegervater des Propheten Mohammed, Abu Bakr, die Führungsrolle erhielt, indem er zum ersten Kalifen in der Geschichte gewählt wurde. Während der Amtszeit der „Vier rechtgeleiteten Kalifen“ etablierten sich erste unterschiedliche Denkrichtungen, Vorläufer der späteren islamischen Rechtsschulen. Die ersten Unterrichtsstunden wurden zu Beginn in der Hauptmoschee in Medina abgehalten; der Lerninhalt bestand aus Philosophie, Mathematik, Geschichte, Rhetorik und Recht (vgl. Gülen 1981). Die ersten Jahrzehnte nach dem Tod des Propheten Mohammed waren geprägt durch die Erweiterung des muslimischen Gebiets, vor allem mit militärischen Mitteln. Dabei handelte es sich aber eher um eine politische Sicht, als um eine religiöse. Christen und Juden in den neu eroberten Gebieten durften ihre Religion behalten. Unter der Herrschaft des Kalifen Othman besannen sich die Muslime auf die Pflege geistig intellektueller Inhalte. So wurden die Offenbarungen des Qur’an zu einer Schrift zusammengefasst und über die Grenzen des muslimi-
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schen Herrschaftsgebiets hinaus verbreitet (vgl. Ahmad 1983). Leider war die Zeit der Herrschaft Othmans auch geprägt von innenpolitischen Schwierigkeiten; die noch junge Gemeinschaft der Muslime musste zunächst ein gemeinsames Verständnis für die Staatsführung finden. Unter der Herrschaft des Kalifen Ali, des Nachfolgers Othmans, konnten die inneren Auseinandersetzungen zwar nicht beendet werden, aber im Hinblick auf das Geistesleben erreichte der muslimische Staat in den folgenden Jahrhunderten seine Blüte. Diese Zeit war geprägt durch den Austausch von Wissen, ökonomischen Fortschritt und interkulturelle Beziehungen. Toleranz und Respekt waren wesentliche Aspekte dieser Periode. Der intellektuelle Austausch wurde in allen muslimischen Gebieten gefördert. So wurden die antiken Schriften der Griechen ins Arabische übersetzt, Universitäten und Bibliotheken waren Muslimen und Nicht-Muslimen gleichermaȕen zugänglich. Mit der Eroberung neuer Gebiete wurde die Kultur der Eroberten nicht zerstört, sondern die Erfahrung und Bildung dieser Menschen wurde sich zu Nutze gemacht „…They brought them their cultural heritages and contrasted them with that of Islam“ (vgl. Ali 1996, S. 43). Der Aspekt des interkulturellen bzw. intellektuellen Austauschs zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen gewann an Bedeutung. Unterstützt von der Herrscherfamilie, entstanden auf dem muslimischen Gebiet zahlreiche Schulen und Universitäten. Unterschiedliche Wissenschaften, wie Wirtschaftslehre, Philosophie, Psychologie, Literatur usw. wurden in den verschiedenen Einrichtungen gelehrt. Diese waren gekennzeichnet durch „…diversity, multi-culturality, openness, tolerance, and dynamism“ (vgl. Haykal 1976, S. 177). Wissenschaftler genossen ein hohes Ansehen in der Gesellschaft. Insgesamt etablierten sich sechs verschiedene Lehreinrichtungen bzw. Schulen, die sich neben den religiösen Belangen auch mit weltlichen Fragestellungen beschäftigten. Nicht alle Schulen können und müssen in der vorliegenden Arbeit diskutiert werden. Einige Aspekte der Mutazila-Schule sollten angesprochen werden, weil sie eine Verbindung zu den gesellschaftlichen Strukturen Dubais aufzeigen. Das rationale Verhalten des Menschen, welches Weber als eine Hauptursache des Kapitalismus bezeichnet, wurde im 12. Jahrhundert gelehrt: „The Mutazilas maintain that reason alone tells us what is good or bad and that knowledge comes trough reason.(….). The school maintains that free will and democracy are prerequisites to action and the prosperity of society. Denial of
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ability and free will stifles creativity and destroys the soul. The primary measure of right and wrong in any organizational setting is the promotion of welfare and happiness to its members. In term of leadership, the Mutazilas assert that any person is qualified to be a leader regardless of race or ethnicity. The leaders should be elected by the community and should have the reputation of being just and faithful” (vgl. Husaini 2002, S. 122). Die Grundsätze dieser Schule scheinen sowohl die Bedingungen einer kapitalistischen Entwicklung (im Sinne Max Webers) zu erfüllen, als auch mit den demokratischen Prinzipien vereinbar zu sein. Wieso konnten sich diese Grundsätze nicht dauerhaft durchsetzen? In der Literatur werden einige Gründe angegeben, wieso sich der Islam nicht auf Basis von Freiheit, Wissensgenerierung und Innovationsorientierung etablieren konnten. Ein wesentlicher Grund, der immer wieder vorzufinden ist, sieht in der osmanischen Vorherrschaftsform des „Sultanismus“ die Hauptursache für das Fehlen von kapitalistischen Strukturen (vgl. Schluchter 1987). Rodinson knüpft an die These Webers an und bezieht Position im Sinne Schluchters: Die patrimoniale Herrschaftsstruktur, d.h. die fehlende Gewaltenteilung, sei für die vorhandene Wirtschaftsstruktur verantwortlich. Wenn in der Neuzeit der moderne Kapitalismus in der muslimischen Welt nicht auftrat, so ist dafür der muslimische Patrimonialismus verantwortlich (vgl. Rodinson 1986). Im Laufe der Arbeit wird systematisch ausgearbeitet, ob diese Vermutung tatsächlich die kapitalistische Entwicklung bremste oder gar hinderte. Die erfolgreiche Wirtschaftskultur Dubais wird ein Indiz liefern, inwieweit die theoretischen Überlegungen Werbers und anderer Autoren dieser Annahme entsprechen. Die innere Haltung der Türken gegenüber der muslimischen Lehre unterschied sich in gewisser Hinsicht von den Glaubensvorstellungen der arabisch geprägten Dynastien. Ihre Auslegung der muslimischen Lehre fiel wesentlich orthodoxer aus. Aus diesem Grund wurde nur eine einzige Schule gefördert. Die Jabria Schule war eher kriegerisch und fundamental ausgerichtet und überschnitt sich mit den Glaubensvorstellungen der Osmanen. Auch bedingt durch die Kreuzzüge richtete sich das Hauptaugenmerk und die ganze Konzentration immer mehr auf Kriegsführung und militärische Eroberungszüge. Im Zuge dieser Entwicklung büßte die einst blühende muslimische Kultur in vielen Bereichen an Macht und Ansehen ein. Insbesondere der wissenschaftliche Bereich hat sich bis heute nicht 81
mehr erholen können. Das christliche Abendland adaptierte währenddessen die Ideen und Errungenschaften des Orients und entwickelte diese weiter. Bis zur gegenwärtigen Zeit profitiert der Westen von ihren spät mittelalterlichen Strategien und den damaligen Lernprozessen. Diese kurze Exkursion in die geschichtliche Entwicklung der Wissenschaften während der Blütezeit der muslimisch-arabischen Kultur sollte vermitteln, dass der ursprüngliche Islam sämtliche Bedingungen erfüllte, die zu Freiheit, Gerechtigkeit, Wohlstand und Bildung führten. Erst im Laufe der osmanischen Vorherrschaft (ab dem 13./ 14. Jahrhundert) und der wiedergewonnenen Macht der christlichen Kirche veränderte sich die Prioritätensetzung. 3.4.2
Wirtschaftsethik im Islam
Der Zusammenhang zwischen ethischem Verhalten und betriebswirtschaftlichen Prozessen ist seit einigen Jahrzehnten Gegenstand der wirtschaftswissenschaftlichen Theorie. Besondere Aufmerksamkeit kommt der Ethik in der Marketingund Managementforschung zu. Nicht nur die Literatur zeigt ein gesteigertes Interesse, auch die Praxis bemüht sich, die Wirkung bzw. den Einfluss der Ethik in Unternehmen zu verstehen. Um das gesteigerte Interesse zu belegen, führt AlKhattib auf, dass „the Journal of Business Ethics has expanded from 12 to 24 issues per year“ (vgl. Al-Khattib/Robertson/Stanton/Vitell 2002, S. 98). Zusätzlich sei das Thema Ethik Diskussionsgegenstand nationaler und internationaler Tagungen und Konferenzen (Al Khattib /Robertson/Stanton/Vitell 2002). Auch andere Autoren bescheinigen ein gesteigertes Interesse an dem Zusammenhang zwischen Ethik und Betriebswirtschaftslehre (vgl. Ashmann/Winstanly 2006, Hamilton/Bean 2005). Ähnlich wie andere Managementansätze beziehen sich die meisten Forschungsarbeiten auf den US-amerikanischen bzw. europäischen Raum (vgl. Al-Khattib/Robertson/ Stanton/Vitell 2002). Bestimmte Grundsätze des ethischen Verhaltens sind zwar landes- bzw. kulturübergreifend, wie zum Beispiel humanes und faires Verhalten im Umgang mit anderen Menschen oder das Unterlassen von betrügerischem Verhalten gegenüber seinen Mitbewerber usw. Es lassen sich noch viele Indizien auffinden, die einen Bezug zum jeweiligen religiösen Bekenntnis haben. Der Religion wird im Kontext der ethischen Verhaltensnormen eine hohe Bedeutung 82
beigemessen; „the religious determined of life conduct, however, is also one, not the only one of the determinants of the economic ethic” (vgl. Abuznaid 2006, S. 125). Den Zusammenhang zwischen Religion und Wirtschaftsstrukturen, der erst durch Webers Publikation an Anerkennung gewonnen hat, thematisieren auch andere – nicht westlich orientierte – Arbeiten, die allerdings eine andere Schwerpunktsetzung verfolgen: „the combination of religion and nationality is a form of identification for the majority of Middle East cultures“ (vgl. Al-Kaysi 2000, S. 146). Die Begriff Ethik wird in diesen Publikationen fast übereinstimmend definiert: „..as the set of moral principles that distinguish what is right from what is wrong“ (vgl. Beekun 1997, S. 2). In der muslimischen Religion geht die Unterscheidung zwischen gut und böse oder richtig und falsch in erster Linie aus dem Qur’an hevor: „The Qur’an also uses a whole array of terms to describe the concept of goodness: khayr (goodness), birr (righteousness), qist (equity), ‘adl (equilibrium ans justice), haqq (truth and right), ma’ruf (known and approved), and taqwƗ (piety)” (vgl. Beekun 1997, S. 2). Neben diesen vielfältigen Verwendungen unterschiedlicher Begriffe wird falsches bzw. unaufrichtiges Verhalten im Qur’an als sƗlihƗt und richtiges bzw. ethisches Verhalten als sayyi’Ɨt beschrieben. Der Qura’an und die Sunna begleiten den Menschen in jeder Hinsicht und die meisten Fragestellungen können mit Hilfe dieser Quellen beantwortet werden: „These, Qur’an and these traditions represent the Moslem code behavior“ (vgl. Abuznaid 2006, S. 130). Im Gegensatz zur westlichen Kultur ist das ethische Verständnis der Muslime fast ausschließlich auf die religiösen Grundsätze des Islams aufgebaut. Die Empfehlungen im Qur’an sind in der Regel klar formuliert. Bei Problemen im Verständnis der Bedeutung kann auf den Tafsir zugegriffen werden. In vielen Versen bzw. Suren wird das Verhalten bzw. werden die Taten und Handlungen des Muslims thematisiert, wie zum Beispiel: „To all are ranks according to their deeds“ (vgl. Qura’an 6:132) oder an einer weiteren Stelle heißt es: „Human beeing can have nothing but what they strive for“ (vgl. Qura’an 53:39). Die Wirtschaftsethik wird explizit in mehreren Suren angesprochen, beispielsweise heißt es: „Give a full measure when you measure out and weigh with fair balance“ (vgl. Qura’an 27:9). Faires Verhalten wird an vielen Stellen des Qura’ans angesprochen: „God has permitted trade and forbidden usury,“ (vgl. Qur’an 2:275), „Those who, when they spend, are not extravagant and not niggard83
ly, but hold a just (balance) between those (extremes)” (vgl. Qura’an 25:67)“. “Those who bury gold and silver and spend it not in the way of Allah: announce unto them a most grievous panelty” (vgl. Qur’an 9:34). Aus den wenigen Suren und der Haltung des Propheten Mohammed sind einige wesentliche Merkmale des ethischen Verhaltens abzuleiten: A.
Verfolgen rechtmäßiger Arbeit: Der Prophet hatte klare Vorstellungen von sinnvollen Tätigkeiten. Sinnvoll ist eine Tätigkeit, wenn sie einem selbst und der Gemeinschaft Nutzen bringt: „Worshipping has seventy avenues, the best of them is the involvement in an honestly earned living“ (vgl. Beekun 1997, S. 6).
B.
Wohlstand muss verdient werden: Dieser Aspekt bezieht sich auf die unterschiedlich begrenzte Kapazität der menschlichen Leistungen bzw. Fähigkeiten und die verschiedenen Chancen oder Möglichkeiten. Diese Bedingungen führen zu unterschiedlicher Allokation von monetären Mitteln und Ressourcen. Eine ungleichmäßige Verteilung von Gütern ist gottgewollt. Jede geschäftliche Transaktion unterliegt den muslimischen Moralgrundsätzen, die verfolgt werden sollten. Im Qur’an ist dazu nachzulesen: „Oh you who believe! Eat not up your property – among yourselves in vanities: but let there be amongst you traffic and trade by mutual-will: nor kill (or destroy) yourselves: for verily Allah has been to your Most Merciful! If any do that in rancour and injustice – soon shall We cast them into the Fire: and easy it is for Allah. (Qura’an 4:29f).
C.
84
Qualität der Arbeit: In der vormuslimischen Zeit war die arabische Gesellschaft wirtschaftlich und sozial am Boden. Das Verhalten der Menschen war durch Selbstsucht, Habgier und Ungerechtigkeit gekennzeichnet. Die muslimische Religion veränderte die engen Stammesstrukturen und band die Meschen in die wachsende muslimische Gemeinschaft, Umma, ein. Aus dieser Verbundenheit entwickelte sich ein neues Pflichtgefühl, das zur Hebung der Leistungsqualität führte. Der Prophet Mohammed erwähnte in diesem Zusammenhang, dass „God loves a person who learns
precisely how to perform his work and does it right” (vgl. Ali 1996, S. 136). Inwieweit sich diese Maxime in der arabischen Gesellschaft durchgesetzt hat, ist fraglich. Gerade handwerkliche Tätigkeiten sind weit entfernt von dieser Empfehlung. D.
Löhne und Gehälter: Der Prophet mahnte zu seinen Lebzeiten immer wieder die Menschen, die Löhne und Gehälter ihrer Mitarbeiter fristgerecht auszuzahlen: “One must give a worker his wage before his sweat dries (…) and your wage should be based on your effort and spending“ (vgl. Ali 2005 S. 54).
Aus diesem Hadith geht eindeutig hevor, dass die Bezahlung fair und zeitgerecht zu zahlen ist. Der Anspruch auf Bezahlung ist ein natürliches Recht. Im Islam werden den Arbeitnehmern gewisse Rechte zugesprochen.
E.
Selbstvertrauen: Die Arbeit an sich, unabhängig von ihrer Art, wird im Islam begrüßt. Der Prophet äußerte sich einst: “No one eats better food than that which he eats out of the work of his hand“ (vgl. Ali 2005, S. 50) oder an anderer Stelle heißt es: “No earnings are better, than that of one’s own effort” (vgl. Ali 2005, S. 54). Es scheint, als ob die muslimische Bewertung der Arbeit und „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ mehr Übereinstimmungen aufweisen, als Weber es annahm.
F.
Habgier: Habgier wird im Islam scharf kritisiert. Der Prophet Mohammed warnte seine Gemeischaft vor diesem Fehlverhalten: „Two qualities are not found in a believer: greediness and immorality“ (vgl. Ali 2005, S. 55). Dagegen genießt Großzügigkeit eine außerordentliche Rolle, sie ist eine Tugend. Der Prophet verkündete, dass „The generous person is closest to God, heaven, people, far from hell” und “He who removes a distress, God blesses in this world and thereafter” (vgl. Ali 2005, S. 55).
Es ließe sich noch eine Vielzahl weiterer Quellen aufzählen, die einen direkten Einfluss auf den Verhaltenscodex der Muslime ausüben. Die wenigen hier erwähnten Aspekte sollten zur Klärung und zum Verständnis beitragen, in welchen Umfang die muslimische Lehre in die wirtschaftlichen Prozesse eingebunden ist. Der Anspruch des Islams, einen unmittelbaren Referenzpunkt in allen Lebensbe-
85
reichen zu bilden, ist im Verhalten der Muslime tief verankert. In der Literatur wird häufig die These aufstellt, dass das ethische Verhalten in den erworbenen Werten und Normen verankert ist (vgl. Ashmann/ Winstanly 2006). Diese Annahme wird im vollen Umfang geteilt. Moral, Werte und Normen und ethisches Verhalten sind in einem Kontext zu sehen und sie basieren überwiegend auf religiösen Grundsätzen. In der muslimischen Literatur wird empfohlen, bereits im Kindesalter mit dem Aufbau dieses Wertesystems zu beginnen. Die Familie, insbesondere der Vater ist verpflichtet seinen Kindern die muslimische Lehre näher zu bringen und Raum und Möglichkeit zur Förderung von religiösem Wissen zu schaffen. Beispielweise sollen Kinder ab dem 7. Lebensjahr mit dem Gebet beginnen und sich allmählich den religiösen Vorschriften nähern. Die fehlende Säkularisierung fördert einen unmittelbaren Bezug zur religiösen Lehre. Das Einhalten der muslimischen Regeln und Gesetze würde der gesamten Gemeinschaft nutzen. Diese Ansicht kann aber auf jede andere Religion übertragen werden. Fast alle Religionen fordern ein moralisches, faires und ehrliches Miteinander. Im Gegensatz zu anderen Religionen geht der Islam bis auf die Mikroebene, um den Menschen mit Rat und Empfehlung konfessionskonform zu begleiten. Würden sich die Menschen religionskonform verhalten, würde auch die Ökonomie davon profitieren, beispielsweise würden sich die Transaktionskosten um ein Vielfaches reduzieren lassen. Dieses Szenario bleibt weiterhin eine Fiktion, denn die Realität weicht auch in der muslimischen Religion von dieser Wunschvorstellung ab. 3.4.3
Die ordnungspolitische Sicht des Islam
Der Islam erfüllt, seinem dualistischen Charakter entsprechend, auch eine staatsbildende und staatstragende Funktion (vgl. Winterberg 1994, S. 190). Im Gegensatz zu Winterberg, der seine Argumentation mit den von Ghussy stammenden Wirtschaftssystemen aufbaut, verfolgt diese Arbeit nicht das Ziel des Vergleiches unterschiedlicher Wirtschaftssysteme. Zunächst wird die ökonomisch-muslimische Ordnungspolitik in einem engen Zusammenhang zum kapitalistischen Grundgedanken gesehen. Die Begriffe Kapitalismus und Marktwirtschaft werden hier sy86
nonym verwendet. Es werden einige Teilaspekte betrachtet, die einen wesentlichen Bezug zur muslimischen Ordnungspolitik haben. In der Literatur ist häufig die Argumentation vorzufinden, dass der Islam an sich weder die kapitalistische Entwicklung verurteilt, noch diese in der Praxis verhindert (vgl. Rodinson 1986, Abzunaid 2006). Wie konnte sich dennoch die kapitalistische Wirtschaftsordnung in Europa bereits im Mittelalter etablieren und sich stetig zu einer Art modernen Kapitalismus entwickeln? Existieren in der muslimischen Wirtschaftsordnung Vorschriften oder Regeln, die eine Entwicklung Richtung Kapitalismus behindern? Wenn ja, es ist von großem Interesse zu entdecken, wieso sich einzelne Golfstaaten ökonomisch unterschiedlich entwickeln. Nachfolgend werden fünf ordnungspolitische Aspekte aus muslimischer Sicht diskutiert, um anschließend beurteilen zu können, ob die wirtschaftliche Entwicklung der muslimischarabischen Welt durch interne, das heißt religionsbedingte, Faktoren beeinflusst wird oder ob weitere externe Elemente eine Rolle spielen. Rodinson glaubt an eine exogene Ursache der wirtschaftlichen Entwicklung und begründet seine These mit der Kolonialisierung großer Teile arabisch-muslimischer Gebiete. Er räumt zwar ein, dass der Islam durchaus Strukturen hervorbringe, die eine kapitalistische Entwicklung nicht behindern, aber der wahre Grund für die ansatzweise vorhandenen kapitalistischen Strukturen sei auf das Vorbild der Kolonialherren zurückzuführen: Die Entwicklung des Kapitalismus war etwas Exogenes, weil sie von Europa eingeführt wurde und zur Imitation animierte (vgl. Rodinson 1986).
Diese Ansicht wird vor allem in der arabisch geprägten Literatur nicht vertreten. Husaini ist der Meinung, dass “Islamic philosophy rejects externalistic economic theories” which impute economic change, to factors to external to man such as the cosmic, biological, psychological, demographical, technological, and geographical factors, and market mechanism, investment and historical dialecticism” (vgl. Husaini 2002, S. 120). Neben diesen beiden entgegengesetzten Meinungen könnte ein dritter Weg die Zusammenfassung der beiden Thesen beinhalten. Der Islam ist zwar durchaus kompetent genug, eine eigene, kapitalistisch geprägte Entwicklung zu forcieren, allerdings könnten externe Faktoren, wie das Vorbild aus dem Ausland, die Entwicklung motivieren. Es ist zu vermuten, dass die Kombination eigener religiöser Grundsätze und die Imitation bzw. Substitution der ökonomischen Prozesse neue Impulse geben könnten. Diese Vorgehensweise 87
kann zu landes- bzw. kultureigenen Innovationen führen, von denen auch die globale Wirtschaft profitieren könnte. Dieser Gedanke wird an späterer Stelle wieder aufgenommen und im Zusammenhang mit Dubais Wirtschaftssystem überprüft. Zunächst wird die muslimische Lehre, aus der sich eine Wirtschaftskonzeption ableiten lässt, die nicht nur durch rein morphologische Elemente der Marktformen, sondern vielmehr auch durch die von den muslimischen Normen geprägten rechtlichen, organisatorischen und sittlichen Faktoren bestimmt wird, Gegenstand der Betrachtung. Wie oben bereits aufgeführt, versteht sich der Islam nicht nur als Religion, sondern als eine Lebensweise per se, die von den muslimischen Normen geprägte juristische und sittliche Faktoren in das individuelle und gesellschaftliche Leben der Muslime einbringt und dabei den gesamten Werte- und Verhaltenskodex der muslimischen Gemeinschaft bestimmt (vgl. Ghaussy 1995). Sie ist als ein integrales System zu verstehen, in dem ökonomische, soziale und politische Problemfelder miteinander verknüpft sind. Aus diesem Grunde werden einige Merkmale des muslimischen Wirtschaftssystems als Bindeglied zwischen Wirtschaft und Gesellschaft nachstehend diskutiert. Ein besonderes Merkmal dieser muslimischen Wirtschaftsordnung ist das Zinsverbot „riba das in diesem Abschnitt besonders hervorgehoben wird.
A.
Das Prinzip der Beratung, Al-Shura
Die Beratung ist ein wichtiges Merkmal der muslimischen Wirtschaftslehre. Der Prophet hatte die Gewohnheit, sich in öffentlichen Angelegenheiten zu beraten. Dieses Verhalten geht auf eine Sure im Qur’an zurück, die Folgendes beinhaltet: „It is part of the mercy of Allah that you do deal gently with them. Were you severe or harsh-hearted, they would have broken away from about you: So pass over (their faults), and ask for (Allah’s) forgiveness for them; and consult them in affairs (of moment). Then, when you have taken a decision, put trust in Allah. For Allah loves those who put trust (in Him)” (vgl. Qur’an 3:159). Al-Gufeili beschreibt das muslimische Wirtschaftssystem als ein beratendes System (vgl. AlGufeili 1983). Diese Besonderheit kann in der Betriebswirtschaftslehre verschiede88
ne Synergieeffekte freisetzen. Nicht nur Unternehmen, sondern ganze Volkswirtschaften können davon profitieren. Azmi ist überzeugt, dass „the merit of consultation in management, as well as other spheres of collective activities, cannot be overestimated“ (vgl. Azmi 2002, S. 42). Die Beratung im Sinne eines Plenums dient nicht zum Informationsaustausch, sie kann Misstrauen aus dem Weg räumen und den Vertrauensaufbau unterstützen. Im Gegensatz zum „majlis“ wird die AlShura im formelleren Rahmen abgehalten, das heißt die majlis dienen in erster Linie der Intensivierung persönlicher Kontakte. Die Al-Shura könnte mit dem deutschen Begriff Sitzung übersetzt werden. Diese organisierte Form der Beratung ist hauptsächlich zweckgerichtet. Dennoch spielt auch hier der Austausch von Informationen eine wichtige Rolle. Ein arabisches Sprichwort besagt: „When you consult others, you share with them their minds“ (vgl. Abuznaid 2006, S. 133). Neben den sozialen Aspekten sprechen auch betriebswirtschaftliche Gründe für dieses Verhalten; beispielsweise können persönliche Bindungen intensiviert und erfolgskritische Informationen weitergegeben werden. Entscheidungsfindungsprozesse können im Rahmen einer Gruppe diskutiert und Transaktionskosten reduziert werden. Entgegen vieler Ansichten bildet die muslimische Kultur den Gegenpol zur Autorität.
B.
Ehrlichkeit bzw. Vertrauenswürdigkeit, Sidk
Angeknüpft an den muslimisch-ethischen Verhaltenscodex ist „honesty the soul of every endeavor“ (vgl. Ali 2005, S. 57). Der Qur’an ermahnt an vielen Stellen den Menschen, sich bewusst und verantwortungsvoll zu verhalten. Die Handlungen des Gläubigen werden immer und zu jeder Zeit durch Gott wahrgenommen. Wer die Anwesenheit Gottes vergisst und sich nicht an seine Vorschriften hält, wird im Jenseits bestraft. Übertragen auf das Wirtschaft- bzw. Managementverhalten heißt es, dass der Mensch verpflichtet ist, sich gegenüber der Organisation pflicht- und verantwortungsbewusst zu verhalten. In einem Hadith erklärt Mohammed: „Allah likes that when a man does a certain task he does it well“ (vgl. Abuznaid 2006, S. 133).
Der Muslim ist zunächst der wirtschaftlichen Organisation und im nächsten Schritt Gott gegenüber verpflichtet, seine ihm übertragenen
89
Aufgaben gewissenhaft auszuführen und somit einen individuellen Beitrag zur Effizienz von Unternehmen zu leisten, um den gemeinschaftlichen Wohlstand zu sichern. Ehrlichkeit und Vertrauenswürdigkeit sind wichtige Erfolgskriterien. Das Fehlen dieser Elemente kann den ökonomischen Prozessen dauerhaft schaden (vgl. Tsai/Ghoshal 1998, Fukuyama 1997, Kahle 1991). Die tiefe Verankerung des Wertesystems in den religiösen Grundsätzen kann bei sozialen Interaktionen das Risiko des opportunistischen Verhaltens reduzieren. Dieser Sachzusammenhang wird bei Weber häufig thematisiert; auf seinen Reisen durch die USA war ihm die starke Kirchlichkeit aufgefallen und er berichet von einer Bemerkung eines Handlungsreisenden: „Herr meinethalben mag jedermann glauben oder nicht glauben, was immer ihm passt; aber: Wenn ich einen Farmer oder Kaufmann sehe, der überhaupt keiner Kirche angehört, so ist er mir nicht für 50 Cts gut: – was kann ihn veranlassen, mich zu bezahlen, wenn er an gar nichts glaubt“ (vgl. Fukuyama 1997, S. 67). Bekenntnisunabhängig kann Religiosität vertrauensfördernd wirken oder aber auch den Vertrauensaufbau hindern.
C.
Teamarbeit, Al-Amal Al-Jemae’e
Wie bereits im Teilabschnitt A dargestellt, ist die Beratung ein wichtiges Thema und Merkmal wirtschaftlicher Ordnungspolitik. Angeknüpft an diesen Gedanken ist es nicht weiter verwunderlich, dass die muslimisch geprägte Gesellschaft die Leistungserbringung in Kollektiven bevorzugt. Viele Autoren, die sich mit dem Zusammenhang Kultur und Betriebswirtschaftslehre beschäftigen, sehen eine Korrelation zwischen kollektivistisch geprägten Kulturen und Teamarbeit (vgl. Hofstede/ Bond 2002, Trompenaars/Hampden-Tuner 2000, Hall/ Hall 1990).
Im Namen Gottes sollen Muslime in Teams zusammenarbeiten; in der muslimisch geprägten Literatur herrscht Einigkeit, dass die „Islamic teachings and traditions alike urge believers to work an act in unity and avoid discordance and disunity“ (vgl. Beekun/Badawi 1999, S. 69). Im Qur’an wird die Kooperation Gegenstand mehrerer Suren, beispielsweise heißt es; „And hold fast, all together, by the 90
Rope which Allah (stretches out for you), and be not divided among yourselves; and remember with gratitude Allah’s favour on you; for you were enemies and He joined your hearts in love, so that by His Grace, you became brethren; and you were on the brink of the pit of Fire, and He saved you from it” (vgl. Qur’an 3: 103). In einem der Ahadith heißt es: „Gott ist mit der Gruppe“ (vgl. Abuznaid 2006, S. 133). Muslimen wird empfohlen, Kooperationen einzugehen, um mit der jeweiligen Kompetenz die Zusammenarbeit zu bereichern und um gemeinsame Ziele zu erreichen. Nicht jeder soll und muss sich in jedem Bereich einbringen. Nach dem Motto: „nicht jeder muss alles wissen“ (vgl. Bouncken 2003). Diese Empfehlungen bezüglich Teamarbeit weisen große Überschneidungen zur aktuellen Kooperationsliteratur auf. Die arbeitsteilige Zusammenarbeit prägt die globalisierte Wirtschaft nachhaltig.
D.
Barmherzigkeit, Al-Rahmah
Der Barmherzigkeit wird in der muslimischen Lehre eine hohe Bedeutung beigemessen. Eines der Namen Gottes ist „Barmherzig“. Zu den Bestimmungen der wirtschaftspolitischen Bedeutung im Qur’an zählen auch die sozialen Pflichten der Muslime. Als konstitutiv für eine muslimische Wirtschaftsordnung muss unter diesen Bedingungen der Zakat gelten (vgl. Winterberg 1994). Die Zahlung von Zakat ist zwar nicht per Gesetz wie die Steuerfestsetzung geregelt, aber sie ist das vierte Element der fünf Säulen des muslimischen Glaubens (siehe Abschnitt 3.1). Basierend auf diesem Fundament ist der Muslim verpflichtet, sich um das Wohl weniger begüterter Mitmenschen zu kümmern. Im Qur’an ist nachzulesen: "And they have been commanded no more than this: to worship Allah, offering Him sincere devotion, being true (in faith); To establish regular prayer; and to practive regular Charity [arab. Zakat]; And that is the Religion Right and Straight” (vgl. Qur’an 98:5). Im betriebswirtschaftlichen Kontext heißt es, dass „management pays attention to the psychological needs, soul needs, and material needs of mankind“ (vgl. Abuznaid 2006, S. 134). Inwieweit sich diese Pflicht unter den wirtschaftlichen Gegebenheiten, wie z.B. der Gewinnmaximierung, realisie-
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ren lässt, ist fragwürdig. In Dubai sind sowohl Unternehmen vorhanden, die diese Verpflichtung ernst nehmen und sich dementsprechend verhalten, als auch andere, die stark der Maxime der Profitgenerierung verfallen und diese Verpflichtung vernachlässigen. Im vierten und auch fünften Kapitel wird dargestellt, wie Mitglieder der Herrscherfamilie oder auch einzelne Institutionen dieser Pflicht nachgehen, somit in der Gesamtgesellschaft eine Vorbildfunktion wahrnehmen und andere motivieren, sich der Verantwortung gegenüber seinen Mitmenschen und vor allem Gott gerecht zu werden.
E.
Eigentum, milkiyah
Nach der muslimisch-„fundamentalistischen“ Interpretation – und nach dem muslimischen Grundsatz der Einheit und Allmacht Gottes („TƗwhid“) – ist das absolute und oberste Eigentumsrecht Gott allein vorbehalten (vgl. Ghussy 1995): die These der „Gods ownership of the universe“. Die Eigentumsrechte lassen sich aus dem Qur’an , dem muslimischen Recht Shar’ia und der Sunna ableiten. Generell gilt der Grundsatz, dass alle Güter, die der Mensch durch eigene Leistung geschaffen, legitim erworben oder geerebt hat, sein privates Eigentum bilden. In der Shar’ia wird zum einen zwischen Eigentum an beweglichen und unbeweglichen Gütern unterschieden und zum anderen zwischen Erwerb und Gebrauch, also der Nutzung des Eigentums. Die muslimische Lehre fördert prinzipiell den Erwerb von Eigentum, vorausgesetzt es ist halal erworben. Halal sind z.B. den religiösen Grundsätzen konforme Einkünfte, während der Erwerb aus einer haram (verbotenen) Tätigkeit, wie beispielsweise die Erzielung von Einkünften aus dem Glücksspiel, vermieden werden sollte. Im Qur’an wird an vielen Stellen die Allmacht Gottes erwähnt, sie solle den Menschen motivieren, sich nach den muslimischen Vorschriften zu verhalten: “To Allah belongs all that is in the heavens and on earth. Whether you show what is in your minds or conceal it, Allah calls you to account for it. He forgives whom He pleases, and punishes whom He pleases, for Allah has power over all things“ (vgl. Qur’an 2:284) Das oberste Eigentumsrecht liegt bei Gott: “To Him belongs whatever is in the heavens and on earth, and to Him is duty due always: then will you fear others
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than Allah?” (vgl. Qur’an 16:52). Die Aufgabe des Menschen beschränkt sich rein philosophisch gesehen auf die Verwaltung von Gütern. Der Islam untersagt nicht das Streben nach Wohlstand, allerdings darf der Muslim nicht aus Eigeninteresse die Interessen der Gemeinschaft vernachlässigen. Die Prinzipien des Gemeinwohls („maslaha“) der Solidarität und der Gerechtigkeit in der muslimischen Gemeinschaft („Umma“, verpflichteten die Eigentümer bei der Nutzung des Eigentums und bei der Verwendung ihrer Einkommen, den sozialen Ausgleich zu berücksichtigen sowie im Interesse des Gemeinwohls Einschränkungen im individuellen Gebrauch des Eigentums hinzunehmen (vgl. Ghaussy 1995, S. 12). Diese Regelung verhindert, dass das Kapital bei Wenigen gehortet wird und quasi eine Monopolmacht ensteht. Der soziale Aspekt wird auch bei den so genannten Gütern, die von besonderer gemeinschaftlicher Bedeutung sind, berücksichtigt. Als Begründung hierfür dienen, neben dem obersten Eigentumsrecht Gottes, auch die Informationen aus der Sunna. Im Qur’an beziehen sich mehrere Suren auf das Eigentumsrecht Gottes: “To Him belongs what is in the heavens and on earth, and all between them and all beneath the soil.” (vgl. Qur’an 20:6). Danach hat sich der Prophet Mohammed dahingehend geäußert: Er ermahnte die Gläubigen, mit den “natürlichen Ressourcen” aufgrund ihrer Knappheit sparsam umzugehen und sagte: “Muslims share alike in three things – water, herbage and fire,” and he considered it a sin to withhold water from the thirsty. “No one can refuse surplus water without sinning against Allah and against man” (vgl. Azmi 2002). Aus dieser Quelle werden vereinzelt existierende Forderungen nach einer Kollektivierung der Bodenschätze abgeleitet (vgl. Winterberg 1994, S. 194). Aus jener Sunna geht auch ein Hinweis auf den Umweltschutz hervor. Daher ist die Auffassung Winterbergs, dass es keine Informationen bezüglich Umweltschutz gäbe, in Zweifel zu ziehen (vgl. Winterber 1994). Dieser Aspekt ist besonders bei Ländern mit wertvollen Ressourcen, wie Erdöl, von Bedeutung. An späterer Stelle wird an diesen Aspekt angeknüpft, um festzustellen, inwieweit die Gesellschaft in Dubai von den „natürlichen Ressourcen“ profitiert.
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Zinsverbot, Riba-Verbot Die vorherigen konstitutiven Elemente der muslimischen Lehre stehen in keinem Widerspruch zum modernen Kapitalismusgedanken. Es scheint so, als ob die muslimische Gesellschaft die Bedingung kapitalistischer Strukturen erfüllen würde – dennoch hat ein großer Teil der muslimisch-arabischen Welt bis heute die Hindernisse nicht überwinden können. In diesem Teilabschnitt wird ein konstitutives Element der muslimischen Religion angesprochen, das sich wesentlich von der Finanzpolitik des Kapitalismus unterscheidet: das Zinsverbot riba. Die Vorschrift des Zinsverbotes ist ein viel diskutiertes Phänomen internationaler Forschungsarbeiten. Aus muslimischer Perspektive ist der Grundsatz, weder Zinsen zu zahlen, noch Zinsen zu erwirtschaften, ein auf das Gemeinwohl abgestelltes Interesse. Der Qur’an thematisiert diese Reglung immer wieder, wie zum Beispiel in der folgenden Sure: "Those who devour interest will not stand except as stands one whom the Evil One by his touch has driven to madness [...] Allah has permitted trade and forbidden usury [...] Allah will deprive usury of all growth, but will give increase for deeds of charity...." (vgl. Qur’an 2:275-276). Grundsätzlich existieren zwei verschiedene Arten von Riba: Riba n-NasiƗ und Riba l-Fadl. Zu Lebzeiten des Propheten war diese Art des Zinsgeschäftes verbreitet. Der Riba n-NasiƗ wurde beim Kaufvertrag oder Geldverleih je nach Dauer der Rückzahlungsfrist erhoben. Wurde die Schuld nach Ablauf dieser Frist nicht bezahlt, wurden durch einen neuen Vertrag weitere Zinsforderungen hinzugefügt. Diese Art des Zinsgeschäftes ist dem modernen Bankgeschäft sehr ähnlich. Der Riba l-Fadl bezieht sich stärker auf Warentauschgeschäfte, die in modernen Wirtschaftssystemen kaum vorkommen und daher auch weniger relevant sind. Der Begriff riba ist nicht präzise im Qur’an definiert, was zu Diskussionen und Auseinandersetzungen zwischen den unterschiedlichen Rechtsschulen führt. Die einen meinen, damit sei ein überhöhter Preis (im Sinne von Wucher) gemeint, während die anderen die Verbotsreglung auf den kompletten Verzicht des Zins-
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geschäftes beziehen. Wie streng diese Rechtsableitung auch ausfallen mag, sie ändert nichts an dem Tatbestand, dass der gesamte Banksektor in der muslimischen Gesellschaft anders als den westlichen Industrienationen strukturiert ist. Unter diesen Voraussetzungen können weder festgesetzte Zinsen an Sparer gezahlt werden, noch welche für den Verleih von Kapital erhoben werden. In der muslimischen Welt haben sich unterschiedliche Formen von Bankgeschäften etabliert; in einigen Ländern kommt die Verbotsreglung nicht zur Geltung. Paradoxerweise locken einige Banken in Afghanistan potenzielle Kunden mit der Erzielung von besonders hohen Zinssätzen. Andere Länder u.a. Saudi Arabien untersagen jegliche Form des Zinsgeschäftes. Pakistan oder Iran haben das – innerhalb ihrer gemischten Wirtschaftsordnung bestehende – gesamte Banken- und Finanzsystem verstaatlicht und islamisiert. Um möglichst nah an der Gesamtthematik zu bleiben, beziehen sich die nachfolgenden Besonderheiten des Banksektors hauptsächlich auf die Vereinigten Arabischen Emirate bzw. Dubai. Mit der muslimischen Banken- und Finanzsituationen ist in Teilen der muslimischen Welt ein neuer finanzieller Dienstleistungssektor entstanden, der durch hohe Komplexität gekennzeichnet ist. Im Zusammenhang mit den Passivgeschäften haben die muslimischen Banken statt Sicht-, Termin- und Spareinlagen mit Zinsen die zinslosen „qars-hassana“Einlagen und die investiven Einlagen eingeführt. Um die „qars-hassana“Einlagen attraktiver zu machen, zahlen die muslimischen Banken den Anlegern anstatt Zinsen einen Bonus oder eine Provision oder es werden ihnen die Gebühren erlassen. Das Aktivgeschäft der muslimischen Banken ist in der Regel durch eine Erfolgsbeteiligung geprägt. Unter dem Aspekt der Gewinnbeteiligung ist die Kreditvergabe an die geschäftlichen Aktivitäten des Kreditnehmers gekoppelt. Das muslimische Bankgeschäft hat in den letzten 20 Jahren an Bedeutung gewonnen, die Angebotspalette an muslimisch konformen Produkten hat enorm zugenommen. Diese Entwicklung verlangt – zur Handhabung der besonderen Anforderungen, die sich aus der muslimischen Lehre ergeben – ein hohes Maß an Kompetenz. Viele muslimische Banken in den Vereinigten Arabischen Emi95
raten, wie die Islamic Bank of Dubai oder die Sharjah Islamic Bank, haben in ihrer Wertschöpfungskette eine Organisationseinheit integriert, die sich um die Einhaltung dieser Verbotsregelung kümmert. Auf der Homepage der Islamic Bank of Dubai wird auf die Besonderheiten des muslimischen Bankgeschäftes aufmerksam gemacht indem die Funktion eines Shari’a Boards erklärt wird: „The Shari’a Board supervises the development and creation of innovative Sharia-compliant investment and financing products and services“ (http://www. dib.ae/en/shariaboard.htm/ 18.06.2008). Dieser auf den ersten Blick einschränkenden Bankenfreiheit begegnen die muslimischen Banken mit Selbstbewusstsein und alternativer Produktgestaltung: Die Sharjah Islmic Bank handelt nach den gleichen Prinzipien wie die anderen muslimischen Banken auch und scheut nicht den internationalen Wettbewerb: „Sharjah Islamic Bank has introduced innovative Islamic banking services to meet the ever-increasing demands of customers who wish to bank based on Islamic principles, within the universal banking standards. Islamic banking is beneficial to everyone, regardless of your creed or religious background. It is the bank’s belief that it will continue to develop new and innovative Islamic banking services which support the ever-changing needs of its customers in the UAE and beyond” (vgl. http://www.nbs.ae/eng/sib_islamicbank.asp/ 21.06.2008)
Um den Rahmen der Arbeit nicht zu sprengen, werden nicht die einzelnen Islamkonformen Produkte diskutiert. Zur Vertiefung des Verständnisses können die Befunde aus der Literatur entnommen werden (vgl. Ghaussy 1997, Beekun/Badawi 1999, Husaini 2002, Azmi 2002). Nicht nur nationale, sondern auch westlich beheimatete Banken haben die Attraktivität des arabischen Marktes erkannt und ihre Angebote den Ansprüchen und Anforderungen ihrer muslimischen Kunden angepasst. Diese Banken haben sich überwiegend auf die Bedürfnisse der finanzstarken Golfstaatler spezialisiert. Dubai hat die Koordination und Steuerung des Bank- und Finanzsystems für die Region übernommen und vor knapp drei Jahren das Dubai International Financial Centre (DIFC) eröffnet. Dieser Schritt Richtung Globalisierung der Bank- und Finanzwelt ist ein Teil der strategischen Planung des Shaikh Mohammed bin AlMaktoum. Damit soll Dubai seiner Funktion als Tor zur Welt auch auf dem Fi96
nanzsektor gerecht werden. Es werden hohe Erwartungen an dieses Projekt geknüpft, die Ausstrahlung des Finanzzentrums soll sich nicht nur über die arabische Halbinsel erstrecken, es ist geplant die Märkte bis zum indischen Subkontinent mit diversen Dienstleistungen zu bedienen. Eines der vom DIFC selbst gesetzten Ziele ist die Rückführung von geschätzt über 1.000 Mrd. USD, die von wohlhabenden Arabern in den USA, in Europa und Ostasien angelegt wurden (vgl. Bär 2005, S. 10). Die Lizenz zur geschäftlichen Tätigkeit in der DIFC ist begehrt, die aktuelle Wartezeit beträgt zur Zeit zwei Jahre. Das Interesse der internationalen Banken ist auch deshalb so groß, weil die Wirkungskraft des Riba-Verbotes sich nur bis zu den Toren der Freihandelszone entfaltet. In der Freihandelszone gelten internationale Standards, wie Basel II; die handelsübliche Währung ist der US-Dollar. Inwieweit Dubai die Unterschiede auf dem lokalen Markt mit dem aus der muslimischen Lehre abgeleiteten Rechtssystem und den internationalen Standards in der DIFC weiter anpassen wird ist noch fraglich. Vermutlich werden ähnliche Standards in beiden Bereichen zu sehen sein, der erste Schritt zur Erhöhung der Transparenz ist bereits vollzogen: Die lokalen Banken mussten bis 2007 die Basel II Kriterien erfüllen. Wie sich auch immer der Bank- bzw. Finanzsektor entwickelt, wird nichts an der Zielformulierung Dubais ändern: In jeder Hinsicht gut vorbereitet auf die Zeit nach dem Erdöl zu sein. Unter dem Gliederungspunkt 3.4.3 sind einige ordnungspolitische Aspekte aus muslimischer Sicht subsummiert. Es konnte nicht festgestellt werden, dass irgendein Merkmal der muslimischen Wirtschaftsordnung die Entwicklung einer modernen kapitalistischen Struktur behindern könnte. Selbst das Zinsverbot stellt keine wirkliche Barriere dar. Die muslimische Alternative bietet interessante Möglichkeiten auf dem Bank- und Finanzsektor. Um das lokale Rechtssystem außer Kraft zu setzen, könnten Freihandelszonen etabliert werden, die nicht an diese regionalen Gegebenheiten gebunden sind. Ob andere arabische Länder dem Beispiel des Dubai International Finance Center folgen werden, ist aber eher unwahrscheinlich. Viele arabisch-muslimische 97
Länder scheuen sich davor, das Zinsverbot mit der Installation einer Freihandelszone aufzuheben. Andererseits könnte der Erfolg Dubais in diesem Bereich andere motivieren, ähnliche Entwicklungen zu anzustreben.
Um der Wirtschaftskultur Dubais näher zu kommen, werden im folgenden Teilabschnitt die organisationalen Aspekte eine Rolle spielen. 3.5
Islam und Management
Bevor die Wirkung der Kultur bzw. Religion auf das Managementverhalten in Dubai beurteilt werden kann, ist es notwendig, den generellen Zusammenhang zwischen muslimischer Lehre und Managementverhalten zu skizzieren. Der religiöse Einfluss auf das menschliche Verhalten ist spätestens seit Webers Arbeit in der okzidentalen Kultur evident. Im Orient ist dieser Kontext seit den Anfängen des muslimischen Zeitalters bekannt. Ibn Khladnjn hat die Wechselwirkungen zwischen Gesellschaft und Religion umfassend dargestellt. Abuznaid fasst zusammen: „religion has a great direct impact on human behaviour, social interaction, and social relations” (vgl. Abuznaid 2006, S. 125). Ähnlich sieht es auch Wilson, allerdings verweist er auf die allgemeine Auffassung der westlich geprägten Gesellschaft, wonach sich der Islam gegenüber der Ökonomie antagonistisch verhält. Diese Annahme wird überwiegend mit der traditionellen muslimischen Rechtsprechung shari’a begründet. Unter diesen Bedingungen würden westlich orientierte Unternehmen „..deter foreign direct investment in predominately Muslim states“ (vgl. Wilson 2006, S. 109). Basierend auf vorherigen Befunden ist dieses Verhalten bis dato unbegründet. Die konstitutiven Elemente des Islam sind bereits diskutiert und dienen hier als Basis bzw. Fundament zur Weiterentwicklung der vorliegenden Arbeit. Zur Vermeidung von Redundanzen sollen nun einige Aspekte des Managementverhaltens, insbesondere der Kontext zwischen dem Führungsverhalten unter Berücksichtigung des muslimischen Wertesystems, entschlüsselt werden. Die Argumentation Scheins, zwischen den Aufgaben und den Funktionen der Führungselite einerseits und den administrativen Aufgaben des Managements andererseits zu unterscheiden, ist eine fruchtba98
re Herangehensweise, um die Wirtschaftstypologie Dubais zu charakterisieren (vgl. Schein 2004). Die emiratische Organisationsstruktur zeichnet sich durch besondere lokale Merkmale aus, die eine Trennung von Führungselite und Management erfordern. Diese Besonderheiten oder Unterschiede im Vergleich zu westlichen Unternehmen (wird synonym zu Organisationen benutzt) weisen einen historischen Hintergrund auf. Die internationale Rekrutierung impliziert eine hohe kulturelle Diversität in den Unternehmen, die zwangsweise die organisationalen Strukturen beeinflusst. Verbirgt sich hinter dieser Konstellation der ökonomische Erfolg Dubais oder ist sie eher hinderlich? Der Qur’an und die muslimische Lehre haben den Gläubigen mit unterschiedlichen Instrumenten ausgestattet, um die Umweltkomplexität zu bewältigen. Vor allem die Lehre „…has created an inclination among most Muslims, especially the religiously informed ones, to be infatuated with the ideal forms, even when they know that these ideal forms are contradicted by reality” (vgl. Ali 2005, S. 147). Vermutlich spricht Ali mit dieser Annahme ein wesentliches Problem der arabisch-muslimischen Welt an. Das Gefangensein in einer glorreichen Vergangenheit behindert die Kompetenz zur Entwicklung von innovativen Problemlösungsansätzen, die zur Bewältigung einer komplexen und globalisierten Welt notwendig wären. Die Präferenz der Muslime, die Welt durch die „idealistische“ Brille zu sehen, verhindert, dass sie praktikable theoretische Ansätze entwickeln. Denn „Leadership is a process of reality construction and takes place within a specific context” (vgl. Hamilton/Bean 2005, S. 336). Trotz verbreiteter Perspektiven und Unterschiede zwischen den westlich orientierten Autoren scheint es in diesem Kontext eine Übereinstimmung zu geben (vgl. Ali 2005, Fukuyama 1997, Hamilton/Bean 2005). Allerdings scheuen sich viele arabisch-muslimische Autoren immer noch davor, sich von dieser idealistischen Perspektive zu verabschieden. Nach ihrer Auffassung bringt die muslimische Kultur die Lösungen, die den Problematiken und Fragestellungen der gegenwärtigen Forschung und Praxis gerecht werden. Beekun und Badawi beispielsweise entwickeln auf Basis der muslimischen Lehre unterschiedliche Führungsstile; ihre Vorgehensweise ist idealistisch-historisch
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geprägt: den Forderungen nach einem direkten Bezug zu gegenwärtigen Managementansätzen werden sie nur begrenzt gerecht (vgl. Beekun/Badawi 1999). Im nächsten Gliederungspunkt werden einige Methoden zur Entwicklung von Führungsstilen näher betrachtet. Insbesondere soll die Frage geklärt werden, inwieweit die aus der muslimischen Historie abgeleiteten Ansätze den gegenwärtigen Anforderungen gerecht werden und welche Rolle sie bei der Typologie der Wirtschaftskultur Dubais spielen. 3.5.1
Führung und muslimisches Wertesystem
In der Literatur ist viel über die Führungskultur, -stil oder -verhalten geschrieben worden. Es wurden viele Ansätze entwickelt, die allerdings häufig die Rolle der muslimischen Kultur ausklammern. Die westlich orientierte Literatur nimmt eine eher pragmatische Haltung ein, die zugrunde liegenden Werte und Normen der Akteure finden überwiegend keine Berücksichtigung. Im Zentrum der Diskussion steht die Organisation und nicht der Mensch. Mit dem Einzug der Kultur als einer maßgebenden Größe hat sich auch die theoretische Welt der Betriebswirtschaftslehre verändert: Ideen und Gedanken werden den neuen Herausforderungen angepasst. Das unilaterale Verhalten des Westens, insbesondere der USA, führt zu einer ungleichen Verteilung der Aufmerksamkeit in der Literatur. Das muslimische Gedankengut wird entweder gar nicht oder häufig als negative Einflussgröße erwähnt (vgl. Wilson 2006). In der muslimisch-arabischen Literatur tritt häufig das Problem auf, dass sich die Autoren zu sehr auf die Geschichte des Islams konzentrieren. Manchmal wird vergebens nach einem Zusammenhang zu den gegenwärtigen Problemen gesucht (vgl. Loony 1994, Beekun 1999, Khavoossi 2001, Ali 2005).
Ali verweist zwar auf die hohe Reputation und Anerkennung der Arbeit Khadras, die sowohl die muslimische Geschichte widerspiegelt, als auch ein Bild der gegenwärtigen Situation der arabisch-muslimischen Wirtschaftskultur skizzieren soll (vgl. Ali 2005). Allerdings übersieht Ali die zweckentfremdete Verwendung der Begrifflichkeiten Khadras. Der Titel „The Prophetic-Caliphal Model of Lea-
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dership” hat bereits einen merkwürdigen Klang für die arabisch-muslimische Welt. Bereits in der Einleitung sichert Khadra einen nahen religiösen Bezug zu, seine Begriffswahl muss für die Majorität der Muslime merkwürdig klingen. Er benutzt die Bezeichnungen „Prophetisch“ und „Kalifatisch“, um seine beiden Managementmodelle voneinander abzugrenzen (vgl. Khadra 1990). Die Begründung, die zu diesen beiden Begiffllichkeiten führte, wird nicht weiter thematisiert. Abgesehen von der unglücklichen Begriffswahl, weisen die beiden Modelle jedoch fruchtbare Ansätze auf. Hinter dem als „prohetisch“ bezeichneten Ansatz verbirgt sich der Führungsstil eines großen visionären Führers, der durch Mildtätigkeit, Toleranz, Vertrauenswürdigkeit, zukunftsorientiertes Denken usw. das Vertrauen seiner Mitarbeiter – oder im politischen Sinne seines Volkes – im vollen Umfang genießt. Der visionäre Führungsstil stößt Veränderungsprozesse an, Wandel und Innovation werden initiiert. Vermutlich haben diese Attribute Khadra zu der Bezeichnung prophetisch geführt. Der Kultur wird bei dieser Führungsform eine hohe Bedeutung eingeräumt. Sie bildet den Rahmen der Handlungsmöglichkeiten der Gesellschaft, in der diese Art von Führung existiert. Bei schwacher Ausprägung kultureller Werte und Normen kommt ein anderer Führungsstil zur Geltung. Er bezeichnet diesen Führungsstil –fälschlicherweise– als „kalifatisch“. Mit diesem Führungsstil werden einige negative Attribute, wie die fehlende Kompetenz zum Führen oder das dem Herrscher entgegengebrachte Misstrauen, die Angst vor ihm, in Verbindung gebracht. Die Konsequenz ist, dass „…the absence of respect and love from the populace, the leader resorts to coercion and authoritarian practice to maintain power and submission” (vgl. Khadra 1990, S. 41).
Die Rechtsprechung obliegt seiner Macht. Somit ist eine institutionalisierte Ebene ausgeschaltet. Laut Khadra und Ali ist dieses Modell weniger in der betriebswirtschaftlichen Praxis vorhanden, es charakterisiert eher politische Systeme. In der arabisch-muslimischen Kultur findet sich dieses Modell auch bei Familienunternehmen. Die Bezeichnung kalifatisch ist in diesem Kontext abzulehnen. Die vier rechtgeleiteten Kalifen waren die direkten Nachfolger des Propheten, sie haben vor allem in den sunnitischen Teilen der arabischmuslimischen Welt eine herausragende Bedeutung und genießen großen Res-
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pekt. Daher wäre die Bezeichnung autoritär, herrisch oder paternalistisch sinnvoller gewesen. Das Fehlen von institutionellen Strukturen wird zwar durch die direkte Beziehung der Führungsebenen zu den unteren Ebenen quasi aufgehoben, aber die starke Abhängigkeit von der Führungsperson könnte bei falscher Besetzung negative Wirkungen entfalten. Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Majorität kaum in die Entscheidungsprozesse involviert ist. Ibn Khaldnjn hatte (in der zyklischen Darstellung von Dynastien) den Niedergang dieser auch auf das eventuell auftretende Fehlverhalten der Führungsperson zurückgeführt: „Wenn das Geld des Volkes nicht mehr gewinnbringend in die Landwirtschaft oder Handel investiert wird, wird es zwangsläufig ausgehen und verschwinden. Das ist der Zusammenbruch“ (Ibn Khalnjn in Essid 2000, S. 87). Trotz dieser Gefahr war das Ideal Ibn Khaldnjns die Schaffung eines gerechten Staates, an dessen Spitze ein mächtiger Herrscher steht. Seine Hoffnungen gingen dahin, dass eines Tages eine Monarchie in der Lage sein möge, die Grundlage ihrer Macht zu festigen und dauerhaft zu bestehen (vgl. Essid 2000, Hottinger 2000). Dieser Wunsch geht auf das Grundverständnis und -bedürfnis der meisten Muslime zurück: „Exalted values are fundamental components of their essence. They are inherent to their beeing, their living, their thinking, their loving“ (vgl. Shariati 1979, S. 123). Weber hat in den Führungsstrukturen der muslimisch-arabischen Kultur die Ursache der oftmals vorhandenen rückständigen Wirtschaftsordnung gesehen; das Fehlen eines Beamtentums hätte zu der eher rückständigen Entwicklung geführt und die Adaption der kapitalistischen Strukturen behindert. Allerdings hat er dabei die spezifischen kulturellen Faktoren dieser Gesellschaften nicht berücksichtigt. Wie Ibn Khaldnjn richtig erkannte, müsste der Impuls zur Veränderung aus dem Inneren einer Gesellschaft kommen, denn gesellschaftliche und wirtschaftliche Strukturen lassen sich nicht von außen verändern. Die muslimisch orientierte Literatur ist überzeugt, dass das auf den muslimischen Werten und Normen basierende Führungsverhalten „…may be highly appropriate for managing twentyfirst century organizations“ (vgl. Ali 2005, S. 157). Der „Arab Human Development Report 2002“ der Vereinigten Nationen kommt allerdings auch zu dem Ergebnis, 102
dass „the predominant characteristics of the current Arab reality seems to be the existence of deeply rooted shortcomings in Arab institutional structures” (vgl. Arab Human Development Report 2002). In seinem bis jetzt nur in arabisch erschienenem Buch „My Vision“ begründet Shaikh Mohammed bin Rashid Al-Maktoum , Vizepräsident, Premierminister und Herrscher von Dubai, das Leiden in der Arabischen Welt vor allem mit ineffizienter Führung und falschen Managementpraktiken (vgl. Shaikh Mohammed 2006). Beekun und Badawi wenden ein, dass die institutionelle Ebene in der muslimischen Wirtschaft durchaus vorhanden ist, sie sich allerdings in ihrer Form von westlichen Institutionsstrukturen unterscheide. Sie gehen von der Annahme aus, dass die Führungspersonen die Rolle und Funktion des Dieners (Beamten) übernehmen können: „leaders are servant of their followers (sayyid al qawn khadimuhum). These seek their welfare and guide them toward what is good” (vgl. Beekun/Badawi 1999). Die Idee, dass eine Führungsperson auch die Funktion eines Beamten – im Sinne eines Dieners des Staates – übernehmen kann, sei Teil der muslimischen Geschichte. Zur Unterstützung ihrer These zitieren sie Greenleaf, der diese Meinung wie folgt begründet: “The servant-leader is servant first ... it begins with the natural feeling that one wants to serve, to serve first … The best test, and the most difficult to administer, is: Do those who served grow as persons? Do they, while being served, become healthier, wiser, freer, more autonomous, more likely themselves to become servants? And, what is the effect on the least privileged in society? they will benefit or, at least, not be further deprived” (Greenleaf 1970 in Beekun/Badawi 1990). Eine weitere Funktion muslimisch geprägter Führung besteht in seiner Aufgabe als “Beschützer”. Der Prophet Mohammed hatte auf diese Aufgabe hingewiesen, der Führende soll die Gesellschaft vor Tyrannei und Unterdrückung schützen, sich der Allmacht Gottes bewusst sein und die Gerechtigkeit fördern. Die Ideen und Gedanken, die aus der muslimischen Lehre entspringen, scheinen auf der einen Seite an Effektivität verloren zu haben, auf der anderen Seite erfüllen sie die kulturell bedingten Bedürfnisse der Muslime. Im Laufe der nächsten Abschnitte werden einige weitere Aspekte der Organisationsstrukturen disku-
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tiert, um feststellen zu können, auf welche Weise diese Strukturen wirken und ob sie die Entwicklung moderner und effektiver Führungsmethoden behindern. 3.5.2
Macht und Autorität
Macht und Autorität sind Merkmale täglicher Aktivitäten von Individuen, Gruppen und Organisationen. „Power is perhaps humankinds most pervasive social phenomenon“. Besonders in der Organisations- und Managementtheorie finden Macht und Autorität als wesentliche Merkmale der Unternehmensführung sowie in der Literatur ihren Niederschlag (vgl. Mowday 1979). In der westlichen Literatur ist eine Fülle an Publikationen erschienen, die sich mit dem Konglomerat Macht und Autorität auseinander setzt. Um die grundlegende Fragestellung nicht aus den Augen zu verlieren, wird in dieser Arbeit hauptsächlich auf muslimisch-arabische Literatur zurückgegriffen. Die Erzeugung von Verständnis für Macht und Autorität in Gesellschaften determiniert einen engen Bezug zur muslimischen Geschichte. In der überwiegenden Anzahl vorhandener Literatur in den USA oder Europa entsteht der Eindruck, dass Historie einen geringen Stellenwert in der betriebswirtschaftlichen Forschung hat. Beispielsweise ist Conger von der kognitiven Leistung Machiavellis im 16. Jahrhundert beeindruckt, verweist allerdings auf die Irrelevanz der Argumentation Machiavellis, die den Zeitgeist mittelalterlicher Auffassung widerspiegelt, aber nicht den Anforderungen der Gegenwart gerecht werden kann Um die Machtstrukturen in Dubai zu verstehen ist die vermeintliche „Irrelevanz“ der Geschichte, ihr Einfluss und ihre Rolle in der Gesellschaft (insbesondere in der Betriebswirtschaftslehre) zu überprüfen. Vermutlich spielt die früh-muslimische Perspektive von Macht und Autorität immer noch eine spürbare Größe.
(vgl. Conger 1989).
Die Begriffsdefinition von Macht und Autorität stimmt im Wesentlichen in der westlichen und der muslimisch geprägten Literatur überein. Weber definiert Macht „als jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eignen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichwohl worauf diese Chance beruht“ (vgl. Weber 1980, S. 28). 104
Auch andere Autoren wählen ähnliche Ansätze, um sich den Begrifflichkeiten Macht und Autorität anzunähern. Beispielsweise geht Ali von der Annahme aus, dass „…power viewed as the capacity to induce others to comply with certain instructions or to do things the way one wants them to be done“ (vgl. Ali 2005, S. 95). Häufig wird in der Literatur zwischen „position power“ (Autorität) und „personal power“ unterschieden (vgl. Beekun/ Badawi 1999, Conger 1989). Autorität ist aus sozialwissenschaftlicher Sicht “… a social-system level concept – it is a concept which applies to a group of people, or an organization” (vgl. Limerick 1975).
Der Zusammenhang zwischen Macht und Autorität wird in der Forschung als eng betrachtet: Autorität rechtfertige Macht (vgl. Schein 2005, Azmi 2002, Conger 1987). Die Rechtfertigung lässt auch den Tatbestand ableiten, dass Autorität „…based on formal position in an organization. It conveys the rights to make decisions, to take action and to distribute/withold resources” (vgl. Ali 2005, S. 95). Autorität basiert auf Macht, ihre Strukturen bestimmen die Möglichkeiten autoritärer Handlungen. In der Forschung existieren zwei entgegengesetzte Theorien: Einige Autoren vertreten die These, die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen könne durch die Ballung von Macht bei einer Person gesteigert werden; die Anderen gehen von der Annahme aus, die Teilung von Macht werde eher der Forderung nach effizienten Unternehmen gerecht (vgl. Conger 1989). Für den ersten Vorschlag sprechen beispielsweise kurze Entscheidungswege, die Organisationen befähigen, zeitgerecht auf Veränderungen zu reagieren. Hier verbirgt sich aber auch die Gefahr von Machtmissbrauch und Manipulation. Die Verteilung von Macht reduziert zwar die Gefahr der beiden letztgenannten Optionen, kann sich aber negativ beispielsweise auf die Generierung von Innovationen auswirken. In der muslimischen Geschichte haben Macht und Autorität schon immer eine hohe Relevanz genossen; ihre Strukturen haben sich über Jahrhunderte entwickelt und etabliert. Besonders der personengebundenen Macht ist eine besondere Bedeutung beizumessen, weil die Fähigkeiten einer Person ausschlaggegebend sind für die erwartete Leistung. Nicht Reichtum oder Herkunft soll über die
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Machtverteilung entscheiden, sondern Bildung und die körperliche Verfassung des Menschen (vgl. Qur’an 2:247). Es ist ein Hadith überliefert, der berichtet, dass Abu Zher, ein Gefährter des Propheten, nach einer machtvollen Position fragte und Mohammed ihm antwortete: “Abu Zher you are a weak person and authority is a trust, one must be qualified for it and execute in duly, otherwise in the day of judgement it is a shame and regret“ (vgl.Hussaini 2002, S. 151). Neben diesen Voraussetzungen sollte die potentielle Führungsperson über die persönlichen Fähigkeiten wie Barmherzigkeit rehema, Menschlichkeit ihasan und Gerechtigkeit adel verfügen. Verfügt die Person über das nötige Know-how und die notwendigen Charaktereigenschaften, können ihr verantwortungsvolle Aufgaben übertragen werden. Ibn Khaldnjn hatte aber bereits in seinem Werk Muqqadima erkannt, dass die soziale Herkunftsklasse und die Besetzung von mächtigen Postionen in einem Kontext zu sehen sind. Personen aus höheren sozialen Schichten haben auch mehr Autorität, d. h. Menschen mit einem hohen Ansehen und Prestige in der Gesellschaft verfügen automatisch auch über mehr Macht (vgl. Pätzold 2000). Dieser Zusammenhang ist heute in allen Gesellschaften zu beobachten, entspricht aber weder den Empfehlungen des Qur’an, noch der Tradition des Propheten. Im Qur’an sind viele Hinweise vorzufinden, die die Menschen in Führungspositionen jeglicher Art vor falschem Verhalten warnen. So heißt es zum Beispiel „Oh David! We did indeed make you a vicegerent on earth: so judge you between man in truth (and justice): nor follow you the lusts (of your heart)“ (vgl. Qur’an 38:26). Die Kommunikation zwischen der Führungsperson und den Geführten wird explizit im Qur’an erwähnt: „Argue with them in ways that are best and most gracious!“ (vgl. Qur’an 16:125). Der Prophet Mohammed hatte ein tiefes Verständnis von seiner Umwelt und dem Umgang mit Stammesorganisationen. Durch seinen visionären Führungsstil gelang es ihm, die festen Stammesstrukturen zugunsten der Umma aufzubrechen. Die Vision ist bis heute ein wichtiges Führungsinstrument geblieben.
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In der muslimisch geprägten Literatur werden die Qualitäten des Propheten Mohammed als Führer in jeder Hinsicht hervorgehoben. Ali ist von den Kompetenzen des Propheten auch aus ökonomischer Perspektive beeindruckt, denn „…he understood the need for instilling order in a system of management in a disorderly society“ (vgl. Ali 2005, S. 97). Er strukturierte den Arbeitsmarkt neu: „Mohamed appointed governors, advisors, judges, market administrators, and deputies” (vgl. Siddiqui 1988, S, 256). Er ging bei der Vergabe von vakanten Positionen geschickt vor: Statthalter wurden aus den wichtigsten Stämmen gewählt, während Richter oder Verwalter aufgrund ihres Wissens und Frömmigkeit in die jeweiligen Positionen berufen wurden. So konnte er sich sicher sein, dass sich die Macht nicht bei wenigen „Gleichgesinnten“ konzentrierte. Die Verwaltung und Verteilung von Almosen und Steuern lag in letzter Instanz in seinen Händen: „Mohamed instructed his governors and deputies to distribute wealth to people in a timely manner. The wealth that was brought to Medina was distributed on a daily basis.” (vgl. Azmi 2002, S. 67). Die Macht des Propheten Mohammed als zentrale Führungsfigur bezog sich auf seine Funktion als Feldherr, Stadtverwalter und Vermittler. Jasmin beschreibt den Propheten als „…own subscribers, ambassadors, poets, translators, and special correspondents” (vgl. Jasmin 1987).
Die Machtkonzentration beim Propheten, basierend auf Werten und Normen, dient bis heute den muslimischen Gesellschaftssystemen als Vorbild. Es mangelt jedoch an der wertegetragenen Umsetzung. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht hat sich im Laufe der Kolonialisierung und danach die folgende Organisationsstruktur etabiliert: Neben vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) haben sich große internationale Unternehmen herausgebildet. Beide Unternehmensformen sind eher patriarchisch organisiert. Während in den so genannten KMUs die Führungsspitze in den Managementaufgaben persönlich involviert ist, hat sich in den großen Unternehmen eine Trennung zwischen Eigentümer und Management im Sinne Scheins entwickelt (vgl. Schein 2005). Diese Form der Unternehmensführung wird Sheikocray genannt. Dieses Prinzip basiert auf der “open-door-policy” und persönlichen Beziehungen. Es baut „…on hierarchical authority, personal relationship, and per107
sonal connections, and taken a generally patriarchal approach” auf (vgl. Ali 2005, S. 108). Die Führungsaufgaben der Organisation werden idealerweise nach den Vorschriften des Islams und den Führungsprinzipien des Propheten wahrgenommen. Grundsätzlich liegt die Entscheidungsmacht bei der Führungsspitze. Entscheidungen werden aber häufig aufgrund von Beratungen getroffen. Entscheidungen sollten im Vorwege das Allgemeinwohl und die Vorschriften des Islams berücksichtigen. Trotz dieser Einschränkungen in der Entscheidungmacht von Führungspersonen, hat sich in der muslimischen Welt die Präferenz „…to hold on the power by centralization of decision-making and by maintaining close control of management affairs” durchgesetzt (vgl Al Rasheed 2001). Die Ausübung von Kritik findet eher implizit statt. Hofstede hatte den muslimischen Gesellschaften eine hohe Machtdistanz bescheinigt (vgl. Hofstede 1992). Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass die Führungsmethoden des Propheten und seiner vier rechtgeleiteten Kalifen auch im wirtschaftlichen Sinne Wohlstand und Fortschritt brachten. Im Laufe der Zeit haben sich muslimische Führungspersonen, insbesondere in der Politik, immer mehr von diesen Grundprinzipien muslimischer Führung und Organisation entfernt. Die muslimischen Werte und Normen, die einst als Basis des Führungsverhaltens galten, sind zu Gunsten von Machterhalt und -erweiterung verschwunden. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht hat die Funktion der Beratung immer noch einen besonderen Stellenwert. Dennoch ist Macht zentralisiert in der Führungsspitze von Unternehmen vorzufinden. Das Fundament der Arbeit des Führungsorgans bilden traditionelle Werte und Normen. Einige dieser Traditionen wie „…consultation, kindness, and open-door-policy could utilized to improve organizational culture and enlarge participation and full utilization of employees’ potentials” (vgl. Ali 2005, S. 116) Es ist aber auch nicht zu verleugnen, dass bei zu starrer Fokussierung auf traditionelle Werte und Normen wichtige Innovationsideen im Keime erstickt werden könnten; auch die Adaption notwendiger, wettbewerbsfähiger Strategien könnte im Zuge der Besinnung auf die eigene Kultur verhindert werden. Die gesamte Organisationsstruktur, insbesondere die zentrale Führung, müsste die nötige Fle-
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xibilität entwickeln, auf Änderungen so zu reagieren, dass Wettbewerbsvorteile generiert werden, ohne die fundamentalen Werte und Normen zu missachten. 3.5.3
Strategie und Planung im Islam
Nachdem einem kurzen Überblick über die ethischen Grundsätze im Islam, ist ein anderer Teilaspekt Gegenstand der Betrachtung. Hier geht es darum zu schauen, inwieweit Planung, al-takhteet, im Sinne des Strategischen Managements mit muslimischen Glaubens-vorstellungen vereinbar ist. In der betriebswirtschaftlichen Literatur wird der Begriff des Strategischen Managements in einem engen Kontext zur unternehmerischer Planung gesehen: „Die strategische Planung befasst sich primär mit der langfristigen Planung von Strategien für bestimmte Produkt-Markt-Kombinationen (Geschäftsfelder) und damit verbunden auch mit Plänen, die sich mit der Schaffung und Erhaltung von Erfolgspotentialen beschäftigen und die letztlich die langfristige Produktionsprogrammplanung bestimmen“ (vgl. Wöhe/Döring 1993, S. 141). Aus dem Ansatz gehen einige Aufgabenfelder des Strategischen Managements hervor; von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang der Faktor der langfristigen Planung. In welchem Umfang lässt sich innerhalb der muslimischen Lehre langfristig planen oder ist nicht alles gottgewollt und vorbestimmt? Entgegen vieler Vermutungen, räumt der Islam der planerischen Handlung eine wichtige Rolle ein. Der vierte Kalif Ali machte diese Thematik zum Gegenstand einer seiner Reden: „[For] your world, act as if you live externally, and for your hereafter, act as if you will die tomorrow” (vgl Abuznaid 2006, S. 134). Nach diesem Hadith liegt die Allmacht bei Gott. Diese Tatsache schlussfolgert, dass der Mensch bei seinem Verhalten und seiner Planung Gottes Worte und Wille nicht vergessen sollte. Neben diesem Hadith sind noch Suren im Qur’an zu finden, die den Gläubigen motivieren, sinnvoll seine Zukunft zu planen und direkten Einfluss auf ihre Gestaltung auszuüben: „Against them make ready your strength to the utmost of your power, including steeds of war, to strike terror into (the hearts of) the enemies of Allah and your enemies, and others besides, whom you may not know, but whom Allah does know” (vgl.Qur’an 8:60). Der Islam empfiehlt dem Gläubigen, im Vorwege zu planen und auf die Allmacht Gottes zu vertrauen. Es liegt jedoch 109
in Gottes Hand, ob sich Pläne realisieren lassen. Auf das Strategische Management bezogen heißt das, dass der Mensch zwar Einfluss auf zukünftige Ereignisse durch zielgerichtetes Planen ausüben kann, aber die Erreichung der Ziele in letzter Instanz gottesabhängig ist. 3.6
lslam – Motor oder Bremse ökonomischer Entwicklungen?
Bei der Fragestellung, ob der Islam die ökonomische Entwicklung beflügelt oder eher hindert, ist in der Literatur keine übereinstimmende Meinung vorzufinden. Die Mehrheit der westlich orientierten Literatur glaubt an eine eher hemmende Funktion religiöser Lehre. Bei Weber heißt es beispielsweise, dass nicht der Islam als Religion der Individuen die Industrialisierung verhindere, sondern die religiös bedingte Struktur des muslimischen Staatengebildes, ihres Beamtentums und ihrer Rechtsfindung (vgl. Rodinson 1986). Ghaussy und Winterberg haben eine ähnliche Auffassung: Die „Unterentwicklung“ der muslimisch-arabischen Welt sei in den religiösen Strukturen begründet (vgl. Ghaussy 1995, Winterberg 1994). Fukuyama begründet die verbreitete Rückständigkeit von großen Teilen der Welt mit fehlenden Organisationsstrukturen, die ein marktorientiertes Wirtschaftssystem sichern können (vgl. Fukuyama 1997). Es wurde aufgezeigt, dass die muslimische Wirtschaftsordnung personengebunden ist, moderne Organisationsstrukturen sich aufgrund kultureller Barrieren nicht etablieren konnten. Erschwerend kommt hinzu, dass die Konzentration von Macht und Autorität bei wenigen den Lernprozess und die Generierung von Innovationen zusätzlich behindert. Denn Wandel könnte im Zweifel die Abgabe bzw. Verteilung der Macht bedeuten. Dieses negative Phänomen ist insbesondere in politischen Systemen zu beobachten, kommt aber auch häufig in ökonomisch orientierten Organisationen vor. Wie im gesamten Kapitel häufig betont wurde, schreiben der Qur’an und die Sunna eine innovative Herangehensweise vor. Die Stagnation, die in großen Teilen der arabischen Welt zu verzeichnen ist, ist nicht auf religiöse Ursachen zurückzuführen. Die muslimische Lehre behindert nicht den Fortschritt ökono-
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mischer Entwicklung. Die zentrale Frage, die sich stellt, lautet: „How could the society that brought the Islam to the world, that was a world leader in intellectual and economic development for a thousand years, be brought so low?” (vgl. Abdallah 2001, S. 142). Aus westlicher Perspektive wird der gleiche Sachverhalt anders formuliert: „How can the societies of the Middle East be better integrated with the global economy and Western society?” (vgl. Kavoossi 2001, S. 13). Die anschließende Frage bezieht sich auf den beispiellosen Erfolg Dubais. Wieso ist das Wirtschaftssystem in Dubai so viel erfolgreicher als in der restlichen Arabischen Welt? Ghaussy sieht den Erfolg in den Golfstaaten in dem Vorkommen von Erdölreserven begründet (vgl. Ghaussy 1997). Dass seine Argumentation hinkt, ist an dem unterschiedlichen Entwicklungstempo in den verschiedenen Golfstaaten erkennbar. Saudi Arabiens Einkünfte aus dem Erlös von Erdöl betragen beispielsweise 75%, während Dubai nur noch 3% seiner Einnahmen aus dem Erdölgeschäft generiert. Trotzdem entwickelt sich Dubai um ein Vielfaches schneller in Richtung globalisierte Welt als seine Nachbarn. Die Finanzkraft der Golfstaaten spielt selbstverständlich eine ausschlaggebende Rolle bei der wirtschaftlichen Entwicklung, aber es sind noch weitere Faktoren notwendig, um eine Wirtschaftsstruktur wie die Dubais aufzubauen. Die Wirtschaftstypologie Dubais basiert auf einzigartigen Organisationsstrukturen. Der Aufbau großer emiratischer Unternehmen weist ähnliche Strukturen auf wie die öffentliche Organisation des Emirats. Angelehnt an die muslimische Lehre und Tradition, befinden sich nur Emiratis in der Führungselite. US-amerikanische und europäische Manager bilden das Topmanagement. Im Mittelbau sind häufig entweder Inder oder nordafrikanische Araber vorzufinden. In den unteren Stufen der Hierarchie befinden sich überwiegend Arbeiter aus Indien, Pakistan, Sri Lanka oder Bangladesch. Die beschriebene Organisationsstruktur ist typisch für emiratische Unternehmen. Die Aufgabe der Führungselite besteht darin, Unternehmen auf internationaler Ebene wettbewerbsfähig zu machen, ohne die Kernelemente muslimischer Lehre zu missachten. Die Aufgabe des westlich orientierten Topmanagers konzentriert sich auf die Integration des Unternehmens in den globalen Markt. Ihre fachliche Kompetenz ist von großer Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Zwischen der einheimischen Füh-
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rungselite und dem Topmanagement finden regelmäßig persönliche Treffen statt, um den Informationsfluss zu sichern; das Topmanagement nimmt häufig auch eine beratende Funktion wahr. In der Regel hat die lokale Führungsspitze sehr hohe Erwartungen an das Topmanagement. Es kann vorkommen, dass innerhalb eines Jahres die Position des Topmanagements mehrmals neu besetzt wird. Die mittlere Managementebene ist nicht in strategische Entscheidungsfindung involviert, ihre Arbeit bezieht sich nur auf administrative Aufgaben. Die unterere Hierarchieebene ist in keine Entscheidungsprozesse eingebunden, eine „bottom up Beziehung“ zum Topmanagement und Führungselite ist nicht gegeben. Ein „top down Informationsfluss“ ist häufig vorhanden, allerdings würde in den meisten emiratischen Unternehmen die lokale Unternehmensführung keine direkte Kommunikation zu den unteren Hierarchieebenen pflegen. Es wird vermutet, dass die muslimische Religion grundsätzlich nicht im Widerspruch zur ökonomischen Entwicklung und Fortschritt steht. Dem muslimischen Wertesystem zugrunde gelegt, können nach dem Prinzip von Toleranz und demn Streben nach Wissen weitere Möglichkeiten zur Erreichung von Wohlstand wahrgenommen werden. Die skizzierte Unternehmenstypologie in Dubai hat gezeigt, dass der Zugriff auf westliches Wissen eine Bereicherung darstellen kann. Die Interkulturalität kann insgesamt einen positiven Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung ausüben. Die Rückständigkeit und Stagnation in vielen Teilen der Arabischen Welt ist primär auf die eigensinnigen und egoistisch begründeten Fehlinterpretationen religiöser Vorschriften zu Gunsten individueller Zielerreichung zurückzuführen. Jede muslimisch geprägte Gesellschaft ist im Stande, international wettbewerbsfähige Unternehmen hervorzubringen. Es geht nicht darum, die Entwicklung Dubais zu kopieren, vielmehr muss der Impuls zur Veränderung aus dem Inneren einer Gesellschaft kommen (vgl. Ibn Khaldnjn in Essid 2000).
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3.7
Zusammenfassung
Im dritten Kapitel der vorliegenden Arbeit war der Fokus auf den Zusammenhang zwischen muslimischer Lehre und ökonomischer Entwicklung gerichtet. Die Bestimmung der Wirtschaftskultur in Dubai ist im Kontext der Wirtschaftstheorie Ibn Khaldnjns zu sehen. Es wird aufgezeigt, dass Ibn Khaldnjns Vorgehensweise und Denken sich nicht nur auf die Stammesorganisation bezogen. Es gelang ihm, einen systemtheoretischen Ansatz zu entwickeln, in dem die Wirkung des Staates, der Gesellschaft und Wirtschaft ineinander greifen und sich gegenseitig beeinflussen. Seinen Charakteristiken und Beschreibungen ist bis zur gegenwärtigen Zeit eine hohe Bedeutung beizumessen. Nicht die Studien zur Landeskultur, sondern die theoretischen Gedanken und Ideen Ibn Khaldnjns bildeten den Referenzrahmen dieser Arbeit. Aus der Geschichte der Muslimischen Lehre und ihrer Implikationen für Wirtschaftsordnungen ist schlusszufolgern, dass der Islam den ökonomischen Fortschritt nicht behindert. Die muslimische Welt hat über mehrere Jahrhunderte große Erfolge in den unterschiedlichsten Bereichen erzielt: Beispielsweise war vor 700 Jahren „…the most highly developed economy and most sophisticated society in Europe was found in Muslim Spain“ Oder „The sultans of the Ottoman Empire also presided over a successful, sophisticated, prosperous, multiethnic, and tolerant society that lasted for over 600 years” (vgl. Goodwin 1998, S. 75). (vgl. Hanson 2003, S. 497).
Angesichts dieser herausragenden Leistungen der Muslime ist es „…hard to assume that the core religious values of Islam are likely to pose any fundamental barrier to success in the modern global economy” (vgl. Hanson 2003, S. 498). Wie lassen sich die Rückständigkeit und die fehlende Integration in den globalen Wirtschaftsprozessen erklären? In der Literatur sind mehrere Antworten auf diese Frage vorzufinden. Die plausibelste Erklärung liefert Looney. Seine Begründung bezieht sich auf die mächtige Rolle der Politik in der Ökonomie: „The politics of dependency have not encouraged the development of consistent economic policies, effective privatization measures or integrated economics in the region” (vgl. Looney 1994, S. 28).
Somit ist nicht der Islam, sondern die Rolle der Politik innerhalb wirtschaftlicher Ordnung für die regressive Entwicklung verantwortlich. Die Interdependenz zwischen Politik und Wirtschaft lässt sich aber in arabischen
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Kulturen nicht ausklammern. Osama bemerkt folgerichtig, dass „…government has generally become the most important factor determining business development and elite property“ (vgl. Osama 1987, S. 52). Wie oben dargestellt, tendiert die muslimische Gesellschaft eher zur Machtkonzentration bei wenigen, Wilson sieht in diesen Machtstrukturen eine Barriere, die ökonomische Entwicklung und Fortschritt behindere: Er schlägt vor: „…Political pluralism is likely to be helpful to islamic commerce, while autocracy hinders its development“ (vgl. Wilson 2006, S. 121). Es ist nahezu aussichtslos, in traditionellen arabischen Gesellschaften eine Änderung der Machtstrukturen vornehmen zu wollen. Der Einfluss des Staates auf den ökonomischen Fortschritt, der bereits bei Ibn Khaldnjn thematisiert wurde, ist bis heute ein Phänomen arabischer Gesellschaftsordnung geblieben. Wohlstand und Fortschritt basieren auf den Kompetenzen der Führungselite. Im vierten und fünften Kapitel wird dargestellt, inwieweit der Wirtschaftsboom Dubais auf die Kompetenzen die Regierung zurückzuführen ist.
114
4.
Dubai – Prototyp der Arabischen Welt?
In der Ausgabe des „Gulf business“-Magazines im Januar 2008 wird die ökonomische Zukunft der GCC thematisiert: Dabei wird auch die Wirtschaftskultur Dubais analysiert: „The overall tone suggests that Dubai is a booming city that is set to change the dynamics of the Middle East and everyone wants a piece of it“ (vgl. Gulf business Vol. 12, Issue 9, Januar 2008, S. 88). Der Direktor der Bundesagentur für Außenwirtschaft ist der Auffassung, dass das Modell Dubai Schule macht (vgl. Herx 2007). Wie ein Magnet zieht das Emirat die internationale Aufmerksamkeit auf sich. Dubais rasante wirtschaftliche Entwicklung stellt alle anderen Prozesse in der Golfregion in den Schatten. In wenigen Jahren hat sich Dubai von einer unbekannten Stadt am Arabischen Golf zu einer der kosmopolitischsten Städte der Welt entwickelt. Häufig wird Dubai in einem Atemzug mit New York, Hong Kong oder Singapur genannt. Der Glanz und Glamour von Dubai strahlt weit über die Arabische Halbinsel hinaus. Das Wirtschaftswunder-Emirat wird zur Metropole einer neuen muslimischen Ordnung, zu einem Leitstern für die von Stagnation und Fundamentalismus bedrohten arabischen Länder (WiWo Nr. 36,2006, S. 30). Aber ist wirklich alles Gold, was glänzt? Entwickelt sich Dubai tatsächlich zum Prototyp der Arabischen Welt? Der Fokus in diesem Kapitel ist auf auf Dubai gerichtet. Unter der Einflussnahme der vorherigen Befunde soll die Grundthematik diskutiert werden, inwieweit sich Dubais ökonomische Entwicklung in der Arabischen Welt durchsetzen oder ob das Phänomen Dubai ein Unikat bleiben wird. Dabei bezieht sich der Begriff der Arabischen Welt überwiegend auf die Golfstaaten der Arabischen Halbinsel und Saudi Arabien, weil diese Staaten eine ähnliche Geschichte durchlebt haben, über ähnliche natürliche Ressourcen verfügen oder ähnlichen geographischen Bedingungen ausgesetzt sind. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass bestimmte Elemente der Entwicklung Dubais auch von anderen arabischen Ländern adaptiert werden, denn: „The UAE is actively involved in the Middle East and North Africa Organization for Economic Cooperation and Development (MENA – 115 W. Haak-Saheem, Dubai als Staat und Organisation, DOI 10.1007/978-3-8349-6696-4_4, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
OECD) investment program“ (vgl. Grant/Golawala/McKechnie 2007, S. 520). Die zentrale Frage lautet in diesem Zusammenhang: Wie adaptierfähig ist die erfolgreiche Wirtschaftskultur? Und wollen andere Arabische Länder den gleichen Weg wie Dubai gehen? Die Beurteilung der Erfolgsträchtigkeit der Wirtschaftsstruktur Dubais liegt im Auge des Betrachters. Während einige Regierungen fasziniert versuchen, diese Prozesse im eigenen Land zu implementieren, lehnen andere das Konzept Dubais ab. Diese Haltung basiert primär auf dem Vorwurf, Dubais Wirtschaftsordnung distanziere sich von den Grundprinzipien der muslimischen Lehre und verfalle zunehmends dem Kapitalismus, wie beispielsweise das Betreiben der „Dubai International Financial Center“ (DIFC) nach westlichen Standards und Regeln. Andere beklagen die fehlende realistische Wahrnehmung und Handlungsoption Dubais. Nicht selten wird Dubai auch als das Disneyland Arabiens bezeichnet, weil die Zielvorstellungen der Führungselite unwirklich und fiktiv klingen. Der Gigantismus des Emirates würde sich in unterschiedlichen Projekten – wie der künstlichen Inselgruppe „The Palm“, „The World“ oder dem Bau des höchsten Gebäudes der Welt – ausdrücken. Basieren die Bestrebungen Dubais, zur führenden Wirtschaftsmacht der Golfregion zu werden, tatsächlich auf Fiktionen oder setzt Dubai einfach neue Maßstäbe und Standards? Es ist auch fraglich, ob die Golfregion genügend Raum und Möglichkeiten für ein zweites Dubai bietet. Die Vorbildfunktion Dubais als Modell klingt überzeugend – das heißt aber nicht, dass eine völlige Imitation für andere Länder zielführend sein kann, sondern die Motivation, einzelne Elemente zu übernehmen und das eigene Profil zu schärfen muss die Handlungsgrundlage für andere Staaten in der Region sein. Es wird sich zeigen, in welche Richtung sich die Golfregion entwickelt, es ist aber unwahrscheinlich, dass eine komplette Imitation Dubais möglich und gewollt ist. Denn die sozio-kulturellen Bedingungen weichen in der Arabischen Welt stark voneinander ab. Auf der anderen Seite sind viele Entwicklungen zu verzeichnen, die die Entwicklungen Dubais zeitverzögert widerspiegeln. Nennenswert an dieser Stelle ist die Etablierung einer eigenen internationalen Airline
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im Emirat Abu Dhabi nach dem Vorbild der Emirates Airline im Nachbaremirat Dubai oder die Öffnung des Marktes für ausländische Unternehmen. Es ist zu vermuten, dass die Adaption der wirtschaftskulturellen Faktoren in einigen Bereichen vorgenommen wird, weil der Erfolg der Wirtschaftspolitik Dubai Recht gibt. Im Anschluss werden einige wesentliche Aspekte, die einen Beitrag zu der Fragestellung leisten sollen, ob sich Dubai als Prototyp der Arabischen Welt durchsetzen wird, dargestellt. 4.1
Vereinigte Arabische Emirate – Geschichte, Entwicklung und Bevölkerung
Die Gründung der Vereinigten Arabischen Emirate im Jahre 1971 verband die sieben relativ selbstständigen Stadtstaaten in einer Föderation, die bis heute ihren Ursprung beibehalten hat. Trotz gemeinsamer zentraler Regierung werden die sieben Emirate Abu Dhabi, Dubai, Sharjah, Ras al-Khaimah, Ajman, Umm alQaiwain und Fujairah von ihren jeweiligen Herrschern weitgehend autonom regiert. Abu Dhabi ist flächenmäßig das größte Emirat, verfügt über die meisten Erdölvorkommen und ist zeitgleich die Hauptstadt der VAE. Shaikh Khalifa bin Zayed Al Nayan ist Staatoberhaupt und Präsident. Er folgte seinem Vater nach dessen Tod im Jahre 2004. Er führt den Hohen Rat der Herrscher, die höchste Autorität im Staat. Dieser Hohe Rat ernennt den Premierminister. Traditionell ist der Herrscher von Dubai auch gleichzeitig der Premierminister – zur Zeit ist es Shaikh Mohammed Bin Rashid Al-Maktoum. Das Herrschertum ist in den einzelnen Emiraten zwar nicht erblich, d.h. es gibt keine Erbfolge per Geburt, es verbleibt aber immer in den Herrscherfamilien. Die Geschichte vor der Bildung der Föderation war vor allem durch die Kolonialisierung der Briten geprägt. Nach der im Jahr 1968 erfolgten Ankündigung Großbritanniens, sich aus der Golfregion zurückzuziehen, beschlossen zunächst sechs autonome Stadtstaaten, sich zu einer losen Föderation zusammenzuschließen. Sie waren der Auffassung, dass sie als unabhängige Staaten kaum eine
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Überlebenschance hatten. Die Staatengründung im Dezember 1971 erfolgte einen Tag vor der Terminierung Großbritanniens, die Golfregion in die Unabhängigkeit zu entlassen. Ras al-Khaimah trat dem Bund 1972 bei. Die V.A.E. sind die früheren Teilnehmer des Trucial States-Abkommens mit Großbritannien. Promoter und Koordinator dieses Strebens war der verstorbene Shaikh Zayed bin Sultan Al Nayan. Mit großem Engagement und Eifer strebte er nach Stabilität und Wohlstand für das junge Staatengebilde VAE: „…he put all his weight behind the UAE, generously donating Abu Dhabis oil revenues to federation projects, small and large“ (vgl. Zahlan 1998, S. 111). Seine Kompetenzen als Herrscher eignete sich der überwiegend als Gouverneur von Buraimi oasis (heute Al Ain) tätige selbst an: „He has a great Knowledge of and love all aspects of desert life, indeed, the success of his early career in Buraimi was based on the affinity he had established with the tribes of this area (vgl. Zahlan 1998, S. 110). Seine Fähigkeiten basierten primär auf den Werten und Normen der Beduinengesellschaft. Er ermahnte sein Volk, durch den plötzlichen Reichtum nicht in den materiellen Luxus zu verfallen, sondern „…to alter the traditional way of life“ (vgl. Zahlan 1998, S. 110). Der Besinnung auf das eigene Wertesystem wird bis heute noch eine besondere Bedeutung beigemessen. Sein Sohn äußerte sich anlässlich einer Konferenz auf eine ähnliche Weise wie einst sein Vater: „…we still believe in uniqueness of cultures on national interests, which affect their course towards globalization“ (vgl. Shaikh Hamed Bin Zayed Al Nayan 2005, S. 25). Das Verhandlungsgeschick basiert auf dem Beratungsprinzip al-shura, das Shaikh Zayed bin Sultan al Nayan in der arabisch-islamischen Tradition betrieb. Er überzeugte die anderen Golfstaaten und Saudi Arabien von der Notwendigkeit einer Allianz, die trotz partieller Interessen- und Zielvorstellungen die weitgehende politische und ökonomische Selbstständigkeit der Staaten sicherte. Im Mai 1981 gründeten Saudi Arabien, Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate, Qatar, Oman und Bahrain den Golf-Kooperationsrat (Gulf Cooperation Coucil – GCC). Obwohl die Mitgliedstaaten vor allem wirtschaftliche und kulturelle Ziele in der Gründungscharta festschrieben, um die überlegenen Nachbarstaaten nicht zu provozieren, konnten sie doch nicht verhehlen, dass der GCC in erster Linie eine Sicherheitspartnerschaft darstellte. Je nach Perspektive des
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Betrachters verbleibt die GCC zunächst „…not…anything much more than a mere talking round table among the political elites” (vgl. Nafisy 1982, S. 55). Die Leistungen des Shaikh Zayeds als Herrscher und Oberhaupt von Abu Dhabi und VAE brachten der gesamten Region Wohlstand und Stabilität. Unter seiner Führung war „…Abu Dhabi’s rate of growth three times faster than that of Kuwait whose rise to affluence had become almost legendary“ (vgl. Zahlan 1998, S. 110). Nicht nur seine Expertise in politischen und gesellschaftlichen Bereichen verschaffte ihm Respekt, seine einzigartige Persönlichkeit brachte ihm in der gesamten Region Ansehen. Die Liebe und Zuneigung seines Volkes ist heute noch zu spüren. Seine Fähigkeiten als Herrscher entsprechen überwiegend den Beschreibungen Congers, der sich mit der Rezeption des charismatischen Führens auseinander setzte: „Followers perceive the charismatic leader as one who possesses superhuman qualities and accept unconditionally the leader's mission and directives for action“ (vgl. Conger 1987, S. 637). Sein Tod im November 2004 war ein großer Verlust für die gesamte VAE. Dieser kurze Überblick über die wesentlichen Entwicklungen in den VAE zeigt, dass auch die Arabische Welt Organisationsformen hervorbringen kann, die den Anforderungen einer globalisierten Welt entsprechen können. Der Zusammenschluss der Vereinigten Arabischen Emirate oder die Strategische Allianz der GCC zeigen den Trend zur kooperativen Zusammenarbeit, wie sie auch beispielsweise innerhalb der Europäischen Union vorkommt. In diesem Zusammenhang ist die Rolle des Shaikh Zayed besonders nennenswert. Seine Qualitäten als Herrscher spiegeln einige Grundzüge der Theorie Ibn Khaldnjns wieder. Seine Erfahrungen und Kenntnisse über das Beduinentum badi’a und die Liebe zu seinem Volk bescherte den VAE ein neues Zeitalter geprägt von Wohlstand, Toleranz und Stabilität. Auch Shaikh Zayed sah in der Wüste nicht nur das Ursprüngliche sondern das „eigentliche Reservoir der geschichtsbildenden Kraft…“ (vgl. Hottinger 2000, S. 92).
Sein Sohn Shaikh Khalifah bin Zayed Al Nayan hat beim Amtsantritt zugesichert, Abu Dhabi und die VAE im Sinne seines Vaters weiter zu regieren. Allerdings wird allmählich erkennbar, dass seine Haltung gegenüber wirtschaftlicher Entwicklung von der seines Vaters etwas abweicht. Während Shaikh Zayed eine 119
eher konservative Wirtschaftspolitik betrieb, hat Shaikh Khalifah einige Modernisierungsmaßnahmen unternommen und beispielsweise den Immobilienmarkt ausländischen Investoren geöffnet. Trotz Bemühungen zur Diversifikation des Marktes ist die Haupteinkommensquelle der VAE weiterhin das Öl- und Gasgeschäft. Abu Dhabi ist imVergleich mit allen anderen Emiraten der mit Abstand größte Öl- und Gasproduzent. An der Erwirtschaftung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der VAE ist Abu Dhabi zu über 60% beteiligt. Dubai schlieȕt an zweiter Stelle mit 25% an. Mit großem Abstand folgen die Emirate Sharjah mit rund 9% und Ras al-Khaimah mit 2,5%. Der Rest verteilt sich auf die Emirate Ajman, Umm Al-Quwain und Fujairah (vgl. Seifert 2002). Die Rolle der anderen fünf Emirate lässt sich aus dieser Auflistung ableiten. Allerdings profitiert Sharjah von dem Engagement seines Herrschers Shaikh Dr. Sultan bin Mohammed Al Qassimi auf dem Bildungssektor. Bis vor einigen Jahren war die wirtschaftliche Struktur des Emirats extrem unterentwickelt, dies führte zu einer Abhängigkeit von Abu Dhabi. Mitte der 80er Jahre wurden auch in Sharjah Erdöl- und Gasfelder entdeckt – sie sind zwar „…only a tiny fraction of those of Abu Dhabi, but they have allowed the state to become more self-reliant” (vgl. Zahlan 1998, S. 117).
Shaikh Dr. Sultan vertritt eine konservative Haltung und legt großen Wert auf die muslimische Tradition und das Wertesystem. Beispielsweise ist der Genuss von Alkohol in seinem Emirat total untersagt oder die orientalischen Shisha Cafes sind aus dem öffentlichen Leben verbannt. Seine Bemühungen sind überwiegend im Bildungsbereich zu verzeichnen. Es sollte aber nicht vergessen werden, dass auch Sharjah über einen eigenen internationalen Flughafen verfügt, die Möglichkeiten der Freihandelszone erkannt hat und bereits einige betreibt und dass der Immobilienmarkt von der geographischen Nähe zu Dubai profitiert (Eigentumsrechte an Immobilien werden allerdings nach wie vor nicht auf Ausländer übertragen). Als Einzugsgebiet für die Expatriats, die in Dubai arbeiten, ist der noch relativ stabile Immobilienmarkt in Sharjah eine willkommene Alternative zu den rasant wachsenden Mieten in Dubai. Allerdings hat sich in den letzten Jahren die Konjunktur auch hier fortgesetzt. Die Preise sind zwar nicht so hoch wie in Dubai, aber die Kurve steigt steil nach oben. Auch die überlastete Infrastruktur, die zu unausweichlichen Staus führt, konnte an dem Trend nichts
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ändern, dass ein großer Teil der Expatriats sich aus Kostengründen für Wohnraum in Sharjah oder neuerdings vermehrt in Ajman entscheiden. Die Entwicklung der anderen Emirate weist nicht die gleiche Dynamik auf, die in Dubai zu verzeichnen ist, aber es ist erkennbar, dass auch hier ähnliche Strategien verfolgt werden, um den Markt zu diversifizieren, um für die Zeit nach dem Öl vorbereitet zu sein. Der Wandel bezieht sich vor allem auf dem Immobilienmarkt und auf die Tourismusbranche. Es bildet sich auch allmählich eine Industriekultur heraus, die sich überwiegend auf die Verarbeitung von Aluminium und Baustoffen wie Zement spezialisiert. Es wird also offenbar, dass sich die Entwicklung der VAE voraussichtlich weiterhin positiv entfalten wird. Aus der jüngeren Geschichte Kuwaits wurden ebenfalls Lehren gezogen und es ist bekannt, dass politische Konflikte das Wirtschaftswachstum ausbremsen können (vgl. Moore 2004). Der Beitrag der Emiratis ist im Wesentlichen im strategischen Bereich zu verzeichnen. Wie schon erwähnt, machen sie nur 20% der Bevölkerung aus; somit sind die Emiratis eine Minorität im eigenen Land. Im Verlauf dieses Kapitels wird sich das Bild und die Funktion der „Locals“ weiter schärfen. Die einzigartige wirtschaftliche Entwicklung der VAE, insbesondere die Leistungen Abu Dhabis und Dubais, sind auf ihre fähigen Herrscher zurückzuführen. Die Führungsrolle des Herrschers spielt innerhalb arabisch-muslimischer Gesellschaftsordnungen eine herausragende Rolle (siehe Abschnitt 4.3.1). Die fehlenden institutionellen Strukturen können nur mit der Kompetenz und Persönlichkeit der Führungselite abgefangen werden. Bei falscher Besetzung sind Konflikte, Armut und Ungerechtigkeit vorprogrammiert. An späterer Stelle dieser Arbeit wird die Rolle der Herrscherfamilie Al-Maktoum diskutiert und es wird sich herausstellen, ob „feudale“ Strukturen sich dauerhaft durchsetzen werden oder ob der Wunsch nach demokratischeren Gesellschaftsordnungen nicht doch erwacht. 4.2
Dubai – Tradition vs. Moderne?
Die Faszination für das Emirat Dubai scheint unbegrenzt. Sowohl in den arabischen, als auch in den westlichen Medien genießt es außergewöhnliches Interes-
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se. Dubai hat sich in wenigen Jahren zu einem Label entwickelt. Doch was ist das Besondere an dem geographisch kleinen Emirat? Die Vision des Herrschers Mohammed Bin Rashed Al-Maktoum bezüglich der Entwicklung Dubais ist klar formuliert: „elevate Dubai as a pioneering global city bursting with vibrancy and creativity …attracting the best minds and the most successful businesses”. Die Lebensstandards in Dubai sollen den höchsten Ansprüchen der Weltgemeinschaft entsprechen. Shaikh Mohammed stellt hohe Anforderungen an die Entwicklung des Emirates Sie soll: „develops and helps shape our national and cultural identity and character“ (vgl. KhaleejTimes.com/DisplayArticleNew.asp?xfile= data/edite / 05.02.2007).
Auf der einen Seite soll die Reputation Dubais als eine kosmopolitische Stadt die ökonomische Entwicklung vorantreiben, auf der anderen Seite sollen dem Faktor Kultur und Identität ausreichend Raum und Bedeutung beigemessen werden. Gegenstand dieses Kapitels ist die vermeintlich entgegengesetzte Polarisierung von Tradition und Moderne. Wie können sich moderne Gesellschaften entwickeln, ohne ihre kulturellen Werte und Normen zu vernachlässigen? Die Gesamtentwicklung der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) verläuft nicht homogen. Welche Ziele werden verfolgt? Welche Bedeutung wird dem Faktor Kultur eingeräumt? Inwieweit vertragen sich der Anspruch der Moderne mit den traditionellen Werten und Normen? Trotz Modernisierungmaßnahmen in nahezu allen Lebensbereichen betont die Führungsspitze in Dubai die Referenz auf das traditionelle Wertesystem. Die Evolution vom Beduinendasein in ein urbanes Stadtleben hat den Menschen viele Veränderungen gebracht, aber „…its roots are still strongly embedded in Islam – the official religion – and in Muslim culture and tradition. Social behavior and business are still, to a large extent, influenced by the religion practices and the cultural norms” (vgl. Grant/Golawala/McKechnie 2007, S. 527). Andererseits könnte eine starke Fokussierung auf die Tradition und die kulturellen Werte die Anschlussfähigkeit an die globalen Märkte gefährden (vgl. Grant/Golawala/McKechnie 2007, Looney 1994). Um die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Kontext zu erhöhen, hat die Regierung der VAE „…announced that the country would adopt a Sunday through Thursday workweek and a Fri122
day/Saturday weekend…“ (vgl. Grant/Golawala/McKechnie 2007, S. 527). Die Änderungen wurden vorgenommen, damit vier Arbeitstage in VAE mit der internationalen Arbeitswoche übereinstimmen. Zusätzlich ist Dubai mit der Einführung und Etablierung der Freihandelszonen eine Innovation im ökonomischen und gesellschaftlichen Sinne gelungen. Das Geschäftsleben in den Freihandelszonen verläuft in der Regel nach internationalem Standard. Hier findet das „moderne“ Geschäftsleben statt. Traditionelle Werte und Normen nehmen außerhalb der Freihandelszonen an Bedeutung zu. Wie aus der muslimischen Wirtschaftsgeschichte herausgearbeitet, müssen Moderne und Tradition nicht per se im Widerspruch stehen. Die frühislamische Geschichte hat gezeigt, dass Kreativität und Innovation auf Basis religiöser Empfehlungen und Handlungsoptionen freigesetzt werden könnten. Es ist abzuwarten, wie Dubai mit dieser Herausforderung in Zukunft umgehen wird. Nachfolgend werden einige Themen diskutiert, die der Überschrift Moderne vs. Tradition zuzuordnen sind. 4.2.1
Wachstumswunder Dubai – trotz oder gerade unter Berücksichtigung der traditionellen Stellung der Familie?
Den sozio-kulturellen Faktoren wird – trotz rasantem Wirtschaftswachstum in Dubai – immer noch eine hohe Bedeutung beigemessen. Nicht die Rolle der Kultur als Ganzes ist das Thema hier, sondern der Einfluss der Familienstrukturen auf die ökonomischen Prozesse. Der Meinung Fukuyamas ist zuzustimmen, dass moderne Institutionen zwar notwendig, aber keine hinreichende Bedingung für Wohlstand sind: In Verbindung mit bestimmten traditionellen, gesellschaftlichen und ethischen Gewohnheiten funktionieren sie reibungslos (vgl. Fukuyama 1997). Häufig werden traditionelle Familienwerte im Kontext kleiner regionaler Unternehmen gesehen. Für andere ist die Terminologie der Familienwerte verbunden mit „…an image of superior performance, at last relative to large corporation“ (vgl. McFarlin 2008, S. 100). Hier geht es darum zu ermitteln, ob die Stellung der Familie innerhalb der Wirtschaftsunternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöht oder eher behindert. In der Literatur ist keine herrschende Meinung vorzufinden. Die einen Autoren sind überzeugt, dass „…family firms outperform other com123
panies, particularly large corporation“ (vgl. Nicholson 2008, S. 73). Andere Forscher fragen sich, wenn Familien in der Lage sind, effiziente Unternehmensformen hervorzubringen, warum diese Organisationsform in der modernen Wirtschaftsordnung immer mehr an Bedeutung verliert. Verstricken sich Unternehmen, die auf feste familiäre Bindungen aufgebaut sind, nicht in Nepotismus, Kumpanei und eine allgemein ineffiziente Unternehmenspolitik? Liegt nicht gerade das Wesen des modernen Wirtschaftslebens darin, dass informelle moralische Verpflichtungen durch formale, transparente, gesetzlich geregelte Pflichten ersetzt werden? (vgl. Fukuyama 1997) Diese Fragen gilt es vor dem Hintergrund der gesellschaftlich wirtschaftlichen Ordnung Dubais zu beantworten. Die überwiegende Anzahl der emiratischen Unternehmen sind quasi Familienunternehmen. Dieser Umstand ist unter anderem auf die historische Entwicklung zurückzuführen. Ihre Gesamthaltung gegenüber dem Leben und Arbeiten in Kollektiven geht auf die Sozialisation in Stammesorganisationen in der Wüste zurück (vgl. Essid 2000). Auch wenn das Beduinendasein zu Gunsten des urbanen Lebens aufgegeben wurde, seine Nachwirkungen sind heute noch in vielen Teilbereichen des Lebens vorhanden. Der Begriff des Familienunternehmens wird in der Literatur nicht genau eingegrenzt (vgl. McFarlin 2008) und lässt sich in Dubai mit der Definition McFarlins „…to be described as a true 'family business', multiple family members had to be placed as company founders, owners, and/or managers” am ehesten umschreiben (vgl. McFarlin 2008, S. 100). Die Konsequenz der Einbettung in Großfamilien bewirkt, dass der Alleingang einzelner Familienmitglieder unwahrscheinlich ist. In der Literatur sind Befunde vorzufinden, die davon ausgehen, dass das individuelle Unternehmertum dem kollektiven überlegen ist: „…firms with lone founders were younger, and faster rates of revenue growth, and invested more in R&D than firms with multiple family members involved“ (vgl. Miller/Le BretonMiller/Lester/Cannella 2007). Es ist aber notwendig zu erwähnen, dass das Ergebnis ihrer empirischen Studie auf eine Datensammlung in den USA zurückzuführen ist. Aufgrund kultureller Unterschiede ist dieses Ergebnis nicht auf die Unternehmenslandschaft in Dubai zu übertragen. Es ist zu vermuten, dass in traditionsbewussten Kulturen der Rolle der Familie andere Funktionen und Eigen-
124
schaften zugewiesen sind als in individualistisch geprägten Kulturen. Die Dubai Holding als ein Multinationaler Konzern ist ein hervorragendes Beispiel zur Demonstration, dass die Präsenz der Familie innerhalb von Unternehmen nicht ex ante als negativ zu betrachten ist. Der internationale Erfolg der Dubai Holding in den unterschiedlichen Marktsektoren ist ein Ergebnis effizienter Unternehmensführung der Herrscherfamilie Al-Maktoum. Wie die Literatur befindent, sagt der Umstand, ob Unternehmen von Familienmitgliedern geführt werden oder nicht, nichts über ihre Wettbewerbsfähigkeit aus (vgl. McFarlin 2008, Miller/Le Breton-Miller/Lester/Cannella 2007, Nicholson 2008, Grant/
Die Effizienz von Unternehmen hängt primär von der Kompetenz der Führungselite ab: „…with good governance and leadership both family and nonfamily firms can strive and continue to shine as stars in the business firmament” (vgl. Nicholson 2008, S. 73).
Golawala, McKechnie 2007).
Der Argumention Fukuyamas, dass Familienunternehmen das Wirtschaftswachstum behindern könnten, weil sie nicht in der Lage sind, Größenvorteile zu realisieren, kann nicht zugestimmt werden. Ebenso wenig konnte die Hypothese bestätigt werden, wonach die Involvierung der Familienmitglieder das Wirtschaftswachstum beflügelt. In der „…congruence – a good fit between leader type and oganizational environment – is a critical success factor for a business“ (vgl. Schein 2005, S. 22). Die Performance der Führungselite ist für eine interpersonelle Wirtschaftsordnung von entscheidender Größe. Die Stellung der Familie innerhalb der Unternehmen steht also in keinem direkten Zusammenhang zur Wirtschaftskultur Dubais. Zur weiteren Erforschung des Verhältnisses zwischen Moderne und Tradition wird im nächsten Abschnitt die Rollenverteilung innerhalb der emiratischen Gesellschaft und ihr Einfluss auf die Erfolgsträchtigkeit von Unternehmen thematisiert. 4.2.2
Die Herrscherfamilie Al-Maktoum
In den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts hat sich ein Zweig der Bani Yas, der immer ein hohes Ansehen genossen hat, die Bu Falasah (auch Al-Falasi ge125
nannt), unter Führung ihres Shaikhs, Buti ibn Maktoum Al-Maktoum, am Dubai Khor niedergelassen. Sein Sohn Maktoum bin Buti wurde der erste Herrscher von Dubai. Das arabische Wort Khor wird oft falsch mit „Creek“ ins Englische übersetzt. Tatsächlich handelt es sich aber um einen Meeresarm, der in die Wüste hineinragt und Salzwasser führt. Der Khor bildet einen natürlichen Hafen für Fischerboote, die dem Fischfang und der damals einträglichen Perlenfischerei dienten. Der natürliche Hafen bot außerdem Handelsschiffen einen sicheren Ankerplatz. Die Entscheidung von Shaikh Buti kann durchaus als visionärer Schritt betrachtet werden. Er veränderte das tägliche Leben seines Stammes grundlegend. Die Al-Falasi wandelten sich von einem Beduinenstamm, der seinen Lebensunterhalt in Abhängigkeit vom Kamel größtenteils aus der Wüste bezog, zu niedergelassenen Fischern, Perlenfischern und später zu Kaufleuten.
Abbildung 1: Abfolge der Herrscher von Dubai; vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/History_of_Dubai
Berichten zufolge hat Shaikh Saeed bin Maktoum Al-Maktoum, der Großvater des heutigen Herrschers von Dubai, zu Beginn seiner Amtszeit im Jahr 1912 den Ausbau Dubais zum Handelsplatz angemahnt und in seiner Amtszeit betrieben. 126
Sein Argument, „…eines Tages könnten einmal die Perlen ausbleiben…“, wurde durch den dramatisch fallenden Handelspreis für Perlen bestätigt, als Japan Ende der zwanziger Jahre den Weltmarkt mit großen Mengen von Zuchtperlen überflutete (Feldstudie, Gespräch mit Shaikh Suhail bin Ali Al-Maktoum). Das Wissen um die Gefahr, dass die jeweils aktuelle Haupteinnahmequelle zukünftig einmal versiegen kann, ist verankert im kollektiven Bewusstsein der Herrscherfamilie. Dieses Bewusstsein wird zusammen mit islamisch geprägten Werten und Normen sowie den Benimmregeln der Stammestradition an die folgenden Generationen weitergegeben. Die Herscherfamilie pflegt regelmäßige Treffen mit Vertretern aus dem Volk. Bei diesen Treffen, den Majlis, werden Meinungen diskutiert, Fragen allgemeinen Interesses erörtert und es besteht für Petenten die Möglichkeit, persönliche oder allgemeine Bitten an den Herrscher zu formulieren (Feldstudie, Gespräch mit Shaikh Suhail bin Ali Al-Maktoum). Aus der Sicht der Bürger bieten die Majlis die Möglichkeit, das Wort zu ergreifen; aus der Sicht der Herrscherfamilie sind die Majlis das probate Mittel, sowohl die Bedürfnisse der Bevölkerung, als auch gesellschaftliche und sogar politische Tendenzen zeitnah zu erfahren. Jeder junge Shaikh wird in dem Bewusstsein seiner hervorgehobenen Rolle in der Gesellschaft und Wirtschaft seines Landes erzogen. Als erwachsener Mann repräsentiert er seine Familie, sein Volk, seinen Stamm und nicht zuletzt sein Land. Diejenigen jungen Shaikhs, die später nicht Herrscher werden, können trotzdem einen gewissen Teil der Regierungsverantwortung erhalten. Sie übernehmen die Führungsverantwortung für Ministerien, Wirtschaftsorganisationen und Verbände, oder für Firmen, die im Staatseigentum stehen. Die Gewissenhaftigkeit und die Macht der Führungsgewalt stehen dabei in einem ausgewogenen Verhältnis. Es überwiegt aber eher die Verantwortung, da im Falle eines Misserfolgs der Führer seiner (Groß-) Familie und den bedeutenden Familien des Landes anlässlich der Majlis, im wahrsten Sinne des Wortes, Rede und Antwort stehen muss. (Feldstudie, Gespräch mit Herrn Omair Musabah Al-Kitbi).
127
4.2.3
Shaikh Mohammed bin Rashid Al-Maktoum
Shaikh Mohammed erhielt bereits im Alter von 4 Jahren Privatunterricht in den Fächern Islam und Arabisch. Im Alter von sechs Jahren wurde er eingeschult. Neben der schulischen Ausbildung wurde er sehr von seinem Großvater, dem damaligen Herrscher Dubais, geprägt. Großvater und Enkel standen sich sehr nahe und es war für den kleinen Mohammed ein großes Vergnügen, beim täglichen Majlis an der Seite des Herrschers zu sitzen und zuzuhören. Dabei lernte er automatisch das „Handwerk“ des Arabischen Staatsmannes am Beispiel seines Großvaters. Es muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass zu dieser Zeit im Emirat Dubai noch kein Erdöl gefördert wurde. Es standen also keine unendlich erscheinenden finanziellen Mittel zur Verfügung. Trotzdem übte sich das Haus Al-Maktoum damals wie heute in einer gerechten und großzügigen Führung der Staatsgeschäfte. Sechzehnjährig schloss Shaikh Mohammed die höhere Schule ab und flog kurz darauf nach England zur Perfektionierung seiner Englischkenntnisse. Es folgte die militärische Offiziersausbildung an einer Elitekadettenschule in England. Mit neunzehn Jahren wurde er zum Leiter der Polizei und der Öffentlichen Sicherheit in Dubai (entspricht den Innenminister) ernannt. Drei Jahre später, mit 22 Jahren, wurde Shaikh Mohammed zum Verteidigungsminister der neu gegründeten Vereinigten Arabischen Emirate berufen. Die Aufzählung der frühen Berufungen und der darauf folgenden Erfolge ließe sich beinahe beliebig fortsetzen, die Darstellung des Lebenswegs von Shaikh Mohammed erfolgt jedoch bereits durch seine Biographen und soll hier nicht weiter erläutert werden. Unbestritten ist Shaikh Mohammed Architekt und Projektleiter im Entstehensprozess des modernen Emirats Dubai. Er treibt den Erfolg Dubais voran, er hat den Masterplan für die rasante Entwicklung dieser modernen multikulturellen Metropole entworfen. Der Führungsstil ist dabei zielgerichtet und erfolgsorientiert, vergleichbar mit der Leitung eines Multinationalen Konzerns. Es sollte aber nicht verkannt werden, dass Shaikh Mohammed, nicht allein handelt. Neben den vielen Helfern aus seiner Familie und aus anderen wichtigen 128
Familien seines Landes, lebt er auch die Umsetzung der Pläne seiner Vorgänger / Vorväter. Darauf aufbauend entwickelt er neue Visionen um die Wirtschaftmacht Dubais zu sichern und weiter aus zu bauen. Es ist also falsch, die Arabische Tradition nur in den Kamelen, den Wasserpfeifen und den Dhaus zu sehen, die erfolgsgetriebene Weiterentwicklung Dubais steht in der Tradition der Golfaraber. “We are the fastest growing ... country and economical growth very fast also. Success come from careful planning, teamwork and strong leadership; the strong leadership to push the plan forward.”(Aus der Rede von Shaikh Mohammed bin Rashid AlMaktoum, Freie Universität Berlin, 07.02.2008, URL: http://www.sheikhmohammed.ae/vgnextemplaing/v/index.jsp?vgnextoid=dc2ae1da9edf7110VgnV CM1000007064a8c0RCRD&vgnextchannel=5f134c8631cb4110VgnVCM100000b0140a0aRCRD& vgnextfmt=mediaPublication&date=1202393542743&mediatype=SPEECH).
4.3
Geschlechterordnung
Im Zuge der Globalisierung hat sich das Augenmerk in der Literatur zunehmend auf die Erforschung kultureller Übereinstimmungen und Unterschiede in „…management practices and management philosophies“ gerichtet (vgl. Dawn Metcalfe 2006, S.93). Der Umgang mit muslimisch-arabisch geprägter Wirtschaftsordnung verlangt auch die Konzentration auf die Fragestellung, auf welche Weise der Islam die Geschlechterordnung und das damit verbundene Managementverhalten formt. Die Geschlechterordnung besteht und ihr Einfluss auf das Wirtschaftswachstum in Dubai muss daher diskutiert werden. Es ist bereits aufgezeigt worden, dass das arabisch-muslimische Wirtschaftssystem „…has a highlighted family-oriented working relations and islamic cultural values as markers of a distinct business environment“ (vgl. Dawn Metcalfe 2006, S. 95). Im Vergleich zur westlichen Auffassung ist der Unterschied in der Geschlechterordnung und der Rolle der Frau innerhalb der arabischen Kultur wohl am größten (vgl. Lewis 2000). Während der westliche Kulturraum sich um die Gleichstellung von Mann und Frau bemüht, sind derartige Ambitionen in der Arabischen Welt nicht wahrzunehmen. Hier wird die Geschlechterordnung bzw. -trennung als „Order of Nature“ verstanden (vgl. Khan 2004, S. 27). 129
Wie kann sich in einem der erfolgreichsten und innovativsten Wirtschaftssysteme der Welt eine traditionsbewusste Rollenverteilung durchsetzen? Oder wird dieses Merkmal muslimisch-arabischer Gesellschaften zu Gunsten globalisierter Werte und Normen an Bedeutung verlieren? Die Faktoren Rollenverteilung und die Rolle der Frau werden häufig in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur vernachlässigt, weil „…international and cross-cultural dynamics concentrates on Western managerial accounts“ (vgl. Wilson 2006, S. 111). Der Umgang mit der Wirtschaftskultur Dubais erfordert eine Herangehensweise, die die sozio-kulturellen Aspekte wahrnimmt. Weir weist darauf hin, dass „…a key omission in these debates, however, has been the nature of gender dynamics in shaping management system and organization practices” (vgl. Weier 2000, S. 107) Die Geschlechterordnung ist nicht ein homogenes, gesellschaftliches Merkmal der Golfregion. Die Diversifizierungspolitk der VAE beinhaltet beispielsweise „…giving women equal opportunities can contribute to economic growth prospects“ (vgl. United Nation Development Program [UNDP] 2003). Andere Golfstaaten wie Saudi Arabien sind noch weit entfernt von diesen Bestrebungen. Saudische Frauen sind in der Öffentlichkeit kaum wahrzunehmen; sie verlassen das Haus nur in Begleitung eines Verwandten oder Angestellten, das Führen eines Autos ist Ihnen untersagt, in der Arbeitswelt sind sie so gut wie nicht vorhanden. Die Geschlechterordnung und die Rolle der Frau in Saudi Arabien sind auf Bestandteile des Wahabismus zurückzuführen. Der Wahabismus ist eine konservative und dogmatische Denkweise innerhalb der hanbalitischen Rechtsschule des sunnitischen Islams. Die Bewegung gründet auf den Lehren Mohammed ibn Abd al-Wahhabs. Die Anhänger des Wahabismus nehmen für sich den Anspruch, die muslimische Lehre authentisch zu vertreten. Die meisten Wahabiten leben in Saudi Arabien, der Islam in wahabitischer Ausprägung ist in Saudi Arabien Staatsreligion. Es sind aber auch hier erste Zeichen erkennbar, dass das Phänomen Geschlechterordnung neu definiert wird. Rice weist darauf hin, dass sich die Stellung der 130
Frau in der saudischen Gesellschaft weiter verändern wird, die steigende Anzahl berufstätiger Frauen und das steigende weiblche Interesse am Unternehmertum belegen ihre Prognose (vgl. Rice 2004). Obwohl weder der Qur’an noch die Sunna die Rechte der Frau einschränken, ist das Phänomen der Benachteiligung der Frau ein historisches Problem. Lewis zitiert Namik Kemal aus dem Jahre 1867, der in einem Zeitungsartikel die fehlenden Möglichkeiten beklagt, Frauen in die Wirtschaftsprozesse und das Arbeitsleben einzubinden. 1867 in der Zeitung Tasvir-i Efkăr: „Nach heutiger Vorstellung dienen unsere Frauen der Menschheit einzig und allein dadurch, dass sie Kinder bekommen: man sieht in ihnen einfach nur etwas, das dem Vergnügen dient wie Musikinstrumente oder Juwelen. Sie stellen indes die Hälfte oder mehr als die Hälfte unserer Spezies dar. Wenn wir sie davon abhalten, mittels eigener Anstrengungen ihren Beitrag zum Unterhalt und zum Wohle der anderer zu leisten, verstoßen wir in einem solchen Maße gegen die Grundregeln gemeinschaftlichen Zusammenwirkens, dass unser nationales Gemeinwesen darunter leidet wie ein einseitiger gelähmter menschlicher Körper. Dabei sind Frauen in ihren geistigen und körperlichen Fähigkeiten Männern gar nicht unterlegen. In alten Zeiten nahmen die Frauen in allen Aktivitäten der Männer teil, sogar am Kriegführen. Auf dem Land nehmen die Frauen nach wie vor an der Feldarbeit und dem Handel teil (…). Dass die Frauen bei uns dermaßen unterprivilegiert sind hat seinen Grund in der Überzeugung, sie seien absolut unwissend und hätten keine Ahnung von Recht und Pflicht, Wohl und Wehe. Die Benachteiligung der Frauen hat viele üble Folge, unter denen an erster Stelle zu nennen ist, dass ihre Kinder eine schlechte Erziehung erhalten“ (vgl. Lewis 2000, S. 64). Abgesehen von Saudi Arabien haben die anderen Golfstaaten die Notwendigkeit (wie Kemal) erkannt „… to encrease female is seen as a significant aspect of the development and reflect global business trends to promote female talent“ (vgl. Adler 2004, S. 283). Statistisch gesehen hat die aktive Teilnahme der Frauen am Wirtschaftsleben zwischen 1996 und 2000 stark zugenommen: VAE konnte zum Beispiel einen Zuwachs von 548% verzeichnen, Kuwait einen Zuwachs von 668%. (vgl. World Bank, 2003B, S. 59). Diese Zahlen belegen eindeutig die These, dass die 131
Bestrebungen der Regierung, Frauen in die Wirtschaftsprozesse einzubinden, fruchten. Ein traditionelles Umfeld ist in diesem Zusammenhang kein Hindernis. Im Gegensatz zu Hofstede charakterisiert Weier die arabische Wirtschaftskultur als „moderately masculine“ (Hofstede 1990, Weier 2000). Er betont allerdings die Wichtigkeit und Notwendigkeit, männliche und weibliche Charakterzüge als einen Wettbewerbsvorteil in die Geschäftswelt einzuarbeiten (Weier 2006). Eine aktuelle Fallstudie belegt, dass die traditionelle Geschlechterordnung als angemessen und bereichernd empfunden wird (vgl. Dawn Metcalfe 2006). Rice weist auf die Rolle der Religion als „an accepted moral imperative“ hin (vgl. Auch ihre Befunde deuten darauf hin, dass die Ordnung der Geschlechter in einer arabischen Kultur den wirtschaftlichen Prozess stimulieren kann. Als Beispiel wäre hier das Banksystem zu erwähnen, denn speziell die Bank- und Finanzbranche hat sich auf die Bedürfnisse ihrer weiblichen Kunden spezialisiert. Alle großen Banken betreiben auch Filialen, die nur dem weiblichen Klientel zur Verfügung stehen. In diesen Filialen bieten auch ausschließlich Frauen die Dienste ihrer Bank an. Diese „bedarfsgerechten“ Dienstleistungen werden vor allem von Geschäftsfrauen in Anspruch genommen, die sich von Frauen besser verstanden fühlen: „I prefer to develop business relations with women because I feel more comfortable and rely on them to support women“
Rice 2004, S. 75).
(Manager Arab Bank in Dawn Metcalfe 2006, S. 101).
Aus westlicher Sicht mag die Geschlechtertrennung eine Diskriminierung darstellen, aber aus arabischer Perspektive erfüllt sie nicht nur religiöse Vorschriften, sie befriedigt auch die Bedürfnisse der Menschen. Anstatt die Natur des Menschen den wirtschaftlichen Anforderungen anzupassen, werden geschäftliche Aktivitäten der menschlichen Natur angepasst. Angelehnt an den Entwicklungsbericht der UNDP 2003 werden die folgenden Punkte bei der ökonomischen Entwicklung berücksichtigt: a)
Die zentrale Bedeutung der Familie innerhalb des Wirtschaftslebens
b)
Die Rolle des Mannes als alleiniger Ernährer der Familie
c)
Ein Moralcodex, der die Würde der Familie und der Frau schützt
132
d)
Schutz der Privatsphäre (vgl. UNDP 2003)
Diesen Prinzipien nach ist eine Gleichstellung von Mann und Frau nicht sinnstiftend, weil beide unterschiedliche Aufgaben innerhalb der Gesellschaft wahrnehmen. Die Durchsetzung dieser Regeln soll die Geschlechter nicht in ihren Rechten einschränken, sondern sie in ihrer gottgegeben Natur unterstützen. Im Qur’an heißt es: „…men are the protectors and maintainers of women“ (vgl. Qur’an 4:34). Auf Basis der Lehre aus dem Qur’an und der Shar’ia ist in der überwiegenden arabischen Gesetzgebung ein Sitten- bzw. Moralgesetz (urf) vorhanden, „…which reflects the need to protect women and create a moral work environment“ (vgl. Dawn Metcalfe 2006, S. 97). Es soll hier nicht der Eindruck vermittelt werden, dass die Geschlechterordnung in allen muslimisch-arabischen Kulturen auch eine Gleichberechtigung forciert. In vielen Teilen der arabischen Welt erfüllt die Frau Aufgaben im Haus. Ihr wird nicht die gleiche Bildungschance geboten wie dem Mann. Diese Unterschiede in der Handhabung der Geschlechterordnung beruhen nicht auf religiösen Vorschriften, sondern auf der patriarchalisch geprägten Interpretation und arabischer Tradition. Die Geschlechterordnung in Dubai entspricht zwar überwiegend der arabischen Tradition und muslimischer Lehre, allerdings bedeutet sie nicht eine Benachteiligung der Frau. Den Frauen wird eine Fülle von Bildungsmöglichkeiten angeboten; Einsatz und Engagement in der Arbeitswelt entsprechen ihren individuellen Möglichkeiten. In der Abbildung 2 (auf S. 135) wird die Anzahl der Studenten im Hinblick auf Geschlecht und Studienrichtung dargestellt. In allen Studienfächern überwiegt die Anzahl der weiblichen Studenten. Die Tatsache, dass sich dieses Verhältnis in der Arbeitswelt verändert, hat mit der Rolle der Frau als Ehefrau und Mutter zu tun. Wie im westlichen Kulturraum auch, gibt die Frau ihren Beruf häufig auf, um sich der Kindererziehung zu widmen.
133
State
F
M F
M F
M F
M F
M F
M F
laneous)
Others (Cultural + Miscel-
Care
Health and Medical
Engineering
Sciences
Law. Social Sciences
Business Management.
Education
Arts and Humanities
Distribution of Students by Fields of Study, 2001
M
Bahrain 77 23 76 24 58 42 72 28 32 68 75 25 38 62 Kuwait
79 21 79 21 63 37 73 27 49 51 73 27 -
Oman
-
Qatar
91 9
Saudi Arabia
75 25 34 66 31 69 44 56 1
UAE
95 5
-
62 38 46 54 51 49 9
-
91 51 49 55 45
88 12 77 23 79 21 42 58 -
-
37 63
99 39 61 24 76
86 14 57 43 82 18 44 56 65 35 83 17
Note: Percentage; M = Male, F = Female; Source: ESCWA, Report by Arab Women's Center 2003 (New York, NY: United Nations, 2003). Table 11, page 22 Abbildung 2: Verteilung der Studenten auf die Studienbereiche, vgl. Kashoggi 2005, S. 396
Der Wandel und der ökonomische Wohlstand haben alle Facetten des Lebens der Emiratis verändert, insbesondere hat sich die Rolle der Frau gewandelt. Die Zahl der aktiven Geschäftsfrauen in den VAE beläuft sich auf rund 10.700.4.095 arbeiten in Dubai, 3.000 in Sharjah, 2.732 in Abu Dhabi, die restlichen in den anderen Emiraten. Sie sind in den unterschiedlichsten Branchen tätig und verfügen über ein Gesamtkapital von 12,4 Milliarden Dirham. 13% der Unternehmen in der Golfregion sind in weiblichem Besitz (vgl. http://archive.gulfnews.com/business/ General/10080488.html, 10.07.2006).
134
In der Summe wird die arabische Geschlechterordnung in den unterschiedlichen Ländern unterschiedlich ausgelebt. Der Regierung in VAE ist es gelungen, die weiblichen Talente nutzbringend in die Wirtschaftsprozesse einzubinden. Besonders in Dubai sind Frauen in führenden Managementpositionen keine Seltenheit. Ihr Interesse für Selbständigkeit und Unternehmertum wird sowohl mit Expertise, als auch mit regierungseigenen monetären Mitteln unterstützt. Die Benennung von Sheikha Lubna bint Khalid Sultan al Qasimi als Wirtschaftsministerin war ein wichtiger Schritt in die Richtung, fähige und kompetente Frauen in die Führungspositionen zu befördern. Im heutigen Kabinett werden 4 von 22 Ministerien von Frauen geführt. Die Diskussion um die Bedeutung der Geschlechterordnung wird im Kontext der sozialen Netzwerke an Relevanz gewinnen. 4.4
Traditionelle Werte und internationale Anforderungen – ein Widerspruch?
Die Interpretation religiöser Vorschriften spielt bei der Generierung von Wohlstand eine wichtige Rolle. Das Beispiel Dubai zeigt, dass gerade in der Kombination Tradition und Moderne der Schlüssel zum erfolgreichen Umgang mit globalen Herausforderungen steckt. Ohne seine eigene Identität aufzugeben, werden westliches Know how und Erfahrungen wie ein Sog aufgenommen. Ihre Toleranz gegenüber anderen Kulturen und Religionen bringen ihnen auch in der arabischen Welt Anerkennung und Respekt. Die Erfüllung internationaler Anforderungen heißt nicht, seine eigene kulturelle Identität zu verleugnen. Der Westen muß akzeptieren, dass Modernisierung nicht gezwungenermaßen Verwestlichung bedeutet. Wirtschaftlicher Erfolg bedeutet in Dubai nicht, Vorhandenes aus dem Westen zu adaptieren, sondern mit Innovationen neue Maßstäbe setzen. Die Wirtschaftswoche sieht in den internationalen Aktivitäten des Emirates auch die Übersetzungsfunktion, denn die Unternehmen aus Dubai vermitteln die Botschaft, dass Islam und Geschäftsgeist, Tradition und Globalisierung nicht im Widerspruch stehen (vgl. WiWo Nr. 36, 2006). Abgesehen von wenigen Artikeln, die sich positiv über den Zusammenhang von muslimisch-
135
arabischer Kultur und wirtschaftlichem Wachstum äußern, entsteht der Eindruck, dass die meisten Autoren nicht an die Kompetenzen der Araber glauben. Sie sind von den Fähigkeiten der westlichen Manager überzeugt und sehen den wahren Grund des Aufschwungs Dubais in deren Kompetenzen begründet (vgl. Spiegel Nr. 6, 2008). Dabei wird übersehen, dass die Emiratische Führungselite an den besten Universitäten Englands und der USA dieselben Fächer studiert hat, wie ihre westlichen Manager. Aus der Metropole am Arabischen Golf werden noch viele erstaunliche Entwicklungen zu vernehmen sein; die Vorzeigewirtschaft in Dubai wird aber auch nicht in der Zukunft auf ihre Traditionen und das muslimische Wertesystem verzichten. 4.5
Multikulturalität und „Emiratization“ – Chancen und Risiken
Die Arbeitslosigkeit ist ein grundsätzliches Problem in der Arabischen Welt. Die Arbeits- bzw. Perspektivlosigkeit kann zu ernsthaften Krisen innerhalb einer Gesellschaft führen. In der Ausgabe der Gulfnews am 20. Juli 2008 wird der erste Bericht der “Arab report on employment and unemployment” veröffentlicht. Darin heißt es unter anderem, dass “the unemployment problem is a major challenge facing the Arab world, where the jobless rate is among the highest in the world” (vgl. http://www. gulfnews.com/business/General/ 10230258.html/20.07.2008).
Diese Besorgnis erregenden Zahlen geben Anlass zur Steigerung der Beschäftigung in der gesamten Arabischen Welt. Auch wenn die VAE nicht im hohen Maße von dieser Statistik betroffen sind, bündelt sich hier die Kompetenzen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in der übrigen Arabischen Welt. Das Verhältnis ausländischer und einheimischer Arbeitnehmer ist in den VAE einzigartig auf der Welt. Ca. 90,7% der Arbeitnehmer sind ausländischer Herkunft, die Emiratis machen nur 9,7% der Arbeitnehmerschaft aus. Dieses Verhältnis ist selbst für die Golfregion ungewöhnlich. Um diese Missbalance ins rechte Licht zu rücken, hat die Regierung diverse Gesetze erlassen, um die Einheimischen „Locals“ in die Arbeitswelt zu integrieren. 136
Emiratization bedeutet die Maßnahme der Regierung, die Einheimischen in alle Wirtschaftsbereiche einzubinden. Zum einen sollen die Einheimischen beschäftigt werden, denn nichts ist gefährlicher als junge Menschen, die sich langweilen; andererseits soll damit die Abhängigkeit vom Ausland reduziert werden (Feldforschung, Leitender Angestellter Abu Dhabi Chamber of commerce).
Die Regierung betont immer wieder, dass dieser Schritt nicht gegen die Expatriats gerichtet, sondern zur Unterstützung der Einbindung der Locals in die wirtschaftliche Entwicklung notwendig ist. Der emiratischen Regierung ist es klar, dass sie auch in Zukunft auf die personelle Unterstützung aus dem Ausland angewiesen sein wird, dennoch möchte man einheimische Arbeitnehmer in adäquaten Positionen unterbringen. Shaikh Mohammed äußert sich in einem Interview auf die Frage, wie er die Zukunft seines Landes plane, wie folgt: „As I said before, we invest in our people... they for us is everything, to project... First we invest in the human, in the young people.” (vgl. http://www.sheikhmohammed.co.ae/ 18.06.2008). Die Regierung hat tatsächlich viele Schritte unternommen, um die Locals mit passendem, d.h. für die Praxis notwendigem Wissen auf die Arbeitswelt vorzubereiten. In wenigen Jahren haben sich Organisationen herausgebildet, die sich ausschließlich mit den Arbeitsangelegenheiten der Emiratis beschäftigen. Die staatliche National Human Resource Development and Employment Authority (Tanmia) ist für alle Fragen bezüglich des Emiratization Programmes zuständig, daneben existieren noch die von Shaikh Mohammed ins Leben gerufenen „The Emirates National Development Programme (ENDP)“ und „Emaratis“. Die Vorbereitung der Emiratis auf das Arbeitsleben wird auf unterschiedlichsten Ebenen verfolgt. Die praxisorientierte Ausbildung steht im Vordergrund aller Bestrebungen. Auf der Homepage von Emiratis betont Shaikh Mohammed die Wichtigkeit von Bildung beim Wandel und beim ökonomischen Fortschritt: „We always encourage the Emirati youngsters to develop their skills. We offer them many opportunities to participate in decision-making and give them plenty of responsibility, to ensure that they are qualified to carry the flag of development” (http://www.emarati.dubaiworld.ae/ 21.05.2008).
137
Inwieweit fruchten diese Maßnahmen und Bestrebungen? Laut dem Vorsitzenden der ENDP sei das Ziel im Jahr 2007 mit der Einstellung von 2000 emiratischen Arbeitssuchenden in den vorgesehenen Branchen erreicht (vgl. http://archive.gulfnews.com/articles/ 07.01.2008).
Zurzeit werden Unternehmen aus der Immobilien-, Bank-, Tourismus- und neuerdings auch aus der Versicherungsbranche mit einer Quotenregelung zur Einstellung von Emiratis belegt. Auch der Handel und die halbstaatlichen Unternehmen müssen die jeweilige Quote erreichen. Zur Emiratization äußert sich der Vorsitzende der ENDP Al Tayer: “Although we are a new organisation I believe that our strategy has proved fruitful. I do not believe that the way to emiratisation is to force companies to recruit nationals. We want the private sector to see the joint interest in employing UAE nationals." (vgl. http://archive.gulfnews.com/articles/ 07.01.2008). Der Eingriff des Staates in den Human Resource Politik wird nicht unbedingt immer positiv wahrgenommen. Vor allem ausländische Unternehmen fühlen sich in ihrem unternehmerischen Handeln und ihrer Entscheidungsgewalt eingeschränkt (vgl. Grant/ Golawala/ McKechnie 2006).
Der Einfluss der Emiratization auf die kulturelle Vielfalt in der Arbeitswelt beinhaltet mehrere Aspekte. Auf der einen Seite bringen die Emiratis nicht nur ihre fachliche Kompetenz, sondern auch ihren kulturellen Hintergrund in die Organisation ein. Für die ausländischen Unternehmen bedeutet, es die Kultur des Gastlandes kennenzulernen und zu verstehen; vor allem im Marketing kann dies zu einem Wettbewerbsvorteil führen. Auf der anderen Seite kann die Sonderstellung der emiratischen Arbeitnehmer auch Frustration auslösen. Denn die Arbeitszeit der Emiratis ist per Gesetz kürzer als die Arbeitszeit der restlichen Arbeitnehmer, die Bezahlung ist höher, emiratischen Müttern werden flexiblere Arbeitszeiten angeboten usw. Die ungleiche Behandlung kann sich auf Dauer negativ auf die Motivation und Leistungsbereitschaft der Expatriats auswirken. 4.5.1
Berücksichtigung der Einheimischen beim ökonomischen Wandel
Die im letzten Abschnitt aufgeführten Maßnahmen der Regierung in den VAE sind unter anderem der Strategie unterlegen, sie in den wirtschaftlichen Prozess 138
zu integrieren. Wie können Menschen zur Arbeit motiviert werden? In einem Gespräch mit einem emiratischen Manager einer in Dubai ansässigen Bank gab dieser an, dass die vorhandenen Anreizsysteme viele Lokals nicht motivieren können, eine Arbeit aufzunehmen. Die langen Arbeitszeiten wären ein wesentlicher Grund dieses Verhaltens (Manger Commercial Bank of Dubai/ 03.01.2008). Es wird mit erheblichem Aufwand verbunden sein, adäquate Anreizsysteme zu schaffen. Denn die meisten Emiratis müssen nicht aus monetären Gründen arbeiten. Die Staatskasse ist dank des Ölgeschäfts und diverser anderer Einkommen prall gefüllt. Das soziale System in den VAE versorgt die Einheimischen im Notfall. Alle VAE Staatsbürger werden wie Shareholder einer Aktiengesellschaft am Erfolg Dubais neben großzügiger Dividenden mit vielen weiteren Privilegien wie kostenloser medizinischer Versorgung oder Schulbildung beteiligt. Die Wirtschaftsministerin ist überzeugt, dass die Mehrheit der Emiratis arbeiten möchte und “UAE nationals are given a practical taste of different industries and jobs and helps to dispel any misperceptions that private sector companies may have about UAE national graduates — that they don't want to work or are not qualified or committed to hard work” (vgl.http://www.khaleejtimes.com/DisplayArticleNew.asp?section= theuae&xfile=data/theuae/2006/june/theuae_june214.xml/ 03.05.2008).
Unterschiedliche Regierungsmitglieder betonen immer wieder die Unentbehrlichkeit der Strategie, im Arbeitsumfeld auch mitwirken zu wollen. Die Bevölkerung soll sich nicht auf den erwirtschafteten Reichtümern ausruhen – Shaikh Mohammed gab kürzlich bekannt, dass nur 10% seiner Vision bis dato realisiert worden sind. Er wird mit vollem Engagement und Eifer das Wirtschaftswachstum in Dubai weiter vorantreiben. Er ist sich dessen bewusst, dass “People naturally like comfort and relaxation, but it is more satisfying to work hard and enjoy your achievements” (vgl.http://www.sheikhmohammed.co.ae/vgn exttemplating/v/index.jsp?vgnextoid=bc41c4b62dbb4110VgnVCM100000b0140a0aRCRD&Query Page-page=4/ 20.07.2008).
Die Motivation, die Locals in die Arbeitswelt zu integrieren, hat neben ökonomischen Aspekten auch religiöse bzw. gesellschaftliche Gründe. Sowohl der Qur’an als auch die Ahadith heben die Wichtigkeit und Notwendigkeit der Arbeit hervor. Die muslimische Lehre empfiehlt den Menschen „to pursue whatev-
139
er work is available whenever it is available“ (vgl. Ali 2005, S. 50). Die Aussage Alis basiert unter anderem auf einem Versa us dem Qur’an, der auch auf eine hohe Bedeutung von Arbeit hinweist: „He [God] has also made subsurvient to you all that is in the heavens and the earth” (vgl. Qur’an 45: 13). Auch die bereits zitierte Aussage des Propheten “no one eats better food than that which he eats out of his work” oder “work is a worship” (vgl. Beekun 1997) unterstützen diese Haltung. Demzufolge werden mit dem Ausführen einer sinnvollen Tätigkeit nicht nur wirtschaftliche Interessen, sondern auch religiöse Vorschriften verfolgt. Mit der Berücksichtigung der Locals beim ökonomischen Wandel werden unterschiedliche Strategien verfolgt. Zum einen ist die VAE eine junge und rasant wachsende Population. Das Durchschnittsalter liegt bei 35 Jahren. Es ist von enormer Wichtigkeit, die jungen Menschen in die Wirtschaftsprozesse des Landes einzubinden. Arbeitslosigkeit schwächt auf Dauer eine Volkswirtschaft. Das ökonomische Interesse der Regierung basiert auch auf der Tatsache, dass sie ihren Staatsbürgern alle Möglichkeiten der Bildung im In- und Ausland bietet und daher auch nach Abschluss der Ausbildung von den erlernten Kompetenzen profitieren möchte. Wie schon erwähnt, agiert Shaikh Mohammed in Dubai nicht nur als politischer Führer, sondern auch wie ein Vorstandsvorsitzender eines multinationalen Unternehmens. Dem Bild entsprechend schaden einzelne ineffiziente Einheiten der Gesamtunternehmung. Die Integration der Locals in die Arbeitswelt erfordert eine praxisrelevante Ausbildung. Wie werden die Locals auf die Anforderungen der Unternehmen vorbereitet? Wer übernimmt die Koordinierungsfunktion zwischen Unternehmen und einheimischen Arbeitssuchenden? Und welchen Einfluss hat dieser Eingriff des Staates auf die Wirtschaftskultur Dubais? Zunächst wird der Versuch unternommen, diese Fragen zu beantworten, bevor anschließend die Rolle der internationalen Rekrutierung thematisiert werden kann.
140
4.5.2
Koordinierung von Anforderungsprofil und Kandidatenprofil
Die Koordinierung und Steuerung der Emiratization wird als Aufgabe der Regierung verstanden. Zur Anpassung der Qualifikationen an das Anforderungsprofil haben sich die oben genannten staatlichen Organisationen etabliert. Das Bildungsangebot wird durch intensive Austauschprozesse den Bedürfnissen der Unternehmen auf dem privaten Sektor angeglichen. Nach Sheikka Lubnas ist neben der fundierten theoretischen Ausbildung auch die praktische Erfahrung von Bedeutung: „So in addition to the excellent educational opportunities that we offer our national students, we must also create a culture of 'on the job' experience. The practice of internships or work experience for educational credit is not a new one, yet it has had limited deployment here in the UAE” (vgl. http://www.khaleejtimes.com/ Display Article New.asp?section=theuae&xfile=data/theuae/2006/june/theuae_june214.xml/ 09.06.2008).
Zwar sind viele Unternehmen der Verpflichtung nachgekommen, Emiratis einzustellen, aber sie stellen häufig fest, dass entweder die fachliche Kompetenz nicht passt, oder der Arbeitnehmer sich wegen zu hoher Ansprüche nicht in das Team integrieren lässt. Ein hoher Beamter der Chamber of commerce in Abu Dhabi berichtete von einem Zwischenfall, der auch ihn zu schmunzeln brachte: Nach der Einstellung einer jungen emiratischen Frau tauchte diese im Büro mit ihrem Dienstmädchen auf, das die Tasche seiner neuen Mitarbeiterin trug. Seiner Aufforderung, das Dienstmädchen wieder nach Hause zu schicken, kam sie nicht nach und wurde deswegen wieder entlassen (Leitender Angesetllter Abu Dhabi Chamber of Commerce / 23. Februar 2006).
Dieses Beispiel zeigt, dass nicht nur eine praxisnahe fachliche Ausbildung notwendig ist, sondern auch in den Köpfen der Menschen Veränderungsprozesse stattfinden müssen. Wobei hier zu erwähnen ist, dass nicht alle Emiratis ein solches Verhältnis zur Arbeit haben. Viele der emiratischen Studenten studieren mehrere Jahre im Ausland und werden auf diese Weise auf die Arbeit mit ausländischen Kollegen vorbereitet. Viele Unternehmen, wie z.B. die HSBC Bank, geben an, vom Emiratization Prozess auch profitieren zu können. Sie haben ihre Weiterbildungsmöglichkeiten
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den Anforderungen und Bedürfnissen der emiratischen Arbeitnehmer angepasst: „We have an in-house training facility called 'HSBC University' which exclusively trains and develops UAE Nationals“ (vgl. http://www.hsbc.ae/1/2/ALL_SITE_ PAGES/careers_hidden/emiratization-and-recruitment/ 09.11.2007).
Der Prozess der Emiratization ist auf Langfristigkeit und Ausdauer angelegt. Es wird wahrscheinlich noch viele Jahre dauern, bis diese staatlichen Maßnahmen greifen. Die Regierung sollte sich allerdings der Gefahr bewusst sein, dass derartige Eingriffe die Dynamik eines Wirtschaftssystems negativ beeinflussen können. 4.5.3
Einfluss der ausländischen Arbeitnehmer auf die Organisations- bzw. Landeskultur
Wie schon oben angeführt ist die Anzahl der ausländischen Arbeitnehmer in den VAE ungewöhnlich hoch. Der „Import“ ausländischer Arbeitnehmer begann Anfang der siebziger Jahre (vgl. Looney 1995). Zur damaligen Zeit war die Golfregion aufgrund der Förderung vom Erdöl und -gas auf ausländisches Know how und Arbeitskraft angewiesen. Das Öl- und Gasgeschäft brachte der Golfregion eine ergiebige Einnahmequelle, aus welcher die Erträge zunächst in der Baubranche reinvestiert wurden. Der erhöhte Bedarf an Arbeitskräften veranlasste die Golfregion, vor allem Saudi Arabien, Kuwait und die VAE, weitere Arbeitskräfte ins Land zu holen. Looney sieht im Aufschwung der Baubranche die Dynamik der Veränderung: „In fact, construction activity was so extensive in the labor importing countries that is tended to mask the beginning of other perhaps more important structural changes beginning to take place“ (Looney 1994, S. 94). Nach Looneys Recherchen ist die Anzahl der ausländischen Arbeiter stetig angewachsen: In den 80er Jahren machten sie noch 80% der Beschäftigten aus (vgl. Looney 1995). Heute beläuft sich ihre Zahl, wie oben aufgeführt, ca. 91%. Die Mehrheit der Gastarbeiter stammt aus Indien. Von indischem Subkontinent kommen Arbeiter unterschiedlicher Hierarchieebenen. Inder sind als unqualifizierte Arbeiter, aber auch als Abteilungsleiter anzutreffen.
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Weitere ArbeitVkräfte werden aus weiteren Teilen des asiatischen Kontinents wie Sri Lanka, Bangladesch, Pakistan, Philippinen oder Indonesien rekrutiert. Der überwiegende Teil der asiatischen Gastarbeiter ist niedrig qualifiziert und besetzt dementsprechend Postionen im Niedriglohnsektor. Sie verfügen nicht über das Potential, Einfluss auf die Organisations- bzw. Landeskultur auszuüben. Meistens leben sie getrennt von ihren Familien in den sogenannten „Arbeitercamps“. Der Kontakt zur Außenwelt ist quasi nicht vorhanden, da diese Camps sich am Rand der Stadt befinden. Soziales Leben findet nur unter den Arbeitern statt. Ein anderer Teil der Arbeiter aus Asien ist als Hauspersonal beschäftigt. Auch hier ist die Beziehung hierarchisch organisiert, eine aktive Kommunikation mit den Emiratis ist nicht vorgesehen. Im Dienstleistungssektor sind fast alle Niedriglohn-Stellen mit asiatischen Gastarbeitern besetzt. Im Zuge der Arbeitsteiligkeit sind ihre Aufgaben klar definiert. Die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Kultur ist nicht denkbar. Wie die Arbeiter in den Camps, leben auch die anderen Gastarbeiter des Niedriglohnsektors auf engem Raum zusammen. Ihre Unterkünfte befinden sich meist abgeschieden von den Emiratis. Die Möglichkeit der Einflussnahme ist ab dem Mittleren Managementbereich begrenzt gegeben. Wie an anderer Stelle erwähnt, ist diese Hierarchieebene überwiegend mit Indern und Bürgern der arabischsprachigen Mittelmeeranreinerstaaten besetzt. Der vertikale Informationsfluss ist in der emiratischen Organisationsstruktur nicht üblich. Eine aktive und intensive Kommunikation findet grundsätzlich zwischen dem Topmanagement und der emiratischen Führungselite statt. Nur auf dieser horizontalen Ebene findet ein interkultureller Austausch statt. Diese Effekte, die sich aus den Austauschprozessen ergeben, sind auch aus der Perspektive der Emiratis gewollt. Die Kompetenz der nordamerikanischen und europäischen Topmanager wird als eine Bereicherung verstanden. Neben fundierter Ausbildung des US-amerikanischen und europäischen Topmanagements wird auch auf die Arbeitsweise wert gelegt. Aus diesem Grunde sollen diverse Anreizsysteme die fähigsten Manager nach Dubai locken. In einem Interview antwortete der Vorstandsvorsitzende der Kanoo Group auf die Frage, welche Änderungen der Wandel und die Zusammenarbeit mit Menschen anderer Kultu143
ren ausgelöst hätte, wie folgt: “In terms of work, it has become a bit more formal now. Earlier, (business was conducted in) a more relaxed atmosphere but (then) productivity was low." (vgl. http://archive.gulfnews.com/articles/08/01/10/10181004.html/ 12.01.2008). Aus dieser Aussage geht hervor, dass zunächst die Arbeitswelt vom Wandel betroffen ist. Die Emiratis wissen, dass sie in absehbarer Zeit nicht alleine in der Lage sein werden, den stetig wachsenden Herausforderungen gerecht zu werden. Die Emiratization soll zwar bewirken, dass langfristig ein großer Teil der Schlüsselpositionen mit Emiratis besetzt wird, aber am Gesamtbild der Personalstruktur der Unternehmen wird sich vermutlich nicht viel ändern. Das Beispiel Dubais zeigt, dass kulturelle Vielfalt fruchten kann, wenn die notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind. Die Toleranz der Emiratis gegenüber anderen Kulturen und ihre Lernbereitschaft sind wesentliche Unterschiede zu anderen arabischen Ländern. Die kulturelle Vielfalt und die natürlichen dynamischen Prozesse der Umwelt werden langfristig auch die Organisations- bzw. Landeskultur in Dubai berühren. Es ist anzunehmen, dass der Erfolg Dubais auf dieser Dynamik begründet ist. Die Vernetzung unterschiedlicher, zum Teil auf die Kultur begründeter Kompetenzen, führt zu exzellenten Lösungen. Beispielsweise sind in der Hotellerie die meisten Führungspositionen mit deutschen Managern besetzt, weil die allgemein bekannte detailtreue Arbeitsweise und das analytische Denkvermögen die Wertschöpfungsprozesse positiv beeinflussen können. Die ökonomische Zukunft des Emirates Dubai wird kaum Grenzen kennen. Die Entwicklung der Global Economy wird die Rolle der Unternehmens- und Landeskultur zugunsten des Regionalstaates ablösen. Der Keimzellen der künftigen globalen Ökonomie liegen in der Region (vgl. Ohmae 2006). Dubais geographische Lage, die Haltung gegenüber fremden Kulturen, die Verknüpfung von Lernbereitschaft und Innovationsstreben lassen vermuten, dass Dubai dem Erfolgsmodell Ohmaes entspricht und eine erfolgsversprechende Evolution durchläuft. Dabei übernimmt die Verknüpfung ausländischem Knowhow und die kulturelle Prägung der Emiratis eine Schlüsselrolle ein. 144
Bei den Bestrebungen Dubais, sich zu einem der wirtschaftlich bedeutendsten Zentren der Welt zu entwickeln, spielt der Faktor Bildung eine außerordentliche Rolle. Die Regierung in Dubai ist sich sicher, dass die Generierung von Wissen und Bildung langfristig zielführend ist. 4.6
Bildung zur Sicherung des Wohlstands
Bildung ist die Basis des ökonomischen Wohlstands und der politischen Stabilität. In der vorliegenden Arbeit ist der Stellenwert von Wissen und Bildung als ein Kernelement des wirtschaftlichen Fortschritts von Interesse. Dabei ist nicht das Wissen im Sinne des Wissensmanagements Thema des Abschnittes, sondern die Installierung eines wissensbasierten Wirtschaftssystems. Die Notwendigkeit zum Aufbau einer Wissensgesellschaft hebt Shaikh Mohammed auf seiner Homepage hervor: „During the 20th century, we have seen the world divided, at one time, between advanced countries and developing countries, and, at another time, between the rich countries of the North and the poor countries of the South. It appears that the 21st century divide will be between communities with access to information and those without” (vgl. http://www.sheikh mohammed.co.ae/vgnexttemplating/v/index.jsp?vgnextoid=bc41c4b62dbb4110vgnVCM100000b 0140a0aRCRD&QueryPage-page=4/ 26.06.2008).
Der Zusammenhang zwischen Bildung und Wohlstand ist eine Erkenntnis, die Allgemeingültigkeit besitzt. Der Arab Human Development Report s 20003 (AHDR) – “Building a knowledge society” thematisiert die Arabische Wissensgesellschaft und geht von der Annahme aus: “Knowledge increasingly defines the line between wealth and poverty, between capability and powerlessness and between human fulfilment and frustration” (vgl. AHDR 2003, S. 3). Dem Bericht zugrunde gelegt wird das Humankapital als Reichtum der arabischen Welt betrachtet. Es geht um dessen Befreiung von vielfältigen Behinderungen, die eine Modernisierung blockieren. Eine erforderliche Strategie ist klar: Es geht um den Aufbau einer Wissensgesellschaft mitsamt ihrer Rahmenbedingungen in Bezug auf Freiheit, Geschlechterordnung und Entwicklungsorientierung staatlichen Handelns, um Öffnung für den wissenschaftlichen Austausch und die Herausbil-
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dung eines tragfähigen globalen Wertekanons zu erreichen (vgl. AHDR 2002, Weiss 2004).
Der Auftrag ist klar definiert: Möchte sich die arabische Welt von der weitläufigen Rückständigkeit und Armut befreien, muss sie den Wandel in allen Bereichen zulassen. Der AHDR 2002 sieht den Schlüssel zu wirtschaftlichem Erfolg in der Entwicklung des Human-Kapitals. Der Nachholbedarf wird benannt: „How much still needs to be done to provide current and future generations with the political voices, social choices and economic opportunities …It underlies how far the arab states still need to go in order to join the global information society and economic as full partners “ (vgl. AHDR 2002, S, 1). Entgegen Weiss' Behauptungen, die Erdölrenten hätten die Dringlichkeit massiver nachholender Bildungs- und Forschungsinvestitionen verdeckt, bewegt sich die Golfregion, vor allen die VAE und hier insbesondere Dubai, in Richtung einer Wissensgesellschaft (vgl. Weiss 2004). Dass sich die restliche Arabische Welt von den Blockaden, wie z.B. der Unfähigkeit eines zukunftsorientierten Handelns, befreien und vom neuen arabischen Selbstwertgefühl aus Dubai profitieren kann, ist nicht unwahrscheinlich. Die mentale Motivation aus den VAE und die 10 Milliarden US$ Stiftung unter der Schirmherrschaft von Shaikh Mohammed sind ein erster und zugleich wichtiger Schritt zur Förderung von Bildung in der Arabischen Welt. Ziel der Stiftung ist „to promote human development and improve knowledge infrastructure in the Arab world” (vgl. Gulfnews 19.05.2007). Laut des Herrschers aus Dubai ist es die Aufgabe der Regierung und Gesellschaft “to provide young people with happiness and hope and to motivate them to explore the unknown, to mould them into assets" (vgl. Gulfnews 19.05.2007). Das Ziel ist der Aufbau einer Wissensgesellschaft zur Erreichung und Erhalt von Wohlstand. Doch wie sollte der Weg bestritten werden? Welche Rolle spielt die historisch hohe Bedeutung des Wissens in einer muslimisch-arabischen Gesellschaft? Wie können vorhandene Blockaden gelöst werden? Diese und weitere Fragen sind Bestandteile der Diskussion im nächsten Abschnitt.
146
4.6.1
Arabische Wissensgesellschaft
Die Relation Bildung und Wohlstand ist spätestens seit dem Arab Human Development Report evident. Es geht also um die Einbettung der Wissenschaft in die arabische Gesellschaft und die Erweiterung der Forschungs- und Entwicklungskapazitäten sowie deren Verknüpfung mit der Informationsrevolution, Schaffung eines gesamtarabischen Kreativitäts- und Innovationsnetzwerkes mit Verknüpfung zur internationalen Wissenschaftslandschaft (vgl. Weiss 2004). Es ist zwar problematisch, aufgrund der vorhanden Heterogenität in der Arabischen Welt von einer Gesamtstrategie auszugehen, dennoch könnte die Entwicklung und die progressive Haltung der Emiratis die Wissenssituation der gesamten Arabischen Welt berühren und verändern. Die Defizite, die den Fortschritt behindern, sind vielfältig. Folgende Punkte sind als fortschrittsfeindlich zu deklarieren: a) die fatale apologetische Grundströmung, d.h. der leidenschaftliche Versuch, sich selbst und anderen zu beweisen, dass die eigene Unterlegenheit nicht existiere, b) der Reformstau, aufgrund unfruchtbarer politischer Herrschaftsverhältnisse, c) die Benachteiligung der Frau, d) die Einschränkung von Freiheiten (vgl. Weiss 2004, AHDR 2002/03). Die Probleme sind spätestens durch dem Arab Human Development Report 2002 manifestiert und der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Regierungen reagierten mit viel versprechenden Zusagen, die Evolution einer wissensbasierten Gesellschaft aktiv zu unterstützen. Die Ergebnisse fallen mager aus: Zehn Millionen Kinder besuchen keine Schule (die Zahl dürfte bis 2015 um 40% steigen), die Forderung der Gleichberechtigung der Frau stößt weiterhin auf Widerstand, nur 1,2% der Bevölkerung besitzen einen PC und die Ausgaben für Forschung und Entwicklung liegen mit 0,5% des Sozialproduktes weit unter dem Durchschnitt der Schwellenländer (AHDR 2002/03). Diese Fakten belegen, dass die Arabische Welt
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nicht als eine Einheit betrachtet werden kann, denn diese Angaben sind für den Norden Afrikas zutreffend, aber nicht für die Golfregion, insbesondere VAE, Bahrain, Qatar oder Oman. Damit das gesamte arabische Volk vom globalen Wandel profitieren kann, müssen unterschiedliche Bedingungen erfüllt werden: Das Umdenken in der Ökonomie in Richtung Aufbau und Entwicklung von wissensbasierten, technologisch hochwertigen und wertschöpfungsstarken Gütern und Dienstleistungen für differenzierte und anspruchsvolle Märkte. Die Etablierung von Anreizsystemen, die den Erwerb und die Anwendung von Know how für produktive Zwecke prämieren. Ohne eine eigene Wissensbasis werden die Arabischen Länder zu passiven Konsumenten der internationalen Wissensgesellschaft. Laut Weiss sind derzeit die meisten arabischen Produkte nicht wettbewerbsfähig (vgl. Weiss 2004). Gefordert wird von den Autoren der AHDR die Entwicklung einer „arab knowledge society“, basierend auf der offenen geistigen Tradition des kulturellen arabischen Erbes, welches kognitives Denken, Problemlösungsorientierung und Kreativität ermutigt und die arabische Sprache, die kulturelle Vielfalt und den Austausch mit anderen Kulturen vorantreibt. Die hohe Bedeutung von Wissen und interkulturellem Austausch sind auf die Wurzeln der muslimischen Religion zurückzuführen: “knowledge closely approaches a religious obligation that Arabs ought to honour and exercise” (AHDR 2003, S. 13). Die Befreiung der Religion von politischer Instrumentalisierung kann die wahre Wertschätzung des Faktors Wissen wieder in das Bewusstsein der Araber hervorrufen, denn “There is a widespread assumption that knowledge is not as effective as power or influence in solving social, economic or political problems” (vgl. AHDR 2003, S. 63, Weiss 2994, S. 80). Die Anerkennung und Wertschätzung von Wissen und forschender Wissenschaft in Verknüpfung mit elementaren menschlichen Freiheitsrechten kann der genannten Fehleinschätzung Abhilfe schaffen. Dem Bericht zufolge wird dieses Unterfangen zum Erfolg führen, weil “the 'Arab mentality', is a project, not a fixed construct. It is a model in the process of formation“ (vgl. ADHR 2003, S. 61).
148
Es scheint so, als ob Dubai in der Forcierung von Wissen und Bildung eine Pionierrolle einnimmt. Die Idee, dass sich Dubai zum Cordoba oder Bagdad des 21. Jahrhundert entwickelt, wird im nächsten Abschnitt abschließend thematisiert. 4.6.2
Dubai – das neue Wissenszentrum der Arabischen Welt?
Die Anstrengungen Dubais, die Wissenslücke zwischen der Arabischen Welt und dem Westen zu schließen, wirken sich in den unterschiedlichen Projekten aus. Der Import und die Abhängigkeit vom ausländischen Know-how verdeutlicht die Notwendigkeit, eine eigene Wissensbasis aufzubauen. Anfang der 60er Jahre existierten lediglich 20 Schulen im ganzen Land; ihre Anzahl nahm aufgrund bildungspolitischer Initiativen rasant zu. Shaikh Zayed, der Gründer der VAE, hat seit der Staatsgründung Wert auf eine fundierte Ausbildung gelegt, denn er war überzeugt, dass mit der Versorgung der Jugend mit Bildung die Sicherung des zukünftigen Wohles der Nation gewährleistet wäre. Die Tradition wird in der gesamten VAE fortgesetzt, die Emirate Abu Dhabi, Dubai und Sharjah sind in ihren Bestrebungen nach der Identifizierung von qualitativ hochwertigen Bildungseinrichtungen den anderen Emiraten allerdings voraus. Mittlerweile ist in jedem Dorf der VAE eine Schule vorzufinden. Es haben sich zahlreiche Universitäten bewährt, die internationalen Ansprüchen gerecht werden. Durch zahlreiche Kooperationen mit ausländischen Universitäten und anderen Bildungsträgern, wie der ältesten Universität Frankreichs „Sorbonne“, oder mit der Hamburg School of Business Administration, finden fruchtbare Austauschprozesse statt. Neben der institutionellen Zusammenarbeit haben alle emiratischen Studenten die Möglichkeit ihr Studium ins Ausland zu verlegen. Die notwendigen Kosten werden von der Regierung übernommen. Mittlerweile hat sich eine fundierte Bildungsbasis etabliert, die vor allem den Ansprüchen und Bedürfnissen des Marktes gerecht wird. Die Verknüpfung hochwertiger Bildungsstandards mit marktnaher Orientierung ist ein wesentliches Element der erfolgreichen Bildungspolitik Dubais. Allerdings könnte die starke Abstimmung der Bildungsalternativen mit dem Markt kontraproduktive Wirkung entfalten, denn „scientific research, especially basic research, cannot be a captive of the market“ (vgl. AHDR 2003, S. 88). Trotz erfolgreicher marktorien149
tierter Bildungspolitik muss die „Versklavung“ der Bildung zu Gunsten ökonomischen Machtstrebens verhindert werden. Im Kontext der strategischen Entwicklung des Bildungssektors kristallisiert sich erneut die hohe Bedeutung der Regierung heraus. Wie die Arbeit systematisch aufzeigt, unterscheiden sich die Herrschaftsverhältnisse in den Arabischen Ländern von denen in der westlichen Welt. In Bezug auf den Aufbau einer wissensbasierten Gesellschaft weist der AHDR der Regierung wichtige Funktionen zu, wie „Leadership is required to motivate Arab societies to take responsibility for research and innovation“ (vgl. AHDR 2003, S. 88). Die strategische Vision einer kreativen Arabischen Renaissance der AHDR findet ihre Implementierung in vielen Projekten der VAE. Neben vielen anderen Vorhaben, die eine exzellente Bildungsstruktur aufbauen sollen, hat Shaikh Mohammed im Mai 2007 die „Shaikh Mohammed Bin Rashid Al-Maktoum“-Stiftung ins Leben gerufen. Die Ziele der Stiftung sind:
to open doors to young and creative leaders in the region to shape their future by equipping them with world-class knowledge and education
source and manage a wide range of initiatives, including the establishment of research programmes and research centres, and the provision of scholarships to students to attend leading universities and institutes. It will also support research in universities across the region
provide leadership programmes to youth in government, the private sector and civil society organisations
scholarships and grants will be given to researchers in the region
the UAE-based foundation will begin work by the year-end (vgl. .Gulfnews 19.05.2007)
Neben allen anderen Anstrengungen könnte die Gründung dieser Stiftung Dubai zum neuen Zentrum des Wissens und Bildung emporheben. Der Bildungsminister der VAE Shaikh Nahyan Bin Mubarak Al Nahyan bezeichnete die Mohammed Bin Rashid Al-Maktoum-Stiftung als wegweisend für die gesamte Arabische Welt; sie würde die Entwicklung „to build a knowledge society will make
150
the UAE a hub for scientific research in the region“ (vgl. Gulfnews 21.05.2007) maßgebend unterstützen. Die Arbeit der Stiftung soll sich jedoch nicht nur auf die Region konzentrieren. Der Schirmherr fordert einen interkulturellen Austausch auf intellektueller Ebene. Die Veröffentlichung und Übersetzung von Büchern ins Arabische ist sein ganz besonderes Anliegen. Auf einer Wissenskonferenz verdeutlichte er sein Anliegen mit der Frage: „Are you ready to translate and publish a thousand books a year? Then buckle up, and let's go“ (vgl. Gulfnews 29.10.2007). Trotz des Potentials der Bildungspolitik Dubais und ihrer Ausstrahlung in die gesamte Arabische Welt darf nicht übersehen werden, dass anspruchsvolle Bildung mit hohen Investitionen verbunden ist. Während die Emiratis kostenfreien Zugang zu allen Einrichtungen erhalten, müssen Ausländer für den Wissenserwerb in den privaten Schulen, Universitäten und anderen Einrichtungen bezahlen. Für viele sind die Kosten der Wissensgenerierung eine Barriere, die sie nie überwinden werden. Somit bleibt die gehobene Bildung eine Angelegenheit der Privilegierten und Reichen. Die am Anfang gestellte Frage, ob sich Dubai zum neuen Wissenszentrum nach den historischen Vorbildern Cordobas oder Bagdads in der Arabischen Welt konstituier,t ist nicht klar zu beantworten. Der Ehrgeiz der Regierung und ihr unermüdlicher Eifer für den Aufbau einer wissensbasierten Gesellschaft spricht deutlich für Dubai. Auf der anderen Seite ist die Bildung an sich zu sehr an den marktlichen Prozessen orientiert; diese Vernetzung von Bildung und Markt könnte den Aufbau einer Wissensgesellschaft bremsen. Hinderlich ist auch die Tatsache, dass gute Ausbildung der Majorität der ausländischen Bevölkerung nicht zugänglich ist. Trotz einiger Schwächen bescheinigt der Bildungssektor den VAE eine in Vergessenheit geratene Aufmerksamkeit für Wissen und Bildung, die den Frühislam nachhaltig geprägt hatte. Die VAE und besonders Dubai entwickeln sich in vielen Aspekten zum Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Der Spiegel titulierte in seiner Ausgabe am Anfang des Jahres Dubai als „Das Über-Morgenland“ (vgl. Spiegel 6, 02.02.2008). Das Emi-
151
rat hat mit seinen beispiellosen Leistungen eine Dynamik angestoßen, die hohe Erwartungen geweckt hat. Das Setzen neuer Maßstäbe in allen Bereichen verhilft Duba,i seine Vermarktung als internationale Drehscheibe weiter zu forcieren. 4.7
Vermarktung Dubais als internationale Handels-, Logistik- und Tourismusdrehscheibe
Enorme Veränderungen haben das Gesicht der VAE nachhaltig verändert. Aus den verschlafenen Dörfern und Oasen sind pulsierende Geschäftszentren mit Wohnstätten für hunderttausende, meist aus dem Ausland zugewanderte Bewohner geworden. Das Ziel ist es hier, herauszuarbeiten, welche Faktoren Dubais Entwicklung maßgebend beeinflussen. Wie schon die kurze historische Skizzierung gezeigt hat, ist die Entwicklung Dubais von einem Fischerdorf zur kosmopolitischen Stadt nicht über einen längeren Zeitraum passiert. Grant, Golawa und McKechnie bezeichnen die VAE als „the most lucrative business market in the Arab Gulf“ (vgl. Grant, Golawa, McKenchie 2007, S. 507). Manch ein Autor spricht sogar von der Wiederbelebung der Seidenstraße (vgl. Hutching/Weir 2006). Neben dem erdölabhängig hohen Einkommen ist Dubais „strategic location connecting the east and the west“ maßgebend am Erfolg Dubais beteiligt (vgl. Grant, Golawa, McKenchie 2007, S. 507). Die dargelegten Befunde belegen, dass Dubais liberale und wettbewerbsfähige Wirtschaftskultur durch die aktive Diversifizierungspolitik der Regierung unterstützt wird. Die Verknüpfung dieser Faktoren und die tolerante und weltoffene Haltung Dubais gegenüber anderen Kulturen führen zu einem gesunden Wirtschaftsklima und politischer Stabilität. Die Konsequenz der strategischen Planung bietet „opportunities to investors und exporters alike“ (vgl. Grant/Golawa/ McKenchie 2007, S. 507).
Die Etablierung der Freihandelszonen mit der bereits erwähnten Freizügigkeit lockt Investoren aus aller Welt. Die geographisch günstige Lage und der fast unbegrenzte Zugriff auf Treibstoff verschaffen Dubai die Position des Dreh- und Angelpunktes für die Wirtschaft der gesamten Region. Dieser Herausforderung hat sich die emiratische Führung angenommen und baut
152
eine Infrastruktur auf, die dieser Anforderung gerecht werden soll. Die Bedeutung, die der Freihafen Jebel Ali als zentraler Containerumschlagsort für die Seefracht zwischen Asien und Europa inne hat, soll auch der neue, im Bau befindliche Al-Maktoum International Airport für die Luftfahrt, sowohl im Fracht-, als auch im Passagierbereich, erlangen. Der Tourismus hat sich zu einem lukrativen Geschäftsfeld entwickelt. Nicht nur erstklassige Immobilien, sondern auch die touristische Infrastruktur oder das legendäre Hotel Burj Al-Arab lehren das Staunen. Bis zum Jahre 2012 sollen ca. 300 fünf Sterne Häuser den Touristen aus aller Welt zur Verfügung stehen. Dubai steht für eine Destination der Weltklassen. Im Jahre 2005 besuchten fünf Millionen Besucher Dubai. Die gesamte Infrastruktur Dubais ist auf das „Branding Dubais als big business“ aufgebaut: Es sind bereits USD 200 Millionen für den Straßenbau ausgegeben. Auf ca. 4 Milliarden USD werden sich die Kosten für den Bau der neuen Metro-Verbindung belaufen, 5,8 Millionen sind bereits in den Ausbau des Dubai International Airport investiert. Der Bau des oben genannten Flughafens Al-Maktoum International Airport wird die Emiratis ca. 9,8 Milliarden kosten (vgl. Grant, Golawa, McKenchie 2007, S. 527). Diese schwindelerregenden Zahlen lassen nur erahnen, in welchen Dimensionen sich Dubai weiterentwickeln wird. Die unten abgebildete Tabelle mit den aktuellen veröffentlichten Projekten Dubais steckt den Rahmen ab, in dem es sich in den nächsten Jahren bewegen wird. Dubais Vermarktung als internationale Handels-, Logistik- und Tourismusdrehscheibe schreitet in einem rasanten Tempo voran. Die Kapazität der Infrastruktur wird den immer größer werdenden Anforderungen angepasst. Die mentale Haltung der Emiratis gegenüber anderen Kulturen wird diesen Trend fördern.
153
Bezeichnung
Beschreibung
Wert
Stand
Dubai Marina
Neue Stadt mit 80 Hochhäusern rund um künstliche Bucht mit Marinas
k.A.
im Bau; Emaar
Dubai Waterfront
Neulandgewinnung und neue Stadtgebiete für 500.000 Einwohner in Jebel Ali
k.A.
Landgewinnung; Nakheel
The World
Gruppe von künstlichen Inseln k.A.
im Bau, Erdarbeiten, Nakheel
Palm Jumeirah
Künstliche Inseln mit Wohnund Tourismusnutzung
6 Mrd. US$
Erdarbeiten abgeschlossen, erste Gebäude fertig, weitere im Bau; Nakheel
Palm Jebel Ali
Künstliche Inseln mit Wohnund Tourismusnutzung
k.A.
Erdarbeiten zur Landgewinnung; Nakheel
Palm Deira
Künstliche Inseln mit Wohnund Tourismusnutzung
k.A.
Planung, Erdarbeiten zur Landgewinnung haben begonnen; Nakheel
Downtown Burj Hochhaus Burj Dubai, Dubai Dubai Mall
k.A.
im Bau, Emaar
Neue Stadt für 40.000 Einwohner als Teil von Dubailand, k.A. einschließlich Shopping Mall und Themenpark
erste Phase bis 2010; Ilyas & Mustafa Galadari Group
Werft- und ReedereiDubai Maritime Verwaltungszentrum auf künstk.A. City licher Insel vor Port Rashid, 227 ha
Infrastruktur-arbeiten weit fortgeschritten, seit 2003 etwa 760 Mio. US$ verbaut
Dubai Multi Aufbau eines Flüssiggas- UmCommodities schlagszentrums mit LagerkaCentre (DMCC) pazität von 3Mio.t
Planung: MoU zwischen DMCC und LNG Impel (Kanada)
City of Arabia
Bawadi
154
1 Mrd. US$
Tourismus-Stadt mit 31 Hotels, 29.000 Zimmer, 1.500 RestauErdarbeiten, erste Phase bis rants, 100 Theater, Straßeninf- 27. Mrd. US$ 2010, Fertigstellung 2015; rastruktur, Monorailbahn (MetTatweer ro-Anschluss)
Wohn- und Gewerbepark mit 13,6 Mrd. Cultural Village am Creek, Schwerpunkt Kunst, US$ Galerien, Theater etc.
Dubai World Central
Großflughafen für 70 Mio. Passagiere in Jebel Ali ein8,2 Mrd. US$ schließlich Wohn- und Gewerbezone sowie Messezentrum
Bezug ab 2010 geplant
Baubeginn 2005; Fertigstellung einzelner Teile 2007 bis 2009; Dubai Civil Aviation
Dubai Logistics Logistikzentrum am neuen City Flughafen in Jebel Ali
k.A.
Dubai Properties Group
Wohn- und Geschäftszentrum Majan (Downdes Dubailand-Gebietes, 150 town Dubailand) Hochhäuser
4 Mrd. US$
Erdarbeiten und Infrastruktur Ende 2006 beendet, Fertigstellung 2010; Tatweer (Dubai Holding)
Dubai Towers
vier Geschäfts- und Wohnhochhäuser (57 bis 94 Etagen) im Gebiet The Lagoons
k.A.
Planung, Fertigstel-lung für 2010 vorge-sehen; Sama Dubai (Dubai Holding)
Wohnsiedlung, IMPZ
11 Wohnhochhäuser in der International Media Production Zone
570 Mio. US$
Baubeginn Anfang 2007, fertig Mitte 2009; Dana Property Development
Acacia Avenue
Wohnsiedlung mit Villas und Hochhäusern in Jumeirah
150 Mio. US$
Baubeginn, fertig 2009; Abyaar Real Estate (Kuwait)
Tijara Town
Gewerbe- und Geschäftsviertel als Teil von Dubailand, 51 Einim Bau, Fertigstellung 1,6 Mrd. US$ heiten vorwiegend für KMU, 2008; Dubai Properties 188 ha
Noval
Aluminium-Weiterverarbeitung 800 Mio. für Bau und VerpackungsinUS$ dustrie
Mirdif Shopping Einkaufszentrum Mall Dubai Metro
Untergrund- und Hochbahn, erste zwei Linien
Baubeginn Mitte 2006, Fertigstellung 2010; Darvesh Group (Indien)
545 Mio. US$
Majid Al-Futtaim investments
4,2 Mrd. US$
im Bau, Fertigstellung für 2009 geplant
Abbildung 3: Überblick über die aktuellen veröffentlichten Projekte Dubais; vgl. Wachstumsmarkt VAE 2007, S. 26/27
155
4.8
Zusammenfassung
Im Verlauf dieser Diskussion sind einige Punkte herausgearbeitet worden, die entweder für oder gegen eine Prototyp-Positionierung Dubais sprechen. Eine Kopie oder Imitation Dubais bedeutet das Erfüllen facettenreicher Bedingungen. Die natürlichen Ressourcen bieten zumindest den Golfstaaten das Potential einer Entwicklung nach Dubais Vorbild, d.h. die notwendige Finanzkraft könnte aus der Erdölrendite erzielt werden, aber es geht in erster Linie um die sogennanten „hard facts“, die sozialen Kompetenzen, die ein zweites Dubai ermöglichen könnten. Das im Anschluss diskutierte Vernetzungsverhalten ist vermutlich ein signifikantes Merkmal der erfolgsträchtigen Strategie des Emirates, die sich nicht durch Adaption übertragen lässt. Dubai zu kopieren hieße auch, das Führungsverhalten seiner Herrscherfamilie, insbesondere den visionären Führungsstil des Herrschers Shaikh Mohammed bin Rashid Al-Maktoum, zu übernehmen und umzusetzen. Diese Aufgabe dürfte unlösbar bleiben. Auch die strategisch günstige Lage am Arabischen Golf mit direktem Zugang zum indischen Ozean, die Dubai schon viele Wettbewerbsvorteile beschert hat, ist nicht imitierbar. Somit ist davon auszugehen, dass das Phänomen Dubai vermutlich ein Unikat bleiben wird. Andererseits könnte die gesamte muslimisch-arabische Welt am Beispiel Dubais lernen. Dubai zeigt eindrucksvoll, dass muslimische Werte und Tradition nicht im Widerspruch zur ökonomischen Entwicklung stehen müssen. Die muslimisch-arabische Gesellschaft kann auch international anerkannte und fruchtende Leistungen bringen. Das Beispiel Dubais kann die Idee ins Bewusstsein der Muslime bringen, dass ihr einst blühendes Wirtschaftssystem wieder erwachen kann.
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5.
Kultur – Netzwerkbildung – Erfolg Determinieren soziale Netzwerke die ökonomische Struktur?
Die Fülle an Publikationen, die sich mehr oder minder stark mit Netzwerkfragen auseinander setzen, ist überwiegend den betriebswirtschaftlichen Fragestellungen zuzuordnen. In dieser Arbeit steht zwar der ökonomische Aspekt im Vordergrund, soziologisches Gedankengut wird aber dennoch innerhalb dieser Diskussion auch eine wesentliche Rolle spielen. Die Literatur liefert eine Reihe von empirischen Befunden, die eine neuere Form der Koordination von Akteuren in modernen Gesellschaften attestiert; in der soziologischen Literatur ist allerdings ein Desinteresse in Form von fehlenden Konzepten oder Theoremen zu vernehmen (vgl. Weyer 2005). Dennoch werden die vorliegenden Angebote und Konzepte aus der Soziologie im Hinblick auf Netzwerkforschung in Betracht gezogen. Ziel dieses Kapitels ist es, eine fruchtende Brücke zwischen diesen beiden Disziplinen zu schlagen und dabei die Rolle und den Einfluss der Kultur herauszuarbeiten. Sie soll das Fundament der Vernetzungen in Dubai bilden. Die sozialen Bindungen und Austauschbeziehungen zwischen Akteuren konstitutieren die Grundvoraussetzung für die Vernetzung jeglicher Art. Uzzis formuliert diesen Zusammenhang wie folgt: “… how social ties shape economic and collective action“ (Uzzi 1997, S. 36). Mit anderen Worten: Soziale Beziehungen sind in eine soziale Umwelt eingebettet und prägen das ökonomische Verhalten. Daher spielt der Aspekt der sozialen „Embeddedness“ im Sinne Polanys und Granovetters im Rahmen dieser Arbeit eine wesentliche Rolle (vgl. Polany 1979). In diesem Abschnitt wird dezidiert nach sozialen Einflüssen auf bestimmte Phänomene gefragt, die für den internationalen Erfolg und die Reputation Dubais bestimmend sind. Somit wird der Frage nachgegangen, welchen Einfluss die Netzwerkbildung auf die Generierung von Erfolg hat und in welchem Kontext sie in die Wirtschaftskultur einzuordnen ist. Um eine partielle Betrachtungsweise zu vermeiden, wird 157 W. Haak-Saheem, Dubai als Staat und Organisation, DOI 10.1007/978-3-8349-6696-4_5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
eine holistische Vorgehensweise angestrebt; d.h. die Bedingungen für erfolgreiches Vernetzen sollten in ihrer Gesamtheit betrachtet werden. Die Summe der Einzelbedingungen, wie das lokale Vernetzungsverhalten oder die kulturelle Diversität, sind spezifische Kriterien Dubais. Mit der Fokussierung Dubais und dem Netzwerkverhalten in einer muslimisch-arabisch geprägten Gesellschaft soll eine Forschungslücke in einem Bereich geschlossen werden, der bis dato wenig Beachtung fand. Die Soziologie beschäftigt sich deutlich länger mit zwischenmenschlichen Beziehungen als die Ökonomie. Mitte der achtziger Jahre weckte dieses Phänomen allerdings auch zunehmend das Interesse der Wirtschaftwissenschaftler. Schnell entwickelte sich das Netzwerkphänomen zum neuen „Alleskönner“ der Betriebswirtschaftslehre. Den dynamischen, zwischenbetrieblichen Netzwerkformen wurden die Fähigkeiten zugesprochen, der wachsenden Bedeutung von Flexibilität, Effizienz und Innovationsfähigkeit Rechnung tragen zu können (vgl. Miles/ Snow 1986). Zu den diskutierten Themen gehören auch die Analyse der Konzepte, Theorien und Typen von Unternehmensnetzwerken. Besonders die Typisierung von Netzwerken hat zu einer großen Anzahl von Forschungsarbeiten geführt. Die Netzwerkforschung, die hauptsächlich in den USA beheimatet ist, hat sich mit den Vernetzungsprozessen in den arabisch-muslimischen Ländern noch nicht ausführlicher befasst. Im Fokus bisheriger ökonomischer Arbeiten standen die Bedeutung von Unternehmensnetzwerken im globalen Kontext und ihr Einfluss auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit und Effizienzsteigerung von Unternehmen. Den Rahmen der Forschungsarbeiten in der Betriebswirtschaftslehre, der Psychologie, Anthropologie und auch in der Soziologie bilden die „abendländischen“ oder „westlichen“ Kulturtypologien. Der Blick durch die westlich orientierte Brille liefert Befunde, die auch die Standards der eigenen Kultur reflektieren. Bei der Bearbeitung dieser Thematik wird eine davon abweichende, auf der arabisch-muslimisch Kultur basierende Diskussion der Netzwerkforschung neue Impulse geben. Die Entwicklung Dubais von einem verschlafenen Fischerdorf zum Wirtschaftswunder des 21. Jahrhunderts setzt in jeder Beziehung neue Maßstäbe. Dieser rasante Aufstieg wirft Fragen nach möglichen Erfolgstreibern auf. Es wird die
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Vermutung nahe gelegt, dass soziale Netzwerke, eingebettet in eine heterogene Kultur, eine signifikante Rolle innerhalb der Wirtschaftskultur Dubais einnehmen. Wie entstehen diese Netzwerke? Wie entwickeln sie sich? Welchen Einfluss hat der Faktor Kultur? Was leiten sie tatsächlich? Sind Netzwerke tatsächlich das Geheimnis des Erfolges? Wenn ja, welche Voraussetzungen müssen für eine erfolgsorientierte Netzwerkkultur erfüllt sein? Im Verlauf dieses Absatzes sollen wesentliche Erfolgstreiber identifizieren werden, die den ökonomischgesellschaftlichen Wandel nachhaltig prägen. Zusätzlich sollen Fragen geklärt werden, warum sich andere Länder dieser Region, die in eine ähnliche Umwelt eingebettet sind (mit ähnlicher Ressourcenausstattung usw.) nicht genauso dynamisch entwickeln wie Dubai. Welche Position nehmen in diesem Zusammenhang Netzwerke ein? Welche Rolle beanspruchen sie für die Imitierbarkeit Dubais? Um einen ersten Überblick zu gewinnen ist es sinnvoll, Netzwerke in einem Gesamtkontext zu betrachten. In Folge werden die Grundlagen zu Theorien der Netzwerke umrissen. In diesem Absatz soll keine erneute Grundlagendiskussion geführt oder angestoßen werden, sondern vielmehr an die vorliegenden Befunde anknüpft und eine Verbindung zur Wirtschaftskultur Dubais hergestellt werden. Es ist zu überprüfen, ob die Vernetzungen in Dubai tatsächlich als wesentliche Erfolgstreiber zu charakterisieren sind. Die kurz umrissenen Grundlagen zu Netzwerktheorien sind richtungsweisende Schritte, die zum eigentlichen Ziel führen sollen. Nach Abschluss dieser Grundüberlegungen wird der Bezug zu den Netzwerken in Dubai hergestellt. Zu Gunsten von Transparenz und Systematisierung werden Netzwerke in unterschiedliche Kategorien eingeteilt: Die persönlichen Netzwerke, die Unternehmensnetzwerke und das Netzwerk Dubais. Zur Beschreibung und Charakterisierung der ersten beiden Netzwerktypen wird auf die Ansätze von Zukin und DiMaggio (1990) sowie Ghoshal/Nahapiet (1998) zurückgegriffen. Sie haben die „Embeddedness“-Theorie Granovetters in unterschiedliche Ebenen eingeordnet. Ziel ist es, für die drei Netzwerktypologien Prototypen zu entwickeln, die eine Aussage über das Leistungspotenzial treffen. Die gewonnenen Erkenntnisse werden anschließend anhand des mentalen Modells von Bouncken ergänzt (Bouncken 2003).
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Diese Ergänzung dient dazu, zu überprüfen, welche weiteren Prozesse durch unterschiedliche Vernetzungsstrategien angestoßen werden. Die Evidenz der Erfolgsträchtigkeit der Vernetzung wird zum Ende des Kapitels verifiziert.Es wird sich herausstellen, ob das Potential von Netzwerken überschätzt wird oder ob sie tatsächlich als signifikante Erfolgstreiber zu bezeichnen sind. Zur Zielerreichung ist es notwendig aufzuzeigen, wie soziale Strukturen im Sinn der vorhandenen Kultur die Vernetzungsprozesse steuern und als Koordinierungsschlüssel fungieren können. Es scheint, als ob die herrschende kulturelle Diversität in Dubai einen besonderen Nährboden für aussichtsreiche Vernetzung bietet. An dieser Stelle ist anzumerken, dass die empirischen Informationen anläßlich längerer Aufenthalte, in intensiven Gesprächen sowohl mit Emiratis, als auch mit ausländischen Arbeitnehmern, die in Dubai und anderen Emiraten leben, erarbeitet wurden. 5.1
Kultur und Netzwerkbildung – Alter Wein in neuen Schläuchen?
Die Blickverengung der Neoklassik und ihre Ignoranz gegenüber anderen Einflussfaktoren, wie der kulturellen Einbettung, führen immer mehr Forscher und Praktiker dazu, nach alternativen Szenarien zu suchen. Zukin/DiMaggio sind sich einig, dass „…economic institutions are thoroughly integrated with social relations“ (vgl. Zukin/DiMaggio 1990, S. 14). Im Verlauf dieser Ausarbeitung wird dargestellt werden, ob es sich bei der Netzwerkforschung um alten Wein in neuen Schläuchen handelt, oder ob die Einbettung der sozialen Netzwerke in den kulturellen Kontext und ihr Einfluss auf die Wirtschaftskultur Dubai seine Innovation darstellen. Einen ersten Zugang zum Verständnis des gegenwärtigen Stands der Netzwerkforschung bietet der Begriff des Netzwerkes selbst. Allerdings ist hier, ähnlich wie zum Begriff der Kultur, von einer wenig fruchtenden eindeutigen Begriffsdefinition auszugehen. Im Lichte der unterschiedlichen Ansätze werden im Rahmen dieser Arbeit die sozialen Netzwerke eine zentrale Rolle einnehmen, weil diese Beziehungsgeflechte den wirtschaftlichen Erfolg maßgebend beein-
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flussen (vgl. Granovetter 2005). Bereits bei elementaren Fragen, wie viele Mitglieder ein Netzwerk konstituieren oder wie dauerhaft ein solches Netzwerk besteht, herrscht Dissens (vgl. Sydow 1992, Fischer 2001, Gerum 2001, Kahle, 1997). Burt definiert Netzwerke aus einer eher soziologischen Perspektive: Sie bieten „…a powerful framework for describing social differentiation in terms of relational patterns among actors in a system“ (vgl. Burt 1983, S. 19). Er verbindet also mit dem Netzwerkbegriff ein breites Spektrum unterschiedlichster Konnotationen, Analysekonzepte und Definitionen. Allerdings lassen sich anhand der vorhandenen Befunde grundsätzliche Konzepte der Netzwerkforschung unterscheiden: Das erste Konzept stellt das soziale Beziehungsgeflecht ins Zentrum der Betrachtung. Die Formen der sozialen Bindungen sind in diesem Zusammenhang von großer Relevanz (vgl. Granovetter 1992, Weyer 2000). Schwachstelle dieser Vorgehensweise ist die Darstellung eines statischen Abbildes eines Zustandes und die weitgehende Vernachlässigung von entscheidenden Bedingungen, wie der sozio-kulturellen Einflussfaktoren (vgl. Weyer 2000, Hirsch/Kreinsen 2002). Die in der Betriebswirtschaftslehre viel diskutierten Unternehmensnetzwerke stellen eine bestimmte Form der Koordination sozialökonomischer Austauschprozesse dar. Netzwerke werden hier als Ergebnis von zielgerichteten Kooperationen von Akteuren verstanden, die durch eine gemeinsame Zielformulierung miteinander „vernetzt“ sind. In diesem Kontext rücken naturgemäß die interorganisationalen Unternehmensnetze und die Strategien kooperativer Akteure in den Vordergrund. Die Forschung kann auch hier keine übereinstimmenden Konzepte liefern, über die juristische und wirtschaftliche Selbstständigkeit ist keine einstimmige Meinung zu vernehmen. Während Wildemann eine rechtlich-wirtschaftliche Autonomie für denknotwenig hält (vgl. Wildemann 1997),
glaubt Sydow, dass die Mitglieder durch die Zusammenarbeit innerhalb eines Netzwerkes ihre wirtschaftliche Selbstständigkeit in einem großen Umfang verlieren, ihre juristische Selbstständigkeit jedoch erhalten bleibt (vgl. Sydow 1992).
Bezüglich der Charakterisierung von horizontaler bzw. vertikaler Zusammenarbeit ist ebenfalls eine Meinungsvielfalt vertreten (vgl. Gerum, 2001, S. 3). Zu Organisation und Deklaration von Netzwerken sind umfangreiche Arbeiten und Befun161
de vorzufinden, in denen Formen wie Joint Ventures, Kartelle, Franchising, Keiretsu und Konsortien postuliert oder auch wieder verworfen werden (vgl. Sydow 1992, Wildemann 1997, Backhaus/Meyer 1993).
Damit avanciert der Netzwerkbegriff zum prominentesten Element der Analyse der ökonomischen Austauschprozesse auf unterschiedlichsten Ebenen; Ja, er gewinnt einen überaus hohen Stellenwert für die sozialwissenschaftlichen Gegenwartsdiskussionen überhaupt. So wird in der gesellschaftstheoretischen Perspektive davon ausgegangen, dass die verschiedenen Netzwerkformen Moment einer aufkommenden „Network Society“ seien und die Regulationsform zukünftiger sozio-ökonomischer Prozesse nachhaltig prägen (vgl. Mayntz 1992, Windeler 2001). Der beschleunigte Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft – und die damit einhergehenden Unsicherheiten und Komplexitäten – spiegeln sich in der Entstehung dieser neuen, mehr oder weniger fluiden, Organisationsformen wider (vgl. Picot, Reichwald , Wigand 2001, Staber 2001). Zwar sind Netzwerke kein Allheilmittel für jede denkbare Problemkonstellation, aber es ist eine zunehmende Bereitschaft zu konstatieren, derartige Alternativen auszuprobieren, wenn es darum geht, neue Märkte bedienen, Innovationen zu generieren, Wissenstransfer zu strukturieren, eine konsensfähige Problemlösung zu finden, usw.. Angemerkt sei an dieser Stelle, dass der Netzwerkbegriff in der Wissenschaft keinesfalls neu ist. Er diente auf zahlreichen Fachgebieten dem Forscher als methodisches Konstrukt zur Klärung empirischer Phänomene (vgl. Nitschke 1996, S. 175). Bei der Betrachtung dieser wenigen Aspekte herrscht um den Netzwerkbegriff eine babylonische Sprachverwirrung (vgl. Gerum, 2001, S. 3). Die Problematik kann an dieser Stelle nicht gelöst werden. Für den weiteren Verlauf ist die Begriffsproblematik kein Hindernis, weil nicht dem Begriff, sondern dem Konglomerat persönlicher Netzwerke – Unternehmensnetzwerke und dem Dubai Netzwerk – hohe Bedeutung beigemessen wird. Im Absatz 5.2 werden einige Grundlagen zu Netzwerken aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven vorgestellt, denn es scheint, als ob die Forscher das Feld den Managementberatern überlassen hätten, die ein Eigeninteresse an relativ „sauberen Lösungen“ hätten (vgl. Staber 2001).
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Als nächstes sind die Unternehmensnetzwerke Gegenstand der Betrachtung, wobei hier das Vernetzungsverhalten der Mitglieder eines Unternehmens von Bedeutung ist. Entscheidungen bezüglich des Verhaltens innerhalb von Netzwerken werden von den Mitgliedern getroffen. Angeknüpft an Granovetters „embedded Überlegungen“ sind die Unternehmensnetzwerke im sozialen Kontext zu sehen (vgl. Granovetter 2001).
Im Fokus stehen sowohl die persönlichen Eigenschaften der Akteure, als auch die Beziehung der Partner untereinander. Die persönlichen Eigenschaften liefern grundlegende Informationen über den kulturellen Hintergrund des Akteurs. Sowohl die persönlichen, als auch die Unternehmensnetzwerke münden in das Netzwerk Dubai. Es ist zu vermuten, dass Dubai die Funktion des fokalen Elements innerhalb der Netzwerkaktivitäten übernimmt. Die Interdependenzbeziehungen verlaufen in beide Richtungen. Das Dubai-Netzwerk ist geprägt von vielen Beziehungen unterschiedlicher Intensität und kultureller Diversität; es erfüllt eine Art Schirmfunktion, d.h. es dient als Referenzpunkt zur Regulierung bzw. Koordinierung des Verhaltens aller Individuen. Eine zentrale Rolle wird in diesem Kapitel auch die Rolle der Kultur einnehmen. Wie später aufgezeigt wird, ist die Rolle der Kultur im Zusammenhang mit Netzwerken von Bedeutung. 5.2
Grundlagen der Netzwerktheorien
Der vorherige Absatz lieferte wesentliche Merkmale sozialer Netzwerke. In der betrieblichen Praxis ist zunehmend eine Entwicklung zu verzeichnen, bei der sich traditionelle Unternehmenstrukturen und -grenzen in Richtung netzwerkförmiger Verbindungen mit externen Partnern aufweichen (vgl. Picot/Reichwald/ Milberg ist überzeugt, dass Unternehmenserfolge künftig immer mehr Netzwerk-Erfolge sein werden. Die Durchsetzung von Innovationen ist das Resultat gezielt vernetzter Leistungen von Teams – auch und gerade über Unternehmensgrenzen hinaus (vgl. Milberg 2002, S. 14). Um eine Blickverengung zu vermeiden, sollten neben den betriebs-
Wigand 2001, S. 289, Kahle 2005, Sydow 1996, Backhaus/Meyer 1993).
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wirtschaftlichen Fragestellungen auch die Bedeutung von Netzwerken in andereren Wissenschaftsdisziplinen erläutert werden. In diesem Abschnitt soll nun ein Überblick zu Netzwerktheorien gegeben werden. Wie oben bereits subsumiert wird der Netzwerkbegriff verwendet, um unterschiedliche Formen von Kooperationen zu beschreiben. Das theoretische Referenzsystem soll ein zugrunde liegendes Theorieverständnis erzeugen. Im Zusammenhang mit Netzwerken ist dies ein schweres Unterfangen. Der Begriff des Netzwerkes eignet sich nicht für derartige Bestrebungen, weil er selbst wenige inhaltliche Vorgaben fordert (vgl. Weyer 2000, S. 187). Unter Netzwerken wird sowohl in der Theorie als auch in der Praxis häufig jede Form von Beziehungsgeflechten verstanden. Von Netzwerken zu sprechen setzt zunächst nur voraus, dass man es mit wie auch immer gearteten Einheiten zu tun hat, die auf unterschiedlcher Art und Weis zueinander stehen (vgl. Weyer 2000, S. 189). Bereits 1991 merkte Powell das unbefriedigende Theorieverständnis: Bei Netzwerken handle es sich um Sozialphänomene neuer Qualität, aber das verursache sofort das Unbehagen, dass man zur Beschreibung mangels Alternativen eben auf ungenügend aufbereitete, theoretische und empirische Grundlagen zurückgreifen müsse (vgl. Powell 1991; Aderhold, Wetzel, 2005). Weyer konstatiert ebenfalls ein Theoriedefizit, nach dem die grundsätzlichen Fragen der Netzwerkforschung, wie zum Beispiel nach welchen Kriterien solche Netzwerkgebilde entstehen oder wie aus intentionalen Handlungen kollektive Effekte geschaffen werden usw., weitgehend unbeantwortet bleiben. Das frühere Entwicklungsstadium, in dem sich die Theoriebildung zum Thema Netzwerke noch befindet, hängt mit der Vielfalt der Forschungsfragen, Einzelfallstudien und theoretischen Erklärungsversuchen, mit teils gegensätzlichen Argumenten und Hypothesen zusammen. So wird in der Ökonomie häufig der Transaktionskostenansatz oder der Ressource Based View als theoretischer Rahmen gewählt, während sich sowohl soziologische als auch psychologische Arbeiten auf andere Theorien, wie die Akteur-Netzwerk-Theorie oder die Embeddedness-Theorie, beziehen. Diesem Standpunkt Weyers kann nicht auf ganzer Linie zugestimmt werden. Sicherlich ist das Theoriegerüst noch instabil, allerdings haben Forscher im Laufe der Zeit 164
einiges zur Beständigkeit der Netzwerktheorie beigetragen. Gerade im Zusammenspiel der unterschiedlichen Disziplinen der Sozialwissenschaften findet eine gegenseitige Befruchtung statt. In der Betriebswirtschaftslehre ist der Transaktionskostenansatz ein viel zitierter Referenzpunkt diverser ökonomischer Arbeiten (vgl. Sydow 1996, Milbert 2002, Eisenhardt/Schoonhoven 1996, Weyer 2000, Granovetter 2001). Die Transaktionskostenökonomie, die nach der Problemlösungsfähigkeit institutioneller Strukturen fragt und dabei den Markt und die Organisation bzw. Hierarchie als zwei fundamental unterschiedliche Formen der Abwicklung ökonomischer Transaktionen gegenüberstellt (vgl. Sydow 1992, Kahle 2005, Fischer 1997), wird immer wieder im Zusammenhang mit Netzwerken gesehen. Dieser Ansatz, der weitgehend auf der Arbeit Oliver Williamsons beruht, basiert auf der Frage, wieso bestimmte Transaktionen auf dem Markt erfolgen und andere hausintern, d.h. in der Organisation oder im Unternehmen vollzogen werden. Die Unterscheidung zwischen Markt und Hierarchie führt zu der Überlegung, Netzwerke als eine dritte Form der Koordination einzuordnen. Eine wichtige Erkenntnis ist in der Betriebswirtschaftslehre die Entwicklung des trichotomen Erklärungsmodells der Organisation (vgl. Williamson 1996, Powell 1991, Kahle 2005, Fischer 2001). Netzwerke sind diesem Ansatz nach in Abgrenzung zu den beiden idealtypischen Koordinationsformen Markt und Hierarchie zu sehen. Demnach werden z.B. Innovationen weder innerhalb der Organisation (Hierarchie), noch in reinen Marktaustauschbeziehungen entwickelt, sondern in dauerhaften, häufig durch Vertrauen gekennzeichneten (Interorganisations-)Beziehungen. In dieser Entwicklung zeigt sich ein wichtiger Widerspruch zu den klassischen Netzwerkanalysen. Bei der ursprünglichen Netzwerkforschung hingegen lassen sich Hierarchien nicht von Netzwerken abgrenzen. In dieser Perspektive bezeichnen Netzwerke jede Form von stabilen Beziehungen zwischen Einheiten eines Systems, daher ist die Hierarchie eine besondere Form des Netzwerkes (vgl. Weyer 2000, S. 215). Da die Unterscheidung von Markt, Hierarchie und Netzwerk in der Netzwerkforschung mittlerweile breite Verwendung findet und nicht nur in
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der Betriebswirtschaftslehre auf große Zustimmung gestoßen ist, findet das trichotome Modell auch hier Anwendung. Andere Autoren ordnen der Netzwerkorganisation eine eigenständige Qualität zu, die keine graduellen Übergänge zu den beiden anderen Typen zulässt. Powell erkennt zwar Netzwerke als eine Form der Koordination der Handlungen an, ist aber von ihrer Selbstständigkeit und ihrer Loskopplung überzeugt. Ein weiterer denkbarer Ansatz wäre, Netzwerke als eine schon immer gegebene Vergemeinschaftung zu erklären. Diese Möglichkeit der Annäherung an das Phänomen Netzwerke besteht darin, diesen neuartigen Typus solidarischer Vergemeinschaftung als die Wiederkehr vormoderner, nie ganz verdrängter Formen der gesellschaftlicher Integration (Clan) zu interpretieren (vgl. Weyer, 2000, S. 9). Demnach handelt es sich bei Netzwerken um ein schon vorhandenes Phänomen, lediglich der Kontext zur Betriebswirtschaftslehre ist innovativ. Dieses Gedankengut wird im Zusammenhang mit persönlichen Netzwerken einen Einfluss haben. Grundsätzlich ist die Transaktionskostentheorie eine geeignete Option, sich dem Phänomen Netzwerk in der Betriebswirtschaftslehre anzunähern; gerade die fundamentale Unterscheidung der Handlungskoordinierung Markt-HierarchieNetzwerk scheint einen sinnvollen Beitrag im Umgang mit Netzwerken zu leisten. Allerdings werden Stimmen laut, wonach der Ansatz nicht ausreichend die komplexen Austauschprozesse in Netzwerken beschreiben würde und könnte. Die moderne Organisationsform lässt sich mit diesem – extrem ökonomischen – Ansatz nicht mehr befriedigend beschreiben und charakterisieren (vgl. Fischer 2001, S. 117).
Wie bereits eingangs erwähnt, ist der Theorieansatz der Embeddedness Granovetters, der auf Polany zurückgeht in der Diskussion um soziale Netzwerke fruchtend. Die ökonomische Entwicklung, basierend auf den Vernetzungsprozessen, ist im Kontext der kulturellen Einbettung mit keiner der vorliegenden Theorien besser zu untersuchen als mit diesem Ansatz. Die grundlegende Frage; „how social structures affects economic life“ (Polany 1979), weist einen direkten Zusammen166
hang mit den gestellten Fragen dieser Arbeit auf. Während Polany dieses Konzept zur Beschreibung der sozialen Struktur von Märkten benutzte, verschob sich der Fokus bei Granovetter. Er betonte den sozialen Einfluss im Zusammenhang mit ökonomischem Verhalten, insbesondere bei Vernetzungsprozessen. Im Schwerpunkt hat er sich mit der „structural embeddedness“, also Strukturen von Netzwerken auseinander gesetzt. Andere Forscher haben weitere Untersuchungsgebiete der Betriebswirtschaftslehre, wie Marketing (Moormann/Zaltmann/Deshponde 1992), Entrepreneurship (Larson 1992) oder Standortentscheidung (Romo/Schwartz 1995) mit diesem Ansatz assoziiert. Unter anderem haben Zukin/ DiMaggio dieses Konzept um kognitive, politische und kulturelle Einbettung ergänzt (vgl. Uzzi 1997, S. 36, Zukin/DiMaggio 1990, Tsai/ Ghoshal 1998).
In diesem Abschnitt stehen die eingebetteten Beziehungen im Vordergrund der Analyse. So soll herausgearbeitet werden, wie diese sozialen Bindungen Unternehmen zu mehr Kreativität, Innovationsfähigkeit und letztendlich zum Wettbewerbsvorteil verhelfen können. Die These, dass Dubais internationaler Erfolg wesentlich auf die eingebetteten Netzwerkverhalten zurückzuführen ist, soll mit diesem Ansatz überprüft werden. Zunächst sollten die Grundlagen der Embeddedness-Theorie im Sinne Granovetters kurz skizziert und diskutiert werden. Seine Befunde sind sowohl in soziologischen als auch in ökonomischen Arbeiten rezipiert und teilweise erweitert worden (vgl. Uzzi 1997). Er stellt ganz klar fest, dass “… business relations are mixed up with social ones” (Granovetter 1985, S. 504). Andere Autoren nehmen ähnliche Positionen ein, “…the 'right' culture will influence how effective the organization is” (vgl. Schein 2004, S. 6).
Bereits Mitte der Achtziger Jahre elaborierte Granovetter den bekannten Ansatz der Embeddednes-Thorie und fügte einige wichtige Anmerkungen – wie die zeitbezogene Perspektive – hinzu. Er hob hervor „the extent to which economic action is embedded in structures of social relations in modern industrial society“ (vgl. Granovetter 1985, S. 481). Die Korrelation zwischen ökonomischem Verhalten,
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eingebetteten Beziehungsstrukturen und der gegenwärtigen Zeitbezogenheit ist ein geeigneter Referenzrahmen, um Netzwerkverhalten zu diskutieren. Er widerspricht der klassischen und auch der neoklassischen Ökonomie mit ihrer einseitigen Perspektive vehement. Die Grundsätze dieser Überlegungen, wie Rationalität oder eigennütziges Verhalten – gelöst von der sozialen Einbettung – würden in der realen Welt kaum vorkommen. Die Annahmen seien “grievous misunderstanding“ (vgl. Granovetter 1985, S. 482). Die Vorstellung Williamsons von der Funktion und Regulierung der ökonomischen Welt entspräche nicht den tatsächlichen wirtschaftlichen Geschehnissen (vgl. Granovetter 1985). In seinen neueren Arbeiten betont Granovetter nach wie vor den Zusammenhang zwischen Ökonomie und Soziologie im Sinne der Fragestellung, wie soziale Strukturen bzw. die Kultur ökonomisches Verhalten indiziert (vgl. Granovetter 2005). Referenzpunkt dieser Arbeit ist der Embedded-Ansatz, welcher für moderne Wirtschaften denknotwendig ist; „…the economic flexibility of the system depends on the social structure […] and cannot be predicted without knowing that social structure” (vgl. Granovetter 2005, S, 38). Das Embedded-Konzept befasst sich im Kern mit der Thematik, dass „...economic action is embedded in structures of social relations“. Zum einen beschäftigt sich die Theorie mit der „undersocialized“ und zum anderen mit der „oversocialized“ Konzeption (vgl. Granovetter 1985, S. 482). Das undersocializedKonzept ist in der rein ökonomischen Perspektive wiederzufinden. Hier spielen soziale Faktoren wie der kulturelle Einfluss eine untergeordnete Rolle. Die Rationalität des Menschen und sein Bestreben nach Eigennützigkeit sind zentrale Punkte der isolierten Betrachtungsweise. Diese Perspektive ist in der Neuen Institutionsökonomie wieder zu finden. Ein weiterer wesentlicher Bestandteil seiner Arbeit ist die Unterscheidung zwischen „strong ties“ und „weak ties“ (Granovetter 2005). Die Intensität der Beziehung beeinflusst die Struktur eines Netzwerkes. Burts These der „structural holes“ greift die These der „weak ties“ auf und hebt die Verbindungspunkte unterschiedlicher Netzwerkpartner besonders hervor (vgl. Burt 1992). Nicht die Qualität bzw. Intensität der Beziehung ist von wesentlicher Bedeutung, sondern die Funktion der „struktural holes“ als Bindeglied oder Brücke zu den unterschiedlichen
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Netzwerkteilen oder als Verbindung unterschiedlicher Netzwerke. Weitere Einzelheiten und Besonderheiten werden in den folgenden Abschnitten diskutiert. Es ist anzumerken, dass die Balance zwischen Eigeninteresse und sozialer Einbettung in den Arbeiten Granovetters nicht immer vorzufinden ist. Die Einbettung der Ökonomie ist ein fortdauernder Prozess mit gegenseitiger Befruchtung: „It not only shapes its members but also it's shaped by them, in part of their own strategic reasons“ (vgl. Granovetter 1985, S. 486). Es ist festzustellen, dass die Dynamik von Vernetzungsprozessen zu wenig zur Entfaltung kommt. Für die weitere Vorgehensweise sind die vorhandenen Befunde ausreichend. Auf diese wird – bei Bedarf – zurückgegriffen. Die Grundlagendiskussion, die kein spezifisch ökonomisches Problem ist, wird hier nicht weiter betrieben. 5.3
Persönliche Netzwerke
Wie viele andere Begriffe, die im Rahmen dieser Arbeit behandelt werden, ist auch der Begriff der persönlichen Beziehungen ein diffuses Anliegen. Eine fundierte Definition ist in der Literatur nicht vorzufinden. Es gibt unterschiedliche Gründe, warum der Begriff der persönlichen Bindungen einen eher unscheinbaren Platz einnimmt. Die Soziologen begründen ihr Desinteresse damit, dass die Gesellschaft und nicht einzelne Individuen im Zentrum ihrer Überlegungen stünden. Es wird leider oft außer Acht gelassen, dass gerade die persönlichen Beziehungen wichtig sind und zur Struktur oder zum Wandel der Gesellschaft beitragen. In diesem Absatz werden die Persönlichen Netzwerke diskutiert. Es soll unter anderem geklärt werden:
Welche Bedingungen sind zur Genese von persönlichen Netzwerken notwendig?
Welche Kriterien werden bei der Formation von persönlichen Netzwerken berücksichtigt?
Welche Struktur weisen sie auf? 169
Wer bestimmt die Eintritt-, bzw. Austrittsbarrieren?
Welche Funktion nimmt die Kultur ein?
Wie werden diese koordiniert?
Was sagen sie über die Wirtschaftskultur des Landes aus?
Kerngedanke dieser Vorgehensweise ist es aufzuzeigen, ob und in welchem Umfang die persönlichen bzw. interpersonellen Netze die ökonomischen Strukturen beeinflussen und zum Erfolg Dubais beitragen. Basierend auf den vorherigen Ergebnissen dieser Arbeit wird vermutet, dass der Mensch, eingebettet in seine jeweilige Kultur, eine wichtige Rolle innerhalb der ökonomischen Entwicklung einnimmt. An dieser These soll überprüft werden, ob die persönlichen Netzwerke tatsächlich einen Einfluss auf die ökonomische Entwicklung ausstrahlen. Im westlichen Kulturraum weitet sich eine neue Form von sozialen Kontakten rasant aus. Das Internet hat die Vermittlerrolle übernommen. „Kontaktbörsen“ wie MySpace, Twitter oder Facebook stellen mit mehr als 100 Millionen registrierten Nutzern alle anderen Formen von Kontaktanbahnungen in den Schatten. Alleine der neue Stern „Facebook“ ist laut Eigentümer mehr als fünfzehn Milliarden Dollar wert. Diese neuen Arten von Kontaktaufnahme und -pflege sind allerdings nicht in der arabischen Kultur verbreitet. Vernetzungen finden hier über persönliche Interaktionen statt. Netzwerke auf Basis von wiederkehrenden, persönlichen Treffen sind nach wie vor kennzeichnend für die arabische Kultur. Dieser Grundsatz gilt auch für das wirtschaftliche Umfeld. Es ist für den gesamten arabisch-asiatischen Raum typisch, dass Unternehmensnetzwerke auf Basis von familiären oder persönlichen Kontakten geknüpft werden (vgl. Fukuyama 1995, S. 106). Unabhängig von der arabischen-asiatischen Kultur ist auch in der westlichen Literatur bekannt, dass betriebliches bzw. ökonomisches Handeln stets nur als Handeln von Menschen zu verstehen ist (vgl. Reimer, 2005, S. 20). Mit anderen Worten: Unternehmensnetzwerke können mehr oder minder nur das Ergebnis persönlicher Interaktion sein.
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Allerdings soll eine Blickverengung vermieden werden, die sich aus der Reduzierung sozialer Interaktionen auf ökonomische Prozesse und die darin enthaltene Rationalität ergibt. Letztendlich geht es nicht nur darum, den unmittelbaren Zusammenhang zwischen persönlicher Vernetzung und wirtschaftlichem Erfolg zu überprüfen. Der Erfolg Dubais ist mehrdimensional: Er ist das Ergebnis unterschiedlicher Prozesse. Ein wichtiges Merkmal dieses Konglomerates ist der gesellschaftliche Wandel. Die Genese neuer gesellschaftlicher Formen und Ordnungen ist in den sozialen Netzwerken verankert. Der Anreiz zur Veränderung beeinflusst nach Ibn Khaldnjn also das moderne Vernetzungsverhalten (vgl Hottinger 2000). Die Wirtschaftswoche hat in einer ihrer Ausgaben Dubai als „Business-Mekka“ bezeichnet und die Ursache im modernen Islam gesehen (vgl. WiWo, 36, 2006). Ist die moderne Form des Islams eine Folge des Wandels auf Grundlage interkultureller Netze? Die vertrauensbasierten Kooperationen heterogenener Gruppen von Akteuren können auf Dauer eine Eigendynamik entwickeln, die auch dann existiert, wenn einzelne Mitglieder ausscheiden. Die emergenten strukturellen Effekte, die von Netzwerken erzeugt werden, verschwinden in dem Moment, in dem das soziale Netzwerk aufhört zu existieren, es sei denn, sie werden auf irgendeine Weise in die Gesellschaft eingebaut, d.h. in soziale Innovation umgesetzt (vgl. Weyer 2005, Powell 1997, Burt 1997). Allerdings werden bisher keine Untersuchugsergebnisse zu diesem Prozess in der Literatur erörtert. Tenbruck vertritt die Auffassung, dass der soziale Wandel anonym passiert und als ein naturgesetzlicher Systemprozess zu verstehen ist. Dieser Wandel ist nicht strategisch planbar. Die Um- und Neugruppierung der sozialen Akteure führen zu Veränderungen, die sich in neuen Ideen niederschlagen (vgl. Tenbruck 1990, S. 218). Dieser Auffassung ist nur bedingt zuzustimmen; interdisziplinäre und interkulturelle Faktoren können durchaus als Katalysatoren für den gesellschaftlichen Wandel fungieren – vorausgesetzt, das Potenzial dieser Einflussfaktoren ist bekannt. Das Beispiel Dubai wird zeigen, dass der Wandel im gewissen Maße strategisch planbar ist. An anderer Stelle wird deutlich, dass die Personalpolitik einen wichtigen Beitrag leistet.
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Die Rolle der Führungselite als fokales Element ist in diesem Zusammenhang von entscheidender Wichtigkeit. Unter dem Gliederungspunkt 5.5 wird die Rolle Dubais innerhalb der unterschiedlichen Vernetzungsebenen weiter thematisiert. Die moderne Soziologie, die Mutter der Sozialwissenschaften, hat noch keinen bemerkenswerten Beitrag geleistet, welcher den Zusammenhang zwischen persönlicher Interaktion und ihrem Einfluss auf soziale Netzwerke konzeptualisiert hätte und die Verknüpfung zum gesellschaftlichen Wandel geschaffen hätte, obwohl sie stets ihr Interesse daran beteuert. Auch die Systemtheorie umfasst nicht den Begriff der persönlichen Netzwerke (vgl. Luhmann 2004). Der Begriff der persönlichen Beziehungen ist in der Soziologie nicht eindeutig (vgl. Tenbruck 1990, S. 227). Unter persönlichen Beziehungen werden hier personale Beziehungen verstanden, die wesentlich durch wechselseitige Wahl mehrerer Personen zustande gekommen sind. Die Freiwilligkeit ist ein wesentlicher Faktor. Fukuyama wählt den Begriff der Soziabilität zur Charakterisierung von persönlichen Beziehungen. Burt und viele weitere, vor allem US-amerikanische Autoren haben zur Beschreibung desselben Sachverhaltes den Begriff des „social capital“ geprägt. Auch deutschsprachige Autoren bedienen sich der Begrifflichkeit des sozialen Kapitals, weil dieser mit einer Reihe von Bedeutungen und Verknüpfungen assoziiert werden kann. Soziales Kapital sollte aber nicht nur auf soziale Interaktion reduziert werden; Werte und Normen, d.h. die kulturelle Einbettung der Gesellschaft, werden auch häufig als ein Merkmal des sozialen Kapitals verstanden (vgl Coleman, 1990, Granovetter 1985, Burt 1992). Burt definiert soziales Kapital als “a set of social resources embedded in relationships“(vgl. Burt 1992). Tsai und Ghoshal ergänzen den Begriff des sozialen Kapitals um weitere Merkmale wie „social ties, trusting relationships and value systems“ (vgl. Tsai/Ghoshal 1998, S. 465). Die Einbettung des ökonomischen Handelns in die jeweilige Kultur ist spätestens seit den Forschungsergebnissen Granovetters evident. In der Soziologie (und neuerdings auch in der Betriebswirtschaftslehre) gehen die Bemühungen dahin zu demonstrieren, dass das soziale Kapital „…may facilitate value creation by firms” (vgl. Tsai/Ghoshal 1998, S. 464).
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Die Rolle der persönlichen Beziehungen und Vernetzungen innerhalb der Wirtschaftsordnung Dubais und ihre Wirkung auf die ökonomische Entwicklung ist das Thema an dieser Stelle. Weiter wird aufgezeigt, dass Vernetzungsprozesse nicht nur die Kompetenz von Unternehmen erhöhen, sondern sogar die Wirtschaftskultur eines Landes nachhaltung lenken. Ähnlich zu Uzzis Arbeit wird der Ansatz verfolgt, „…how social ties shape economic and collective action“ (vgl. Uzzi 1997, S. 36). Um diesem Ziel näher zu kommen, wird zur weiteren Charakterisierung der persönlichen Netzwerke unter anderem auf die Arbeiten von Zukin/DiMaggio (1990), Nahapiet/Ghoshal (1998) und Granovetter (2005) zurückgriffen. Sie wählen ähnliche Methoden, um die Dimensionen des Sozialen Kapitals zu erklären und ihren Einfluss auf andere Faktoren, wie die soziale Innovation, zu untersuchen. Die strukturelle, relationale und kognitive Dimension wird im Folgenden als Ansatz gewählt. Mit Hilfe dieser Dimensionen soll untersucht werden, inwieweit die Hypothese, der ökonomische Erfolg Dubais sei an die sozialen Netzwerke gekoppelt, gerechtfertigt ist. Weiter soll herausgearbeitet werden, welche Eigenschaften der einzelnen Dimensionen ein sinnstiftendes Austauschen der Ressourcen unterstützen. 5.3.1
Strukturelle Einbettung
Es ist bekannt, dass Soziale Netzwerke sich unterscheiden. Es gilt nun festzustellen, in welchem Rahmen bzw. Zusammenhang diese Unterschiede ausgeprägt sind. Die Struktur bzw. das Muster solcher Beziehungsgeflechte ist ein wichtiger Ansatz, weil dieses ausschlaggebend dafür ist, ob einzelne Beziehungen zum Erfolg führen können sowie ob und in welchem Umfang sie auch negative Wirkungen entfalten können. So liegt die Vermutung nahe, dass sich vom Beispiel der sozialen Netze wirtschaftliche Strukturen ableiten lassen. Wie bereits erwähnt, beruhen persönliche Beziehungen auf freiwilliger Basis. Diese sind als privates Bedürfnis des Menschen zu verstehen der Mensch als animal socialis strebt Bindungen an und versucht die Einsamkeit zu vermeiden (vgl. Tenbruck 1990, Weyer 2000).
Allerdings dienen die persönlichen Beziehungen, auch in ihrer personalisierten und individualisierten Darstellung, nicht nur der Befriedigung privater Bedürfnisse; sie sind mit der sozialen Struktur komple173
mentär zu sehen (vgl. Tenbruck 1990, S. 248). Die Struktur jedes Netzwerkes wird durch diese persönlichen Beziehungen geprägt; die Struktur hat wiederum einen enormen Einfluss auf diese Bindungen. Die strukturelle Ebene der persönlichen Netzwerke wird in vielen Arbeiten diskutiert (vgl. Weyer 2000, Burt 1992, Granovetter 1985, Gulati 1997, Zukin/DiMaggio 1990, Ghoshal/Tsai 1997). Powell unterscheidet zwischen zwei grundsätzlichen Interaktionsformen: Den losen Beziehungen zwischen unterschiedlichen Individuen oder Akteuren und der Interaktion innerhalb eines stabilen sozialen Netzwerkes (Powell 1990). Diese Unterscheidung verweist auf ein wesentliches Hauptmerkmal: Die Struktur der Beziehungen. Sie ist auf mehrdimensionale Weise für die Form des Netzwerkes verantwortlich: Sie ermöglicht bestimmte Formen der Interaktion, Erwartungen und Verpflichtungen werden kodifiziert, Ein- bzw. Austrittsbarrieren reguliert usw.. Andere Dimension wie die kognitive oder relationale Ebene stehen in unmittelbarer Verbindung zur strukturellen Ebene.
Auch Zukin und DiMaggio heben die strukturelle Ebene in ihrer Arbeit besonders hervor (vgl. Zukin/DiMaggio 1990, S. 19). Ähnlich wie Zukin/DiMaggio (1990) zerlegen Nahapiet/Ghosal (1998) und Tsai/Ghosal (1998) die sozialen Bindungen in Einzelteile, die sie teilweise unterschiedlich benennen. Während Zukin/ DiMaggio (1990) Begriffe wie kulturelle, kognitive, politische und strukturelle Einbettung wählen, beschränken sich Nahapiet/Ghosal und Tsai/Ghosal (1998) auf drei Formen der Unterscheidung, nämlich der strukturellen, kognitiven und der relationalen Einbettung. Diese Systematisierung geht teilweise auf Granovetter zurück, der zwischen der strukturellen und der relationalen Dimension unterscheidet. Er greift auf das Konzept des „over- bzw. undersocialized“ zur Klassifizierung der Struktur von Netzwerken zurück. Uzzi fokussiert in seiner Arbeit die strukturelle Dimension mit der Begründung, sie beeinflusse maßgeblich die Architektur der Austauschbeziehungen, die im engen Zusammenhang mit dem ökonomischen Verhalten zu sehen sind (vgl. Uzzi, 1997, S. 36). Robins/Pattison/Woolcock unterscheiden zwischen „global structure“ und „local process“. Als „global structure“ wird das gesamte Netzwerk bzw. werden
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große Teile eines Netzwerkes bezeichnet; die unmittelbaren Verbindungen eines Akteurs zu den anderen Netzwerkpartnern bilden den „local process“ (vgl. Robins/ Pattison/Woolcock 2005). Sydow/van Well stellen die zeit-räumliche Bindung in den Vordergrund, die Praktiken und Reproduktionen dieser Handlungen tragen zum Strukturwert eines persönlichen Netzes bei. Die Kultur ist ein wichtiges, strukturgebendes Element. Zur Klärung von wirtschaftlichen Prozessen ist die kognitive Dimension als Koordinationsinstrument innerhalb eines sozialen Systems maßgebend. Basierend auf der Strukturationstheorie, beziehen sich sämtliche Akteure in ihren Handlungen notwendigerweise auf Strukturen, d.h. auf bestimmte Regeln des jeweiligen Systems und reproduzieren diese Strukturen durch ihr Handeln (vgl. Sydow/Ortmann 2001, S. 117).
Die Struktur eines Netzwerkes entwickelt dabei ausschließlich dadurch Wirkung, dass sich Akteure in Interaktionen kompetent auf sie beziehen und sie durch diese Bezugnahme reproduzieren. Sowohl die Theorie der „over-“ bzw. „undersocialized“ Einbettung, als auch andere Ansätze wie beispielsweise die Strukturationstheorie, räumen der Kultur einen hohen Stellenwert ein. Die Struktur eines Netzwerkes wird sowohl von außen nach innen – durch die Einbettung in das jeweilige System – als auch von innen nach außen – durch die Reproduktion der Handlungen ihrer Mitglieder – reglementiert. Die Kultur ist also als das Referenzsystem der Struktur zu betrachten. Die Grundannahme dieser Arbeit, dass alle Handlungen im kulturellen Umfeld eingebettet sind, trifft auch auf die Netzwerkstrukturen zu. Die vermutete Anonymität in der neoklassischen Institutionsökonomie ist bei genauer Betrachtung eine nicht haltbare Aussage (vgl. Granovetter 1985, Zukin/DiMaggio 1991). Eine größerer Herausforderung ist
es, alternative Szenarien zu entwickeln, in der die Ökonomie und soziale Strukturen verlinkt sind. Wie oben bereits aufgeführt, ist Dubai durch die arabisch-muslimische Kultur geprägt, d.h. aber nicht, dass diese Kultur mehrheitlich die Netzwerkakteure prägt. Die Herausforderung besteht darin herauszuarbeiten, wie Formation und Evolution von Netzwerkstrukturen in einer sehr heterogenen Gesellschaft, wie sie in Dubai vorzufinden ist, entstehen bzw. sich entwickeln. Existieren große Netze, die durch Diversität geprägt, sind oder haben sich heterogene Netzwerke
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durchgesetzt, deren Akteure sich hinsichtlich Herkunft, Kultur oder Sprache voneinander unterscheiden? Wie bereits erwähnt, leben in Dubai Menschen aus ca. 146 verschieden Nationen. Die Emiratis machen nur ca. 20% der Bevölkerung aus. Können sich einheitliche Strukturen bilden und etablieren, wenn sie solchen Bedingungen ausgesetzt sind? Oder entstehen kulturell abgrenzte Netzwerke parallel? Stimmen sie in bestimmten Punkten partiell überein? Aus der Literatur und Praxis ist es bekannt, dass idealtypische Netze interkulturell und interdisziplinär geknüpft sind (Schein 2004). Die kulturelle Diversität ist somit ein fruchtbarer Boden zur Bildung von effizienten sozialen Netzwerken, die in unterschiedlichen Bereichen, wie politischer oder ökonomischer Entwicklung, Aufgaben wahrnehmen. Allerdings ist es ratsam, nicht die kulturelle Diversität (als Bestandsaufnahme) als alleinigen Erfolgstreiber zu klassifizieren. Mit anderen Worten: Kulturelle Heterogenität allein führt nicht zwangsweise zum wirtschaftlichen Erfolg. Der bewusste Umgang und die Kombination heterogener Kulturen können erfolgsträchtige Wirkungen entfalten.
Zusätzlich zur kulturellen Heterogenität ist die Dichte charakteristisch für Netzwerke in Dubai. In Anlehnung an die Arbeit von Collins (1988) wird zwischen diesen zentralen Strukturmerkmalen von Netzwerken unterschieden: social density (soziale Dichte) und social diversity (soziale Heterogenität/Variabilität). Andere Autoren, wie beispielsweise Tsai/Ghoshal (1998) oder Uzzi (1997), gehen ebenfalls in ihren Arbeiten auf die Dichte von Netzwerken ein. Die Dichte eines Netzwerkes gibt Auskunft über die physische Präsenz, d.h. den Zeitumfang, den ein (potenzielles) Netzwerkmitglied mit anderen Netzwerkmitgliedern verbringt. Bei hoher sozialer Dichte werden Beziehungen häufig aktualisiert und gepflegt. Niedrige soziale Dichte bedeutet, dass Interaktionen innerhalb eines Netzwerkes seltener stattfinden. Soziale Dichte sagt auch etwas über die Anzahl der Beziehungen aus. Hohe Dichte bedeutet in diesem Kontext, dass viele Bindungen, niedrige Dichte, dass nur wenige Interaktionspartner vorhanden sind. Die soziale Variabilität bezieht sich auf die Homogenität bzw. Heterogenität der Netzwerkmitglieder. Dieses Kennzeichen kann sich an der kulturellen Prägung der Netzwerkmitglieder orientieren, kann aber auch weitere Kategorien, wie das Alter
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oder Geschlecht, mit einbeziehen. Im Rahmen dieser Arbeit bildet die Kultur den Referenzrahmen weiterer Diskussionen, die kulturelle Vielfalt in Dubai ist eine besondere Herausforderung, die sowohl eine Barriere als auch eine Chance darstellt. Allerdings sollte eine „oversocialized“ Terminologie im Sinne Granovetters vermieden werden. Die ökonomisch geprägte Haltung der Emiratis in Dubai und ihr unermüdliches Verlangen nach Innovation fokussieren stark den wirtschaftlichen Fortschritt. Die empirischen Befunde belegen, dass neben der Dichte auch die Termini „global structure“ und „local process“ wichtige Hinweise zur Struktur von Netzwerken geben können (vgl. Pattison/ Robins/Woolcock 2005). Es wird im Laufe der Arbeit aufgezeigt, dass persönliche Netze zweistufig zu betrachten sind. Die Unterscheidung bedeutet keineswegs eine hierarchische Abstufung, sondern dass sich die Qualität und Funktionalität der Beziehung in kulturell unterschiedlichen Netzen verändert. Soziale Beziehungen können unterschiedliche Wirkungen entfalten. Netzwerktyp 1 und 2 zeichnen sich durch eine hohe soziale Dichte aus. Diese Netzwerke sind durch eine hohe Integration gekennzeichnet. Die Bindungen sind zeitintensiv und die persönliche Kopräsenz ist von großer Wichtigkeit. Diese Netzwerktypologien sind charakteristisch für den gesamten asiatischen Raum. Auf diesen Netzwerktyp ist der Terminus „global structure“ anzuwenden (vgl.Pattison/ Robins/Woolcock 2005). Diese Struktur ist häufig bei Netzwerken mit emiratischen Mitgliedern vorzufinden. Die engmaschige Struktur des Netzwerkes erschwert den Ein- bzw. Austritt einzelner Mitglieder. Dies könnte Ausweglosigkeit und Frustration bei ausländischen Investoren und Firmen auslösen. Es ist ratsam, für den Aufbau solcher Netzwerke einen Zeitrahmen von mindestens zwei Jahren einzuplanen. Die persönliche Bereitschaft und Geduld sind genauso wichtig wie ein finanzieller Puffer, um die Zeit zum ersten Erfolg, beispielsweise einen ersten Auftrag, zu überbrücken. Die hohe Dichte eines homogenen Netzwerkes könnte sich schnell nachteilig auswirken, wenn dadurch der Informationsfluss in das Netzwerk gestört ist. Denn die Ähnlichkeit der Kontakte reduziert den Informationsgehalt innerhalb eines Netzwerkes (vgl. Granovetter 1985). Die häufige Kontaktaufnahme kann zwar bei einigen Fragestellungen hilfreich sein, allerdings ist sie zur Generierung von tatsächlichem Erfolg, wie der Akquise eines Neuprojektes oder der erwünschten Neuanstellung, eher ungeeignet. Die Gefahr 177
der Redundanz der Informationen ist bei homogenen Netzwerkpartnern besonders hoch. Die Vermutung liegt nahe, dass die außergewöhnliche Innovationskraft auf die Austauschbeziehungen zwischen den unterschiedlichen Netzwerktypologien zurückzuführen ist. Die unterschiedlichen persönlichen Netzwerke in Dubai nehmen unterschiedliche Aufgaben wahr. Strategische Entscheidungen werden primär in den Netzwerken mit überwiegend emiratischen Partnern getroffen, ihre operative Realisierung wird mit möglichst heterogenen Partnern diskutiert. Eine hohe Dichte (Netzwerktyp 2/B), geprägt von vielen heterogenen Netzwerkpartnern, erhöht den Informationsgehalt, d.h. viele unterschiedliche Informationen kursieren innerhalb des Netzwerkes. Die Dichte begünstigt eine hohe Fluktuation der Informationen; die häufige Interaktion stellt sicher, dass alle Partner mit Informationen versorgt werden. Diese Struktur ist eine häufige Erscheinung der normativen und operativen Ebene. Bei abnehmender Dichte und großer Heterogenität (Netzwerktypologie 3/C) bleibt das Informationspotenzial zwar erhalten, aber die unregelmäßige und seltene Interaktion wirkt sich negativ auf die Effizienz der Fluktuation bzw. Allokation aus. Das optimale Austauschen der Informationen benötigt eine regelmäßige Interaktion. Diese Netzwerkstrukturen sind zwar in Dubai auch vorhanden, allerdings werden sie von Emiratis eher vermieden. Sie sind eher typisch bei europäisch/US amerikanisch geprägten Netzwerken. Bei abnehmender Dichte und großer Heterogenität ist der Vertrauensaufbau erschwert. Tsai/Ghoshal sehen auch in der Frequenz der Interaktion und der Erfolgsgenerierung einen Zusammenhang: „Frequent and close social interactions permit actors to know one another, to share important information…“ (vgl. Tsai/Ghoshal 1998, S. 465). Die Aussage Granovetters, dass starke Bindungen einen negativen Einfluss beispielsweise auf die Karriere haben können, kann im Kontext der persönlichen Netzwerke in Dubai nicht bestätigt werden. Die hohe Frequenz der Kontakthäufigkeit ist eine denknotwendige Voraussetzung zur gewünschten Zielerreichung. Es wird eine häufige „face-to-face“-Kontaktaufnahme empfohlen.
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Die niedrige Dichte und die homogene Struktur der Netzwerkpartner (Netzwerktypologie 4/D) ist eine ungünstige Kombination zur Zielerreichung und Generierung von Erfolg. Ähnlich wie bei der Typologie 1 ist mit Redundanz von Informationen zu rechnen. Die niedrige Dichte nimmt eine untergeordnete Rolle ein, weil die Informationen (im Sinne von Ressourcen) einen geringen Wert besitzen. Persönliche Netzwerke in Dubai sind durch ihre Größe, Heterogenität und häufige Interaktion gekennzeichnet. Wer erfolgreich sein will, sollte diese Strukturen kennen. Westlich geprägte Literatur zur Netzwerkforschung unterscheidet sich in ihren Grundannahmen von den dortigen Bedingungen. Die Ergebnisse widersprechen beispielsweise einigen Grundannahmen Granovetters, starke Bindungen hätten einen negativen Einfluss auf die Erfolgsgenerierung; solche starken Beziehungen können von großem Nutzen sein. Die Chancen auf Erfolgsgenerierung sind beispielsweise innerhalb der engmaschig geknüpften Netze der Familie am größten. Trotz der engen Bindungen können die Mitglieder immer davon ausgehen, dass sie in ihren Vorhaben unterstützt werden. Wichtige strategische Entscheidungen werden innerhalb dieser Netzwerke getroffen. Es ist zu vermuten, dass Granovetters Theorien auf Basis der westlichen Kultur entwickelt wurden und daher für andere Kulturräume weniger relevant sind. In den USA oder auch Europa mögen diese Annahmen zutreffen. 5.3.2
Relationale Ebene
Die relationale Ebene ist im Kontext der strukturellen und kognitiven Dimension zu sehen. Diese Ebene ist als Bindeglied der beiden anderen Ebenen einzuordnen. Im Zusammenhang mit persönlichen Netzwerken wird deutlich, weshalb der relationalen Dimension eine besondere Rolle zuzuschreiben ist. In Anlehnung an Granovetter sehen auch Zukin/DiMaggio einen engen Zusammenhang „…of economic exchange in pattern of ongoing interpersonal relations“ (vgl. Zukin/DiMaggio 1991, S. 19).
Ökonomische Transaktionen finden unter dem Einfluss persönlicher Beziehungen statt. Demnach sind persönliche Beziehungen nicht nur im privaten Bereich wichtig, sie haben auch wirtschaftliche Konsequenzen. Die Kompetenz, soziale Beziehungen einzugehen und zu erhalten, ist in jedem Menschen zumindest partiell vorhanden (vgl. Fukuyama 1997, Burt 1992, Tenbruck 1990). 179
Es ist allerdings nicht genau thematisiert, wie diese Bindungen aussehen sollten. Fukuyama zeigt in seiner Arbeit auf, dass die Neigung zur Soziabilität stark durch die jeweilige Kultur geprägt ist (vgl. Fukuyama 1997, S. 83). Mit anderen Worten: Die Fähigkeit, soziale Beziehungen einzugehen, hängt von der jeweiligen Kultur ab. Mitgliedern unterschiedlicher Kulturkreise, insbesondere der westlichen Kultur, ist der Zusammenhang zwischen sozialen Bindungen und ökonomischem Verhalten entweder nicht bewusst oder jene werden schlichtweg negiert. Die so genannten „Seilschaften“ genießen – oft unberechtigt – einen schlechten Ruf in großen Teilen der westlichen Gesellschaft. Ein Freund kann um einen persönlichen Gefallen gebeten werden, aber es ist zum Beispiel unangebracht, ihn um eine Anstellung oder um eine wirtschaftliche Zusammenarbeit zu bitten. Anders in der arabischen Kultur: Einem Freund wird in jeder Hinsicht geholfen, es ist nicht üblich, dass man unterschiedliche Freundeskreise im Sinne von Freunden und Kollegen hat. Im westlichen Kulturraum wird penibel darauf geachtet, dass persönliche Freunde aus dem professionellen Umfeld herausgehalten werden. Dieser Aspekt mag ein Grund dafür sein, warum in der betriebswirtschaftlichen Lehre und auch Praxis, die Rolle persönlicher Beziehungen häufig nicht mit dem angemessenen Interesse behandelt wird, ihre Bedeutung und Einflussnahme nicht explizit artikuliert und manifestiert werden kann. Folgerichtig formulieren Cross/Parker die Frage:„…ow can you manage what you can´t see?“ (vgl. Cross/Parker 2004, S. 2). Ein weiterer Grund dieser Einstellung ist im Arbeitsethos (vgl. Max Weber 2005) des christlich-abendländischen Kulturkreises begründet. Der „puritanische Geist“ bevorzugt die individuelle Leistung des Einzelnen, diese soll über Erfolg bzw. Misserfolg entscheiden und nicht das Beziehungsgeflecht in einem sozialen Netzwerk. Die Bedeutung und Stellung von persönlichen Netzwerken in dieser Arbeit wird zeigen, dass die Stärke solcher Bindungen eindeutig überwiegt, wenn Strukturen und Regeln bekannt sind. Insbesondere die persönlichen Beziehungen in Dubai nehmen einen hohen Stellenwert innerhalb wirtschaftlicher Prozesse ein. Sind die Interaktionsmuster dieser Netze bekannt, wird der wirtschaftliche Erfolg folgen. Wie ist dieser Kontext zu erklären? Zunächst sollte geklärt werden,
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wie diese Netze aufgebaut sind: Wie werden persönliche Beziehungen geknüpft?
Lassen sich eindeutige Muster ableiten oder sind die Beziehungen in jedem Netzwerk individuell gestaltet?
Welche Bindungen sind von besonders hoher Bedeutung?
Erklärtes Ziel ist es, einen Leitfaden zu entwickeln, der basierend auf den Arbeiten von Burt (1992), Granovetter (1985, 2001) und Tsai/Ghoshal (1998) sowohl einen theoretischen Beitrag zu Beziehungen in persönlichen Netzwerken in Dubai leisten soll, als auch dem Praktiker als Hilfestellung dienen soll. Wie schon erwähnt, sind Kenntnis und Verständnis für die muslimisch-arabische Kultur eine denknotwendige Voraussetzung zur erfolgreichen Vernetzungsstrategie. Die häufigen Kontakte in Form von Meetings oder Besuchen sind ein wichtiger Bestandteil der arabischen Kultur. Trotz vieler Reisen der emiratischen Bevölkerung und damit verbundenen Aufenthalten im Ausland sowie einer hohen Quote von ausländischen Investoren und Arbeitnehmern in den Vereinigten Arabischen Emiraten, ist die lokale Kultur in allen Bereichen erkennbar. In der emiratischen Gesellschaft wird nicht zwischen persönlichen Beziehungen, im Sinne von privaten, und geschäftlichen/beruflichen Verbindungen unterschieden. Dies ist ein wesentlicher Grund, weshalb die persönlichen Netzwerke einen großen Einfluss auf die ökonomische Struktur ausüben. Bedingt durch die große interkulturelle Vielfalt ist das Erkennen von Strukturen, wie Ein- oder Austrittsbarrieren bzw. Verhalten gegenüber opportunistischen Partnern, eine enorme Herausforderung. Grundsätzlich existieren viele, häufig durch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kultur- und Gesellschaftsschicht definierte, persönliche Netzwerke. Die Intensität der Beziehungen zu emiratischen Netzwerkpartnern oder zu emiratisch dominierten Netzwerken macht die Wichtigkeit kulturell anders geprägter Netzwerke aus. Zur Generierung von wirtschaftlichem Erfolg sollten Beziehungen mit den „Locals“ angestrebt werden. Eine institutionalisierte Form solcher Interaktionsgefüge ist im Bereich des „Sponsoring“ vorzufinden. Das Sponsorwesen ist ein Instrumentarium, welches jedem Arbeitnehmer und Unternehmen auf der arabischen Halbinsel bekannt sein sollte. Als Sponsoren wird in den Vereinigten Arabischen Emiraten eine Vielzahl an Personen bezeichnet. Dieses Konzept 181
stellt sicher, dass bei geschäftlichen Aktivitäten durch Ausländer oder durch ausländische Unternehmen lokale Partner involviert sind. Ausländische Investoren müssen einen Emirati als Sponsor gewinnen, wenn sie sich nicht in einer Freihandelszone (Freihandelszone) niederlassen bzw. ihre Aktivitäten auf die Freihandelszone beschränken wollen. Im Zusammenhang mit Unternehmensnetzwerken gewinnt dieser Aspekt wesentlich an Bedeutung und wird daher an anderer Stelle näher erläutert werden. Anzumerken ist an dieser Stelle, dass persönliche Beziehungen bei der Wahl des Sponsors einen hohen Stellenwert haben. Die Kontaktanbahnung erfolgt primär auf der privat-persönlichen Ebene; sie wird nicht durch politische Institutionen oder andere Wirtschaftsunternehmen initialisiert. Es existiert zwar eine Reihe von Unternehmen, die sich spezialisiert haben, Kontaktanbahnungen möglichst schnell zu organisieren, allerdings sind diese Versprechen mit Vorsicht zu genießen. Jede fruchtende Kooperation basiert auf Vertrauen zwischen den Partnern. Die Mehrheit der wirtschaftlich erfolgreichen Ausländer ist überzeugt, dass die persönlichen Beziehungen bei der Wahl des lokalen Partners elementarer sind als die Dienste der vielen Kontaktanbahnungsbüros. Diese können zwar im ersten Schritt nützlich sein, um einen Überblick zu gewinnen – sie ersetzen aber keineswegs die eigenen persönlichen Bindungen. Zum Thema Vertrauen ist in jüngerer Zeit eine ganze Reihe im betriebswirtschaftlichen Bezug zu finden. Viele Publikationen konzentrieren sich auf den Kontext Vertrauen und Kooperationskompetenz. Dem Faktor Vertrauen wird innerhalb der Netzwerke eine koordinierende Funktion zugewiesen (vgl. Kahle 1997, Die Diskussion um Vertrauen in der neuen Wirtschaftssoziologie wird vor allem in der soziologischen und ökonomischen Institutionstheorie geführt (vgl. Coleman
Bouncken 2003, Milberg 2000, Fischer 2001, Sydow 2002, Uzzi 1997, Zündorf 1986/87, u.a.).
1988, Granovetter 19, Luhmann, 2000 Maurer/ Schmidt 2002, Morrmann/Zaltmann/Deshponde 1992, Williamson 1998,).
Zwei Ansätze, die sich gegenseitig kritisieren und dabei versuchen, diese Kritik durch Modifikationen der jeweils eigenen Theorie zu endogenisieren, aber dabei – das ist die Vermutung, die im Kontext der sozialen Netzwerke steht – auf Probleme stoßen, die sich nicht mit den Kernaussagen beider Handlungstheorien vertragen, sondern auf andere Handlungstypen verweisen. Im nächsten Abschnitt gewinnt das Thema Vertrauen und die kontrovers
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diskutierten Handlungstheorien im Kontext der kognitiven Dimension erneut an Relevanz. Angelehnt an Tsai/Ghoshal (1998) und Uzzi (1997) fungiert Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit innerhalb von sozialen Beziehungen als „a governance mechanism for embedded relationships“ (vgl. Tsai/Ghoshal 1998, S. 465, Uzzi 1997, S. 38). Dem Vertrauen ist in der muslimischen Lehre und arabischen Kultur besondere Bedeutung beigemessen. Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit sind Bestandteile des guten Benehmens (adab). Ein Vers der 7. Sure empfiehlt dieses Verhaltensweise: „Say: „The things that my Lord has indeed forbidden are: shameful deeds, wheter open or secret, sins and trespasses against true and reason, assingning of partners to Allah, for which He has given not authority; and saying things about Allah of which you have no knowledge“ (vgl. Qur’an 7:33). Auch in den unterschiedlichen Ahadith wird Vertrauen thematisiert, wie zum Beispiel hier: „Die Kennzeichen eines Heuchlers sind drei: Wenn er spricht lügt er, wenn er etwas verspricht, erfüllt er sein Versprechen nicht, und wenn ihm etwas anvertraut wird, handelt er untreu“ (vgl. Al-BuhƗryy 6095). Die Ökonomie in Dubai zeichnet sich durch Vertrauen aus; hier werden persönliche Beziehungen priorisiert, akribisch ausgefeilte Verträge sind nachrangig zu betrachten. Diese Vorgehensweise hat sowohl Nachteile als auch Vorteile. Die Nachteile bestehen darin, dass bei Formation persönlicher Beziehungen zunächst Vertrauen investiert werden muss; Vertrauen kann enttäuscht oder missbraucht werden, d.h. es sollte damit gerechnet werden, dass eine riskante „Vorleistung“ verloren gehen kann (vgl. Coleman 1988, Kahle 1995). Uzzi sieht in engen vertrauensbasierten Beziehungen eine Reduzierung der Transaktionskosten (vgl. Uzzi 1998, S. 37). Die engen Beziehungen zeichnen sich durch intensiven Informationsaustausch aus, die Weitergabe von (vor allem implizitem) Know-how trägt zum Wissenstransfer und zur Generierung von Innovation bei (Larson 1992, Romo/Schwartz 1995). Wie sollten vertrauensvolle Beziehungen aufgebaut werden? Neben dem aufwendigen Vertrauensaufbau gehen Tsai/Ghoshal (1998) auf die persönliche Reputation ein. Sie unterscheiden zwischen Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit. Während „trust an attribute of a relationship“ ist, wird Vertrauenswürdigkeit „an attribute of an individual“ verstanden (vgl.Tsai/ Ghoshal 1998, S. 466). Die Generierung von Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit setzt soziale Interaktion voraus. Je intensi183
ver Beziehungen gepflegt werden, desto eher kann Vertrauen entwickelt werden. Die interkulturelle Vielfalt in Dubai stellt zukünftigen Netzwerkpartnern eine besondere Herausforderung dar. Bei der relationalen Ebene geht es darum, kulturell unterschiedlich geprägten Netzwerken adäquat zu begegnen. Mit anderen Worten: Es ist schwierig, ein Rezept zur erfolgreichen Vernetzung zu entwickeln. Auf der anderen Seite sollte bekannt sein, dass die engmaschige Netzwerkstruktur einen umfangreichen Informationsaustausch zwischen relevanten Netzwerkteilen sicherstellt. Die engen Bindungen der Emiratis untereinander können den Vertrauensaufbauprozess beschleunigen oder auf ihn negativ einwirken. Die Minorität der Emiratis und ihre Geschichte in Stammesorganisationen bindet sie stark aneinander. Ein Vertrauensbruch wird mit weit reichenden Sanktionen betraft. Die Person, die einmal als vertrauensunwürdig gilt, wird in der Regel keine zweite Chance erhalten. Die Vorteile bestehen darin, dass einmal gewonnenes Vertrauen oder der Status der Vertrauenswürdigkeit, bei der Erkenntnisgewinnung von wirtschaftlichen Strukturen hilfreich sein können. Die Einbettung des ökonomischen Verhaltens in persönliche Beziehungen setzt wirtschaftliche Möglichkeiten frei, die über Verträge, Märkte oder Hierarchien nicht oder nur unzureichend zu erreichen wären. Es wird vermutet, dass Ehrlichkeit bzw. Betrug eher mit der Beschaffenheit persönlicher Beziehungen zusammenhängen, als mit der Organisationsform. Diese „impliziten“ Verträge sind für den ökonomischen Erfolg in Dubai essentiell. Persönliche Beziehungen fruchten, wenn ein intensiver Informationsaustausch stattfindet, Vertrauen entwickelt oder der Status der Vertrauenswürdigkeit erreicht ist. In einer vertrauensbasierten Beziehung ist die Möglichkeit des opportunistischen Verhaltens limitiert. Zur Erreichung dieser Voraussetzung sind „…social relations, rather than institutional arrangements…“ notwendig (vgl. Granovetter 1985, S. 401).
Es wäre unzureichend zu behaupten, dass zum Aufbau fruchtender persönlicher Beziehungen grundsätzlich immer ein Muster bzw. Schema zu verfolgen ist. Die Geschlechterordnung prägt die Netzwerkbeziehungen: Während Männer in den Cafés oder Hotellobbys abends zusammenkommen, ist das Vernetzungsverhalten bei den Frauen von anderer Qualität. Für die Kontaktaufnahme und Beziehungs-
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pflege zwischen Frauen sind unterschiedliche Einrichtungen vorzufinden. Beispielsweise wird die „Dubai Women Association“ oder „Dubai and UAE Businesswomen Council“ von der Regierung nicht nur in finanzieller Hinsicht gefördert. Unter der Schirmherrschaft von Frauen aus den Herrscherfamilien oder anderen wirtschaftlich/gesellschaftlich bedeutenden Familien werden solche Institutionen geführt. Aufgabe oder Ziel solcher Organisationen ist es, nicht nur Frauen in ihrer Rolle als Ehefrau oder Mutter zu unterstützten, sondern ihnen auch bei geschäftlichen Fragen und Vorhaben behilflich zu sein. Erfolgreiche Frauen wie die Vorstandsvorsitzende der „Eissa Al-Gurg Group“, Raja Al Gurg, fungieren nicht nur als Vorbild, sondern nehmen als Bindeglied zwischen der traditionellen Rolle der Frau und ihren Aufgaben in der modernen Gesellschaft eine wichtige Funktion wahr. Es ist grundsätzlich zu beachten, dass die Kontaktanbahnung zu Frauen entweder unmittelbar von Frauen forciert wird oder indirekt bzw. implizit von Männern vorangetrieben wird, d.h. eine geschlechtsübergreifende Vernetzung könnte schnell unangenehme Nebenwirkungen entfalten. Die muslimische Gesellschaft hat recht genaue Vorstellungen von geschlechtsübergreifenden Beziehungen zwischen nicht verwandten Personen. Weitere Details sind im Absatz 4.4 nachzulesen. Die Besonderheiten der muslimischarabischen Kultur müssen in Vernetzungsprozessen bedacht werden. Eine untergeordnete Rolle nimmt die Geschlechterordnung innerhalb nicht muslimischarabisch geprägter Netze ein. Aber die Relevanz dieser Kontakte wird durch unmittelbare Beziehungen zu emiratischen Geschäftspartnern in den Hintergrund gedrängt. Daher ist es sinnvoll, frühzeitig unmittelbare Kontakte zu emiratischen Geschäftspartnern aufzubauen. Wie bereits oben beschrieben, werden strategische Entscheidungen von den Einheimischen getroffen, bei größeren Vorhaben wie der Akquise eines Großprojektes ist es sinnvoll, direkte Beziehungen aufzubauen. Allerdings sollte vermieden werden, sich zu 100% auf einen einzigen Kontakt zu verlassen. Es hat sich bewährt, mehrere Beziehungen auf unterschiedlichen Hierarchiestufen einzugehen und zu pflegen. In diesem Zusammenhang ist auf die Arbeit Burts zu verweisen, der die Überbrückung zu anderen Netzen als „structural holes“ bezeichnet (vgl. Burt 2004). In Anlehnung an Burt ist es von Vorteil, nicht nur innerhalb des eigenen Netzes Beziehungen zu pflegen, sondern 185
auch den Kontakt zu anderen Netzwerken zu suchen. Die heterogenen Bindungen sind zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen notwendig. Während Granovetter die Wirkungsmächtigkeit der „weak ties“ im wirtschaftlichen Kontext hervorhebt, sieht Burt in den „structural holes“ die eigentliche Quelle der Vorteilssicherung (vgl. Burt 2004, Granovetter 1996). Die Vermutung, dass die „structural holes“ für die Diffusion bzw. Innovationsgenerierung verantwortlich sind, wird an späterer Stelle weiter forciert. Wie schon im letzten Abschnitt erwähnt, trifft die empirisch weitgehend bestätigte These Granovetters nicht auf die persönlichen Netzwerke in Dubai zu. Die „strong ties“ haben in den kulturell abgegrenzten Netzen eine ähnlich förderliche Wirkung wie die „weak ties“. Empirisch ist dieser Befund plausibel, denkt man an die intensiven Beziehungen der Angehörigen der Herrscherfamilien; die Wichtigkeit der Majlis wurde bereits erwähnt, sie sind elementarer Bestandteil des wirtschaftlichen Erfolgs. Grundsätzlich wird angenommen, dass Menschen gleicher Herkunft bzw. Religion oder Sprache Beziehungen zu Menschen ähnlicher Kultur pflegen. In Dubai ist allerdings auch ein anderes Vernetzungsverhalten zu beobachten: Um in den Genuss von wirtschaftlichen Vorteilen zu kommen, überwinden ökonomisch orientierte Emiratis offensichtlich die kulturellen Hemmnisse. Diese Form des sozialen Netzwerkverhaltens ist auf die Geschichte der Golfregion zurückzuführen. Wirtschaftliche Interessen und die Fähigkeit, kulturelle Diversität zu nutzen, geben Netzwerken neue Impulse. Diese Annahme sollte auf der kognitiven Ebene weiter geklärt werden. 5.3.3
Kognitive Ebene
Die Evidenz der Einbettung wirtschaftlicher Transaktionen in die jeweilige Kultur ist bereits in den vorherigen Abschnitten diskutiert worden. Die kognitive Ebene soll weitere Informationen bezüglich des Netzwerkverhaltens in Dubai liefern. Schein formuliert folgerichtig; „…what critical functions does culture perform for the group?” (Schein 2004, S, 87). Der Einfluss des „shared collective
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understanding“ im Kontext der Wirtschaftsstrukturen gewinnt in diesem Abschnitt an Bedeutung (vgl. DiMaggio/Zukin 1990, S. 17). Die kognitive Dimension oder Einbettung meint nicht nur die äußerlichen Verhaltensweisen, die durch die kulturellen Zugehörigkeit ausgelöst werden, sondern auch die Vorstellungen, Gefühle, Werte und Normen, die mit den äußeren Verhaltensweisen wechselweise zum Ausdruck gebracht werden. Zur Analyse komplexer Systeme, wie die der Netzwerke, ist es von Bedeutung, eine Herangehensweise zu wählen, die das Verständnis der intra- und interindividueller Wahrnehmungs- und Verständigungsprobleme in den Vordergrund stellt (vgl. Kahle 2005). Solange der Mensch Beziehungen mit Menschen eingeht, die sich so verhalten, wie er sich auch verhalten würde, ist seine Lebensweise ungefragt und selbstverständlich (vgl. Tenbruck 1990). Kognitive Unterschiede werden erst durch Interaktion mit Menschen abweichender Verhaltensweisen sichtbar. Die Existenz dieser Unterschiede ist mittlerweile auch in der Betriebswirtschaftslehre evident. Die Herausforderung besteht darin, diese Diversität zu erkennen und das dahinter gelagerte System zu verstehen. In den Schnittpunkten unterschiedlicher Netze ist die Chance am größten, Innovationen zu generieren und auf diesem Wege langfristige Wettbewerbsvorteile zu sichern. Um den einzigartigen Wirtschaftsboom in Dubai erklären zu können, ist dieser Vorteil im Kontext der kognitiven Dimension zu sehen. Die Heterogenität spiegelt eine Gesellschaft wider, die sich kaum durch eine gemeinsame Kultur auszeichnet. Die strategisch durchdachten Kontakte mit möglichst vielen Menschen, wie die internationale Rekrutierung zeigt, sind im hohen Maße für diese Entwicklung verantwortlich. Die Emiratis scheuen sich nicht, Menschen mit fremdem kulturellem Hintergrund in die Wirtschaftsprozesse einzubinden. Während die Nachbarn in Saudi Arabien oder Kuwait erst neuerdings über Freihandelszonen und Technologieparks nachdenken, bietet Dubai ausländischen Investoren und Expatriats ein sicheres Umfeld und die Freiheit, ihre persönliche Kultur auszuleben. In Anlehnung an die vorherigen Aussagen ist die Kombination unterschiedlicher Kulturen ein erheblicher Faktor in der Ökonomie Dubais. Die persönliche Vernetzung ist ein Weg, interkulturelle Beziehungen zu knüpfen und so neu zu kom187
binieren, damit viele „Schnittpunkte sozialer Kreise“ entstehen (vgl. Simmel 1984, Burt 1992). Der bisherige Befund räumt den sozialen Netzwerken eine hohe Bedeutung ein. Sie sind ein wesentliches Merkmal der lokalen Wirtschaftsstrukturen und ihre Wirkungsmächtigkeit ist im Sinne von Erfolgserzielung oder -erreichung und Sicherung von Wettbewerbsvorteilen nicht von der Hand zu weisen. In der konventionellen Wirtschaftstheorie wird die Bedeutung der Kultur stark unterschätzt, wenn es darum geht, Unterschiede zwischen Gesellschaften mit ähnlicher Ressourcenausstattung zu erklären. Daher sind Fragen zu klären, welche Faktoren das Netzwerkverhalten in einer der kosmopolitischsten Städte der Welt beeinflussen. Unter welchen Voraussetzungen werden persönliche Beziehungen, im Sinne des sozialen Kapitals, aufgebaut? Wie werden unterschiedliche Werte und Normen in gemeinsame ökonomische Ziele integriert? Welche Rolle übernimmt die kognitive Dimension im Sinne „…a shared code or a shared paradigm that facilitates a common understanding of collective goals and a proper way of acting in a social system“ (vgl. Tsai/Ghoshal 1998, S. 465). In seiner ursprünglichen Bedeutung kommt der Begriff der “cognitive maps” der Begrifflichkeit der kognitiven Ebene sehr nahe. Demnach ist „…der Begriff der 'cognitive maps' die metaphorische Beschreibung des Weltbildes, das das jeweilig betrachtete Individuum in seinem Kopf hat“ (vgl. Kahle 1996, S. 2). Die kulturelle Prägung ist zwar nicht „…a once – for – all influence but an ongoing process, continuously constructed and reconstructed by interaction“ (vgl. Granovetter 1985, S. 486). Mit dieser These unterbindet Granovetter eine Überdimensionierung des Faktors Kultur, um eine „over-socialized“ Terminologie zu vermeiden. Die Grundaussage dieser Arbeit basiert auf der Kopplung von Kultur und Wirtschaft. Diese wechselseitige Beziehung führt wahrscheinlich zu einer neuen Wirtschaftskultur in der Arabischen Welt. Wie schafft Dubai es, mit der extrem heterogen kulturellen Umwelt eine wirtschaftliche Performance darzulegen, die nicht nur auf die unmittelbaren Nachbarn imitierwürdig wirkt? Bei der Analyse der strukturellen und relationalen Ebene wurde bereits auf die Zweistufigkeit der persönlichen Netze hingewiesen. Bei der kognitiven Dimension wird diese Vorgehensweise weiter forciert und die
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Gründe für das Netzwerkverhalten aufgezeigt. Die Arten und Formen der persönlichen Beziehung wechseln mit der Kultur und der jeweiligen sozialen Gruppe. Dieses Prinzip ist in der arabischen Welt als „wasta“ bekannt (vgl. Huchting/ Weier 2006, Metcalfe 2006). Die Emiratis bilden untereinander Netze, die in der Regel auf dem Verwandtschaftssystem basieren. Uneingeschränktes Vertrauen, Unterstützung und Reziprozität sind wichtige Merkmale der Netzwerke. Diese Bindungen gehen auf die sozialen Strukturen der Gesellschaft zurück. Die persönlichen Beziehungen waren für das Beduinentum badi’a lebensnotwendig. Diese Beziehungen nehmen in der Gesellschaft heute noch eine wichtige Funktion wahr; sie sind in strategischer Sicht für die wirtschaftliche Entwicklung verantwortlich. Kulturell anders geprägte Netze, wie europäisch, indisch oder nordafrikanisch geprägte Netze, zeigen eine Vielzahl von Merkmalen, die im Kontext der jeweiligen Kultur zu sehen sind. Unabhängig von der Kultur, sind direkte Beziehungen für die Struktur der Gesellschaft wichtig (vgl. Tenbruck 1990, S. 230). Sie sind in Dubai etwas Besonderes, weil sie die kulturellen Barrieren partiell überwinden und somit das Kreativitätsund Innovationspotential erhöhen. Persönliche Beziehungen durchbrechen die ursprünglichen Grenzen und zeigen neue Formen von Verbindungen, die über das Verwandtschaftssystem hinausgehen. Diese Bindungen haben sich zum wichtigen Kriterium der Gesellschaft und Wirtschaft herausgebildet. Die Emiratis, insbesonde die Führungelite Dubais, haben erkannt, dass zur Implementierung von Visionen vernetzte Kompetenzen notwendig sind. Die Visionen geben die strategische Richtung vor – das „Feintuning“ und die Operationalisierung werden durch internationale Teams vorgenommen. Die Form der Arbeitsteilung ist vorgegeben, empirische Befunde belegen, dass die Emiratis sich „die Zügel“ nicht gerne aus der Hand nehmen lassen. An späterer Stelle wird dieser Aspekt weiter diskutiert werden. Die Magnetwirkung Dubais ist unter anderem auf der Offenheit der Emiratis gegenüber fremden Kulturen gegründet. Nirgendwo auf der arabischen Halbinsel wird die individuelle Freiheit so ausgelebt wie in Dubai. Menschen anderer kultureller Prägung müssen sich der Durchdringungskraft der muslimischen Religion in allen Lebensbereichen bewusst sein. Die Emiratis erwarten Verständnis für 189
ihre Kultur und Lebensweise. Wer die kulturellen Grundlagen in Dubai nicht kennt, sollte es vermeiden, geschäftliche Aktivitäten dort aufzunehmen. Bedingt durch die engen und dauerhaften Beziehungen wird der Faktor Kultur immer eine Rolle spielen. Wie bereits oben erwähnt, sind die Grenzen des Privaten und des Geschäftlichen verschwommen. Zum Beispiel werden geschäftliche Partner auch ins private Haus eingeladen, eine Vorgehensweise, die im westlichen Kulturraum kaum vorkommt. In der weiteren Diskussion wird nicht erneut auf die kulturellen Unterschiede der Kulturen eingegangen, nennenswert ist an dieser Stelle, dass die kulturellen Unterschiede sowohl die persönlichen, als auch die ökonomischen Prozesse stark determinieren. Es ist angebracht zu diskutieren, wie das heterogene Kulturumfeld durch Ideen, Visionen und Leitbilder einen gemeinsamen Nenner findet. Es ist nicht erstrebenswert, durch Assimilierung einen Einheitsbrei der Kulturen zu produzieren. Die Findung eines gemeinsamen Wertesystems in allen Lebensbereichen wird in Dubai nicht angestrebt. Die häufige und intensive Interaktion innerhalb der persönlichen Netzwerke unterschiedlich kulturell geprägter Menschen „plays a critical role both in shaping a common set of goals and values ….“ (vgl. Tsai/Ghoshal 1998, S. 466).
Auf der einen Seite sind persönliche Netzwerke unterschiedlicher Strukturen und kognitiver Einbettungen vorzufinden, auf der anderen Seite ist ein gewisses Maß an gemeinsamen kulturellen Grundlagen notwendig, um gesellschaftliche und wirtschaftliche Prozesse positiv zu beeinflussen. Die wichtige Frage in diesem Kontext lautet: Wie ist ein Konsens zu erzielen? Wie kann eine gemeinsame kulturelle Basis erarbeitet werden? Die kognitive Dimension ist eine weitere Ebene, an der dieses Konzept mit der Wirkung anderer Ansätze Anwendung findet. Die relationale Ebene hat gezeigt, dass ethnisch/kulturell homogene Netze durch starke Bindungen gekennzeichnet sind und schwache Bindungen bei heterogenen Netzwerken vorkommen. Beide Formen der Beziehungen sind für wirtschaftliche Prozesse von Bedeutung. Die starken Bindungen und die daraus resultierende uneingeschränkte Solidarität haben ihren Ursprung in der muslimischen Religion. Aber nicht alle Teile der muslimischen Welt definieren ihr Selbstverständnis nach der „Umma“. Die Umma ist als die Gemeinschaft aller Muslime zu verstehen, die Blutsverwandtschaft in
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den Hintergrund treten lässt. Das Konzept der Umma geht auf die Lebenszeit des Propheten Mohammed zurück. Das Verständnis der Umma ist für „…the evolution, characteristic, and the significance of groups in organizations” notwendig (vgl. Ali 2005, S. 74). Die Emiratis fühlen sich zwar ihrer Ethnie verbunden, sie wissen aber auch, dass eine Gesellschaft “could not survive if it is based on customary blood relations and tribal identity“ (vgl. Kavoossi 2001, S. 51). Die interkulturellen Beziehungen gehen auf eine historische Tradition zurück. Die Seidenstraße verband vor 2000 Jahren die Arabische Welt mit Nordost-Asien. „The Silk Road existed as a conduit between East and Middle East before Europe has cleared its forests“ (vgl. Hutchings/ Weyer 2006, S. 2). Nach der Islamisierung der Golfregion haben die interkulturellen Handelsbeziehungen weiterhin das gesellschaftliche Bild geprägt. Der frühmuslimische Gedanke alle Muslime – unabhängig ihrer nationalen Herkunft in ein Gesamtnetzwerk zusammenzufassen – trifft in Dubai nicht zu. Zielgerichtet an gesellschaftliche und ökonomische Progression werden Bindungen zu allen Kulturen gepflegt. Beispielsweise sind die Beziehungen zu den muslimischen Bauarbeitern wesentlich schwächer ausgeprägt als die Bindungen zum europäischen Management. Dieser Ansatz, der auf der gesamten arabischen Halbinsel zu beobachten ist, wird am intensivsten in Dubai ausgelebt. Er hat einen enormen Einfluss auf die erfolgreiche Entwicklung des Emirates. Die Austauschbeziehungen möglichst vieler Partner mit unterschiedlicher Intensität sind ein fruchtender Boden erfolgreicher Gesellschaften. Es können folgende Grundaussagen getroffen werden: Starke Bindungen sind für die familienbasierten Netzwerke charakteristisch. Es ist äußerst schwierig für Ausländer, in die Netzwerke der „Elite“ aufgenommen zu werden. Die Untersuchungen der Unternehmensnetzwerke und des Dubai-Netzwerks werden zeigen, dass wichtige strategische Entscheidungen in diesen Netzen getroffen werden. Die Nachteile der Netze, die kulturell eher homogen ausgeprägt sind, sind bereits oben aufgeführt. Die notwendige Ergänzung der starken Beziehungen bilden die „weak ties“, die weniger redundant sind und neue Informationen liefern. Da sie sind in der Lage sind, auch große Distanzen zu überbrücken, sind sie für Arbeitsteilung, Diffusions- und Innovationsprozesse von großer Bedeutung, denn sie vermitteln ver-
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schiedenartige und auch neue Informationen. Die kulturelle Prägung des Netzwerkpartners spielt bei schwachen Bindungen eine eher untergeordnete Rolle. Das Geheimnis des Erfolges liegt darin, Ressourcen zu bündeln und Netze so zu knüpfen, dass optimale Ergebnisse erreicht werden können. Durch Verhandlung und Konsensfindung können kulturelle Barrieren abgebaut und fruchtende Beziehungen aufgebaut werden. Während viele Autoren Vertrauen als Koordinierungsmechanismus innerhalb von Netzwerken charakterisieren (vgl. Fischer 2001, Kahle 1997, Sydow 1992, Schein 2004, Tsai/Ghoshal 1999),
vermuten andere Autoren wie Abel oder Maynatz, dass Verhandlungen als Steuerungsinstrument zur Stabilität von Netzwerken beitragen können (vgl. Abel 2000, Maynatz). Neben Reziprozität und Vertrauen ist Verhandlung als ein weiteres Koordinierungselement in der Netzwerkdiskussion relevant. Dieser Gedanke liefert einen wichtigen Beitrag zur Untersuchung der persönlichen Netzwerke in Dubai. Die Idee der Verhandlung zur Erzielung von Konsens ist in Netzwerken im Zusammenhang mit Visionen und Leitbildern zu sehen (vgl. Abel 2000).
Die Wirksamkeit von Visionen bei der Genese und Stabilisierung von Netzwerken und der Erreichung von Konsens ist ein weiterer Gedanke innerhalb der Netzwerkdebatte. Die These lautet, dass Visionen die Genese eines kulturell heterogenen Netzwerkes erleichtern (aber nicht garantieren), da sie einen gemeinsamen Bezugspunkt, der quasi jenseits der Partikularinteressen liegt, für die Akteure mit ihren Interessen und Zielen bereitstellen. Shaikh Mohammeds Visionen der zukünftigen Entwicklung Dubais erfüllen die Voraussetzungen der Funktion des Leitbildes. Seine klar definierten Visionen für Dubai sind als Bezugspunkt jedes Netzwerkpartners zu sehen. Jeder – unabhängig seiner kulturellen Prägung – steuert seinen Teil dem Netzwerk bei. Die Devise lautet: Das Potenzial der Visionen nutzen, um aus der Diversität das Maximale zu schöpfen. An anderer Stelle wird aufgezeigt werden, wie sich kulturelle Heterogenität bei der Arbeitsteilung, Diffusion und Innovation innerhalb von Netzwerken positiv entfalten kann.
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5.3.4
Zusammenfassung
Die drei Ebenen der persönlichen Beziehungen sollten einen ersten Beitrag zum sich neu formierenden Netzwerktypus in Dubai beitragen. Erste Erkenntnisse wurden gewonnen, inwiefern Dubai mit seinen wirtschaftlichen Strukturen eine Pionierrolle in der arabischen Welt einnimmt. Persönliche Netzwerke nehmen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Strukturen eine wichtige Position ein. Wie ist der Befund zu erklären? Ist die Antwort nur in der Kultur zu suchen oder sind weitere Möglichkeiten denkbar? Die Vorgehensweise, die Netzwerkdiskussion mit den persönlichen Netzen zu beginnen, ist keine konventionelle Methode, denn betriebswirtschaftlich basierte Arbeiten fokussieren in der Regel das Gebilde der Unternehmensnetzwerke. Die muslimisch-arabische Kultur verlangt eine abweichende Vorgehensweise, der Rechnung getragen wird. Denn „the Arab concept of friendship, with its rights and duties, is quite different from that in the West” (vgl. Nydell 2006, S. 17). In den vorherigen Abschnitten stand das Netzwerkverhalten unterschiedlicher Akteure im Vordergrund. Coleman hat in seinem Aufsatz zu Sozialtheorie und Sozialforschung beklagt, dass mit dem Durchbruch der empirischen Forschung in der Soziologie ein Wechsel der Theorieperspektive von makrosoziologischen hin zu individualistisch-behavioristischen Fragestellungen verbunden war. Aber nicht das Verhalten eines Individuums, sondern das Verhalten von zusammengesetzten Einheiten wie Organisationen oder Gemeinden sei die zentrale Aufgabe der Soziologie (vgl. Coleman 1986). Der Aussage ist im begrenzten Maße zuzustimmen: Zwar genießen gesamtgesellschaftliche Fragen mehr Anerkennung, aber gesellschaftliche Prozesse sind immer das Ergebnis des individuellen Handelns. Die Diskussion der persönlichen Netze zielte auf ein Konsens, das individuelle Verhalten – eingebettet in die jeweilige Kultur – ist als ein Bestandteil der Gesellschaft begriffen worden. Auch stand nicht die mikro- bzw. makrosoziologische Debatte im Zentrum der Betrachtung, sondern die soziale Interaktion, die sich auf wirtschaftliche Transaktionen und die darin enthaltene ökonomische Rationalität auswirkt. Letztendlich lassen sich in der Soziologie einige brauchbare Ansätze finden, die sich auf die Beziehungen unterschiedlicher Akteure beziehen. Um eine Blickverengung, die aus der Institutionsökonomie be193
kannt ist, zu vermeiden, bedient sich die Soziologie weiterer Handlungstypen, um gesellschaftliche Prozesse zu erfassen (vgl. Weyer 2000). Häufig werden normwertorientierte, kommunikative, strategische oder solidarische Handlungstypen zur Erklärung komplexer gesellschaftlicher Wirklichkeiten herangezogen. Neben dieser Vorgehensweise existiert eine Fülle von Ansätzen, die sich mit dem Phänomen Gesellschaft beschäftigt: Emile Durkheim hat die Gesellschaft als ein Konzept verstanden, welches sich (ähnlich den Naturgesetzen) in ein System einordnen lässt (vgl. Tenbruck 1990). Abel (2000), Burt (1992) und Weyer (2000) beziehen sich beispielsweise in ihren Arbeiten auf das soziale Kapital, wenn es um Gesellschaft und menschliches Verhalten geht, während Fukuyama (1997) von spontaner Soziabilität spricht. Um hier eine Verwirrung zu vermeiden und den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, ist die zentrale Fragestellung deutlich abgegrenzt. Es geht darum, geeignete Instrumentarien zu finden, die ein Verständnis von persönlichen Beziehungen und ihrem Einfluss auf ökonomische Prozesse erzeugen. Im Blickfeld steht die Kontextgebundenheit menschlichen Handelns und die Konsequenz, die sich aus den Handeln erwachsenden emergenten Effekten ergibt. Die unterschiedlichen Dimensionen zeichnen ein Bild, welches an sich recht komplex ist: Zum einen existieren unterschiedlich kulturell geprägte Netzwerke parallel (beispielsweise pflegen die Inder Kontakte zu Indern oder Briten zu Briten usw.), zum anderen kommen auch große Netze vor, die durch Diversität gekennzeichnet sind. Die strukturelle Ebene hat deutlich gemacht, dass viele Netzwerkformen und -arten nebeneinander existieren und teilweise miteinander verflochten sind. Die persönlichen Vernetzungen, die kulturelle Barrieren überwinden, sind in der Tat eine neue Form von Gesellschaftstypus in der arabischen Welt. Sowohl die Nordafrikaner als auch die Araber auf der arabischen Halbinsel scheuen sich überwiegend vor Beziehungen mit Menschen anderer kultureller Prägung. Dubai zeigt anhand seines einzigartigen Wirtschaftsbooms, dass das Erreichen von ökonomischen Zielen im Kontext der internationalen/interkulturellen Kooperation zu sehen ist.
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Die unterschiedlichen Netzwerktypologien, die Beziehungen innerhalb solcher Netze und der Einfluss des Faktors Kultur wurden bereits diskutiert. Um Redundanzen zu vermeiden, wird von einer allgemeinen Zusammenfassung des bereits Beschriebenen abgesehen. Die Funktion und Rolle der persönlichen Netzwerke in Dubai haben gezeigt, dass gerade diese Netze für die Existenz und Evolution gesellschaftlichen Wandels und wirtschaftlichem Wachstum von großer Bedeutung sind.
A.
Wechselwirkung persönlicher Vernetzung
Ausgangspunkt dieser Arbeit ist die Fragestellung, warum Dubai im Vergleich zu seinen benachbarten Ländern (mit ähnlicher Ressourcenausstattung) erfolgreicher ist und ob es sich um einen neuen wirtschaftskulturellen Typus handelt. In diesem Zusammenhang wird vermutet, dass soziale Netze als geeignete Erfolgstreiber dienlich sein können. Im Folgenden wird die hohe Bedeutung der Vernetzungen und der Verankerung persönlicher Netze auf den anhaltenden Erfolg Dubais überprüft. Es wird deutlich, dass die unterschiedlichen Facetten und Faktoren wesentlich für den Wirtschaftsboom sind. Im ersten Schritt sollten die drei Dimensionen der Einbettung persönlicher Netze diskutiert werden, d.h. wie die verschiedenen Ebenen in wechselseitiger Interaktion welche Konsequenz für das Netzwerk darstellen. Angelehnt an die Arbeit Bounckens (2003) ist im zweiten Schritt zu überprüfen, inwieweit persönliche Vernetzung unterschiedliche Funktionen wahrnimmt und weitere Prozesse anstößt. Die Merkmale des Netzwerkes ergeben sich aus diversen Verbindungen innerhalb der drei Dimensionen. Die angeführten Merkmale entfalten ihre Wirkung auf verschiedene Art und Weise innerhalb der persönlichen Netzwerke. Die Dichte und der Grad an Heterogenität stehen in einem engen Verhältnis zur relationalen Ebene. Die weniger dichten Vernetzungen sind durch hohe Diversität gekennzeichnet, das Koordinierungsinstrument basiert auf Vertrauen, Visionen und Leitbildern, die Qualität der Beziehung unterscheidet sich von homogenen Netzen. Zum Vertrauensaufbau wird mehr Zeit in Anspruch genommen, die Frequenz der Interaktionen ist zwar häufig, aber sie weist eine abweichende Intensi-
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tät auf. In kulturell homogenen Netzen ist von einer kürzeren Phase der Vertrauensentwicklung auszugehen, auch hier sind die Interaktionen häufig und Beziehungen sind durch eine hohe Intensität gekennzeichnet. Die relationale Ebene hat noch einmal die Funktion des Faktors Vertrauen verdeutlicht, die notwendige physische Präsenz bei Interaktionen führt zu stabilen und dauerhaften Bindungen. Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit koordinieren zum Beispiel Ein- und Austrittsregeln. Die implizite Ansprache ist für westlich geprägte Menschen eher von Nachteil. Sie kennen die direkte Kommunikation, in der alle Belange explizit artikuliert und besprochen werden können. Anders ist es in den muslimischarabisch dominierten Netzen; hier werden viele Sachverhalte durch eine implizite Kommunikation geklärt. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Rolle eines „Maklers“ hinzuweisen. Die Benennung einer Person als Vermittler ist in der gesamten arabischen Welt verbreitet. Beispielsweise wird oft vermieden, eine angesehene oder einflussreiche Person direkt anzusprechen. Es kann sich von Vorteil erweisen, jemanden zu finden, der dieser Person in irgendeiner Form nahe steht (auf arabisch heißt diese Vorgehensweise „wasta“). Dieses Verhalten ist insbesondere bei großen und heterogenen Netzen zu beobachten. Das Vorhandensein des „Maklers“ entspricht in einigen Bereichen Burts „structural holes“ (vgl. Burt 1992). Anders als in den anderen arabischen Ländern, werden zu Gunsten von ökonomischen und gesellschaftlichen Vorteilen „Schnittmengen“ aus unterschiedlichen kulturellen Vernetzungen gebildet. Die kognitive Ebene ist zwar in erster Linie durch die hohe Diversität eine Herausforderung für jegliche Art von Vernetzungsambition, aber bei richtiger Vorgehensweise kann die kulturelle Vielfalt sich als fruchtbarer Boden erweisen. Trotz kultureller Vielfalt existieren gemeinsame Werte, die ein faires Miteinader ermöglichen; diese haben „a significant effect on economic exchange“ (vgl. Ring/Van de Ven 1994, S. 94). Neben dem Kodex von Fairness sind die Fixierung und Vorgaben von Visionen und Leitbildern als bindende Elemente wichtig. Letztendlich basieren die kognitive, strukturelle und relationale Dimension auf der Wirkung von Leitbildern und Visionen.
196
B.
Wirkungsmächtigkeit persönlicher Vernetzungen
Der nächste Schritt besteht darin aufzuzeigen, welche Prozesse zwecks Erreichung von ökonomischen Zielen angestoßen werden. Der soziale Wandel setzt Sensibilität und Offenheit für Innovationen voraus. Zusätzlich ist es notwendig, „Eingelebtheit“ (vgl. Weber 1980) oder „mechanische Solidarität“ (vgl. Durkheim 1999), die bei Menschen gleicher kultureller Prägung vorkommt, zu vermeiden. Die Bereitschaft zur Arbeitsteilung, Wissensgenerierung und Innovation reduziert die Macht von Tradition und Gewohnheit (vgl. Durkheim 1999). Dieses Verhalten sei laut Tenbruck ein Zeichen der Moderne (vgl. Tenbruck 1990). Trotz dieses Wandels ist aber nicht zu verkennen, dass die muslimisch-arabische Kultur sich wie ein roter Faden durch sämtliche Lebensbereiche zieht. Der Unterschied zu persönlichen Beziehungen in den arabischen Ländern besteht darin, dass interkulturelle Beziehungen in der Geschichte des Islams schon immer eine Rolle gespielt haben und zum Zwecke von Wohlstand und Progression kulturell inhomogene Bindungen gepflegt werden. Im nächsten Schritt ist nun zu überprüfen, welche Wirkung die Vernetzungsstrategie in Dubai entfaltet. Die oben beschriebenen persönlichen Netzwerke bilden das Fundament solcher Prozesse, auf die weitere Prozesse aufgebaut sind. Die grundlegenden Formen der persönlichen Vernetzung führen in einem sozial-ökonomischen Kontext zur Entwicklung dreier Arten von erfolgsträchtigen Prozessen (vgl. Bouncken 2003): 1.
Der integrierten Arbeitsteilung in persönlichen Vernetzungen
2.
Der Diffusion
3.
Der gemeinsamen Neukonstruktion
Während der Referenzpunkt bei Bouncken auf organisationalen Kompetenzen lastet, beziehen sich die oben aufgeführten möglichen Prozesse in dieser Arbeit auf die persönlichen Vernetzungen. Zu 1: Die integrierte Arbeitsteilung hat einen historischen Ursprung. Im Zeitalter der Stammesorganisationen, in dem eine hohe Identifikation durch die gemeinsame Gruppenzugehörigkeit und Kultur vorzufinden war, waren einzelne Aufgaben und Funktionen per se vorgeschrieben. Gewiss spielte sich das Leben auch
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hier in relativ stabilen, dauerhaften und nicht gegeneinander abgedichteten sozialen Beziehungen und Gruppen ab. Es wurden allerdings auch stammesübergreifende Handelsbeziehungen gepflegt. Das Leben miteinander war geprägt durch „...lines of personal relationship, relationships moderated by family and birth“ (vgl. Hutchings 200, S. 54). Das Lokalitätsprinzip begrenzte die Möglichkeiten und die Formen des Austausches im erheblichen Maße. Dennoch war ein Bestreben nach Wohlstand und Fortschritt im Fischerdorf Dubai durch überregionale Austauschprozesse gekennzeichnet (vgl. Whiteoak/Crawford/Mapstone 2006). Beispielsweise wurden soziale und wirtschaftliche Kontakte zu anderen Stämmen gepflegt, der Handel mit Perlen wurde auf internationalem Level forciert. Die historische Schwelle der Ortsgebundenheit wurde endgültig Ende der Fünfziger Jahre (1958) mit der Entdeckung des Erdöls überwunden. Der gesellschaftliche Fortschritt im Sinne einer Erhöhung der Arbeitsteilung, die eine Fortentwicklung an sich bedeutet, nahm eine Form an, die eine wichtige Innovation für die Arabische Welt bedeutete. Die relative Autarkie des Beduinendaseins war somit aufgehoben und der Weg für neue Arten und Formen von sozialen Beziehungen geebnet. Bevor Wohlstand geschaffen werden kann, müssen Menschen lernen zusammenzuarbeiten; wenn weitere Fortschritte erzielt werden sollen, müssen neue Prinzipien der Arbeitsteilung und Organisationsformen entwickelt werden. Die Arbeitsteiligkeit verhindert, dass alle Netzwerkpartner alles wissen müssen und können. Das Wissen der unterschiedlichen Partner wird in das Netzwerk integriert. Der Zugriff auf die benötigte Ressource setzt allerdings eine Anschlussfähigkeit voraus (vgl. Bouncken 2003, S. 113). Die kulturelle Diversität und Interdisziplinarität trägt im erheblichen Umfang zur Funktion von effizienter Arbeitsteilung im Netzwerk bei. Die Facetten und Perspektiven sind bereits diskutiert worden, es ist noch zu erklären, wie die Arbeitsteiligkeit innerhalb persönlicher Vernetzungen koordiniert wird. Der Systemansatz ist zur Klärung des Sachverhaltes gut geeignet. Die persönlichen Netze sind nicht als isolierte Konstellationen ohne jeglichen Referenzpunkt zu betrachten. Persönliche Netzwerke, Unternehmensnetzwerke und die Rolle als fokales Element sind als ein Konglomerat zu verstehen, das sich auf einen ähnlichen Referenzrahmen bezieht. Die Arbeitsteiligkeit ist also eine Folge der strategischen Planung. Die Diversifizierungspolitik der gesamten Arabischen Emirate, insbesondere Dubais, mit dem Bestreben 198
nach einer weitgehenden Öl-Unabhängigkeit führte Menschen unterschiedlicher Nationen und Professionen zusammen. Es ist zu beobachten, dass die Arbeitsteiligkeit bei kulturell homogenen Netzen weniger ausgeprägt ist als bei heterogenen Netzwerken. Die Aufgabe dieser Netze besteht darin, die Zukunft Dubais strategisch zu planen. Für den wirtschaftlichen Prozess sind große heterogene Netzwerke von hohem Stellenwert. Im Zusammenhang mit Unternehmensnetzwerken ist dem Faktor Arbeitsteiligkeit mehr Bedeutung zuzuschreiben. Zu 2: Die Diffusion von Lernen geht mit der Aufnahme und Teilung bestimmten Wissens einher. Damit ist eine Teilung und Weitergabe von Wissen möglich. Nicht alle Personen im Netzwerk müssen alles erfinden, sondern können von anderen lernen. Die individuelle Weiterentwicklung von vorhandenem Wissen im Netzwerk verbessert die Nutzung von Wissen (vgl. Bouncken 2003, S. 113). Dieser Prozess geht ebenfalls auf die kulturelle Vielfalt in Dubai zurück. Die Emiratis sind eine junge Nation, die noch in vielen Bereichen Nachholbedarf verspürt. Die vielfältigen, intensiven und dauerhaften Bindungen üben eine wechselseitige Wirkung auf die Diffusion von Lernprozessen aus. Die persönlichen Vernetzungen sind vom heterogenen Wissen einzelner Partner geprägt. Menschen unterschiedlicher Nationen bringen voneinander abweichendes Wissen in das Netzwerk ein. Dieser Tatsache sind sich die Emiratis bewusst; ihre internationale Rekrutierungspolitik ist ein Beleg des wohl überlegten und strategisch geplanten Beitrags zur Wissensdiffusion. Persönliche Bindungen, geprägt durch häufige Interaktion und Informationsaustausch, bieten einen guten Nährboden für Wissensgenerierung und -verteilung. Gerade der persönliche, informelle Charakter dieser Interaktionen führt zu positiven Entwicklungen. Informationsaustausch und Wissensverteilung finden nicht nur während der Arbeitszeit mit den unmittelbaren Kollegen statt, sondern auch im privaten Rahmen. Es ist durchaus üblich, dass berufliche Fragestellungen mit Freunden in der Freizeit diskutiert werden. Dieses Verhalten führt zu einer Vielzahl von positiven Effekten. Zu 3: Durch eine gemeinsame Neukonstruktion von mentalen Modellen und Handlungsschemata kann neues, spezifisches Wissen im Netzwerk entstehen. Bei der gemeinsamen Neukonstruktion handelt es sich um einen komplexen Sachverhalt, der verschiedene Faktoren und ihre Wechselwirkung umfasst (vgl.
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Bouncken 2003, S. 113).
Dieser Prozess ist wahrscheinlich die wichtigste Aufgabe der Netzwerke Dubais. Diese Entwicklung beruht nicht auf der Einzelleistung des Einzelnen, sondern sie ist das Gesamtergebnis einer wandlungsfähigen und -willigen Gesellschaft. In diesem Sinne sind Innovationsprozesse der gesellschaftlichen Neuorientierung zu verstehen. Die kollektivistisch geprägte arabische Gesellschaft (vgl. Hofstede 1992, Trompenaars 1993) wirkt sich positiv auf Innovationsprozesse aus, da sie im Allgemeinen auf das Wohl der Gesamtgesellschaft abzielt, inem sie Neuerungen, im Sinne von Besserungen, für große Teile des Netzwerkes befürwortet. Nicht das Wohl des Individuums steht an erster Stelle, sondern das Allgemeinwohl. Das Bewusstsein, dass möglichst viele von der Innovation profitieren werden, begünstigt diesen Prozess. Die Angst vor opportunistischem Verhalten wird weitgehend reduziert, weil viele Netzwerkpartner von der Neuerung profitieren werden. Ähnlich wie bei den anderen Entwicklungen, genießt die Heterogenität der Netzwerkpartner eine hohe Bedeutung. Innovationsprozesse und der Wille und Mut, immer weitere Ideen zu entwickeln, werden in allen Bereichen des Lebens forciert. Grundsätzlich werden neue Ideen von den Einheimischen, vor allem von der Führungselite, generiert; die Weiterentwicklung und Ausführung wird von den vielen kulturell inhomogenen Expatriats übernommen. Die kurze Skizze der drei unterschiedlichen Prozesse, die im Kern in den persönlichen Netzwerken entwickelt werden, beeindrucken auf vielfältige Weise. Die glanzvollen Leistungen Dubais würden ohne die sozialen Vernetzungen und ihre Wirkungen auf wirtschaftskulturelle Strukturen verblassen. Im nächsten Teilabschnitt werden die Unternehmensnetzwerke im Zentrum der Diskussion stehen. Die Thematisierung der Unternehmensnetzwerke ist im Kontext der Frage zu sehen, ob Dubai sich zu einem neuen wirtschaftskulturellen Typus in der arabischen Welt entwickeln wird.
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5.4
Unternehmensnetzwerke
In den vorherigen Abschnitten wurde aufgezeigt, welche Bedeutung den persönlichen Netzwerken im wirtschaftlichen Kontext beizumessen ist. Die Hypothese, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen interpersoneller Vernetzung und wirtschaftlichen Strukturen gibt, wurde bestätigt. Auch Nydell vertritt die Auffassung, dass „a good personal relationship is the most important single factor in doing business successfully with arabs” (vgl. Nydell 2006, S. 22). Im nächsten Schritt ist es notwendig, den Fokus auf die intra- und interorganisationalen Unternehmensnetzwerke zu richten. Diese sollen zur Lösung der Fragestellung beitragen, welche Faktoren den Erfolg in Netzwerken beeinflussen. Ähnlich wie viele andere Begriffe dieser Arbeit, wird auch der Begriff der Unternehmensnetzwerke mit einer Vielzahl von Bedeutungen assoziiert. Sowohl in der deutschen als auch in der angelsächsischen Literatur, existiert eine Fülle von Beitragen zur Netzwerkforschung. Manchmal entsteht der Eindruck, als ob nahezu jedes empirisches Phänomen mittlerweile mit der „Netzwerkbrille“ betrachtet wird (vgl. Weyer 2000). Der allgemeine Referenzrahmen stimmt überwiegend überein, im Detail herrscht allerdings Dissens. Der hier verwendete Netzwerkbegriff bezieht sich nicht ausschließlich auf die interorganisationalen Organisationen, die Austauschbeziehungen zwischen einzelnen Unternehmensbereichen also; die intraorganisationalen Netzwerke werden ebenfalls Gegenstand der Betrachtung. In der aktuellen Diskussion scheint sich der Begriff des Netzwerkes als Sammelbegriff zu etablieren. Insbesondere die Unternehmensnetzwerke scheinen sich in der Flut der Veröffentlichungen als der Kern der neuen Ökonomie konstituiert zu haben (vgl. Staber 2002). Allzu oft werden die Vorzüge der unterschiedlichen Kooperationen heraufbeschworen und die Nachteile ausgeblendet. Aktuelle Geschehnisse, wie die Auflösung der einst als „Hochzeit im Himmel“ propagierten Kooperation zwischen Daimler Benz und Chrysler zeigen, dass der Erfolg einer Zusammenarbeit nicht ex ante bestimmt werden kann. Forscher und Praktiker müssen sich der Gefahr bewusst sein, dass politische Verteilungskonflikte, Pfadabhängigkeiten und kulturelle Diversität zu Spannungen führen können. Im 201
Allgemeinen ist Netzwerkforschung ein interessantes Phänomen – sowohl in der Ökonomie als auch in den Rechtswissenschaften und in den Sozialwissenschaften. Granovetter leistete mit seiner „embedded Theorie“ einen wichtigen Beitrag zur Verbindung der Betriebswirtschaftslehre und der Soziologie (vgl. Granovetter 1985, 2001, Gulati 1998, Nohria/Gulati 1996). Durch ihre ökonomisch orientierte Handlung und Zielvorstellung ist die Einordnung der Unternehmensnetzwerke mit weniger Problemen behaftet als die Untersuchung der persönlichen Netzwerke. Analog zu der allgemeinen Netzwerkforschung ist auch an dieser Stelle keine genaue Begriffsdefinition vorzufinden. Im Rahmen dieser Arbeit soll auch hier weitgehend auf eine breite theoretische Diskussion um den Netzwerkbegriff verzichtet werden. Ziel ist es viel-mehr, die Kernaussagen der vorliegenden Befunde auf die besondere Situation der Netzwerkbildung in Dubai zu übertragen und die Konsequenz hinsichtlich kultureller Diversität, Vernetzung und Erfolg zu untersuchen. Wenn Unternehmen in Netzwerken kooperieren, bündeln sie ihre Ressourcen und Kompetenzen und stellen ihre Autonomie nicht in Frage (vgl. Weyer 2000). Eine partielle Zielvorstellung ist bei jeglicher Form von Kooperation notwendig. Trotz vertraglicher Fixierung fallen die diskursiven Prozesse mehr ins Gewicht. Sydow liefert eine recht umfassende Definition des Netzwerkbegriffes, die auf das Phänomen soziale Netzwerke aufbaut. Demnach fokussiert sich der Begriff des Netzwerkes auf soziale Beziehungen zwischen Akteuren. Akteure eines sozialen Netzwerkes können – neben Organisationen – Personen, auch Gruppen, aber auch Organisationskollektive, Gemeinschaften oder sogar Gesellschaften sein (vgl. Sydow 1992, S. 78). Die Herangehensweise der Begriffsdefinition ist im Zusammenhang mit der kollektivistisch geprägten Gesellschaft in Dubai von Vorteil (vgl. Hofstede 2001, Trompenaars/Hampden-Turner 2002). Fischer Trichotomie – Modell bezieht sich auf den ursprünglichen Ansatz Coases, der von einem dichotomen, diskontinuierlichen Modell möglicher Koordinierungsformen ausging (vgl. Coase 1937, Fischer 2001). Die Organisationsformen Markt und Hierarchie sind die wesentlichen Bestandteile erster Erklärungsversuche (Coase 1937, Williamson 1985). In aktuelleren Arbeiten wird das Netzwerk als eine dritte Koordinierungsform
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zwischen Markt und Hierarchie eingeordnet (vgl. Kahle 2004, Fischer 2000, Gerum/Ritter 2000, Sydow 1992, Weyer 2000, Ring/Van de Ven 1994). Diese Aspekte werden häufig in der Literatur diskutiert. Zur Vermeidung von Redundanzen wird auf eine weitere Definitionsanalyse verzichtet (vgl. Sydow 1992, Fischer 2001). Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Netzwerkbegriff trotz des inflationären Gebrauchs viele ungeklärte Fragen beinhaltet. Die in der westlichen Literatur konstatierte Allgemeinauffassung ist beispielsweise nicht analog auf die Unternehmensnetzwerke in abweichende Kulturen zu übertragen. Zwar wird häufig in der Netzwerkdebatte die Globalisierung thematisiert, allerdings hat die Diskussion in der Regel einen egozentrischen Charakter. Wie bereits angedeutet, soll die Diskussion um die Begrifflichkeit des Netzwerkes nicht im Rahmen dieser Arbeit forciert werden. Die Besonderheiten der Unternehmensnetzwerke – eingebettet in eine muslimisch-arabische Kultur – sind in diesem Abschnitt von Interesse. Es soll überprüft werden, ob die hohe Bedeutung von Unternehmensnetzwerken, insbesondere die der interorganisationalen Vernetzungen, auch in Dubai gerechtfertigt ist. Die vielfältigen Facetten von Vernetzung sind keine neuen Erscheinungen in der arabischen Welt. In der präislamischen Zeit waren die Menschen in Stämmen organisiert, diese „…were organized strictly along the lines of blood relations, and alliances with others were mostly determined by kinship, social relationships, and economic interests among tribes“ (vgl. Ali 2005, S. 129). Die Stämme waren streng hierarisch organisiert, die Stammesältesten nahmen die Funktion der Steuerung und Koordinierung wahr. Eine fruchtende Zusammenarbeit in wirtschaftlicher Hinsicht war kaum vorhanden, Konflikte wurden in der Regel aggressiv, mit Waffengewalt – nach dem Prinzip „der Stärkere gewinnt“ – ausgetragen. Es ist zu vermuten, dass die strikte Organisation in Stämmen und das hohe Konfliktpotenzial unter den unterschiedlichen Stämmen eine Ursache der brachen Wirtschaft Arabiens waren. Mit dem Islam kam auch eine neue Form der Organisation, der Prophet Mohammed „…abrogated the traditional tribe bond and replaced it by an allegiance to islam“ (vgl. Ali 2005, S. 129). Diese innovative Vorgehensweise stieß mehrere gesellschaftliche Prozesse an, die engmaschigen Netze wurden zu Gunsten 203
anderer Organisationsformen aufgehoben. Mohammed pflegte wirtschaftliche Beziehungen zu Menschen unterschiedlicher Kulturen. Er ging beispielsweise „…a alliance with several tribes to protect trade routes or to achieve a military goal such as his alliance with Beni Thamara and Beni Mudlage“ ein (vgl. Ali 129). Die Beziehungen waren durch Respekt, Fairness und Gerechtigkeit geprägt. Zu einer Zusammenarbeit war das Konvertieren zum Islam keine Voraussetzung. Die jahrhundertlange Blütezeit des Islams beruhe nach Schweizer auf der ursprünglichen Toleranz der Muslime gegenüber anderen Kulturen und Religionen: „…hätten die Moslems wie die Christen des frühen Mittelalters alle sämtlich fremden Kulturen und Religionen engstirnig als ‚heidnisch’ und verabscheuungswürdig eingestuft, wären sie von ihrem beherrschenden Platz auf der Weltbühne verdrängt worden“ (vgl. Schweizer 1986, S. 46). Der sozio-ökonomische Erfolg war demnach im toleranten und respektvollen Miteinader begründet. Somit behindert der Islam nicht die Bildung von Netzwerken. Die Strukturen einer Stammesgesellschaft haben zwar im Laufe der Zeit zugunsten neuerer Organisationsformen an Bedeutung abgenommen, aber sie sind bis heute noch spürbar vorhanden. Unter diesen Bedingungen ist es wahrscheinlich, dass sich die Netzwerkperspektive verschieben wird. Es ist von besonderer Bedeutung herauszufiltern, welches Potenzial Unternehmensnetzwerken in Dubai zuzuordnen ist und ob sie einen ähnlichen Einfluss auf die ökonomische Entwicklung ausüben wie in anderen Kulturräumen. In der wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion, insbesondere der Organisations- und Managementforschung sowie Strategieliteratur, ist das Phänomen Netzwerk zu einer Metapher geworden, die mit vielerlei interorganisationalen Phänomenen assoziiert wird (vgl. Gerum 2001, S. 1). Es ist zu überprüfen, ob Unternehmensnetzwerke in Dubai ähnliche Popularität genießen wie in anderen Kulturräumen. Sollte sich diese Vermutung bestätigen, ist es notwendig zu überprüfen, in welchem Umfang sie als Erfolgstreiber zu charakterisieren sind. Zusätzlich ist es wichtig herauszufinden, wie Unternehmen sich in unterschiedlichen Situationen verhalten, oder wie Entscheidungen getroffen werden. Analog zu den persönlichen Netzwerken werden Unternehmensvernetzungen im Hinblick auf ihre strukturelle, relationale und kognitive Ebene detaillierter untersucht werden.
204
Abschließend werden die Ergebnisse zusammengeführt und hinsichtlich weiterer Entwicklungen und Prozesse diskutiert. 5.4.1
Strukturelle Ebene
In der Struktur eines Unternehmensnetzwerkes spiegeln sich viele Faktoren wider. In diesem Teilabschnitt wird der strukturellen Ebene besondere Bedeutung beigemessen werden. Wie eingangs angedeutet, sind die Beiträge in der betriebswirtschaftlichen Literatur nur bedingt brauchbar. Um die Entwicklung Dubais zu verstehen, ist das Darstellen eines Gesamtkonstruktes aller relevanten Teilbereiche notwendig. Aus der arabischen Perspektive ist es engstirnig, wirtschaftsrelevante Fragestellungen nur mit den Ansätzen und Theorien dieser Wissenschaftsdisziplin zu untersuchen. Isolierte Betrachtungen geben ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit wieder. Aus diesem Grunde kann auch im Kontext der Unternehmensnetzwerke nicht auf gesellschaftlich relevante Informationen verzichtet werden. In diesem Sinne lassen sich Organisationsformen in Dubai nicht nur transaktionskostentheoretisch erklären. Besser geeignet scheint der Ansatz Burts, der Netzwerke wie folgt beschreibt: „network models offer a powerful framework for describing social differentiation in terms of relational patterns among actors in a system“ (vgl Burt 1992, S. 79). Der „embeddedness“-Ansatz ist ein weiterer Ausgangpunkt zur Netzwerkstudie (vgl. Granovetter 2005). Gulati schlägt eine soziologisch angehauchte Herangehensweise vor und bezieht eine ähnliche Stellung wie Granovetter: „Network perspectives build on the general notion that economic actions are influenced by the social context in which they are embedded and influenced by the position of actors in social networks“ (vgl. Gulati 1998, S. 295). Diese generelle Annahme ist zwecks Charakterisierung struktureller Ebenen von Bedeutung, weil sie zum Verständnis der Formen und Muster von Unternehmensnetzwerken beiträgt. In seinen späteren Arbeiten bezieht sich Gulati auf den sozialen Zusammenhang von Allianzen; die dynamischen Aspekte der Formation von Netzwerken bilden neben einer ressourcenorientierten Perspektive zentrale Punkte seiner Überlegungen (vgl. Gulati 1999, 2000, 2005). In der deutschsprachigen Literatur wird auf einen Zusammenhang zwischen Form, Intensität der Beziehungen und Struktur eines Netzwerkes hingewiesen 205
(vgl. Sydow 1992, Gerum 1998).
Gerade die Verbindung zwischen Netzwerkstrukturen und interpersonellen Beziehungen scheint eine geeignete Methode zur Netzwerkdiskussion darzustellen: „Network structure refers to the overall pattern of relationship within which industry is embedded” (vgl. Gulati/Nohria 1998, S. 1245). Wie bei der Diskussion persönlicher Netzwerke, wird dieser Referenzrahmen auch für den weiteren Verlauf dieser Arbeit von hoher Bedeutung sein. Das wirtschaftlich orientierte Verhalten von Unternehmen ist nicht nur als rational und auf Rendite orientiert zu beurteilen, es ist eingebettet in die soziale Umwelt: Dabei spielen kulturelle Faktoren wie Politik oder Religionen eine herausragende Rolle. Die Kultur kann als Katalysator Unternehmenskooperationen beschleunigen oder eher hemmend auf sie einwirken. Die wirtschaftskulturellen Grundlagen von Netzwerken sind in Dubai in der früheren Form von Kooperationen, nämlich in der Stammesgesellschaft verankert. In der Anthropologie sind diesbezüglich fruchtbare Ansätze vorzufinden, die sich auf die Erklärung von Netzwerkstrukturen der Unternehmen konzentrieren: „economic flexibility of the system depends on the social structure of the trade relation and cannot be predicted without knowing that social structure“ (vgl. Sahlins 1972, S. 313). In der Netzwerk-
landschaft der Unternehmen in Dubai ist der Aspekt der Stammesgesellschaft eine einflussreiche Größe. Wie in Absatz 3.2 aufgezeigt, basiert die muslimischarabische Kultur auf der Organisation von Stammeskulturen. Abbildung 4 zeigt die mögliche Entwicklung der Gesellschaft von der Organisation in Stämmen bis hin zum Netzwerk. Die einzelnen Stadien sind allerdings nicht isoliert voneinander zu betrachten; in vielerlei Hinsicht sind die Grenzen der Entwicklungsschritte fließend und die einzelnen Organisationen miteinander verkettet.
Abbildung 4: Ausprägungsformen gesellschaftlicher Vernetzung Kooperationen zwischen Unternehmen sind in der Form, wie sie in der westlichen Welt charakterisiert werden, kaum vorzufinden. Die vertragliche Regelung,
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wie sie beispielsweise Sydow hervorhebt, ist kein relevantes Merkmal arabischer Netzwerke. Es ist abzuwarten, ob sich die Euphorie der Netzwerkorganisation im westlichen Sinne noch auf die Unternehmen in Dubai übertragen wird. Aktuell behaupten sich unterschiedliche organisatorische Formen. Zum einen sind viele kleine und mittelständische Familienunternehmen auf dem Markt erfolgreich, zum anderen existieren große Unternehmen, wie Emirates Airlines, Etisalat oder Emaar Properties, die vor allem bei der strategischen Planung Dubais eine außerordentliche Rolle einnehmen. Die vorliegende Arbeit konzentriert sich vor allem auf die strukturelle Ebene der großen Unternehmen, daher werden die wesentlichen Merkmale der strukturellen Dimension der KMUs nur kurz skizziert und anschließend das Vernetzungsverhalten hinsichtlich der strukturellen, relationalen und kognitiven Dimension etwas ausführlicher diskutiert. Kleine und mittelständische Unternehmen zeigen (analog zu KMUs in westlichen Kulturräumen) ein weniger stark ausgeprägtes Netzwerkverhalten. Sie verfügen häufig über wenige, aber stabile Beziehungen; diese sind durch einen niedrigen Grad an Heterogenität und eine hohe Dichte gekennzeichnet. Die Form der Beziehungen hängt im Wesentlichen von der jeweilig dominanten Kultur der potenziellen Netzwerkpartner ab. Die Netzwerkstruktur verändert sich häufig mit der jeweiligen Kultur des Herkunftslandes des Unternehmers. In der Regel basieren die Beziehungen primär auf familiären Bindungen, d.h. ein Unternehmer aus beispielsweise Indien oder Pakistan wird in erster Linie wirtschaftliche Beziehungen zu seinen Familienangehörigen pflegen, als zu Menschen anderer kultureller Prägung. Die Vorteile einer familienorientierten Unternehmensführung sind darin zu sehen, dass die (Groß-) Familie ihren Mitgliedern ungeachtet ihres individuellen Beitrags Wohnraum, Arbeit und Unterhalt zur Verfügung stellt. Auf diese Weise wird mit einer Art „sozialen Sicherheit“ gleicherweise für den Bedürftigen wie für den weniger Engagierten gesorgt. Von den arbeitenden Familienangehörigen wird erwartet, dass sie ihren Verdienst zugunsten aller Mitglieder der Großfamilie zusammenlegen. Diese Netze sind an sich engmaschig geknüpft, der Mangel an Kooperationsbereitschaft gegenüber Fremden basiert primär auf der abweichenden Kultur und dem erschwerten Vertrauensaufbau. In Dubai sind viele Kleine und Mittelständische Unternehmen in traditionsreichen Branchen wie in der Bau- oder Handelsbranche tätig und zeigen im Allgemeinen 207
ein weniger ausgeprägtes Innovationsbewusstsein. Sie konzentrieren sich auf die Imitation von Produkten und Dienstleistungen. Aber auch die so genannten „hidden champions“ sind vor Ort vorzufinden. Gerade in der Computerbranche ist eine Reihe von Kleinen und Mittelständischen Unternehmen vorhanden, die extrem kreativ und innovativ sind. Diese nutzen in erster Linie komparative Vorteile zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen. Zusammenfassend lässt sich die These aufstellen, dass die intra- und interorganisationale Vernetzungsfähigkeit von der Kultur des jeweiligen Unternehmers abhängig ist. Europäische oder amerikanische Unternehmer zeigen ein anderes Netzwerkverhalten als Familienunternehmen aus dem asiatischen Raum. Charakteristisch für die Unternehmen aus dem asiatischen Raum ist, dass sie relativ abgeschottet in ihren kulturell homogenen Netzen agieren. Aber auch Unternehmen aus Europa haben Netzwerkstrukturen etabliert, die prinzipiell aus kollektivistischen Kulturen hervorgehen. Zum Beispiel entsteht oft der Eindruck, dass die deutschen oder englischen Unternehmer gerne unter sich bleiben möchten. Die jeweiligen Businesscenter oder die gemeinsamen Freizeitaktivitäten „Gleichgesinnter“ lassen den Eindruck entstehen, dass Interaktionen häufiger zwischen Menschen gleicher Kultur stattfinden. Interessante Fragestellung zwecks weiterführender Forschung lautet in diesem Zusammenhang, welche Faktoren für den Erfolg dieser Unternehmen ausschlaggebend sind. Denn die allgemeine Auffassung, Kreativität und Innovation seien Resultate großer, heterogener Netze, treffen nicht auf die skizzierten Unternehmen zu. Trotz des Eindrucks der voneinander unabhängigen Existenz unterschiedlicher Unternehmen, gibt es einen gemeinsamen Referenzpunkt: die gesetzlich vorgeschriebe Zusammenarbeit mit dem einheimischen Sponsor oder „local service agent“. Wenn von einer Tätigkeit in einer der zahlreichen Freihandelszonen abgesehen wird, ist eine Beziehung zum Einheimischen Geschäftspartner unablässig. Bei Dienstleistungsunternehmen reicht eine eher lockere Form der Beziehung zum ausländischen Unternehmer, bei Unternehmen anderer Branchen ist eine spezielle Form der Zusammenarbeit notwendig. Ziel solcher vorgeschriebenen Kooperationen ist es, eine Interaktion zwischen ausländischen Unternehmern und Emiratis zu unterstützen. Die netzwerkartigen Kooperationen beruhen auf
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persönliche Bindungen und sollen in der Regel für beide Seiten von Vorteil sein. Die Spezifikation solcher Kooperationen ist nicht immer per Gesetz vorgeschrieben. Bei der Gründung von Kapitalgesellschaften können grundsätzlich unterschiedliche Formen von Zusammenschlüssen gewählt werden, Joint Ventures sind die häufigsten Formen solcher Kooperationen. Grundsätzlich wird unter Joint Venture der gemeinsame Wille zweier Partner zur Bildung einer Kooperation, Partnerschaft oder gemeinsamen Unternehmung verstanden, ohne dass dabei auf eine bestimmte Rechtsform abgestellt wird. In Dubai werden Joint Ventures mit ausländischer Beteiligung gegründet, um eine Kooperation zwischen ausländischen Investoren und VAE-Staatsangehörigen mit der Zielsetzung einer geschäftlichen Tätigkeit vor Ort zu ermöglichen. Die Verteilung der Unternehmensanteile ist in der emiratischen Gesetzgebung verankert: Mindestens 51% für den lokalen Partner und höchstens 49% für den ausländischen Partner. Mit diesem Gesetz wird eine Austauschbeziehung mit relativ festen Strukturen zur wirtschaftlichen Tätigkeit zur Verfügung gestellt. Ziel solcher Modalitäten ist es, wirtschaftliche Entwicklungen nicht ohne Einfluss und Interessen der eigenen Staatsangehörigen zu ermöglichen. Dies wird nicht immer der Interessenlage ausländischer Investoren gerecht, weil die Machtverteilung klar vorgegeben ist. Die Joint Venture Company weist eher netzwerkartige Strukturen auf und lässt beiden Seiten mehr Verhandlungsspielraum. Diese Form der Zusammenarbeit wird mitunter bei Ausschreibungen von Großprojekten gewählt. Neben diesen Beispielen existieren noch weitere Kooperationsformen; von einer dezidierten Darstellung dieser verschiedenen Formen wird im Rahmen dieser Arbeit abgesehen. Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass neben einigen Nachteilen das Mitwirken des lokalen Partners sich auf den Unternehmenserfolg auch förderlich auswirken kann. Die soziale Einbettung des lokalen Partners kann sich auf den unternehmerischen Erfolg positiv auswirken. Die eventuell negative Wirkungsmacht, wie sie sich aus dem familiären Einfluss auf wirtschaftliche Entwicklung ergeben könnte, kann mit den Beziehungen des lokalen Partners aufgefangen werden.
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Nennenswert ist an dieser Stelle, dass sich der ausländische Unternehmer der ökonomisch-gesellschaftlichen Verflechtungen in Dubai bewusst ist. Ein Fehlverhalten kann weit reichende Folgen nach sich ziehen. Die emiratische Regierung hofft, mit der Regelung des Sponsors den Einfluss aus den USA, Europa oder den traditionell asiatischen stämmigen Kulturen zu Gunsten der strategischen Planung Dubais zu brechen. Zwar werden ausländische Unternehmen nicht benachteiligt, aber eine egozentrisch ausgerichtete Unternehmensführung wird nicht erwünscht. Das westlich geprägte Gedankengut wird nicht komplett übernommen, die traditionsreiche arabische Kultur soll Teil des modernen Dubais bleiben. Der Partner bringt also nicht nur seine heterogenen persönlichen Beziehungen in das Netzwerk ein, er fungiert im Idealfall auch als Bindeglied zwischen dem ausländischen Unternehmer und der emiratischen Gesellschaft/Kultur. Seine Aufgabe ist es auch, neben persönlicher Gewinnorientierung, sich für die wirtschaftlich-gesellschaftlichen Interessen seines Landes einzusetzen. Das Verhältnis zwischen dem emiratischen und den ausländischen Investor beruht auf persönlichen Bindungen, in der Regel werden dauerhafte und stabile Bindungen; von beiden Seiten forciert. Eine andere Form von Vernetzungsverhalten ist in den so gennanten „Freihandelszonen“ zu beobachten. Die Freihandelszonen bieten Unternehmen ähnlicher Branchen nach dem US-amerikanischem Prinzip, Silicon Valley oder Bangalor, nicht nur Büroräumlichkeiten, sondern auch eine adäquate Infrastruktur. Mit dem Prinzip Freihandelszone können unterschiedliche Ziele verfolgt werden. Es haben sich zahlreiche Freihandelszonen, wie Dubai Knowledge Village Freihandelszone, Airport Freihandelszone oder Media City Freihandelszone erfolgreich etabliert. Mitunter kann es mehrere Jahre dauern bis ein ausländisches Unternehmen in so eine Freihandelszone aufgenommen werden kann. Zum einen werden nach dem Ansatz des Ressource Based View Ressourcen und Kompetenzen gebündelt, zum anderen können „Freihandelszonen-interne“ Vernetzungsstrategien verfolgt werden. Zusätzlich wird mit der geographischen Konzentration von Unternehmen und Institutionen in einem bestimmten Wirtschaftszweig zur Sicherung des Standortes beigetragen.
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Trotz der Tendenz, globalen Netzwerken mehr Wichtigkeit beizumessen, weist Porter nach, dass viele langfristige Wettbewerbsvorteile in der Clusterbildung von Unternehmen liegen (vgl. Porter 1998). Die Konzentration auf einzelne Branchen mit ungewöhnlich hohem wirtschaftlichem Erfolg ist nicht neu. Zwar weisen die Freihandelszonen in Dubai in erster Linie eine politisch-wirtschaftliche Motivation auf, aber das Modell solcher Zusammenballungen kennzeichnet die Wirtschaftsstrukturen erfolgreicher Nationen (vgl. Porter 1998). Die interorganisationalen Beziehungen in den Freihandelzonen sind informell und vertrauensbasiert. Informationsaustausch, Wissenstransfer und gemeinsames Lernen basieren auf persönlichen Beziehungen. Die Struktur dieser Beziehungen ist in Abhängigkeit der jeweiligen Kultur zu sehen. Ein allgemein gültiges Rezept für ein erfolgsträchtiges Vernetzungsverhalten lässt sich nicht ausstellen. Die Gesellschaft in Dubai ist zu divers, um allgemeingültige Aussagen zu Formen oder Mustern in Unternehmensnetzwerken treffen zu können. Festzuhalten ist an dieser Stelle, dass die Netzwerke primär von persönlichen Verflechtungen profitieren können. Dauerhaft stabile persönliche Beziehungen, vor allem zu den Emiratis, können zum Erfolg führen. Diese Aussage trifft sowohl auf interorganisationale, als auch auf intraorganisationale Netzwerkstrukturen zu. Die intraorganisationalen Vernetzungen werden häufig zwecks multikultureller Teambildung in Unternehmen genutzt. Die Synergieeffekte, die durch die Besetzung interkultureller Teams freigesetzt werden, sind ein bekanntes Phänomen der emiratischen Unternehmenslandschaft. Zum Beispiel werden in der Commercial Bank of Dubai Lösungsansätze in multikulturellen Teams entwickelt. Die Netzwerkstrukturen emiratischer Unternehmen weisen einige Unterschiede zu den ausländischen Unternehmen in Dubai auf. Die großen emiratischen Unternehmen sind eng miteinander verbunden. Die Familie Al-Maktoum ist in letzter Instanz der Entscheidungsträger vieler international tätiger Unternehmen. So sind beispielsweise die Unternehmen Dubai World, Dubai Ports, Dubai Bank oder Sama Dubai Mitglieder der Dubai Holding. Alle Freihandelszonen sind Mitglieder dieser Holding. Die Dubai Holding ist nicht nur im eigenen Land erfolgreich; heute investiert sie als Global Player in international agierende Unternehmen. Sie hält beispielsweise 2% der Anteile an Mercedes Benz, 12% an
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EADS, 100% an Traveldoge UK usw.. Die Jumeira Group betreibt Hotels in der ganzen Welt, so auch das Ritz Carlton in Berlin oder das Essex House in New York. Neuerdings ist eine 100%-ige Tochter, Tatweer Dubai, gegründet worden. Ihre Aufgabe besteht darin, die Koordinierung aller anderen Mitgliedsunternehmen zu übernehmen. Die interorganisationale Vernetzung dieser Unternehmen ist, ähnlich zu den Familienunternehmen, intensiv und dauerhaft. Um Missverständnisse aus dem Weg zu räumen, erinnern die Strukturen nicht an Familienunternehmen im westlichen Sinne. Diese familienähnlichen Strukturen basieren auf Großfamilien, die in Europa oder USA nicht vorkommen. Wie ein Konglomerat sind diese Unternehmen miteinander unter der Schirmherrschaft der Dubai Holding vernetzt. An der Spitze dieser Unternehmen befindet sich die Familie AlMaktoum; alle anderen Positionen werden von Menschen unterschiedlicher Kulturen besetzt. Das Topmanagement wird häufig von Amerikanern oder Europäern gebildet; den Mittelbau bilden viele Inder und Nordafrikaner; im unteren Bereich sind häufig Arbeitnehmer aus dem asiatischen Raum anzutreffen. Die Netzwerkstrukturen basieren auch bei dieser Organisationsform auf heterogenen, relativ dichten und dynamischen Beziehungen. Der informelle Charakter solcher Austauschbeziehungen kann bei der Informationsbeschaffung, Wissenstransfer, Kreativität und Innovation unterstützend wirken. Zum Beispiel ist die Tür des Vorstandsvorsitzenden der Emirates Airlines,Shaikh Ahmed Bin Saeed AlMaktoum, immer offen. Mit dieser Geste soll der Eindruck gewonnen werden, dass er für jeden Mitarbeiter erreichbar sei. Dieser Akt hat einen symbolischen Charakter, denn „...status is very important in arab society“ (vgl. Rice 2004, S. 74). Direkte Kommunikation findet auf horizontale Ebene statt, deswegen „…in arab society junior level managers should never be sent to business meetings with more senior executives who will feel slighted“ (vgl. Rice 2004, S. 74). Anhand einiger Beispiele wurde der Untersuchung der strukturellen Ebene von Unternehmensnetzwerken Rechnung getragen. Die Konsequenz dieser Strukturen für die wirtschaftskulturelle Bestimmung Dubais wird im Anschluss an die Diskussion der relationalen und kognitiven Ebenen untersucht. Zunächst ist es notwendig, die relationale Ebene etwas genauer zu betrachten.
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5.4.2
Relationale Ebene
Die Soziologie hat sich in den letzten Jahrzehnten der Betriebswirtschaftslehre weiter geöffnet. Dieses Interesse an betriebswirtschaftlichen Prozessen ist mitunter auf die Arbeiten von Granovetter (1985), Burt (1992) und Powell (1994) zurückzuführen. Diese Autoren thematisierten im Kern, wie sich die soziale Einbettung auf das Verhalten von Unternehmen auswirkt. Aber auch die Ökonomen zeigen ein gesteigertes Interesse an soziologischen Herangehensweisen (vgl. Meißner 1997, Gulati 1998, Uzzi 1997, Ghoshal/Tsai 1998). Diese gegenseitige Befruchtung beeinflusst die Arbeiten beider Wissenschaften positiv. Gulati zieht die Wechselwirkung zwischen der Betriebswirtschaftslehre und der Soziologie in seine Überlegungen mit ein und schlussfolgert, dass „organizations create these to manage uncertain environments and to satisfy their resource needs. Consequently, they enter ties with other organizations to have resources and capabilities that can help the cope with this exogenous constraints“ (vgl. Gulati/Gargiulo 1999). Angeknüpft an Gulati/Gargiulo (1999) lässt sich die relationale Ebene von Unternehmensnetzwerken in Dubai gut charakterisieren, denn diese These bezieht sich nicht nur auf ökonomische Zielerreichung von Unternehmen, sie stellt auch eine Beziehung zum Umfeld dar. Gerade im Kontext der Globalisierung gewinnt die letztgenannte Aussage an Bedeutung. Die Bildung von Unternehmenskooperationen wird für jeden Wirtschaftszweig empfohlen, unabhängig der jeweiligen Größe des Unternehmens, dem Führungsstil und dem Standort. Allgemein wird in der Literatur und in der Managementpraxis häufig die Frage übersehen, nach welchen Kriterien Partner ausgewählt werden sollten oder nach welchem Muster Unternehmen vorgehen sollten, um möglichst Beziehungen einzugehen, die sich – im Idealfall – zum Wettbewerbsvorteil entwickeln. Imperfekte Informationen über den eventuellen Partner erhöhen die Transaktionskosten und damit nimmt die Gefahr des opportunistischen Verhaltens der Partner zu (vgl. Gulati 1999). Die Herausforderung besteht darin, Informationen bezüglich Kompetenzen, Bedürfnissen, Kultur und Vertrauenswürdigkeit des potenziellen Partners zu beschaffen. Im Folgenden wird zur Schließung dieser Lücke die relationale Dimension der Unternehmensvernetzungen näher betrachtet. Letztendlich sollen Fragen 213
nach Mustern von Beziehungen, der Pflege solcher Interaktionen und ihrem Einfluss auf den unternehmerischen Erfolg diskutiert werden. Dubai ist in diesem Zusammenhang ein besonderes Beispiel: Auf der einen Seite begegnen wir dort eine kulturelle Heterogenität, die vermutlich nirgendwo in der Welt höher ist als in Dubai, und zum anderen erlebt Dubai einen Wirtschaftsboom, der einzigartig ist. Soziale Vernetzungen werden als eine wichtige Ressource immer mehr an Bedeutung gewinnen. Die strukturelle Dimension ist nicht grundsätzlich vorgegeben, sie ist als interdependente Variable zu der relationalen und kognitiven Ebene zu sehen. Das heißt, dass auch Unternehmensvernetzungen einer gewissen Dynamik ausgesetzt sind. Gerade zu Beginn einer Partnerschaft sind die Beziehungen durch Unsicherheit gekennzeichnet, die Evolution von häufigen Interaktionen führt zu stabilen und dauerhaften Netzwerken. Die Diskussion der persönlichen Netze hat zur Gewinnung eines ersten Eindrucks beigetragen. Die Unternehmensnetzwerke sind ähnlichen Bedingungen ausgesetzt wie die persönlichen Vernetzungen, weil sie sich in der gleichen sozialen Einbettung befinden. Vor allem der informelle Charakter solcher Beziehungen erinnert stark an persönliche Netze. Allerdings unterscheiden sich Unternehmensnetzwerke auch in einigen Punkten von den persönlichen Bindungen. Da die dyadische Beziehung zu Beginn einer geschäftlichen Tätigkeit in der gesamten Golfregion für den ausländischen Investor bindend ist, setzt sie vor Geschäftsaufnahme einer Kooperation zwei heterogene Partner voraus. Die ersten Fragen, die sich Unternehmen stellen lauten: Wie sollte der „richtige“ Partner identifiziert werden? Wie ist die Formation zu koordinieren? Wie wirkt sich die Beziehungsintensität auf die Entwicklung von Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit aus? Auf welche Art und Weise sollte das Netzwerk ausgebaut werden? Aus den letzten Abschnitten ging hervor, dass die emiratische Regierung mit dem Prinzip des Sponsoring mehrere Ziele verfolgt. Auch wenn das Sponsorwesen nur für Unternehmen mit ausländischer Beteiligung vorgeschrieben ist, so sind auch inländische Unternehmen auf soziale Beziehungen angewiesen, sei es als strategische Berater, Arbeitnehmer oder Geschäftspartner bei internationaler Tätigkeit. Der Fokus ist in diesem Zusammenhang auf die langfristige Zielfor-
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mulierung gerichtet, d.h. die relationale Ebene bezieht sich nicht mehr auf das dyadische Beziehungsmuster, sondern setzt sich mit Vernetzungsverhalten in großen Netzwerken auseinander. Nicht die kurzfristige Gewinnrealisierung ist Ziel einer solchen Handlung, sondern der langfristige wirtschaftliche Erfolg. Die Dynamik, die sich aus bestehenden Beziehungen entfalten kann, ist zur Sicherung von langfristigen Wettbewerbsvorteilen in Dubai unverzichtbar. Häufig weicht dieses Ziel von den Vorstellungen ausländischer Investoren, die eine kurzfristige Gewinnmaximierung erwarten, ab. Es ist evident, dass existierende Kooperationen einen wesentlichen Beitrag zur Erweiterung weiterer fruchtbarer Beziehungen leisten können. Die erste Beziehung zum Sponsor beeinflusst nicht nur den Erfolg der ersten Zeit, sie nimmt auch eine wichtige Funktion bei der Generierung neuer Beziehungen wahr. Sie entscheidet im hohen Maße über Struktur, Evolution und Erfolg der nachfolgenden Beziehung. Die Dynamik einer solchen Beziehung ist in der Abbildung 5 auf der folgenden Seite idealtypisch graphisch dargestellt. Das abgebildete Dreiphasenmodell ist zur Analyse der interorganisationalen Unternehmensbeziehungen in Dubai mit dem Ziel, eine Erklärung zum erfolgreichen Vernetzungsaufbau und -ausbau zu liefern, entwickelt worden. Eine prozessorientierte Analyse interorganisationaler Netzwerke wird in der Literatur häufig vernachlässigt, dabei ist „process however is central in managing IORs“ (vgl. Ving/ Van de Ven 1994, S. 91).
Zusätzlich sollte diskutiert werden, warum sich das Netzwerkverhalten in den Golfstaaten unterschiedlich ausprägt. Die Wahl des Partners basiert auf persönlichen Beziehungen beider Parteien. Es ist auch üblich, dass die Kommunikation zu einem potenziellen Partner nicht direkt erfolgt. In der arabischen Kultur kommt eine indirekte Kommunikation bzw. eine Ansprache über Dritte häufig vor.
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Abbildung 5: Dreiphasenmodell zur Evolution von interorganisationalen Unternehmensbeziehungen In der ersten Phase findet ein Prozess statt, welcher von Unsicherheit, imperfekten Informationen und einem Mangel an Vertrauen gekennzeichnet ist. In dieser Phase wird der Grundstein einer erfolgsträchtigen oder einer erfolgslosen Bindung gelegt. Besondere Sensibilität ist auf beiden Seiten gefragt. Die Beziehung könnte an kleinen Fehlern scheitern, weil sie noch keine stabilen Strukturen aufweist, die ein Fehlverhalten tolerieren würden. Es ist durchaus möglich, dass die erste Kontaktaufnahme nicht zum richtigen Partner führt und ein neuer Partner gefunden werden muss. Wenn ein solcher Erstkontakt fehlschlägt, ist der Aufbau neuer Kontakte mit gewissen Schwierigkeiten behaftet. Ein erster negativer Kontakt kann gravierende Schäden nach sich ziehen, denn die Emiratis verfügen über starke Beziehungen untereinander (durch häufige Kontaktpflege findet ein reger Informationsaustausch statt). Auch das Scheitern einer angehenden Kooperation kann im Rahmen des einen oder anderen „Majlis“ thematisiert werden. Ein ausländischer Investor muss mit Problemen bei der „Akquise“ eines neuen potenziellen Partners rechnen. Je bekannter und einflussreicher der gescheiterte Erstkon216
takt war, desto schwieriger ist es, eine neue Beziehung aufzubauen. Dies ist ein wesentlicher Nachteil der interpersonell basierten Vernetzungen. Wie bereits erwähnt ist die Beratung al Shura ein wichtiges Instrument muslimisch-arabischer Entscheidungsfindung. Daher ist es von tragender Bedeutung, gemeinsame Vorhaben genau zu besprechen und zum lokalen Partner eine freundschaftliche Beziehung aufzubauen. Diese Gespräche entwickeln sich nicht wie in westlich geprägten Kulturen in lang anhaltenden Verhandlungen, sie besitzen eher einen persönlich- privaten Charakter. Auch dieser muss erst aufgebaut werden. Der Austausch von Ressourcen und Kompetenzen findet in privater Atmosphäre statt. Die Grenzen von Privat und Geschäftlich sind fließend, dieses Verhalten geht auf die muslimisch-arabische Kultur zurück, in der kein Unterschied zwischen persönlichen und geschäftsrelevanten Bedürfnissen gemacht wird. Es ist aber auch zu beobachten, dass allmählich ein Paradigmenwechsel stattfindet. Der Einfluss anderer (westlicher) Kulturen wird zugunsten von Progression und Wohlstand in die eigene Kultur integriert. Die Ursache ist nicht nur in internationaler Rekrutierung zu sehen; die Emiratis absolvieren ihre Ausbildung häufig im Ausland und sie verbringen ihren Urlaub gerne in der Ferne. Der lokale Vorstandsvorsitzende (Studium in den USA) einer Unternehmensgruppe, die auf unterschiedliche Geschäftsfelder, wie Tourismus oder Luftfracht ausgerichtet ist, äußert sich wie folgt: „In terms of work, it has become a bit more formal now," he says. "Earlier, (business was conducted in) a more relaxed atmosphere but (then) productivity was low." (vgl. Gulfnews 10. Januar 2008). Nach erfolgreichem Abschluss der ersten Phase, sollte die Unsicherheit abgenommen haben und der Vertrauensaufbau initiiert sein. In dieser Phase ist die häufige persönliche Kommunikation von hoher Bedeutung. Nach der ersten Phase, die von Vorsicht, Unsicherheit und der Gefahr des opportunistischen Verhaltens geprägt war, stehen in den nächsten Phasen neben den sozio-kulturellen Aspekten, die ökonomischen Ziele im Vordergrund. Das Vertrauen und die Vertrauenswürdigkeit müssten einen gewissen Level erreicht haben, damit Ressourcen und Kompetenzen ausgetauscht werden können. In diesem Zusammenhang ist in der arabischen Kultur dem personalen Vertrauen eine höhere Bedeutung beizumessen als dem Systemvertrauen. Zusätzlich können aufgrund unterschied-
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licher wirtschaftskultureller Ansichten und Meinungen Anpassungen der Ressourcen und Kompetenzen nötig sein. In diesem Zusammenhang ist auf die kulturelle Vielfalt und ihren Einfluss auf betriebswirtschaftliche Prozesse hinzuweisen. In den Landes- bzw. Kulturstudien wird eine grobe Einordnung der unterschiedlichen Länder vorgenommen (vgl. Dülfer 1997, Hofstede/ Franke/Bond 2002, Triandis 2002, Trompenaars/Hampden-Tuner 2000).
Die Arbeit hat aber gezeigt, dass sie im Umgang mit der arabischen Kultur unzureichende Informationen liefern. Daher sollte auch auf andere Darstellungen zurückgegriffen werden (vgl. Ali 2005, Wilson 2005, Beekun 1997, Kavoossi 2000, Abuznaid 2006, Hutchings/Weyer 2006). Nach erfolgreichem Durchlaufen dieser Phase hat das Netzwerk ein gewisses Maß an Stabilität gewonnen. Der Vertrauensaufbau hat auf beiden Seiten einen Grad erreicht, an dem die Unsicherheit und die Gefahr des opportunistischen Verhaltens abnimmt. Die häufigen, persönlichen Interaktionen ermöglichen in der letzten Phase den Zugang zu weiteren Netzwerken. Zusätzlich erhöhen die starken, persönlichen und dauerhaften Beziehungen die Wahrscheinlichkeit der Iteration. Dieser Schritt ist besonders wichtig, weil er den Zugang zu großen heterogenen Netzen ermöglicht. In diesen großen Netzwerken können vorhandene Ressourcen und Kompetenzen angepasst und weitere gemeinsam entwickelt werden. In diesem Stadium nimmt die Kreativität und Motivation zur Innovation zu. Diese Effekte werden an weiterer Stelle besprochen werden. Zunächst ist es wichtig, das Besprochene zusammenzufassen. Das Vernetzungsverhalten von Unternehmen basiert auf den persönlichen Bindungen ihrer Mitglieder; insbesondere ist das Topmanagement bei der Formation von Kooperationen involviert. Neben komplementären Ressourcen und Kompetenzen potenzieller Partner, entscheidet die Persönlichkeit der Akteure über Erfolg bzw. Misserfolg von Netzwerken. Das Dreiphasenmodell sollte erste Eindrücke zur erfolgreichen Vernetzungsstrategie in Dubai vermitteln. Eine detailliertere Herangehensweise würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Die Adaptierfähigkeit des Models für andere Länder dieser Region ist eine interessante Frage für die weiterführende Forschung. Wie angedeutet, wird die Bedeutung der interorganisationalen Netzwerke häufig in der Literatur im Kontext der Globalisierung hervorgehoben. Es entsteht der Eindruck, dass das Vernetzungsverhalten innerhalb der Unternehmen von geringerer Bedeutung ist. Um der sozialtheoretischen Perspektive ge218
recht zu werden, werden nachfolgend einige Merkmale der intraorganisationalen Vernetzungen diskutiert. Die Präferenz der Unternehmen in Dubai, Kompetenzen einzukaufen und sie in das Unternehmen einzubinden, ist ein wichtiger Aspekt und verlangt, auch innerorganisatorische Netze hinsichtlich ihrer relationalen Dimension zu skizzieren. Die persönlichen Beziehungen „…at a workplace in Muslim societies are a very common phenomenon” (vgl. Ali 2005, S. 78). Neben dieser kulturellen Besonderheit ist Diversität in Dubai ein weiterer Grund, dem Vernetzungsverhalten in den Unternehmen Beachtung zu schenken. Die Literatur und Managementpraxis konzentrieren sich zwar primär auf interorganisationale Netze, aber das Beispiel Dubai zeigt, dass die entwickelten Konzepte und Theorien nicht die gesamte Thematik durchdringen. Es mag für westlich geprägte Unternehmen ungewöhnlich sein, dass Kollegen auch Freunde sein können. In einer arabisch geprägten Gesellschaft ist es üblich „…to inquire about business colleagues and coworkers if they have been sick, and about their personal concerns from time to time” (vgl. Nydell 2006, S. 23).
Ähnlich wie in Dubai sind auch in verschiedenen asiatischen Ländern wie in Japan oder China die persönlichen Bindungen zu Kollegen eine typische Erscheinung. In Japan sind unternehmensinterne Beziehungen Teil der Unternehmensstrategie. Toyota baut beispielsweise ganze Wohnkomplexe für seine Mitarbeiter, damit Ihnen die Möglichkeit einer gemeinsamen Freizeitgestaltung gegeben ist. Das Prinzip der persönlichen Netzwerke hat auch in der chinesischen Wirtschaft eine langjährige Tradition, „social networks continue to pervade business activity despite the advent of industrialization, internationalization, and modernization“ (vgl. Hutchungs/Weir 2006, S. 142). Es ist bereits mehrfach erwähnt worden, dass persönliche Beziehungen das Fundament vieler Lebensbereiche bilden können. Diese Ausgangslage kann sich auf der einen Seite positiv auf die Bildung von Teams auswirken, sie kann aber auch eine negative Wirkung entfalten. Die kulturelle Heterogenität „…can create substantial obstacles of effective teamwork – but these may be subtle and difficult to recognize until significant damage has already been done” (vgl. Brett/Behfar 2007). Es ist zwar eine Herausforderung, kulturelle Diversität zur Steigerung von Kreativität und Generierung von Innovation zu nutzen, aber bei Anwendung adäqua-
219
ter Strategien können Mitglieder eines Unternehmens mit unterschiedlicher kultureller Prägung zur Gewinnung und Sicherung von Wettbewerbsvorteilen im erheblichen Maße beitragen. Mit der besonderen Gewichtung der internen Netzwerkbildung werden unterschiedliche Ziele verfolgt: 1.
Reduzierung von Unsicherheit innerhalb des Unternehmens: Die Beziehungen zu anderen Organisationsmitgliedern und die häufige Interaktion können bei eventuellen Problemen und Fragestellungen hilfreich sein. Empirische Untersuchungen haben nachgewiesen, dass nicht die formalen, kostenintensiven Kanäle den Informationsbedarf decken, sondern die Kollegen (vgl. Braun 2004). Die informellen Beziehungen basieren auf Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit (Tsai/Ghoshal 1998). Dieses Vertrauen wird nicht nur während der Arbeitszeit entwickelt, es ist üblich, dass Kollegen auch Freunde sind. Ähnlich wie die verschwommenen Grenzen zwischen Beruflichem und Privatem, werden arbeitsbezogene Gespräche in der Freizeit geführt; umgekehrt kommt es auch vor, dass private Themen während der Arbeitszeit diskutiert werden.
2.
Stärkung des Selbstwertgefühls und der Selbstachtung durch intraorganisationale Beziehungen: Dieser Prozess ist durch Langfristigkeit gekennzeichnet. Das Bedürfnis, einer Gemeinschaft anzugehören, ist eng an das islamische Wertesystem geknüpft. Es kommt oft vor, dass das Unternehmen als eine große Familie bezeichnet wird. Die familienähnlichen Strukturen betreffen nicht nur den Menschen in seiner Funktion als Arbeitnehmer, sondern auch als ein „Familienmitglied“ und Freund, dessen Gefühlswelt ebenfalls von Interesse ist.
3.
Die soziale Einbettung: Sie erleichtert neuen Mitgliedern der Unternehmung, deren Strategie und Kultur zu verstehen. Durch die engen und abteilungsübergreifenden Verflechtungen wird die Unternehmenspolitik als ein Ganzes wahrgenommen. Dieser Aspekt ermöglicht es den Mitarbeitern, ihr Wissen an die Gesamtanforderungen anzupassen oder ggf. weiterzuentwickeln.
220
Zwar können nach Granovetter nur schwache Bindungen karriereförderlich sein, aber das Beispiel Dubais zeigt, dass andere Kulturen auf anderen Vernetzungsintensitäten basieren. Es ist durchaus üblich, dass Vakanzen in einem Unternehmen mit Personen aus dem persönlichen Netzwerk besetzt werden. Zum Beispiel ist in einem großen Luftfahrtunternehmen nicht zu übersehen, dass in einigen Abteilungen die Dichte von Menschen eines bestimmten Kulturkreises extrem hoch ist. Mitglieder bestimmter Netze unterstützen sich gegenseitig in jeder Hinsicht. Besonders die muslimisch dominierenden Netze sind durch das tägliche Leben einer gewissen Spiritualität miteinander verbunden. Die gemeinsame Religionsausübung (etwa bei der Verrichtung der täglichen Gebete) stärkt das Gruppenzusammengehörigkeitsgefühl. Letztendlich können die Netzwerke innerhalb von Unternehmen eine Verbindung zwischen den unterschiedlichen Kulturen seiner Mitglieder und der Organisationskultur herstellen. Intraorganisationale Vernetzungen können nicht nur innerhalb der Organisation zur Reduktion von Transaktionskosten führen, die Erfahrungen im Unternehmen können zum Aufbau von Netzwerk-Kompetenz hilfreich sein (Ritter/Gemünden 1999). Mit anderen Worten: Erfolgsorientierte Vernetzung passiert nicht einfach, da Ressourcen unterschiedlicher Unternehmen sich nicht allein miteinander austauschen können. Die Fähigkeit zur Netzwerkbildung kann nur von Personen ausgehen. Die kurzen Ausführungen haben gezeigt, dass intraorganisationale Netzwerke zum Erfolg von Unternehmen führen können. Mit ihrer Hilfe lassen sich nicht Konflikte und Spannungen lösen, sie können aber eine wesentliche Funktion bei der Innovationsgewinnung erfüllen. Nachteil solcher Netze sind die sozialen Verpflichtungen, die sich aus solchen Beziehungen entwickeln. Arbeitsteilige Prozesse können durch Nichterfüllen einzelner Aufgaben gefährdet werden. Die Befürchtung, Kritik am Arbeitsplatz könnte die persönlichen Beziehungen gefährden, kann die Produktivität reduzieren. Bei richtiger Handhabung können sich kulturell diverse Vernetzungen im Unternehmen positiv entfalten. Bordieu betont ebenfalls den Wert sozialer Beziehungen für die Aktivierung von ökonomischen Ressourcen (vgl. Bordieu 1991). 221
Gemeinsamer Referenzrahmen beider Netzwerktypen ist das interpersonelle Netzwerkverhalten, d.h. Netze werden aufgrund starker persönlicher Beziehungen aufgebaut. Das Thema Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit nimmt innerhalb der relationalen Ebene eine wichtige Funktion wahr. Im Gegensatz zur westlich geprägten Kultur bezieht sich dieser Faktor in erster Linie auf zwischenmenschliches Vertrauen, das Vertrauen in Systeme oder Institutionen nimmt eher eine untergeordnete Rolle ein. Das Thema Vertrauen und Ökonomie wird im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter umrissen, fundierte Befunde liegen bereits vor (vgl. Kahle 1997, Loose/Sydow 1994, Gulati 1999).
Bevor die Erkenntnisse der beiden diskutierten Dimensionen in Relation zu den weiterführenden Prozessen gesetzt werden, sollte die kognitive Ebene im Kontext der Unternehmensnetzwerke Gegenstand der Untersuchung sein. 5.4.3
Kognitive Ebene
Die kognitive Dimension ist als eine Einflussgröße zu charakterisieren, welche auch unter anderem das Vernetzungsverhalten nachhaltig prägt. Smerek/Denison definieren die kognitive Ebene als: „those resources providing shared representations, interpretations, and systems of meaning” (vgl. Smerek/Denison 2007, S. 2). Anknüpfend an die Definition Nahapiets/Ghoshals (1999), beschreiben Leana/Pil die kognitive Dimension als “the shared vision and goals, and the collectively held values that underlie them, help promote integration and create a sense of shared responsibility and collective action” (vgl. Pil 2006, S. 354). Die letztgenannte Definition skizziert eine ausführliche Bedeutung der kognitiven Dimension und setzt gemeinsame Visionen und Ziele in Bezug auf kollektiven Handel und Verantwortung. Dieser Ansatz scheint den Zusammenhang zwischen der kognitiven Dimension und Unternehmensnetzwerken am ehesten wiedergeben zu können. Die kulturelle Diversität in Dubai ist ein bekanntes Phänomen, welches oben bereits erläutert worden ist. Die Fragestellung, die in diesem Zusammenhang von Interesse ist, bezieht sich auf die erfolgreiche Einbindung oder Integration von kultureller Heterogenität in ökonomische Austauschprozesse. Die Arabische Welt kann auf umfangreiche Erfahrungen im Umgang mit fremden Kulturen zurückblicken. Die historischen Austauschprozesse, die sich auf Waren, Dienstleis-
222
tungen und Informationen bezogen, beeinflussten auch die unterschiedlichen Kulturen: „Mutual influences between these two worlds have been interpenetrating in their long-lasting impact on business practices and management philosophies“ (vgl. Hutchings/Weir 206, S. 1). Die Existenz der Seidenstraße und die daraus implizierten Interaktionen zeigen, dass auch vor dem Zeitalter der Globalisierung erfolgsträchtige Austauschbeziehungen zwischen unterschiedlichen Kulturen vorkamen. Die Motivation zur Interaktion und Kooperation hat in der Arabischen Welt eine lange Tradition. In ihrer Arbeit beziehen sich Whiteoak/ Crawford/Mapstone auf die muslimisch-arabische Form der sozialen Netzwerke (wasta), die als Folge der historischen Beziehungen entstanden sein könnten, und ihren Einfluss auf Erreichung und Sicherung des wirtschaftlichen Erfolgs. Allerdings verweisen sie auch auf den gesellschaftlichen Wandel in den Vereinigten Arabischen Emiraten, der von den Wasta-Prinzipien abweicht. Sie untermauern ihre These mit dem Beispiel, dass die soziale Struktur immer mehr Formen einer individualistisch geprägten Gesellschaft annimmt (vgl. Whiteoak/Crawford/Mapstone 2006).
Die nachfolgende Ist-Analyse wird zeigen, inwieweit die Argumentation dieser Autoren die Wirklichkeit widerspiegelt und wie wahrscheinlich ein wirtschaftskultureller Wandel ist. Ähnlich wie im letzten Abschnitt ist es auch hier sinnvoll, eine prozessorientierte Herangehensweise zu wählen, denn Integration, Adaption und Wandel von kulturellen Werten und Normen sind einer gewissen Dynamik unterworfen. A.
Interorganisationale Netzwerke
Kooperatives Verhalten zwischen Unternehmen scheint in der Moderne an Bedeutung zuzunehmen. Wie kann die kulturelle Diversität in die Unternehmensnetzwerkprozesse erfolgreich implementiert werden? Aus Sicht der Institutionsökonomie gibt es berechtigte Argumente, formale und informale Elemente bei ökonomischen Austauschprozessen zu berücksichtigen, allerdings kritisiert sie den Mangel an “the manner in which informal and formal constraints combine to shape the performance of organizations and economies“ (vgl. Nee 1998, S. 85). Mit informalen Elementen ist auch der Faktor Kultur gemeint. Eine genauere Charakterisierung der so genannten weichen bzw. informellen Faktoren ist also
223
notwendig, um einen Zusammenhang herstellen zu können. Anhand des Beispiels Dubais wird der Versuch unternommen, interorganisationale Vernetzungen in der Kombination beider Faktoren zusammenzufassen. Das Prinzip des sozialen Kapitals kann bei dieser Vorgehensweise unterstützend wirken (Burt 1992, Tsai/Ghoshal 1998, Weyer 2000). Kulturelle Diversität ist Bestandteil des täglichen Geschäftes, daher ist es umso wichtiger, eine adäquate Handhabung zu entwickeln. In diesem Zusammenhang ist auf die traditionsreichen muslimisch-arabischen Sozial-Netzwerke „wasta“ zu verweisen. In den vorherigen Abschnitten ist wasta in die Netzwerkstudie zwar einbezogen, aber nicht genau definiert worden. Bei der Bearbeitung der kognitiven Dimension ist eine detaillierte Betrachtung sinnvoll, weil dieses Prinzip zum Verständnis der arabischen Kultur und ihres Einflusses auf wirtschaftliche Prozesse beiträgt. In ihrer Arbeit vergleichen Hutchings/Weir das Netzwerkverhalten zwischen der chinesischen und der arabischen Kultur mit der Begründung, dass “international managers need to understand these social networks to facilitate the effectiveness of their subsidiary operations in China and the Arab World and to recognize why these practices continue“ (vgl. Hutchings/Weir 2006, S. 142).
Dubai hat sich aufgrund verschiedener Faktoren (die im nächsten Abschnitt genauer erläutert werden) zum begehrtesten Investitionsstandort der gesamten arabischen Halbinsel entwickelt. Mit gigantischen Wachstumsplänen zieht es nicht nur die Milliarden seiner superreichen Nachbarn an, Dubai hat Unternehmen fast jeder Größe und Branche aus der gesamten Welt in seinen Bann gezogen. Die emiratischen Unternehmen sind auch selbst investier- und kooperationsfreudig. Es wird immer nach guten und erfolgsträchtigen Kooperationsmöglichkeiten Ausschau gehalten. Diese Strategie – isoliert betrachtet – unterscheidet sich nicht von Unternehmensstrategien der westlich geprägten Kultur, aber wie schon bei den vorherigen Absätzen erwähnt, täuscht dieser erste Eindruck. Hutchings/Weir behaupten zu Recht, dass die Tradition der Netzwerkbildung trotz Globalisierung und Modernisierung Bestand hat (vgl. Hutchins/ Weir 2006). Ähnlich
sehen es auch Ali und Kavoossi: Sie argumentieren unabhängig voneinander, dass arabisch-muslimische Werte und Normen noch heute eine wichtige Funktion im wirtschaftlichen Leben einnehmen (Ali 2005, Kavoossi 2001). Die Betrachtung der sozialen Vernetzungen und Verflechtungen wasta wird entscheidende Impul224
se zur Klärung des Zusammenhanges zwischen Tradition und Moderne geben. Währende andere Netzwerkbildungen wie Keiretsu in Japan oder Guanxi in China kontrovers diskutiert worden sind, findet Wasta in der Literatur kaum Beachtung. Nur wenige Autoren beschäftigen sich mit diesem Forschungsgebiet. Das Prinzip Wasta „…involves social networks of interpersonal connections rooted in family and kinship ties and implicating the exercise of power, influence, and information sharing through social and politic-business networks” (vgl. Hutchings/Weir 2006, S. 143). Diese Begriffsdefinition entwirft ein recht genaues Bild der Wasta-basierten Netzwerke. Demnach werden zwar auch Unternehmensnetzwerke gebildet, sie weichen allerdings von den Netzwerken in Europa oder in den USA ab. Trotz der Unterschiede der beiden Typologien zum Vernetzungsverhalten kooperieren Unternehmen beider Kulturen erfolgreich. Die Wirtschaft Dubais wäre ohne interkulturelles, kooperatives Verhalten nicht denkbar. Shaikh Mohammed sieht in der Zusammenarbeit “to achieve the ambitions of the Gulf nations and to provide prosperity and stability so that they can devote their time and effort to social and economic development and to avoiding the spectre of war, which always results in the destruction of humanity” (vgl. http://www.sheikh mohammed.co.ae/vgnexttemplating/v/index.jsp?vgnextoid=bc41c462dbb4110VgnVCM100000b01 40a0aRCRD&QueryPage-page=8/ 25.07.2008)
.
Im Hinblick auf ausländische Unternehmen wurde bereits auf die gesetzlichen Bestimmungen in den Vereinigten Arabischen Emiraten verwiesen, wonach Unternehmen mit lokalen Partnern zwecks Befähigung der Geschäftsaufnahme Kooperationen eingehen müssen. Ausländische Unternehmen sollten sich der sozialen Einbettung bewusst sein. Granovetter würde vermutlich die Situation als „over-embedded“ empfinden (vgl. Granovetter 1985, 2005). Allerdings verweist der wirtschaftliche Erfolg Dubais trotz starker Bindungen die Aussagekraft dieser These in die Schranken. Die Unternehmensnetze basieren überwiegend auf persönlichen Bindungen und sind von häufiger Interaktion geprägt. Die Motivation zur Bildung von Unternehmensnetzwerken genoss in der Geschichte der arabischen Kultur eine hohe Bedeutung. Der Islam begrüßt jede Form von Kooperation, wenn sie von der Leitidee des Lernens und des Fortschritts gekennzeichnet ist. Dieser Anreiz ermutigt ganze arabische Volkswirt-
225
schaften zum kooperativen Verhalten. Alis These bezüglich Arbeit und Kreativität ist auch auf das Phänomen Netzwerk zu übertragen: “Work and creativity were honored in all their forms“ (vgl. Ali 2005, S. 14). Diese Aspekte sind wesentliche Merkmale der Wasta, die ohnehin auf islamischen Werten und Normen basiert. Angeknüpft an das Wasta-Prinzip entstehen einerseits Unternehmensnetzwerken (in erster Linie zwischen familiär verbundenen Unternehmen), andererseits schränkt die islamische Religion kooperatives Handeln in keiner Weise ein. Das Handeln des Propheten Mohammed war in jeder Hinsicht ein kooperatives (vgl. Beekun/Badawi 1999).
Er scheute auch nicht davor zurück, Kooperationen in wirtschaftlicher oder gesellschaftlicher Hinsicht mit Menschen anderer Stämme und Religionen zu schließen. Kooperatives Verhalten wird auch im Qur’an thematisiert: „Oh mankind! We create you from a single (pair) of male and female, and made you into nations and tribes, that ye may know and cooperate with one another” (Qur’an, 49:13) Die Dokumentationen der Lebensführung des Propheten, seine Reden und sein Verhalten im islamischen Sinne (Hadith) beinhalten auch eine Äußerung zur Heterogenität in der Gesellschaft: „Differences in opinion is a virtue“ (vgl. Haykal 1976 S. 105). Das islamische Wertesystem steht also in keinem Widerspruch zu Netzwerkambitionen auf internationaler Ebene. Ein weiteres Merkmal muslimisch-arabischer Wirtschaftskultur ist die Organisation von Unternehmen innerhalb großer Familien. Aus westlicher Sicht behindere der Familismus die wirtschaftliche Entwicklung einer Gesellschaft (Fukuyama 1997). Ali kritisiert die Verbindung zwischen Eigentum und Management und sieht einen wesentlichen Nachteil der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber europäischen oder USamerikanischen Unternehmen: „the lack of separation between ownership and management control, and the absence of a competitive environment may all contribute to a relative lack of competitive spirit and innovation” (vgl. Ali 1999, S. 107). In der Tat gewinnen westlich geprägte Unternehmer oder auch Forscher einen ähnlichen ersten Eindruck von der Unternehmenslandschaft Dubais, der Erfolg spricht aber für die Strategie des Emirates. Diese Argumentation geht zu Lasten der „westlich orientierten Perspektive“. Im Zusammenhang mit den angeblich fehlenden arbeitsteiligen Prozessen einerseits und Unternehmertum andererseits, wird an späterer Stelle verdeutlicht, dass arabisch geprägte Ökonomie durchaus erfolgsorientiert arbeiten kann. 226
Die Mehrheit der privaten Unternehmen in Dubai wird von einzelnen, angesehenen Familien geführt; das Eigentumsrecht liegt bei der Familie. Diese Art des Unternehmertums muss in keinem Widerspruch zu den neuen Organisationstheorien stehen; beispielsweise lässt sich die familienbasierte Unternehmensführung im Rahmen des verfügungsrechtlichen Ansatzes erläutern. Das Entscheidungsproblem, nämlich die Wahl der optimalen Bedingungen für die Nutzung und den Austausch von Verfügungsrechten mit dem Ziel der Schaffung einer ökonomisch optimalen Struktur, wird in Dubai erfolgreich umgesetzt. Es ist zu bedenken, dass Familien in der arabischen Kultur in einer Größenordnung existieren, die für die Industrienationen ungewöhnlich ist. In diesen Großfamilien, die klanähnliche Strukturen aufweisen, sind arbeitsteilige Prozesse möglich und nötig. Auch wirken diese Organisationsformen nicht hemmend auf Kooperationsverhalten. Daher sind auch netzwerkartige Unternehmensorganisationen Bestandteil der Wirtschaftskultur Dubais. Trotz einiger Unterschiede sind auch Gemeinsamkeiten festzustellen: Die Verhandlung und Konsensfindung, die die Netzwerkstudie als einen Koordinierungsmechanismus charakterisiert, wird in beiden Kulturräumen ähnlich gestaltet. In der islamischen Religion nimmt die Beratung Al-Shura eine bedeutende Rolle ein. Die Netzwerkpartner sind nicht nur geschäftlich, sondern auch persönlich, freundschaftlich miteinander verbunden. Im Bezug auf Eigentumsrecht und Managementfragen unterscheidet sich Dubai in einigen Punkten von den anderen benachbarten Staaten am Golf. Während Saudi Arabien oder Kuwait weitgehend ausländische Investitionen im eigenen Land verhindern, übt Dubai das Prinzip der „open door“ aus, d.h. ausländisches Geld und Arbeitnehmer sind willkommen, solange sie die wirtschaftliche Entwicklung fördern (vgl. Nydell 2006). Die auf (Groß-) Familienstrukturen basierten Unternehmensführungen hemmen in keiner Weise das Streben nach Kooperationen mit ausländischen Investoren, Unternehmen oder Bildungseinrichtungen. Es existiert ein Fülle von multikulturell besetzten Unternehmenskooperationen, wie Joint Ventures, die sich erfolgreich am Markt durchgesetzt haben. Im Gegensatz zu Kooperationen in Europa oder USA, basieren sie – entsprechend dem sie umgebenden arabischen Kulturkreis – primär auf persönlichen Bindungen und Ver-
227
flechtungen; vertragliche Fixierungen werden erst im zweiten Schritt vorgenommen. Zwar sind grobe Richtlinien in der emiratischen Gesetzgebung hinterlegt, aber Beratung und Verhandlung sind bedeutende Bestandteile der islamischen Religion und Gesellschaftsordnung. Denn historisch gesehen ist der Islam in einer stark segmentierten Gesellschaft entstanden, in der die Gruppe und nicht das Individuum bestimmend ist (vgl. Allam 2004). Die Funktion der Leitbilder und Visionen ist schon im Abschnitt 6.3.3 vorgestellt worden. Die Idee der Leitbilder und Visionen gilt auch auf der Unternehmensebene. Wie Peng richtig analysierte, ist kulturelle Diversität kein Hindernis, Beziehungen miteinander einzugehen, solange Respekt und Verständnis die Grundlage jeder Interaktion bilden (vgl. Peng 2000). Shaikh Mohammed hat mit seiner Vision des modernen Dubais unglaubliche Kräfte freigesetzt, die Gegenstand späterer Diskussion sein werden. Von den Leitideen der Familie Al-Maktoum, insbesondere denen des Shaikh Mohammeds, haben sich unterschiedlichste Kooperationsformen etabliert, sie alle haben ein Ziel: Die Generierung von Innovation und Wohlstand. Die interorganisationalen Unternehmensnetzwerke haben also in der Wirtschaftskultur Dubais durchaus eine Existenzberechtigung; allerdings ist ihre Bedeutung im Vergleich zu den westlich geprägten Kulturen eher niedrig. Die interorganisationalen Netzwerke, die in der Literatur kaum konkret untersucht worden sind, genießen in Dubai eine besondere Funktion. Die Unternehmen sind sowohl intern als auch extern von kultureller Diversität geprägt. Im Lichte der vielfältigen Studien zur Kultur und ihrem Einfluss auf Freisetzung von Kreativität und Innovation, profitieren Unternehmen von den inhomogenen Beziehungen ihrer Mitarbeiter untereinander. Um der Besonderheit der arabischen Kultur gerecht zu werden, wird nachfolgend die „Dubai Holding“ als ein Netzwerk interpretiert und hinsichtlich kultureller Prägung diskutiert. B.
Intraorganisationale Netzwerke
Der Grund, die Holdinggesellschaft als intraorganisationales Netzwerk zu charakterisieren, beruht auf Annahmen, die sowohl wirtschaftskulturelle Aspekte widerspiegeln, als auch „world class business“-Bedingungen erfüllen.
228
Die Dubai Holding ist der größte Konzern in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Eigentumsrechtlich gehört sie der Regierung Dubais; Shaikh Mohammed Bin Rashid Al-Maktoum hält 99,67 % der Anteile, die restlichen 0,23 % werden von der Familie Al-Maktoum gehalten. Die Dubai Holding wurde im Oktober 2004 gegründet, um die in den letzten Jahren entstandenen großen Infrastrukturund Investitionsvorhaben in Dubai strategisch zusammenzuführen. Außerdem wird die Dubai Holding zukünftige Großvorhaben identifizieren, entwickeln und umsetzen, von denen das Emirat und die Region profitieren werden. Die Dubai Holding hat sich dem Anspruch verschrieben, eine bessere Zukunft für alle mitzugestalten und dies über die gesamte Breite der Branchen, in denen die Unternehmen der Dubai Holding operieren. Alle unter dem Dach der Dubai Holding tätigen Unternehmen konzentrieren sich auf Schlüsselbereiche, die die Entwicklung Dubais als wichtigen Knotenpunkt des Welthandels, der Freizeitwirtschaft und der Finanzwirtschaft unterstützen. Dadurch sollen die Unternehmen angetrieben werden, eine führende Position im Mittleren Osten und darüber hinaus anzustreben. Die Dubai Holding umfasst zurzeit 20 Firmen verschiedener Wirtschaftszweige: vom Gesundheitswesen über Technologie, Finanzwirtschaft, Immobilien, Bildung, Tourismus, Energie, Kommunikation, Industrie und Biotechnologie bis hin zum Hotellerie- und Gastgewerbe. Die Liste der Tochterunternehmen beinhaltet international wettbewerbsfähige Unternehmungen, wie beispielsweise Dubai Properties, Jumeira Group, Dubai Investment Group, Dubai Healthcare City, Dubiotech und Samacon. Die meisten der Tochterunternehmen pflegen netzwerkartige Beziehungen zu Unternehmen in aller Welt. Die Dubai Healthcare City kooperiert im Bereich Forschung und Entwicklung mit dem Universitätskrankenhaus Eppendorf in Hamburg; die Dubai Investment Group hat das Hansecenter Rostock gekauft; Hotels in New York, Kuala Lumpur, Berlin und München werden von der Jumeira Group betrieben. Die Dubai Knowledge City arbeitet mit international führenden Universitäten zusammen usw. Desweiteren hält die Dubai Holding beispielsweise Aktien von Mercedes Benz (2%), EADS (12%), Dubai Bank (70%) oder Emirates Towers (75%). Der Zusammenhang zwischen der muslimisch-arabischer Kultur und einem global agierenden Konzern mag Forscher und Manager gleichermaßen überraschen. Aber die Dubai Holding ist ein exzellentes Beispiel zur Demonstration, dass muslimi229
sche-arabische Gesellschaften durchaus die Kompetenz zur erfolgreichen, wettbewerbsfähigen Unternehmensführung entwickeln können. Wie oben erwähnt gehört die Dubai Holding einer einzigen großen Familie. Die Beziehungen innerhalb dieser Familie sind von besonderer Intensität und basieren auf Vertrauen. Sämtliche Schlüsselpositionen sind von Mitgliedern der Al-Maktoum-Familie besetzt. Sie sind nicht nur Unternehmer, Shaikh Mohammed ist Regierungschef in Dubai und Vizepräsident der Vereinigten Arabischen Emirate. Diese wenigen Aspekte mögen jeden Soziologen, Anthropologen oder auch Ökonomen an feudale Strukturen im Mittelalter erinnern. Dennoch gehört die Dubai Holding zu den innovativsten Unternehmensgruppen in der Arabischen Welt und entwickelt sich auch aus globaler Perspektive zu einem der profitabelsten Unternehmen. Ihr Erfolg basiert zum einen auf persönlichen, teilweise verwandtschaftlichen Beziehungen der Konzernspitze, zum anderen akquiriert sie die begehrtesten ausländischen Berater. Die Verkettung bzw. Wechselwirkung zwischen Leitideen und Visionen einerseits und die Zusammenarbeit mit international erfahrenen Gelehrten oder Managementberatern andererseits, ist vermutlich eine Hauptursache des Erfolges des Emirates Dubai.
Aufgrund der Forschungslücke sind keine empirischen Daten vorzufinden. Die Annahmen bezüglich Erfolgserzielung und Unternehmenskooperation beruhen auf persönlichen Erfahrungen und Gesprächen der Autorin mit emiratischen und ausländischen Unternehmern und Expatriats in Managementfunktionen.
5.4.4
Zusammenfassung
Die Diskussion des inter- und intraorganisationalen Vernetzungsverhaltens hat einige Einblicke in die Wirtschaftskultur Dubais gewährt. Es hat sich herausgestellt, dass Unternehmensnetzwerke im westlichen Kulturraum und in Dubai Parallelen und Differenzen aufweisen. Die Parallelen basieren vor allem auf den Anforderungen der Globalisierung an Unternehmen, d.h. der Wunsch der Unternehmen in Dubai nach Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Kontext führte
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zu Veränderungen im gesamtwirtschaftlichen Bereich. Vor wenigen Jahrzehnten war das Unternehmertum von kleinen, lokal ansässigen Einheiten geprägt. Aus diesen Unternehmensstrukturen sind heute so genannte Global Player hervorgegangen, die viel Beachtung und Bewunderung finden. Die Strukturelle Ebene der Unternehmensnetzwerke hat ein Bild entworfen, welches einen Wandel von Unternehmenszusammenarbeit zeigt. Beginnend mit der historischen Organisation in Stämmen veränderte sich die Struktur von Gemeinschaften nach der Islamisierung der arabischen Halbinsel. Die Bedeutung der Gruppenzugehörigkeit in Stämmen nahm zugunsten der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft aller Muslime (Umma) ab. Aus dieser Einbettung des Individuums in eine muslimische Gemeinschaft ging die Wasta hervor. Diese Entwicklung führte zu neuen Veränderungen in der (ökonomischen) Beziehungslandschaft: Wasta verbindet islamische Werte und Normen mit familienintensiven Beziehungen. Merkmale der Wasta zeigen sich in der Organisation der Unternehmen durch (Groß-)Familien. Diese familiären Verflechtungen führten aber keineswegs zu einem isolierten und von der restlichen Welt abhängigen Wirtschaftssystem. Dieses war stets von Austauschprozessen jeglicher Form geprägt. Die Form und Intensität von Unternehmensbeziehungen haben sich mit der Globalisierung stark verändert. Die Unternehmensgrenzen der großen, bedeutenden Global Player weichen zugunsten netzwerkartiger Strukturen auf. Diese Entwicklung ist nicht zu 100% auf das Vernetzungsverhalten in Dubai zu übertragen. Die Diskussion der relationalen und kognitiven Ebenen skizziert ein Gesamtbild in Unternehmenskooperationen, das sich zwar in Richtung netzwerkartiger Strukturen verändert, aber die traditionellen islamischen Werte und Normen nicht abschütteln möchte und kann. Der Eingriff des Staates in die wirtschaftlichen Prozesse ist im hohen Maße für die Gestaltung von Kooperationen verantwortlich. An der strukturellen Ebene ist dieser Eingriff mit der gesetzlichen Reglung des Sponsors oder des „Local Service Agent“ aufgezeigt. Die Unternehmensbeziehungen sind zwischen ausländischen Investoren und emiratischen Staatsangehörigen zwar per Gesetz vorgeschrieben, aber nichtsdestotrotz unterscheiden sie sich nicht hinsichtlich ihrer Beziehungsqualität von Beziehungen zwischen kulturell homogenen Unterneh-
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mensnetzwerken. Im Gegensatz zu westlich geprägten Unternehmensnetzen sind die Vernetzungen in Dubai durch die folgenden Merkmale gekennzeichnet:
Staatlicher/ politischer Eingriff in die Netzwerkprozesse
Starke familiäre Beziehungen prägen nachhaltig die Entwicklung
Beziehungsnetzwerke basieren auf persönlich-freundschaftlichen Beziehungen
Islamische Werte und Normen beeinflussen das Vernetzungsverhalten
Trotz dieser Unterscheidungen konnten aber auch Gemeinsamkeiten zwischen dem westlichen und emiratischen Vernetzungsverhalten festgestellt werden, die sich primär auf den Koordinierungsmechanismus Vertrauen und Verhandlung bezieht. In beiden Kulturräumen hängt der Erfolg des Gesamtnetzwerkes von den vertrauensbasierten Beziehungen der Netzwerkpartner, dem Prinzip des reziproken Verhaltens und der Vermeidung von Opportunismus ab. Die starken persönlichen Beziehungen in Dubai erzeugen nicht nur Vertrauen in ökonomischer, sondern auch in sozialer Hinsicht. Daher ist der Vertrauensaufbau von einer gewissen Komplexität geprägt. Die Kopplung des persönlichen Vertrauens an das institutionelle Vertrauen ist nicht nur in der Vertrauensaufbauphase zeitintensiv, was sich oftmals als kostspielig erweist. Neben dem Faktor Vertrauen ist Verhandlung ein wesentliches Merkmal der Unternehmens-kooperationen. Wie schon erläutert, begrüßt der Islam Entscheidungsfindungen als Resultat von Verhandlung und Beratung. Der Prophet Mohammed hat sich in fast jeder Angelegenheit beraten lassen. Das Shura-Prinzip ist ein Bestandteil der islamischen Religion und infolge beeinflusst es auch die persönlichen und ökonomischen Entscheidungen. Diese Prozesse sind insgesamt einer Dynamik unterworfen; es ist problematisch ein Muster und einen Katalog anzubieten, da Vernetzungen keine starren Gebilde sind, sondern eingebettet in ein dynamisches Umfeld, welches einem gesellschaftlich-wirtschaftlichen Wandel unterliegt. Die Entwicklung des Dreiphasenmodells sollte dem Leser trotz der besonderen Dynamik in Dubai die Formation und Evolution von Unternehmensnetzen veranschaulichen. Dieses Modell ist aus einer Einbettung in die muslimisch-arabische Kultur entstanden, berücksichtigt aber auch betriebswirtschaftliche Prozesse. 232
Die gewonnen Erkenntnisse aus der kognitiven Ebene haben vor allem die Bedeutung von intraorganisationalen Vernetzungen hervorgehoben. Am Beispiel der Dubai-Holding ist das wirtschaftliche Potential Dubais im internationalen Kontext aufgezeigt. Es ist evident, dass traditionelle, muslimisch-arabische Werte in keinem Widerspruch zur erfolgreichen Gestaltung von Wirtschaftsprozessen stehen. Der ökonomische Erfolg Dubais lebt von den Leitideen einer kleinen Elite einerseits und dem toleranten Verhalten Dubais gegenüber anderen Kulturen andererseits. Der Grad der Erfolgserreichung hängt im Wesentlichen von diesen beiden Faktoren ab. Maarif fasst in seiner Arbeit zu „Islam and the Challenge of Managing Globalization“ viele Facetten einer fruchtbaren Kooperation zusammmen: “Difference according to the Qur’an is not only to be tolerated and accepted. It is to be celebrated as the object of creation itself” (vgl. Maarif 2002, S. 145). Diese Aussagen werden durch einen weiteren Vers aus dem Qur’an unterstützt: “And had your Lord so willed; he could surely have made the whole mankind one single community, but He willed it otherwise, and so they continue to differ save among those on whom God has bestowed his grace and for this He has ceated them” (vgl. Qur’an 1:118).
Im islamischen Sinne ist Diversität in jeglicher Form gottgewollt. Die Muslime sollten die Heterogenität zwecks Bereicherung des Lebens sehen. Demnach ist die Verschlossenheit einiger muslimischer Gemeinschaften gegenüber anderen Kulturen nicht im Sinne der islamischen Lehre. Die Pionierrolle Dubais definiert sich vor allem in seiner Aufgeschlossenheit und Toleranz gegenüber anderen Kulturen und der Integration der Diversität in die gesellschaftlich-wirtschaftlichen Prozesse. Die facettenreiche Diskussion der Unternehmensnetze wird im Rahmen dieser Arbeit vor allem unter ökonomischen Aspekten betrieben. Nachdem eine Zusammenfassung der unterschiedlichen Dimensionen und einige Implikationen dargestellt werden konnten, sollen im nächsten Teilabschnitt die drei bereits bekannten Prozesse im Hinblick auf ihre Aktivierung diskutiert werden. Ähnlich der Charakterisierung der persönlichen Netzwerke, bilden die von Bouncken entwickelten mentalen Modellen und Handlungsschemata die Grund233
lage weiterer Untersuchungen (vgl. Bouncken 2003). Die Unternehmensnetzwerkstudien fokussieren häufig die interorganisationalen Beziehungen von Unternehmen (Uzzi 1999, Sydow 2000, Tsai 2000). Um der Bedeutung der intraorganisationalen Unternehmensnetze in Dubai gerecht zu werden und einen Beitrag zur Schließung der Forschungslücke zu leisten, werden diese Vernetzungen Gegenstand der Betrachtung sein. Arbeitsteilige Prozesse Wie bereits konstatiert, ist eine Arbeitsteiligkeit in Unternehmensnetzen mit starken verwandtschaftlichen oder freundschaftlichen Beziehungen möglich. Die Kompetenzentwicklung ist aber nicht primär Merkmal dieser Vernetzungsform. Ähnlich wie bei Unternehmen in westlichen Kulturräumen sind die Möglichkeiten begrenzt, um zu „develop within its boundaries all the critical knowledge needed to prosper and grow“ (vgl. Almeida/Grant/Phene 2002). Es ist aber zu beobachten, dass emiratische Unternehmen zur Beschaffung und Sicherung von Ressourcen zunächst firmeninterne Potentiale aktivieren. Zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen sind daher die intraorganisationalen Vernetzungen von hoher Bedeutung. Ein Vorstandsmitglied einer neuen internationalen Airline bestätigte die Beobachtung: Die Unternehmen verfolgen die Strategie, Kompetenzen (Expertenwissen) zunächst international einzukaufen und diese Experten durch interne Vernetzungsprozesse in die Gesamtstrategie einzubinden. Es ergeben sich unterschiedliche Vernetzungsmöglichkeiten innerhalb der Wertschöpfungskette. Einige Autoren vertreten die Meinung, dass „…networks of intraorganizational linkages are effective for sourcing and transferring knowledge that leads to competitive advantage” (vgl. Bartlett 1990, Ghoshal 1998, Powell 1990, Tsai 2000). Zusätzliches Ziel dieser Strategie ist es, einen möglichst uneingeschränkten Zugriff auf dieses Wissen und die Kompetenzen sicher zu stellen. Die soziale Einbettung der Mitarbeiter in persönliche und vertrauensbasierte Netzwerke und die gemeinsame Unternehmenskultur motivieren zu Ressourcen- und Wissensaustausch. Die Kombination des ressourcenbasierten Ansatzes mit der sozialen Netzwerkperspektive können innerhalb der Unternehmen zur Wissensteilung bzw. Wissenstransfer, Kreativität und Innovation führen (vgl. Tsai 2000). 234
Die kulturelle Heterogenität ermöglicht immer wieder neue Kombinationen von Vernetzungen; das Netzwerk gewinnt durch Verlassen einiger Netzwerkpartner und Aufnahme neuer Impulse. Diese sind insbesondere bei Innovationsprozessen von großer Bedeutung. Die Diffusion von Ressourcen und Kompetenzen – gemeinsamen und voneinander Lernen – lassen sich aus dem Ansatz der sozialen Netzwerke, insbesondere des sozialen Kapitals, ableiten. Damit nicht alle Personen oder Organisationseinheiten alles selbst erfinden müssen, können sie auf vorhandenes Wissen zurückgreifen und dieses bei Bedarf weiterentwickeln (vgl. Bouncken 2003). Das soziale Kapital funktioniert in dem Zusammenhang als „Schmiermittel“ zum Transfer von Wissen, d.h. Lernprozesse lassen sich in persönlicher und vertrauensbasierter Atmosphäre effizienter gestalten als in unpersönlichen und anonymen Beziehungen. In persönlichen, dauerhaften Beziehungen ist ein gewisses Maß an Vertrauen entwickelt, welches die Angst vor Missbrauch und Verlust des Wissens reduziert. Für die internen Lernprozesse nutzen Unternehmen das Potential der kulturellen Heterogenität: „cross cultural alliances are important learning tools“ (vgl. Almeida/ Grant/Phene 2002). Allgemein sind Lernprozesse gewissen Problematiken unterworfen. Beispielsweise ist das Teilen des impliziten Wissens mit einigen Schwierigkeiten versehen. Polanys Terminologie des „tacit knowledge“ ist „by nature difficult to identify and transfer and requires 'rich' mechanisms to facilitate its flow” (vgl. Polany 1966, Almeida/Grant/Phene 2002).
Mit “rich mechanisms” sind die häufigen und intensiven Interaktionen gemeint. Die Form der Beziehungen ist ein wesentliches Merkmal der arabischen Kultur und eignet sich gut für gemeinsame Lernprozesse. Die Innovation in interorganisationalen Vernetzungen basiert auf der Entstehung von neuem, spezifischen Wissen und Kompetenzen. Die Generierung von Innovationen geht auf das Kreativitätspotential der Netzwerkpartner zurück und ist dynamischen Netzwerkprozessen unterlegen. Zur Entwicklung neuer Ideen und Innovationen müssen Unternehmen „…reallocate resources, to combine new resources, or to combine existing resources in new ways” (vgl. Tsai/Ghoshal 1998, Tsai 2000). Für die nachhaltige Erreichung und Sicherung von Wettbewerbsvortei235
len ist es notwendig, Unternehmenseinheiten bzw. Teams immer wieder neu zu kombinieren. Besonders die Interkulturalität kann aufgrund unterschiedlicher Denk- und Handlungsweisen zur Generierung neuer Ideen genutzt werden. In der jüngeren Zeit hat sich die Literatur mit dem Zusammenhang zwischen Diversität, Kreativität und Innovation verstärkt auseinander gesetzt und herausgefunden, dass dieser Zusammenhang evident ist und er einen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten kann (vgl. Hofstede 2002). Die Intensivierung von heterogenen Beziehungen kann im ersten Schritt zu hohen Transaktionskosten führen. Nur große und finanzstarke Unternehmen sind in der Lage, diese Kosten abzufangen. Der Aufbau persönlicher Kontakte ist zwar kostenintensiv, aber die Entwicklung von abteilungsübergreifendem Vertrauen und die Erreichung des Status der Vertrauenswürdigkeit setzt Kreativität und Innovationspotenzial frei. Uzzi glaubt, dass vor allem die Vertrauenswürdigkeit „facilitate the exchange of resources and information that are crucial for high performance but are difficult to value and transfer via market ties“ (vgl. Uzzi 1996, S. 678). In Kahles Aufsatz zur Unternehmenskultur und ihrer Bedeutung für die Unternehmensführung empfiehlt der Verfasser die Schaffung von affektiven Bindungen äuȕert sich wir folgt: „…eine Kultur so zu beeinflussen, dass sie zu einer Identifikation der Mitglieder mit dem Unternehmen führt, ist eine besondere Art der Führung nötig, wobei sowohl Inhalte als auch Führungsstil einbezogen sind“ (vgl. Kahle 1991, S. 21). Denn „Trust is not automatic“ (vgl. Johnson/ Cullen 2002, S. 336). Die Führung eines Unternehmens muss in der Lage sein, Unternehmensziele klar zu formulieren und in die Unternehmenskultur zu integrieren. Es ist zu vermuten, dass „an organizational unit’s strategic relatedness will be positively related to the rate of new linkage creation” (vgl. Tsai 2000, S. 929). In der Literatur sind weitere Hinweise vorzufinden, die sich auf die Gesamtausrichtung des Unternehmens beziehen; dabei wird besonders die Dynamik der Vertrauensbildung und Entwicklung hervorgehoben. Johnson und Cullen untersuchen den Vertrauensaufbau in interkulturellen Beziehungen und subsumieren, dass „to the extent that the interests of the exchange parties align, trust has the potential to increase and build to some level“ (vgl. Johnson/ Cullen 2002, S, 341). Vertrauensbildung und Erreichung des Sta-
236
tus der Vertrauenswürdigkeit kann durch die Unternehmensführung initiiert werden, indem sie alle beteiligten Personen in die relevanten Prozesse einbindet. Diese beiden Bedingungen lassen sich gut auf emiratische Unternehmen übertragen. Der persönliche Führungsstil, die Verflechtungen von persönlichen und privaten Beziehungen auf allen Ebenen erzeugen eine gewisse emotionale Nähe zur Unternehmenskultur und Strategie des Unternehmens. Diese Atmosphäre schafft im Idealfall das Gefühl „wir sind eine große Familie“, von dem die gesamte Organisation profitieren kann. Das bedeutet aber nicht, dass emratische Unternehmen auf interorganisationale Vernetzungen verzichten. Zwecks effizienter Nutzung von Wissen und Entwicklung von Kompetenzen ist es notwendig, auch netzwerkartige Kooperationen mit anderen Unternehmen oder Bildungseinrichtungen einzugehen. Die Kooperationen mit Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen werden öfter eingegangen als mit konkurrierenden Wettbewerbern. Weiterführende Forschungsarbeiten könnten sich mit sozialen Vernetzungen zwischen Menschen individualistisch und kollektivistisch geprägter Kulturen und den daraus entstehenden Wechselwirkungen auseinander setzen. Die Rolle Dubais ist im Zusammenhang der sozialen Netzwerke von großer Bedeutung und wird daher ausführlicher thematisiert. 5.5
Dubai – das fokale Element?
Die wirtschaftliche Struktur eines Landes verrät viel über seine Kultur (vgl. Fukuyama 1997).
Es sind bereits einige wichtige Merkmale der wirtschaftlichen Struktur Dubais hervorgehoben und der Frage nach möglichen Erfolgsfaktoren nachgegangen worden. Im Zuge dieser Überlegungen ist die Rolle und Funktion von sozialen Netzwerken ins Blickfeld geraten. Es konnte aufgezeigt werden, dass der Umgang mit Netzwerken in einem muslimisch-arabischen Umfeld eine spezifische Herangehensweise erfordert. Aus der Methodik der Dimensionierung von Netzwerken konnte eine Vielzahl von Informationen abgeleitet werden. Zur Charakterisierung des Dubai-Netzwerks wird von einer Vorgehensweise wie bei der Darstellung der persönlichen und Unternehmensnetzwerke abgesehen, 237
weil jene unweigerlich zu Redundanzen führen würde. Aus der Besonderheit der Netzwerklandschaft vor Ort und dem kohärenten Erscheinungsbild der unterschiedlichen Netzwerke in ihrem Entstehen und Wirken ist die Idee entstanden, das Dubai Netzwerk aus einer anderen Perspektive zu diskutieren. Die persönlichen und die Unternehmensnetzwerke sind der Ausdruck und die Konsequenz eines Wirtschaftssystems, das eine Wechselwirkung verschiedener Teilsysteme beinhaltet. Die hierarchisch organisierte Wirtschaftskultur, die ihre Wurzeln in der Stammesorganisation hat, wirkt sich auch auf die Organisation von Netzwerken aus. Abweichend von der These Fischers, verläuft die Koordinierung in Netzwerken hierarchisch. Diese strategischen Netzwerke sind von anderen Unternehmensnetzwerken abzugrenzen, weil sie sich in einigen Aspekten (wie der Integration der fokalen Unternehmung) von anderen Netzwerkformen unterscheiden. Das fokale Unternehmen übernimmt demnach für einen festgelegten Zeitrahmen die Führung innerhalb des Netzes. Die Aufgaben dieser zentralen Einheit sind vielfältig: Unter anderem äußern sie sich zum Beispiel darin, dass der Markt, in dem das strategische Netzwerk tätig ist, im Wesentlichen von der fokalen Unternehmung definiert wird oder Strategien zur Bearbeitung des Marktes vorgegeben werden (vgl. Dahanraj/Parkhe sehen die Aufgaben des fokalen Unternehmen vor allem darin, „…value must be created and extracted from the network and effective creation and extraction of value hinge on certain deliberate, purposeful actions” (vgl. Dhanaraj/Parkhe, 2006. S. 660). Gulati/Gargiulo haben eine hierarchische Systematisierung vorgenommen, demnach sich alle Netzwerkmitglieder in die „hub, semiperipheral, and peripheral“-Netze einordnen lassen (vgl. Gulati/Gargiulo Sydow 1992).
1999).
Sowohl in der deutschen, als auch in der anglosächsischen Literatur wird die Bedeutung dieser fokalen Unternehmen überwiegend vernachlässigt, weil Netzwerken häufig eine selbstorganisierende Kompetenz (Autopoiesis) eingeräumt wird. Zum Beispiel ist in der Suchmaschine der Academy of Management nur ein einziger relevanter Eintrag vorzufinden.
238
Basierend auf den wenigen theoretischen Grundlagen wird nachfolgend der Frage nachgegangen, wie die Steuerung bzw. Führung von Netzwerken in Dubai organisiert ist. 5.5.1
Steuerung in Netzwerken
Welche Formen der Organisation in Netzwerken sind denkbar? Im Zusammenhang mit der Koordinierung in Unternehmensnetzwerken ist in der Literatur ein Theoriedefizit vorhanden, das vor allem auf der selbstorganisierenden Funktion von Netzwerken begründet ist. Es entsteht der Eindruck, dass sich mit der Evolution der Netzwerke die Forschung von traditionellen Koordinierungsformen (wie Führung) verabschiedet hat. Erfüllt Dubai die Funktion des koordinierenden Elements beim Zusammenwirken von unterschiedlichen Netzwerken oder ist die Rolle dieses Emirates als eine eher unabhängige anzusehen? Der modernen Soziologie folgend, ist die Position des fokalen Elementes von wesentlicher Bedeutung, da es als ein Netz von aufeinander abgestimmten, sozialen Rollen ein geregeltes Zusammenleben erst ermöglicht (vgl. Tenbruck 1990, S. 230). Zur Komplexitätsbewältigung in einer globalisierten Welt sind seine Funktion und Aufgabenfelder wichtig, weil „…in recent years the workforce has become considerably more diverse in terms of race, sex, ethnicity, and a host of other cultures“ (vgl. Stone/Stone-Romero 2004, S. 78). Die Rolle Dubais als einziges fokales Element hat unmittelbare Konsequenzen für alle anderen Netze. Die Strategische Ausrichtung des Emirates liegt in jeder Hinsicht in der Handlungskompetenz der AlMaktoum Familie, die alles verkörpert, was Dubai ausmacht. Die strategische Richtung wird im Gesamtnetzwerk vorgegeben. Mit dem Gesamtnetzwerk ist das Gesamtgefüge aller Netze in Dubai gemeint. Dieser Strategie folgend ergeben sich implizit für die persönlichen und explizit für die Unternehmensnetzwerke Handlungsmaximen, die sich unter anderem in der Zielsetzung des Gesamtnetzwerkes niederschlagen. Die Vorgaben können unterschiedliche Effekte auslösen, wie die Stabilität, die durch eine klar definierte „Marschrichtung“ erhöht wird, denn „a hub firm can fortify reciprocal behavior and make the shadow of the future an effective promoter of cooperation“ (vgl. Dhanarag/Parkhe, 2006. S.664).
239
Insgesamt geht es darum, im Gesamtnetzwerk einen gemeinsamen Sinnhorizont zu ermöglichen, um so Problembewältigung, gelingende Kooperation und schließlich ökonomischen Erfolg wahrscheinlich zu machen. Aus der Ressource Based Perspektive lassen sich gezielt erforderliche Kompetenzen bündeln. Die Eigeninteressen der Netzwerkmitglieder treten dabei teilweise in den Hintergrund. Zu genau formulierte Zielvorgaben können den notwendigen Handlungsspielraum einengen, was sich negativ auf Kreativität und Innovationsfähigkeit auswirken kann. Die Frage nach der Handlungsfreiheit ist nicht ideologischer Natur, sondern notwendig für das Überleben und die Weiterentwicklung. Aus der Korrelation von Hierarchie als Strukturmerkmal und Handlungsfreiheit als Verhaltensmerkmal ergeben sich Problemfelder in der Organisation von Netzwerken. Die Weisung durch Hierachie sorgt für Ordnung, die notwendig ist, damit das Neue nicht im Chaos untergeht, aber zur Entwicklung des Neuen ist Freiheit unvermeidlich. Nur durch Handlungsfreiheit kommt das Neue, das noch nicht Gesehene, in die Welt (vgl. Mirow 2005) Die Schwierigkeit besteht darin, die Balance zwischen Weisung durch Hierachie und der erforderlichen Handlungsfreiheit zu finden. Die Weisungen des fokalen Unternehmens sind grundsätzlich strategischer Natur und räumen anderen Netzwerkorganisationen auf der operativen Ebene den nötigen Freiraum ein.
Abbildung 6: Dubai das fokale Element
240
In der Abbildung 6 sind einige Tätigkeitsfelder Dubais als fokale Unternehmung dargestellt. Die nach außen gerichteten Tätigkeiten beziehen sich auf das Verhältnis der fokalen Unternehmung zur Umwelt. In diesem Zusammenhang ist die Übersetzungsfunktion Dubais hervorzuheben. Die Rolle des Übersetzers bezieht sich auf die Vermittlung der muslimisch-arabischen Kultur und des dahinter gelagerten Wertesystems gegenüber Netzwerkpartnern anderer kultureller Prägung – und umgekehrt – vermittelt Dubai die fremde Kultur dem emiratischen Partner. Die Managementfunktion, die sich auf die Netzwerkorganisationen bezieht, ist der wissensbasierten Ökonomie Dubais zuzuordnen. Stabilität ist ein weiteres Aufgabengebiet der fokalen Einheit. Die kurz umrissene Rolle Dubais als fokale Unternehmung in der Gesamtorganisation läßt noch viele Fragen offen, wie z.B. das Zusammenwirken zwischen Koordinierungsmerkmalen Weisung und Vertrauen, die hier nicht weiter behandelt werden können.
5.5.2
Zusammenfassung
Die soziale Vernetzung auf unterschiedlichen Ebenen war das Thema dieses Kapitels. Die Entscheidung, soziale Netzwerke in persönliche, Unternehmens- und das Dubainetzwerk zu untergliedern beruht auf der Wirtschaftskultur Dubais. Aufgrund der ausführlichen Darstellungen im Text, wird zur Vermeidung von Redundanzen auf eine detailliertere Zusammenfassung verzichtet. Aus dem Gesamtkontext der Wirtschaftskultur und der Geschichte der Arabischen Welt wird skizziert, wie das Emirat Dubai sowohl die politische als auch die ökonomische Führung übernehmen kann. Die besondere Ausführlichkeit des Kapitels ist in der Gewichtung von Vernetzung zu sehen. Sie bezieht sich auf die inneren Kräfte im Sinne Ibn Khaldnjns, die gesellschaftlichen Wandel und Weiterentwicklung stimulieren. Der Fortschrittsvorsprung gegenüber weiten Teilen der übrigen Arabischen Welt ist in der Interkulturalität und der Vernetzung der Gesellschaft Dubais begründet.
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6
Fazit
Im Widerspruch zu Fukuyamas Standpunkten zeigt diese Arbeit, dass das individuelle, ökonomische Verhalten des Einzelnen für den Wirtschaftsboom in Dubai von großer Bedeutung ist. Es ist dargestellt worden, dass die erfolgreiche Wirtschaftskultur Dubais durch die geographische Lage Dubais, das muslimischarabische Wertesystem, den visionären Führungsstil des Herrschers im Sinne des good Governanace, die besondere Berücksichtigung von Wissen und Bildung und die kulturelle Vielfalt, die sich in der Vernetztheit der Gesellschaft widerspiegelt, begründet ist. Die Innovationskraft Dubais ist das Ergebnis der Verknüpfung dieser Faktoren. In der unteren Abbildung sind die Determinanten der Wirtschaftskultur abgebildet. (siehe Abbildung Numer 7)
Abbildung 7: Die Determinanten der Wirtschaftskultur Dubais 243 W. Haak-Saheem, Dubai als Staat und Organisation, DOI 10.1007/978-3-8349-6696-4_6, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Es konnte belegt werden, dass der Islam weder im Widerspruch zu der kapitalistischen Wirtschaftsordnung steht, noch den Fortschritt behindert. Die Rückständigkeit und Stagnation großer Teile der Arabischen Welt ist einerseits auf der Instrumentalisierung der Religion zu Gunsten politischer Machtverteilung begründet; auf der anderen Seite behindert die Idealisierung geschichlicher Erfolge des frühen Islam den Fortschritt, weil sie den Wandel nicht berücksichtigt. Die Worte Shaikh Mohammeds belegen, dass Dubais strategische Ausrichtung zwar die Vergangenheit nicht vergisst, diese aber eine untergeordnete Rolle einnimmt: “Unlike others, we are not content to settle for what was accomplished in the past, because life doesn't stop and it doesn't care about those who stop because they are content with what they have achieved” oder “We have succeeded because we have always believed that tomorrow is a new day, that yesterday's achievements are in the past and that history will record what we achieve in the future, not what we have achieved in the past” (Shaikh Mohammed bin Rashik al Maktoum 2006)
Die Konzentration auf gegenwärtige und zukünftige Planung erfordert einen Paradigmenwechsel, den die Arabische Welt dringend benötigt. Es geht nicht darum, sich der Geschichte zu entledigen. Sie kann helfen, gegenwärtige Prozesse zu verstehen und zukünftige besser planen zu können. Der Wandel der Gesellschaft in den Jahrhunderten darf aber dabei nicht übersehen werden. Der wirtschaftliche Aufschwung Dubais wird in dieser Form nicht imitierbar sein. Er kann aber die muslimisch-arabische Welt motivieren, ähnliche Entwicklungen zu durchlaufen. Die rasante wirtschaftliche Entwicklung hat aber auch Schattenseiten, die in einer wissenschaftlichen Arbeit nicht vernachlässigt werden dürfen. Die hohe Geschwindigkeit des Fortschritts überfordert die menschliche Kompetenz, den Wandel verarbeiten zu können, denn der Mensch braucht naturgemäßig eine gewisse Zeit, um Veränderungen in die eigene Lebensweise einzubinden. Gelingt es der Regierung nicht, die Bevölkerung dauerhaft in den wirtschaftlichen Prozess einzubinden, ist die Gefahr der Entstehung von Reaktanz gegenüber dem ökonomischen Fortschritt besonders hoch.
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