Michael Karrer Supply Chain Performance Management
GABLER EDITION WISSENSCHAFT Supply Chain Management Beitrage zu Beschaffung und Logistik Herausgegeben von Prof. Dr. Michael EBig, Universitat der Bundeswehr Munchen Prof. Dr. Wolfgang Stolzle, Universitat St. Gallon
Industrielle Wertschopfung wird immer komplexer. Der steigende Wettbewerbsdruck zwingt zu differenzierten Angeboten, gleichzeitig nimmt der Kostendruck zu. Unternehmen konnen diesen gestiegenen Anforderungen nur gerecht werden, wenn sie neben der Optimierung eigener Produktion besonderen Wert auf die Gestaltung effektiver und effizienter Netzwerke legen. Supply Chain Management befasst sich mit unternehmensubergreifenden Wertschopfungsaktivitaten von der Rohstoffgewinnung bis zur Endkundendistribution. Die Schriftenreihe sieht sich dabei besonders den lange vernachlassigten betriebswirtschaftlichen Teildisziplinen Beschaffung und Logistik verpflichtet, die als Treiber des Supply Chain Management gelten.
Michael Karrer
Supply Chain Performance Management Entwicklung und Ausgestaltung einer unternehmensiJbergreifenden Steuerungskonzeption
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Wolfgang Stolzle, Universitat St. Gallen
Deutscher Universitats-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet iiber
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Dissertation Universitat Duisburg-Essen (Campus Duisburg), 2005
1.AuflageFebruar2006 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universltats-Verlag/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siegel / Stefanie Loyal Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschlielilich aller seiner Telle ist urheberrechtlich geschiitzt. Jede Verwertung auSerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden diJrften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, ScheBlitz Gedruckt auf saurefrelem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 3-8350-0165-5
Geleitwort
In vielen betriebswirtschaftlichen Teildisziplinen hat in den letzten Jahren das Performance Management eine groBe Beachtung gefunden. Dies gilt beispielsweise fur den Finance- und Controllingbereich oder fur den Personalbereich. In der Logistik wurde das Performance Management jedoch ebenso wenig diskutiert wie im Konzept des Supply Chain Managements (SCM), das im Unterschied zur Logistik einen untemehmensubergreifenden, netzwerkorientierten Schwerpunkt setzt und neben den Material- und Warenfliissen auch Finanzfltisse sowie weitere, nicht direkt mit der Logistik zusammenhSngende Geschaftsprozesse anspricht. Die Steuerung von Supply Chains weist somit eine beachtliche Komplexitat auf, die auch vor dem Hintergrund der Unkenntnis iiber den Erfolgsbeitrag des SCM-Konzepts und des Fehlens klarer hierarchischer Strukturen in untemehmensiibergreifenden Netzwerken zu Vorbehalten bei der SCM-Implementierung in der Praxis fuhrt. Die vorliegende Dissertation von Michael Karrer greift diese Forschungslticke auf, indem zunSchst systematisch die Steuerungsliicken im SCM-Konzept analysiert und darauf aufbauend die Notwendigkeit eines Performance Managements abgeleitet wird. Die Zusammenfuhrung beider betriebswirtschaftlicher Konzepte - Performance Management einerseits und Supply Chain Management andererseits - miindet in das Supply Chain Performance Management. Dessen konzeptionelle Ausgestaltung im Sinne einer interorganisationalen Steuerung von Supply Chains bildet den Kern der Forschungsarbeit, die zudem eine erste empirische Auseinandersetzung mit diesem neuen Themenbereich enthalt. Im Zuge der theoretischen Fundierung greift der Verfasser auf den aktuellen Entwicklungsstand der Netzwerkforschung, des Performance Measurements, der wertorientierten Unternehmensfiihrung sowie des Controllings zuruck. Auf Basis dieser ambitionierten und breit angelegten Analyse entwickelt er die „Supply Chain Performance Management-Konzeption", welche die theoriegeleitet entwickelten Aussagen in einen phasenorientierten Managementansatz integriert. Die Ausgestaltung dieses Bezugsrahmens mundet in die Ableitung von Handlungsempfehlungen fiir die Steuerung von Supply Chains auf der Ebene des Einzeluntemehmens, der bilateralen Geschaftsbeziehungen zwischen zwei Akteuren sowie der Geschaflsbeziehungen auf der Netzwerkebene. Dieser Anspruch umfasst auch die (Weiter-)Entwicklung geeigneter Methoden und Instrumente, beispielsweise zur Kennzahlenableitung und -auswahl. AbschlieBend werden die gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen zweier explorativer Fallstudienanalysen sowie einer vergleichenden Feldstudie iiberpnift und bestatigt. Aus Sicht der Untemehmenspraxis leistet die Arbeit einen wichtigen Beitrag zur verbesserten Transparenz der Erfolgswirkungen des SCM-Konzepts. Der Ansatz unterstutzt damit auf innovative Weise die performanceorientierte Messung und Steuerung von SCM-Initiativen. Insofem ist der Arbeit eine hohe Aufmerksamkeit in der Fachwelt zu wtoschen.
Prof Dr. Wolfgang Stolzle
Vorwort
Perfektion der Mittel und Konfusion der Ziele kennzeichnen meiner Ansicht nach unsere Zeit. Albert Einstein
Die vorliegende Dissertationsschrift entstand im Rahmen meiner Tatigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl fiir Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Logistik und Verkehrsbetriebslehre der Universitat Duisburg-Essen (Campus Duisburg). Die Erstellung einer wissenschaftlichen Arbeit zum Performance Management fiihrt bald zur Einsicht, dass „Performance" eine mehrdimensionale Zielkategorie darstellt, welche sich nicht nur im (gedruckten) Endergebnis, sondem maBgeblich auch im Entstehungsprozess manifestiert. Dieser Prozess wurde von einer Reihe von Personen gepragt, denen ich danken mochte. An erster Stelle danke ich meinem Doktorvater Prof. Dr. Wolfgang Stolzle, der mich stets gefbrdert und bei der Erstellung der Arbeit - auch nach seinem Wechsel an die Universitat St. Gallen - umfassend betreut hat. Herm Prof. Dr. Peter Chamoni gilt mein Dank ftir die Ubernahme des Koreferats. Daruber hinaus mochte ich meinem Freund und ehemaligen KoUegen Dr. Felix Heusler danken, der in zahlreichen Gesprachen und Korrekturschleifen nicht nur die Performance der Arbeit, sondem auch die emotionale Stabilitat ihres Verfassers signifikant gesteigert hat. Der Dank gilt auch meinen beiden KoUeginnen Annette Hoffmann und Tina Placzek, die mich wahrend des Schreibens unterstutzt und vom Tagesgeschaft entlastet haben. Harald Bachmann hat mit hohem personlichem Einsatz an der Erstellung und Auswertung der empirischen Untersuchung mitgewirkt, wofiir ich ihm herzlich danke. Jens Puttmann sei fiir das Lektorat des Textes, Nadine Baumgarten fiir das abschliefiende „Finetuning" der Arbeit gedankt. Den Vertretem der Untemehmen Adidas, Continental, DaimlerChrysler, KarstadtQuelle, Maersk Logistics und Schtichen, die am Expertenkreis „Performance Management in Logistik und SCM" teilgenommen haben, danke ich herzlich fiir ihre Unterstutzung bei der Ausarbeitung der Fallstudienuntersuchung. Schliefilich gebiihrt meiner lieben Frau Nicole der groBte Dank. Sie brachte weit mehr auf als das in Dissertationsvorworten oft bemiihte Verstandnis fiir private Entbehrungen: Als scharfsinnige Diskussionspartnerin, strenge Lektorin und geduldige Trosterin war sie es, die diese Arbeit uberhaupt erst moglich gemacht hat. Ihr sei deshalb dieses Buch gewidmet.
Michael Karrer
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort Vbrwort Abbiidungsverzeichnis Abkttrzungsverzeichnis 1
2
V VII XIII XIX
Einleitung - Performanceorientierte Steuerung als neue Herausforderung fttr das Supply Chain Management
1
1.1
Problemstellung und Ableitung von Forschungsfragen
1
1.2
WissenschaftstheoretischePositionierung
5
1.3
Gang der Untersuchung
8
Steuerungsproblematik im Supply Chain Management als Ausgangspunkt fiir das Performance Management
11
2.1 Konzeptverstandnis und Problemfelder des Supply Chain Managements
11
2.1.1 Entwicklungsstand des Supply Chain Managements 2.1.1.1 Supply Chain Management in der Praxis - ausgewahlte empirische Befunde 2.1.1.2 Supply Chain Management in der Forschung - Definition und Entwicklungszuge 2.1.2 Ziele und Gegenstandsbereich des Supply Chain Managements
2.2
12 12 14 19
2.1.2.1 Ableitung allgemeiner Zielkategorien des Supply Chain Managements
19
2.1.2.2 Konkretisierung der Zielkategorien anhand ausgewShlter Handlungsfelder
23
2.1.3 Ausgewahlte Referenzmodelle des Supply Chain Managements
36
Steuerung als spezielle untemehmensinteme und -ubergreifende Managementaufgabe
51
2.2.1 Einfuhrung in die Steuerung als strategische und operative Managementaufgabe
51
2.2.1.1 Steuerung und Regelung im kybemetischen Regelkreis
51
2.2.1.2 Dynamik, Intransparenz und Komplexitat als Kontextfaktoren der Steuerung
54
2.2.1.3 Steuerung im Spannungsfeld von Voluntarismus und Umweltdeterminismus
55
Inhaltsverzeichnis 2.2.2 Intra- und interorganisationale Dimension der Steuerung vor dem Hintergrund eines gemafiigt-voluntaristischen Steuemngsverstandnisses ^
59
2.2.2.1 Steuerung im intraorganisationalen Kontext
59
2.2.2.2 Steuerung im interorganisationalen Kontext
65
2.3 Theoriegestiitzte Erklarungsbeitrage zur Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
69
2.3.1 Erklarungsbeitrag der Neuen InstitutionenSkonomie
69
2.3.2 Erklarungsbeitrag der Neueren Systemtheorie
81
2.3.3 Erklarungsbeitrag der Netzwerkforschung
87
2.3.4 Gegentiberstellung der ausgewShlten theoretischen Erklarungsbeitrage.. 98 2.4 Ableitung von Steuerungsanforderungen im Supply Chain Management
100
2.4.1 Implikationen des Netzwerkmanagements ftir die Steuerung von Supply Chains 2.4.2 Differenzierung von Steuerungsanforderungen auf unterschiedlichen Ebenen der Supply Chain
100 106
2.4.2.1 Steuerungsanforderungen auf der Einzelakteursebene
108
2.4.2.2 Steuerungsanforderungen auf der Beziehungsebene
110
2.4.2.3 Steuerungsanforderungen auf der Netzwerkebene
112
AnnSherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements.. 117 3.1
Entwicklungspfad Performance Measurement
117
3.1.1 Grundlegende Einordnung des Performancebegriffs
120
3.1.2 Konzeptmerkmale und Entwicklungsphasen des Performance Measurements
129
3.1.2.1 Entwicklungsphase 1: Beriicksichtigung nicht-monetSrer MessgroBen
130
3.1.2.2 Entwicklungsphase 2: Impulse durch die Balanced Scorecard. 132 3.1.2.3 Entwicklungsphase 3: Selbstreflexion und AusdifiFerenzierung 3.1.3 Herausforderungen an das Performance Measurement im Supply Chain-Kontext
136 139
3.1.3.1 BegrifiFsverstandnis der Supply Chain-Performance
139
3.1.3.2 Anpassungsbedarf der Konzeptmerkmale des Performance Measurements
142
Inhaltsverzeichnis
XI 3.1.3.3 Ausgewahlte Ansatze zum Performance Measurement in Supply Chains
3.2
145
Entwicklungspfad wertorientierte Untemehmensfiihrung
151
3.2.1 Grundlegende Einordnung der wertorientierten Performance
151
3.2.2 Konzeptmerkmale und Prozess der wertorientierten Untemehmensfiihrung
154
3.2.3 Herausfordemngen an die Wertorientierung im Supply Chain-Kontext. 163 3.2.3.1 Beitrag des Supply Chain Managements zur wertorientierten Untemehmensfiihrung 163 3.2.3.2 Beitrag der wertorientierten Untemehmensfiihmng zum Supply Chain Management
168
3.3 Konzeptionelle Impulse des Controllings fiir das Supply Chain Performance Management...
180
3.3.1 Charakterisiemng relevanter Controllingkonzeptionen
180
3.3.2 Impulse des LogistikcontroUings
188
3.3.3 Impulse des Kooperations- und NetzwerkcontroUings
194
3.3.4 Impulse des Supply Chain Controllings
200
Supply Chain Performance Management (SCPM) als interorganisationale Steuerungskonzeption fur das Supply Chain Management
211
4.1 Konzeptionsverstandnis des Performance Managements
211
4.2 Ableitung des theoretischen Bezugsrahmens der SCPM-Konzeption
215
4.3
Inhaltliche und methodisch-instmmentelle Ausgestaltung der SCPMKonzeption
222
4.3.1 Konkretisiemng des Steuemngskreislaufs des Supply Chain Performance Managements
222
4.3.2 Methodisch-instmmentelle Unterstutzung des Supply Chain Performance Managements
234
4.3.2.1 Die Supply Chain-BSC als integriertes Instmment des SCPM
237
4.3.2.2 Fokussierte Instmmente zur Unterstutzung des SCPM
243
4.3.3 Institutionelle Verankemng des Supply Chain Performance Managements
260
XII
Inhaltsverzeichnis Explorative empirische Untersuchung zum Supply Chain Performance Management in der Untemehmenspraxis
265
Entwicklung des Forschungsdesigns fur die empirische Untersuchung
265
5.1
5.1.1 Einordnimg der Untersuchung in einen qualitativen Forschungsansatz.. 266
5.2
5.3
5.1.2 Fallstudie und vergleichende Feldstudie als ausgewahlte Untersuchungsplane
267
5.1.3 Methoden zur Datenerhebung und -auswertung
270
5.1.4 Ableitung des Forschimgsdesigns
276
5.1.4.1 Ausgestaltung des Untersuchungsplans Fallstudie
277
5.1.4.2 Ausgestaltung des Untersuchungsplans Feldstudie
281
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung: SCPM am Beispiel einer Automobil- sowie einer Konsumguter-Supply Chain
286
5.2.1 Ausgangssituation und aktuelle Initiativen der Fallstudien-Supply Chains
286
5.2.2 Umsetzung ausgewShlter Elemente des Supply Chain Performance Managements
289
Ergebnisse der vergleichenden Feldstudie: Stand und Entwicklimgstrends des SCPM in der Automobil- und Konsumguterbranche
298
5.3.1 Rolle des Supply Chain Managements in den untersuchten Untemehmen
298
5.3.2 Status quo des Supply Chain Performance Managements in den untersuchten Untemehmen
308
5.3.3 Entwicklungstrends: Vom Performance Measurement zum wertorientierten Performance Management in Supply Chains
322
5.4 Ableitung von Gestaltungsempfehlungen fur die Untemehmenspraxis
326
Thesenartige Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit und Ausblick auf zukanftige Forschungsfelder
333
Literaturverzeichnis
339
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1:
Steuemngslticken im Kontext des Supply Chain Managements
3
Abbildung 2:
Wissenschaftstheoretische Positionierung der Arbeit
6
Abbildung 3:
Anwendungsorientierter Forschungsprozess und Aufbau der Arbeit
10
Abbildung 4:
Umsetzungsstand des Supply Chain Management-Konzepts
13
Abbildung 5:
Ausgewahlte Definitionen des Supply Chain Managements
15
Abbildung 6:
Konkretisierung des Gegenstandsbereichs des Supply Chain Managements durch allgemeine Zielsetzungen und spezifische Handlungsfelder
Abbildung 7:
..23
„Relationship Circle" und Analyseebenen des Beschaffimgsmanagements
30
Abbildung 8:
Ebenen des SCOR-Modells
39
Abbildung 9:
Performanceattribute des SCOR-Modells und Level-1-Messgr66en
41
Abbildung 10:
Das Supply Chain Integrative Framework von Bowersox et al
43
Abbildung 11:
Entscheidungselemente im Supply Chain Management
46
Abbildung 12:
Fltisse, Prozesse und Managementkomponenten im Supply Chain Management-Framework von Cooper et al Kybemetischer Regelkreis mit Feedback- und Feedforward-
48
Kopplung
52
Abbildung 14:
Zeitschere als AuslSser von Entscheidungsproblemen...
56
Abbildung 15:
Der Prozess der strategischen und operativen Steuerung
61
Abbildung 16:
Serielle, gepoolte und reziproke Interdependenzen in Supply
Abbildung 13:
Chains
66
Abbildung 17:
Transaktionskostenkategorien vor und nach Vertragsabschluss
71
Abbildung 18:
Grundelemente und Gestaltungsempfehlungen der Agency-Theorie
78
Abbildung 19:
Exemplarischer Prozessablauf eines Multi-Agenten-Systems zwischen Supply Chain-Teilnehmem Bildung von Systemhierarchien
80 82
Abbildimg 20:
XIV Abbildung 21:
Abbildung 22:
Abbildung 23:
Abbildungsverzeichnis
Netzwerktypisienmg nach zeitlicher Stabilitat, Beziehungsintensitat und Koordinationsrichtung
21
Koexistenz von hierarchischen, kooperativen und heterarchischen Steuerungsformen imNetzwerk
92
Bildung strategischer Netzwerke durch Quasi-Intemalisiening und Quasi-Extemalisierung
94
Abbildung 24:
Gegeniiberstellung der theoretischen Erklanmgsbeitrage
99
Abbildung 25:
Steuerungsaufgaben in interorganisationalen Netzwerken
101
Abbildung 26:
Steuerungsaufgaben im Netzwerk, differenziert nach Managementund Leistungsprozessebene
105
Abbildung 27:
Mehrebenenbetrachtung der Supply Chain
108
Abbildung 28:
Unterschiedliche Beziehungstypen auf der Beziehungsebene
Ill
Abbildung 29: Abbildung 30:
Netzwerkrationalitat und doppelte Reflexivitat Auspragung der generischen Steuerungsaufgaben des Netzwerkmanagements auf der Einzelakteurs-, Beziehungs- und Netzwerkebene der Supply Chain Taxonomie neuerer wissenschaftlicher Monographien zum Performance Measurement
114
Abbildung 31:
Abbildung 32:
115 119
Logistische Leistungsebenen am Beispiel des Bereichs Wareneingang
123
Abbildung 33:
Performance als Zielerreichimgsgrad
126
Abbildung 34:
EfFizienz- und Effektivitatsdimension der Performance
127
Abbildung 35:
Ausdifferenzierung der Konzeptmerkmale des Performance Measurements
130
Abbildung 36:
Dimensionen der Akteurs- sowie der Supply Chain-Performance
141
Abbildung 37:
Integrales Modell zur partnerschaftlichen Leistungsbeurteilimg in Supply Chains Strategische Untemehmensfuhrung im Kontext von Wettbewerbs-,
148
Ressourcen- und Wertstrategie
155
Abbildung 39:
Prozess der wertorientierten Untemehmensfuhrung
157
Abbildung 40:
Systematisierung ausgewahlter wertorientierter Kennzahlen der KontroUrechnung
160
Abbildung 38:
Abbildungsverzeichnis Abbildung 41: Abbildung 42:
Ausgewahlte Werttreiber des Supply Chain Managements auf den EVAeines industriellen Supply Chain-Akteurs
XV
166
Idealtypisches Vorgehen zur Ermittlung des Gesamtwerts einer Supply Chain
175
Abbildung 43:
Cash-to-Cash-Cycle einer dreistufigen Supply Chain
178
Abbildung 44:
„Klassische" und „neuere" Controllingkonzeptionen
181
Abbildung 45:
Konzeptionenorientiertes Aufgabenspektrum des LogistikcontroUings Konzeptionenorientiertes Aufgabenspektrum des NetzwerkcontroUings
Abbildung 46: Abbildung 47:
192-193 198-199
Konzeptionenorientiertes Aufgabenspektrum des Supply Chain Controllings
207-208
Abbildung 48:
Konzeptionsverstandnis des Performance Managements
213
Abbildung 49:
Theoretischer Bezugsrahmen der Supply Chain Performance Management-Konzeption Einordnung und idealtypische Wirkungsbeziehungen von Zielen desSCPM
217 219
Sach- und verhaltensorientierte Zielkategorien der Implementierungsphase
225
Abbildung 52:
Zusammenwirken von APS- und ERP-Systemen
229
Abbildung 53:
Relevanzeinschatzung der Handlungsfelder des Supply Chain Managements fur die Steuerungsphasen des Supply Chain Performance Managements
233
Abbildung 50: Abbildung 51:
Abbildung 54:
Ausgewahlte Ansatze zur Anpassung der BSC an das Supply Chain Management
38
Abbildung 55:
Schematische Perspektivenstruktur einer Supply Chain-BSC
242
Abbildung 56:
Verortung ausgewahlter Methoden und Instrumente in der SCPMKonzeption Abbildung kritischer Pfade in der Supply Chain mit Supply Chain Maps
243
Abbildung 57: Abbildung 5 8: Abbildung 59:
245
Untemehmens-, Beziehungs- und Netzwerkleitbild einer Supply Chain
246
Exemplarische Strategiematrix eines Logistikdienstleistungsuntemehmens
248
XVI
Abbildung 60:
Abbildung 61:
Abbildung 62:
Abbildung 63:
Abbildungsverzeichnis
Exemplarische Target Map fiir das Supply Chain Performance Management aus Sicht eines fokalen Untemehmens (Beziehungsebene)
249
Bildung von Kennzahlenhierarchien nach Mafigabe der strategischen Relevanz
251
Schematisches Voigehensmodell zur sachbezogenen Implementierung von SCPM-Messgr66en
252
Kompetenzprofil zur Erhebimg der SCPMImplementienmgskompetenz
255
Abbildung 64:
Exemplarische Nutzwertanalyse einer Supply Chain
259
Abbildung 65:
Differenzierung altemativer Untersuchungsplane nach Anzahl der Untersuchungszeitpimkte und Anzahl der Untersuchungsobjekte Reflexivitat zwischen Konzeptualisierung imd Ergebnissen im semistnikturierten Interview
273
Anwendungsmoglichkeiten der qualitativen Inhaltsanalyse fiir Fallund Feldstudie
275
Abbildung 66:
Abbildung 67:
Abbildung 68:
268
Globales Forschungsdesign der explorativen empirischen Untersuchung
276
Abbildung 69:
Schematische Darstellung der Fallstudien-Supply Chains
278
Abbildung 70:
Fallstudienraster als spezifisches Forschimgsdesign der Fallstudienanalyse Interviewleitfaden als spezifisches Forschungsdesign der vergleichende Feldstudie
Abbildung 71:
Abbildung 72:
279 283
Umsatzverteilung der an der Feldstudie teilnehmenden Untemehmen
285
Abbildung 73:
Lineare Aktivitatenkette der Automobil-Supply Chain
289
Abbildung 74:
Lineare Aktivitatenkette der Konsumgttter-Supply Chain
290
Abbildung 75:
Ziele in der Aktivitatenkette der Automobil-Supply Chain
291
Abbildung 76:
Ziele in der Aktivitatenkette der Konsumguter-Supply Chain
292
Abbildung 77:
Untemehmensiibergreifend relevante Kennzahlen in der Automobil-Supply Chain Untemehmensiibergreifend relevante Kennzahlen in der Konsumguter-Supply Chain
Abbildung 78:
293 294
Abbildungsverzeichnis Abbildung 79: Abbildung 80: Abbildung 81:
XVII
Key Performance Indicator-Hierarchie fiir die Automobil-Supply Chain (Dimension Qualitat)
296
Key Performance Indicator-Hierarchie fur die Automobil-Supply Chain (Dimension Kosten)
296
Key Performance Indicator-Hierarchie fiir die Konsumgiiter-Supply Chain (integrierte Betrachtung der Dimensionen Qualitat und Kosten).... 297
Abbildung 82:
Mit dem Supply Chain Management-Konzept assoziierte Aufgaben
299
Abbildung 83:
Priorisierte Ziele des Supply Chain Managements in der Automobilbranche Priorisierte Ziele des Supply Chain Managements in der Konsumgiiterbranche
300
Abbildung 84: Abbildung 85:
301
Struktur der Supply Chain und relevanter Steuerungsbereich fur das SCPM
303
Abbildung 86:
Bedeutung von Materialfluss-Standards im Supply Chain Management.. 306
Abbildung 87:
Bedeutung von IT-Standards im Supply Chain Management
307
Abbildung 88:
Bedeutung von Prozess-Standards im Supply Chain Management
308
Abbildung 89:
Aufgaben der untemehmensiibergreifenden Performancemessung in Supply Chains Derzeit eingesetzte Messgrofien im Supply Chain Performance
309
Management
311
Abbildung 91:
ErfuUung von Basisanforderungen an Kennzahlen in Supply Chains
312
Abbildung 92:
Erweiterte Steuerungsanforderungen in der Automobil-Supply Chain
314
Abbildung 93:
Erweiterte Steuerungsanforderungen in der Konsumgiiter-Supply Chain.314
Abbildung 94:
Organisatorische Verankerung des Supply Chain Performance Managements Ausdehnung der Performancemessung entlang der Supply Chain
317
(schematische Darstellung)
318
Abbildung 96:
Adressaten des Performancemessung in der Supply Chain
320
Abbildung 97:
Umsetzungsstand der Steuerungsaufgaben des Supply Chain Performance Managements
325
Abbildung 90:
Abbildung 95:
Abkiirzungsverzeichnis
3PL
Third Party Logistics Provider
4PL
Fourth Party Logistics Provider
AMA
American Marketing Association
B/L
Bill of Lading
BSC
Balanced Scorecard
CCG
Centrale fur Coorganisation
CFROI
Cash Flow Return on Investment
CPFR
Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment
CRM
Customer Relationship Management
CVA
Cash Value Added
d.h.
das heifit
DCF
Discounted Cash Flow
DESADV
Despatch Advice
DL
Dienstleister
DLZ
Durchlaufzeit
ECR
Efficient Consumer Response
EDI
Electronic Data Interchange
EDIFACT
Electronic Data Interchange For Administration, Commerce and Transport
ERP
Enterprise Resource Planning
et al.
et alii
EVA
Economic Value Added
evtl.
eventuell
F&E
Forschung und Entwicklung
GF
Geschaflsfuhrung
GS1
Global Standards One
i.e.S.
im engeren Sinne
XX
Abkiirzungsverzeichnis
i.w.S.
im weiteren Sinne
Inc.
Incorporated
IT
Infomiationstechnologie
JIS
Just-in-Sequence
JIT
Just-in-Time
KAM
Key Account Manager/Management
KPI
Key Performance Indicator
LDL
Logistikdienstleister
Lkw
Lastkraftwagen
Mio.
Millionen
MRP
Materials Requirement Planning
MVA
Market Value Added
NOPAT
Net Operating Profit After Taxes
NPV
Net Present Value
o.A.
Oder Ahnliches
OEM
Original Equipment Manufacturer
OR
Operations Research
p.a.
per annum
POS
Point of Sale
RFID
Radio Frequency Identification
ROCE
Return on Capital Employed
ROE
Return on Equity
ROI
Return on Investment
ROS
Return on Sales
s.o.
siehe oben
SCEM
Supply Chain Event Management
SCM
Supply Chain Management
SCOR
Supply Chain Operations Reference
SCPM
Supply Chain Performance Management
Abkiirzungsverzeichnis
SLV
Supplier Lifetime Value
sog.
so genannt
SRM
Supplier Relationship Management
SWOT
Strength, Opportunities, Weaknesses, Threats
TQM
Total Quality Management
VDI
Verein Deutscher Ingenieure e.V.
WACC
Weighed Average Cost of Capital
z.B.
zum Beispiel
XXI
1. Einleitung - Performanceorientierte Steuerung als neue Herausforderung fiir das Supply Chain Management
Das Supply Chain Management-Konzept genieBt eine anhaltend hohe Aufmerksamkeit in Forschung und Praxis. Sein Gnmdpostulat - die Vorteilhaftigkeit einer im Grundsatz kooperativen, untemehmensiibergreifenden Gestaltung von Wertschopfungsprozessen - steht mit zunehmender Reife des Ansatzes jedoch unter wachsendem Erwartungsdruck. Noch vor wenigen Jahren widmete sich die anwendungsbezogene Literatur hauptsachlich der Darstellung allgemeiner Merkmale und Ziele des Supply Chain Managements, stellenweise ohne dessen Nutzenpotenziale kritisch zu hinterfragen. Mittlerweile dominieren stSrker fokussierte Fragestellungen die Diskussion, welche sich mit der inhaltlichen Ausgestaltung und Anpassung des Konzepts an die Anforderungen der Untemehmenspraxis auseinandersetzen. Bin relevantes und bislang nur unzureichend erschlossenes Forschungsfeld besteht diesbeztiglich in der Frage nach der Messbarkeit und Steuerbarkeit der „Performance" von Supply Chains. Dieser zunachst schillemde BegrifFkann als untemehmensubergreifender Zielerreichungsgrad interpretiert werden, der eine verbesserte Operationalisierung der normativen Vorgaben des Supply Chain Management-Konzepts ermoglichen soil. Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht darin, theoriegeleitete und gleichzeitig praxisrelevante Gestaltungsempfehlungen fur eine performanceorientierte Steuerung von Supply Chains, die im Folgenden unter den Begriff „Supply Chain Performance Management" gefuhrt wird, abzugeben. Diese globale Aufgabenstellung gliedert sich in eine Reihe von Teilleistungen, die sich von der Beschreibung des Aufgabenspektrums einer Steuerung im Supply Chain Management uber die Analyse bestehender interorganisationaler Mess- und Steuerungskonzepte bis hin zu Entwicklung einer eigenen Konzeption fur das Supply Chain Performance Management erstrecken. Nachfolgend wird diese Thematik grundlegend vorbereitet, indem die Problemstellung der Arbeit konkretisiert und zu vier zentralen Forschungsfragen verdichtet wird (Kapitel 1.1). AnschlieBend wird die grundlegende Vorgehensweise zur Klarung dieser Forschungsfragen im Rahmen einer wissenschaflstheoretischen Positionierung umrissen (Kapitel 1.2) und in den Gang der Untersuchung (Kapitel 1.3) eingebettet.
1.1. Problemstellung und Ableitung von Forschungsfragen Die interdisziplinare Debatte zur Steuerung, die derzeit in den Sozial- und Wirtschaflswissenschaften gefuhrt wird, ist durch eine zunehmende Steuerungsskepsis gepragt. Exemplarisch kann die Aussage von Willke (2001) herangezogen werden, der in Bezug auf komplexe soziale Systeme konstatiert: „Jede Steuerungstheorie sieht sich heute mit einem Trummerhau-
2
1 Einleitung
fen gescheiterter praktischer Steuerungsvorhaben iind Steuerungshofi&iungen konfrontiert."* Vor einer vergleichbaren Problemstellung steht das von der betriebswirtschaftlichen Logistik mafigeblich geprSgte Themenfeld des Supply Chain Managements. Untemehmen sehen sich mit einem steigenden wettbewerbsbedingten Handlungsdruck konfrontiert, neben intemen Bemuhungen um Kostensenkungen und Leistungssteigeningen auch die Potenziale einer untemehmensubergreifenden Gestaltung der WertschSpfungskette zu heben. Hieraus entstehen neue Aufgabenfelder im Bereich der Messung und Steuerung, die von bestehenden untemehmensbezogenen Managementkonzepten bislang nur unzureichend erfuUt werden konnen. Zu diesen Aufgabenfeldem zShlen beispielsweise die Identifikation relevanter Mitglieder in komplexen Supply Chains, die Festlegung kompatibler Ziele und Strategien zwischen rechtlich selbstandigen Untemehmen, die Zuordnung von Verantwortlichkeiten fur untemehmensiibergreifende Prozesse, die AUokation von Leistungsumfangen oder die Messung von Kosten und Leistungen in der Supply Chain. Die nachfolgende Systematisienmg der damit angesprochenen Steuerungsproblematik liefert einen ersten Einblick in die Konturen des komplexen Forschungsfelds des Supply Chain Performance Managements. Dabei bietet sich die Analyse jener Steuerungsliicken an, welche sich insbesondere im Spannungsfeld zwischen den normativ formulierten Zielkategorien des Supply Chain Management-Konzepts, den strategischen Zielen der an einer Supply Chain teilnehmenden Untemehmen sowie den operativen Prozesszielen in diesen Untemehmen manifestieren (vgl. Abbildung 1). Eine erste Gmppe von Steuerungslucken resultiert aus einer bislang noch unzureichenden inhaltlichen Ausgestaltung des Supply Chain Management-Konzepts in Bezug auf Aspekte der Performancemessung. Trotz der breiten Aufiiahme des Ansatzes in unterschiedlichen Teildisziplinen der betriebswirtschaftlichen Forschung besteht bezuglich der Operationalisierbarkeit der theoriegeleiteten Aussagen noch betrachtlicher Handlungsbedarf Beispielsweise gilt es, die als „Supply Chain-Hypothese" bekannt gewordene Vermutung einer Kausalbeziehung zwischen erfolgreichem Supply Chain Management und erhohtem Untemehmenserfolg in geeignete Messkonzepte zu iiberfuhren.^ Aspekte der Performancemessung fmden zwar schon seit langerer Zeit Aufiiahme in Referenzmodelle des Supply Chain Managements, werden jedoch noch nicht hinreichend bezuglich Anforderungen und Ausgestaltung konkretisiert.^ Als kritisch erweist sich auch die Frage nach einem gemeinsamen Begriflfsverstandnis der Performance, da diese je nach Bezugsobjekt (z.B. Einzeluntemehmen, Kooperationsbeziehung oder mehrstufige Supply Chain) unterschiedliche AusprSgungen aufweisen kann. Weitere Steuerungslucken ergeben sich aus dem zur Verfugung stehenden Messinstmmentarium. Bislang sind „echte" Supply Chain-Kennzahlen, die sich per definitionem auf untemeh-
3
Willke(2001),S. 1. Vgl. New (1996), S. 19-34, Otto (2001), S. 1-2. Vgl. Caplice/Sheffi (1994), Cooper et al. (1997), S. 10, Lambert/Pohlen (2001), S. 1-12, Simatupang/Sridharan (2005), S. 45.
1.1 Problemstellung und Ableitung von Forschungsfragen
mensiibergreifende Prozesse beziehen, im Vergleich zu untemehmensbezogenen Logistikkennzahlen noch stark unterreprasentiert. Dies gilt nicht nur fur ihren praktischen Einsatz, sondem auch ftir die Entwicklung derartiger MessgroBen in der Forschung, die sich erst in den letzten Jahren verstarkt dieser Thematik widmet.
Informationsversorgung des SCM durch finanzbasierte Spitzenkennzahlen nicht voll abgedeckt
Unzureichende inhaltliche Ausgestaltung des SCM-PhSnomens: Zielvorgaben schwer operationalisierbar Kein gemeinsames PerfonnanceverstMndnis
Interessenkonflikte zwischen den Akteuren Managementmethoden nicht untemehmensubergrej; fend ausgerichtet
Unzureichender Strategiebezug logistischer Kennzahlen
SC SCM
UntemehmensiJbergreifende Kennzahlen bislang kaum verbreitet
Quantifizierungsprobleme bei Logistikleistungen, u.a. aufgrund ihres Dienstlelstungscharakters
Oberbetonung von Kostenzielen gegenuber Leistungszielen
Supply Chain SupplyChain Management
Abbildung 1:
Steuerungsliicken im Kontext des Supply Chain Managements
Bin zweiter Problemkreis eroffhet sich bei der Betrachtung der Performancemessung im Bereich der operativen Prozesse, d.h. im Leistungssystem eines Untemehmens. Die Logistikforschung hier insbesondere Ansatzpunkte im Bereich operativer Supply Chain ManagementProzesse. So ist etwa festzustellen, dass die Logistik seitens der Untemehmensfiihrung haufig auf ihre Hebelwirkung zur Kostensenkung reduziert wird. Dementsprechend fokussiert sich die Aufmerksamkeit des Managements typischerweise auf logistische Kostenkategorien und deren Verhaltnis zu den Gesamtkosten."* Da sich die positiven Effekte einer Leistungssteigerung der Logistik (z.B. durch die Verbesserung von Servicekomponenten wie Lieferservice Oder Lieferflexibilitat) nur mittelbar auf die fmanzielle „Bottom Line" auswirken, sind LeistungsgroBen im untemehmerischen Messportfolio haufig unterreprasentiert. Hinzu kommt, dass logistische Leistungen auf Grund ihres typischen Dienstleistungscharakters nur schwer zu isolieren und zu quantifizieren sind.^ Eine weitere Steuerungsliicke resultiert aus dem unzureichenden Strategiebezug logistischer Kennzahlen. Li vielen Fallen wird noch auf einzekie MessgroBen zuriickgegrififen, welche den Entscheidungstrager zwar bei funktional abgegrenzten, operativen Problemstellungen untersttitzen, jedoch keinen zwingenden Bezug
Vgl. Pfohl (2004b), S. 46. Vgl. Pfohl (2004a), S. 24-25.
4
1 Einleitung
zur Ausrichtung des allgemeinen Zielsystems aufweisen/ Die SchlieBung dieser Steuerungsliicke wiirde unter anderem eine Ausdehnung des Aufgabenspektmms bestehender Messsysteme auf typische Managementaufgaben (z.B. Ableitung von Messzielen aus der strategischen Planung, Gestaltung von Anreizsystemen) erfordem. Dies deutet bereits auf eine Tendenz bin, die in jungerer Zeit plakativ unter der Uberschrift „Vom Performance Measurement zum Performance Management" diskutiert wird. Eine dritte Gruppe von Steuerungsliicken erwachst aus dem Spannungsfeld zwischen dem theoretischen Anspruch des Chain Management-Konzepts und der Realitat des strategischen Managements bzw. des Ftthrungssystems eines Untemehmens. Es zeigt sich, dass derzeitige Managementansatze
untemehmensubergreifende
Steuerungsprobleme
nicht vollstandig
abbilden konnen/ Das hierarchische Steuerungsprinzip, welches von einer klaren DiflFerenzierung von Fiihrungs- und Ausftihrungsinstanz ausgeht und sich in den meisten Methoden und Listrumenten des strategischen Managements bzw. Controllings widerspiegelt, besitzt im Supply Chain-Kontext in der Kegel keine Giiltigkeit mehr. Stattdessen gilt es, die Integration vielfaltiger Stakeholdergruppen wie Lieferanten, Logistikdienstleister oder Kunden sicherzustellen und verstarkt das Management von Interessenskonflikten zwischen rechtlich selbstandigen Akteuren zu berucksichtigen. Eine weitere Steuerungslucke bezieht sich auf die Auswahl und den Einsatz geeigneter MessgroBen. Finanzielle, periodenbezogenen Spitzenkennzahlen, die im Rahmen der strategischen Untemehmenssteuerung zum Einsatz kommen, eignen sich eher fur eine nachtragliche Bewertung funktionaler Geschaftsbereiche als fur eine zeitnahe Steuerung von Supply Chain-Prozessen. Indikatoren, die starker auf die Prozesssteuerung abstellen, wie z.B. Reaktionszeiten, Durchlaufzeiten oder Fehlerquoten, befmden sich demgegeniiber aufierhalb des finanziellen Kennzahlenportfolios und damit des Sichtfelds der strategischen Untemehmensfuhrung. Der Informationsbedarf des Supply Chain Managements kann somit durch untemehmensbezogene Managementansatze bislang nur unzureichend gedeckt werden. Die Vielschichtigkeit der hiermit grob umrissenen Problemstellung sowie ihre noch aufzuzeigende hohe Relevanz fur die Untemehmenspraxis erfordem eine grundlegende Auseinandersetzung mit dem Themenfeld des Supply Chain Performance Managements. Aus dem grob umrissenen Forschungsbedarf lassen sich dabei folgende zentrale Forschungsfragen ableiten: 1. Welche Anforderungen sind an ein Steuerungsverstandnis im untemehmensubergreifenden Kontext zu stellen und wie kann dieses Steuerungsverstandnis unter Benicksichtigung der Charakteristika des Supply Chain Managements aufgabenbezogen systematisiert werden? 2. Welche Impulse lassen sich aus bestehenden Ansatzen, Methoden und Instrumenten der Performancemessung fiir die performanceorientierte Steuerung von Supply Chains ableiten?
Vgl. Keebler (2001a), S. 428. Vgl. Wildemann (2004), S. 8.
1.1 Problemstellung und Ableitung von Forschungsfragen
3. Wie kann eine theoriegeleitete Konzeption fur das Supply Chain Performance Management strukturiert, inhaltlich ausgestaltet und methodisch-instrumentell untermauert werden? Angesichts der noch geringen Verbreitung des Supply Chain Performance Managements in der Praxis bietet sich iiber diesen maBgeblich theoriegeleiteten Forschungsbedarf hinaus auch eine erste, mit diesem korrespondierende empirische Untersuchung an. Eine vierte Fragestellung lautet demnach: 4. Welche Ruckschltisse lassen sich im Rahmen einer explorativen empirischen Untersuchung im Hinblick auf die Praxisrelevanz der theoriegeleiteten Erkenntnisse sowie auf die praktische Problemlosungskraft der entwickelten Konzeption Ziehen? Bevor die genannten Forschungsfragen in den Gang der Untersuchung integriert werden, erscheint eine grundsatzliche Charakterisierung des Wissenschaftsverstandnisses der vorliegenden Arbeit sinnvoll. Dies erweist sich insbesondere deshalb als hilfreich, weil das Supply Chain Performance Management bislang erst vereinzelt als Forschungsobjekt aufgegriffen wurde.
1.2. Wissenschaftstheoretische Positionierung Entsprechend der grundsatzlichen Ausrichtung der betriebswirtschaftlichen Forschung kommt in dieser Arbeit ein anwendungsorientiertes Wissenschaftsverstandnis zum Tragen. Die oben formulierten Forschungsfragen deuten bereits darauf hin, dass es dieses Grundverstandnis um ausgewahlte Komponenten eines theoretischen Wissenschaftsverstandnisses zu erganzen gilt. Dies wird im Rahmen einer Gegeniiberstellung der Merkmale theoretischer und angewandter Wissenschaften sowie der jeweiligen Auspragung dieser Merkmale in der vorliegenden Arbeit deutlich (vgl. Abbildung 2).^ Dem anwendungsorientierten Grundverstandnis entsprechend greift die vorliegende Arbeit mit den in Kapitel 1.1 identifizierten Steuerungsliicken im Supply Chain Management eine komplexe und bislang nur unzureichend wissenschaftlich ausgearbeitete Problemstellung aus der betriebswirtschaftlichen Praxis auf Auf Grund seines Ursprungs im praktischen Handeln ist der identifizierte Forschungsbedarf nicht eindeutig einem spezifischen Feld innerhalb der Betriebswirtschaftslehre zuzuordnen, so dass ein teildisziplineniibergreifender Forschungsansatz angestrebt wird. Im Hinblick auf die Wissensgenerierung ist zu konstatieren, dass einerseits angesichts der noch geringen Verbreitung der untemehmensubergreifenden Performancemessung in der Praxis ein rein induktives Vorgehen nicht zielfiihrend erscheint. Andererseits liegt fiir eine rein deduktive Wissensgewinnung kein hinreichend tragfahiges theoretisches Fundament zum Performance Management in Supply Chains vor. Die vorlie-
Vgl. zum anwendungsorientierten Forschungsverstandnis Ulrich (1995), S. 165-166.
6
1 Einleitung
gende Arbeit wendet somit eine Kombination beider Verfahren an, indem Aussagen aus ausgewahlten Theorien bzw. TheorieansStzen deduziert und anschliefiend im Rahmen eines induktiv-explorativen Forschungsdesigns um Erfahningswissen erganzt werden.^ Als Forschungsregulativ kommen dabei sowohl die konzeptionelle Geschlossenheit des entwickelten Ansatzes als auch dessen Niitzlichkeit und Anwendbarkeit in der Praxis zum Tragen. ^^"-----S^issenschaftsver- Theoretisches Merkmal?""^^^^§tandnis Wissenschaftsverstandnis
Angewandtes Wissenschaftsverstandnis
Auspragung in der vorliegenden Arbeit
Problementstehung
In der Wissenschaft selbst
In der Praxis
In der Praxis des Supply Chain Managements
Art der Probleme
DisziplinSr
AdisziplinSr
Betriebswirtschaftlich; teildiszipliniibergreifend
Gewinnung von Wissen
Deduktion
Induktion
Deduktion aus ausgewahlten Theorieansatzen; Induktion aus explorativer Empirie
Forschungsziele
Theorieentwicklung und -prufimg; ErklSren der bestehenden Wirklichkeit
Entwerfen mSglicher Wirklichkeiten
Entwurf einer Steuerungskonzeption; Uberpriifung in der Praxis
Forschungsregulativ
Wahrfieit
Nutzlichkeit
Anwendbarkeit im SCM
Fortschrittskriterien
Allgemeingtiltigkeit, Bestdtigungsgrad, ErklSrungskraft und Prognosekraft von Theorien
Zuverlassigkeit und Umsetzbarkeit von Modellen und Regeln; praktische Probleml6sungskraft
Geschlossenheit der entwickelten Konzeption; Praxisrelevanz fur SCM
Abbildung 2:
Wissenschaftstheoretische Positionierung der Arbeit Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Ulrich (1995), S. 165
Mit dem kombinierten deduktiv-induktiven Vorgehen wird sowohl ein theoretisches als auch ein pragmatisches Forschungsziel angestrebt. In Bezug auf das theoretische Forschungsziel gilt es, relevante Zusammenhange und Probleme der Performancemessung und -steuerung im Kontext des Supply Chain Managements zu beschreiben, zu erklaren und zu eigenen Gestaltungsaussagen zu verdichten. Der Anspruch, der an dieses Ziel zu stellen ist, muss dabei im Verhaltnis zum bestehenden Wissensstand iiber das Forschungsobjekt gesehen werden. Da hierzu bislang nurfragmentarischeErkenntnisse vorliegen, steht die Formulierung deskriptiver und explikativ-tendenzieller Aussagen sowie deren Strukturiemng im Vordergrund.^^ Einen zentralen Baustein des Forschungsprozesses bildet dabei die Entwicklung eines theoretisch-konzeptionellen Bezugsrahmens. An diesen sind folgende Anforderungen zu formulieren: Ein theoretischer Bezugsrahmen dient im Allgemeinen der Schaffung eines strukturierten Vorverstandnisses des Forschungsobjekts.'* Dieser Anforderung ist Rechnung zu tragen, indem die im Vorfeld als relevant erachteten, theoriegeleiteten Erkenntnisse innerhalb des
Vgl. zum Induktionsschluss im qualitativen Forschungsprozess Bortz/Doring (2002), S. 299-301. Diese lassen sich zu thesenartigen Aussagen verdichten, erheben jedoch nicht den Anspruch empirisch uberpriifbarer Hypothesen. *' Vgl. Rofil (1990), S. 99-100.
1.2 Wissenschaftstheoretische Positionierung
Bezugsrahmens gebiindelt imd zueinander in Beziehung gesetzt werden. Um auch dem konzeptionellen Anspruch gerecht zu werden, ist der Bezugsrahmen zudem anwendungsbezogen zu strukturieren. Dies kann iiber eine phasenorientierte Anordnung der Elemente realisiert werden. Im Hinblick auf das pragmatische Forschungsziel sind aus dem theoretischen Wissen Gestaltungsaussagen fiir die praktische Ausgestaltung eines Performance Managements in Supply Chains abzuleiten, die zu einem „wissenschaftsgeleiteten Verhalten in der Praxis"^^ fiihren. Der Beitrag der Arbeit liegt hier insbesondere in der inhaltlichen Ausgestaltung des theoretisch-konzeptionellen Bezugsrahmens sowie in der Durchfiihrung einer explorativen empirischen Untersuchung, anhand derer die Praxisrelevanz der theoriegeleiteten Erkenntnisse einer ersten tjberprufung zugefuhrt werden. Der mit dem pragmatischen Forschungsziel verkntipfte Anwendungsbezug spielt jedoch weder auf eine weitgehende Theoriefreiheit des Forschungsprozesses an, noch darf er mit der Forderung nach einer unmittelbaren Verwertbarkeit der Forschungsergebnisse in Untemehmen allzu stark eingeengt werden.^^ Vielmehr wird ein praktisch-normatives Aussagensystem angestrebt, in welchem die zu entwickelnde Steuerungskonzeption eine Bruckenfunktion zwischen Theorie und Praxis einnimmt, indem sie „in gestaltender Absicht und in meist eklektischer Vorgehensweise theoretische Aussagen aufgreift, mit normativen Postulaten verkntipft und auf die Praxis bezieht".^"^ Zusammengefasst lasst sich aus der charakterisierten wissenschaftstheoretischen Positionierung ein schematischer Forschungsprozess ableiten, welcher die enge Verschrankung von Theorie und Praxis in der anwendungsorientierten Forschung widerspiegelt.^^ An erster Stelle steht dabei die Erfassung und Typisierung des Forschungsproblems in der Untemehmenspraxis. Da sich die Problemstellung in der Kegel nicht in eine einzelne (Teil)Disziplin der betriebswirtschaftlichen Forschung einordnen lasst, umfasst der zweite Schritt die interdisziplinare Erfassung und Interpretation potenziell problemrelevanter Theorien bzw. Theorieansatze.'^ Diese theoretischen Erklarungsangebote werden drittens im relevanten Anwendungszusammenhang untersucht, bevor sie im Rahmen eines vierten Schritts zu Modellen, Beurteilungskriterien und Gestaltungsregeln verarbeitet werden. An funfter Stelle werden die Regeln und Modelle in der Praxis getestet. Hierzu konnen beispielsweise Verfahren der qualitativen Forschung herangezogen werden. Sechstens schliefilich werden Gestaltungsempfehlungen generiert und damit emeut die Brucke zur Untemehmenspraxis geschlagen.
Ulrich (1995), S. 166. Vgl. auch New (1997), S. 21, der im Hinblick auf die Supply Chain Management-Forschung feststellt, dass „the fact that supply chain management is important in practice does not mean that research in the field has to be of practical value to powerful 'users'". Scherm/Pietsch (2004), S. 8, Satz vom Autor in Singular gesetzt. Vgl. dazu Ulrich (1995), S. 166-167. In diesem Zusammenhang sind auch aus formalwissenschaftlicher Sicht problemrelevante Verfahren und Methoden auszuwahlen, vgl. Ukich (1995), S. 167.
8
1 Einleitung
1.3. Gang der Untersuchung Basierend auf den aufgezeigten Forschungsfragen sowie der gnindlegenden wissenschaftstheoretischen Positioniening der Arbeit wird nachfolgend der Gang der Untersuchung aus ablauforientierter Sicht dargestellt. Die Herangehensweise gliedert sich in insgesamt sechs Kapitel. Nach der Einleitung wird in Kapitel 2 die Steuerung im untemehmensubergreifenden Umfeld als spezifisches Problem des Supply Chain Managements thematisiert. Zunachst werden das Konzeptverstandnis und die Problemfelder des Supply Chain Managements charakterisiert (Kapitel 2.1). Hierzu zShlen zum einen die Aufarbeitung des aktuellen Entwicklungsstands des Supply Chain Managements in Forschung und Praxis, die Systematisierung allgemeiner Zielkategorien und Handlungsfelder sowie die kritische Wiirdigung ausgewahlter Referenzmodelle. Im Anschluss daran wird die Steuerung als relevante Managementaufgabe gekennzeichnet und ein eigenes SteuerungsverstSndnis entwickelt (Kapitel 2.2). Insbesondere jene Anforderungen, die an eine Steuerung im interorganisationalen Umfeld zu stellen sind, erweisen sich dabei als kritisch fur eine tfbertragung des Steuerungsverstandnisses auf Supply Chains. Daran anknupfend werden problemrelevante Theorieansatze auf potenzielle Erklarungsbeitrage zur aufgezeigten Steuerungsproblematik untersucht und einander gegenubergestellt (Kapitel 2.3). Dabei stellt sich heraus, dass insbesondere die Netzwerkforschung wichtige Ankupfungspunkte bietet. Diese werden im anschliefienden Kapitel aufgegriflfen, im Rahmen der Vorstellung des Netzwerkmanagements aufgabenorientiert systematisiert und im Hinblick auf unterschiedliche Steuerungsebenen in Supply Chains dififerenziert (Kapitel 2.4). Kapitel 3 widmet sich der AnnSherung an das Konzeptionsverstandnis des Supply Chain Performance Managements, indem relevante Entwicklungspfade und verwandte Konzeptionen vorgestellt und im Anwendungszusammenhang diskutiert werden. An erster Stelle stehen die Ansatze des Performance Measurements (Kapitel 3.1). Neben einer Diskussion des allgemeinen Entwicklungsstands dieses Forschungsfelds steht dabei die Frage nach dessen Ubertragbarkeit auf den Supply Chain-Kontext im Mittelpunkt. Ein analoges Vorgehen wird fur das Konzept der wertorientierten Untemehmensfuhrung als zweitem Entwicklungspfad gewahlt (Kapitel 3.2). Auch hier gilt es, die Ankniipfungspunkte dieses im Kern untemehmensbezogenen Ansatzes im Supply Chain Management zu identifizieren. Der dritte Abschnitt von Kapitel 3 extrahiert schlieBlich Impulse fur das Supply Chain Performance Management aus inhaltlich verwandten Konzeptionen (Kapitel 3.3). Hier kommen insbesondere bestimmte ControUingkonzeptionen als Suchfeld in Frage, die sich entweder explizit mit dem Controlling im untemehmensubergreifenden Bereich auseinandersetzen oder einen inhaltlichen Logistik- bzw. Supply Chain Management-Bezug aufweisen. In Kapitel 4 wird - aufbauend auf das in Kapitel 2 erarbeitete theoretische Vorverstandnis sowie auf die in Kapitel 3 vorgestellten Ansatze, Methoden und Instrumente - mit der interorganisationalen Steuemngskonzeption des Supply Chain Performance Managements (SCPM-
1.3 Gang der Untersuchung
Konzeption^^) ein eigener theoretisch-konzeptioneller Bezugsrahmen in Form einer phasenorientierten bzw. prozessualen Steuerungskonzeption entwickelt. Zur Begrundung der Auswahl eines phasenorientierten Konzeptionsverstandnisses wird im ersten Abschnitt Stellung genommen (Kapitel 4.1). Im Anschluss wird der theoretische Bezugsrahmen bzw. die genannte SCPM-Konzeption abgeleitet (Kapitel 4.2). Der darauf folgende Abschnitt widmet sich der inhaltlichen Ausgestaltung der Konzeption (Kapitel 4.3), in welchem anwendungsorientierte Vorschiage fur die methodisch-instrumentelle Unterstutzung des Supply Chain Performance gemacht werden. Dabei werden unter anderem auch Aspekte der institutionellen Verankerung sowie der Implementierung adressiert. In Kapitel 5 wird eine „Praxisruckkopplung" der theoriegeleiteten Erkenntnisse der Arbeit im Rahmen einer explorativen empirischen Erhebung durchgefuhrt. Dazu wird zunachst auf Grundlage eines qualitativen Forschungsansatzes ein geeignetes Forschungsdesign entwickelt (Kapitel 5.1). Dieses umfasst zwei zentrale Untersuchungsplane. Erstens wird im Rahmen einer Fallstudienforschung am Beispiel von zwei mehrstufigen Supply Chains aus der Automobil- sowie der Konsumguterbranche die Implementierbarkeit und praktische Problemlosungskraft der entwickelten SCPM-Konzeption untersucht (Kapitel 5.2). Zweitens werden mittels einer vergleichenden Feldstudie der aktuelle Stand sowie die Entwicklungspotenziale des Supply Chain Performance Managements auBerhalb der betrachteten Fallstudien-Supply Chains betrachtet (Kapitel 5.3). Im abschliefienden Kapitel werden die Ergebnisse beider Untersuchungsplane konsolidiert und zu Gestaltungsempfehlungen fur die Untemehmenspraxis verdichtet (Kapitel 5.4). Unter Berucksichtigung der typischen Beschrankungen der Aussagekraft explorativer Analysen kann durch das gewShlte zweistufige Vorgehen somit ein relativ dififerenziertes Bild von der Praxisrelevanz der Forschungsergebnisse gewonnen werden. Gleichzeitig kann die Konsistenz der theoriegeleitet entwickelten Konzeption kritisch reflektiert werden. Kapitel 6 schlieBt die vorliegende Arbeit mit einer thesenartigen Zusammenfassung der theoriegeleiteten und empirischen Erkenntnisse und der Ableitung von Schlussfolgerungen ftir das Management von Supply Chains. Daruber hinaus werden iiber eine Darstellung des noch offenen Forschungsbedarfs Ansatzpunkte fiir zukunftige anwendungsorientierte Forschungsvorhaben geschafifen. Die nachfolgende Abbildung 3 zeigt den beschriebenen Forschungsprozess. Zur Illustration des anwendungsorientierten Vorgehens wird das Vorgehen dabei dem in Kapitel 1.2 vorgestellten schematischen Forschungsprozess gegentibergestellt.
Der Begriff „SCPM" fmdet sich in der Literatur bislang im Sinne von „Supply Chain Performance Measurement" bei Erdmann (2003), z.B. S. 2 sowie im Sinne von „Supply Chain Performance Management" bei Glohr (2003), S. 615. In beiden Fallen wird er jedoch nicht im Sinne einer theoriegeleiteten Steuerungskonzeption verwendet.
10
1 Einleitung
Schematischer Prozess der anwendungsorientierten betriebswirtsch. Forschung
Anwendungsoiientierter Forschungsprozess der vorliegenden Arbeit 1 Einleitung: Perfbrmanceorientierte Steuerung als neue IHerausfbrderung fUr das Supply Chain Management |r%^-
Erfassung und Typisierung praxisrelevanter Probleme
2
Steuerungsproblematil( im SCM als Ausgangspunkt fiir das Performance Management
^^1 iS°p??p^!i?i?*,^r^Dl?-4,n5l f i ° y ?[pi?'5'®i s'®§ PSt^ Erfassung und Interpretation problemrelevanter Theorien
2.2 steuerung als spezielle untemehmensinteme und -Qbergreifende Managementaufgabe 2.3 TheoriegestQtzte Erkldrungsbeitrdge zur Steuerungsproblematilc im SCM 2.4 Ableitung von Steuemngsanforderungen im SCM 3
Erfassung und Untersuchung des relevanten Anwendungszusammenhangs
3.1 Entwicklungspfad Performance Measurement 3.2 Entwicklungspfad wertorientierte UntemehmensfOhmng 3.3 Konzeptionelle Impulse des Controllings fur das Supply Chain Perfomiance Management
4
Ableitung von Modellen, Beurteilungskriterien und Gestaltungsregein
Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
Supply Chain Performance Management (SCPM) als interorganisationale Steuerungskonzeption fur das Supply Chain Management
4.1 Konzeptk)nsverstdndnis des Performance Managements 4.2 Ableitung des theoretischen Bezugsrahmens der SCPM-Konzeption 4.3 Inhaltliche und methodisch-instrumentelle Ausgestaltung der SCPMKonzeption
R^^^gfr^:^*^^ 5
Prufung der Regein und Modelle im Anwendungszusammenhang
Explorative empirische Untersuchung zum Entwicklungsstand des Supply Chain Performance Managements in der Praxis
5.1 Entwicklung des Forschungsdesigns fOr die empirische Untersuchung | 5.2 Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung: SCPM am Beispiel einer Automobil- sowie einer Konsumguter-Supply Chain 5.3 Ergebnisse der vergleichenden Feldstudie: Stand und Entwicklungstrends des SCPM in der Automobil- und Konsumguterbranche 5.4 Ableitung von Gestaltungsempfehlungen fur die Untemehmenspraxis
Ableitung von Gestaltungsempfehlungen fur die Praxis
Abbildung 3:
6 Thesenartige Zusammenfessung der Erkenntnisse der Arbeit und Schlussfolgerungen fQr das Management von Supply Chains
Anwendungsorientierter Forschungsprozess undAufbau der Arbeit Quelle: Eigene Darstellung; generisches Prozessmodell anwendungsorientierter Forschung in Anlehnung an Ulrich (1995), S. 167
2. Steuerungsproblematik im Supply Chain Management als Ausgangspunkt fur das Performance Management
Zur Entwicklung einer Konzeption des Supply Chain Performance Managements sind Erkenntnisse aus unterschiedlichen Teilbereichen der betriebswirtschaftlichen
Forschung
aufzugreifen und zusammenzuftihren. ZunSchst wird das zugmnde gelegte Konzeptverstandnis des Supply Chain Managements vorgestellt imd auf ausgewahlte Problemfelder iibertragen (Kapitel 1.1). AnschlieBend werden - zunachst unabhangig vom SCM-Kontext - Wesen und Inhalt der Steuerung als spezielle Managementaufgabe herausgearbeitet (Kapitel 2.2). Im dritten Unterkapitel fmdet eine erste Reflektion und Zusammenfuhrung dieser theoriegeleiteten Gnmdlagen statt, indem ausgewahlte Theoriegebaude im Hinblick auf ihre Erklarungsbeitrage zur einleitend adressierten Steuerungsproblematik im Supply Chain Management analysiert werden (Kapitel 2.3). Kapitel 2.4 widmet sich schlieBlich der Ableitung von Steuerungsanforderungen fiir das Supply Chain Management-Konzept.
2.1. KonzeptverstSndnis und Problemfelder des Supply Chain Managements Supply Chain Management erfreut sich sowohl in der betriebswirtschaftlichen Forschung^^ als auch in der Untemehmenspraxis^^ anhaltend hoher Popularitat. Seit seiner ersten Erwahnung im Jahr 1982^° hat der Begriff in unterschiedlichste betriebswirtschaftliche Disziplinen - unter anderem Marketing, Finanzen, Produktion, Logistik, Untemehmensfuhrung, Operations Research, Controlling und Mformationsmanagement - Einzug gehalten. Die breite Verwendung des Begriflfs hat jedoch zu einer Verwasserung gefiihrt, so dass sich aus der bloBen Verwendungshaufigkeit keine Aussagen uber den tatsSchlichen Innovationsanspruch des
Als relevante US-amerikanische Veroffentlichungen, die zum Bekaimtheitsgrad von Supply Chain Management wesentlich beitragen, gelten beispielsweise Cooper/Ellram (1993), Cooper et al. (1997), Lambert/Cooper (2000), Bechtel/Jayaram (1997), La Londe/Masters (1994) sowie die einschlagigen Monographien von Mentzer (2001b) und Handfield/Nichols (1999). Im deutschsprachigen Raum sind diesbeziiglich exemplarisch die Monographien von Stolzle (1999), Prockl (2001a), Corsten/Gossinger (2001a), Otto (2002), Heusler (2004), KrUger (2004), Zimmer (2001), GroU (2004) oder Bacher (2004) zu nennen. Eine Reihe von empirischen Untersuchungen aktuelleren Datums belegen die hohe Relevanz von Supply Chain Management aus Sicht der Untemehmenspraxis. Vgl. dazu Schonsleben et al. (2003), Accenture (2003), Poirier/Quinn (2003), ELA European Logistics Association/Bearing Point (2002) und Arthur D. Little (1999). Der zunehmend spezielle Anwendungsfokus des Supply Chain Managements zeigt sich auch in einer Reihe branchenspezifischer Studien, vgl. z.B. Roland Berger/Grocery Manufacturers of America (2003) zu Supply Chain Management in der Lebensmittelindustrie oder Eisenbarth (2003) zu Supply Chain Management im Automobilbereich. Die empirischen Ergebnisse von Accenture (2003), Eisenbarth (2003) sowie Poirier/Quinn (2003) werden in Kapitel 2.1.1.1 wieder aufgegriffen. Vgl. OliverAVebber (1982). S. 76-88.
12
2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
„Phanomens" Supply Chain Management ableiten lassen.^' Um eine knappe und aufschlussreiche Einfuhrung in das Konzeptverstandnis des Supply Chain Managements zu geben und damit die Diskussion der Steuerungsproblematik in Supply Chains vorzubereiten, wird wie folgt vorgegangen: Zunachst wird der Entwicklungsstand des Supply Chain Managements beleuchtet, zum einen aus Sicht der Untemehmenspraxis, zum anderen aus der Perspektive der betriebswirtschaftlichen Forschung (vgl. Kapitel 2.1.1). Daraufhin werden die grundlegenden Zielkategorien des Supply Chain Managements vorgestellt und im Rahmen ausgewahlter Handlungsfelder konkretisiert (vgl. Kapitel 2.1.2). Die Definition von Handlungsfeldem erweist sich dabei fur die spatere Verortung von Steuerungsaufgaben im Supply Chain Management-Konzept als hilfreich. SchlieBlich werden drei ausgewahlte Frameworks des Supply Chain Managements prasentiert, die fiir den weiteren Gang der Argumentation von Bedeutung sind, da sie bereits erste Bezuge zur Steuerungsproblematik beinhalten (vgl. Kapitel 2.1.3). 2.1.1. Entwicklungsstand des Supply Chain Managements 2.1.1.1. Supply Chain Management in der Praxis - ausgewahlte empirische Befunde Der Stellenwert von Supply Chain Management in der Praxis ISsst sich anhand von Studien und Untemehmensbefragungen nachvollziehen. Finer empirischen Untersuchung von Accenture (2003) zufolge schStzen 89% von 636 befragten Top-Managem aus international tatigen Untemehmen Supply Chain Management als „sehr wichtig" (45%) bis „kritisch" (44%) ftir ihr Untemehmen und ihre Branche ein. Rund 51% geben an, die Investitionen ihres Unternehmens im Bereich Supply Chain Management haben in den vergangenen drei Jahren „signifikant zugenommen".^^ Des Weiteren wird in der Studie eine Korrelation zwischen der finanziellen Performance und der Supply Chain-Performance^^ eines Untemehmens konstatiert - ein Aspekt, dem in jiingerer Zeit auch aus Forschungssicht verstSrkt Bedeutung beigemessen wird.^"* Im Bereich Supply Chain Management fuhrende Untemehmen weisen dem-
In der Literatur wird Supply Chain Management bisweilen als PhSnomen (vgl. Prockl 2001, S. 37) bzw. als Management-Philosophie bezeichnet (vgl. Tan et al. (2002), S. 614, Mentzer et al. (2001a), S. 8, Stolzle (1999), S. 163, Wildemann (2003), S. 22, Chandra/Kumar (2000), S. 101). Mit der Wahl dieser „breiten" Begriffe woUen die Autoren der inhaltlichen Ausdehnung des Supply Chain Managements Ausdruck verleihen. Seit ca. 10 Jahren wird Supply Chain Management zunehmend als Konzept bezeichnet, obwohl sich bislang keine einheitlich anerkannte Definition durchsetzen konnte. Davon zu unterscheiden ist der Begriff der Konzeption (vgl. dazu insbes. SchSfer (2001), S. 204, vgi. auch Stolzle (1999), S. 145-146 oder Heusler (2004), S. 44). In der vorliegenden Arbeit soUen aus Grunden der Ubersichtlichkeit - trotz einiger verbleibender Vorbehalte - die Begriffe Supply Chain Management-PhSnomen, Supply Chain ManagementKonzept sowie Supply Chain Management-Ansatz synonym verwendet werden. Vgl. Accenture/INSEAD (2003). ,J''inanzielle Performance" wird in Accenture (2003), S. 5, mit der „compound average growth rate", d.h. dem iiber eine bestimmte Periode gemittelten Wachstum des BOrsenwerts des betreffenden Untemehmens, gleichgesetzt. „Supply Chain-Performance" setzt sich laut Accenture (2003), S. 5, aus den Kennzahlen Lagerumschlagshaufigkeit (inventory turns), Umsatzkosten (cost of goods sold) sowie Gesamtkapitalrentabilitat (return on assets) zusammen. Vgl. z.B. Otto (2002), S. 283-292, Weber (2003), Ellram/Liu (2002).
13
2.1 Konzeptverstandnis und Problemfelder des Supply Chain Managements
nach eine hohere finanzielle Performance auf als Nachztigler.^^ Zu ahnlichen Ergebnissen kommt eine empirische Erhebung von Eisenbarth (2003) unter 297 deutschen Zulieferunternehmen der Automobilindustrie. 71% der Befragten geben an, Supply Chain Management habe fur ihr Untemehmen groBe Bedeutung. 92% sagen aus, die Bedeutung von Supply Chain Management werde in Zukunft einen hohen Stellenwert aufweisen.^^ Die hohe Bedeutung, die dem Konzept insbesondere im Hinblick auf dessen Kosteneinsparungspotenziale beigemessen wird, wird von der Studie von Poiriet/Quinn (2003) bestatigt, im Rahmen derer 142 Vertreter US-amerikanischer Untemehmen nach dem aktuellen Implementierungsstand des Supply Chain Managements befragt wurden (vgl. Abbildung 4).
0
^ Konzeptumfang des Supply Chain Managements
13% der Untemehmen
€ 3 1 % der Untemehmen
52% der Untemehmen r
~^
Cluster 1: Funktionale Integration
Cluster 2: Untemehmensweite Prozessinteg ration
nstitutionale ReichlA/eite der Supply Chain-Aktivitaten
Intraorganisatio nale Perspektive
Abbildung 4
Cluster 3: Kooperation mit 1 ausgewahlten Partnem
Cluster 3: Agieren in der Value Chain
4% der Untemehmen Cluster 4: Voile Netzwerktransparenz und -integration
1
Interorganisationale (Netzwerk-)Perspektive
Umsetzungsstand des Supply Chain Management-Konzepts Quelle: Poirier/Quinn (2003), S. 42, vom Verfasser ubersetzt und verdndert
Demnach belaufen sich die bislang durch Supply Chain Management-Initiativen realisierten Einsparungen auf durchschnittlich 5-8% der Gesamtkosten des Untemehmens. Die Untersuchung zeigt jedoch auch Defizite in der Umsetzung auf. Die Auswirkungen der Supply ChainAktivitaten auf den Untemehmenserfolg werden in der Praxis oft zugunsten einer reinen Kostenbetrachtung vemachlassigt. Demnach konnen mehr als die Halfte der Befragten erfolgswirksame Efifekte von Supply Chain Management nicht quantifizieren. Zudem weist die empirische Studie darauf hin, dass sich 52% der befragten Untemehmen in einem Umset-
Vgl. Accenture/INSEAD 2003, S. 4. Zu einer Aufbereitung ausgewShlter Ergebnisse dieser Studie vgl. auch Copacino et al. (2003). Vgl. Eisenbarth (2003), S. 198-199.
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2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
zungsstadium befinden, in dem noch keine koordinierenden Aktivitaten uber Untemehmensgrenzen hinaus vorgenommen werden (vgl. Cluster 1 und 2 in Abbildung 4). Weitere 30% koordinieren ihre Aktivitaten mit einigen „wenigen, sorgfaltig ausgewShlten Geschaftspartnem" (vgl. Cluster 3 in Abbildung 4). Nur ein geringer Prozentsatz versteht sich als Akteur innerhalb einer integrierten Supply Chain oder eines Netzwerks (vgl. Cluster 4 und 5 in Abbildung 4)?'' Erhebungen im deutschen Sprachraum, wie z.B. die Studie von Schonsleben (2003), zeichnen ein vergleichbares Bild: Die 200 befragten Untemehmen erkennen zwar die zentrale Bedeutung des Supply Chain Managements fur den Untemehmenserfolg an. Die groBten Verbesserungspotenziale durch Supply Chain Management werden jedoch in eher operativ orientierten Prozessen, wie z.B. der Auftragsabwicklung, gesehen.^* Weitere Umsetzungsdefizite betreffen die teilweise fehlende Bereitschaft, Informationen an Lieferanten weiterzugeben, sowie den noch geringen Entwicklungsstand des Supply Chain Controlling.^^ Die beiden letztgenannten Studien offenbaren unter anderem die Implementierungsliicke, mit der sich Supply Chain Management bis heute konfrontiert sieht.^" Trotz des breiten Konsenses hinsichtlich der hohen Bedeutung des Supply Chain Managements fur den Untemehmenserfolg konzentriert sich ein GroBteil der Untemehmen bislang schwerpunktmaBig auf die untemehmensinteme (Kosten)Optimiemng von eher operativen Prozessen. Die Potenziale des Supply Chain Managements im Bereich des strategischen, untemehmensiibergreifenden Managements von GeschSftsprozessen werden zwar prinzipiell erkannt, von den meisten Untemehmen jedoch bislang nicht aktiv ausgeschepft.^^ 2.1.1.2. Supply Chain Management in der Forschung - Definition und Entwicklungsziige Mit Blick auf die weiterfuhrende Argumentation der vorliegenden Arbeit ist auf Basis des aktuellen Diskussionsstandes eine begriffliche Eingrenzung des Supply Chain Managements vorzunehmen. Da die einschlSgige Literatur sich in den vergangenen Jahren intensiv der Defmitorik des Supply Chain Managements gewidmet hat,^^ wird hier eine Auswahl von wissenschaftlich einschlagigen DefmitionsansStzen vorgestellt (vgl. Abbildung 5). Die ausgewahlten Definitionen lassen erkennen, dass sich bislang noch kein ubereinstimmendes BegrifFsverstandnis des Supply Chain Managements herausgebildet hat. Dies lasst zum einen auf uneinheitliche AufiFassungen beztiglich des Handlungsbezugs des Supply Chain Managements schlieBen. Unter „Management" wird beispielsweise Beziehungsmanagement,
Vgl. Poirier/Quinn (2003), S. 43. Vgl. Schonsleben et al. (2003), S. 20-21. Vgl. Schonsleben et al. (2003), S. 22-24. Vgl. zur Implementierungsliicke im Supply Chain Management Heusler (2004), S. 3. Vgl. auch die Ergebnisse der (explorativen) empirischen Untersuchungen von Pfohl et al. (2001), S. 17-18 sowie Lockamy III/McCormack (2004), S. 1209-1210. Vgl. zu einem ausfuhrlichen LiteraturUberblick iiber Defmitionsansatze zum Begriff „Supply Chain Management" z.B. Bechtel/Jayaram (1997), S. 17, Croom et al (2000), S. 67-83, Otto (2002), S. 158-159, Pfohl (2000), S. 5, GOpfert (2002), S. 28-33, Corsten/Gossinger (2001a), S. 81-94, Heusler (2004), S. 10-11.
2.1 Konzeptverstandnis und Problemfelder des Supply Chain Managements
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Integration, Entwicklung, Gestaltung, Lenkung, Koordination, Taktik, Planung, Steuerung Oder KontroUe verstanden (vgl. die obigen Definitionsansatze). Autor (Jahr)
Definition des Supply Cliain Managements
Christopher (2005), S. 18
"[Supply chain management is] the management of upstream and downstream relationships with suppliers and customers to deliver superior customer value at less cost to the supply chain as a whole."
Cooper etal. (1997), S. 11
„Supply Chain Management is the integration of business processes from end user through original suppliers that provides products, services and information that add value for customers."
Gopfert (2002), S. 32
„Das Supply Chain Management bildet eine modeme Konzeption fiir Untemehmensnetzwerke zur ErschlieBimg untemehmensiibergreifender Erfolgspotenziale mittels der Entwicklung, Gestaltung und Lenkung effektiver und effizienter Giiter-, Informations- und Geldfliisse."
Mentzer et al. (2001b), S. 18
„Supply chain management is defined as the systemic, strategic coordination of the traditional business functions and the tactics across these business functions within a particular company and across businesses within the supply chain, for the purposes of improving the long-term performance of the individual companies and the supply chain as a whole."
Hahn (2002), S. 1064
„Unter Supply Chain Management kann man die Planung, Steuerung und Kontrolle des gesamten Material- und Dienstleistungsflusses, einschlieBlich der damit verbundenen Informations- und Geldfliisse, innerhalb eines Netzwerkes von Untemehmungen [...] verstehen."
Abbildung 5:
Ausgewdhlte Defmitionen des Supply Chain Managements
Zum anderen wird auch das Betrachtungsobjekt per se, die „Supply Chain", mit unterschiedlichen Interpretationen belegt. Die Spannweite reicht von der Bedeutung eines funktionalen SammelbegrifFs fur Beschaffung, Materialwirtschaft und Distribution^^ iiber prozessuale Definitionsansatze, welche die Supply Chain als Bundel untemehmensiibergreifender Giiter-, Informations- und Finanzfliisse^"* oder auch als allgemeilien Wertschopfungsprozess^^ bezeichnen, bis bin zu institutionalen Interpretationen, in welchen die Supply Chain als Gruppe von drei oder mehr partnerschafllich verbundener Untemehmen beschrieben wird.^^ Insbesondere in der deutschsprachigen Literatur ist haufig eine Vermischung von prozessualem und institutionalem Supply Chain-Verstandnis festzustellen.^^ AbschlieBend lassen sich mehrere Ursachen fiir die festgestellten defmitorischen und theoretischen Unscharfen erkennen. Einmal ist anzufiihren, dass der Ursprung des Supply Chain Managements in der (Beratungs-)Praxis mafigeblich zur begrifflichen Vielfalt und inhaltlichen
Vgl. New (1997), S. 16. Vgl. Gopfert (2002), S. 32. Vgl. Otto (2002), S. 90. Vgl. Mentzer (2001a), S. 5. Vgl. Kotzab (2000), S. 33.
16
2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
Breite dieser Disziplin beigetragen hat.^* Zudem ist insbesondere in der englischsprachigen Literatur ein Mangel an theoretischer Supply Chain Management-Forschung zu konstatieren.^^ SchlieBlich ist festzustellen, dass mehrere betriebswirtschaftliche Teildisziplinen, welche sich zeitgleich mit der Thematik beschaftigen, eine Fuhrungsrolle beanspruchen, wodurch eine konsensfahige theoretische Fundierung erschwert wird."^ Insbesondere in Anbetracht des ausstehenden Theoriefundaments erscheint es nicht opportun, das in der vorliegenden Arbeit noch herauszuarbeitende Begriffsverstandnis zur Supply Chain und deren Management a priori durch eine eigene Definition einzuengen."^^ Aufschlussreicher erweist sich die Untersuchung der konzeptionellen Ursprunge des Supply Chain Managements. Als Untersuchungsraster fiir diese Aufgabe werden in der Literatur haufig sog. „Denkschulen des Supply Chain Managements" sowie „Grundprinzipien des Supply Chain Managements" bemiiht, die aus jeweils unterschiedlichen Blickwinkeln dessen Problemstellung, Aufgaben und Instrumente er6rtem. Aus Grunden der Fokussierung wird auf eine Vorstellung dieser Ansatze verzichtet und auf die einschlSgige Literatur verwiesen/^ Die folgenden Ausftihrungen betrachten Supply Chain Management vor allem aus Sicht der Logistik als jener betriebswirtschaftlichen Disziplin, die in der relevanten Literatur haufig als Ursprung des Supply Chain Managements bezeichnet wird.*^ Die forschungsseitig gefuhrte Debatte zur „betriebswirtschaftlichen Logistikkonzeption""^ hat eine Reihe von AnsStzen hervorgebracht, die eine konzeptionelle Neuorientierung der Logistik vorschlagen. Die betriebswirtschaftliche Logistikkonzeption befindet sich demnach ebenso wie das Supply Chain Management - inmitten eines Veranderungsprozesses/^ Im Zuge dieses Prozesses ist eine zunehmende Ausdehnung des Aufgabenspektrums der Logistik festzustellen. Der klassische Kern der Logistikaufgabe liegt in der effizienten Abwicklung von Transport-, Umschlag- und Lagerungsaufgaben im Untemehmen. Eine erweiterte Sichtweise ordnet der Logistik eine Reihe vonfimktionsiibergreifendenKoordinationsaufgaben zu. Dabei stehen Synergieeffekte im Vordergrund, die durch eine Optimierung einzelner Funk-
Vgl. Corsten/Gossinger (2001a), S. 95, Weber et al. (2000), S. 264, GSpfert (2002), S. 27, Kotzab (2000), S.4L Laut Groom et al. (2000), S. 74, weisen rund 83% der relevanten Fachartikel empirischen Charakter auf, wahrend sich nur 17% mit theoriebildenden oder -beschreibenden Ansatzen befassen. Vgl. Kotzab (2000), S.41 sowie insbesondere Heusler (2004), S. 11 und S. 53-78, der als wesentliche theorieseitige Treiber des Supply Chain Managements die Beschaffungs-, Logistik- und die Marketingkonzeption sowie die Netzwerkforschung einander gegeniiberstellt, Vgl. Otto (2002), S. 160, der ein Shnliches Vorgehen vorschlagt. Die ,J)enkschulen des Supply Chain Managements" finden erstmals bei Bechtel/Mulumudi (1996), S. 2-5, Erwahnung. Als einschlagige Quelle hierzu kann Bechtel/Jayaram (1997), S. 16-19, bezeichnet werden. Die Denkschulen werden beispielsweise bei Stolzle (1999), S. 165, Prockl (2001a), S. 44-71, Heusler (2004), S. 12-15, aufgegriffen. Zu einem Uberblick zu „allgemeinen Prinzipien" bzw. „Grundprinzipien" des Supply Chain Managements vgl. z.B. Otto/Kotzab (2001), S. 166 sowie Beckmann (2004), S. 9-11. Vgl. u.a. Stolzle (1999), S. 162, Weber (2002b), S. 13-15, Kotzab (2000), S. 21-47, G6pfert (2002), S. 30, Kriiger/Steven (2000), S. 501-507, Heusler (2004), S. 54-57, Prockl (2001a), S. 37-43, Lambert/Pohlen (2001), S. 3. Vgl. Kotzab (2000), Stolzle (2002c), G6pfert (2000), S. 19-22, Pfohl (2004a), S. 20-48. Vgl. Gopfert (2002), S. 28.
2.1 Konzeptverstandnis und Problemfelder des Supply Chain Managements
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tionsbereiche bislang nicht realisiert werden konnten. Im Rahmen ihrer Koordinationsfunktion nimmt die Logistik erste Fuhrungsaufgaben wahr, wie z.B. eine funktionsiibergreifende Kapazitatsplanung, an welcher Beschafifung, Produktion und Vertrieb beteiligt sind."*^ Im Zuge der zunehmenden Aufmerksamkeit, die in der neueren Betriebswirtschaftslehre der flussorientierten Gestaltung von Untemehmensprozessen gewidmet wird, kann sich diese Koordinationsaufgabe auch auf Prozesse erstrecken, welche nach traditioneller Lesart nicht in den Aufgabenbereich der Logistik fallen. In den Augen der „logistischen Sichtweise des Wertschopfungssystems""*^ wird Logistik somit zu einer Fuhrungsaufgabe, deren Formalziel die flussorientierte Ausgestaltung aller Untemehmensbereiche darstellt. Bei untemehmensiibergreifender Ausdehnung der logistikrelevanten Prozesse konnen sich die Logistikaufgaben schlieBlich auch auf die untemehmensiibergreifende Ausgestaltung der Flussorientierung erstrecken. Die Ausdehnung des Konzeptumfangs der betriebswirtschaftlichen Logistikkonzeption oflfenbart die enge Verwandtschaft von Logistik und Supply Chain Management, weist jedoch zugleich auf die Notwendigkeit hin, Supply Chain Management als konzeptionelle Neuerung gegeniiber der Ursprungsdisziplin Logistik herauszustellen."^^ Das traditionelle Aufgabenprofil der betriebswirtschaftlichen Logistik lasst sich auf Grund seinerfimktionalenOrientierung, die z.B. in den phasenspezifischen Subsystemen der Logistik zum Ausdruck kommt/^ sowie auf Grund seiner schwerpxmktmaBig untemehmensintemen Orientierung relativ leicht vom Supply Chain Management-Ansatz abgrenzen. Das erweiterte Aufgabenspektrum der Logistik kommt jedoch dem Ansatz des Supply Chain Managements inhaltlich sehr nahe bzw. wird stellenweise sogar mit Supply Chain Management explizit gleichgesetzt.^^ Zudem wird bei naherer Betrachtung der betriebswirtschaftlichen Logistikkonzeption deutlich, dass deren charakterisierende Kategorien des System-, Fluss- und Querschnittsdenkens auf das Supply Chain Management ubertragen werden konnen.^^ Dennoch konnen zugunsten einer konzeptionellen Selbstandigkeit des Supply Chain Managements gegeniiber der betriebswirtschaftlichen Logistikkonzeption folgende Argumente ins Trefifen gefiihrt werden:
Vgl. Weber (2002b), S. 10, Stolzle (2002c), S. 513-514. Zur Koordination in der Logistik vgl. auch Mikus (2003), S. 371-384. Zum Koordinationsverstandnis der vorliegenden Arbeit vgl. vertiefend Kapitel 2.4.1. Gopfert (2001), S. 347. Neben der konzeptionellen Verankerung des Supply Chain Managements in der Logistik (vgl. auch Fufinote 43) werden wichtige theoretische Bezugspunkte des Supply Chain Management-Konzepts unter anderem in der Marketingforschung (vgl. z.B. Alvarado/Kotzab (2001), S. 183-186), der Beschaffungsforschung (vgl. z.B. Amold/E6ig (2000), S. 122) sowie der Netzwerkforschung (vgl. z.B. Sydow (2002), S. 9-15) gesehen. Vgl. zu den phasenspezifischen Subsystemen Beschaffimgs-, Produktions-, Distributions- und Entsorgungslogistik Pfohl (2004a), S. 179-245. Vgl. Weber (2002b), S. 10 bzw. GQpfert (2002), S. 31. Bis 2001 war bei Gopfert der Begriff „Supply Chain Management" in der Darstellung der Entwicklungsphasen der Logistik nicht enthalten (vgl. z.B. Gopfert (2001), S. 349). Spater wurde er in das ansonsten unverandert gebliebene Modell eingeftigt (vgl. Gopfert (2002), S. 31). Vgl. Kotzab (2000), S. 35, Stolzle (1999), S. 162. Zu den Kategorien der betriebswirtschaftlichen Logistikkonzeption vgl. Pfohl (2004a), S. 20-43. Pfohl (2004a), S. 15-16, geht sogar so weit, das Supply Chain Management aus institutionaler Sicht unter das Dach der Metalogistik einzuordnen, im Rahmen derer untemehmensubergreifende Kooperationen abgebildet werden.
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2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
• Der Integrationsanspmch des Supply Chain Managements geht uber die Flussorientiemng der Logistik hinaus. Giiter-, Informations- und Finanzfliisse zahlen zum traditionellen Objektbereich der Logistik.^^ Da das Supply Chain Management sich ebenfalls mit diesen Objektfltissen befasst, liegt sein Ursprung in der Logistik. Die angefuhrten Phasenmodelle zeigen ebenfalls diese historische Verankenmg des Supply Chain Managements. Der Anwendungsbereich des Supply Chain Managements umfasst jedoch auch nicht-logistische Prozesse, wie den CRM- oder den Produktentwicklungsprozess.^^ Insofem erscheint es nicht zielfuhrend. Supply Chain Management als alternative Bezeichnung fiir integriertes untemehmensiibergreifendes Logistikmanagement zu verstehen.^"* In diesem Punkt folgt die vorliegende Arbeit der Auffassung von Cooper et al. (1997): „There is definitely a need for the integration of business operations in the supply chain that goes beyond logistics."^^ • Die untemehmensiibergreifende Perspektive steht im Zentrum des Supply Chain Management-Ansatzes. Im Gegensatz zur betriebswirtschaftlichen Logistikkonzeption, die eine Einschrankung auf die Untemehmenslogistik zulasst, ist die interorganisationale Ausrichtung des Supply Chain Managements eine grundlegende Voraussetzung ftir dessen konzeptionelle Eigenstandigkeit.^^ So basiert z.B. die fur die vorliegende Arbeit relevante Diskussion zum Supply Chain Management als Management spezifischer Netzwerke auf einer untemehmensiibergreifenden Supply Chain-Sichtweise vom (Vor)Lieferanten bis zum (End)Abnehmer." Dies impliziert keineswegs, dass die Perspektive des Einzeluntemehmens ausgeklammert werden muss. Denn zum einen zShlt aus strukturaler Sicht auch die Positionierung und die RoUe eines Elements im Netzwerk zum Objektbereich des Supply Chain Managements. Zum anderen stellt aus dynamischer Sicht die untemehmensinteme „Supply Chain" haufig eine „Vorstufe" einer untemehmensiibergreifenden Implementierung von Supply Chain Management dar und verdient deshalb aus Griinden der Praxisrelevanz Beachtung.^* Zusammenfassend ist festzustellen, dass das Supply Chain Management als Phanomen eine hohe Aktualitat und praktische Relevanz besitzt, sich iiber Definitionsansatze jedoch nur teilweise charakterisieren lasst. Eine grundlegende Eingrenzung wurde uber den Vergleich mit der betriebswirtschaftlichen Logistikkonzeption erreicht. Demnach stellt Supply Chain Management ein Konzept dar, welches sich mit der integrierten Gestaltung untemehmens-
Vgl. Gopfert (2002), S. 30. Vgl. Lambert/Cooper (2000), S. 67. Der hier beflirworteten Erweiterung des Gegenstandsbereichs auf untemehmensubergreifende Geschaftsprozesse wird teilweise in der Literatur zum Netzwerkmanagement widersprochen, wo Supply Chain Management als spezielle Variante des Netzwerkmanagements bezeichnet wird, die sich auf die Gestaltung von Material-, Waren-, Finanz- und Infonnationsfliisse beschrSnkt. Vgl. Wohlgemuth (2002), S. 37 sowie Wohlgemuth/Hess (2001). Vgl. im Gegensatz dazu Kotzab (2000), S. 40. Vgl. Cooper et al. (1997), S. 10. Vgl. Stolzle (1999), S. 162. Vgl. z.B. Corsten/GOssinger (2001 a), S. 81 -85. Vgl. zur Implementierung von Supply Chain Management im eigenen Untemehmen als Vorstufe eines untemehmensubergreifenden Supply Chain Management Heusler (2004), S. 231 -232.
2.1 Konzeptverstandnis und Problemfelder des Supply Chain Managements
19
ubergreifender Giiter-, Informations- und Finanzfliisse sowie der mit diesen Fltissen verbundenen Austauschbeziehungen befasst. Die inhaltliche Konkretisierung des Steuerungsbedarfs im Supply Chain Managements setzt eine dariiber hinausreichende Betrachtung seiner Ziele und seines Gegenstandsbereichs voraus. 2.1.2. Ziele und Gegenstandsbereich des Supply Chain Managements Die Eingrenzung des Gegenstandsbereichs des Supply Chain Managements, d.h. der relevanten Konzeptinhalte, folgt einem zweistufigen Vorgehen: Zunachst werden die grundlegenden Zielkategorien des Konzepts vorgestellt. AnschlieBend werdeh diese anhand ausgewShlter inhaltlicher Handlungsfelder des Supply Chain Managements weiter konkretisiert. 2.1.2.1. Ableitung allgemeiner Zielkategorien des Supply Chain Managements Heusler (2004) stellt in der einschlagigen Literatur einen weitgehenden Konsens hinsichtlich der vier Zielkategorien des Supply Chain Managements „Steigerung des Endkundennutzens", „Kostensenkung", „Realisierung von Zeitvorteilen" sowie „Verbesserung der Qualitat" fest.^^ Diese vomehmlich auf Sachzielebene^^ formulierten Zielkategorien weisen enge Beziige zu den Zielen des (integrierten) Logistikmanagements auf.^^ Ihren Bedeutungsinhalt gilt es jedoch vor dem Hintergrund des untemehmensubergreifenden Supply Chain ManagementKonzepts neu auszurichten. Daruber hinaus fmden Zielsetzungen, welche bei einer untemehmensbezogenen Betrachtung zu den (meist monetaren) Formalzielen gezShlt werden, in jiingerer Zeit zunehmend Eingang in das Supply Chain Management-Konzept. Hervorgehoben wird in diesem Kontext insbesondere das Ziel der „Wertorientierung", welches mit den bereits genannten Zielen, insbesondere mit dem der Kostensenkung, intensive Wechselwirkungen aufweist, aber dennoch eine gesonderte Beriicksichtigung verdient.^^ Somit ergeben sich funf zentrale Zielkategorien des Supply Chain Managements, die im Folgenden kurz vorgestellt werden: • Steigerung des Endkundennutzens: Die Nutzenkomponenten des Endkunden lassen sich aus wirkungsbezogener Sicht insbesondere an den klassischen Servicezielen der Logistik Vgl. zur folgenden Aufzahlung den Literaturtiberblick bei Heusler (2004), S. 17 sowie Amold/Warzog (2001), S. 20. Die Abgrenzung von Sach- und Formalzielen geht auf Kosiol (1972) zuruck, vgl. dazu beispielsweise Gladen (2003), S. 29-31, und die dort zitierten Quellen. Vgl. zur Differenzierung von Sach- und Formalzielen im Kontext des Performancebegrififs Kapifel 3.1.1. Vgl. Kotzab (2000), S. 40, Gopfert (2000), S. 19 sowie Heusler (2004), S. 20. Vgl. zur Wertorientierung in Supply Chains Neher (2003), S. 27-47, Wildemann (2005), S. 501-522, zur „fmanziellen" Supply Chain Pfohl et al. (2003a), S. 10-26, Pfohl et al. (2003b), S. 1-64 sowie speziell zum Cash Flow Management in Supply Chains Elbert (2002), S. 304-306 und Hofinann (2003), S. 65-66. Vgl. zur Bewertung von Supply Chains Moller (2003), S. 59-60. Vgl. zu Bedeutung und Aufgaben des Supply Chain Managements im Rahmen einer wertorientierten Untemehmensfuhrung Christopher/Ryals (1999), S. 1-10, Ellram/Liu (2002), S. 30-31, Evans/Danks (1998), S. 20-23, Keebler (2001b), S. 334-337, Pfafif et al. (2004), S. 67-80 sowie Singhal/Hendricks (2002), S. 18. Vgl. auch Otto (2002), S. 99, der eine Ausdehnung des Shareholder Value-Ansatzes, speziell des Economic Value Added (EVA)-Konzepts, von der Einzeluntemehmens- auf die Kooperations- und in weiterer Folge auf die Netzwerkebene in Supply Chains vorschlSgt.
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2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
(Lieferzeit, LieferzuverlSssigkeit, Lieferbereitschaft, Lieferbeschaffenheit und Lieferflexibilitat) festmachen." Im Gegensatz zur Logistikperspektive ist diese Endkundenorientierung im Supply Chain Management jedoch uber die durchgangige Ausrichtung der gesamten Wertschopfungskette
(bzw. des „formalen Supply Chain-Systems") an den
Bedurfiiissen des Endkunden sicherzustellen." Als weitere Nutzenkomponente wird die Informationsversorgung des (End)kunden tiber Status eines Auftrags bzw. einer Lieferung in der Supply Chain betont.*^^ Die Endkundenorientierung gilt somit als Primtaiel der Supply Chain Management-Philosophie, an dem sich alle anderen Zielsetzungen ausrichten bzw. aus dem sie sich ableiten lassen.^ • Kostensenkung: Im Rahmen des Kostenziels wird der Grundgedanke des Totalkostendenkens der Logistik^^ auf den Objektbereich des Supply Chain Managements ubertragen. Zu den zu betrachtenden Kostenkategorien zahlen insbesondere die Kosten der Supply ChainStruktur (z.B. Fuhrpark- und Lagerhauskosten), der Supply Chain-Prozesse (z.B. Transport-, Handling- oder Lagerungskosten) sowie des in der Supply Chain gebundenen UmlaufVermogens (insbesondere Bestandskosten).^* Zur KontroUe der Supply Chain-Kosten werden in der Literatur prozess- oder beziehungsorientierte sowie ganzheitliche Kostenrechnungsverfahren vorgeschlagen.^^ Einschrankend ist jedoch anzumerken, dass sich diese Verfahren bislang auf einem relativ niedrigen Entwicklungsstand befmden und im untemehmenstibergreifenden Kontext kaum eingesetzt werden.^" • Realisierung von Zeitvorteilen: Der (End)kunde ist prinzipiell an einer schnellen Verfugbarkeit des gewtinschten Produktes interessiert. Demzufolge werden dem Faktor Zeit und den damit verbundenen Anforderungen an die Flexibilitat einer Supply Chain besondere Beachtung geschenkt.^' Insbesondere gilt es, bestimmte Zeitspannen (sog. „Lead Times"^^) untemehmenstibergreifend zu uberwachen, wie z.B. die „Time to Market" (Zeit zwischen Beginn der Produktentwicklung und Markteinfthrung) sowie die „Time to Serve" (Zeit zwischen Auftragseingang und Auslieferung).^^ Auf Grund gewachsener Komplexitat,
Zu den Servicekomponenten der Logistik vgl. Pfohl (2004a), S. 36-41. Vgl. LaLonde/Masters (1994), S. 46-47. Vgl. Stefansson/Tilanus (2000), S. 258-260. Vgl. Heusler (2004), S. 20. Vgl. Pfohl (2004a), S. 30-33. Vgl. z.B. Christopher (2005), S. 80-83, Bowersox et al. (1999), S. 99, Callioni et al. (2005), S. 135-141. Vgl. etwa zur Prozesskostenrechnung, zur Transaktionskostenrechnung oder zum Total Cost Approach als Weiterentwicklungen der Kostenrechnung im Kontext der Logistik Bowersox et al. (1999), S. 91-93, Weber (2002a), S. 49-59, Kummer (1993), S. 11-28. Vgl. Weber (2002a), S. 90, Christopher (2005), S. 218-219, Seuring (2001), S. 101 sowie StQlzle et al. (2001), S. 76. Vgl. Buscher (1999), S. 450, Handfield/Nichols (1999), S. 8, La Londe/Masters (1994), S. 35-47. Vgl. auch die diesbezuglichen Ergebnisse der eigenen empirischen Untersuchung in Kapitel 5.3.2. Vgl. Christopher (2005), S. 157-161, Reeve (2002), S. 44. Die „Time to Market" entspricht der Produktentwicklungszeit. Die „Time to Serve" ist mit der sog. „Orderto-Delivery Cycle Time" (vgl. Christopher (2005), S. 158) bzw. der Auftragsabwicklungszeit gleichzusetzen.
2.1 Konzeptverstandnis und Problemfelder des Supply Chain Managements
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Intransparenz und beschleunigter Dynamik in Supply Chains^"* findet zunehmend auch die „Time to React" als MaB fur die Flexibilitat, auf Nachfrageanderungen zu reagieren, Beachtung. Die hochste Aufwertung erfahrt das Zeitziel im Supply Chain Managementaffinen Konzept der „Quick-Response-Systeme".^^ • Verbesserung der Qualitat: Auf der Grundlage eines zweckorientiertes Qualitatsverstandnisses, das sich an der subjektiven Qualitatseinschatzung des (End)kunden orientiert, sind im Supply Chain Management sowohl Ziele der Produkt- als auch der Prozessqualitat zu verfolgen.^^ In Erweiterung der untemehmensintemen Perspektive, die von Total Quality Management (TQM)-Ansatzen eingenommen wird, zahlt es zur strategischen Aufgabe des Qualitatsmanagements in Supply Chains, Qualitatsstandards sowohl in der Planung als auch in der Prozessausfuhrung in der untemehmenstibergreifenden Versorgungskette sicher zu stellen^^ Zur Qualitatserhohung (sowohl im Produkt- als auch im Dienstleistungsbereich) kann auch eine Biindelung von Ressourcen und Wissen und die damit verbundene Erzielung von Lemeffekten in der Supply Chain beitragen/^ • Wertsteigerung: Einhergehend mit der hohen Verbreitung der Prinzipien wertorientierter Untemehmensfiihrung^^ in der Praxis fmden dementsprechende Ansatze auch in der Supply Chain Management-Forschung zunehmende Beachtung.^® Eine Integration von wertorientierter Untemehmensfthrung und Supply Chain Management-Konzept steht bislang jedoch noch weitgehend aus. Insofem stellt es teilweise ein Novum dar, wenn in der
Zu den Hintergriinden der Problembereiche Komplexitat, Intransparenz und Dynamik in Supply Chains vgl. Stelzleetal. (2001), S. 75-77. Im Quick-Response-Konzept werden die Reagibilitat, Flexibilitat und Verkurzung von Prozesszeiten zusammen mit mdglichst in Echtzeit zu erfolgenden Steuerung als oberste Zielkategorien des Supply Chain Managements angesehen, vgl. Lowson et al. (1999). Die Sicherstellung der Logistikqualitat uber Untemehmensgrenzen hinweg kommt bislang z.B. im Rahmen (bilateraler) Qualitatsaudits zur Anwendung, mit denen meist Kunden die Logistikqualitat ausgewahlter Lieferanten iiberprufen. Vgl. zur Auditierung in der Logistik Pfohl (2004b), S. 260-267. Vgl. Schroder (2001), S. 273-281. Eine empirische Erhebung zum Entwicklungsstand des Qualitatsmanagements in unterschiedlichen Supply Chain-Stufen (Vorlieferant/Lieferant/Hersteller) prasentieren Choi/Rungtusanatham (1999). Soweit Dienstleistungen Objekt des Supply Chain-Qualitatsmanagements sind, ist aufgrund der Vielzahl involvierter Akteure in der Supply Chain mit einem hohen Integrationsgrad der Dienstleistungserstellung und somit mit erheblichen Schwierigkeiten beim QualitatscontroUing zu rechnen. Vgl. zum QualitatscontroUing von Dienstleistungen Klose (2001). Vgl. Galgenmuller et al. (2004), S. 84-85. Dem zugrunde liegenden, kapitalmarktorientierten Shareholder Value-Ansatz zufolge konstituiert sich der Untemehmenserfolg aus der Steigerung des auf die Anteilseigner entfallenden Untemehmenswertes sowie aus der Hohe einer gegebenenfalls auszuschiittenden Dividende, vgl. z.B. Lucke (2001), S. 58. Vgl. zum Shareholder Value grundlegend Rappaport (1986) sowie die Ausfuhrungen zur wertorientierten Untemehmensfuhrung in Kapitel 3.2.2. Den unterschiedlichen Berechnungsmethoden des Shareholder Values ist gemein, dass Untemehmen nur dann Wert generieren, wenn der Ertrag ihrer Investitionen die Kapitalkosten iibersteigt. Zudem beriicksichtigt der Shareholder Value-Ansatz durch die Abdiskontierung zukiinftiger Ertrage auf den Gegenwartswert starker ein zukunftsgerichtetes Managementverstandnis als z.B. die periodenbezogene Erfolgsrechnimg, vgl. Gunther et al. (2000), S. 70. Vgl. zur Wertsteigerung im Rahmen des Supply Chain Managements Christopher/Ryals (1999), Otto (2002), S. 126-127, M6ller (2003), Neher (2003), Hofmann/Elbert (2004). Vgl. auch die ahnlichen Ansatze zur Bewertung des Netzwerkerfolgs bei Wohlgemuth (2002), S. 167, zur Bewertung strategischer Allianzen bei Michel (1996), S. 65 sowie zur Rolle von Kooperationen ftir den Untemehmenswert bei Galgenmuller et al. (2004).
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2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
vorliegenden Arbeit die Wertsteigerung explizit in die Reihe der allgemeinen Ziele des Supply Chain Management-Konzept aufgenommen wird.^' Dies stellt teilweise ein Novum dar: Urn den Grundgedanken der Wertorientierung - die Ausrichtung aller Wertschopfiingsaktivitaten auf die langfristige Steigenmg des Untemehmenswerts - auf den Supply Chain-Kontext zu ubertragen, sind eine Reihe von Anpassungen vorzunehmen. Im unternehmensintemen Bereich ist unter Beriicksichtigung des logistischen Ursprungs des Supply Chain Managements eine Beziehung zwischen den - meist in den operativen Prozessen verankerten - Werttreibem und der finanziellen Performance eines Untemehmens herzustellen.^^ Im untemehmensubergreifenden Bereich lassen sich unterschiedliche Perspektiven eines wertorientierten Managements unterscheiden: Aus Sicht der Supply Chain als Ganzes ist eine Anpassimg der Partialinteressen einzelner Teilnehmer zu Gunsten der Maximierung des Gesamtwerts der Supply Chain anzustreben. Demgegeniiber stehen aus der Perspektive eines einzehien Untemehmens die Auswirkungen der von AktivitSten in der Supply Chain auf den eigenen Untemehmenswert im Vordergrund. Aus beiden Sichtweisen ergeben sich unterschiedliche Anforderungen an ein wertorientiertes Management, die an spaterer Stelle noch aufzugreifen sind.*^ In Bezug auf die genannten Zielkategorien ist anzumerken, dass zwischen ihnen eine Reihe von Interdependenzen bestehen, welche unter Umstanden einen konkurrierenden Charakter aufweisen konnen.^ Auf Grund der Besonderheiten der noch zu erlautemden Kontextfaktoren des Supply Chain Managements*^ in Verbindxmg mit den bereits diskutierten EntscheidungsspielrSumen der beteiligten Untemehmen lassen sich diese Interdependenzen nicht umfassend abbilden.*^ Einen ersten Ansatzpunkt bietet jedoch die Beriicksichtigung bekannter Zielkonflikte aus der betrieblichen Logistik, welche sich beispielsweise im Rahmen einer Wirkungsanalyse analysieren und formalisieren lassen.*^ Insgesamt ist in Bezug auf die genannten Zielkategorien festzustellen, dass sie den Gegenstandsbereich des Supply Chain Managements allgemein charakterisieren konnen. Das
Nicht-monetSre Wertaspekte werden an dieser Stelle vorubergehend ausgeklammert. Zu diesen zahlen neben Kompetenz, Marktposition oder Beziehungen zu anderen Untemehmen insbesondere Konstrukte wie Intellectual Capital Oder Intangibles, vgi. z.B. Helm/Meiler (2004), Kaplan/Norton (2004a), MQller (2004), Neely et al. (2004). Vgl. zur Unterscheidung monetarer und nicht-monetarer Wertaspekte z.B. Walter et al. (2001), S. 365-377 sowie Neher (2003), S. 30. Weber/Blum (2001), z.B. S. 24, weisen diesbezttglich berechtigterweise auf den noch existierenden Handlungsbedarf in der Praxis hin. Die Dififerenzierung unterschiedlicher Supply Chain-Ebenen wird in Kapitel 2.4.2, die Auspragungsformen der wertorientierten Untemehmensfuhrung in Supply Chains werden in Kapitel 3.2.3 vertieft. Vgl. Pfohl/Stolzle (1997), S. 88-89. Vgl. die Diskussion zu den Kontextfaktoren Dynamik, Intransparenz und Komplexitat der Steuerung in Supply Chains in Kapitel 2.2.1.2. Vgl. auch Heusler (2004), S. 20, Pfohl/Stolzle (1997), S. 89. Vgl. z.B. interdependente KostengrOBen innerhalb des Kostensenkungsziels (z.B. der Kosten-KostenKonflikt zwischen Lagerhaltungs- und Fehlmengenkosten) sowie Zielkonflikte zwischen dem Serviceziel der Endkundenorientierung und dem Kostenziel (Kosten-Leistungskonflikte wie z.B. die iiberproportionale Steigenmg der Distributionskosten bzw. unterproportionale Steigenmg des Umsatzes bei einer Anhebung des Lieferservicegrads), vgl. zur Analyse logistischer Tradeoffs Pfohl (2004b), S. 272-273.
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2.1 Konzeptverstandnis iind Problemfelder des Supply Chain Managements
Aufgabenspektrum wird damit jedoch noch nicht hinreichend konkretisiert, so dass cine weitere Konkretisierung sinnvoU erscheint. 2.1.2.2. Konkretisierung der Zielkategorien anhand ausgewShlter Handlungsfelder Die foigende vertiefende Analyse von Gegenstandsbereich und Aufgaben des Supply Chain Managements lehnt sich an einen Strukturierungsansatz an, der erstmals von Otto/Kotzab (2002) gewahlt wurde. Im Rahmen einer Weiterentwicklung des einschlagigen „Denkschulenkonzepts" des Supply Chain Managements^^ identifizieren sie sechs Perspektiven und erarbeiten aus dem Blickwinkel jeder Perspektive spezifische Problemstellungen des Supply Chain Managements sowie mogliche Losungsansatze.^^ Heusler (2004) greift den Perspektivenansatz auf und bildet darauf aufbauend die von ihm als „Handlungsfelder" bezeichneten Konzeptkomponenten des Supply Chain Managements.^^ Im Folgenden wird eine daran angelehnte Vorgehensweise gewShlt. Mit „Information/IT", „Supply Chain-Prozesse", „Upstream-Beziehungen", „Downstream-Beziehungen" sowie „Organisation" werden tof Handlungsfelder differenziert, anhand derer das Aufgabenspektrum des Supply Chain Managements vertiefend analysiert wird (vgl. Abbildung 6). Allgemeine Zielsetzungen des Supply Chain Management-Konzepts
Information/IT
SC-Prozesse
Upstream-Bez.
Downstream-Bez.
Organisation
POS-lnformationen
Prozessorientierung
Beschaffung als strateglsche Aufgabe
Kundenorientiemng als FuhrungsleJtbild
Selektion der Supply Chain-Partner
Schnittstellenabbau
Langfrlstige Partnerschaften (SRM)
Langfrlstige Partnerschaften (CRM, ECR)
SourcingEntscheldungen
Segmentspezifische Gestaltung der Distributionsstruktur
Mehr Transparenz Kleinere Schwankungen
Integration
Geringere BestSnde
Schnelle/schlanke Prozesse
+ Verankerung von Verantwortlichkeiten Verknupfung mit Anreizsystemen
Handlungsfelder innerhalb des Supply Chain Management-Konzepts
Abbildung 6:
Konkretisierung des Gegenstandsbereichs des Supply Chain Managements durch allgemeine Zielsetzungen und spezifische Handlungsfelder
Vgl. Bechtel/Jayaram (1997), S. 16-19. Die urspriinglich von Otto/Kotzab (2002) foraiulierten Perspektiven lauten „System Dynamics", „Operations Research and Information Technology (OR/IT)", „Logistik", ,JV[arketing", „Organisation" sowie „Strategie". Vgl. auch Kaufmann/Germer (2001), S. 180-181, die ebenfalls auf diese Perspektiven zurUckgreifen. Heusler (2004), S. 23-43, identifiziert sieben Handlungsfelder des Supply Chain Managements: „System Dynamics", „OR/IT", „Supply Chain-Prozesse", ,Marketing", ,3eschafiling", „Organisation" sowie „Strategie".
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2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
Die spezifischen Zielsetzungen, welche am Ende der Diskussion jedes Handlungsfelds abgeleitet werden, erlauben erste Riickschliisse auf die Anfordemngen, die an eine Steuerung von Supply Chains zu stellen sind. Handlungsfeld Information/IT Das Handlungsfeld Information/IT beruht auf der Uberlegung, dass ein schneller und reibungsloser Informationsfluss die Erftillung der Supply Chain Management-Ziele unterstutzt. Hauptausloser des Handlungsbedarfs ist der sog. „Bullwhip-Effekt".^' Dieser besagt, dass bei einer zeitverzogerten Informationsiibermittlung in der Supply Chain bereits kleine Schwankungen der Endkundennachfrage zu bedeutsamen Auftragsmengen- und Lagerbestandsschwankungen in weiter „stromaufwarts" angesiedelten Stufen der Lieferkette fuhren kOnnen.^^ Der Verlauf des BuUwhip-Effekts kann anhand der folgenden, idealtypischen Verkettung von Ursachen aufgezeigt werden. Die Point-of-Sale-Daten (POS-Daten), die beim Abverkauf an den Endkunden anfallen und ein unverf^lschtes Abbild der tatsachlichen Marktnachfrage darstellen, werden von der Organisation mit direktem Kundenkontakt, meist Handelsuntemehmen, haufig als proprietare Information betrachtet.^^ Bei den Bestellungen, die vom Handel an den Hersteller tibermittelt werden, handelt es sich demzufolge meist um eine abgeleitete Nachfrage, die von den tatsSchlichen Abverkaufsdaten entkoppelt ist. Zudem erfolgt die Weiterleitung der Nachfrage in der Kegel zeitverzogert (da der Handler seine Bestellimgen an bestinmite administrative Rhythmen anpasst) und besteht aus gebundelten Bestellungen (z.B. zur Nutzung von Mengenrabatten bei Terminkaufen oder zur Minimierung der Transportkosten).'^ Hinzu konmit die Problematik erhohter Bestellmengen (sog. „Phantombestellungen") beispielsweise zum Aufbau von Sicherheitsbestanden bei Aktionsgeschaften.^^ Die im Konsumguterbereich hSufigen Preisschwankungen auf Grund von Preisabschlagen, Mengenrabatten oder Sonderangeboten stellen einen zusatzlichen Instabilitatsfaktor dar.^ Der Hersteller kompensiert die dadurch entstehende Nachfrageverzerrung durch eine auf Erfahrungswerten basierende Absatzprognose und -planung, welche in seine Produktionssteuerung einfliefit. Die an den Vorlieferanten ubermittelten Bedarfe werden in der Folge noch starker verfalscht, da sie zum einen auf der genannten Absatzplanung des Herstellers beruhen, zum anderen zusStzliche Mengen- und Zeitpuffer enthalten, die zur Optimierung der ProduktionsplSne des Herstellers notwendig erscheinen (z.B. zur Ausnutzung von Skaleneffekten in der Massenproduktion). Der EflFekt verstarkt sich mit zunehmender Entfemung vom
Vgl. Forrester (1958). Synonyme fiir den BuUwhip-Effekt sind ,J'orrester-Effekt", ,^eitschenschlag-Effekt" sowie „Wiplash-" oder ..Whipsaw-Eflfekt", vgl. z.B. Lee et al. (1997), S. 78, Simchi-Levi et al. (2004), S. 20-27. Vgl. Lee et al. (1997), S. 78, Stolzle et al. (2004), S. 130-313, Prockl (2001a), S. 52-55, Chen et al. (2000), S. 436-443, Keller/Krol (2004), S. 109, Crum/Palmatier (2004), S. 56. Vgl. Delfinann (1999), S. 568. Vgl. Corsten/Gossinger (2001a), S. 90. Vgl. Otto/Kotzab (2002), S. 132. Vgl. Keller/Krol (2004), S. 112, Lee et al. (1997), S. 86.
2.1 Konzeptverstandnis und Problemfelder des Supply Chain Managements
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Endkunden. Zu den Folgen des BuUwhip-Effekts zahlen neben einer schlechten Reaktionsfahigkeit auf Nachfrageanderungen insbesondere der Aufbau von iiberhohten Sicherheitsbestanden in der Supply Chain, die zur Abfederung der entstehenden Mengenschwankungen notwendig werden.^^ Die Folge sind erhohte Lager- und Bestandskosten bzw. Fehlmengenkosten und Kosten durch Leerkapazitaten.^^ Der Schltissel zur L6sung des BuUwhip-Effekts wird hauptsachlich in der Herstellung von Transparenz gesehen, die zu einer zunehmenden Reduktion von Bestanden auf Basis eines verbesserten Informationsflusses in der Supply Chain fuhren soil. Dies kann durch die Uberbruckung bzw. Ausschaltung von Dispositionsstufen erfolgen (Disintermediation).^^ 1st ein derartig radikaler Eingriff in die Supply Chain-Struktur nicht moglich, gilt es, die Transparenz durch geeignete organisatorische MaBnahmen, welche eine zeitnahe Versorgung aller Supply Chain-Stufen mit Bestellinformationen sicherstellen, zu gewahrleisten.*^^ Dabei erweist sich haufig ein mangelndes Verstandnis fur die Vorteile einer schnellen Weitergabe von Abverkaufsdaten (True Demand) bei den einzelnen Untemehmen als Hurde.^^^ Eine Reihe von Managementkonzepten greifen diese Problemstellung auf, indem sie Methoden und Instrumente zur kooperativen, untemehmensiibergreifenden
Bedarfsprognose und
-planung bereithalten (wie z.B. das CPFR-Konzept*^^) bzw. den ungestorten Austausch von Daten zwischen Abnehmer und Lieferant zur Handlungsmaxime erheben (wie z.B. das ECRKonzept^''). Die IT nimmt die RoUe eines „Enablers" bei der Eindammung des BuUwhip-Effekts ein.^^"* Dabei steht zunachst die Herstellung eines gemeinsamen Datenbestands im Vordergrund, der eine wesentliche Voraussetzung fiir eine integrative Steuerung von Bestellinformationen in der Supply Chain darstellt.*^^ Daruber hinaus ermoglichen entsprechende IT-Systeme eine Weiterleitung von Nachfragedaten an alle Mitglieder der Supply Chain ohne zeitliche Verzogerung, wodurch die Oszillationsneigung der Lieferkette entsprechend abnimmt.^*^^ Zudem
^^ Vgl. zu den Ursachen und Folgen des BuUwhip-Effekts z.B. Otto/Kotzab (2002), S. 131-137, ZSpfel/Wasner (1999), S. 298-299, Simchi-Levi et al. (2004), S. 23-24. ^^ Vgl. Corsten/Gossinger (2001a), S. 90. ^ Vgl. Towill (1996), S. 23. Vgl. zum Bullwhip-Effekt in der Untemehmenspraxis Lee et al. (1997). In quantitativen Modellen hat sich z.B. eine Zentralisierung der Mengenbedarfsplanung auf der Ebene des Handels als vorteilhaft erwiesen, vgl. dazu Chen et al. (2000), S. 442. Andere Ansatze pladieren fiir eine intensive Zusammenarbeit zwischen Untemehmen im Bereich der Nachfrage- und Mengenbedarfsplanung und betonen die Bedeutung einer Einbindung des Topmanagements bei dieser Aufgabe, vgl. dazu Crum/Palmatier (2004), S. 57. ^^* Vgl. Corsten/GOssinger (2001a), S. 91. '^^ Vgl. CPFR = Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment. Es handelt sich dabei um einen Strategieansatz im Rahmen des ECR-Konzepts. Vgl. dazu Seifert (2001), S. 349-368, Thome et al. (2004), S. 1244-1254. ^"^ Vgl. zum ECR-Konzept exemplarisch CCG (2002) sowie Delfmann (1999). ^^^ Vgl. Z.B. Gehr et al. (2003), ZapfelA^sner (1999), S. 303-308. Vgl. auch Chamoni/Dusing (2002), S. 100, die Informations- und Kommunikationstechnologie im AUgemeinen als Enabler fur den Struktur- und Prozesswandel im Untemehmen bezeichnen. ^^^ Vgl. Steven/Kruger (2000), S. 502. ^^ Vgl. Corsten/Gossinger (2001a), S. 91, Chamoni/Dtising (2002), S. 101.
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2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
werden neuerdings vermehrt sog. ,^dvanced Planning Systems" (APS) bzw. - mit speziellem Fokus auf die Supply Chain-Planung - Supply Chain Management Systeme (SCM-Systeme) eingesetzt. Diese modular strukturierten Systeme werden zur Unterstutzung einer integrativen, untemehmensiibergreifenden Planung und Steuerung von Bedarfen eingesetzt. ^"^ Sie stellen eine insbesondere fur das Supply Chain Management wichtige Erweiterung der weit verbreiteten Enterprise Resource Planning-Systeme (ERP-Systeme) bzw. Produktionsplanungs- und -steuerungssysteme (PPS-Systeme) dar, da letztere sich auf untemehmensinteme Planungsaufgaben beschranken.'"* Zusammenfassend erweisen sich aus Steuerungsgesichtspunkten folgende Ziele des Handlungsfelds Information/IT als relevant:"^ • Vermeidung von (Puffer)Bestanden und/oder Verringenmg des Gesamtbestandsniveaus bei gleichzeitiger Vermeidung von Fehlbestanden, • Vermeidung von Verzogemngen des Informationsflusses (insbesondere von Bestellinformationen), • Erhohung der ReaktionsfUhigkeit im Sinne der Minimierung des Zeitraums zwischen einer Stoning und der Wiederherstellung der Deckungsgleichheit von Nachfrage und Angebot sowie • untemehmensubergreifende Abstinmiung der Kapazitats- und Bedarfsplanung durch geeignete IT-Systeme.''° Handlungsfeld Supply Chain-Prozesse Im Handlungsfeld Supply Chain-Prozesse wird die im Rahmen der Logistikkonzeption bereits diskutierte prozessorientierte Betrachtung logistischer Giiter- und Warenfliisse aufgegriffen und auf das untemehmensubergreifende Betrachtungsobjekt der Supply Chain iibertragen. Das Supply Chain Management stellt demnach eine untemehmensubergreifende Form des Prozessmanagements dar.''^ Eine durchgangige Prozessorientierung ermoglicht eine Be-
^"^ Vgl. Corsten/Gdssinger (2001b), S. 32, Prockl (2001b), S. 68-70. ^^^ Das Leistungsspektrum der mittlerweile Uber 250 Anbieter auf dem Markt fur SCM-Software ist dabei zunehmend unubersichtlich geworden. Vgl. zu den Ergebnissen einer diesbezuglichen Marktstudie sowie zu einem Referenzmodell, welches die wichtigsten Aufgabenbereiche von SCM-Systemen konsolidiert darstellt, Gehr et al. (2003), insbesondere S. 56. Vgl. zu einem kompakten Uberblick des Supply Chain Managementspezifischen Business Contents des „SAP Business Information Warehouse" Chamoni et al. (2005), S. 112113. AufzShlung in Anlehnung an Otto/Kotzab (2002), S. 135, sofem nicht anders angegeben. '•^ Vgl. z.B. Steven/Kriiger (2002), S. 182. ^^^ Die enge Verwandschaft zwischen Supply Chain Management aus Sicht des Handlungsfelds Prozesse und Prozessmanagement kommt beispielsweise in der Definition des Prozessmanagements bei Corsten (1997) zum Ausdruck: „Unter Prozessmanagement sollen alle planerischen, organisatorischen und kontrollierenden MaBnahmen zur zielorientierten Steuerung der Wertschopfungskette in der Untemehmung verstanden werden." Vgl. dazu Corsten (1997), S. 19 und die dort zitierte Literatur. Noch expliziter Delfinann (2004), S. Dl-12: ,J*rozessmanagement ist die strategieorientierte Analyse, Bewertung und Gestaltung (Verbesse-
2.1 Konzeptverstandnis und Problemfelder des Supply Chain Managements
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schleunigung des Prozessdurchlaufs sowie eine hohere Reaktionsfahigkeit bei veranderten Lieferserviceanforderungen, indem die Dimension der Zeit gegenuber der traditionellen Dimension der Kapazitat im Leistungssystem betont wird."^ Die Ausrichtung der Prozesse und Aktivitaten innerhalb der Prozesse wird dabei durch die Endkundenorientierung vorgegeben.»^^ Eine besondere Problematik der Prozessorientierung erwachst auf Grund von Schnittsteilen. Diese stellen zeitlich und raumlich lokalisierbare Punkte in der Prozesskette dar, an denen der Output eines Prozesses als Input an den nachfolgenden Prozess ubergeben wird.^^"* Insbesondere bei untemehmensiibergreifender Betrachtung^^^ riickt die Schnittstellenproblematik in den Mittelpunkt der Betrachtung, da mit der zunehmenden, netzwerkartigen Ausdehnung der Supply Chain auf mehrere Wertschopfungsstufen die Anzahl der Schnittsteilen uberproportional zunimmt.^^^ Zur Losung wird haufig der Integrationsbegriff herangezogen, der ein Kemmerkmal des Supply Chain Managements darstellt.^^^ Unter Integration kann in diesem Zusammenhang die prasituative, planerische Gestaltung von Geschaftsprozessen bzw. deren Verkniipfung zu einem Gesamtprozess verstanden werden.*^^ Aus Sicht eines einzelnen Akteurs sind Supply Chain-Prozesse mit unterschiedlich hohem Integrationsbedarf nach ihrer strategischen Bedeutung zu differenzieren:**^ • Managed Process Links: Darunter sind aktiv zu gestaltende Prozessverbindungen mit Schliissellieferanten bzw. -kunden oder wichtigen Logistikdienstleistem zu verstehen, die einen hohen Integrationsbedarf aufweisen. • Monitored Process Links: Diese „weiter entfemt" liegenden Geschaftsprozesse, z.B. zwischen Lieferant und Vorlieferant, erfordem vorerst keine unmittelbare Integration durch den Supply Chain-Akteur, sind jedoch bezuglich ihres potenziellen Integrationsbedarfs intensiv zu beobachten. • Not Managed Process Links: Auf eine aktive Gestaltung und Beobachtung dieser Prozess-
rung), Steuerung und Kontrolle von Wertschopfungsprozessen in und zwischen Untemehmungen" (Kursivstellung vom Verfasser hinzugefugt). ^^^Vgl.Pfohl (2004a), S. 29. ^'^ Vgl. Corsten/Gossinger (2001a), S. 95, Stolzle (1999), S. 163. ^^"^ Vgl. Otto/Kotzab (2002), S. 137. Aus Sicht der Logistik werden untemehmensubergreifende Schnittsteilen als Schnittsteilen 3. Ordnung bezeichnet (vgl. Pfohl (2004a), S. 308). Dies ist z.B. aus Sicht eines fokalen Untemehmens (d.h. eines emzelnen Akteurs, der sich als zentraler Schnittpunkt einer Supply Chain betrachtet) nachzuvoUziehen, aus dessen Sicht sich die Supply Chain stromauf- und stromabwarts - ahnlich einer ,3aumstruktur" immer weiter offhet. Mit zunehmender Entfernung vom fokalen Untemehmen ist eine immer gr66ere Ausdifferenzierung der Prozesse in Richtung Lieferanten des Lieferanten bzw. Kunden des Kunden festzustellen, die mit einer dementsprechend ansteigenden Zahl von Schnittsteilen einhergeht. ^^^ Vgl. Simchi-Levi et al. (2004), S. 41-69, Stolzle (1999), S. 162, Corsten/Gossinger (2001a), S. 97, Delfmann (2004),S.D1-15. ^^^ Diese Interpretation basiert auf dem von Hausler (2002), S. 77-82, erarbeiteten logistischen Integrationsverstandnis, das auf untemehmensubergreifende Geschaftsprozesse ausgedehnt wurde. ^^^ Vgl. zur folgenden Aufzahlung Lambert/Cooper (2000), S. 75.
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2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
verbindungen wird verzichtet, da cine Integration mit einem zu hohen Ressourcenaufwand verbunden wSre und die strategische Bedeutung als gering eingeschatzt wird. • Non-Member Process Links: Diese Verbindungen zwischen Mitgliedem und Nichtmitgliedem der eigenen Supply Chain (z.B. zwischen einem Schlussellieferanten und einem weiteren Kunden) sind aus Sicht des Supply Chain-Akteurs nur indirekt zu beeinflussen, jedoch unter Umstanden von Bedeutung fur die eigene Supply Chain. Des Weiteren sind auch Entscheidungen bezuglich einer kostenminimierenden Ausgestaltung der Prozesse zu treffen. In diesem Kontext spielen insbesondere Aspekte der Prozessstandardisierung (z.B. standardisierter, untemehmensubergreifender Datenaustausch durch EDI)'^^ der Prozessmodularisierung (i.S. der kundenorientierten Segmentierung der Prozesse in kleine, nach ihren jeweiligen Kompetenzen zusammengestellte Einheiten)^^^ sowie der Lokalisierung des sog. „Entkopplungspunktes"'^^ eine wichtige RoUe.^^^ Zusammenfassend werden im Handlungsfeld Supply Chain-Prozesse schwerpunktmafiig folgende Ziele des Supply Chain Managements verfolgt:'^'* • Verankerung einer prozessorientierten untemehmensubergreifenden Organisationsstruktur, • Reduktion der Anzahl von Schnittstellen in den aktiv zu gestaltenden Prozessen, • Verringerung der DLZ der Prozesse (d.h. die Zeitspanne zwischen der ersten und letzten Prozessaktivitat) sowie • Erhohung der Flexibilitat der Supply Chain durch MaBnahmen der Prozessstrukturierung (z.B. Standardisierung, Modularisierung).*^^ Handlungsfeld Upstream-Beziehungen Einhergehend mit der zunehmenden Integration von Prozessen sowie der Senkung der Wertschopfungstiefe steigt auch die Bedeutung des Managements des „stromaufwarts"
' Vgl. Bowersox et al. (1999), S. 49-50. '^^ Vgl. Prockl (2001a), S. 63. Der Entkopplungspunkt markiert den Ubergang zwischen prognosegetriebenen und kimdenauftragsgetriebenen Prozessen. Durch die sog. Postponement-Strategie wird angestrebt, den Entkopplungspunkt, ab dem eine kundenindividuelle Bearbeitung des Produkts erfolgt, so lange wie mOglich hinauszuzogem, um die Flexibilitat einer potenziellen altemativen Verwendung des Halbfertigprodukts zu bewahren, Veralterungsrisiken zu vermeiden sowie Fertigwarenbestande gering zu halten. Vgl. dazu z.B. Yang et al. (2004), S. 476. Im Umkehrschluss implizieren die Ausftihrungen zum BuUwhip-EflFekt (vgl. das Handlungsfeld Information), dass der sog. ,4nformations-Entkopplungspunkt", d.h. der Punkt, bis zu dem originSre Abverkaufsdaten (POS-Daten) in der Supply Chain weitergereicht werden, moglichst weit stromaufwarts bewegt werden soUte. Vgl. dazu Mason/Towill (1999). ^^^ Je nachdem, welcher Teil der Lieferkette „kundenauftragsgetrieben" und „prognosegetrieben" ist, ergibt sich eine unterschiedliche Lokalisierung des Entkopplungspunktes und damit auch unterschiedliche Lieferkettenstrukturen, vgl. Corsten/GQssinger (2001a), S. 99-101. ^^"^ Aufzahlung in Anlehnung an Otto/Kotzab (2002), S. 135, sofem nicht anders angegeben. ^^^ Vgl. auch Heusler (2004), S. 31-35.
2.1 Konzeptverstandnis und Problemfelder des Supply Chain Managements
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gelegenen Versorgungsnetzwerks.*^^ Unter diesem Dachbegriff sind - argumentiert man zunachst aus der Perspektive eines einzelnen Akteurs innerhalb der Supply Chain - insbesondere jene Aufgaben zusammenzufassen, die im Rahmen des strategischen Beschaffungsmanagements anfallen. Im Unterschied zur eher operativ orientierten, betrieblichen Beschaffung umfasst dieses sowohl die klassische Versorgungsfunktion des Untemehmens mit Beschaffiingsobjekten (Einsatzguter, Dienstleistungen, Informationen, Kapital) unter Verfolgung von Wirtschaftlichkeitszielen (inbes. Kosten-, Qualitats- und Flexibilitatszielen)/^^ aber auch die strategische Bearbeitung der Beziehung zu stromaufwarts angesiedelten Marktpartnem.*^^ Die wachsende Relevanz des Beschaffungsmanagements fur Untemehmen wird von empirischen Untersuchungen bestatigt.^^^ Das strategische Beschaffixngsmanagement stellt eine Reihe von Strategien fur die Auswahl geeigneter Sourcing-Konzepte^^", fiir die Integration dieser Konzepte in einen einheitlichen Beschafiungsprozess^^^ sowie fiir die Selektion und Beurteilung geeigneter Lieferanten zur Verfugung. EBig (2003) zufolge lasst sich eine dreistufige Entwicklung des Beschaffiingsmanagements nachvoUziehen (vgl. Abbildung 1)}^^ Auf der ersten Stufe iibemimmt die Beschaf-
Vgl. AmoldAVarzog (2001), S. 18, Amold/EBig (2000), S. 122-123, Marbacher (2001), S. 143-157, StQlzle/Heusler (2003), S. 170-171. Vgl. zum Supply Chain Management als dem Management der Beziehungen zwischen den Funktionsbereichen einer Wertschopfungskette z.B. Stolzle (1999), S. 163-170, Heusler (2004), S. 41-43. Vgl. zum Beziehungsmanagement als Kemprozess des Supply Chain Managements Cooper et al. (1997), S. 5, Croxton et al. (2001), S. 14-15. Christopher (2005), S. 18, setzt die Begriffe Supply Chain Management und Beziehungsmanagement gleich. '^^ Vgl. zu den Zielsetzungen der Beschaffung Corsten (1995), S. 580. Zwischen diesen Zielen besteht meist eine Tradeoff'-Beziehung, vgl. Kuhl (1999), S. 119-120. ^^^ Vgl. Stdlzle (1999), S. 146. Das Beschafifungsmanagement integriert damit auch die Aufgaben der (traditionellen) Beschaffungslogistik, deren Schwerpunkt die Bereitstellung von Einsatzgutem darstellt. Die logistische „Kontrollspanne" wird damit im Beschaffungsmanagement bewusst bis zu den Zulieferem ausgedehnt, vgl. dazu Pfohl (2004a), S. 183. ^^^ Einer Studie von A.T. Kearney zufolge schatzen im Jahr 2001 74% von 162 befragten intemationalen Untemehmen den Einfluss des Beschaffungsmanagements auf den Shareholder Value als „hoch" ein (gegeniiber 15% im Jahr 1995), vgl. A.T. Kearney, Inc. (2000), S. 3. Ein weiteres Beispiel liefert Arnold, der zeigt, dass eine Senkung der Materialkosten um ca. 0,5% den gleichen Effekt auf den Gewinn eines Untemehmens wie eine Umsatzsteigerung von 10% aufweisen kann. Vgl. dazu Amold (1997), S. 12-16. Auf eine detaillierte Systematisierung von Sourcing-Konzepten wird an dieser Stelle verzichtet. Fur die weiteren Ausfiihrungen geniigt vorlaufig der Hinweis, dass einige Sourcing-Konzepte eine hohere Managementintensitat seitens des Supply Chain Managements erfordem, da sie von einer intensiven Beziehung zwischen Abnehmer und Zulieferer ausgehen. So ist z.B. fiir die Beschaffung hochkomplexer Outer mit hoher Spezifitat und hohem Wert eine Kombination aus Modular bzw. System Sourcing (Lieferung komplexer, einbaufahiger Module sowie Ubemahme umfangreicher Produktentwicklungsaufgaben durch den Zulieferer), Single Sourcing (ein bestimmtes Gut wird nur von einem einzigen Lieferanten bezogen). Individual Sourcing (Beziehung zwischen Abnehmer und Lieferant ist eine l:l-Beziehung), Internal Sourcing (Lieferant ist in rSumlicher Nahe bzw. auf dem GelSnde des Abnehmers angesiedelt) sowie Local Sourcing (das Emsatzgut wird regional beschafft) sinnvoU. Vgl. dazu Amold/EBig (2000), S. 125-128, AmoldAVarzog (2001), S. 28, EBigAVagner (2003), S. 282-285. Zum Konzept des Global Sourcing, dem insbesondere in der Anwendung auf Internationale Supply Chains eine hohe Bedeutung beigemessen wird, vgl. Amold (2002), S. 201-220. Die ,J*rozessstrategie der Beschaffung" bildet ein Bindeglied zwischen den unterschiedlichen Teilstrategien der Beschaffung und sorgt fur deren Abstimmung mit der Untemehmensumwelt, der Untemehmens- und Geschaflsfeldstrategie sowie den anderen Funktionalstrategien des Untemehmens. Vgl. EBigAVagner (2003), S. 292-293. ^^^ Vgl. EBig (2003), S. 324-327.
2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
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fimg die bereits angesprochene, nach innen gerichtete Einkaufsfunktion. Die vorherrschenden Ziele auf dieser Stufe sind die Schaffung von Markttransparenz kombiniert mit einer rein wettbewerbsorientierten Lieferantensteuening auf Basis kuizfristiger Austauschbeziehungen.'^^ Die zweite Stufe spiegelt die mafigeblich von Arnold gepragte Weiterentwicklung der Beschaffiing zu einer strategischen Aufgabe wider.^^"* Deren Kern ist die systematische Gestaltung von direkten Lieferantenbeziehungen, die auf dyadischer Ebene analysiert werden.
Netzwerkorientiertes Supply Chain Management
Dyadische Beschaffung
Ausgangspunkt: Innengerichtete Einkaufsfunktion
Abbildung 7:
X
Hauptebene der Analyse von Lieferantenbeziehungen
fx^
Analyseebene 3: WertschOpfungsnetzwerke
^^^ ^ ^ f c Analyseebene 2: B B H ^ * * ^ B H H ^ Abnehmer-Zullefererf^^^' i^^^f Bezlehung (Dyade)
m
Analyseebene 1: Einzeiuntemehmen und i Einkaufefunktion
„Relationship Circle" undAnalyseebenen des Beschqffiingsmanagements Quelle: Efiig (2003), S. 324, leicht verdndert
Auf dieser Stufe riicken insbesondere das erweiterte Aufgabenspektrum (innen-/au6enorientiert sowie strategisch/operativ) sowie die Gestaltung langfristiger, strategischer Beziehungen in den Mittelpunkt.'^^ Die Verwendung des Begriffs „Supplier Relationship Management (SRM)" zur Bezeichnung dieses speziellen Aufgabenbereichs des strategischen Beschaffiingsmanagements trSgt ebenfalls dieser Schwerpunktsetzung Rechnung.'^^ Auf der dritten Ebene erfUhrt die Beschaffung eine konzeptionelle Neuausrichtung und befasst sich mit der Gestaltung globaler Einkaufsnetzwerke bzw. industrieller Beschaffungsnetzwerke.^^^ Die inhaltliche NShe zum Supply Chain Management-Ansatz tritt mit der auf dieser Ebene eingefuhrten Netzwerkperspektive am deutlichsten zutage.
'"'Vgl. Efiig (2003), S. 325. Vgl. Arnold (1982), S. 67. Arnold begrOndet in der strategischen Bedeutung der Beschaffung auch die Notwendigkeit einer Steuerung der Beschaffiing durch das Managementsystem. Als Griinde hierfur nennt er zum einen den grSfieren Autonomiegrad einer Beschaffiingsftinktion, zum anderen die Gefahr der zu starken „Au6enorientierung" der Beschaffung durch ihren standigen Kontakt zur Umwelt. Der Bedarf an Fiihrungsunterstiitzung fiir die Beschaffung spiegelt sich auch im wachsenden LiteraturkSrper zum Beschaffungscontrolling bzw, „Controlling im Supply Management" wieder, welches als Teilbereich eines umfassenden Supply Chain Controllings anzusehen ist, vgl. Arnold et al. (2005), S. 42. '^"^ Vgl. Tan (2001), S. 42, Heusler (2004), 38, 136 Vgl. Stelzle/Heusler (2003), S. 182-185. ' Vgl. Efiig (2003), S. 327 und die dort zitierte Literatur.
2.1 Konzeptverstandnis und Problemfelder des Supply Chain Managements
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Auf der vierten Stufe stellt das Supplier Relationship Management im Kern weiterhin auf die Gestaltung einzelner Lieferantenbeziehungen ab, behalt dabei jedoch die Gestaltung der gesamten WertschSpfungskette im Blick. Diese Zuriickfuhrung auf die dyadische Ebene bei gleichzeitiger Beibehaltung der „Netzwerkbrille" kommt durch den „Relationship Circle" in der Abbildung zum Ausdnick.^^^ Fiir den Fortgang der vorliegenden Arbeit erweist sich die Tatsache relevant, dass in Bezug auf die Nutzeneffekte des Supplier Relationship Management bislang keine einheitlichen Aussagen vorliegen.^^^ Eine zentrale Herausforderung stellt die Bewertung des Beitrags intensivierter Lieferantenbeziehungen zum monetaren Erfolg des Abnehmers bzw. der gesamten Supply Chain dar.*"^^ Erste konzeptionelle Losungsansatze zu dieser Problematik schlagen eine Ubertragung von Kundenbewertungsmodellen auf den Upstream-Bereich, beispielsweise durch die Messung eines „Suppler Lifetime Value" vor.^"^* Aus der Perspektive des Handlungsfelds Upstream-Beziehungen sind somit fiir den weiteren Gang der Argumentation insbesondere folgende Ziele des Supply Chain Managements festzuhalten: • Integration stromaufwarts angesiedelter Wertschopfungsstufen und Abstimmung dieser Integrationsentscheidungen (insbesondere Festlegung der WertschOpflmgstiefe) mit den Zielen der Beschaffung (insbesondere Kostensenkung, Qualitatsverbesserung, Flexibilitatsverbesserung, Wertsteigerung), • Auswahl eines geeigneten Beschaffimgsstrategiebundels fiir die gesamte Supply Chain, • Differenzierung der Managementintensitat von Upstream-Beziehungen unter Fokussierung auf langMstige, strategische Beziehungsmuster, • Selektion und Bewertung von Lieferanten unter AbwSgung der Erfolgswirkungen auf das beschaffende Untemehmen sowie die • Stabilisierung, FQrderung und Weiterentwickltmg von Lieferantenbeziehungen unter Berucksichtigung der Leistungfahigkeit der gesamten Supply Chain. HandlungsfeldDownstream-Beziehungen Hier
riickt
die
als
Globalziel
des
Supply
Chain
Managements
angesprochene
(End-)Kundenorientierung im Rahmen einer aktiven Gestaltung „stromabwarts" gelegener Beziehungen in den Mittelpunkt. Hierbei gehen entscheidende Impulse von der Marketingkonzeption aus. Marketing wird heute meist als duales Fiihrungskonzept aufgefasst. Darin
'"'VgLEBig (2003), S. 327. ^^^ Vgl. St6l2le/Heiisler (2003), S. 184. ^"^ Vgl. Bruhn (2001), S. 58, Staizle/Heusler (2003), S. 179. Der „Supplier Lifetime Value" kann somit als logisches Gegenstiick zum in der Literatur bereits seit langerem rezipierten Customer Lifetime Value-Ansatz aufgefasst werden. Vgl. dazu EBig (2003) sowie St6lzle/Heusler (2003), S. 184.
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2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
wird zum einen der Absatzbereich als funktionaler Kem des Marketings gewurdigt.^"^^ Zum anderen wird Marketing als globales Leitkonzept fur eine marktorientierte Untemehmensfuhrung interpretiert, welches eine kundenorientierte Koordination aller betrieblichen Funktionsbereiche sicherstellen soU."*^ Insbesondere in diesem zweiten Konzeptbestandteil des Marketings, der auch als Marketingphilosophie bezeichnet wird, kommt die inhaltliche Nahe zum Supply Chain Management zum Ausdruck.*'" Die Marktsegmentierung eines Untemehmens, die kunden(segment)spezifisch oder produktspezifisch erfolgen kann, beeinflusst auch die Gestaltung der Supply Chain. So werden in der Literatur beispielsweise marktreaktive Supply Chains (fur innovative Produkte) und effiziente Supply Chains (fur Standardprodukte) unterschieden/"*^ Supply Chain Management versteht sich in diesem Zusammenhang als (end)kundenorientiertes Management von segmentspezifischen Distributionsnetzwerken.^'^ Zudem wird dem Marketing - wie auch dem Supply Chain Management - eine Prozessorientierung attestiert.'"' Diese umfasst einen primar untemehmensintemen Prozess, der die Planung, Durchftihrung und KontroUe von Marketingaktivitaten beinhaltet, sowie einen untemehmensiibergreifenden Prozess, der primar auf die Gestaltung von Austauschbeziehungen zwischen Anbieter und Nachfrager abstellt/"** Stand fruher im Marketing die transaktionsorientierte Sichtweise im Vordergrund, welche die Anbahnung und Durchfuhrung von Austauschbeziehungen mit einer groBen Anzahl anonymer Kunden anstrebte (Transaction Marketing), riickt in jtingerer Zeit der Aufbau langfristiger Beziehung zu Kunden in den Mittelpunkt (Relationship Marketing).*"*^ Als spezielle Auspragung des Relationship Marketings gehen insbesondere vom CRM-Ansatz wichtige Impulse fur das Supply Chain Management saxs.^^^ Erstens verfolgt der CRM-Ansatz ein
In den Aufgabenbereich des Marketings als Untemehmensfunktion fellt - neben dem Akquisitionskanal, in welchem Absatzstrategien festgelegt oder Mafinahmen zur Beschaffungsfbrderung untemommen werden auch der sog. Logistikkanal, der sich der Ausgestaltung von Waren- und Informationsflussen zwischen Lieferanten und Kunden widmet (vgl. Pfohl (1994), S. 168-169. Trotz der vielfSltigen Abhangigkeiten zwischen Akquisitions- und Logistikkanal kam dem logistischen Teilbereich in der Marketingforschung in der Vergangenheit eine relativ geringe Bedeutung zu (vgl. Kotzab (2000), S. 32). '"^^ Vgl. Meffert (2000), S. 6-7. Die betriebswirtschaflliche Forschimg griff die Parallelen zwischen Marketing und Supply Chain Management erst relativ spat auf, widmet sich jedoch heute intensiv den Wechselwirkungen zwischen beiden Themenbereichen. Vgl. z.B. Min (2001), S. 77-100, der sich im Rahmen eines integrierten Modells mit der Beziehung zwischen Marketingkonzeption, Marktorientierung, Relationship Marketing und Supply Chain Management auseinandersetzt. Vgl. dazu auch Heusler (2004), S. 63-64. ^"^^ Vgl. Fisher (1997), S. 107-108. Vgl. zu agilen Supply Chains z.B. Christopher/Ryals (1999), S. 5-7 sowie Christopher/Towill (2002). Vgl. zu schlanken (Jem") Supply Chains z. B. Reeve (2002) sowie Christopher/Towill (2002). ^^ Vgl. Otto/Kotzab (2002), S. 141, Kotzab (2000), S. 31-32. ^"^^ Vgl. Srivastava et al. (1999), S. 168-179, Heusler (2004), S. 65. ^"^^ Vgl. Meffert (2000), S. 9, der sich auf die Marketingdefinition der AMA berufl. ^"^^ Vgl. Min (2001), S. 95-96. Zum Konzept des Relationship Marketing vgl. ausfiihrlicher Bruhn (2001), S. 43-80. Die Relevanz des Beziehungsmanagements fiir das Supply Chain Management wurde bereits im Rahmen der Diskussion zum Handlungsfeld Upstream-Beziehungen hervorgehoben, vgl. die in FuBnote 126 angegebenen. '^^ Vgl. zu den Charakteristika des CRM vgl. Belz/Bieger (2004), S. 58-60, Rapp (2000), S. 42-47, Lasogga (2000), S. 373-376, Gummesson (2004), S. 136-141.
2.1 Konzeptverstandnis und Problemfelder des Supply Chain Managements
33
Denken „von auBen nach innen", indem er anstrebt, den Wertschopfungsprozess des Kunden optimal zu unterstiitzen, anstatt die Wertschopftmgsprozesse des eigenen Untemehmens nach intemen MaBstaben zu verbessem. Zweitens wird im Rahmen des kundenorientierten Denkens die Produktindividualisierung (Customization) als wichtiges Kundenbindungsinstrument betont.^^^ Drittens tritt an die Stelle der kurzfristigen Verkaufsorientierung die Gestaltung von langfristigen Beziehungen zum Kunden. Es gilt insofem, die „Kundenlebenszeit" gezielt zu verlangem. Da dies unter Umstanden eine kundenorientierte Umgestaltung der gesamten Prozessorganisation erfordert, die mit entsprechenden Kosten verbunden ist, zielt CRM viertens auf eine Segmentierung von Kunden nach ihrer Profitabilitat ab.^^^ Der „Kundendeckungsbeitrag" bzw. der Customer Lifetime Value" wird somit zu einer zentralen MessgroBe des CRM.^^^ Die Zielkategorie des Customer (Lifetime) Value beinhaltet dabei sowohl eine Anbietersicht, welche den Wert des Kunden im Sinne der Summe der heutigen und zukiinftigen Zielbeitrage zum Untemehmenserfolg in den Vordergrund stellt als auch eine Nachfragersicht, welche den Wert fur den Kunden im Sinne des von diesem wahrgenommenen Nutzens berucksichtigt.'^'* Zusammenfassend werden im CRM-Konzept somit zwei zentrale Zielkategorien des Supply Chain Managements, das Wertorientierungs- und das Kundenorientierungsziel, im Rahmen eines handlungsbezogenen Ansatzes miteinander verbunden. Bin weiteres, vomehmlich im Handlungsfeld Downstream-Beziehungen anzusiedelndes Managementkonzept, von dem wichtige Impulse fur das Supply Chain Management ausgehen, ist das Efficient Consumer Response (ECR)-Konzept. ECR stellt eine gesamtuntemehmensbezogene Vision, Strategien sowie Methodenbiindel bereit, um in einer auf Partnerschaftlichkeit und Vertrauen basierenden Kooperation zwischen Hersteller und Handel Ineffizienzen entlang der Wertschopfungskette unter Beriicksichtigung von Endverbraucherbedtirfhissen zu beseitigen. Dabei steht ECR im Spannungsfeld der Maximen der Kundenzufriedenheit und der Nutzenstiftung fur die beteiligten Untemehmen. Fiir das Supply Chain Management erweist sich das ECR-Konzept insbesondere auf Grund seiner ausgewogenen Basisstrategien als geeignet, die marketing- sowie die logistikorientierten Zielsetzungen in einen gemeinsamen konzeptionellen Rahmen zu integrieren.^^^ Neben den Basisstrategien der sog. „Demand Side", welche schwerpunktmaBig marketingspezifische Methoden und histrumente bereitstellen,^^^ ist insbesondere die Hauptstrategie der sog. „Supply Side" des ECR,
In diesem Kontext erscheint der Verweis auf den Ansatz der Mass Customization relevant, da dieser die GroBeneffekte der Massenfertigung (efFizienzgetrieben) mit den Effekten der Produkt- und Dienstleistungsindividualisierung (effektivitatsgetrieben) zu verbinden sucht. Vgl. dazu Filler (2001), S. 184-210 sowie Simchi-Levi et al. (2004), S. 180-184. Zu weiterfuhrenden Ansatzen im Bereich der Mass Customization, insbesondere zu Potenzialen von intemet-induzierten Innovationen, vgl. Reifi/Koser (2003). ^^^ Vgl. Helm/Gtinter (2003), S. 7-9. Zur kundensegmentspezifischen Differenzierung von Logistikdienstleistungen im Rahmen eines Beurteilungsmodells vgl. z.B. van der Veeken/Rutten (1998). ^^^ Vgl. Stauss (2000), '^^ Vgl. Belz/Bieger (2004), S. 42. ^^^ Vgl. Delfmann (1999), S. 567. Ohne diese hier vertiefen zu konnen, sei kurz auf die Efficient Assortment-Strategie (efFiziente Sortimentsgestaltung in Verbindung mit permanenter Sortimentskontrolle und Warengruppenmanagement), die Efficient
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2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
das sog. „Efficient Replenishment", fur das Supply Chain Management von Bedeutung.^" Zusanmienfassend erscheinen aus Sicht des Handlungsfelds Downstream-Beziehungen folgende Ziele fur die weitere Argumentation relevant: • Erhohung der Kundenzufriedenheit im Sinne der in der Marketingkonzeption und im Supply Chain Management-Konzept verankerten Endkundenorientierung, • Aufbau und aktive Pflege von langfristigen Beziehungen zu Kunden in der Supply Chain, insbesondere unter Berucksichtigung wertorientierter Zielsetzungen sowie • kunden- und/oder produktsegmentspezifische Konfiguration der Supply Chain (z.B. Festlegung von Distributionsstruktur imd Serviceniveau) unter Berucksichtigung wertorientierter Zielsetzungen. Handlungsfeld Organisation Im Kontext dieses Handlungsfelds werden vomehmlich institutional Fragestellungen des Supply Chain Management-Konzepts adressiert.^^* Bevor nSher auf diesbeziigliche Ziele und Aufgaben eingegangen wird, ist zunachst eine Abgrenzung zum Handlungsfeld Supply ChainProzesse vorzimehmen. Letztgenanntes geht von einer 90°-Drehung der klassischen Organisationsstruktur aus, im Rahmen derer eine ErgSnzung und/oder Substitution der vertikalen (funktions-, produkt-, regions- oder projektspezifischen) Organisationsstruktur durch eine horizontale Prozessorganisation erfolgt.'^^ Wenn im Handlungsfeld Prozesse Fragestellungen der Organisation angeschnitten werden, handelt es sich somit um Fragen der Ablauforganisation. Im Handlungsfeld Organisation steht demgegeniiber die Aufbauorganisation im Vordergrund.'^ Wahrend Aspekte der Prozessorientierung in der Literatur zum Supply Chain Management breit rezipiert werden, was unter anderem auch auf deren logistischen Ursprung zuriickgefiihrt werden kann, erscheinen aufbauorganisatorische Fragestellungen dort etwas
Promotion-Strategic (effiziente Verkaufsfbrdenmg und Eliminierung von Terminkaufen bei Aktionen) oder die Efficient Product Introduction-Strategic (kooperative Produktneuentwicklung und -einfuhrung) hingewiesen. Vgl. die einschlSgige Literatur zu ECR, z.B. Seifert (2004), Kotzab (1997), S. 171-182, CCG (1998) sowie Delfinann (1999). Zu den weit verbreiteten Techniken der Efficient Replenishment-Strategic zahlen unter anderem Cross Docking (filialgerechte Kommissionierung und Weiterlieferung der Ware an die Filiale ohne Zwischenlagerung im Handelszentrallager), Vendor Managed Inventory (VMI) (Disposition von Nachbestellungen des Handels und Bestandsmanagement durch den Lieferanten) sowie Efficient Unit Loads (Erhohung des Auslastungsrades von Transport- und Lagerraum uber Standardisierung von Ladungstragem und Verpackungen). Dariiber hinaus zahlen Electronic Data Interchange (EDI), Co-Managed Inventory (CMI), Buyer Managed Inventory (BMI) sowie Roll Cage Sequencing (RCS) zu den primaren Techniken des Efficient Replenishment. Vgl. dazu den Uberblick bei Seifert (2004), S. 99-146. •^^ Otto/Kotzab (2002), S. 141 und Heusler (2004), S. 41-43, sehen den inhaltlichen Schwerpunkt dieses Handlungsfelds im interorganisationalen Beziehungsmanagement. In der vorliegenden Arbeit wurden Aspekte der Beziehungsgestaltung bereits im Rahmen der Handlungsfelder Upstream- und DownstreamBeziehungen adressiert, so dass diese Aspekte hier nicht weiter vertieft werden. Vgl. Osterloh/Frost (2003), S. 28-33. Zu grundlegenden konzeptionellen Lfberlegungen zur Prozessorganisation vgl. Gaitanides (1983), S. 61-91. Vgl. Kosiol (1962), S. 32. Die in der Betriebswirtschaft iibliche Differenzierung von Aufbau- und Ablauforganisation geht auf Kosiol (1962) zurUck. Vgl. in der Ubertragung auf Supply Chains Otto (2002), S. 200,
2.1 Konzeptverstandnis und Problemfelder des Supply Chain Managements
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unterbelichtet.^^^ Zu letztgenannten ist zum einen die Ausgestaltung der institutionalen Struktur einer Supply Chain zu zShlen, welche haufig als Supply Chain-Konfiguration bezeichnet wird.^^^ Zum anderen sind im Rahmen der Organisation auch aufgabenorientierte Aspekte wie beispielsweise die Bildung von Organisationseinheiten, die Definition spezifischer Stellen, die Festlegung von Verantwortungsbereichen oder die Entwicklung von Anreizund KontroUsystemen in der Supply Chain zu beachten. Die Supply Chain-Struktur, die sich in ihrer vertikalen Ausdehnung (Kettenlange) und horizontalen Verzweigung (Vemetzungsgrad) widerspiegelt, kann je nach Position und RollenverstSndnis des einzelnen Akteurs der Supply Chain in unterschiedlichem AusmaB beeinflusst werden. Sofem das Machtgefuge in einer Wertschopfungskette von einem Untemehmen dominiert wird, iibemimmt dieses haufig auch einen GroBteil der Organisationsaufgaben. Dabei wird davon ausgegangen, dass auf Grund der Vormachtstellung dieses Untemehmens andere Akteure dessen Vorgaben akzeptieren.*^^ Fur dieses dominierende Untemehmen, welches im Rahmen des Supply Chain Management-Konzepts auch als fokales Untemehmen bezeichnet wird, gilt es, auf Basis einer Erhebung eigener Kemkompetenzen bzw. durch Make-or-Buy-Analysen fiir Materialien, Waren oder Dienstleistungen potenzielle Kooperationspartner auszuwahlen und somit die Supply Chain aktiv zu konfigurieren. Fiir Untemehmen mit geringeren Einflussmoglichkeiten ist die Supply Chain-Stmktur meist branchentypisch vordeterminiert. Gewisse Entscheidungsspielraume bestehen jedoch bei eigenen Einund Austrittsentscheidungen in existierende bzw. sich neu formierende Supply Chains. ^^^' Im Fall relativ ausgewogener Machtverhaltnisse kann die Verantwortung fur untemehmensubergreifende Aktivitaten in Form eines Lenkungsausschusses („Supply Chain-Komitee") institutionalisiert werden. Diesem gehoren in der Regel Vertreter aller Supply ChainTeilnehmer (Personen, unter UmstSnden auch Institutionen) an, die innerhalb des Wertschdpfungsnetzwerks als sog. „Boundary Spanners" (in etwa: Bruckenschlager) auftreten.^^^ Neben diesen eher zentralen bzw. hierarchischen Organisationsformen sind auch verschiedene dezentrale bzw. heterarchische Ansatze wie z.B. multilateral besetzte Projektteams vorstellbar.*^ Eine gmndlegende Herausforderung besteht dabei darin, dass auf Gmnd der rechtlichen Selbstandigkeit der beteiligten Akteure koordinierende Stellen bzw. Gremien oftmals nicht uber legitimierbare Kompetenzen und Befugnisse verftgen, um untemehmensiibergreifende Weisungen zu erteilen und durchzusetzen. Es muss daher in der Regel auf alternative Koordi-
'*" Vgl Ackermann (2004), S. 246-248. '^^ Zur institutionalen Ausdehnung der Supply Chain vgl. Christopher (2005), S. 18, Croom et al. (2000), S. 71, Schary/ SkJ0tt-Larsen (2001), S. 73-106, Ganeshan et al. (2001), S. 843, Hahn (2002), S. 1067-1068, Handfield/Nichols (1999), S. 42, Otto (2002), S. 99, Heusler (2004), S. 41-42. Vgl. insbesondere den Typ des strategischen Netzwerks in Kapitel 2.3.3. ^^ Vgl. Hahn (2002), S. 1067 sowie die Abbildung auf S. 1068. '^^ Vgl. Stelzle (1999), S. 210, Thorns (2003), S. 45-51. Teilweise werde die ,3oundary Spanners" auch als „Netzwerkkoordinatoren" (vgl. ReilJ (2000), Pfohl/Buse (1999), S. 285-289) oder als Beziehungspromotoren (vgl. GemtindenAValter (1997), S. 180-197, Thorns (2003), S. 35-43) bezeichnet. ' ^ Vgl. Hahn (2002), dort insbesondere die Abbildung auf S. 1069, Stadtler (2000), S. 14.
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2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
nationsmechanismen zuriickgegriffen werden, die in AbhSngigkeit vom Machtgefuge in der Supply Chain sowohl auf zentralen Vorgaben (z.B. die Produktionsplanung des OEM in einer automobilen Supply Chain) als auch auf Selbstabstimmung (z.B. Supply Chain-weite Einkaufsrichtlinien) beruhen.^*^^ In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass die unternehmensubergreifende Organisationsstruktur auch innerhalb der beteiligten Untemehmen, d.h. auf einer individuellen Personenenebene, ihre Entsprechung finden muss. Diesbezuglich stellt beispielsweise die Anpassung untemehmensbezogener Anreizsysteme an den untemehmensubergreifenden Supply Chain-Kontext eine zentrale Organisationsaufgabe dar. Zusammenfassend sind aus der Perspektive des Handlungsfelds Organisation folgende Zielsetzungen festzuhalten: • Konfiguration der Supply Chain durch Selektion/Deselektion geeigneter Kooperationspartner (seitens des dominierenden Untemehmens) bzw. durch Ein-/Austritt in eine Supply Chain (seitens anderer Untemehmen), • Verankerung von Verantwortlichkeiten ftir Planungs- und Kontrollaufgaben innerhalb der Supply Chain, Auswahl der Koordinationsforai (zentral/dezentral bzw. hierarchisch/heterarchisch) sowie • Unterstutzung der Etabliening der untemehmensiibergreifenden Organisation durch untemehmensubergreifende Anreizsysteme. Insgesamt erlauben die genannten Handlungsfelder einen ersten Einblick in das breite Aufgabenspektrum, das sich hinter den globalen Zielkategorien dieses Supply Chain ManagementKonzepts verbirgt. Die aus den Handlungsfeldem abgeleiteten spezifischen Ziele, wie etwa die Selektion geeigneter Kooperationspartner, die Reduktion von Schnittstellen in untemehmensiibergreifenden Prozessen, der Aufbau und die Pflege langfristiger Beziehungen zu Kunden und Lieferanten oder die Verankemng von Verantwortlichkeiten in der Supply Chain markieren dabei bereits Schwerpunktbereiche, die es im weiteren Verlauf der Arbeit in einen Steuemngsansatz fur Supply Chains einzubetten gilt. 2.1.3. Ausgewflhlte Referenzmodelle des Supply Chain Managements Um den Anspmch des Supply Chain Managements als Managementkonzept zu konkretisieren wurden von unterschiedlichen Autoren eine Reihe von Referenzmodellen, sog. „ManagementFrameworks", entwickelt. Sie spannen einen Handlungsrahmen auf, indem sie Konzeptkomponenten des Supply Chain Managements visualisieren, miteinander in Beziehung setzen und mit Aufgabenkategorien verkniipfen.'^ Bevor ausgewahlte Management-Frameworks des
Vgl. Z.B. Busch/Dangelmaier (2002), S. 12-13, 16-17, Ackermann (2004), S. 248. Vgl. ausflihrlicher zur Differenzierung der hierarchischen und heterarchischen Koordination in Untemehmensnetzwerken Kapitel 2.3.3. Vgl. allgemein zu unterschiedlichen Koordinationsformen KieserAValgenbach (2003), S. 100-136. ' Referenzmodelle dienen meist als Plattform fur die Ausgestaltung spezifischer Modelle und Strategien und haben einen ubergreifenden, normativen Charakter. Als Anforderungen an Referenzmodelle gelten ein aus-
2.1 Konzeptverstandnis und Problemfelder des Supply Chain Managements
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Supply Chain Managements vorgestellt werden, soil kurz auf grundlegende Charakteristika von Managementkonzepten eingegangen werden. Managementkonzepte enthalten in der Regel eine strategische Grundausrichtung, die auf die Erreichung programmatischer Ziele eines Untemehmens abstellt. Zudem stellen sie Methoden und Instrumente bereit, welche die Konzeptumsetzung ermoglichen.^^^ In Untemehmen sind haufig mehrere Managementkonzepte parallel im Einsatz, die jeweils eigene Ziele, Gestaltungsaussagen, Methoden und Instrumente beinhalten und auf unterschiedlichen (z.B. institutionalen und funktionalen) Ebenen zum Einsatz kommen. Eine isolierte Verwendung mehrer Konzepte fuhrt zu Wechselwirkungen, welche - ungeachtet ihrer negativen (z.B. Zielkonflikte) Oder auch positiven (z.B. Synergien) Auspragung - meist unberucksichtigt bleiben. Aus praxisorientierter Sicht wird demzufolge haufig die Forderung nach einer Zusammenfuhrung isolierter „Managementinseln" im Rahmen von integrierten Managementkonzepten laut. Die konzeptionelle Integrationsleistung kann sich dabei auf mehrere Dimensionen erstrecken. ZunSchst ist aus institutioneller Sicht eine Abstimmung hinsichtlich der Art und Anzahl der zu integrierenden Organisationseinheiten zu treflfen. Aus aufgabenorientierter Perspektive ist zudem zu entscheiden, welche Funktionsbereiche eines Untemehmens im Rahmen des Konzepts zusammenzufuhren sind. Des Weiteren erstreckt sich die Integration auf die Auswahl jener Methoden und Instrumente, die zur Unterstiitzung des Managementkonzepts auf normativer, strategischer und operativer Ebene heranzuziehen sind. Die umwelt- bzw. umfeldorientierte Integrationsdimension beriicksichtigt die Ofl&iung und Dynamisierung der Untemehmensgrenzen nach auBen, um eine einseitige Gewichtung von untemehmensintemen Oder -extemen entscheidungsrelevanten Information zu vermeiden. SchlieBlich steht bei der prozess- bzw. ablauforientierten Integrationsdimension die Abstimmung des integrierten Managementkonzepts mit den Untemehmensprozessen im Vordergrund.'^^ Die angesprochenen Integrationsaufgaben konnen auf das Supply Chain Management ubertragen werden und charakterisieren dieses somit als integriertes, strategisches Managementkonzept.^^^ In der einschlagigen Literatur zum Supply Chain Management fmden sich eine Reihe von Management-Frameworks, so dass eine Auswahl geeigneter Ansatze zur weiteren Vertiefiing zu treffen ist. Die im Folgenden vorzustellenden Referenzmodelle zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass sie teils explizite, teils implizite Beziige zur Steuerung und zur (kennzahlengestiitzten) KontroUe von Supply Chains bereithalten. Im praxisnahen SCOR-Modell, welches an erster Stelle vorgestellt wird, ist dieser Tatbestand insbesondere durch die von ihm reichend hohes Abstraktionsniveau zur Ausbildimg eines Allgemeingiiltigkeitsanspruchs, Robustheit gegenilber Anderungen im Betrachtungsgegenstand, Flexibilitat bei der Anpassung an konkrete Problemstellungen sowie Konsistenz im Sinne einer intemen Widerspruchsfreiheit. Vgl. dazu Corsten/Gossinger (2001a), S. 124-125 und die dort zitierte Literatur sowie Heusler (2004), S. 79. ^^^ Vgl. Hoftnann (2002), S. 7 und die dort zitierte Literatur. ^^^ Vgl. Hofmann (2002), S. 21-22, der darauf hinweist, dass die vorgestellten Integrationsdimensionen nicht tiberschneidungsfrei sind. ^^^ Vgl. z.B. Cooper et al. (1997), S. 1 („concept of supply chain management"), Gopfert (2002), S. 43, Heusler (2004), S. 44-45, Kotzab (2000), S. 27, Kruger/Steven (2000), S. 504, Mentzer et al. (2001a), S. 7, Prockl (2001a), S. 37.
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bereitgestellten Messgrfifien gegeben. Das an zweiter Stelle vertiefte Framework von Bowersox et al. beinhaltet einen explizit angefuhrten „Planning and Control Context". Das Referenzmodell von Cooper et al. weist schlieBlich unter anderem eine „Planungs- und Steuerungskomponente" auf, die nSher betrachtet werden soU.'^^ Supply Chain Operations Reference-Modell (SCOR) Das SCOR-Modell stellt das Kemprodukt des Supply Chain Council (SCC) dar, einer globalen Non-Profit-Organisation, die fur die Erstellung und Verbreitung von Industriestandards und Anwendungsempfehlungen zur Umsetzung von Supply Chain Management in der Untemehmenspraxis eintritt.'^^ Das hierarchisch aufgebaute, branchenneutrale Modell beschreibt endkundenorientierte GeschSftsprozesse, die als Bausteine zum Aufbau kompletter Supply Chain-Prozesse dienen sollen.'^"^ Auf der obersten Ebene (Ebene 1 in Abbildung 8) stehen die funf zentralen Prozesstypen Planung (Plan), Beschafiung (Source), Produktion (Make), Lieferung (Deliver) sowie Riicklieferung (Return).*'^ Ein sich iiber alle WertschSpfungsstufen wiederholendes Ineinandergreifen dieser fiinf Prozesse gewShrleistet die Abbildbarkeit untemehmensiibergreifender Supply Chains: • Plan: Im Rahmen des Planungsprozesses erfolgen die langfristige AUokation von Ressourcen, die Planung der Infrastruktur sowie die Zuordnung von intemen und extemen Produktionskapazitaten. Nachfrageanforderungen werden identifiziert, aggregiert, priorisiert sowie mit der geplanten und tatsSchlichen Ressourcenausstattung abgeglichen.'^^ • Source: Der Beschafftingsprozess unterscheidet grundlegend die Beschafiung, die Anlieferung, den Empfang sowie die Bereitstellung von zu beschaffenden Materialien und/oder Waren. Hierzu zShlen u.a. auch die Analyse des Beschaffungsmarktes, die Auswahl geeigneter Lieferanten, die Gestaltung von LiefervertrSgen sowie die Zahlungsabwicklung.'^^ • Make: Der Produktionsprozess umfasst die Zuordnung der benStigten Produktionskapazitaten, die zeitliche Einlastung der AuftrSge in der Produktion, die Durchftihrung der Produktion, die Zwischenlagenmg sowie die Ubergabe produzierter Einheiten an die Distribution.^^«
ErgSnzend ist zudem das Framework von Mentzer et al. (2001b) anzufuhren. Dieses stellt auf ahnliche Managementprozesse ab wie das Framework von Cooper/Lambert/Pagh und wird in der vorliegenden Arbeit aus Platzgriinden nicht detailliert vorgestellt. Zu einer kritische Wiirdigung und einer Gegentiberstellung der Frameworks von Cooper/Lambert/Pagh und Mentzer et al. vgl. Heusler (2004), S. 94. •^^ Vgl. AmoldAVarzog (2001), S. 28, Heinzel (2001), S. 54. ^'"^ Vgl. Supply Chain Council (2004), GOpfert (2002), S. 38, Prockl (2001a), S. 59-62, Heusler (2004), S. 80-84, Otto (2002), S. 94-95, Weber (2002b), S. 197-200. "^ Vgl. Supply Chain Council (2004), S. 2-3. "^ Vgl. Supply Chain Council (2004), S. 13,20, 26, 32, 39,47-48. '^^ Vgl. Supply Chain Council (2004), S. 60, 67, 74, 83-84. ^^^ Vgl. Supply Chain Council (2004), S. 98,107, 116, 126-127.
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Deliver: Der Lieferprozess umfasst die Auftragsabwicklung, die Prozesse im Fertigwarenlager sowie alle administrativen (z.B. Tourenplanung, Frachtraumoptimierung) sowie physischen (z.B. Transport, Umschlag, Lagerung) Distributionsprozesse.^^^ Return: Im Rtickfuhrungsprozess werden alle Aktivitaten zusammengefasst, die mit der administrativen Abwicklung, der physischen Riickfuhrung, der Uberpriifung sowie der Verwertung bzw. altemativen Nutzung von Retouren befasst sind.^^^ Ebene
Anmerkungen Ebene 1 definiert Umfang und Inhalt des SCOR-Vorgehens. Die grundlegenden Prozesstypen „Plan", ..Source", „Make". ..Deliver" und „Retum" werden festgelegt. Ebene 1 bildet die Basts fur wettbewerbsfdhige Leistungsziele. Auf Ebene 2 wird die Supply Chain eines Unternehmens anhand von 30 Kernprozessl
t
Nicht, im Modell
Abbildmg 8:
Ebenen des SCOR-Modells Quelle: in Anlehnung an Supply Chain Council (2004), S. 3
Auf der Konfigurationsebene (Ebene 2 in Abbildung 8) werden die grundlegenden Prozesstypen anhand von ca. 30 Prozesskategorien weiter aufgegliedert. Dadurch ist es moglich, das Modell an spezifische Netzwerksituationen anzupassen.'^^ Der Planungsprozess beinhaltet z.B. jeweils separate Planungskomponenten fur die vier weiteren Kemprozesse (Plan Source, Plan Make, Plan Deliver, Plan Return). Die ausftihrenden Prozesse wiederum unterscheiden jeweils drei auftragstypenspezifische Prozesskategorien (Make-to-Order, Make-to-Stock sowie Engineer-to-Order), die ihrerseits unterschiedliche Teilprozesse beinhalten.^^^
Vgl. Supply Chain Council (2004), S. 140,155,170,183,192-193: * Vgl. Supply Chain Council (2004), S. 205, 212,218, 225, 231, 238,244-245. ' Vgl.G6pfert(2002),S.38. • DarUber hinaus ist im SCOR-Modell neben dem Planungs- und den drei ausftihrenden Prozessen noch der sog. „Enable"-Prozess enthalten, der ahnlich einer Querschnittsfunktion in alien flinf Prozesstypen enthalten ist. Hierunter werden Elemente zur Vorbereitung und Gestaltung der Supply Chain bzw. zur Beriicksichtigung von Sonderfallen subsummiert. Vgl. Supply Chain Council (2004), S. 9 sowie Becker (2002), S. 69-79.
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2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
Auf Ebene 3 (vgl. Abbildung 8) des SCOR-Modells werden die festgelegten Prozesskategorien durch einzelne Prozesselemente inhaltlich ausgestaltet. Die hierfur verwendeten Datenblatter beinhalten Informationen zum Aufgabenbereich des jeweiligen Elements, erforderlichen Input- bzw. OutputgrSBen, Kennzahlen zur Diagnose des Prozesselements, Best Practices sowie Hinweise zu den Moglichkeiten der IT-Unterstutzimg. Auf die Ausgestaltung von Einzelaktivitaten oder konkreten Implementierungsschritte verzichtet das Modell mit Verweis auf deren hohe Untemehmensspezifitat. Es weist jedoch darauf bin, dass zur tatsachlichen Umsetzung der SCOR-Prozesse mindestens eine vierte Prozessebene notwendig ist.^^^ Einen insbesondere fur die vorliegende Arbeit relevanten Aspekt des SCOR-Modells stellen die Kennzahlen dar, die zur Performancemessung auf den unterschiedlichen Prozessebenen herangezogen werden/^ Auch hier dient das Modell insbesondere als hierarchisch aufgebaute Strukturierungshilfe. Das Modell defmiert funf Performanceattribute, die in den einzelnen Prozesskategorien und -elementen eine jeweils unterschiedliche Auspragung aufweisen (vgl, Abbildung 9^^^). Entsprechend ihrer Signifikanz werden sie durch zunehmend detaillierte Performanceindikatoren konkretisiert. Level-1-Kennzahlen werden dabei insbesondere zur Planung der einzelnen Prozesstypen herangezogen und sind mit Level-2-Messgr66en, die einen hoheren Detaillierungsgrad aufweisen, assoziiert. Die Level-1-Kennzahl "Cash-to-Cash Cycle Time", die dem Performanceattribut "Supply Chain Asset Management Efficiency" zugeordnet ist, wird auf Level 2 durch MessgroBen der Prozesskategorien „Supply ChainPlanung" (z.B. Festlegung der Lagerreichweite, Vereinbarung von Zahlungszielen mit Lieferanten), „Materialbereitstellung fiir die Produktion" (z.B. Hohe der Work-in-ProcessBestande) sowie „Rechnungsstellung und Zahlungseingang" (z.B. Hohe ausstehender Forderungen) beeinflusst.'*^ Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass der hierarchische Aufbau des SCOR-Modells insbesondere fur die Untemehmenspraxis eine Strukturierungshilfe darstellt.^^^ Die standardisierte, prozessorientierte Darstellung von Supply Chains und die Zuordnung von Kennzahlen zu den SCOR-Prozessen bieten Ansatzpunkte ftir die Durchftihrung interorganisationaler Benchmarking-Projekte imd konnen zur Standardisierung von Analyseobjekten in empirischen Untersuchungen herangezogen werden.'** Best Practice-Beispiele sowie der in der
'*^ Vgl. Kuhn/Hellingrath (2002), S. 108. Vgl. auch Heusler (2004), S. 83, der auf die Implementieningsrelevanz von Ebene 4 hinweist. ^^ Vgl. Kuhn/Hellingrath (2002), S. 108, Heinzel (2001), S. 57, Hieber/Nienhaus (2002), S. 28. Aus Grunden der definitorischen Eindeutigkeit wurde der Inhalt von Abbildung 9 nicht ins Deutsche iibertragen. Vgl. Supply Chain Council (2004), S. 7, S. 279 sowie die dort angegebenen Querverweise. '*^ Vgl. z.B. Kuhn/Hellingrath (2002), S. 109, Weber (2002b), S. 198-202, Huan et al. (2004), S. 28. Vgl. zur Ubertragung der Grundprozesse des SCOR-Modells auf die Automobilindustrie Eisenbarth (2003), S. 112-114. Vgl. zu einem Anwendungsbeispiel des Einsatzes des SCOR-Modells in der Automobilzulieferindustrie Baisch (2002), S. 58-65. Vgl. grundlegend zum Prozessbenchmarking - am Beispiel der Ersatzteillogistik - Ester (1997), S. 66-113. Vgl. zudem die explorative Untersuchung von Lockamy III/McCormack (2004) zur Erfolgsrelevanz unterschiedlicher Supply Chain-Prozesse, die sich auf das SCOR-Modell als Strukturierungshilfe stutzt.
2.1 Konzeptverstandnis und Problemfelder des Supply Chain Managements
41
SCOR-Version 6.1 verstarkt hervorgehobene IT-Aspekt unterstreichen die Anwendungsnahe dieses Referenzmodells.^^^ Die im Modell integrierten Kennzahlen bieten prinzipiell einen guten Anhaltspunkt, um Supply Chain-Phanomene zu beschreiben, zu analysieren und zu bewerten.^^^ Performance Attributes Supply Chain Delivery Reliability
Description The performance of the supply chain in delivering the correct product, to the correct place, at the correct time, in the correct condition and packaging, in the correct quantity, with the correct documentation, to the correct customer.
Performance Indicator (Level 1) Delivery Performance Fill Rates Perfect Order Fulfillment
Supply Chain Responsiveness
The velocity at which a supply chain provides products to the customer.
Order Fulfillment Lead Times
Supply Chain Flexibility
The agility of a supply chain in responding to marketplace changes to gain or maintain competitive advantage.
Supply Chain Response Time
Supply Chain Cost
The cost associated with operating the supply chain.
Production Flexibility Cost of Goods Sold Total Supply Chain Management Cost Value-Added Productivity Warranty / Returns Processing Cost
Supply Chain Asset Management Efficiency
The effectiveness of an organization in managing assets to support demand satisfaction. This includes the management offixedand working capital.
Cash-to-Cash Cycle Time Inventory Days of Supply Asset Turns
Abbildung 9:
Performanceattribute des SCOR-Modells und Level-l-Messgrofien Quelle: Supply Chain Council (2004), S. 7
Kritisch zu sehen sind die potenziellen Gefahren einer Prozessstandardisierung (wie z.B. der Verlust von Wettbewerbsvorteilen durch Vemachlassigung von Erfahrungswerten bei der Prozessgestaltung).^^^ Zudem werden wichtige Elemente des Supply Chain ManagementKonzepts, wie etwa das Beziehungsmanagement zu Kunden und Lieferanten oder der Auftragsabwicklungsprozess, im SCOR-Modell nicht berucksichtigt.^^^ Aus Steuerungsgesichtspunkten ist zudem festzustellen, dass der hierarchische Aufbau des SCOR-Modells eine Strukturierbarkeit von Supply Chain Management-Prozessen nach dem Vorbild einer zentrali-
Die zum Erscheinungszeitpunkt dieser Arbeit aktuellste Version 7.0 des SCOR-Modells beinhaltet daniber hinaus beispielhafte Kennzahlenhierarchien und Best Practice-Beispiele. ' Vgl. AmoldAVarzog (2001), S. 26. ' Vgl. Keebler (2000), S. 420, Gopfert (2002), S. 39, Gopfert/Neher (2002), S. 42-43. - Vgl. ahnlich Reiner (2004), S. 225.
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2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
sierten, roUierenden Detailplanung suggeriert, was zu einem Verlust an Flexibilitat bzw. zur Illusion einer voluntaristischen Steuerbarkeit von Supply Chains fuhren konnte.*^^ Innerhalb der Measurement-Komponente bleiben die Fragen der Kriterienbildung zur Auswahl von Kennzahlen, der prinzipiellen Erhebbarkeit von Kennzahlen (z.B. Total Supply Chain Management Cost^^'*) sowie der Aggregierbarkeit heterogener MessgroBen zu Spitzenkennzahlen offen/^^ SchlieBlich ist anzumerken, dass durch die Ausblendung der Implementiemngsebene (Level 4) im SCOR-Modell die Problematik der Umsetzbarkeit des Modells im einzehien Untemehmen etwas unterbelichtet erscheint. Supply Chain Integrative Framework von Bowersox et al. Das primSr auf Fallstudienforschung in nordamerikanischen Firmen basierende Framework von Bowersox et al. betrachtet Supply Chain Management zunachst aus der Logistikperspektive^^ und erweitert diese um die Betrachtung von spezifischen Supply Chain-Fahigkeiten.^^^ Ausgangspunkt ist dabei das aus der Logistikkonzeption bekannte Flussdenken.*^^ Konkret baut das Framework auf folgende vier zentrale Fliisse auf, die sich von der Ressourcenbasis (z.B. Lieferanten) bis zu den Endkunden erstrecken (vgl. Abbildimg 10):'^ • Der Wertschepfungsfluss von Produkten und Services (Product-Service Value Flow): Dieser Fluss stellt - Shnlich dem Material- und Warenfluss in der deutschsprachigen Logistikliteratur - auf die physische Modifikation von Gutem in der WertschSpfungskette sowie auf Dienstleistungen wie Transport, Umschlag, Lagerung oder Verpackung, die an diesen Gutem vorgenommen werden, ab. • Marktanpassungsfluss (Market Accomodation Flow): Ausgehend von der Problematik, die
'^^ Vgl. Sydow/Mdllering (2004), S. 284-285. Vgl. auch die Ausftlhrungen zum voluntaristischen Steuerungsverstandnis in Kapitel 2.2,1.3. Huan et al. (2004), S. 25-26, schlagen aufgrund der hohen Dynamik von Supply Chains vor. Change Management als Unterprozess des Hauptprozesses ,J*lan" in das SCOR-Modell zu integrieren. Kosten stellen zun^chst eine untemehmensinteme Gr6fie dar, deren Definition meist von bestimmten strategischen Zielsetzungen und/oder der Ausgestaltung der untemehmensindividuellen Kostenrechnung abhangt. Welche grundlegenden Bewertungsschwierigkeiten mit der Ubertragung von Kostengr66en in den Supply Chain-Kontext verbunden sind, iSsst das SCOR-Modell weitgehend offen. Vgl. auch Hieber/Nienhaus (2002), S. 29. Zur Aggregation bzw. Desaggregation von Kennzahlen bieten sich - neben klassischen Methoden aus der Optimierungsforschung wie z.B. gewichtete Summenwerte - auch Verfahren bestimmte Verfahren an, die eine Spitzenkennzahl anhand sachlogischer Kriterien in Unterkennzahlen aufteilen und diese in Zusammenhang mit bestimmten Losungsaltemativen bringen. Ein derartiges Verfahren ist z.B. der „Analytical Hierarchy Process", dessen Anwendung auf das SCOR-Modell von Huan et al. (2004), S. 26-28, vorgeschlagen wird. Vergleichbare M6glichkeiten bietet das BSC-Modell, welches in Kapitel 3.1.2.2 vorgestellt und in Kapitel 4.3.2 im Kontext des Supply Chain Performance Management diskutiert wird. Das Supply Chain-Framework von Bowersox et al. stellt die Erweiterung eines 1995 an der Michigan State University entwickelten Referenzmodells zur Messung erfolgreichen Logistikmanagements dar. Vgl. dazu Bowersox/The Global Logistics Research Team at Michigan State University (1995). ^^^ Vgl. Bowersox et al. (2002), S. 174-177, Bowersox et al. (1999), S. 16-18, Closs/Mollenkopf (2004), S. 37-38. ^^^ Vgl. Pfohl (2004a), S. 29. ^^ Vgl. zur folgenden Aufzahlung, falls nicht anders angegeben, Bowersox et al. (2002), S. 174-177.
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2.1 Konzeptverstandnis und Problemfelder des Supply Chain Managements
auch dem oben dargestellten Handlungsfeld Information/IT zu Grunde liegt, zielt der Marktanpassungsfluss auf die endkimdengerechte Gestaltung der WertschSpfungskette durch detaillierte und zeitgerechte Weiterleitung von Marktinformationen ab. Inforaiationsfluss (Information Flow): Das bei Bowersox et al. vermittelte Verstandnis des Informationsflusses bezieht sich insbesondere auf den Austausch von Informationen zwischen Mitgliedem der Supply Chain (z.B. Austausch von Prognose-, Bestell-, Bestandsund Kapazitatsdaten). Finanzfluss (Cash Flow): Die separate Hervorhebung des Finanzflusses zoUt der zunehmenden Bedeutung des Cash Flow Managements in Supply Chains Tribut.^^^ Hier geht es sowohl um eine Beschleunigung des Zahlungsverkehrs als auch um einen moglichst geringen Ressourceneinsatz. Product-Service-Value Flow Market Accomodation Flow
Lemimship €drit©5{t Relatkm^iH^s
ipWiili^^^^^^^
Technology and Pfenning |g^
Measurement
^^^^^^^^^§^1:. Material and Service Suppliers
Internal Operations Information Flow Cash Flow
Abbildung 10:
Customers
S ^
Das Supply Chain Integrative Framework von Bowersox et al. Quelle: Bowersox et al. (1999), S. 24, leicht verdndert nach Bowersox et al. (2003), S. 26 sowie Bowersox et al. (2002), S. 175
Das erfolgreiche Management der genannten Fliisse hangt insbesondere von spezifischen Supply Chain-Fahigkeiten ab, die unterschiedlichen Kontextbereichen zugeordnet werden (vgl. Abbildung 10). Erstens ist in diesem Zusammenhang der „Operational Context" zu nennen. Hier steht - und damit wird direkt an Erkenntnisse aus den oben dargestellten Handlungsfeldem Supply Chain-Prozesse, aber auch Upstream- und Downstream-Beziehungen angekntipfl - insbesondere der Abbau von intemen und extemen Schnittstellen im Vordergrund. Es gilt, strategische Lieferanten in den vom Referenzmodell angesprochenen Flussen prozesstechnisch zu integrieren (Bereich Material and Service Suppliers), den Abbau intemer Schnittstellen durch den Aufbau einer prozessorientierten Organisationsstruktur voranzutreiben (Bereich Internal Operations) sowie Fahigkeiten zur Aufrechterhaltung einer langfristigen
' Vgl. Christopher/Ryals (1999), S. 1-10, Ellram/Liu (2002), S. 30-37.
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2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
und wertorientiert-selektiven Kunden- und Lieferantenbeziehung aufzubauen (Bereich Customer Integration).^"' Im „Planning and Control Context" steht der Aufbau von untemehmensintemen und -tibergreifenden Planungs- und KontrollfShigkeiten im Mittelpunkt (Bereich Technology and Planning). Dies geht mit dem Aufbau integrierter IT-Systeme einher, welche die Abbildung mehrstufiger Supply Chain-Prozesse ermoglichen.^®^ Auch die Fahigkeit zur koUaborativen Planung und Prognose gilt es in diesem Kontext zu entwickeln. Besondere Beachtung verdient zudem der Bereich der Measurement Integration. Bowersox et al. fordem hierzu unter anderem^"^ • den Aufbau eines umfassenden Performance Measurement Systems im (untemehmensintemen) Logistikbereich, welches Kennzahlen zu den Kompetenzbereichen Kundenservice, Kostenmanagement, Qualitat, Produktivitat (EfFizienz)^^ sowie Asset Management bereithalt,^«^ • die Ausrichtung intemer Kostenrechnungssysteme an den Leitlinien der Prozessorientierung (z.B. durch die Einfuhrung einer produktspezifischen Prozesskostenrechnung) sowie des Totalkostendenkens (zur Erfassung der „Total Landed Cost" der Supply Chain), • die Einfuhrung standardisierter Kennzahlen in der gesamten Supply Chain, die untemehmensspezifische Logistikleistungen abbilden (z.B. Perfect Order-Anfordemngen^^), unternehmenstibergreifende Sachverhalte darstellen (z.B. Abverkaufszahlen im Endkundenmarkt, Endkundenzufriedenheit, Verweilzeit von LagerbestSnden, Cash-to-Cash-Zykluszeit) und ein Benchmarking unter Supply Chain-Mitgliedem erlauben sowie • die Verkniipfung von Kennzahlen zur Abbildung der Gesamtperformance einer Supply Chain mit wertorientierten MessgrQBen zur Messung der fmanziellen Zielerreichung des Einzeluntemehmens in der Supply Chain. Der „Leadership Context**^''^ bildet schlieBlich eine Klammer um die anderen beiden Fahigkeitsbereiche. Es gilt, sowohl den Planungs- und KontroUprozess als auch die operativen Prozesse in ein untemehmensiibergreifendes Beziehungsmanagement einzubinden und im Rahmen eines Fiihrungssystems steuerbar zu machen. Letzteres umfasst beispielsweise die
Vgl. Pfohl/Pfohl (2002), S. 235, Bowersox et al. (1999), S. 29-72. ^"^ Vgl. zu APS-Systemen z.B. Steven/Krttger (2002) ^"^ Vgl. zur folgenden Aufzahlung, falls nicht anders angegeben, Bowersox et al. (2002), S. 177. Vgl. zum Zusammenhang zwischen Produktivitat und EfFizienz Kap. 3.1.1. ^"^ Vgl. Closs/Mollenkopf (2004), S. 38. ^^ Vgl. zum ,J>erfect Order"-Ansatz Novack/Thomas (2004), S. 9-11. Bei Bowersox (2003), S. 26, wurde die im ursprunglichen Referenzmodell verwendete Bezeichnung „Behavioral Context" in „Leadership Process" umbenannt. Der Inhalt des Modellelements blieb unverandert.
2.1 Konzeptverstandnis und Problemfelder des Supply Chain Managements
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Zuordnung von Verantwortlichkeiten, den Aufbau von untemehmensiibergreifenden Anreizsystemen oder ein untemehmensubergreifendes Risikomanagement.^^^ Im Rahmen einer kritischen Wurdigung ist anzumerken, dass das Konzept von Bowersox et al. eine relativ geschlossene Systematisierung zentraler Konzeptkomponenten des Supply Chain Managements bereithalt. In neueren Veroffentlichungen wird das Framework insbesondere als Ausgangspunkt fur die empirische Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Supply Chain-Kompetenzen, untemehmensiibergreifender Prozessintegration und fmanzieller Performance
eines Untemehmens herangezogen.^^^ Die urspriinglich auf eine US-
amerikanische Stichprobe beschrankten empirischen Erhebungen, die eine positive Korrelation zwischen Logistik- und Supply Chain-Kompetenzen und fmanzieller Performance feststellten, wurden dabei in jiingerer Vergangenheit auch um intemationale Studien erganzt. Die Aussagekraft der im Modell vorgestellten Integrationskontexte konnte darin bestatigt werden.^'^ Als besonders relevant fur die vorliegende Arbeit ist auch die Forderung nach einem untemehmensiibergreifenden Performance Measurement-System im Rahmen des „Planning and Control Context" anzusehen. Die Grenzen des Frameworks zeigen sich bei einer ablauforientierten Betrachtung. Da die zentralen Komponenten weitgehend statisch beschrieben werden, bleiben die Problematik einer geeigneten ablauforientierten Reihenfolge der geforderten Managementaufgaben und damit auch die Frage nach einer konkreten Ausgestaltung des Steuerungsprozesses weitgehend ofifen. Zudem geht der Ansatz implizit von der Betrachtung eines einzelnen Untemehmens aus, wodurch die Anforderungen einer akteursubergreifenden Koordination einer Supply Chain nicht betrachtet werden. Supply Chain Management-Framework von Cooper/Lambert/Pagh Das Referenzmodell des Autorenteams Cooper, Lambert und Pagh^*^ gilt als eines der am weitesten verbreiteten Frameworks des Supply Chain Managements und wurde seit seiner erstmaligen Einfuhrung 1997 vielfach aufgegriffen und konkretisiert bzw. teilweise ausgebaut.^*^ Der grundlegende Aufbau des Frameworks besteht aus den Konzeptbestandteilen Stmktur, Prozesse sowie Managementkomponenten. Es betrachtet die Supply Chain aus Sicht eines einzelnen Untemehmens, welches die Supply Chain als aktuelles bzw. potenzielles Mitglied (mit)gestalten will. Der damit verbundene Entscheidungsbezug kommt durch drei zentrale Fragestellungen im Framework zum Ausdmck, die den jeweiligen Konzeptbestandteilen zugeordnet sind (vgl. Abbildung 11).
Vgl. zu Konzept und Aufgaben des Risikomanagements in Supply Chains Kajtiter (2003), S. 327-332 sowie Inderfurth (2002). Zur Forderung nach untemehmensubergreifenden Anreizsystemen vgl. z.B. StSlzle et al. (2001), S. 83. ^^ Vgl. z.B. Stank et al. (2001), Closs/Mollenkopf (2004). ^'^ Vgl. Closs/Mollenkopf (2004), S. 43, Pfohl/Pfohl (2002), S. 234-239. ^^^ Vgl. Cooper etal. (1997). ^^^ Vgl. z.B. Stelzle (1999), S. 166-168, Kotzab (2000), S. 27-28, Pfohl (2000), S. 10, Stolzle et al. (2001), S. 75, MejzaAVisner (2001), S. 39, Corsten/Gossinger (2001a), S. 134-139.
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2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
5. Mit welchen Schlusselmitgliedem der Supply Chain sind GeschSftsprozesse zu verknupfen? 6. Welche Prozesse sollen mit den identifizierten Schltisselmitgliedem verkniipft werden? 7. Mit welcher Integrations- und ManagementintensitSt soil jede aufgebaute Prozessverbindung bearbeitet werden?
1) Who are the key supply chain members with whom to link processes?
Abbildung 11:
3) What level of integration and management should be applied for each process link?
Entscheidungselemente im Supply Chain Management Quelle: Cooper etal (1997). S. 6, Lambert etal. (1998), S. 4, leicht verandert
Die Supply Chain-Struktur (Supply Chain Network Structure) wird durch die Anzahl der betrachteten Wertschopfungsstufen (LSnge der Supply Chain) sowie durch die Anzahl der auf jeder Stufe vertretenen Supply Chain-Mitglieder (Verzweigungen der Supply Chain) bestimmt.^^^ Zur Selektion strategisch relevanter Mitglieder empfehlen Cooper et al., primare und unterstutzende Supply Chain-Mitglieder zu unterscheiden. Erstere fuhren als autonome Untemehmen operative und/oder strategische AktivitSten in der Supply Chain aus, die auf die Schaffung von Mehrwert ftir den (End)kunden abzielen (z.B. Lieferanten, Hersteller, LDL, Handelsuntemehmen). Zweitgenannte steuem Ressourcen, Wissen sowie allgemeine Dienstleistungen bei (z.B. Banken, Personaldienstleister). Die im Referenzmodell enthaltenen Supply Chain-Geschaftsprozesse (Supply Chain Business Processes) verlaufen entlang der Material-, Waren und hiformationsfliisse durch die unternehmensiibergreifende Supply Chain. Sie weisen zahlreiche Schnittstellen zu den einzelnen fiinktionalen Teilbereichen der Supply Chain auf. In letzteren werden zwar nach wie vor
Vgl. Hahn (2002), S. 1067-1068. Die Anzahl der Wertschopfungsstufen wird von Lambert et al. als ,Jiorizontale" Struktur bezeichnet, die Anzahl der Mitglieder auf jeder Stufe als „vertikale" Struktur (vgl. Lambert et al. (1998), S. 6). Dies ist ungewohnlich, da die einschlagige Literatur zu Logistik und Supply Chain Management diese Strukturdimensionen genau umgekehrt bezeichnet, vgl. z.B. Jehle/Stiillenberg (2001), S. 214. Vgl. zur Struktur der Supply Chain auch die Ausfuhrungen im Handlungsfeld „Organisation" in Kapitel 2.1.2.2.
2.1 Konzeptverstandnis und Problemfelder des Supply Chain Managements
47
untemehmensinteme Aufgaben wahrgenommen, die sich jedoch gemeinsam am Endkunden auszurichten haben, sobald sie von den iibergreifenden Prozessen tangiert werden.^^"* Konkret nennen Cooper et al. folgende untemehmensubergreifende Supply Chain-Geschaftsprozesse (vgl. Abbildung 12):'^' • CRM: Der Prozess beinhaltet die Identifikation von strategisch wichtigen Kunden und deren Selektion nach Profitabilitatsgesichtspunkten. Dariiber hinaus werden Aufgaben wie z.B. die Vereinbarung von Service Level Agreements mit Kunden oder die regelmSBige Uberwachung der Kundenzufriedenheit wahrgenommen. • Kundenservice: Der Prozess bildet die Hauptschnittstelle zum Kunden, versorgt den Kunden mit Echtzeit-Informationen zum Auftragsstatus sowie mit produktspezifischen Informationen und Serviceleistungen. Direktes Ziel ist auch hier die Erhohung der Kundenzufriedenheit. • Bedarfsermittlung: Im Rahmen dieses Prozesses werdeti Mafinahmen zur Prognose von Kundenbedarfen erarbeitet, um eine Reduktion von Nachfrageschwankungen sowie eine verbesserte Synchronisation der anderen Supply Chain-Prozesse zu erreichen. • Auftragsabwicklung: Der Prozess zielt auf die Erreichung moglichst hoher Servicelevels auf Artikel- oder Auftragsebene ab. Dies erfordert die Integration von Produktions-, Absatz- und Distributionsplanen. Fur eine nahtlose Gestaltung des Auftragsabwicklungsprozesses sind sowohl mit wichtigen Lieferanten als auch Kunden Allianzen zu bilden. • Produktionsplanung und -steuerung: In diesem Prozess wird eine moglichst hohe Produktionsflexibilitat durch Strategien wie Mass Customization, Postponement oder Just-inTime (JIT) angestrebt. • Supplier Relationship Management: Auf Grund des gemeinsamen Kerns, dem Aufbau von Beziehungen zu strategisch relevanten Partnem in der Supply Chain, weist der Supplier Relationship Management-Prozess relativ groBe Ahnlichkeit mit dem CRM-Prozess auf. Im Vordergrund stehen demgemafi die je nach Beziehungsintensitat selektive Entwicklung und Pflege von Lieferantenbeziehungen sowie die regelmSBige Uberwachung der Lieferantenperformance. • Produktentwicklung: Auch in diesem Bereich ist eine enge Abstimmung mit Schliissellieferanten und -kunden anzustreben. Wichtigste ZielgroBe ist die Reduktion der „Time-toMarket".'^' • Produktruckfuhrung: Der Prozess verfolgt eine groBtmogliche Wiederverwertbarkeit der
^'^ Vgl. Croxton et al. (2001), S. 14, Cooper et al. (1997), S. 6. ^^^ Vgl. zur folgenden Aufzahlung, falls nicht anders angegeben, Lambert (2004), S. 20-22 sowie Lambert et al. (2000), S. 72-74. ^^^ Vgl. z.B. zur Anpassung des Produktdesigns an Service- und/oder Kostenanforderungen des Supply Chain Managements (z.B. durch modulare Bauweise oder Verpackungsveranderungen) Simchi-Levi et al. (2004), S. 169.
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2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
riickgefuhrten Produkte, gibt Impulse fur Verbesserungen bei Auftragsabwicklung, Produktion und Produktentwicklung und steht in enger Verbindung mit dem Kundenserviceprozess.
Supply Chain-Managementkomponenten - Planung und Steuerung - Arbeitsabldufe - Produktprogramm
Abbildung 12:
• Organisatbnsstruktur Material-, Waren- und Infbrmatlonsflussstruktur • Managementmethoden
- Macht- und FQhrungsstruktur - Struktur der Anreizsysteme - Kultur
Flusse, Prozesse und Managementkomponenten im Supply Chain ManagementFramework von Cooper et al. Quelle: Cooper et al. (1997), S. 10, aktualisiert nach Lambert etal. (2000). S. 67, iibersetzt und leicht verdndert
Die vorgestellten Prozesse gilt es - gemafi ihrer strategischen Relevanz sowie der daraus abzuleitenden Managementintensitat - zu koordinieren. Diese Aufgabe nehmen bestinmite Supply Chain-Managementkomponenten wahr, welche den dritten Konzeptbestandteil des Frameworks bilden (vgl. Abbildung 12). Die Managementkomponenten adressieren sowohl physische/technische (z.B. Material-, Waren- und Informationsflussstruktur, Arbeitsablaufe, Produktprogramm, Organisationsstruktur) als auch weniger greifbare Aspekte, welche die Bereiche der Untemehmensfuhrung und Verhaltenssteuerung tangieren (Managementmethoden, Macht- und Fiihrungsstruktur, Anreizsysteme, Kultur).^^^ An dieser Stelle soil lediglich eine der genannten Managementkomponenten kurz erlSutert werden, da sie im Hinblick auf die Zielsetzung der Arbeit bedeutsam erscheint. Der Planungs- und Steuerungskomponente wird eine hohe Erfolgsrelevanz fur den operativen und fmanziellen Erfolg der Supply Chain attestiert. Die Verfasser des Referenzmodells nennen als mogliche Inhalte die kollaborative Planung sowie die Auswahl der „besten" Performancemessgrofien zur Uberwachung des
Vgl. Lambert/Cooper (2000), S. 78-79 sowie Heusler (2004), S. 88.
2.1 Konzeptverstandnis und Problemfelder des Supply Chain Managements
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Gesamterfolgs der Supply Chain. Diese seien situativ (z.B. je nach Supply Chain-Typ^^^) sowie der Lebenszyklusphase der Supply Chain anzupassen.^^^ Insgesamt lasst sich das Framework von Cooper et al. als ein Analyserahmen charakterisieren, der neben normativen Aussagen zu Struktur und Prozessen des Supply Chain Managements auch einen Handlungsrahmen durch die genannten Managementkomponenten bereitstellt. Positiv ist der im Modell betonte Integrationsgedanke hervorzuheben.^^" Zudem weist die Ausweitung der Perspektive von logistischen Flussen auf Geschaftsprozesse einen einen gewissen Innovationsanspruch auf. Schliefilich erleichtert die Betrachtung der Supply Chain aus der Perspektive eines einzelnen Akteurs das Verstandnis sowie die Umsetzbarkeit des Frameworks. Kritisch bleibt anzumerken, dass die genannten Managementkomponenten keine ausreichende Konkretisierung erfahren,^^^ woraus sich fiir die vorliegende Arbeit insbesondere ein Handlungsbedarf im Bereich der Planungs- und Steuerungskomponente ableiten lasst. Ebenso wird die mangelnde Uberschneidungsfreiheit der Managementkomponenten (z.B. zwischen Managementmethoden, Anreizsysteme sowie Macht- und Fuhrungsstruktur) sowie der Prozesse (z.B. zwischen Kundenservice und CRM) nicht problematisiert. Zusammengefasst weisen die analysierten Management-Frameworks iiberwiegend die Eigenschaft auf, einen Systematisierungsrahmen fiir die aus Sicht der Literatur zentralen Aufgaben des Supply Chain Managements bereitzustellen und diese zueinander in Beziehung zu setzen. Das SCOR-Modell bietet einen Kennzahlenpool und einen hierarchischen, prozessorientierten Systematisierungsrahmen, stellt jedoch keine detaillierten Aussagen zur Planung, Implementierung und KontroUe dieser Kennzahlen bereit. Das Frameworks von Bowersox et al. nennt allgemeine Aufgaben eines Performance Measurement-Systems in Supply Chains, beschreibt die Komponenten jedoch, ohne auf ihre ablauforientierte Gestaltung einzugehen. Das Referenzmodell von Cooper/Lambert/Pagh schlieBlich enthalt ebenfalls eine Planungsund Steuerungskomponente, aber auch dort werden die Aufgaben vomehmlich normativ genannt und nicht hinreichend ausgefiihrt.
Zusammenfassend lasst sich zu den bisherigen Ausflihrungen folgendes konstatieren. Das Supply Chain Management stellt ein Managonentkonzept dar, welches iiber den Anspruch einer untemehmensiibergreifend ausgerichteten logistischen Fiihrungsphilosophie hinausgeht. Die mit ihm assoziierten, allgemeinen Zielkategorien (Endkundennutzen Kosten, Zeit,
Vgl. Z.B. Christopher/Towill (2002), Otto/Kotzab (2002), S. 144-145. ^^^ Vgl. Lambert/Cooper (2000), S. 77, Cooper et al. (1997), S. 10. ^^^ Vgl. Heusler (2004), S. 88. ^^^ Vgl. Stolzle (1999), S. 166. Zudem merkt Stolzle an, dass aus strukturaler Sicht eine starke Vereinfachung vorgenommen wird, wenn die Institutionen Vorlieferant, Lieferant, Kunde und Endkunde undifferenziert in das Konzept eingehen und lediglich bei einem produzierenden Untemehmen eine Aufgliedenmg nach Funktionsbereichen vorgenommen wird, vgl. Stolzle (1999), S. 167. Denn auch die Vemetzung einzelner Funktionsbereiche wie z.B. Logistik, IT und Personal in der Supply Chain ist von groBer Bedeutung, wie z.B. auch Hahn (2002), S. 1066, hervorhebt.
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2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
Qualitat iind Wertsteigerung) lassen sich anhand ausgewShlter Handlungsfelder (Inforaiation/IT, Supply Chain-Prozesse, Upstream-Beziehungen, Downstream-Beziehungen sowie Organisation) konkretisieren, die jeweils spezifische Steuerungsziele bzw. -anforderungen beinhalten. Die dargestellten Management-Frameworks unterstreichen den Steuerungsanspruch des Supply Chain Managements, kdnnen jedoch Fragen zur konkreten Ausgestaltung, Implementienmg und Kontrolle der damit verbundenen Aufgaben nur unzureichend beantworten. Mit der Anerkennung der Bedeutung dieses Umsetzungs- und Kontrollbezugs riickt der Steuerungsanspekt in den folgenden Ausfuhrungen in den Mittelpunkt der Betrachtung.^^^
' Zum Umsetzungsbezug des Supply Chain Management-Konzepts vgl. Heusler (2004), S. 1-5 sowie z.B. Burgess (1998), Ballou et al. (2000), S. 10-17, Lambert et al. (1998), Schary/Skjett-Larsen (2001), S. 257-290. Zum KontroUbezug im Supply Chain Management vgl. z.B. Stolzle (2002a), S. 283-289, Weber (2002b), S. 185-189, Keebler (2001a), S. 411-435 sowie insbesondere die Ausfuhrungen in Kapitel 3.3.4.
2.2 Steuerung als untemehmensinteme und -ubergreifende Managementaufgabe
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2.2. Steuerung als spezielle unternehmensinterne und -ubergreifende Managementaufgabe Bereits in der Einleitung zur vorliegenden Arbeit wurde auf die Bedeutung der Steuerung als Managementaufgabe hingewiesen. Um angesichts der in Kapitel 1.1 identifizierten, bislang allgemein charakterisierten Steuerungsliicken im Supply Chain Management zu praktikablen Gestaltungsaussagen zu gelangen, wird folgendes Vorgehen eingeschlagen: Zunachst wird der vergleichsweise breite Steuerungsbegriff auf ein im Sinne der Aufgabenstellung praktikables Verstandnis eingegrenzt. Ein wichtiger Aspekt dieses Verstandnisses besteht in der Dififerenzierung einer strategischen und operativen Dimension der Steuerung (Kapitel 2.2.1). Die dabei gewonnenen Erkenntnisse bilden die Grundlage fur die Ableitung eines eigenen, prozessualen Steuerungsverstandnisses sowie fur die Formulierung von Steuerungsanforderungen im intra- und interorganisationalen Kontext (Kapitel 2.2.2). 2.2.1. Einfiihrung in die Steuerung als strategische und operative Managementaufgabe Der in der Betriebswirtschaftslehre verwendete Steuerungsbegriff erweist sich als sehr heterogen und ist in den unterschiedlichsten Disziplinen verwurzelt.^^^ Die neuere Literatur zur Steuerung schlieBt sich haufig der systemtheoretischen Interpretation an, die Steuerung als das Bemiihen um eine Verringerung von Differenz zwischen einem gewunschten und einem tatsachlichen Systemzustand bezeichnet.^^^ Steuerung steUt somit auf eine gezielte Veranderung von Steuemngsobjekten (wie z.B. Ereignissen, Interaktionen oder Handlungen) uber die Beeinflussung bestimmter SteuerungsgroBen ab.^^^ 2.2.1.1. Steuerung imd Regelung im kybemetischen Regelkreis Meist geht die Steuerung von der Existenz einer Entscheidungsinstanz aus, die einen Eingriff vomimmt, wenn Zielabweichungen aufierhalb bestimmter Toleranzgrenzen auflreten. Grundlage dieser Sichtweise ist das in der Systemtheorie verankerte „kybemetische Grundprinzip",
^^^ In der Betriebswirtschaftslehre wird der Ausgangspunkt der Diskussion zur Steuerung von und in Untemehmen in der Kegel in dem klassischen Beitrag von Coase (1937) uber die „Natur des Untemehmens" verortet, in dem er ein Untemehmen als Steuerungs- und Regelungsstruktur konzipiert. ^^^ Vgl. Luhmann (1988), S. 328. ^^^ Vgl. Handle/Jensen (1974), S. 32, SydowAVindeler (2000), S. 3, Frese (2000), S. 321.
2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
52
das im kybemetischen Regelkreis zum Ausdruck kommt.^^^ Letzterer wird im betriebswirtschaftlichen Kontext haufig angefiihrt, um die Rolle der Steuemng im Zusammenspiel von Planung und Kontrolle zu veranschaulichen (vgl. Abbildung 13).^^^
^ * Feedback-Kopplung ** Feedforward-Kopplung
Anweisungen
StQrgrQRen (intern/extern)
Abbildung 13:
Kybemetischer Regelkreis mit Feedback- und Feedforward-Kopplung Quelle: in Anlehnung an Wohlgemuth (2002), S. 28. vgl. auch Pfohl/Stolzle (1997), S. 13-15 sowieKUpper (2001), S. 183
Der kybemetische Regelkreis sieht zwei Steuemngsprinzpien vor, die als Feedback- und Feedforward-Kopplung bezeichnet werden. Startpunkt des Regelkreises ist der Regler (die Planung), der bestimmte RegelgroBen (z.B. Zielvorgaben) an ein Stellglied (z.B. einen Entscheider) weitergibt. Letzteres regelt iiber Anweisungen und MaBnahmen die Regelstrecke (z.B. die Durchfuhrung eines Logistikprozesses). Der in der Durchfuhrung erreichte IstZustand wird vom Messglied (der KontroUinstanz) an das Stellglied zuriickgekoppelt und mit den vorgegebenen Zielwerten verglichen. Die damit angesprochene Feedback-Kopplung ermoglicht, dass die Durchfuhrung im Falle einer Abweichung emeut an den Vorgaben der Planung ausgerichtet wird.^^* Dies entspricht der traditionellen, nachlaufenden Kontrollverstandnis. Der theoretischen Geschlossenheit und Anschaulichkeit der Feedback-Kopplung
Die Regelungstheorie, welche das Fundament der Kybemetik bildet, grenzt den Steuerungsbegriff relativ stark ein. Unter Steuemng wird darin die gerichtete Einflussnahme auf ein System verstanden, mit dem Ziel, dessen Ausgangsgrofien (=Ergebnisgr66en) auf einen bestimmten Zielwert zu bringen. Eine Ruckmeldung uber das tatsachliche Veriialten der Ausgangsgrdfie findet bei dieser Definition der Steuerung nicht statt, da das Steuergesetz (d.h. das Verfialtnis zwischen Eingangs- und AusgangsgroBe) als bekannt vorausgesetzt wird und StQrgrOBen nicht vorgesehen sind. Letztere werden im Rahmen der Regelung beriicksichtigt, welche iiber Ruck- und Vorkopplungsmechanismen eine Korrektur der Steuerung ermdglicht. Vgl. dazu Ashby (1974), Schwarz (2002), S. 76-83 und die dort zitierte Literatur. Dem Methodenspektrum der Regelungstheorie und dem darin enthaltenen engen BegrifFsverstandnis der Steuerung sind in soziookonomischen Systemen, wie z.B. Untemehmen oder auch Supply Chains, enge Grenzen gesetzt. In der vorliegenden Arbeit wird daher ein erweitertes Steuerungsverstandnis herausgearbeitet. Die im Folgenden verwendete Steuerung i.w.S. umfasst somit sowohl Aspekte der Regelung als auch der Steuerung i.e.S. ' Vgl. Pfohystelzle (1997), S. 13-14. Vgl. Griming (2002), S. 7-8, Pfohl/Stolzle (1997), S. 13, Lattwein (2002), S. 76.
2.2 Steuerung als untemehmensinteme und -ubergreifende Managementaufgabe
53
stehen jedoch nicht zu vemachlassigende Nachteile gegenuber. Grundlage des einfachen Regelkreismodells sind technische Systeme, die davon ausgehen, dass im Zeitverlauf ein homoostatisches Gleichgewicht, d.h. ein gleich bleibender Stabilitatszustand angestrebt wird.^^^ Die Stabilitat ist somit eine exteme Vorgabe, auf welches sich das System uneingeschrankt einstellt.^^^ Diese Gmndannahme, die kennzeichnend fur die Denkschule der klassischen Kybemetik, der sog. „Kybemetik I" ist, erweist sich jedoch fur die meisten sozialen Systeme als nicht zutreffend. Weiterentwicklungen der Kybemetik beriicksichtigen die Fahigkeit sozialer Systeme, nicht nur ein Gleichgewicht anzustreben, sondem nach Storungen immer neue Gleichgewichtszustande zu erreichen.^^"^ Bei der Feedforward-Kopplung werden erkannte und/oder potenzielle Storungen im Durchfuhrungsprozess antizipiert und von der Kontrolle direkt an die Planung ubermittelt. Gleichzeitig erfolgt auch eine Uberprufung der Zielvorgaben der Planung.^^^ Aus kybemetischer Perspektive „ideal" ist eine Kombination von Feedback- und Feedforward-Steuerung, bei der die Regelung von Abweichungen und die Plananpassung in einem kontinuierlichen Regelkreis ablaufen. Dadurch werden eine verbesserte Reaktionsfahigkeit und Anpassungsfahigkeit des zu regelnden Systems erreicht.^^^ Das Zusammenwirken von reaktiven und proaktiven Komponenten ermoglicht eine Steuerungsflexibilitat?^^ Anwendung findet die Kombination von Feedback- und Feedforward-Steuerung beispielsweise im Bereich des organisationalen Lemens^^^ oder bei dem Ftihrungsansatz des Management by Exception.^^^
232
239
Vgl. Naumann (1982), S. 87, Lattwein (2002), S. 76. Probst (1981), S. 118, SchreyCgg/Steinmann (1987), S. 92, Pfohl/Stolzle (1997), S. 15. Malik (2002) spricht in diesem Zusammenhang von polystabilen Systemen, die im Rahmen eines Wandels erster Ordnung ein stabiles Gleichgewicht innerhalb einer bestimmten Zustandsregion erreichen konnen. Bei einem Wandel zweiter Ordnung wird durch das Verlassen der bekannten Region und durch den Ubergang in eine neue Zustandsregion ein neuer Gleichgewichtszustand erreicht. Vgl. Malik (2002), S. 395. Vgl. auch die Ausfiihrungen bei Wohlgemuth (2002), S. 27, Griining (2002), S. 8. Vgl. Naumann (1982), S. 18. Specht et al. (1999), S. 177, unterscheiden die reaktive Flexibilitat als die Fahigkeit, mQglichst zeitnah auf Veranderungen (z.B. Prozessveranderungen, Umweltveranderungen) reagieren zu konnen, von der proaktiven Flexibilitat, welche die Fahigkeit zur selbststandigen Suche nach Veranderungspotenzial beschreibt. Als Anwendungsbeispiel einer proaktiv-flexiblen Steuerung siehe die Ausfiihrungen zu Supply Chain Event management (SCEM) bei Karrer (2003b), S. 190. Vgl. grundlegend Argyris/Schon (1999), S. 35-36: Korrespondierend zur Feedback-Kopplung stellt das sog. Einschleifen-Lemen instrumentales Lemen dar, welches Handlungsstrategien so anpasst, dass die dahinter stehenden Wertvorstellungen unverandert bleiben. Die Feedforward-Kopplung entspricht dem sog. Doppelschleifen-Lemen, welches zu einem Wertewechsel sowohl der handlungsleitenden Theorien als auch der Strategien und Annahmen fiihrt. Vgl. dazu auch GomezAVunderlin (2000), S. 444-445. Einen relativ umfassenden Uberblick zu den Ansatzen des organisationalen Lemens liefert Wiegand (1995), S. 171-309. Zum organisationalen Lemen in Kooperationen vgl. z.B. Buse (2002), S. 69-102. Der Ansatz des Management by Exception beruht darauf, die Kontroll- und Steuerungsaktivitaten des oberen Managements auf Problemfalle zu konzentrieren. Im unteren bzw. mittleren Management werden Aufgaben im Rahmen einer „Selbststeuerung" eigenverantwortlich ausgefiihrt. Das Topmanagement greift nur ein, wenn Abweichungen auftreten, die auBerhalb von ex ante festgelegten Toleranzen liegen. Der Steuerungsaufwand im Topmanagement wird so reduziert. Vgl. dazu Bittel (1964) sowie Koreimann (1999), S. 42.
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2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
2.2.1.2. Dynamik, Intransparenz und KomplexitSt als Kontextfaktoren der Steuerung In neueren kybemetischen Steuerungsansatzen werden verstarkt bestimmte Charakteristika sozialer Systeme, wie z.B. Dynamik, Intransparenz, Komplexitat, Instabilitat, Flexibilitat, Lemen, Autonomic und Selbstreferenz, beriicksichtigt.^"*^ An dieser Stelle werden drei dieser Eigenschaften - Dynamik, Intransparenz sowie Komplexitat - herausgegriffen und naher beschrieben, da sie speziell fur das zu entwickelnde Steuerungsverstandnis in logistischen Netzwerken hohe Relevanz besitzen.^"*' Dynamik beschreibt das allgegenwartige Phanomen, dass imtemehmensexteme wie -interne, wirtschaflliche, soziale, Skologische und technologische Einflussgrofien der Untemehmenssteuerung einem beschleunigten Wandel unterliegen.^"*^ Die daraus resultierenden Chancen (z.B. ErschlieBung neuer Markte, Einfuhrung neuer Produkte) und Risiken (z.B. kurzere Produktlebenszyklen, schnellere Erosion ehemals erfolgreicher Geschaftsfelder) stellen auch die Steuerung vor zeitkritische Herausforderungen. Einerseits ist mittels der Steuerung eine zeitnahe Reaktion auf Veranderungen sicherstellen. Andererseits muss sich Steuerung auch mit der Erhaltung der langfristigen HandlungsfUhigkeit befassen, indem die Vorgaben der Planung mit Blick auf zuktinftige Entwicklungen hinterfragt werden. Intransparenz impliziert, dass die Komponenten eines Systems, dessen lenkbare GroBen (Systemvariablen) und deren Wechselwirkungen nur unzureichend bekannt sind.^"*^ Aus Sicht der Steuerung lasst sich diese Aussage wie folgt konkretisieren: Erstens herrscht Unklarheit uber die Objekte der Steuerung (was wird gesteuert) sowie iiber die Steuerungsmechanismen (wie kdnnen die Objekte beeinflusst werden).^"*^ Zweitens stellt die Intransparenz von Steuerungszielen ein Problem dar. Diese lasst sich in der Regel nicht durch empirische MaBnahmen, sondem nur uber eine nachvollziehbare Operationalisierung von Sach- und ubergeordneten Formalzielen beseitigen.^'*^ Erfolgt eine derartige Top-Down-Ableitung von Zielen nicht Oder nur unvollstandig - z.B. auf Grund eines fehlenden Strategiekonsenses an der Unternehmensspitze oder auf Grund von unzureichender Implementierungsarbeit - kann auch die diesbeziigliche Intransparenz nicht beseitigt werden. Drittens schlieBlich entstehen durch das Vorhandensein autonomer Entscheidungsspieh^ume (z.B. im Rahmen der Preisbildung)
^^ Vgl. Degele (1997), S. 81-99, Probst (1981), S. 118, Lattwein (2002), S. 77 und die dort zitierte Literatur. ^^^ Vgl. zu Dynamik, Intransparenz und Komplexitat als Kontextfaktoren der Steuerung in Logistik und Supply Chain Management Zapfel/Piekaitz (1996), S. 18-22, StSlzle et al (2001), S. 75-77. Vgl. auch die Ausfuhrungen in Kap. 2.3.3, wo die im Folgenden vorgestellten Faktoren auf den Netzwerkkontext Ubertragen werden. ^^^ Die vielfachen Auswirkungen der zunehmenden Dynamik aus wirtschaftlicher, sozialer, okologischer und technologischer Sicht konnen an dieser Stelle nicht vertieft werden. Zu einem Uberblick vgl. z.B. Lattwein (2002), S. 26. ' Zapfel (1996), S. 20, StQlzle et al. (2001), S. 76. Vgl. ahnlich ahnlich Frese Frese (2000), (2000] S. 48-49, der eine Feldkomponente sowie eine Handlungskomponente der '^^^ Vgl. Ungewissheit differenziert. ^^^ Vgl. Frese (2000), S. 49.
2.2 Steuerung als untemehmensinteme und -tibergreifende Managementaufgabe
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Intransparenzen im Gesamtsystem.^'*^ Die Beseitigung dieser Spielraume ist seitens der Akteure oft nicht erwtinscht, so dass Intransparenz eine permanente Randbedingung der Steuerung bleibt. Das Phanomen der Komplexitat wird mit unterschiedlichen Inhalten belegt.^'^^ Eine viel beachtete, kybemetisch-systemtheoretisch gepragte Interpretation fuhrt als MaBgroBe der Komplexitat die Varietat (=Vielfalt) ein.^"^^ Sie druckt Komplexitat als Anzahl aller moglichen Zustande, die ein System einnehmen kann, aus.^'^^ Fokussiert man aus Steuerungssicht die Bewaltigung von Komplexitat, so gilt der Grundsatz, dass die Varietat der Steuerung und die Varietat des Steuerungsproblems aneinander anzupassen sind, um eine effiziente Steuerung zu ermoglichen (Gesetz der erforderlichen Vielfalt).^^" Diese Anpassung erfolgt aus zwei Blickwinkeln: Einerseits kann die Varietat des Steuerungsproblems reduziert werden (z.B. durch Verdichtung komplexer Zusammenhange im Rahmen von Kennzahlensystemen), was das Risiko einer Trivialisierung komplexer Probleme und damit einer reduzierten Steuerbarkeit birgt. Andererseits ist es moglich die Varietat des Steuerungssystems bewusst zu steigem (z.B. durch die Einrichtung dezentraler Verantwortungsbereiche wie Holding- oder Centerstrukturen oder durch die AusdifFerenzierung einer Organisation nach Produkt- oder Kundengruppen).^^' Allerdings setzt sich ein Untemehmen dadurch der Gefahr der mangelnden Koordinierbarkeit aus.^^^ Eine Uberwindung des Dilemmas kann durch die gleichzeitige Steigerung und Reduktion von Varietat erfolgen, was auch als Varietatsengineering bezeichnet wird.^" 2.2.1.3. Steuerung im Spannungsfeld von Voluntarismus und Umweltdeterminismus Die Phanomene Dynamik, Litransparenz und Komplexitat kennzeichnen ein Steuemngsumfeld, in dem nicht triviale Probleme den Ausloser und Inhalt von Steuerungsaktivitaten bilden. Im Unterschied zu trivialen Problemen, die in der Regel aus wenigen, gleichartigen Problemelementen bestehen, welche nur geringe Wechselwirkungen bzw. stabile Kausalbeziehungen aufweisen, zeichnen sich nicht triviale Probleme durch eine Vielzahl von vemetzten,
'^^ Vgl. Schreyogg/Steinmann (1987), S. 93. Vgl. Bellmann/Mildenberger (1996), S. 125. Als Merkmale der Komplexitat gelten z.B. die Gesamtzahl der Elemente eines Systems, die Unterschiedlichkeit dieser Elemente, die AbhSngigkeit dieser Elemente voneinander (deren Freiheitsgrade) sowie deren Veranderlichkeit im Zeitablauf (dynamischer Aspekt der Komplexitat). Vgl. Kasper et al. (1999), S. 181, Naumami (1982), S. 42 und die dort zitierte Literatur. Vgl. auch das Konstrukt Komplexitat im Zusammenhang mit der Koordination von Prozessen bei Gaitanides (1983), S. 211-213. ^^^ Vgl. Ashby (1974), S. 179-279 sowie S. 293-315. ^^^ Vgl. Lattwein (2002), Probst (1981), S. 161. ^^^ Vgl. Ashby (1974), S. 299, Naumann (1982), S. 42. ^^^ Vgl. Behme/Roth (1997), S. 21-27. ^" Vgl. auch Lattwein (2002), S. 78. ^^^ Vgl. Probst (1981), S. 166-193. Probst geht auf ein breites Repertoire von Strategien zur Varietatsreduktion (z.B. Modellbildung, Abschirmung, selektive Inputauftiahme) und Varietatssteigerung (z.B. Black Box, Selektivitatsverstarkung, Redundanz) ein. Vgl. dazu auch Naumann (1982), S. 166 sowie Munari/Naumann (1984), S. 848. Vgl. zum Begriff des „Varietatsengineering" im Kontext des Supply Chain Managements auch Beckmann (2004), S. 40-41. Das Problem der Komplexitatsproduktion und -reduktion wird in Kapitel 2.3.2 vertieft.
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2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
intransparenten Problemkomponenten und weitgehend unbekannten Problemvariablen aus.^^"^ Zur Losung sind somit meist eine Vielzahl von sich gegenseitig beeinflussenden Einzelentscheidimgen zu treffen.^" Da der Entscheidungsfindung in der Praxis meist eine schrittweise (reduktionistische) Verdichtung der Realitat auf relativ einfache und iiberschaubare Sachverhalte vorausgeht,^^^ wird mit wachsender Intransparenz und KomplexitSt fur diese Aufgabe immer mehr Zeit benotigt. Gleichzeitig bewirkt die zunehmende Dynamik, dass die Reaktionszeit, die dem Entscheider de facto zur Verfugung steht, immer weiter sinkt. Die Folge ist ein zeitlich bedingtes Steuerungsdilenmia, das auch als ,^itschere" bezeichnet werden kann (vgl.Abbildungl4).'''
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^^^^^ TatsSchlich verfQgbare ReaktJonszeit bei wachsender Dynamik Komplexitat und Dynamik
Ahhildung 14:
Zeitschere als Ausloser von Entscheidungsproblemen Quelle: Bleicher (2004), S. 45, verandert
Die Zeitschere veranschaulicht die Schwierigkeit, in einem dynamischen, intransparenten und komplexen Entscheidungsumfeld relevante Handlungsaussagen zu trefFen.^^* Meist ist es nicht mQglich, die Struktur des Entscheidungsproblems und die KapazitSt der Entscheidungseinheit voUstandig anzugleichen, so dass Entscheidungen immer mit einer gewissen Unsicherheit
Vgl. zur Unterscheidung von komplexen und trivialen Problemen Lattwein (2002), S. 43-45 und die dort zitierte Literatur. Zapfel/Piekarz (1996), S, 19 sprechen in diesem Fall von sog. „Sachinterpendenzen" zwischen Entscheidungen. Vgl. Bellmann/Mildenberger (1996), S. 126, Frese unterscheidet drei Reduzierungsprinzipien: die Einschrankung der Handlungsmenge (z.B. durch Verzicht auf bestimmte Aktivitaten), die Veranderung des Formalziels (z.B. durch Festlegung von Anspruchsniveaus und Schwellenwerten) sowie die Veranderung der Informationsstruktur (z.B. durch Verdichtung von Einzelinformationen durch Kennzahlen). Vgl. Frese (2000), S. 51-53. ^^^ Vgl. Bleicher (2004), S. 42-45, Bleicher (1996), S. 347. Insbesondere in MSrkten mit schwer vorhersagbarem Nachfrageverlauf gilt die Reaktionszeit eines Untemehmens als wichtiger Leistungsindikator der Steuerung, vgl. Lowson et al. (1999). Probst (1981), S. 151, Insbesondere das Problemfeld der Dynamik stand in der Literatur zur Steuerung bislang im Hintergrund, da die Komplexitatskonzepte der systemtheoretisch flmdierten Kybemetik meist statischer Natur sind. Degele (1997) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die bloBe Vemetztheit von Systemelementen ein System lediglich kompliziert, jedoch noch nicht komplex macht. Erst mit wachsender Dynamik, d,h. mit sich andemden SysXQvazustdnden, kommen Irreversibilitat und Nichtlinearitat hinzu, die ein kompliziertes in ein komplexes System transformieren. Vgl. dazu Degele (1997), S, 81-83.
2.2 Steuening als untemehmensinteme und -ubergreifende Managementaufgabe
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behaftet sind.^^^ Aufgabe der Steuening ist es nun, trotz dieser Unsicherheit die Handlungsfahigkeit eines Untemehmens aufrechtzuerhalten. Die Extrema eines moglichen Steuerungsspektrums bilden dabei zwei grundlegend unterschiedliche Steuerungsverstandnisse.^^^ Das voluntaristische Steuemngsverstandnis geht von einer direkten, durch den menschlichen Willen (voluntas) geprSgten Beherrschbarkeit eines Untemehmens aus. Es basiert somit auf den Grundannahmen des klassischen Managementverstandnisses als rational-entscheidungsorientierter Prozess.^^* Im Kern steht ein handlungsorientierter Steuerungskreislauf, der sequentiell die Phasen Planung, Implementierung und KontroUe durchlauft. Die Steuening wird dabei durch die Vorgaben der Planung determiniert, die eine normative Grundausrichtung aufweist.^^^ Im Rahmen der Planung werden Strategien entworfen und explizit formuliert,^^^ bevor sie im Zuge der Implementierung in der Organisation verankert werden. Die KontroUaufgabe der Steuening beschrankt sich eine nachlaufende RealisationskontroUe.^^ Das sowohl von einer prozessualen als auch personalen Trennung zwischen Strategieplanung und implementierung ausgegangen wird, wird das im Voluntarismus vorherrschende Steuerungsprinzip auch als hierarchische Steuening bzw. Fremdsteuerung bezeichnet.^^^ Aus Informationsdefiziten erwachsende Probleme sind durch Verbesserungen der Informationsversorgung prinzipiell losbar. Ein Komplexitatsmanagement findet im voluntaristischen Steuemngsverstandnis uberwiegend durch varietatsreduzierende Mafinahmen statt.^^^ Im umweltdeterministischen Steuerungsverstandnis wird das Phanomen der Umfeld- oder Innenkomplexitat (auch AuBen- bzw. Innendeterminismus genannt) zum Anlass genommen, eine plandeterminierte Steuemng von Organisationen generell zu vemeinen.^^^ Dieser auch als „Disjointed Incrementalism"^^^ bezeichnete Ansatz basiert auf der Selbststeuemngsfahigkeit dezentraler Entscheidungseinheiten, welche auf die aktuelle Situation in ihrem unmittelbaren Einflussbereich reagieren und kleine, uberschaubare Verandemngen vomehmen.^^^ Das damit
^^^ Vgl. Frese (2000), S. 50 sowie S. 54, Schreyogg/Steinmann (1987), S. 93, Zapfel/Piekarz (1996), S. 21, Gaitanides (1983), S. 206-211. Zu einer ausflihrlichen Differenziemng des voluntaristischen und umweltdeterminierten Steuerungsverstandnisses vgl. Lattwein (2002), S. 91-95. ^^' Vgl. Steinmann/Schreyogg (2000), S. 123-125, Kirsch et al. (1979), S. 232, Pfohl/Stolzle (1997), S. 17, Welge/Al Laham (2001), S. 23. ^^^ Vgl. Pfohl/Stolzle (1997), S. 16, Welge/Al-Laham (2001), S. 30, Wohlgemuth (2002), S. 27, Malik (2002), S.215. ^^^ Vgl. Ansoff (1991), S. 456. ^^ Vgl. Lattwein (2002), S. 92. ^^^ Vgl. Frese (2000), S. 322, Wohlgemuth (2002), S. 27, Lattwein (2002), S. 93. ^^ Vgl. Lattwein (2002), S. 93. ^^^ Vgl. Mintzberg (1990), S. 184, Miiller-Stewens/Lechner (2003), S. 554. Eine aus der Literatur zur offentlichen Verwaltung bekannte, alternative Bezeichnung dieses Ansatzes ist das ,JMuddling Through" (Durchvmrsteln), das von Lindblom (1959) gepragt Moirde (vgl. Lindblom (1959), S. 79-88). Vgl. dazu auch Kirsch et al. (1979), S. 323 sowie Welge/Al-Laham (2001), S. 33. ^^^ Vgl. Wohlgemuth (2002), S. 27.
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2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
einhergehende Steuenmgsprinzip ist das der Selbstorganisation.^^^ Es existiert demnach kein systematischer Zukunftsplan, sondem das Untemehmen entwickelt sich im Rahmen eines inkrementalen Lemprozesses weiter. Insofem ist zu konstatieren, dass im deterministischen Steuerungsverstandnis vor allem varietStssteigemde Mechanismen zum Einsatz kommen.^^* In der neueren Literatur zur Steuenmg werden Volimtarismus und Umweltdeterminismus als Extrempositionen kritisiert.^^^ Beispielhaft fur eine allgemeine Kritik ist die Aussage von Willke (2001), wonach „Steuerung weder auf exteme EingrifFe noch auf interne Dynamiken alleine reduziert werden kann"^^^ So sind die PrSmissen des voluntaristischen Ansatzes bezuglich der vollstandigen Erfassbarkeit der Umwelt und Beherrschbarkeit des Untemehmens als unrealistisch einzustufen.^'"* Die bereits angesprochenen Probleme bei der Bewaltigung von Intransparenz und Komplexitat und die damit verbundenen Zweifel an einer uneingeschrankten Planbarkeit stehen hier im Mittelpunkt.^^^ Der Umweltdeterminismus wird insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Dynamik in Frage gestellt. Inkrementale Trial&Error-Prozesse sind in der Regel sehr zeitaufwendig und konnen fur sich allein genommen keine angemessene ReaktionsfUhigkeit des Untemehmens garantieren.^^^ Die Reaktivitat tragt somit ein „permanentes Zeitrisiko in sich, [da] erst dann auf Phanomene reagiert wird, wenn es fur einen Eingriff schon zu spat ist".^^^ Neuere Steuerungsansatze suchen verstarkt nach einem Mittelweg zwischen voluntaristischer und umweltdeterministischer Steuerung. Sie werden haufig unter dem Sammelbegriff eines gemafiigten Voluntarismus vereint. Das gemSBigt-voluntaristische Begriffsverstandnis der Steuerung durchbricht das „Primat der strategischen Planung", welches im klassischen, voluntaristischen Managementprozess vorherrscht und unterstellt, dass nicht jede willentliche Einflussnahme auch wirklich gelingt.^^* Der Planung obliegt zwar weiterhin die Auswahl von Strategiealtemativen (Selektionsprinzip). Diese Selektion wird jedoch im Rahmen der Steuerung nicht unreflektiert ubemonmien. Vielmehr wird die Relevanz der gewahlten Strategic im Verlauf ihrer Formulierung, Implementierung und auch wShrend der Durchfiihrung kontinu-
^^° Vgl. Kieser (1994), Probst (1986), Dress et al. (1986), Knyphausen-Aufsefi (1995), S. 338-344 sowie Schrader(1996),S.92. ^^' Vgl. Lattwein (2002), S. 95. ^^^ Vgl. z.B. allgemein Welge/Al Laham (2001), S. 31-35, Lattwein (2002), S. 95-101. Zur Kritik am klassischen (voluntaristischen) Managementprozess vgl. z.B. Pfohl/St6lzle (1997), S. 18, Bea/Haas (2001), S. 216-217. ^^^ Willke (2001), S. 4. ^'^^ Vgl. Lattwein (2002), S. %-99, Strack (2001), S. 94-96. Malik (2002), S. 61-63, spricht von einem konstruktivistisch-technomorphen Paradigma, dem das voluntaristische Managementverstandnis unterliegt. Vgl. z.B. den akademischen Disput zzwischen Mintzberg (1990), der eine „emergente" Steuerungsphilosophie postuliert, und Ansoff (1991), der als Vertreter eines reformierten Voluntarismus einen „holistischen" Ansatz verfolgt. ^^^ Lattwein (2002), S. 97. ^^^ Die Sichtweise des gemSBigten Voluntarismus wurde maflgeblich von Kirsch geprSgt, vgl. Kirsch et al. (1979), S. 232-233. Zum Ansatz in der englischsprachigen Literatur vgl. z.B. Otley et al. (1995), S. 37. Vgl. auch Pfohl/Stolzle (1997), S. 16, Freiling (2001a), S. 43. Zur Rolle der Planung im klassischen Managementverstandnis vgl. Hammer (1998), S. 68-71.
2.2 Steuerung als untemehmensinteme und -ubergreifende Managementaufgabe
59
ierlich hinterfragt. Im Rahmen der Steuerung wird fur eine Kompensation selektionsinharenter Planungsrisiken gesorgt (Kompensationsprinzip).^^^ KontroUe avanciert somit zu einer „eigenstandigen, gewichtigen Managementfunktion mit eigenem Steuerungspotenzi^l« 280 jg (jezejitraler die Organisationsstruktur, desto mehr gewinnt die Kontrollflinktion gegenuber detaillierten Planvorgaben an Bedeutung.^^^ Im Umkehrschluss nimmt jedoch auch die Planung nach wie vor eine entscheidende Rolle ein, da sie neben der grundsatzlichen Auswahl von Strategien auch deren schrittweise Konkretisierung vomimmt. Sie bildet somit auch ein stSndiges „Gegengewicht" zur Kontrolle.^^^ Zusammenfassend wird im gemaBigt-voluntaristischen Steuerungsverstandnis die Notwendigkeit erkannt, eine zielorientierte und damit planungsgetriebene Steuerung mit den Chancen, die aus einer Selbststeuerungs- und Riickkoppelungsfahigkeit innerhalb des Managementprozesses erwachsen, zu kombinieren und eine Balance zwischen beiden Komponenten zu fmden. Dieses Steuerungsverstandnis macht sich auch die vorliegende Arbeit zu Eigen. Im nachfolgenden Kapitel wird herausgearbeitet, warum sich die Eigenschaften einer gemaBigtvoluntaristischen Steuerung auch und insbesondere in einem untemehmensiibergreifenden Steuerungsumfeld als nutzlich erweisen. 2.2.2. Intra- und interorganisationale Dimension der Steuerung vor dem Hintergrund eines gemSOigt-voluntaristischen Steuerungsverstandnisses Im Folgenden wird auf der Grundlage eines gemaCigten Voluntarismus ein eigenstandiges Steuerungsverstandnis entwickelt. In einem ersten Schritt wird dazu ein zunachst untemehmensintemes, prozessuales BegrifFsverstSndnis der Steuerung vorgestellt, welches sowohl strategische als auch operative Komponenten beinhaltet (Kapitel 2.2.2.1). Anschliefiend wird die Betrachtung auf den interorganisationalen Kontext ausgedehnt. Unter Beriicksichtigung des damit verbundenen Anpassungsbedarfs wird das der vorliegenden Arbeit zu Grunde gelegte Steuerungsverstandnis thesenartig abgeleitet (Kapitel 2.2.2.2). 2.2.2.1. Steuerung im intraorganisationalen Kontext Zunachst soil die Steuerung aus untemehmensbezogener Sicht analysiert werden. Grundsatzlich bietet sich dazu eine Einbettung des zu entwickelnden Steuerungsverstandnisses in ein Modell des strategischen Managements an. Das Steuerungsverstandnis der vorliegenden Arbeit positioniert sich dabei schwerpunktmaBig in der Domane der prozessorientierten
Die Kompensationsfunktion wird dabei hauptsachlich dem Steuerungsbereich der KontroUe zugeschrieben. Vgl. Pfohl/Stolzle (1997), S. 19. ^^^ Bea/Haas (2001), S. 217, vgl. auch Schreyogg/Steinmann (1987), S. 93. ^^^ Vgl. Schneider (1994), S. 327. ^^^ Vgl. Otley et al. (1995), S. S32. Vgl. z.B. die Implementierungsplanung bei Welge/Al Laham (2001), S. 549.
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2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
Managementforschung.^*^ Die prozessorientierte Sichtweise erweist sich fur die vorliegende Arbeit auf Grund ihrer gestalterischen und anwendungsorientierten Ausrichtung als zielfuhrend: Zum einen legt sie das Hauptaugenmerk auf die Beschreibung, Anordnung und (meist phasenorientierte) Verkntipfung von Managementaktivitaten.^^"* Sie eignet sich somit insbesondere fur die Strukturierung der Aufgaben einer Steuerungskonzeption. Daruber hinaus inkludiert die prozessorientierte Sichtweise auch die Formulienmg normativer Gestaltungsaussagen, die z.B. bei der Auswahl und Zuordnung von Methoden und Instrumenten zu einzehien Steuerungsaufgaben herangezogen werden konnen.^*^ Das Steuerungsverstandnis der vorHegenden Arbeit wird somit als ablauforientierter, gemaBigt-voluntaristischer, strategischer und operativer Prozess charakterisiert, der aus vier miteinander verbundenen - im Diktum der Steuerungs- und Regelungstheorie „mehrfach vermaschten"^*^ - Steuerungsphasen besteht (vgl. Abbildung 15).^^^ In der Phase der Strategieformulienmg und -bewertung werden die von der ubergeordneten Zielplanung, strategischen Analyse und Prognose generierten Vorgaben und hiformationen zu Strategiebiindeln weiterentwickelt. Wahrend die Zielplanung begrundend auf zweckorientierte Untemehmensaktivitaten einwirkt, nimmt die strategische Steuerung somit vor allem eine ausrichtende Funktion hinsichtlich der Ziele der Organisation wahr.^*^ Die Steuerung setzt somit erst dann ein, wenn eine grundlegende Selektion von Handlungsoptionen im Rahmen einer normativen strategischen Zielplanung sowie einer Umfeld- und Untemehmensanalyse
Im Unterschied zur hier fokussierten prozessorientierten Managementforschimg befasst sich die inhaltsorientierte Managementforschimg mit der - hdufig auch empirisch gestutzten - Beschreibung und Erklarung der Inhalte von Untemehmensstrategien. Sowohl prozess- als auch inhaltsorientierte Managementforschung streben das Ziel der Generierung von Wettbewerbsvorteilen an. Wahrend aus Prozessicht jedoch die Frage nach dem „Wie?" der Vorteilsgenerierung im Vordergrund steht, stellen inhaltsorientierte Ansatze starker auf das „Was?" ab. Obwohl im Folgenden der prozessorientierte Ansatz als strukturgebend ftir das herauszubildende Steuerungsverstandnis herangezogen wird, sei darauf verwiesen, dass inhaltliche Aspekte der Steuerung keineswegs ausgeblendet werden. Insbesondere bei der Ubertragung des Steuerungsverstandnisses auf den Supply Chain-Kontext ist die Anpassung der Steuerungsinhalte, welche sich aus den allgemeinen und spezifischen Zielsetzungen des Supply Chain Management-Konzepts ableiten lassen, von groBer Bedeutung. Vgl. zur Unterscheidung zwischen inhalts- und prozessorientierten Sichtweisen der strategischen Untemehmensfiihrung Bamberger/Wrona (2004), S. 25-30, Hungenberg (2004), S. 9 sowie ausfiihrlich Hofmann (2004), S. 48-109. * Vgl. Bamberger/Wrona (2004), S. 26-27. Vgl. Bamberger/Wrona (2004), S. 27. Die angestrebte Fokussierung auf einen prozessorientierten Steuerungsansatz ist zwingend auch mit einer Einschr^nkung des Konzeptionsumfangs verbunden, so dass das im Folgenden vorzustellende Steuerungsverstandnis nicht den Anspruch an einen allgemeingultigen Managementansatz erhebt. Vgl. zu einem allgemeinen Managementmodell, welches unter anderem auch die hier fokussierte Prozesskomponente beinhaltet, beispielsweise Ruegg-Sturm (2004), S. 70. * Vgl. Z.B. Kirsch et al. (1979), S. 21. Hinsichtlich seines grundlegenden prozessualen Aufbaus rekurriert das in Abbildung 15 vorgestellte Steuerungsverstandnis auf den allgemeinen Prozess des strategischen Managements nach Welge/Al Laham (2001), S. 96, nimmt jedoch spezifische Modifikationen vor. Das Kontrollverstandnis basiert auf dem strategischen KontroUprozess von Steinmann/Schreyogg (2000), S. 246. Vgl. ahnlich auch Bea/Haas (2001), S. 214-245. Zusatzlich wird der hier vorgestellte Steuerungsprozess um eine Ausfuhrungskomponente erganzt, um auch die operative Dimension der Steuerung zu berttcksichtigen. ^ Vgl. Bleicher (1996), S. 348, Otley et al. (1995), S. S32. Vgl. auch die bekannte Definition von "management control" bei Anthony (1965), S. 17: „[Management control is] the process by which managers assure that resources are used effectively and efficiently in the accomplishment of the organization's objectives."
2.2 Steuerung als untemehmensinteme und -iibergreifende Managementaufgabe
61
bereits erfolgt ist.^^^ Im Rahmen der Strategieformulierung sind der organisatorische Geltungsbereich der auszuwahlenden Strategic (z.B. Untemehmens-, Geschaftsbereichs- sowie Funktionsbereichsstrategie) sowie deren gnmdlegende Entwicklungsrichtung (z.B. Wachstum/Stabilisierung/Schrumpfung auf der Ebene des gesamten Untemehmens oder Kostenfiihrerschaft/Differenzienmg/Nischenbildung auf Geschaftsbereichsebene) festzulegen.^^^ Hierbei kommen haufig Portfoliotechniken zum Einsatz, die eine Positionierung unterschiedlicher Strategien in einem mehrdimensionalen Analyseraster ermoglichen.^^^ Die Strategiebewertung und -auswahl erfolgen in der Kegel nach quantitativen, z.B. wertorientierten, ZielgroBen^^^ Oder auf Basis qualitativer Kriterien, die aus den strategischen Zielen abgeleitet werden konnen. Bei der Bewertung und anschliefienden Auswahl von Strategien kommen eine Reihe von Steuerungsmethoden und -instrumenten zum Einsatz, wie z.B. Strategieprofile, angepasste Nutzwertanalysen oder investitionstheoretische Methoden auf Basis des Shareholder ValueModells. Von der ubergeordneten Zielplanung, strategischen Analyse u. Prognose
DT)T)T)T}
Zur Ubergeordneten Zielplanung, strategischen Analyse u. Prognose
kcmtroMe
sa^aA^-^gffies,a«^',,>A Abbildung 15:
Der Prozess der strategischen und operativen Steuerung Quelle: Eigene Darstellung in teilweiser Anlehnung an Welge/Al Laham (2001), S. 96 sowie Steinmann/Schreyogg (2000), S. 246
Die Phase der Strategieimplementierung befmdet sich an der Schnittstelle zwischen strategischer und operativer Steuerung und nimmt zwei Hauptaufgaben wahr (vgl. Abbildung 15). Erstens ist durch eine sachbezogene Implementierungssteuerung eine Konkretisierung und damit eine Umsetzung der Strategic vorzunehmen (sog. „strategische Vorsteuerung").^^^ Im Rahmen einer mittelfristig ausgelegten Programm- und Projektplanung werden Strategien mit
Vgl. ahnlich Munari/Naumann (1984), S. 848 sowie S. 850. ' Vgl. Welge/Al Laham (2001), S. 322. ' Vgl. Welge/Al Laham (2001), S. 339-370. ' Vgl. Z.B. die Ubersicht bei Kajiiter (2002). ^ Vgl. Mimari/Naumami (1984), S. 849.
62
2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
wachsendem Detaillierungsgrad von der Untemehmensebene auf die Geschaftsbereichs- und schlieBlich auf die funktionale Ebene ubertragen.^^ Zweitens ist in der Phase der Strategieimplementierung auch die Durchsetzung von Strategien zu steuem. Die Steuerung stutzt sich dabei typischerweise auf hierarchische Koordinationsmechanismen, bei welchen die in der organisationalen Hierarchic verankerten Machtgefuge genutzt werden, um hnplementierungsbarrieren (wie z.B. WiderstSnde, Konflikte) zu uberwinden.^^^ Diesbeziigliche Steuerungsaufgaben erstrecken sich von der kommunikativen Vermittlung der Strategic und Mafinahmen zur Einweisung und Schulung bis hin zur Schaffung cines stratcgicbezogenen Konsenscs mit Hilfe von Methoden des Konfliktmanagements.^^ In der DurchfUhrungsphase sind Aufgaben der kurzfristigen, taktisch-operativen Steuerung wahrzunchmen (vgl. Abbildung 15). Im Vordergrund stehen dabei der Material-, Warensowie Informationsfluss.^^^ Der Informationsfluss weist dabei - mit Blick auf die Aufgabenstellung der vorliegenden Arbeit - eine besondere Bedeutung auf, da er durch vorauseilende, begleitende sowie nacheilende Informationen eine Steuerung der beiden anderen Fltisse ermoglicht.^^* Ort der operativen Steuerung sind die einzebien Funktionsbereiche eines Untemehmens. Die im Rahmen der Strategieimplementierung ausgearbeiteten mittelfristigen MaBnahmen werden dabei in der Durchfuhrung durch die kurzfristige Funktionsbereichsplanung operationalisiert.^^ Die operative Steuerung in den punktionsbcreichen wird haufig durch ERP-Systeme unterstutzt. Diese primar ausfuhrungsorientierten Informationsverarbeitungssysteme erlauben unter Riickgrifif auf verschiedene Modellierungstechniken (z.B. Methoden der linearen Programmierung)^^ die Kalkulation und Optimierung von Teilplanen fur die materialflussorientierten Prozessbereiche Materialwirtschaft, Produktionssteuerung, Lagerverwaltung und Vertrieb. Eine untemehmensweite Integration von Geschaftsprozessen, wie z.B. die Abbildung des
^ Vgl. Welge/ Al Laham (2001), S. 529 sowie Heusler (2004), S. 144 und die dort zitierten Quellen. ^^^ Vgl. Welge/Al Laham (2001), S. 540, ^^ Vgl. Welge/Al Laham (2001), S. 543-548. An dieser Stelle wird aufgrund des logistischen Hintergnmds der vorliegenden Arbeit die logistisch gepragte Terminologie der operativen Steuerung von ,J'l(issen" verwendet. In der allgemeinen Managementliteratur fmdet der Material- und Warenfluss im Realgiiterprozess, der vom gewahlten Produktprogramm abhangt, seine Entsprechung, der Finanzfluss im Wertumlau^rozess, der die monetaren Auswirkungen des Realgiiterprozesses abbildet. Vgl. dazu Steinmann/SchreyOgg (2000), S. 264. ^^* Vgl. Pfohl (2004a), S. 81. ZusStzlich ist die Bedeutung des Finanzflusses sowie des Flusses der (Verfugungs-)Rechte hervorzuheben. Diese beiden stellen insbesondere im interorganisationalen Umfeld eine Herausforderung fur die Steuerung dar und werden deshalb an dieser Stelle noch nicht vertiefl. Vgl. dazu Pfohl (2004a), S. 326. ^^ Vgl. z.B. Hammer (1998), S. 59-68, Steinmann/SchreySgg (2000), S. 258-263. Teilweise werden Aufgaben der operativen Planung und Steuerung auch der Phase der Strategieimplementierung zugeordnet, vgl. Welge/Al Laham (2001), S. 569-590. ^^ Vgl. Steinmann/SchreyOgg (2000), S. 289.
2.2 Steuerung als untemehmensinteme und -iibergreifende Managementaufgabe
63
Auftragsabwicklungsprozesses, wird durch eine untemehmensweit einheitliche Datenbasis unterstutzt.^"^ Die Steuerungsphase der Kontrolle nimmt eine zentrale Stellung im vorliegenden Steuerungsverstandnis ein. Es ist hervorzuheben, dass sie nicht als letzter Schritt im Prozess des strategischen Management^"^ bzw. als „Anhangsel der Planung"^^^ aufzufassen ist, sondem als Querschnittsflmktion innerhalb des Steuemngsprozesses, welche Schnittstellen zu alien anderen Steuemngsphasen aufweist. Neben einer prozessabschliefienden nimmt die Kontrolle somit auch eine prozessbegleitende Funktion wahr.^^ Zudem wird durch ihren Querschnittscharakter
deutlich,
dass
die
Kontrolle
im
Rahmen
des
dargestellten
gemaBigt-
volimtaristischen Steuerungsablaufs sowohl strategische als auch operative Aufgaben wahrzunehmen hat.^"^ Das in Abbildung 15 visualisierte KontroUverstandnis basiert dabei auf einer Differenzierung unterschiedlicher Kontrollformen.^^ An der Schnittstelle zur Strategieformulierung und -bewertung sind insbesondere die strategischen Aufgaben einer PrSmissenkontrolle hervorzuheben. Bei dieser wird die gew^hlte Strategic auf ihre „Realitatstauglichkeit" tiberpruft, indem festgestellt wird, ob die der Strategieformulierung zu Grunde gelegten Ausgangsannahmen Gtiltigkeit besitzen.^^^ Damit spiegelt die Pramissenkontrolle deutlich die Anforderung an ein gemaBigt-voluntaristisches Steuerungsverstandnis wieder, einmal formulierte Planvorgabe bereits vor der Plandurchflihrung kritisch zu hinterfragen. Weitere KontroUaufgaben in der Phase der Strategieformulierung umfassen die Uberprufimg der inhaltlichen Stimmigkeit und Kompatibilitat von Strategien mit den ubergeordneten Untemehmenszielen sowie die vorausschauende Kontrolle der prinzipiellen Implementierbarkeit der formulierten Strategie.^"^ An der Schnittstelle zur Strategieimplementierung nimmt die Kontrolle die Form einer Planfortschrittskontrolle an.^^ Sie hat die Aufgabe, Storungen, die im Verlauf des Implemen-
^^^ Steven/Kriiger (2002), S. 175-177. Ausfuhrungssysteme wie ERP-Systeme weisen typischerweise Defizite im Bereich der Entscheidungsunterstiitzung auf. So nimmt ein kompletter Planungsdurchlauf relativ viel Zeit in Anspruch, die Planimgslogik erfordert vereinfachende Planrestriktionen (z.B. unbegrenzte Fertigungskapazitaten, feste Bearbeitungszeiten), marktseitige Funktionalbereiche werden gegeniiber der Produktionsplanung nur unzureichend einbezogen und eine standort- oder untemehmensubergreifende Steuerung ist bislang nur stark eingeschrankt moglich. Vgl. dazu Knolmayer et al. (2002), Prockl (2001b), S. 67, Corsten/GSssinger (2001b), S. 32, Grunauer (2001), S. 141-142 sowie die Anmerkungen zu ERP- und APSSystemen im Handlungsfeld Information/IT in Kapitel 2.1.2.2. ^"^ Hammer (1998), S. 53. sieht die Kontrolle z.B. als letzte Stufe im Prozess der strategischen Planung. ^^^ Bea/Haas (2001), S. 53, Hahn/Hungenberg (2001), S. 48. ^^ Vgl. Anthony/Govindarajan (2001), S. 453, Welge/Al Laham (2001), S. 97. ^"^ Vgl. die Gegeniiberstellung von strategischer und operativer Kontrolle Zettelmeyer (1984), S. 84. ^^ Vgl. zu dieser und zu weiteren Systematisierungsmoglichkeiten von KontroUaufgaben Pfohl/Stolzle (1997), S.76. ^^^ Vgl. Steinmann/Schreyogg (2000), S. 245-246, Gladen (2002), S. 9, Hahn/Hungenberg (2001), S. 47-48, Pfohl/Stelzle (1997), S. 76, BeavHaas (2001), S. 215. ^^^ Vgl. Pfohl/St6lzle (1997), S. 76, Miiller-Stewens/Lechner (2003), S. 695. ^^ Die Planfortschrittskontrolle wird haufig auch als „(strategische) DurchflihrungskontrollQ" bezeichnet (vgl. Steinmann/Schreyogg (2000), S. 246, Mtiller-Stewens/Lechner (2003), S. 696). Urn eine versehentliche
64
2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
tieningsprozesses auftreten, sowie prognostizierte Abweichungen von vorgesehenen Meilensteinzielen festzustellen und einer Steuerung zuzufuhren.^^" Letztere kann iiber eine FeedbackRegelung (innerhalb der Implementienmgsphase) oder eine Feedforward-Steuerung (unter Einbeziehung der Strategieformulienmgs- und -bewertungsphase) erfolgen. Die an der Schnittstelle zur Durchftihrungsphase angesiedelte RealisationskontxoUe entspricht am ehesten dem traditionellen VerstSndnis einer operativen Kontrolle, das sich als kybemetisches Regelkreismodell mit hauptsachlich feedback-orientierten Komponenten im Sinne einer Ergebnis- bzw. Vollzugskontrolle darstellen ISsst.^'^ Auf Grund der kurzeren Planungshorizonte im operativen Bereich, des hoheren Detaillierungsgrades sowie der hoheren Automatisierbarkeit von operativen Steuerungsaufgaben kann von einer sehr engen Verkniipfiing zwischen Durchfiihrungsplanung und -kontrolle ausgegangen werden. Kontrolle ist somit in diesem Bereich - ebenso wie die operative Planung - meist ein Bestandteil integrierter IT-Systeme (meist ERP-Systeme). Einige relevante Aufgaben der operativen Kontrolle sind jedoch nach wie vor schwer automatisierbar und konnen insofem von gangigen ERP-Systemen nur unvoUstandig abgebildet werden.^'^ Hierzu zahlen insbesondere die Abweichungsanalyse, die nach Ursachen fur aufgetretene Storungen forscht, sowie die Berichterstattung, die Kontrollergebnisse aufbereitet und in vertikaler wie horizontaler Richtung weitergibt. AbschlieBend ist als wichtiger Teilaspekt der RealisationskontroUe die adaptive Kontrolle zu wtirdigen. Diese iiberpriift laufend, ob vorgegebene Zielgr66en (z.B. Kosten-, Zeit- oder ErlQsziele) unter Beachtung bereits verfugbarer Informationen noch erreichbar sind. Ihr Hauptziel besteht darin, moglichst zeitnah auf St5rungen reagieren zu kSnnen, so dass fur etwaige Korrekturmafinahmen noch ausreichend groBe Handlungsspieb^ume zur Verfugung stehen.^^^ Dieser Aspekt der Vorwartskopplung, der bislang eher im Rahmen der strategischen Steuerung diskutiert wurde, bildet ein wichtiges Bindeglied zur SchlieBung des Steuerungskreislaufs mit den anderen Steuerungsphasen.^'"*
Zuordnung zur Ausftihrungsphase (vgl das Steuerungsverstandnis in Abbildung 15) zu vermeiden, wird hier jedoch der Terminologie von Bea/Haas (2001), S. 214, gefolgt. ^'^ Welge/Al Laham (2001), S. 550. ^^' Vgl. auch Bea/Haas (2001), S. 215. Zur Kontrolle als abschliefiende Stufe im Prozess der strategischen Planung Hammer (1998), S. 53. Vgl. auch Zettelmeyer (1984), S. 80-81. Zum kybemetischen Regelkreismodell der Steuerung vgl. Kapitel 2.2.1.1. Die als EntscheidimgsunterstQtzungssysteme konzipierten APS-Systeme weisen ebenfalls Schwachen auf der operativen Steuerungsebene auf. In Zukunft sollen deshalb die FunktionalitMten des operativen EchtzeitMonitoring in Kombination mit Alert-Funktionen (automatisierte Benachrichtigung bei Abweichungen) verstarkt ausgebaut werden. Vgl. dazu Kriiger/Steven (2002), S. 594. ^^^ Vgl. Steinmann/Schreyogg (2000), S. 371-376. MuUer-Stewens/Lechner (2003) verwenden in diesem Zusammenhang den Begriff der Wirksamkeitskontrolle. Diese steht komplementar zur PramissenkontroUe und beinhaltet die PerformancekontroUe, in der ein kennzahlengesttitzter Zielerreichungsgrad ermittelt wird (vgl. zum Zielerreichungsgrad als begriffsbildender Bestandteil der Performance Kapitel 3.1.1) sowie die Normenkontrolle, die iiberpnift, ob die Konsequenzen (z.B. resultierenden MaBnahmen) aus der Strategie den Werten und Normen des Untemehmens entsprechen, vgl. MtiUer-Stewens/Lechner (2003), S. 697. ^^"^ Vgl. auch Chamoni et al. (2005), S. 10, die festhalten, dass die zeitnahe Erfassung und Interpretation von Storsignalen bei der Entwicklung von Fuhrungsinformationssystemen zunehmende Beachtung fmden.
2.2 Steuerung als untemehmensinteme und -ubergreifende Managementaufgabe
65
Die vierte steuerungsrelevante Kontrollform stellt schlieBlich die strategische Uberwachung dar. Im Unterschied zu den anderen, selektiven KontroUaktivitaten ist sie nicht auf ein konkretes KontroUobjekt bezogen, sondem sucht als „strategisches Radar"^*^ das Entscheidungsumfeld des Untemehmens auf potenzielle Existenzbedrohungen ab.^^^ Somit geht sie uber das zielgerichtete, prozessuale Steuerungsverstandnis hinaus und stellt eine Verbindung mit der iibergeordneten Zielplanung her. Dabei greift die strategische Uberwachung unter anderem auf Friihwamindikatoren aus dem Steuerungssystem zurttck.^'^ 2.2.2.2. Steuerung im interorganisationalen Kontext Im untemehmensiibergreifenden Bereich gilt es, das aus einer prozessorientierten Managementsicht heraus entwickelte Steuerungsverstandnis an die Anforderungen kooperativer untemehmensubergreifender Beziehungen anzupassen. Aussagen zur Steuerung untemehmenstibergreifender Beziehungen fmden sich vor allem in der relevanten Literatur zum Management von Untemehmenskooperationen^^^ und Untemehmensnetzwerken.^^^ Ausgangspunkt sind dabei haufig steuerungsrelevante Besonderheiten, welche Kooperationen, Netzwerken und anderen untemehmensiibergreifenden Institutionen^^^ innewohnen und zu Steuerungsschwierigkeiten fuhren konnen.^^^ Im Folgenden werden letztere nur relativ kurz adressiert, um das Steuerungsverstandnis der Arbeit an den interorganisationalen Kontext anzupassen. Bei der Ableitung von Steuerungsanforderungen im Supply Chain Management (Kapitel 2.4) werden sie wieder aufgegrififen und intensiver diskutiert. Zunachst erscheint relevant, auf welcher institutionalen Ebene die Steuerung stattfmdet. Als Steuerungsobjekt kommen sowohl ein einzelnes Untemehmen innerhalb einer Beziehung, eine dyadische Austauschbeziehung (d.h. eine Beziehimg zwischen zwei Untemehmen) als auch eine untemehmensiibergreifende Institution als Ganzes (z.B. eine Kooperation oder ein Netzwerk) in Betracht.^^^ Eng damit verbunden ist die Frage nach dem Steuerungssubjekt. Zunachst sind Untemehmen, welche kooperative Austauschbeziehungen eingehen, in der
^^^ Vgl. Bea/Haas (2001), S. 222. ^^^ Vgl. Steinmann/Schreyogg (2000), S. 247-248, Malik (2002), S. 486. Vgl. zu ahnlichen Ansatzen Bea/Haas (2001), S. 224 („Kontrolle der Potenziale"), Anthony/Govindarajan (2001), S. 453-454 („Interactive Control"). In der englischsprachigen Literatur wird eine vergleichbare Vorgehensweise unter dem Begriff "Interactive Control" diskutiert. Vgl. Simons (1995), S. 91-124 sowie Anthony/Govindarajan (2003), S. 504-508. ^^^ Vgl. Z.B. die Monographien von Antlitz (1999), Kraege (1997), Pampel (1993), Drews (2001), Fleischer (1997) Oder E6ig (1999). ^^" Vgl. z.B. die Monographien von Sydow (1992), Hippe (1997), Struthoff (1999), Zundel (1999), Mildenberger (1998), Wertz (2000), Borchert (2001), Hausler (2002), Prockl (2001a), Otto (2002), Wohlgemuth (2002), Mack (2003), E6ig (2004a) und Heusler (2004). Der Begriff „Institution" wird hier im Sinne eines „Systems formeller und informeller Regelungen" verstanden und kann sich somit auch auf untemehmensiibergreifende Kooperationen und Netzwerke beziehen. Vgl. dazu E6ig (2004a), S. 65 und die dort zitierte Literatur. ^^^ Vgl. Schmitz/Platts (2004), S. 712 und 714. ^^^ Vgl. SydowAVindeler (2000).
2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
66
Kegel formal gleichberechtigt und prinzipiell nicht weisungsabhangig voneinander.^^'* Es besteht somit a priori keine legitimierte Steuenmgsinstanz.^^^ Vielmehr zeichnen sich unternehmensubergreifende Beziehungen durch eine relative Offenheit in Bezug auf den Eintritt bzw. Austritt neuer Partneruntemehmen aus, das zu einem Spannungsfeld von Autonomie und Interdependenz im Netzwerk fuhrt.^^*^ In Bezug auf die Interdependenz werden unterschiedliche AusprSgungsformen diskutiert (vgl. Abbildung 16).
"^Supply ::::^ Chain 2
Supply Chain 3 a1...c2
Aktivitaten
R
Ressource
^""^^
Seiielle Interdependenz
' " * - - ' ' Gepoolte Interdependenz
Chain 4
""""•^-^ Rezlproke Interdependenz
Abbildung 16:
Serielle, gepoolte und reziproke Interdependenzen in Supply Chains Quelle: in Anlehnung an Hakansson/Persson (2004), S. 19
Serielle Interdependenzen bestehen dort, wo Aktivitaten des einen Untemehmens den Input fur Aktivitaten des anderen Untemehmens bilden. Eine Steuerung dieser Abhangigkeiten zielt insbesondere auf „Economies of Integration", d.h. auf eine verbesserte Abstimmung zwischen den seriellen Aktivitaten ab. „Gepoolte" Interdependenzen liegen vor, wenn mehrere Aktivitaten eine gemeinsame Ressource nutzen bzw. beide gemeinsam in Abhangigkeit zu einer dritten Aktivitat stehen. Managemententscheidungen zielen hier insbesondere auf die Realisierung von „Economies of Scale" (z.B. durch Standardisierung) bzw. durch „Economies of Scope" (z.B. durch Spezialisierung) ab. In reziproken Interdependenzen stellt schlieBlich der Output der jeweils einen Aktivitat den Input der anderen dar. Auf Grund der beiderseitigen Abhangigkeitsbeziehung liegt der Fokus der Steuerung auf der simultanen Anpassung beider Aktivitaten bzw. auf der Aufhebung von Zielkonflikten (z.B. durch enge Kooperation und Wissensaustausch).^^^ Wahrend seriellen Interdependenzen, wie Hakansson/Persson (2004) feststellen, in untemehmensiibergreifenden Zulieferer/Abnehmer-Beziehungen eine hohe Aufinerksamkeit gewidmet wird, stehen gepoolte sowie reziproke Interdependenzen haufig
Vgl. Staber (2000), S. 59, Wildemann (1997), S. 418. ' Damit stellt sich de Frage nach der Systemfiihrerschaft im Netzwerk, vgl. Borchert (2001), S. 117. ' Vgl. Corsten (2001), S. 4, Sydow (1992), S. 90-93, Heusler (2004), S. 74, Wohlgemuthmess (2003), S. 200-201, Schmitz/Platts, S. 712. ' Vgl. mkansson/Persson (2004), S. 13-14 sowie S. 24.
2.2 Steuerung als untemehmensinteme und -ubergreifende Managementaufgabe
67
im Hintergnind. Ubertragen auf das Supply Chain Management ist dies als Pladoyer fiir eine verstarkte Wahmehmung der Supply Chain als Netzwerk anstatt als Lieferkette anzusehen.^^^ An einen interorganisationalen Steuerungsansatz ist somit die Forderung zu formulieren, alle drei Arten (potenziell konfligierenden) Interdependenzen zu berucksichtigen. Mit der untemehmensubergreifenden Kooperations- bzw. Netzwerkbildung wird zumeist eine Flexibilisierung der Leistungserstellung angestrebt.^^^ Die Flexibilisierung bezieht sich sowohl auf ausfuhrende Steuerungsaufgaben (wie z.B. die Zuordnung von Produktionskapazitaten) als auch auf dispositive Steuerungsaufgaben (wie z.B. Qualitatsmanagement oder Controlling), die von den beteiligten Untemehmen beispielsweise altemierend verantwortet werden kQnnen.^^^ Hieraus resultieren neue Steuerungsaufgaben, wie z.B. Abstimmungsregeln fiir Investitionsentscheidungen im Netzwerk, die Verbreitung von Anwendungsstandards oder die Absicherung gegen opportunistisches Verhalten eines Netzwerkmitglieds.^^^ Die Erfullung der Steuerungsaufgaben im Netzwerk kann weder vollstandig durch formale Regeln (wie in der klassischen hierarchischen Organisation) noch durch einen reinen Preismechanismus (wie in marktlichen Transaktionsbeziehungen) gesteuert werden,^^^ so dass vielfach neue Steuerungsmethoden und -instrumente im untemehmensubergreifenden Umfeld zum Einsatz kommen mussen bzw. bestehende Methoden zumindest einer Anpassung unterzogen werden sollten.'"
Zusammenfassend lassen sich zur Konkretisierung des Steuerungsverstandnisses der vorliegenden Arbeit somit folgende thesenartige Aussagen treffen: • Steuerung basiert auf einem kybemetischen Grundverstandnis, das sowohl feedback- als auch feedforward-orientierte Steuerungskreislaufe beriicksichtigt. Steuerung beinhaltet somit sowohl reaktive als auch proaktive Komponenten. • Dynamik, Intransparenz und Komplexitat sind als Kontextfaktoren der Steuerung in sozialen Systemen zu berucksichtigen. Sie offenbaren Steuerung als Losungsansatz fur nicht triviale Entscheidungsprobleme unter Unsicherheit. • Steuerung kann weder auf ein voluntaristisches noch auf ein umweltdeterministisches Grundprinzip reduziert werden. Ein gemafiigt-voluntaristisches
Steuerungsverstandnis
erkennt die Notwendigkeit einer zielorientierten Untemehmensfuhrung an, die auch Elemente der Selbststeuerung berucksichtigt. • Steuerung wird als kontinuierlicher Prozess begriffen, welcher die Vorgaben der tiberge-
^^* Vgl Hlikansson/Persson (2004), S. 24-25. ^^^ Vgl. Sydow (1992), S. I l l , Wohlgemuth (2002), S. 35, Jarillo (1988), S. 35. ^^° Vgl. Wohlgemuth/Hess (2003), S. 200. ^^' Vgl. z.B. Dyer/Singh (1998), S. 669-671. ^^^ Vgl. Efiig (2004a), S. 70. ^^^ Vgl. Staber (2000), S. 65-66, Wildemann (1997), S. 422.
68
2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
ordneten Zielplanung, strategischen Analyse und Prognose aufgreift und diese im Rahmen der Phasen Strategieformulienmg und -bewertung, Strategieimplementierung, Ausfiihrung sowie KontroUe umsetzt. Die Phase der Kontrolle wird dabei als Querschnittsfunktion verstanden. • In untemehmensubergreifenden, kooperativen Beziehungen sind insbesondere auf Grund des Spannungsfelds von Autonomie und Interdependenz neue Anforderungen an die Steuerung zu stellen. Sie beziehen sich sowohl auf die inhaltliche Ausgestaltung der Steuerung als auch auf Verandeningen im Steuerungsprozess.
2.3 Theoriegestutzte Erklarungsbeitrage
69
2.3. Theoriegestutzte Erklsirungsbeitrage zur Steuerungsproblematik im Supply Chain Management Im folgenden Abschnitt wird der Betrachtimgshorizont der Arbeit erweitert, um relevante theoretische Erklarungsangebote in die Konzeption des Supply Chain Performance Managements einflieBen zu lassen. Nach iibereinstimmender Auffassung der einschlagigen Literatur ist bislang kein einzelner theoretischer Ansatz in der Lage, das PhSnomen der Steuerung von strategischen Untemehmensnetzwerken voUstandig zu erklaren.^^"^ Die Verwendung eines eklektischen Theorieansatzes, der Elemente ausgewahlter theoretischer Erklarungsangeboten synoptisch zusammenfiihrt, erscheint daher angebracht. Auf Grund des kooperativen Charakters von Supply Chains kommt zunachst die Kooperationsforschung als Suchfeld in Frage.^^^ Dort werden interorganisationale Beziehungen typischerweise als organisationales Konstrukt verstanden, so dass hSufig Theorieangebote der neuen Institutionenokonomie genutzt werden, um untemehmensiibergreifende Phanomene zu erklaren. Unterhalb dieses Dachbegriffs enthalten insbesondere die Transaktionskosten- sowie die Agency-Theorie Beziige zur Steuerung von Kooperationsbeziehungen (vgl. 2.3.1). Eine ganzheitliche Betrachtung und Strukturierung von Supply Chains kann femer durch die Systemtheorie unterstutzt werden. Insbesondere die Neuere Systemtheorie beinhaltet dabei Aussagen zur Steuerbarkeit komplexer Systeme, so dass der Schwerpunkt auf diese spezielle Entwicklungsstufe der Systemtheorie gelegt wird (vgl. Kapitel 2.3.2). Aufbauend auf die allgemeinen Erkenntnisse der Systemtheorie wird die Netzwerkforschung herangezogen, um die spezielle Steuerungsproblematik einer Supply Chain als gerichtetes, strategisches Netzwerk hervorzuheben (vgl. Kapitel 2.3.3). Abschliefiend erfolgt eine vergleichende Gegenuberstellung der theoretischen Erklarungsbeitrage und eine Zusammenfassung der relevanten Aussagen zur Steuerungsproblematik in Supply Chains (vgl. Kapitel 2.3.4). 2.3.1. Erklgrungsbeitrag der Neuen Institutionenokonomie Die Theorien der Neuen Institutionenokonomie haben in der betriebswirtschaftlichen
-
insbesondere in der organisationswissenschaftlichen - Literatur umfassenden Niederschlag gefunden und werden in logistik-, kooperations-, netzwerk- sowie Supply Chain-afifinen Forschungsarbeiten haufig herangezogen.^^^ Auf Grund der EinschlSgigkeit der Theorien werden deren Grundcharakteristika gerafft dargestellt. Der Schwerpunkt der Diskussion wird auf deren Aussagekraft in Bezug auf die Aufgabenstellung der vorliegenden Arbeit gelegt.
""^ Vgl. z.B. Stelzle (1999), S. 25, Gareis (2002), S. 175, Staber (2000), S. 59, Wohlgemuth (2002), S. 48, Schmitz/Platts (2004), S. 712. ^' Vgl. zur anwendungsorientierten anwendungsorientien Kooperationsforschung z.B. Kraege (1997), dort insbesondere S. 49-107, Wohlgemuth (2002), Becker (2005), Fleischer (1997) oder Pampel (1993). ^^^' Vgl. (2002), S. 111-119, Erdmann (2003), Vgl. z.B. z.B. die die Dissertationen Dissertationen von von Gareis Gareis (2002), (2002), S. S. 186-193, 186-193, Hausler Hausler (20( S. 33-45, Wohlgemuth (2002), S. 49-67, Bienert (2001), S. 24-29 sowie MSller (2002), S. 87-130.
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2 Steuemngsproblematik im Supply Chain Management
Die Neue InstitutionenCkonomie gilt im Wesentlichen als Sammelbegriff fur die PropertyRights-, die Transaktionskosten- sowie die Agency-Theorie. Allen drei Theorien ist gemeinsam, dass sie den individuellen Akteur (als Person oder als Institution) fokussieren und ihm ein seinen Eigennutzen maximierendes, opportunistisches Verhalten imterstellen. Zudem gehen sie von einer Situation unvollkommener Information sowie einer grundlegenden Berechenbarkeit aller relevanten Handlungsaltemativen aus.^^^ Unter Berucksichtigung dieser Randbedingungen zielen die Theorien auf die kosten- bzw. effizienzwirksame Gestaltung von Austauschbeziehungen zwischen Institutionen ab.^^^ Transaktionskostentheorie Die stark von Williamson"^ gepragte Transaktionskostentheorie erhebt die Kosten der Erstellung sowie des Austausches von Gtttem und Leistungen zwischen zwei Institutionen (Unternehmen) zur primaren Analyseeinheit. Erstere werden uber die Produktionskosten erfasst, letztere iiber die Transaktionskosten.^"** Betrachtet man schwerpunktmaBig die Transaktionskosten, lassen sich Kosten vor und nach Vertragsabschluss differenzieren (vgl. Abbildung 17).^^> Unter Berucksichtigung der Transaktionskosten als Effizienzkriterium verfolgt die Transaktionskostentheorie das Ziel, jenes institutionelle Arrangement (d.h. jene organisatorische Form der Austauschbeziehung) zu identifizieren, welches einen kostenminimalen Leistungsaustausch ermoglicht.^^^
"^ Vgl. Schreydgg (2003), S. 71. "* Vgl. StSlzle (1999), S. 33. Als dritte einschlagige Theorie der Neuen Institutionendkonomie ist die PropertyRights-Theorie zu nennen. Sie geht in ihrer ursprttnglichen Form auf Coase (vgl. Coase (1937), S. 386-405) zuruck und befasst sich mit der Verteilung von Handlungs- und Verfugungsrechten sowie mit den Auswirkungen dieser Verteilung auf das Individualverhalten und die Ressourcenallokation (vgl. auch Ebers/Gotsch (2002), S. 201-202, Picot et al, S. 55-56) Im Vergleich zur Transaktionskosten- und Agency-Theorie schrankt sie ihre Betrachtung auf die Erklarung individueller Nutzen- und Vertragskalkule ein (vgl. SchreyOgg (2003), S. 80). Problemstellungen, die sich nicht als individuelle Kontrahierungsaltemativen darstellen lassen, werden ausgeblendet. Aufgnind dieser engen methodischen Auslegung halt die Property-Rights-Theorie ftir Fragen der Organisationsgestaltung sowie fiir Fragen der Steuerung kooperativer Beziehungen in Supply Chains keine spezifischen Aussagen bereit (vgl. StSlzle (1999), S. 33-34, Wohlgemuth (2002), S. 48). Sie wird daher im Folgenden nicht weiter vertieft. "^ Vgl. Williamson (1985) sowie Williamson (1996), S. 54-87. Den Grundstein der Transaktionskostentheorie legte bereits Coase (1937), S. 386-405. ^^^ Vgl. Williamson (1985), S. 22, Ebers/Gotsch (2002), S. 225. Aus methodischen GrOnden geht die Transaktionskostentheorie hMufig von der Annahme aus, dass die Produktionskosten bei alien beteiligten Akteuren gleich sind, vgl. dazu auch Bea/Haas (2001), S. 376, Diese Eingrenzung bringt ihr teilweise den Vorwurf mangelnder Realitatsnahe ein. ^"^^ Vgl. Williamson (1985), S. 22-24. StQlzle (1999), S. 36, weist auf die mangelnde Uberschneidungsfreiheit dieser an Aktivitaten orientierten Systematisierung von Transaktionskosten hin. Informationskosten lassen sich z.B. nur schwer von Verhandlungskosten trennen, wenn sie in der Verhandlungsphase auftreten. ^"^^ Vgl. Ebers/Gotsch (2002), S. 227, StSlzle (1999), S. 34-36.
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2.3 Theoriegestutzte Erklarungsbeitrage
Transkationskosten vor Vertragsabschluss (Ex ante-Transaktionskosten)
Transaktionskosten nach Vertragsabschluss (Ex post-Transaktionskosten)
Suchkosten: z.B, Partnerselektion, Kosten von Einkauf, Vertrieb Oder Entwicklung
KontroUkosten: z.B. Mengen-, Preis-, Qualitats- und Terminiiberwachung
Informationskosten: Z.B. Kommunikations- imd Beratungskosten
Anpassungskosten: Zusatzkosten durch nachtragliche qualitative, mengenmafiige, preismSBige oder terminliche Vertragsanderungen sowie durch Konflike, die Nachverhandlungen erfordem
Verhandlungskosten: z.B. Reisekosten, Verhandlungsvorbereitung und -nachbereitung Absicherungskosten: Absicherung gegen Risiken der Austauschbeziehung, z.B. Versicherungskosten
Opportunitatskosten: Verschlechterung der eigenen Vertragsposition, z.B. durch veranderte Umwehbedingungen oder durch opportunistisches Verhalten von Partnem
Vertragskosten: Dem Vertragsabschluss zuzurechnende Kosten Abbildung 17:
Transaktionskostenkategorien vor und nach Vertragsabschluss Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Ebers/Gotsch (2002), S. 225-226, Picot et al. (1999), S. 67
Ausgangspunkt transaktionskostentheoretischer Analysen sind unterschiedliche Kostendeterminanten, die einen Einfluss auf Auspragung und Hohe der Transaktionskosten aufweisen: • Verhaltensbezogene Determinanten: Als relevante Verhaltensannahmen werden insbesondere die beschrankte Rationalitat der handelnden Akteure sowie deren Opportunismusneigirng angeftihrt. Erstere bezieht sich auf den Tatbestand, dass Personen rationale Handlungen zwar anstreben, aber auf Grund ihrer begrenzten physischen Informationsverarbeitungskapazitat nicht alle Entscheidungsaltemativen rational abwSgen konnen.^"*^ Dies trifft insbesondere auf komplexe bzw. unsichere Situationen zu.^"^ Die zweite Annahme impliziert, dass Akteure in bestimmten Situationen Eigeninteressen verfolgen und gegebenenfalls bereit sind, Informationen zuriickzuhalten oder zu ihrem eigenen Nutzen zu manipulieren. • Transaktionsbezogene Determinanten: Der Charakter einer Austauschbeziehung wird insbesondere durch das AusmaB der spezifischen Investitionen (sog. „Faktorspezifitat"), der Unsicherheit sowie der Haufigkeit einer Transaktion gepragt.^"^^ Zur Faktorspezifitat zahlen unter anderen standortspezifische (z.B. ein gemeinsames Dienstleistungszentrum), produktspezifische (z.B. fur eine Austauschbeziehung vorgehaltene Bestande an Rohmaterialien oder Halbfertigprodukten) oder humankapitalspezifische Investitionen (z.B. spezielles Know-how far den Aufbau einer Kooperationsbeziehung).^"^^ Unsicherheit bezieht sich
Vgl. Ebers/Gotsch (2002), S. 226-227, Hobbs (1996), S. 17. Vgl. zur Problematik von Komplexitat vgl. Kapitel 2.2.1.2, zur Unsicherheit vgl. Kapitel 2.2.1.3, ' Vgl. Williamson (1996), S. 59. Vgl. zur Anwendung dieser Determinanten auf die Logistik Isermarm/Lieske (1998), S. 412-418. * Williamson (1996), S. 59-60, nennt dariiber hinaus personen- bzw. zweckspezifische Investitionen (z.B. ein automatisches Kommissionierlager fiir die Sendungsabwicklung eines bestimmten Kunden), reputationsspezifische Investitionen (z.B. Pflege eines Markennamens) sowie zeitspezifische Investitionen (z.B. zeitlich
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2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
auf die Vorhersehbarkeit und die Anzahl anfallender Veranderungen der Leistimgsvereinbarung. Neben situativen Bedingungen wie Andemngen von Qualitaten, Terminen, Mengen, Budgets und Preisen wirken sich insbesondere Verhaltensunsicherheiten der Akteure, die sich aus den oben genannten Verhaltensannahmen ableiten lassen, auf die Transaktionskosten aus.^'*^ Die HSufigkeit einer Transaktion beeinflusst schliefilich die Moglichkeit zur Erzielung von Skalen- bzw. Synergieeffekten, unter anderem deshalb, weil mit wachsender Austauschfrequenz der relative Anteil der Anfangsinvestitionen und damit die Kosten je Transaktion sinken.^"^ • Umweltbezogene Determinanten: Unter dem Dachbegriff der Transaktionsatmosphare werden soziokulturelle und technische Umweltfaktoren zusammengefasst, die sich insbesondere auf die Transaktionskosten verschiedener Koordinations- und Motivationsinstrumente einer Austauschbeziehung auswirken.^"*^ Wird diesen Faktoren, wie z.B. gemeinsame Werte und Anschauungen^^® oder Vertrauen^^\ von den Akteuren ein „Wert an sich" beigemessen, wirken sie RationalitatsbeschrSnkungen und Opportunismusneigung entgegen und senken so die Transaktionskosten.^" Auf Grund komplexer Interdependenzen zwischen den angefuhrten verhaltens-, transaktionsund umweltbezogenen Kostendeterminanten kSnnen Effizienzaussagen nicht allgemeingultig getroflfen werden, sondem beziehen sich immer auf bestimmte institutionelle Arrangements der Transaktionsabwicklung.^^^ Als generische Arrangements sind dabei Markt und Hierarchie zu nennen, welche die Extrema eines Kontinuums bilden. Dazwischen sind verschiedene Hybridformen verortet, welche sowohl marktliche als auch hierarchische Elemente beinhalten. Aus vertragstheoretischer Sicht lassen sich die genannten Arrangements wie folgt charakterisieren:^^'^ • In marktlichen Austauschbeziehungen kommen insbesondere klassische Vertrage zum Einsatz. Sie sind gew6hnlich kurzfristig angelegt. Die Transaktion lauft typischerweise gemaB starren, ex ante festgelegten Regebi ab. Der Markt bietet sich demzufolge insbeson-
begrenzt absetzbare Outer wie Saisonware). Vgl. fiir Beispiele der Faktorspezifitat in der Distributionslogistik Aartsen (1993), S. 23-29. ^^^ Vgl. Williamson (1996), S. 60, Ebers/Gotsch (2002), S. 229, Picot et al. (1999), S. 69. Der HMufigkeit wird dabei aus unterschiedlichen Griinden eine weniger ausschlaggebende Bedeutung als den anderen Transaktionsdeterminanten attestiert, vgl. Bea/Haas (2001), S. 378, Ebers/Gotsch (2002), S. 230, Picot et al. (1999), S. 71, Gareis (2002), S. 189. Wahrend sich Effekte der Transaktionshaufigkeit meist erst ex post einstellen, wirken sich FaktorspezifitMt und Unsicherheit sowohl vor als auch nach Vertragsabschluss auf die Vorteilhaftigkeit eines institutionellen Arrangements aus und weisen einen dementsprechend grofieren Einfluss auf. ^^^ Vgl. Picot et al. (1999), S. 72, Bea/Haas (2001), S. 378. ^^^ Vgl. Bea/Haas (2001), S. 378. Vgl. die Ausfuhrungen zu „institutionellem Vertrauen" bei Williamson (1996), S. 250-275. ^" Vgl. Picot et al. (1999), S. 72. ^^^ Vgl. Williamson (1985), 21. Vgl. auch Stolzle (1999), S. 38, der auf die Wechselwirkungen zwischen den genannten Kostendeterminanten hinweist. ^^"^Vgl. Vgl.zur zurfolgenden folgendenAufzShlung, AufzShlung,sofem sofemnicl nicht anders angegeben, Ouchi (1980), S. 63-67, Ebers/Gotsch (2002), S. 231-234, Stolzle (1999), S. 40, Gareis (2002), S. 190-191 sowie Mehlhom (2002), S. 51-52.
2.3 TheoriegestiitzteErklarungsbeitrage
73
dere bei niedriger Faktorspezifitat, niedriger Unsicherheit und niedriger Haufigkeit als effizientes institutionelles Arrangement an. Der Rationalitatsbeschrankung und Opportunismusneigung sind auf Gmnd der guten Beurteilbarkeit der Austauschbeziehung und der relativ hohen Transparenz des Preismechanismus enge Grenzen gesetzt. Auf Grund der hohen Entscheidungs- und Handlungsautonomie der Marktteilnehmer erfolgt eine Verhaltenssteuerung vomehmlich iiber Anreizwirkungen. Musterbeispiel eines klassischen Vertrags ist ein Kaufvertrag iiber ein Standardgut wie z.B. eine Gluhbime. • Hierarchischen Austauschbeziehungen bilden den Gegenpol zum Markt. Sie werden durch relationale Vertrage geregelt, die langfristig angelegt sind und sich durch eine relativ groBe Offenheit in der ex ante-Defmition von Leistung und Gegenleistung auszeichnen. Eine Beschrankung opportunistischen Verhaltens erfolgt durch direkte Verhaltenssteuerung im Rahmen eines Machtgeftiges (z.B. durch Anweisungen). Die Transaktionskostentheorie empfiehlt die Hierarchic als organisatorische Einbindungsform^^^ insbesondere bei hoher Faktorspezifitat, hoher Unsicherheit und hoher Wiederholungshaufigkeit der Tranksaktion. Relationale Vertragsbeziehungen sind kennzeichnend fiir geschlossene Organisation wie z.B. ein einzelnes Untemehmen. • In hybriden institutionellen Arrangements kommen marktliche und hierarchische Steuerungsmechanismen in unterschiedlicher Intensitat zur Anwendung. Demnach nehmen sie eine Mittelstellung zwischen Markt und Hierarchic ein. Die vorherrschende Form der Vertragsbeziehung sind dabei sog. „neoklassische Vertrage", die bewusst auf eine prazise Regelung aller potenziellen Kosten- und Nutzenkategorien der Transaktion verzichten.^^^ Die Abwicklung der Transaktion beschrankt sich nicht auf „einen diskreten Akt von Leistung und Gegenleistung. Stattdessen ist ein ex post entstehender Anpassungsbedarf vorgesehen, der auch nach Vertragsabschluss ein gewisses MaB an Entscheidung, Abstimmung und Kooperation der Transaktionspartner"^^^ erfordert. Fallbeispiele fur durch neoklassische Vertragsbeziehungen begriindete institutionelle Arrangements sind langfristige Liefervertrage. Joint Ventures, Kooperationen, aber auch die far das Supply Chain Management relevanten strategischen Netzwerke.^^^ Die Ausfiihrungen zu den institutionellen Arrangements machen deutlich, dass die Transaktionskostentheorie insbesondere bei der Wahl des vertikalen Integrationsgrades bzw. beim TreflFen von Leistungstiefenentscheidungen
(sog. „Make-or-Buy"-Entscheidungen)
die
Steuerung von Supply Chains unterstiitzen kann. Auf Grund einer meist mangelnden Erfassbarkeit und Quantifzierbarkeit der Transaktionskostendeterminanten kann dabei jedoch nicht
^^Wgl. Burr (2003), S. 113. ^^^ Vgl. Jones et al (1997), S. 917. ^" Ebers/Gotsch (2002), S. 231, Kursivstellung vom Verfasser hinzugefugt. ^^ Vgl. zu letztgenanntem Punkt insbesondere Jarillo (1988), S. 31-41, Sydow (1992), S. 136-144 sowie die Ausfiihrungen in Kapitel 2.3.3.
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2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
der Anspmch an ein exaktes Entscheidungsmodell gestellt werden.^^^ Vielmehr erlauben transaktionskostentheoretische Uberlegungen, Tendenzaussagen zur Vorteilhaftigkeit bestimmter Arrangements zu trefFen.^^ Die Hybridform bieten zum einen die Moglichkeit einer „quasi-vertikalen Integration**^*^' - d.h. eines Mittelweges zwischen Markt und Hierarchie.^^^ Zum anderen weist ein mittlerer vertikaler Integrationsgrad gegeniiber der klassischen hierarchischen Integration (wie z.B. durch Akquise vor- oder nachgelagerter Wertschopfungsstufen) einen geringeren Investitionsbedarf sowie eine hOhere FlexibilitSt auf.^^^ Daruber hinaus ersetzt bei hybriden institutionellen Arrangements eine langerfristige Kooperationsvereinbarung hSufig die in klassischen Vertragen ubliche genaue Spezifikation und schriftliche Fixierung aller Leistungsdetails und EventualitSten der Geschaftsbeziehung.^^ Als Vorbedingungen fur diese vertragliche Offenheit werden das Erreichen einer Zielkongruenz der beteiligten Akteure, das Vorhandensein von Vertrauen sowie idiosynchratische Investitionen diskutiert.^^^ Der Faktor Vertrauen ist dabei differenziert zu bewerten. Wahrend das Vertrauen in das WohlwoUen des Partneruntemehmens („goodwill trust**) in der Kegel zu einem veringerten Bedarf nach vertraglichen Absicherungsmechanismen („contracutal safeguards") fuhrt, kann nach neueren empirischen Erkenntnissen das Vertrauen in die Fachkompetenz eines Unternehmens („competence trust**) unter Umstanden sogar zu einer h6heren Opportunismusneigung beim Kooperationspartner fuhren.^^ Die Transaktionskostentheorie lenkt die Aufinerksamkeit auf die Notwendigkeit einer Steuerung von Austauschbeziehungen nach dem Vertragsabschluss (z.B. bei Konflikten oder Vertragslucken). Die Randbedingungen der beschrankten Rationalitat und der Opportunismusneigung erfordem KontroUmechanismen, die ein Ansteigen der Transaktionskosten durch opportunistisches Verhalten von Supply Chain-Mitgliedem ex ante (z.B. durch ein Screening potenzieller Partneruntemehmen), vor allem aber ex post (z.B. durch die Einrichtung von Anreizsystemen) verhindem helfen.^^^ Daruber hinaus vereinfacht der Fokus auf Austauschprozesse die Anwendung der Transaktionskostentheorie bei prozessbezogenen Problemstellungen, wie sie typischerweise im Supply Chain Management anfallen. Die Offenheit der
^^^ Vgl. Skj0tt-Larsen (1999), Hobbs (1996), S. 20 und 24, Bretzke (1999), Isermann/Lieske (1998), S. 418. ^^ Vgl. Isermann/Lieske (1998), S. 418. ^^' Hobbs (1996), S. 18, ins Deutsche Ubersetzt. Vgl. ahnlich Sydow (1992), S. 136-144, der durch die Bildung hybrider Arrangements - je nach Blickwinkel - eine Quasi-Extemalisierung organisationsintemer Austauschbeziehungen bzw. eine Quasi-Intemalisienmg marktlicher Austauschbeziehungen verwirklicht sieht. ^" Vgl. Contractor/Lorange (1988), S. 15, MSller (2002), S. 99. ^" Vgl. Evans/Danks (1998), S. 31-32. ^^ Vgl. Picot et al. (1999), S. 81. ^^^ Vgl. Ouchi (1980), S. 67-70, Jap/Anderson (2003), S. 1687-1688. Bei hohem Vertrauen in die Fachkompetenz des Partners ist die Versuchung grSBer, diese Kompetenz fUr eigene Zwecke zu nutzen, vgl. Lui/Ngo (2004), S. 483. ^^^ Vgl. Jap/Anderson (2003), S. 1686, Picot et al. (1999), S. 69, Skj0tt-Larsen (1999), S. 42-43. Vgl. auch die Ausfuhrungen bei Hallddrson et al. (2003) zur Bedeutung von „Safeguards" (z.B. Vertragsstrafenregelungen) und „Credible Commitments" (z.B. gemeinsame Investitionen in LagerhMuser, gemeinsame Weiterbildungsveranstaltungen oder Mitarbeiteraustauschprogramme) zur Vermeidung von Opportunismus beim LogistikOutsourcing.
2.3 Theoriegestutzte Erklarungsbeitrage
75
Theorie in Bezug auf die Art der Transaktionen erlaubt dabei sowohl die Betrachtung des Material- und Warenflusses als auch des Informationsflusses. In Bezug auf letztgenannten wird insbesondere dem elektronischen Informationsaustausch eine immer wichtigere RoUe bei der Senkung von Transaktionskosten zugesprochen.^^^ An Kritik am Ansatz der Transaktionskostentheorie mangelt es nicht, so dass hier nur einige der wichtigsten Ansatzpunkte angefuhrt werden konnen.^^^ Im AUgemeinen wird die Konzeptualisierung und Operationalisierung der abhangigen und unabhangigen Variablen kritisiert. So wird z.B. die Verhaltensannahme der Opportunismusneigung als kontraproduktiv bezeichnet, weil sie eine Spirale aus Misstrauen und KontroUe anstoBen kann, der die Handlungsoptionen von Entscheidungstragem einzuschranken vermag.^^^ Im Bereich der unterschiedlichen Kostenkategorien steht die mangelnde Mess- und Quantifizierbarkeit der Transaktionskosten im Vordergnind.^^^ Insbesondere bei engen Kooperationsbeziehungen und stark vemetzten Prozessen ist eine verursachungsgerechte Messung und Zuordnung von Kosten oft nicht moglich, so dass die geforderte Monetarisierbarkeit der Erfolgswirkungen von Transaktionen bislang aussteht.^''^ Aufierdem blendet die Transaktionskostentheorie durch ihren Fokus auf Kostendeterminanten (insbesondere Faktorspezifitat und Unsicherheit) eine nutzenseitige Betrachtung von Transaktionsertragen aus.^^^ Ebenso bleiben weitere EinflussgroBen, die bei der Wahl institutioneller Arrangements eine entscheidende Rolle spielen konnen, weitgehend unberucksichtigt. So wird z.B. vorgeschlagen, die Messbarkeit des Partnerverhaltens als weiteres Entscheidungskriterium neben der Faktorspezifitat bei „Make-or-Buy"-Entscheidungen im Bereich des Outsourcings von Logistikdienstleistungen heranzuziehen. Demnach ware bei geringer Faktorspezifitat und hoher Messbarkeit der Partnerperformance eine marktliche Austauschbeziehung, bei hoher Faktorspezifitat und geringer/schwerer Messbarkeit der Performance eine hierarchische Integration anzustreben.^^"* SchlieBlich ist anzumerken, dass die „kostenoptimale" Gestaltung einer einzelnen bilateralen Austauschbeziehung unter Umstanden auch einen negativen Erfolgsbeitrag fur das gesamte Wertschopfungsnetzwerk erbringen kann. Im Hinblick auf bestimmte Gestaltungsaufgaben in netzwerkartigen Supply
^^^ Vgl. Fleisch (2001), S. 96, Hobbs (1996), S. 34. Die Wirkungen technologischer MaBnahmen auf die Transaktionskosten wurden in der fruhen Literatur zur Transaktionskostentheorie - wohl aufgrund der noch nicht stark ausgepragten Digitalisierung des Informationsaustauschs - unterschatzt, vgl. Sydow (1992), S. 149. Zu einer „pragmatischen Kritik" der Transaktionskostentheorie im Hinblick auf ihre Eignung zur Begriindung von Make-or-Buy-Entscheidungen in der Logistik vgl. Bretzke (1999), S. 343-359. Zu einer relativ umfassende kritische Wiirdigung der Transaktionskostentheorie im Hinblick auf ihre Einsetzbarkeit zur Steuenmg strategischer Netzwerke vgl. z.B. Sydow (1992), S. 145-168. ^^" Vgl. Goshal/Moran (1996), S. 27. Vgl. dazu auch Burr (2003), S. 115. ^^^ Vgl. Stolzle (1999), S. 42, MoUer (2002), S. 102. ^^^ Vgl. Moller (2002), S. 103. ^^^ Vgl. Burr (2003), S. 118. ^''^ Vgl. Aertsen (1993), S. 26-27.
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2 Steuemngsproblematik im Supply Chain Management
Chains (z.B. Entwicklung und Umsetzung koUektiver Strategien, Aufbau von Vertrauen) leistet die Transaktionskostentheorie somit nur einen begrenzten Beitrag.^^^ Agency-Theorie Im Mittelpunkt der Agency-Theorie"*^ steht die vertragliche Gestaltung einer Auftragsbeziehung, in welcher eine Partei als Auftragnehmer (Agent) fur eine andere Partei, den Auftraggeber (Prinzipal), eine bestimmte Aufgabe zu erfuUen hat. Neben der Beschreibimg der RoUen von Prinzipal und Agent sowie der inhaltlichen Ausgestaltung der Vertragsbeziehung adressieren die Kemaussagen der Agency-Theorie insbesondere die Verhaltenssteuerung der beteiligten Akteure."^ Die der Agency-Theorie zu Grunde liegenden Verhaltensannahmen entsprechen weitgehend jenen der Transaktionskostentheorie, weisen jedoch engere Wechselwirkungen untereinander auf."* Erganzt werden sie um den Aspekt der personlichen Risikoneigung."^ Als relevante Umweltbedingung gilt insbesondere die ungleiche Informationsverteilung zwischen den Vertragspartnem. Dem Agenten wird meist ein Informationsvorsprung in seinem Aufgabengebiet unterstellt, der es ihm ermoglicht, Handlungsspielraume gegentiber dem Prinzipal auszunutzen. Der Prinzipal hat demgegenuber ein Informationsdefizit, welches es ihm erschwert, den Agenten einzuschatzen und dessen Opportunismusneigung zu kontrollieren. Der aus diesen Informationsasymmetrien erwachsende Zielkonflikt^^" zwischen Prinzipal und Agent fuhrt zu sog. „Agency-Kosten", welche das Effizienzkriterium der Agency-Theorie darstellen. Zu diesen zahlen^*' • die Steuerungs- und Kontrollkosten des Prinzipals, die neben den Uberwachungskosten auch die Kosten des Vertragsabschlusses, die Risikopramien sowie die Entlohnung des Agenten beinhalten, • die Garantiekosten des Agenten, wie z.B. Dokumentationskosten oder Schadenersatzverpflichtungen, sowie
^^^ Vgl. ahnlich Sydow (1992), S. 157. Vgl. dazu auch die empirisch gestiitzten Erkenntnisse zur transaktionskostentheoretischen Gestaltung von Zuliefersystemen bei Gaitanides (1996), dort insbesondere S. 110-111. ^^ Die Begriffe ,J*rincipal Agent-Theorie", ,^gency-Theorie" und ,Agenturtheorie" werden synonym verwendet. Als Hauptvertreter der Agency-Theorie gelten Jensen/Meckling (1976). ^^^ Dies gilt fiir die positivistisch-deskriptive Forschungsrichtung der Agency-Theorie. Die normative Richtung, die hier nicht weiter vertieft wird, bedient sich demgegenuber einer formalen Darstellungsform und leitet deduktiv (d.h. ohne empirische Beziige) Gestaltungsempfehlungen zur Prinzipal-Agentenbeziehung ab. Vgl. zu einer formal-mathematischen Darstellung typischer Agency-Probleme z.B. Picot et al. (1999), S. 95-130. "^ Vgl.St6lzle(1999),S.53. Vgl. Picot et al. (1999), S. 87. Dem Agenten wird dabei meistens eine Risikoabneigung, dem Prinzipal Risikoneutralitat unterstellt, vgl. Ebers/Gotsch (2002), S. 211. Grundsatzlich wird davon ausgegangen, dass der Prinzipal an einer mdglichst kostengunstigen Auftragserfullung durch den Agenten interessiert ist. Diese druckt sich in einer mdglichst groBen Differenz zwischen dem erwarteten fmanziellen Ergebnis der Leistungserstellung und den Delegationskosten aus. Der Agent verfolgt demgegenuber das Nutzenkalkul, seinen eigenen Leistungsbeitrag bei der AuftragserfuUung zu minimieren, um aus der Differenz zwischen Aufwand und Entlohnung eine Quasi-Rente zu erzielen, vgl. Ebers/Gotsch (2002). ^^^ Vgl. zur folgenden Aufzahlung Stolzle (1999), S. 52-53 sowie Ebers/Gotsch (2002), S. 212.
2.3 Theoriegestiitzte Erklarungsbeitrage
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• die Residualkosten, die als Wohlfahrtsverlust anfallen, wenn sich der Agent auf Grund der genannten Verhaltensannahmen so verhalt, dass der Nutzen des Prinzipals nicht maximiert wird. Der aus Inforaiationsdefiziten und Zielkonflikten resultierende Abstimmungsbedarf zwischen Prinzipal und Agent aufiert sich in drei typischen Agency-Problemen, welche jeweils aus der Perspektive des Prinzipals modelliert werden.^^^ Das Problem der Hidden Characteristics bezieht sich auf die vor Vertragsabschluss (d.h. ex ante) vorhandene Unsicherheit des Prinzipals liber die Qualitatseigenschaften des Agenten. Kann oder will der Agent seine tatsSchliche LeistungsfShigkeit nicht offen legen, besteht fur den Prinzipal das Risiko der Auswahl eines ungeeigneten Auftragnehmers (Adverse Selection). Zur gezielten Verhaltenssteuerung stehen im Rahmen des Hidden Characteristics-Problems die Methoden des Signalling (Signalisierung von Leistungsfahigkeit und -bereitschaft durch den Agenten) und Screening (Uberprufung des Agenten durch den Prinzipal), z.B. anhand von Giitesiegeln oder ISO-Zertifikaten, zur Verfugung. Daruber hinaus bietet sich in bestimmten Vertragsbeziehungen die Methode der Self Selection an (der Agent wahlt selbstandig aus mehreren vom Prinzipal vorgegebenen Vertragsaltemativen). SchlieBlich ist bereits ex ante ein Interessensausgleich moglich, z.B. dann, wenn der Agent selbst auf Grund eines drohenden Reputationsverlusts kein Interesse daran hat, seine Qualitatseigenschaften vor dem Prinzipal zu verschleiem. Mit dem Problem der Hidden Action bzw. Hidden hiformation ist jener Zielkonflikt angesprochen, der entsteht, wenn der Agent nach Vertragsabschluss sein Anstrengungsniveau ohne Kenntnis des Prinzipals reduziert oder Informationen, die dem Prinzipal nicht zur Verfugung stehen, opportunistisch nutzt. Der Auftraggeber kann lediglich das Endergebnis der Leistungserstellung beurteilen, nicht jedoch das Verhalten des Agenten. Die Gefahr der Ausnutzung des Informationsdefizits des Prinzipals durch den Agenten wird als Moral Hazard bezeichnet. Steuerungsmoglichkeiten bieten hier Planungs- und KontroUsysteme, die sich am Leistungsergebnis oder am Leistungsprozess orientieren konnen^^l Zudem kann eine fmanzielle Ergebnisbeteiligung des Agenten kann in Erwagung gezogen.^^"* Auch bei der Problematik der Hidden Intention stehen dem Agenten Handlungsspielraume zur Verfiigung, die er nach Vertragsabschluss opportunistisch ausnutzen kann. hn Unterschied zum Hidden Action-Problem erkennt der Prinzipal das Agentenverhalten zwar ex post, jedoch
^^^ Vgl.Picotetal.(1999),S. ^^^ Vgl. Picot et al. (1999), S. 93. Ergebnisorientierte KontroUsysteme weisen zwar den Vorteil der besseren Messbarkeit auf, sanktionieren das Verhalten des Agenten jedoch nur indirekt, wodurch Verhaltensspielraume bestehen bleiben. Ein besonderes Problem stellen dabei exogene StorgroBen dar, die sich ex post nicht mehr vom Individualverhalten des Agenten separieren lassen. Dadurch kommt es zu einer Risikouberwalzung vom Prinzipal auf den Agenten (z.B. muss der Logistikdienstleister bei fest vereinbarten Lieferkonditionen selbst die Kosten einer MauterhOhung tragen). ^ Insbesondere in Aktiengesellschaften gilt die fmanzielle Ergebnisbeteiligung der Untemehmensleitung als ublicher, jedoch nicht unumstrittener Ansatz zur Vermeidung von Moral Hazard-Problemen. Da das Management als Agent gegenuber den Anteilseignem (dem Prinzipal) einen Informationsvorsprung besitzt, treten trotz monetarer Ergebnisbeteiligung haufig Zielkonflikte in punkto Risikoneigung, Gewinnverwendung oder Strategiewahl auf. Vgl. dazu Bea/Haas (2001), S. 374.
78
2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
fehlen ihm geeignete SanktionsmOglichkeiten. Dadurch kommt es zum Hold Up des Prinzipals durch den Agenten. Einen typischen Anwendungsfall stellen z.B. irreversible spezifische Investitionen dar, die zu Sunk Cost fuhren konnen.^*^ Eine Vermeidung der Problematik kann uber verschiedene Formen von Sicherheiten, wie z.B. Leistungsgarantien, Biirgschaften oder Gegengeschafte erfolgen. Zusammengefasst bestehen die MSglichkeiten der Steuerung von Agenten durch den Prinzipal in der direkten Verhaltenssteuerung durch formale Regeln oder KontroUen, der Verbesserung des Informationssystems sowie der Beteiligung des Agenten am finanziellen Ergebnis der Zusammenarbeit uber Anreizsysteme.^*^ Abbildung 18 liefert eine Zusammenfassung der genannten Agency-Probleme und nennt jeweils Beispiele aus dem Supply Chain Management-Kontext. Hidden Characteristics
Hidden Intention
Hidden Action/ Hidden Information
Problemursache/HaupteinflussgroBe
Verbergbarkeit von Eigenschaften
RessourcenabhSngigkeit, -einmaligkeit und -entziehbarkeit
Uberwachungsmoglichkeiten und -kosten
Problembezeichnung
Adverse Selection
Hold Up
Moral Hazard
Informationsproblem des Prinzipals
Qualitatseigenschaften des Vertragspartners ex ante unbekannt, erst ex post bekannt
Absichten des Vertragspartners ex ante unbekannt, erst ex post bekannt
Anstrengungen des Partners sowohl ex ante als auch ex post nicht beobachtbar/beurteilbar
Verhaltensspielraum des Agenten
vor Vertragsabschluss vorhanden
nach Vertragsabschluss vorhanden
nach Vertragsabschluss vorhanden
Generische Losungsansatze
Signalling/Screening, Self Selection, Vermeidung von Reputationsverlust
Sicherheiten (Leistunggarantien, Biirgschaften, Gegengeschafte)
Ergebnisbeteiligung, Monitoring durch Planungs- und Kontrollsysteme
Falibeispiele aus dem Supply Chain Management-Kontext
Auswahl eines Logistikdienstleisters, dessen ITKompetenz nicht den Vorgaben entspricht (z.B. kein EDI moglich).
JIT-Lieferant kann trotz schlechtem Lieferservice auf Grund hoher gemeinsamer Investitionen nicht ersetzt werden.
Hersteller enthalt realisierte Effizienzzuwachse aus gemeinsamen Supply Chain-Projekten dem Lieferanten vor.
^ \ ^ Informations^ ^ asymmetrie Unterschei-^\^ dungskriterium \
^
Abbildung 18:
Grundelemente und Gestaltungsempfehlungen der Agency-Theorie Quelle: in Anlehnung an Picot et al. (1999), S. 91
Zu den Vorzugen der Agency-Theorie zahlt zunachst, dass sie einen relativ prazisen Analyserahmen bereitstellt, in dem typische Steuerungsprobleme zwischen unvoUstandig informierten
' Die Problematik der irreversiblen spezifischen Investitionen in der Agency-Theorie deckt sich weitgehend mit der gleichlautenden Problemstellung in der Transaktionskostentheorie. Vgl. dazu Picot et al. (1999), S. 89 sowie Kapitel 2.3.1. * Vgl. KieserAValgenbach (2003), S. 50-51, Ebers/Gotsch (2002), S. 214-215.
2.3 TheoriegestutzteErklarungsbeitrage
79
und nutzenmaximierenden Akteuren durch standardisierte Koordinationsmechanismen gelost werden koiinen.^^^ So verwundert es nicht, dass in den letzten Jahren agency-theoretische tJberlegungen zunehmend in Richtung untemehmensiibergreifender
Prinzipal-Agenten-
Beziehungen weiterentwickelt werden und dadurch eine erhohte Relevanz fiir Problemstellungen des Supply Chain Managements erlangen.^^^ Die der Theorie innewohnende Pramisse einer hierarchischen Beziehungsstruktur begiinstigt dabei insbesondere ihre Anwendung in Supply Chains, die von einem fokalen Untemehmen gefuhrt werden. Letztgenanntes nimmt die RoUe eines Prinzipals ein, der anderen Supply Chain-Mitgliedem als Agenten bestimmte Teilaufgaben der Leistungserstellung zuordnet.^^^ Die typischen Ausloser von AgencyProblemen, wie Informationsasymmetrie, Unsicherheiten und divergierende Risikoeinstellungen, sind auch in Supply Chain-Beziehungen vorhanden und werden durch die rechtliche Selbstandigkeit der Partner tendenziell noch verscharft. Ex ante sind z.B. die IT-Fahigkeiten eines Lieferanten oder Logistikdienstleisters, z.B. zur Durchfuhrung von elektronischem Datenaustausch iiber EDI, dem fokalen Untemehmen nicht voUstandig bekannt. Das Eingehen einer Kooperationsbeziehung konnte demnach hohe Kosten verursachen (Adverse Selection). Ein dominanter Automobilhersteller konnte - seinerseits in einer Agentenrolle Kosteneinsparungen, die durch ein Kooperationsprojekt mit einem Lieferanten entstanden sind, entgegen getroflfener Vereinbarungen selbst einstreichen, da der Lieferant in die EfFizienzzuwachse, die beim OEM realisiert werden, haufig keinen Einblick hat (Moral Hazard). Ex post besteht bisweilen die Gefahr, dass z.B. JIT-Lieferanten nicht ersetzt werden konnen, da hohe gemeinsame Investitionen getatigt wurden (Hold Up).^^^ Eine agency-theoretische Betrachtung der Steuerungsproblematik im Supply Chain Management verfolgt somit das Ziel, die genannten Probleme mittels geeigneter Methoden und Instrumente abzumildem bzw. zu losen. Weiterentwicklungen der Agency-Theorie verlassen zudem ihren urspriinglich dyadischen Handlungsrahmen und stellen erste Losungsansatze fur Steuerungsaufgaben in mehrstufigen Supply Chains mit mehreren Mitgliedem bereit.^^^ Auch in der Netzwerkliteratur wird eine Ausdehnung des Betrachtungsobjekts der Agency-Theorie angestrebt. Eine Modellierung dieser Ausdehnung wird iiber die Diflferenzierung von horizontalen und vertikalen AgencyBeziehungen untemommen. Erstgenannte resultieren aus der Kooperationsbeziehung zwischen zwei (gleichwertigen) Austauschpartnem, die jeweils sowohl als Prinzipal als auch als
'"' Vgl. Stelzle (1999), S. 65, KieserAValgenbach (2003), S. 51, Ebers/Gotsch (2002), S. 221. ^^^ Vgl. z.B. Kaluza et al. (2003), S. 27-63 (Einfuhrung in Principal-Agent-Probleme in der Supply Chain), Buck (1998), dort insbesondere S. 119-153 (Agency-Beziehungen zwischen Beschaffimgsmanagement als Prinzipal und Lieferant als Agent), Wolters (1995), S. 152-158 (empirische Untersuchung zu untemehmensubergreifenden Agency-Beziehungen in der Automobilindustrie), Stelzle (1999), S. 64-65 sowie S. 121-123 (Anwendung der Agency-Theorie auf Zulieferer/Abnehmer-Beziehungen), Cansier (2001) (formale Analyse von Agency-Problemen in ECR-Beziehungen zwischen Hersteller und Handel) sowie Logan (2000) (AnwendungsmSglichkeiten der Agency-Theorie beim Outsourcing von Transportdienstleistungen). ^^^ Vgl. Kaluza et al. (2003), S. 28. ^^ Vgl. Kaluza et al. (2003), S. 27-31. ^^* Vgl. Rautenstrauch (2002), S. 360, Stolzle (1999), S. 63, Mannel 1996, S. 87-89.
2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
80
Agent auftreten konnen. Mit Zweitgenannten sind Fuhningsbeziehungen angesprochen, wie sie beispielsweise zwischen einem Netzwerk-Steuerungsgremium (wie z.B. ein Auftragskoordinator) und einem ausfuhrenden Untemehmen bestehen.^^^ Ein weiteres Einsatzgebiet einer weiterentwickelten Agency-Theorie bildet der IT-Bereich. Dort kommen zunehmend „Multi-Agentensysteme" zum Einsatz, die eine heterarchische Abstimmung zwischen mehreren Akteuren vereinfachen. Die „Agenten" sind verteilte Progranmie, die im Auftrag imterschiedUcher Prinzipale miteinander kommunizieren und Transaktionen ausfuhren bzw. vorbereiten.^^^ Anwendungsbereiche fur Multi-Agentensysteme finden sich beispielsweise in der Beschaflfung, wo Multi-Agentensysteme eine automatische Abstinmiung des Prozessablaufs zwischen Supply Chain-Teilnehmem unterstutzen konnen.^^"* Die Agenten agieren dabei dezentral auf Basis von a priori festgelegten Akteurs- und/oder Gruppenzielen wie z.B. Mindest-/H6chstmengen, Zielpreisen oder Bereitstellungsterminen.^^^ Abbildung 19 stellt den beispielhaften Prozessablauf eines Multi-Agentensystems zwischen Abnehmer, Lieferant und Spediteur dar.
0
Ermittlung Optimierungszeitfenster
Optimierter Abruf mit Bereitstellungstermin und spatestem Eintrefftermin
{ynj
Transportmeldung
Multi-Agenten-System
Abbildung 19:
©
Avise zum Bereitstellungstemnin
0
Verbindlicher Abholtemiin
Exemplarischer Prozessablauf eines Multi-Agenten-Systems zwischen Supply ChainTeilnehmem. Quelle: Dangelmaier et al. (2004), S. 66
Kritisch ist zur Agency-Theorie anzumerken, dass sie Austauschbeziehungen quasi automatisch ein Uber-/Unterordnungsverhaltnis zuschreibt und dabei stets aus der zentralen Perspek-
- Vgl. Wohlgemuth (2002), S. 62-63. ' Vgl. Z.B. Bodendorf et al. (2001). ^ Vgl. Dangelmaier et al. (2004), S. 66. ' Vgl. Dangelmaier et al. (2002), S. 552-563.
2.3 TheoriegestiitzteErklarungsbeitrage
81
tive des Prinzipals argumentiert.^^^ Im Kontext des Supply Chain Managements hat dies zur Folge, dass Informationsasymmetrien zugunsten des dominanten Partners (z.B. des fokalen Untemehmens) vemachlassigt werden.^^^ Daruber hinaus fuhrt die Fokussierung auf AgencyKosten zu einer VemachlSssigung potenziell positiver Zielbeitrage durch den Agenten, wie z.B. ein Know-how-Vorsprung des Lieferanten, von dem auch der Abnehmer profitiert.^^^ Zudem ist die Rollenverteilung zwischen Prinzipal und Agenten nicht immer klar defmiert. Insbesondere bei gleichgewichtigen Partnerschaften oder Partnerschaften zwischen mehreren Akteuren mit unklaren Prinzipal-ZAgentenroUen treten dadurch unter Umstanden Zuordnungsprobleme auf.^^^ Des Weiteren ist anzumerken, dass die Agency-Theorie von ex ante formulierten Zielen der Akteure ausgeht, welche in die Vertragsgestaltimg und MaBnahmenauswahl einfliefien. Eine nachtragliche Anpassung dieser Ziele, die insbesondere in komplexen und dynamischen Supply Chain-Beziehungen geboten erscheint, ist dabei nicht vorgesehen."*^ SchlieBlich bestehen bezuglich der empirischen Validierung und Erhebbarkeit entscheidungsnotwendiger Informationen (wie z.B. Agency-Kosten) vergleichbare Probleme zu jenen, die bereits im Rahmen der Transaktionskostentheorie angesprochen wurden."*^^ 2.3.2. Erklarungsbeitrag der Neueren Systemtheorie Die Systemtheorie erweist sich als auBerst komplexes Theoriegebaude, das insbesondere im Lauf der letzten 50 Jahre von einer Vielzahl von Stromungen beeinflusst wurde. In der Betriebswirtschaftslehre findet die Systemtheorie insbesondere in den Ansatzen eines systemorientierten Managements ihren Niederschlag."*"^ Demzufolge sind Untemehmen als Systeme aufzufassen, die bestimmte Eigenschaften aufweisen und aus zueinander in Beziehung stehenden Elementen zusammengesetzt sind."^^^ Ebenso konnen mehrere Untemehmen zusammen ein System konstituieren, aus dessen Sicht das einzelne Untemehmen die Rolle
^^ Vgl. KieserAValgenbach (2003), S. 52, Stolzle (1999), S. 121, Meinhovel (2004), S. 474. Dies gilt fur eine Zeitpunktbetrachtung. Im Zeitverlauf konnen die RoUen von Prinzipal und Agent wechseln. ^^ Ein Beispiel hierfur sind z.B. Rabattforderungen eines Automobilherstellers einem abhangigen Teilelieferanten gegeniiber. Wird der Hersteller weiterhin als Prinzipal eingeordnet, bleibt diese Problematik unberucksichtigt. ^^^ Vgl. Meinhovel (2004), S. 747. ^^ Vgl. Schmitz/Platts (2004), S. 714. Ebers/Gosch (2001) bemangeln z.B. die „unterbeliclitete" Rolle ,/egulativer Dritter" in der Agency-Theorie, die sich aus der Fixierung auf Individualvertrage ergibt. Kaluza et al. (2003), S. 61, sprechen sich in diesem Zusammenhang fiir eine bewusste AuflSsung des ,Jiierarchischen Potenzials" einer Supply Chain aus und pladieren fur die Einrichtung eines Supply Chain-Gremiums als neue Koordinationsinstanz, welche die Rolle des Prinzipals in der Supply Chain einnimmt. Meinhovel (2004), S. 475, merkt an, dass eine Konkurrenz unter Prinzipalen und/oder Agenten weitgehend ausgeblendet wird. ^ Die Transaktionskostentheorie adressiert demgegenuber gezielt das Problem der ex post-Anpassung von Vertragsbeziehungen, vgl. dazu Kapitel 2.3.1. ^^ Vgl. Ebers/Gotsch (2002), S. 223-224 sowie die diesbeziiglichen Ausfiihrungen in Kapitel 2.3.1. Vgl. auch MeinhSvel (2004), S. 475. ^^ Vgl. zu systemtheoretisch fundierten Managementansatzen Ulrich (1970), der als Begrunder des Systemorientierten Managements in der deutschsprachigen Betriebswirtschaftslehre gilt, sowie z.B. Malik (1979), S. 25-42. ^^^ Vgl. Ulrich (1995), S. 170, Kasper et al. (1999), S. 164.
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2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
eines Subsystems bzw. eines Systemelements einnimmt. Auf diese Weise entsteht eine Systemhierarchie (vgl. Abbildung 20)."*^
Supersystem V
OQ
Systemelement Systeminteme BezJehung System/UmweltBeziehung
Abbildung 20:
Bildung von Systemhierarchien Quelle: in Anlehnung an Haberfellner et al (2002), S. 18
Als Ausgangspunkt systemtheoretischer Uberlegungen gilt die Grenzziehung zwischen System und Umwelt."*®^ Dies lasst sich anhand einer vereinfachten Darstellung der Entwicklung der Systemtheorie nachvollziehen.'"^ Die AnfUnge der Systemtheorie waren von der Vorstellung des geschlossenen Systems geprSgt, das durch die Einordnung einzelner Elemente in einen strukturbestimmenden Gesamtzweck konstitutiert wird. Im Fokus steht dabei die Binnenstruktur eines Systems. Veranderungen der Systemumwelt werden ausgeblendet bzw. sind ftir das geschlossene System nicht relevant.'"'^ Das Paradigma des offenen Systems, das mittlerweile als Kem der klassischen Systemtheorie angesehen wird, stellt demgegentiber die Austauschbeziehungen des Systems mit seiner Umwelt in den Mittelpunkt. Die Umwelt wirkt als „Input" auf das System ein, welcher gemafi den systemimmanenten Transformationsregeln verarbeitet und als „Output" wieder an die Umwelt abgegeben wird. Der regelkreisahnliche Ablauf dieser Input/Output-Beziehungen stimulierte unter anderem die Entwicklung kybemetischer Steuenmgsmodelle, die einen Gleichgewichtszustand zwischen System und Umwelt
Die Einordnung eines Objekts als Systemelement, Subsystem oder System hSngt dabei von der gewShlten Betrachtungsebene und von der Untersuchungsperspektive ab. Betrachtet man ein Untemehmen z.B. als Systemelement, so gilt die Unteilbarkeitsannahme, d.h. untemehmensinteme PhSnomene werden in diesem Fall ausgeblendet. Vgl. als Beispiel fiir die Einordnung von Untemehmen als Systemelemente in das System „strategisches Netzwerk" z.B. Sydow (1992), S. 249. Vgl. als Beispiel ftir die Einordnung von Untemehmen als Subsysteme in das System „Industriepark" z.B. Gareis (2002), S. 61. Auf eine allgemeine Typologisienmg von Systemen wird an dieser Stelle verzichtet. Vgl. zur kriteriengeleiteten Differenzierung von Untemehmensnetzwerken als spezieller Systemtypus Kapitel 2.3.3. ' Vgl. Luhmann (1999), S. 24, Fuchs (1973), S. 27, Knyphausen-Aufsefi (1995), S. 308, SchreyOgg (2003), S. 86, Kasper et al. (1999), S. 165, Bienert (2001), S. 17. 'Vgl. zur Entwicklungsgeschichte der Systemtheorie z.B. Fuchs (1973), S. 3-31, Willke (1991), S. 3-7, SchreySgg (2003), S. 83-90, Knyphausen-Aufsefi (1995), S. 308-309. Zu den UrsprOngen der Systemtheorie in der Biologie vgl. Bertalanffy (1972), der als (Mit)Begrunder der AUgemeinen Systemtheorie gilt. Wgl.Liebig(1997),S.54.
2.3 TheoriegestutzteErklarungsbeitrage
83
anstreben."*^^ Ein dritter Entwicklungsschub innerhalb der Systemtheorie ist eng mit dem BegrifF der Selbstreferenz eines Systems verbunden, welche als Kemmerkmal der Neueren Systemtheorie gilt/^ Als deren zentraler Standpunkt kami vorab festgehalten werden, dass im Unterschied zur klassischen Theorie offener Systeme, in denen die Umwelt als primarer Stimulator fur Systemverandemngen angesehen wird, in der Neueren Systemtheorie die Initiative fur Umgestaltungen umweltwwabhangig, d.h. aus dem System selbst heraus, ergriffen werden kann."*'^ Die Neuere Systemtheorie interpretiert die Grenzziehung zur Umwelt als eine spezifische Leistung, die vom System selbst erbracht wird. Ausgangspunkt dieser Uberlegung ist eine grundsatzlich asymmetrische Verteilung der Komplexitat zwischen Umwelt und System, die als „Komplexitatsgefalle" bezeichnet wird. Die Umwelt ist demnach per definitionem immer komplexer als das System."*^^ Die Systembildung erfolgt durch AusdifFerenzierung der Systemstrukturen (z.B. Bildung von partnerschaftlichen Beziehungen zwischen Untemehmen) aus der Umwelt."^^^ Durch die aktive DifiFerenzierung zur Umwelt mittels eines „hmen/Au6enRasters" erreicht das System eine Reduktion der vielfaltigen Handlungsmoglichkeiten und schaflft sich so seinen eigenen Handlungsraum. Da dieses Raster vom System selbst erzeugt wird, konstruiert sich ein selbstreferentielles System seine eigene, subjektive Umwelt."^^^ Selbstreferentielle bzw. autopoietische Systeme sind somit insofem „geschlossene Systeme, als sie das, was sie als Einheit zu ihrer eigenen Reproduktion verwenden (also: ihre Elemente, Prozesse, sich selbst) nicht aus ihrer Umwelt beziehen konnen" und sind gleichzeitig „ofFene Systeme, weil sie diese Selbstreproduktion nur in DifFerenz zu einer Umwelt voUziehen konnen".'^*'* Die Gleichzeitigkeit von intemer Selbstreferenz und der Unterhaltung spezifischer Umweltbeziehungen kommt in der Eigenschaft der Autonomic eines Systems zum Ausdruck."^*^ Eine weitere relevante Eigenschaft selbstreferentieller Systeme besteht schlieBlich in der ihnen innewohnenden Redundanz. Darunter ist zu verstehen, dass bestimmte Eigenschaften, die fur die Gestaltung des Systems notwendig sind, nicht an einer Stelle im System
Vgl. Lattwein (2002), S. 64 und die dort zitierten Quellen. Die Neuere Systemtheorie wurde wesentlich durch die Arbeiten des Soziologen Niklas Luhmann geprSgt, auf den die Mehrzahl der im Folgenden angeflihrten Quellen rekurrieren. Vgl. dazu insbesondere Luhmann (1988) sowie z.B. Luhmann (1997) und Luhmann (1999). "•'^ Vgl. Luhmann (1988), S. 324-349, Luhmann (1999), S. 73, Liebig (1997), S. 57. ^^^ Vgl. Willke (1991), S. 37-41. "^^^ Vgl. Knyphausen-Aufsefi (1995), S. 310. ^^^ Vgl. Schreyogg (2003), S. 87-88, Knyphausen-Aufsefi (1995), S. 309, Kasper et al. (1999), S. 165. Mit dem Begriff der Autopoiese wird von Luhmann (1988) eine noch scharfere Interpretation der Selbstreferenz sozialer Systeme vorgeschlagen. Gemafi diesem aus der Biologie stammenden Begriff ist ausschliefilich das System selbst in der Lage, Struktur und Elemente, aus denen es besteht, zu erzeugen und zu steuem. In Analogic zur Zellbildung werden Systemelemente als temporare Opcrationen aufgefasst, die kontinuicrlich zerfallen und laufend reproduziert werden miissen. Die Reinform der Autopoiese, die keine aktive Beeinflussung des Systems von auBen zulasst, ist stark umstrittcn. Vgl. uberblicksartig zur Autopoiese z.B. Strack (2001), S. 99-103 sowie Lattwein (2002), S. 66-67. Zur Kritik vgl. z.B. Schreyogg (2003), S. 88 und die dort zitierte Literatur sowie Schulte (1993). ^^"^ Luhmann (1988), S. 49, vgl. dazu auch Sydow (1992), S. 247. ^^^ Vgl. Mayntz (1992), S. 23-24, Willke (1991), S. 49.
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2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
gebiindelt, sondem auf mehrere (potenziell alle) Systemelemente verteilt sind. Jedes Element ist somit ein potenzieller Gestalter des Systems (Heterarchieprinzip)."*^^ Fur das System ergibt sich die Notwendigkeit zur Selektion"*^^ von Umweltimpulsen, da nur ein Teil der in der Umwelt auftretenden PhSnomene auch fur das System relevant ist. Die Relevanzbestimmung und Auswahl erfolgen dabei nach systemeigenen GesetzmaBigkeiten, die von auBen nicht zwingend einsichtig erscheinen mussen.'*^* Im Sinne der neueren Systemtheorie stellen Umwelteinfltisse denmach keine direkten Inputs fur das System, sondem im Grunde genonmien Storungen dar, auf welche das System unterschiedlich reagieren kann."^*^ Dem System wird somit eine eigene, koUektive Handlungsfahigkeit eingeraumt/^^ Sie setzt voraus, dass das System in der Lage sein muss, Umwelteinfltisse sowohl zu selektieren als auch sie gezielt, d.h. im Hinblick auf die spezifische Zweckrichtung des Systems, in Handlungen zu transformieren. Beides impliziert, dass diejenigen, die als legitime Vertreter des Systems handehi, sich dieser Zweckrichtung bewusst sein mtissen (im System „Untemehmen" galte dies beispielsweise fur den Vorstandssprecher). Die Neuere Systemtheorie spricht in diesem Zusanmienhang von „identitatsgemaBem" Handehi, welches insbesondere durch die Selbstbeobachtung des Systems im Sinne der Reflexion erreicht werden kann."*^^ Kennzeichnend fiir die Neuere Systemtheorie ist des Weiteren ihre Bemcksichtigung dynamischer Aspekte. Im Unterschied zu homoostatischen, d.h. gleichgewichtserhaltenden Systemen, auf denen die fruhen Fonnen der Kybemetik oder auch die allgemeine Systemtheorie schwerpunktmaBig aufsetzen, weisen Systeme nach der Neueren Systemtheorie auch gleichgewichtsverandemde, sog. „dissipative" Strukturen auf Demnach verfiigen sie uber die Fahigkeit, durch eine dynamische Anpassung ihrer intemen Struktur (z.B. Art der Beziehungen zwischen Systemelementen) sowie durch die kontinuierliche Adaption der Systemgrenzen (z.B. Aufhahme neuer Systemelemente) immer neue Gleichgewichtszustande zu erreichen."*^^ Die betriebswirtschaflliche Forschimg baut beispielsweise in den Bereichen des organisatio-
^'''Vgl. Probst (1986), S. 397. '*'^ „Selektion" wird hier als spezieller Begriff der Neueren Systemtheorie vorgestellt. Dieser kann nicht mit dem an spaterer Stelle herausgearbeiteten Begriff der „Selektion" als Steuerungsaufgabe in Untemehmensnetzwerken (vgl. Kapitel 2.3.3) bzw. mit dem reflexionsorientierten Controllingverstandnis in Kapitel 3.3.1 gleichgesetzt werden. In der naturwissenschafllich gepr^en Systemtheorie werden Systeme in diesem Zusammenhang als „nichttriviale Maschinen" bezeichnet. Im Unterschied zu trivialen Maschinen, die durch eine bekannte Produktionsfunktion f einen Input x in einen voriierzusehenden Output y verwandehi, kann bei nichttrivialen Maschinen der Output nicht sicher vorhergesagt werden. Der Grund hierfiir ist ein innerer Zustand z, dessen Veranderungsmechanismus dem Aufienstehenden nicht bekannt ist. Vgl. von Foerster (1984), S. 8-11. ^^^ Vgl. Liebig (1997), S. 77. „St6rung" wird hier ohne die negative Konnotation dieses Begriffs verwendet. "^^^ Vgl. Knyphausen-AufseB (1995), S. 310. Diese spezifische Form der Umweltreagibilitat wird in der Terminologie der Neueren Systemtheorie als „Resonanz" bezeichnet. ^^^ Vgl. Willke (1991), S. 53-54, Knyphausen-Aufsefi (1995), S. 313. Luhmann bezeichnet in diesem Zusammenhang die Selbstbeobachtung eines Systems nach Steuerungsversuchen als Kontrolle, vgl. Luhmann (1997), S. 70. Vgl. auch die Ausfiihrungen zur Kontrolle in Kapitel 2.2.2. ^^^ Vgl. Willke (1991), S. 38, Biihl (1990), S. 6, Lattwein (2002), S. 65-66.
2.3 Theoriegestiitzte Erklarungsbeitrage
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nalen Lemens, des Wissensmanagements oder evolutionstheoretischer Ansatze auf diese Erkenntnisse auf."*^^ Aufbauend auf die hier nur knapp umrissenen Charakteristika selbstreferentieller Systeme kOnnen allgemeine Aussagen der Neueren Systemtheorie zur Steuerung von Systemen abgeleitet werden. Demnach erfolgt Steuerung prinzipiell innerhalb des Systems im Rahmen einer Selbststeuerung/^"^ Steuerungsbemuhungen, die von auBen auf ein selbstreferentielles System einwirken, konnen demnach die systeminteme Ordnung nicht direkt - wie z.B. im Sinne der bereits angesprochenen voluntaristischen Steuerung - beeinflussen."*^^ Damit ist zwar nicht jegliche Fremdsteuerung ex ante ausgeschlossen, zumal vielfaltige Erfahrungen in der Praxis zeigen, dass eine gezielte Steuerung komplexer Systeme zwar nicht uneingeschrankt, aber doch moglich und alltaglich ist."^^^ Eine exteme Steuerungsinstanz hat jedoch zu akzeptieren, dass ein operativ geschlossenes System die Kriterien selbst bestimmt, unter denen es bereit ist, sich beeinflussen zu lassen."*^^ Fremdsteuerung ist im Sinne der Neueren Systemtheorie somit als „hitervention" bzw. als ein „Einflussversuch" auf selbststeuemde Prozesse zu interpretieren/^^ Willke schlagt den Begriff der Kontextsteuerung fur diese Art der Fremdsteuerung vor und postuliert, dass diese neben der intemen Selbststeuerung die einzige MogHchkeit darstellt, komplexe Systeme zu beeinflussen/^^ Aus der Hervorhebung der Selbststeuerungsfahigkeit bzw. der begrenzten Fremdsteuerbarkeit sozialer Systeme leitet sich auch ein differenzierter Umgang mit dem Phanomen der Komplexitat ab. Aus systemtheoretischer Sicht steht nicht mehr die blofie Reduktion von Umweltkomplexitat im Mittelpunkt. Vielmehr wird im Sinne einer Kontextsteuerung auf ein komplementares Verhaltnis zwischen Selbststeuerung (Komplexitatserhohung im System) und Fremdsteuerung (Komplexitatsverringerung im System) abgestellt."*^*^ Eine Reduktion von Komplexitat kaim beispielsweise durch hierarchische Plane oder durch die Abbildung komplexer Prozessablaufe mittels aggregierter Kennzahlen erfolgen. Eine Komplexitatserhohung erofiftiet demgegenuber Spielraume fur Selbststeuerung, wie z.B. durch die Einrichtung dezentraler Entscheidungseinheiten, welche die zentrale Steuerungseinheit entlasten, die Gesamtkomplexitat des Steuerungssystems jedoch erhohen."*^^ Selbst- und Fremdsteuerung
Vgl. Z.B. Steinmann/SchreySgg (2000), S. 465-476, Argyris/Schon (1999), S. 19-44, am Beispiel von Untemehmenskooperationen vgl. Buse (2002), S. 69-102. Zu einem gerafften Uberblick uber den evolutionstheoretischen Ansatz vgl. z.B. Schreyogg (2003), S. 89-90. ^^^ Vgl. Kasper et al. (1999), S. 172. Die Begriffe Selbststeuerung und Selbstorganisation werden in der systemtheoretisch geprSgten Literatur haufig synonym verwendet. ^^^ Vgl. Liebig (1997), S. 57, Luhmann (1988), S. 27. "^^^ Vgl. Ansoff (1991), S. 454-546. ^^'^ Vgl. Kasper et al. (1999), S. 186. ^'^^ Vgl. Liebig (1997), S. 74-77, Kasper et al. (1999), S. 186-189, vgl. Shnlich bereits Naumann (1982), S. 92. "^^^ Vgl. Willke (2001), S. 358. Vgl. hierzu auch die „metasystemische Lenkung" bei Malik (2002), S. 399. ^^^ Vgl. Knyphausen-AufseB (1995), S. 341, Kieser (1994), S. 206, Seele (2003), S. 54. ^^* Vgl. ReiB (1995), S. 298, Lattwein (2002), S. 80.
86
2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
konnen demgemafi als komplementare Phanomene aufgefasst werden, die einen Steuerungskorridor eroffiien. Die Aussagen der Neueren Systemtheorie erweisen sich in mehrerlei Hinsicht als relevant fiir die vorliegende Arbeit. Zunachst besitzt sie als allgemeine Theorie auf Grund ihrer interdisziplinaren Fimdienmg und ihrer Ganzheitlichkeit ein groBes Integrationspotenzial/^^ Es erscheint zulassig, eine Supply Chain als System zu bezeichnen, welches sich aus Untemehmen (Elementen) zusanmiensetzt, zwischen denen spezifische Kooperationsbeziehungen bestehen/^^ Eine deskriptive systemtheoretische Betrachtung kann hier die Grenzziehung zwischen Supply Chain und Umwelt unterstutzen. Eng verbunden mit Fragen der Festlegung der Supply Chain-Grenzen sind auch Fragen der Integrationstiefe (wie z.B. das Treffen von In- und Outsourcing-Entscheidungen)/^"* der Managementintensitat von Supply ChainBeziehungen/^^ sowie der Bildung von Subsystemen innerhalb der Supply Chain (z.B. Aufbau strategischer Kooperationen mit Schliissellieferanten), die jeweils theoriegeleitet untermauert werden kdnnen. Daruber hinaus bildet die Systemtheorie ein traditionelles Fundament fur logistische Paradigmen wie das System-, Gesamtkosten- oder Prozessdenken, so dass ihr auch in dieser Hinsicht fiir Supply Chains ein definitorisches, deskriptives, explikatives und gestalterisches Potenzial attestiert werden kann.'*^^ Im Rahmen des Systemdenkens lasst sich beispielsweise argumentieren, dass die Leistungspotenziale in der Supply Chain nur erschlossen werden konnen, wenn das gesamte Wertschopfimgsnetzwerk und nicht ausschlieBlich einzelnen Partner bzw. einzelne bilaterale Austauschbeziehungen betrachtet werden."*^^ Dies macht die Theorie fiir die herauszuarbeitende Steuerungsproblematik im Supply Chain Management potenziell interessant und relativiert gleichzeitig die Kritik, dass sie eine rein beschreibende Theorie sei."*^^ Ein weiterer zentraler Beitrag besteht im genannten Konstrukt der Kontextsteuerung. Es wurde bereits hervorgehoben, dass auf Grund der Autonomic der teilnehmenden Untemehmen eine direkte, hierarchische Steuerung von Supply Chains nur begrenzt moglich erscheint. Eine Kontextsteuerung schaffl in diesem Zusammenhang gezielt Freiraume zur Selbstorganisation, z.B. iiber die Festlegung von Regelstrukturen (z.B. Datenaustauschstandards, Service Level Agreements) oder durch die Nutzung heterarchischer Planungsansatzer (z.B. im Rahmen von
^^'^ Vgl. zur Ganzheitlichkeit und zum Integrationspotenzial der Systemtheorie Malik (2002), S. 48-70. Zur interdisziplinaren Anwendung der Systemtheorie vgl. z.B. Fuchs (1973), S. 37. Vgl. zu einer Beurteilung der Systemtheorie im Logistikkontext auch Gareis (2002), S. 57 und die dort zitierte Literatur. ^^^ Vgl. Mentzer (2001a), S. 5. Vgl. zu einer Abgrenzung vertikaler Kooperationen als Systeme Pampel (1993), S. 72-76. "^^"^ Vgl. z.B. Prockl (2001a), S. 62-68. ^^^ Vgl. z.B. Lambert/Cooper (2000), S. 75 sowie Kapitel 2.1.2.2. "^^^ Vgl. Pfohl (2004a), S. 27-28, Hausler (2002), S. 123. ^^'^ Vgl. Wohlgemuth (2002), S. 72. ^^^ Vgl. Z.B. Willke (2001), dort insbesondere S. 1-150, Struthoff (1999), S. 168-174.
2.3 Theoriegestiitzte Erklarungsbeitrage
87
CoUaborative-Planning-Konzepten'^^^), ohne dabei die Moglichkeit einer aktiven Einflussnahme auf das System „Supply Chain" prinzipiell zu vemeinen. Forschungsbeitrage, welche die Aussagen der Systemtheorie kritisch reflektieren, sehen die Grenzen des Ansatzes uberwiegend in einer Uberbetonung des Prinzips der Selbstreferenz, wie es in der Neueren Systemtheorie Luhmannscher PrSgung postuliert wird. Da die Systemtheorie keine Kriterien zur Differenzierung wirksamer und unwirksamer Steuerungsformen bereitstellt, lasst sich die tJberlegenheit einer evolutorischen Selbststeuerung gegeniiber einer der hierarchischen Fremdsteuerung nur schwer begriinden.'^'*^ Zudem wird angemerkt, dass der hohe Abstraktionsgrad ihrer Aussagen zwar ein fast unbeschranktes Einsatzspektmm der Theorie ermSglicht, ihre Anwendungen auf praktische Problemstellungen jedoch erschwert."^^ Die folgenden Ausfuhrungen zur Netzwerkforschung greifen ebenfalls auf eine systemtheoretische Basis zuriick, werden jedoch in ihren Handlungsempfehlungen deutlich konkreter. 2.3.3. Erkliirungsbeitrag der Netzwerkforschung Das Phanomen des Netzwerks wird von den unterschiedlichsten betriebswirtschaftlichen Teildisziplinen aufgegrififen und instrumentalisiert. Der anfangs von den Organisationswissenschaften dominierte Literaturkorper"^"^^ wird mittlerweile in vieien Bereichen, beispielsweise Beschaffung und Produktion,"^^ strategische Untemehmensfuhrung'^'^, Controlling"^"*^ oder Logistik'^^ um neue Ansatze erweitert. Der zuweilen verwendete Begriflf „Netzwerktheorie"'^^ wird an dieser Stelle bewusst vermieden, da ein geschlossenes TheoriegebSude bislang aussteht."^* Stattdessen soil von „Netzwerkforschung" gesprochen werden, die eine Vielzahl unterschiedlicher Ansatze beinhaltet. Die Netzwerkforschung baut unter anderem"*"*^ auf die bereits herausgearbeiteten Erkenntnisse der Systemtheorie (vgl. Kapitel 2.3.2) und der Neuen
'^^^ Vgl. Beckmann (2004), S. 49. "^'^ Vgl. Kieser (1994), S. 225. ^^ Vgl. Stolzle (1999), S. 90. ^^ Vgl. Z.B. Powell (1996), S. 213-271, Meyer (1995), Staber (2000). ^'^ Vgl. Z.B. Efiig (2004a), Mannel (1996), Mildenberger (1998), Pfohl/Buse (1999), Zundel (1999). ^ Vgl. Z.B. Evers (1998), Wohlgemuth (2002). ""^ Vgl. z.B. Hippe (1997), Hess (2002) sowie Kraege (1997). ^ Vgl. z.B. Otto (2002), Prockl (2001a), Heusler (2004). "^^ Vgl. Jones etal. (1997). "*^^Vgl. Heusler (2004), S. 66, Wohlgemuth (2002), S. 76-77, Stelzle (1999), S. 89, Hippe (1997), S. 37, Bellmami/Hippe (1996), S. 6 sowie S. 14. So sind z.B. mit Blick auf formale sowie methodologische Eigenschaften die Voraussetzungen einer wissenschaftlichen Theorie nicht erfiiUt. Aus formaler Sicht beziehen sich die Ansatze nicht auf einen einheitlichen Gegenstand (z.B. existieren eine Vielzahl unterschiedlicher Netzwerkarten wie personale, politische oder institutionale Netzwerke). Aus methodologischer Sicht entziehen sich Netzwerkphanomene aufgrund ihrer hohen Komplexitat meist einer empirischen Uberpriifbarkeit. Vgl. dazu allgemein Bunge (1967), S. 352-354. Zur theoretischen Fundierung der Netzwerkforschung lassen sich eine Reihe weiterer Theorieansatze heranziehen, die an dieser Stelle nicht vertieft werden kSnnen. Vgl. hierzu z.B. die Verwendung der Resource-Dependence-Theorie bei Renz (1998), S. 133-138, oder die Bezuge aus der Resource-Based View bei Pfohl/Buse (1999) sowie Heusler (2004), S. 213-219. Einen allgemeinen Uberblick tiber theoretische Erklarungsangebote zur Netzwerkforschung liefem z.B. NeuhSuser (2001), S. 43 sowie Renz (1998), S. 131.
2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
Institutionenokonomie (insbesondere der Transaktionskostentheorie, vgl. Kapitel 2.3.1) auf, gibt deren Erkenntnissen jedoch - wie im Folgenden argumentiert wird - eine spezifische Richtung. Als relevante Fokussierung der systemtheoretischen Perspektive ist anzusehen, dass die Netzwerkforschung nicht nur von Systemelementen und deren Verbindungen zueinander ausgeht, sondem auf den spezifischen Interaktionscharakter dieser Verbindungen abstellt.'*^^ Dies wird zum einen dadurch konkretisiert, dass Interaktionen von einer „kanalisierenden Konnektivitat" ausgehen, d.h. dass gezielt Informationsfliisse oder Austauschbeziehungen zwischen Netzwerkelementen aufgebaut werden. Zum anderen konnen die Netzwerkelemente als eigenstandig entscheidende, soziale Akteure aufgefasst werden, die bewusst Interaktionen im Netzwerk durchfuhren und einen gewissen Grad an Autonomie bzw. eine „strategische Identitat" innerhalb des Netzwerks aufweisen."*^' Mit der Interaktion ist immer eine konkrete Zielsetzung, wie z.B. die Durchfuhrung eines Projekts, die Herstellung eines Produkts oder einer Dienstleistung, verbunden. Die Mitgliedschaft eines Untemehmens in einem Netzwerk sowie die Grenzziehung zwischen Netzwerk und Umwelt werden somit wesentlich durch den (potenziellen) Beitrag zur Erreichung des gemeinsamen Netzwerkziels bestimmt."^" In Bezugnahme auf die Erkenntnisse der Transaktionskostentheorie greift die Netzwerkforschung die Aussagen zur institutionellen Gestaltung kooperativer Austauschbeziehungen auf Dabei ist festzustellen, dass die Betrachtung dyadischer Beziehungen fur eine Beschreibung der in der Realitat vorhandenen, netzwerkartigen Strukturen nicht ausreicht.'*^^ So wird in der Literatur mehrheitlich die Meinung vertreten, dass mindestens drei Untemehmen an einer Kooperation beteiligt sein mussen, um den Tatbestand eines Netzwerks zu erfuUen.'*^'* Die vielMtigen Erscheinungsformen von Netzwerken in der Praxis konnen an dieser Stelle nicht umfassend vertieft werden.'*^^ Stattdessen wird eine merkmalsgestutzte Typisierung von Netzwerken vorgenommen, die zwar keinen umfassenden Gultigkeitsanspruch erhebt"*^^, jedoch Ruckschliisse auf typspezifische Steuerungsanforderungen zulasst (vgl. zu den folgenden Ausfiihrungen Abbildung 21).'*"
^^^ Vgl. Zundel (1999), S. 83, StQlzle (1999), S. 91, Bellmaim/Hippe (1996), S. 8, Wohlgemuth (2002), S. 73. ^^^ Vgl. Hakansson/Johanson (1988), S. 373-374 sowie Bellmann/Hippe (1996), S. 10. Interaktionsbeziehungen in industriellen Netzwerken stehen im Mittelpunkt des interaktionsorientierten Netzwerkansatzes, der mafigeblich von Mkansson (1982) geprSgt wurde, vgl. dazu HSkansson (1982), S. 10-27. "*" Vgl. Jones et al. (1997), S. 935. Vgl. zur Abgrenzung von Netzwerken und Branchen z.B. Prockl (2001a), S. 24-25. "*" Vgl.St6lzle(1999),S.95. ^^"^ Vgl. Borchert/Urspruch (2003), S. 21, Corsten (2001), S. 4, Sydow (1992), S. 79. "*" Vgl. zu einem Oberblick beispielsweise Sydow (2001), S. 298-305, Stolzle (1999), S. 201-203, Pfohl/Hausler (2000), S. 8. ^^^ Die Auspragung der in Abbildung 21 angefuhrten Differenzierungskriterien Koordinationsrichtung, Beziehungsintensitat und Beziehungsdauer ist daher jeweils als Kontinuum anzusehen. In der Literatur sind vielfaltige Kriterienkataloge zur Typisierung von Netzwerken zu fmden, so dass die im Folgenden hervorgehobenen Dimensionen zeitliche Stabilitat, Beziehimgsintensitat und Koordinationsrichtung keinen Anspruch auf Vollstandigkeit erheben kQnnen. Vgl. zu einer Typisierung mit ahnlichen Kriterien
89
2.3 Theoriegestiitzte Erklarungsbeitrage
hierarchisch
Koordinationsrichtung
heterarchisch hoch Beziehungsintensitat dauerhaft
temporar
zeitliche Stabilitdt
Abbildung 21:
Netzwerktypisiemng nach zeitlicher Stabilitdt, Beziehungsintensitdt und Koordinationsrichtung
Unterscheidet man Netzwerke nach ihrer zeitlichen Stabilitat, sind temporare Netzwerkverbindungen von dauerhaften Netzwerken zu unterscheiden/^^ Ein Beispiel fur erstgenannte sind sog. „virtuelle Untemehmen". Sie stellen typischerweise temporSre Konstellationen dar, die meist nur fur die Dauer eines Auftrags existieren. Operative Netzwerke bzw. Projektnetzwerke stellen eine kurzfristige Kooperation von (in der Regel kleineren) Untemehmen dar, die in ausgewahlten Leistungsbereichen einen losen Verbund bilden, jedoch keine gemeinsame Strategic verfolgen. Sie sind unter anderem fur die Baubranche typisch/^^ Langfristige Netzwerke liegen demgegeniiber vor, wenn zum Zeitpunkt der Bildung eines Netzwerks eine unbefiistete Zusammenarbeit geplant bzw. kein Auflosungszeitpunkt oderereignis vorgesehen ist (Hauptvertreter dieser Kategorie sind strategische Netzwerke, vgl. hierzu die Ausfuhrungen weiter unten)."^^" Die Dauer der Netzwerkbeziehungen wirkt sich signifikant auf deren Steuerung aus. Dies kommt insbesondere dann zum Ausdruck, wenn eine DifFerenzierung verschiedener Lebenszyklusphasen eines Netzwerks vorgenommen wird."*^^ Im Friihstadium der Netzwerkbildung (bzw. aus Untemehmenssicht: beim und kurz nach dem Eintritt in ein Netzwerk) erweist sich eine aktive Steuerung des Netzwerks durch ein neues Mitgliedsunternehmen als kaum moglich. Vielmehr steht in dieser Phase die Suche nach koUektiven, verwertbaren Netzwerkressourcen im Vordergrund, die das Netzwerk zunachst fur sich behait.
Burr (1999), S. 1161. Stolzle (1999) unterscheidet beispielsweise Stabilitat, Redundanz, raumliche Distanz, Organisation, Machtstruktur, Kultur und Ressourcenverteilung als Klassifizierungskriterien. Vgl. Stolzle (1999), S. 201-202 und die dort zitierte Literatur. Zu einem LTberblick iiber weitere Kriterien vgl. Mildenberger(1998),S.27. ^^^ Vgl. Miles/Snow (1992), S. 63-68, Borchert/Urspruch (2003), S. 24-25. ^^^ Vgl. Letmathe (2001), S. 555. ^ Vgl. Borchert/Urspruch (2003), S. 24. In diesem Zusammenhang werden Netzwerke in der Entstehungs-, Betriebs- und Auflosungsphase unterschieden. Vgl. dazu Borchert/Urspruch (2003), S. 26, Wildemann (2000), Hite/Hesterly (2001), Mack (2003), S. 154-160, am Beispiel operativer Netzwerke vgl. Letmathe (2001), S. 559.
90
2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
Erst nach langerer Beziehungsdauer, wenn Reputation und Erfahrung des neuen Netzwerkpartners sowie das Vertrauen innerhalb des Netzwerks zugenommen haben, konnen Methodeii und Instrumente Netzwerksteuerung eingesetzt werden."^^ Die Beziehungsintensitat stellt ein weiteres potenzielles Differenzierungskriterium flir Netzwerke dar."*^^ Dabei ruckt das in Kapitel 2.2.2.2 adressierte Paradoxon von Autonomie und Interdependenz emeut ins Blickfeld. Als Beispiel fur ein wenig intensives Netzwerk kann der Ressourcenpool bzw. sog. „latente Netzwerkpool'*^ bezeichnet werden. Darunter sind Untemehmen zu subsumieren, die zwar nicht in das aktive Netzwerk integriert sind, jedoch auf Grund bestimmter Potenziale (z.B. spezifische Ressourcen, ahnliche Prozess- oder Produktstruktur) oder auf Grund bestehender sozialer Beziehungen einander naher stehen als reine Marktpartner."*^^ Auch die zuvor genannten operativen Netzwerke werden hier zu den wenig intensiven Netzwerken gezahlt, da sie zwar (mehr oder weniger enge) Beziehungen hinsichtlich der Leistungserstellung aufweisen, im auftragstibergreifenden Bereich bzw. auf der Fuhrungsebene jedoch weitgehend autonom bleiben. Bei geringer Beziehungsintensitat erfolgt eine Steuerung des Netzwerks haufig iiber Ein- und Austrittsentscheidungen (die sog. „Exit-Option").'^ Bei intensiven (und insbesondere langfristigen) Beziehungen wachst die gegenseitige hiterdependenz. Das Steuerungsinstrument „Preis" erfMhrt in der Folge eine Abwertung, da sich Preise fur ausgetauschte Giiter meist nicht mehr frei bewegen, sondem (zumindest kurzfristig) vertraglich fixiert sind. Der Preismechanismus stellt somit keinen geeigneten Steuerungshebel mehr dar."^^ Je hSher die Beziehungsintensitat und damit die Interdependenz der Netzwerkmitglieder, desto groBeren Einfluss gewinnen demnach hierarchische und/oder kooperative gegenilber marktlich-wettbewerblichen Steuerungsmechanismen.'^ Dies gilt in besonderem MaBe fur den noch aufeugreifenden Fall des strategischen Netzwerks. Mit wachsender Beziehungsintensitat steigt jedoch auch die Gefahr der Machtausiibung durch starkere Netzwerkpartner und damit einer einseitigen, hierarchischen Steuerung. Dies kann zu hieffizienzen oder sogar zu einem „Netzwerkversagen" fuhren, da die Handlungsoptionen eines teilnehmenden Untemehmens durch machtbasierte Fremdsteuerung derart eingeengt werden, dass die mit der Netzwerkbildung angestrebten Flexibilitatspotenziale unausgeschopfl bleiben.""*^
^^ Vgl. Hite/Hesterly (2001), S. 282. Vgl. die ahnliche Differenzierung von aktiven und passiven Netzwerken (vgl. z.B. Borchert/Urspruch (2003), S. 25) sowie von aktiven und latenten Netzwerken (vgl. z.B. Mack (2003), S. 128). ^ Mack (2003), S. 128. ^^ Vgl. Mack (2003), S. 128, BorchertAJrspruch (2003), S. 25. ^ Vgl. Mack (2003), S. 206-207 und die dort zitierte Literatur. ^'^ Vgl. Wildemann (1997), S. 429-430, Staber (2000), S. 65. ^^ Vgl. E13ig (2004a), S. 68-70. EBig (2004a), S. 105-117, zeigt die besonderen Anforderungen an die Preisbildung in Netzwerken unter anderem anhand von marktorientierten Preismodellen (Veranderungen der PreisAbsatz-Funktion in monopolartigen Austauschbeziehungen) sowie hierarchieorientierten Preismodellen (Ubertragung von Verrechnungspreismodellen auf den Netzwerkkontext) auf. ^^'^ Vgl. ahnlich Jehle (2003), S. 379, Mack (2003), S. 207. Vgl. vertiefend zu Macht in Zulieferer-AbnehmerBeziehungen Cox (2001).
2.3 TheoriegestutzteErklarungsbeitrage
91
Die Koordinationsrichtung im Netzwerk stellt ein Unterscheidungskriterium dar, mit dem die Abwagimg zwischen einer zielkonformen Ausrichtung des gesamten Netzwerks und einer Bewahrung des individuellen Handlungsspielraums der Netzwerkpartner angesprochen wird. Bei primar heterarchischer Koordinationsrichtung finden sSmtliche Interaktionen im Netzwerk zwischen grundsatzlich autonomen und gieichwertigen Netzwerkpartnem statt/^*^ Steuerungsaufgaben wie z.B. die Auftrags- bzw. Ressourcenallokation konnen dabei auf direktem Wege uber den Preismechanismus, z.B. iiber die Durchfuhrung netzwerkintemer (elektronischer) Auktionen geregelt werden."^^^ In Anbetracht der potenziell hohen Beziehungsintensitat und Langfristigkeit der Netzwerkbeziehungen ist jedoch - wie bereits hervorgehoben wurde - eine alleinige Steuerung uber den Preismechanismus meist nicht zielfuhrend/^^ so dass dariiber hinaus kooperative Mechanismen der Selbstabstimmung zum Einsatz kommen. Hierzu zahlen beispielsweise Verhandlungen, Zielvereinbarungen oder die Etablierung netzwerkweiter Anreiz- und Sanktionsmechanismen."*^^ Liegt eine primSr hierarchische Koordinationsrichtung im Netzwerk vor, nimmt ein dominantes Untemehmen, z.B. ein marktnaher Hersteller oder ein Handelsuntemehmen mit einer vergleichsweise groBen Anzahl an Beziehungen, die RoUe einer untemehmensubergreifenden Steuerungsinstanz bzw. eines Koordinators wahr."*^"^ Die Anwendung von untemehmensintem etablierten Methoden, zu welchen insbesondere Weisung, Programme sowie Plane zahlen, ist im Netzwerkkontext nur teilweise moglich. Der Einsatz von direkten Weisungen scheidet nach einhelliger Meinung auf Grund der unterstellten (Teil)Autonomie der Partneruntemehmen im Netzwerkkontext nahezu voUstandig aus."*^^ Fiir prinzipiell umsetzbar wird dagegen der Einsatz von netzwerkweit gultigen Programmen und Planen gehalten,"^^^ die mit Hilfe zentraler Planungs- und Steuerungssysteme eine Optimierung des gesamten Netzwerks im Hinblick auf Kosten-, Service sowie Zeitziele anstreben."*^^ Auch hier hat in der Kegel ein dominanter Netzwerkpartner die Planimgshoheit inne. Zur Vermeidung bzw. Eindammung von Konflikten wird dabei die Entwicklung eines „gerechten" Verteilungsmechanismus fur die GewinnWerlustverteilung an die einzelnen Netzwerkpartner vorgeschlagen."^^^ Schliefilich
*'" Vgl.Corsten(2001),S.28. "^^Wgl. Busch/Dangelmaier (2002), S. 16, Bogaschewsky (2002), S. 7-14. Vgl. auch sog. ,,arm's-lengthtransactions", z.B. bei Simchi-Levi et al. (2004), S. 112. "^^^ Vgl. Busch/Dangelmaier (2002), S. 18, Heusler (2004), S. 133. "^^^ Vgl. Burr (1999), S. 1159-1179, Zimmer (2001), S. 22-28, Wohlgemuth/Hess (2001), S. 80-82, Sydow (2002), S. 12, Wildemann (1997), S. 426-434. ^^"^ Vgl. Corsten (2001), S. 33, Pfohl/Hausler (2000), S. 4. "^^^ Vgl. Prockl (2001a), S. 120, Busch/Dangelmaier (2002), S. 13, Wildemann (1997), S. 426, Corsten (2001), S. 33, Heusler (2004), S. 132. Aus diesem Grund tritt die personenorientierte Koordination in der vorliegenden Arbeit gegeniiber der technokratischen Koordination in den Hintergrund. Vgl. zu einer Systematisierung des Koordinationsverstandnisses Freichel (1992), S. 179 sowie die Einordnung der Koordination in das hier vertretene Steuerungsverstandnis in Kapitel 2.4.1. Bei Programmen handelt es sich um ausftihrungsbezogene Handlungsvorschriften, die im Unterschied zu Planen eine periodenubergreifende Gultigkeit besitzen. Vgl. dazu z.B. Freichel (1992), S. 181-182. ^'^'' Vgl. Heusler (2004), S. 132, Simchi-Levi et al. (2004), S. 33. "^^^ Vgl. Simchi-Levi et al. (2004), S. 33, Wohlgemuth/Hess (2001), S. 79.
92
2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
ist eine Ubertragimg hierarchischer Plane auf den Netzwerkkontext moglich, indem eine Differenzierung unterschiedlicher Planungsebenen vorgenommen wird. Dem Fuhrungsunternehmen obliegt dabei die Aufgabe, eine Grobplanung auf Netzwerkebene vorzugeben. Diese wird anschliefiend auf der Ebene der anderen Netzwerkpartner in Teilplane zerlegt und konkretisiert, so dass sich zwischen Netzwerk- und Untemehmensebene sowohl eine sachliche als auch eine zeitliche Interdependenz ergibt/^^ In der Netzwerkliteratur zeichnet sich zunehmend ein Trend zur Integration der heterarchischen und hierarchischen Koordinationsrichtungen ab (vgl. Abbildung 22)/*" Das Spektrum reicht dabei von Netzwerken als Kompromiss zwischen den transaktionskostentheoretisch fundierten Extrempunkten Markt und Hierarchic bis hin zu Netzwerken als eigenstandigem Organisationstypus/**
Hierarchische Steuerung
Kooperative Steuerung "Heterarchische Steuerung
Untemehmen M Relationaler Vertrag
• 4
»
Hierarchische Koordinationsrichtung 4 Direkte Kcx)rdinatk>n uber Anweisung
Abbildung 22:
^
Netzwerk 4
P Markt
Neoklasslscher Vertrag -4
•
Klassischer Vertrag
» Heterarchische Koordinationsrichtung Indirekte Koordination, ^ z.B. Ober Vertrauen
^ DIrekte Koordination Qber Preis
Koexistenz von hierarchischen, kooperativen und heterarchischen Steuerungsformen im Netzwerk. Quelle: in Anlehnung an de Miroschedji (2002), S. 69 sowie Sydow (1992), S. 104
Ohne die unterschiedlichen Standpunkte an dieser Stelle weiter zu vertiefen/*^ ist haufig eine Synthese von Ansatzen zu konstatieren. Darin wird zum einen die Einordnung von Netzwerken als reine „Hybridform" zwischen Markt und Hierarchic als zu eindimensional kritisiert. Vielmehr besteht die spezifische Qualitat von Netzwerken in der Moglichkeit zur Auflosung vielfaltiger Widerspriiche, die neben dem Begriffspaar Markt/Hierarchie z.B. auch die Koexistenz von Autonomic und Abhangigkeit oder Vertrauen und KontroUe erlaubt."^^ Zum anderen wird das Bemuhen um die Etablierung des Netzwerks als eigenstandige Organisationsform relativiert und stattdessen die groBe Bandbreite kooperativer Steuerungsmoglichkei-
^'" Vgl. Simchi-Levi et al. (2004), S. 235, de Miroschedji (2002), S. 66-67, Mayntz (1992), S. 24-26 sowie Evers (1998), S. 188-190 und die dort zitierte Literatur. "^^^ Vgl. z.B. Struthoff (1999), S. 38, Mack (2003), S. 17. ^^^ Vgl. zu einem Uberblick der verschiedenen Standpunkte z.B. Mack (2003), S. 15-18. ^'^'^ Vgl. Mack (2003), S. 16, Zundel (1999), S. 27, Sydow (2001), S. 317.
2.3 TheoriegestiitzteErklarungsbeitrage
93
ten im Netzwerkkontext betont.'*^'* In diesem Zusammenhang werden zunehmend auch Methoden und Instrumente der indirekten Koordination hervorgehoben. Diese zielen - im Unterschied zu Hierarchic bzw. Hetcrarchic, die jeweils auf eine direkte Verhaltensbeeinflussung abstellen - auf den Aufbau von Vertrauen zwischen Partneruntemehmen (z.B. durch ein gegenseitiges Rating der Netzwerkmitglieder oder durch gezielte Reputationspflege) und die Entwicklung einer gemeinsamen Netzwerkkultur (z.B. iiber gemeinsame Symbole oder Verhaltensgrundsatze) ab."*^^ Der Netzwerktyp des strategischen Netzwerks nimmt im Zusammenhang mit der getroffenen Netzwerktypisierung eine Sonderrolle ein."*^^ Ein strategisches Netzwerk lasst sich als ein langfristig ausgerichtetes Netzwerk von rechtUch selbstandigen, wirtschaftlich jedoch meist abhangigen Untemehmen mit tendenziell hoher Beziehungsintensitat charakterisieren (vgl. Abbildung 21). Der BegrifF „strategisch" weist dabei auf die Zielorientierung eines strategischen Netzwerks hin. Angetrieben durch die „Chance zur gemeinsamen Wertgenerierung"'^^^ bzw. in der Hoflftiung auf die ErhOhung der „kollektiven Wettbewerbsfahigkeit gegeniiber anderen Netzwerken""*^^ ordnen bislang autonom handelnde Untemehmen ihre individuellen Ziele in bestimmten Bereichen einem Kollektivziel (dem Netzwerkziel) unter."^^^ Zu den vielfaltigen (Teil)zieien, die von (potenziellen) Netzwerkmitgliedem dabei verfolgt werden, zahlen unter anderen die ReaHsierung von Zeit-, Kosten- und QuaUtatsvorteilen, die Verteilung und Reduzierung von Risiken, die Erreichung bzw. Bewahrung strategischer Flexibilitat, der Zugang zu Ressourcen und Markten, die Entwicklung kooperativer Kompetenzen sowie die Generierung und der Transfer von Know-how."*^^ Vor dem Hintergrund der Problemstellung der vorliegenden Arbeit sind vertikal orientierte strategische Netzwerke, welche sich entlang der WertschOpfungskette erstrecken, von herausragender Bedeutung."*^' Da in klassischen produktionsorientierten Wertschopfungsketten meist eine Zusammenfiihrung zahlreicher Roh- und Halbfertigfabrikate zu einem Endprodukt erfolgt, ergibt sich fiir strategische Netzwerke haufig eine pyramidenformige Struktur, an deren Spitze ein endkundennaher
'^^'^ Vgl. Kenis/Schneider (1996), S. 21, Bellmann (1999), S. 206. Vgl. zum Netzwerk als eigene Organisationsform z.B. Jarillo (1988), S. 39. De Miroschedji (2002), S. 67, merkt an, dass Netzwerke damit sowohl „zwischen" als auch „neben" der Dichotomie von Markt und Hierarchie stehen. ^^^ Vgl. Corsten (2001), S. 41-44. Vgl. zur Netzwerkkultur Burr (1999), S. 1161, Prockl (2001a), S. 122. Vgl. zu Vertrauen als Voraussetzung fur die Bildung und Aufrechterhaltung von Untemehmensnetzwerken Klaus (2002), S. 238-243 sowie Bienert (2002), S. 102-103. Zu Vertrauen in virtuellen Untemehmen vgl. Koszegi (2001), S. 30-60. ^^^ Vgl. Jarillo (1988), Stolzle (1999), S. 93, Neuhauser (2001), S. 31-41. Jarillo (1988), S. 38, iibersetzt. Im Original: „opportunity for joint value creation." ^^^ Johannessen/Solem (2002), S. 40. ^*Wgl.Hippe(1997),S.39. "^^ Vgl. Heusler (2004), S. 69, Mayer (2000), S. 152-173, Wildemann (2000), S. 230-231. Vertikale Netzwerke stellen eine dominante Auspragungsform strategischer Netzwerke dar. Jarillo (1988), S. 39, bringt dies implizit zum Ausdruck, indem er strategische Netzwerke primar auf vertikale OutsourcingBeziehungen sowie auf Zulieferer/Abnehmerbeziehungen anwendet. Vgl. dazu auch Freichel (1992), S. 59. Teilweise werden in der Literatur auch horizontal (z.B. Netzwerke zwischen Logistikdienstleistem auf einer WertschQpfungsstufe) sowie laterale Netzwerke (bestehend aus Untemehmen verschiedener Branchen) als strategische Netzwerke bezeichnet, vgl. hierzu Neuhauser (2001), S. 34.
2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
94
Hersteller oder ein Handelsuntemehmen steht.*^^ Dieses ubemimmt hSufig als fokales Unternehmen eine strategische Fuhmngsrolle im strategischen Netzwerk/^^ Der polyzentrische Charakter des Netzwerks bleibt demnach zwar grundsStzlich erhalten, die Verfolgung gemeinsamer Strategien zur Erreichung von Wettbewerbsvorteilen unter der Fuhmng ausgewahlter Netzwerkmitglieder ist jedoch charakterisierend fUr ein strategisches Netzwerk und stellt den hSufigsten Anwendungsfall dar/^ In strategischen Netzwerken sind insbesondere die Mechanismen der Quasi-IntemaHsierung sowie der Quasi-Extemalisierung fur die Generierung neuer Steuerungsanforderungen verantwortlich (vgl. Abbildung 23)/^^
Supply Chain-Bildung durch Quasi-lntemalisierung
Vertikal integriertes Gro(^untemehmen
Outsourcing funktionaler Bereiche
Supply Chain-Blldung durch Quasl-Extemalisierung
Abbildung 23:
Partielie Integration der WertschOpfung Autonome Spezialisten
Bildung strategischer Netzwerke durch Quasi-lntemalisierung und Quasi-Extemalisierung. Quelle: in Anlehnung an Zundel (1999), S. 86
Unter Quasi-lntemalisierung ist zu verstehen, dass ehemals rein marktliche Austauschprozesse zwischen Untemehmen durch intensive, kooperativ bis hierarchisch orientierte Abstimmungsprozesse (wie z.B. die Bindung von Systemlieferanten an das fokale Herstelleruntemehmen im Rahmen eines Supplier Relationship Management) erganzt werden. Auf diese Weise kann eine kollektive Zielausrichtung bei weitgehender Beibehaltung der Autonomic der Transaktionspartner erreicht werden. Komplementar dazu verhalt sich die QuasiExtemalisierung, welche die Substitution untemehmensintemer Hierarchien durch die Einfuhrung marktlicher Steuerungsmechanismen (z.B. durch Outsourcing bestimmter Funktionsbereiche des fokalen Untemehmens an einen LDL) bezeichnet. Ziele sind hierbei neben einer
' Vgl. EBig (2004a), S. 48-53 sowie S. 73, Bellmann (1999), S. 209-210. Auch eine Netzwerkflihmng durch mehrere dominanten Netzwerkpartner ist moglich. Jarillo (1988), S. 32, bezeichnet diese Untemehmen als „hub firms", um ihre biindelnde und koordinierende Stellung im Netzwerk zu unterstreichen. ^ Vgl. Sydow (1992), S. 82 sowie S. 267-275. Insofem konnen strategische Netzwerke auch als gerichtete Netzwerke bezeichnet werden. Vgl. Prockl (2001a), S. 106-107. * Vgl. Sydow (2001), S. 295.
2.3 TheoriegestutzteErklarungsbeitrage
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Entlastung des Managements und der Beseitigung hierarchiebedingter InefFizienzen (wie z.B. infolge fehlender Anreizsysteme) insbesondere die ErhOhung der Untemehmensflexibilitat sowie die Schafilmg eines starkeren Wettbewerbs um Ressourcen.'^^^ Das Zusammenspiel von Quasi-Intemalisiemng und -Extemalisierung weist bereits darauf hin, dass in strategischen Netzwerken sowohl Aspekte der marktlichen als auch der hierarchischen Steuerung parallel zum Einsatz kommen konnen (vgl. auch die Positionierung des strategischen Netzwerks in Abbildung 21)."^^^ Eine hierarchische Steuerung kann beispielsweise dort angebracht sein, wo bestimmte Schliisselfahigkeiten das fokale Untemehmen oder eine Gmppe von Untemehmen zur Bildung und Steuerung eines strategischen Netzwerks befahigen und dadurch Wert sowohl fiir das/die fuhrende(il) als auch for die gefuhrten Unternehmen geschaffen werden kann/^^ Ein Beispiel hierfur stellen strategische Netzwerke in der Automobil(zuliefer)industrie dar. Dort nimmt der Hersteller (Original Equipment Manufacturer, OEM) haufig sowohl auf die Beziehungen zu seinen direkten Zulieferem (z.B. ausgewahlte Systemlieferanten) als auch auf indirekte Zulieferer/Abnehmerbeziehungen (z.B. zwischen System- und Komponentenlieferanten) steuemden Einfluss."*^^ Die heterarchische Steuerung betont dagegen die „Pfadabhangigkeit" strategischer Netzwerke, die besagt, dass sich Netzwerke gemafi der ihnen innewohnenden systemischen Gesetzmafiigkeiten und ihrer bisherigen Entwicklungsrichtung selbstandig verandem k5nnen und sich demzufolge einer hierarchischen Steuerung durch ein (oder mehrere) Netzwerkmitglieder entziehen konnen.^^" Somit dominiert in strategischen Netzwerken zwar die hierarchische Steuerung durch ein oder mehrere Ftihrungsuntemehmen. Allerdings sind auch heterarchische Steuerungsmechanismen, die auf der kollektiven Dynamik des Netzwerks z.B. in Form sog. „emergenter Strategien" basieren, ftir strategische Netzwerke von Relevanz.^^^ Abschliefiend soUen die relevanten Erklarungsbeitrage der Netzwerkforschung fiir die Steuerung von Supply Chains abgeleitet werden. Zunachst ist zU konstatieren, dass die typischen Strukturmerkmale von Netzwerken in weiten Teilen mit denen von Supply Chains iibereinstimmen. Dies gilt insbesondere fiir den Fall strategischer Netzwerke.^*^^ Erstens stellt eine
^^ Vgl. Efiig (2004a), S. 68-70 und die dort zitierte Literatur, Kutschker/Schmid (2004), S. 530-531. ^^'^ Vgl. Mayntz (1992), S. 24-25, de Miroschedji (2002), S. 66-67, Mack (2003), S. 17-18. Zu einer Ubersicht verschiedener Erscheinungsformen der Hybridsteuerung vgl. die Abbildung sowie die Tabelle bei Efiig (2004a), S. 71-74. Die Kombination marktlicher („competition") und kooperativer („cooperation") Steuerungsformen wird in der Literatur teilweise mit dem Kunstwort „coopetition" belegt, vgl. dazu Kutschker/Schmid (2004), S. 531 sowie Beck (1998), S. 271-276. Vgl. auch die vergleichbare Definition eines Produktionsnetzwerks bei Bellmann (1999), S. 211, der ebenfalls auf die Bedeutung des Zusammenspiels von Kooperation und Wettbewerb im Netzwerk hinweist. ^^^ Vgl. z.B. Nobeoka et al. (2002), S. 729-733, fur ein Beispiel aus der Automobilindustrie. ^'^ Vgl. Sydow (2003), S. 302, vgl. auch Efiig (2004a), S. 48-52. Vgl. dazu auch die empirischen Ergebnisse aus der Fallstudie ,Automotive" in Kapitel 5.2. ^^ Vgl. Hite/Hesterly (2001), S. 281-282. Vgl. zur Pfadabhangigkeitstheorie Ackermann (2003). ^^' Vgl. Schreyogg (2003), S. 385 sowie Hite/Hesterly (2001). ^°^ Vgl. Efiig (2004a), S. 48, Gopfert (2002), S. 32. Von einer starken tFberschneidung der Begriffe „Supply Chain" und „strategisches Netzwerk" gehen implizit auch jene BeitrSge aus, welche die Begrifife Produkti-
96
2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
Supply Chain in der Praxis nur selten eine lineare Kette von Untemehmen, sondem meist ein komplexes Gebilde netzwerkartig verflochtener Austauschbeziehungen dar.^^^ Eine Netzwerkbetrachtung trSgt hier insbesondere dazu bei, nicht nur vertikale Zulieferer/AbnehmerBeziehungen in der Supply Chain, sondem auch die horizontalen Austauschbeziehungen zwischen Akteuren auf der selben Supply Chain-Stufe (z.B. verschiedene „First Tier"Lieferanten) in die Betrachtung miteinzubeziehen. Zweitens weist der kollektive Zielbezug, ein weiteres Merkmal strategischer Netzwerke, intensive Parallelen zu Supply Chains auf, da auch fiir letztgenannte die Ausrichtung an gemeinsamen, akteurstibergreifenden Zielsetzungen postuliert wird.^*^ Drittens sind Supply Chain-Beziehungen - wie auch strategische Netzwerke - in der Kegel langfristig angelegt und gehen von einer hohen Beziehungsintensitat aus.^°^ Viertens schlieBlich weisen Supply Chains eine grundsStzlich vertikale Orientierung auf und werden haufig von einem fokalen Unternehmen oder mehreren dominanten Untemehmen strategisch gefuhrt.^^ Sie stellen somit eine spezifische AusprSgungsform strategischer Netzwerke dar, die auf Gmnd der im Supply Chain Management-Konzept verankerten Zielsetzungen eine spezielle Ausrichtung und originSre Schwerpunktsetzungen aufweist.^®^ In der Literatur werden in diesem Zusammenhang unter anderen die Charakteristika der Prozess- sowie Endkundenorientierung genannt, die der Supply Chain den Charakter eines „gerichteten" Netzwerks verleihen.^"* Die theoriegeleiteten Aussagen der Netzwerkforschung zu (strategischen) Netzwerken lassen sich somit grundsatzlich auf Supply Chains ubertragen. Ein weiterer ErklSnmgsbeitrag der Netzwerkforschung besteht in der expliziten Ausdehnung des Analysebereichs auf die gesamte Supply Chain, womit eine Uberwindimg des Ausschnittsdenkens bzw. der (z.B. in der Transaktionskostentheorie ublichen) Betrachtung von Dyaden angestrebt wird.^^ Das Einnehmen einer Netzwerkperspektive erweist sich demzufolge als hilfreich, um Beschreibungs- und Gestaltungsaussagen uber Supply Chains zu trefifen. Dabei konnen eine strukturale Netzwerkperspektive, welche die Interaktionsbeziehungen zwischen den Mitgliedem der Supply Chain starker fokussiert, und eine institutional Netzwerkperspektive, welche das Netzwerk als eigenstSndige Institution auffasst, unterschie-
onsnetzwerk (vgl. z.B. Pfohl/Buse (2000)), Versorgungsnetzwerk (vgl. z.B. Buscher (1999), S. 454-455) oder Untemehmungsnetzwerke (vgl. z.B. Corsten (2001) auf Supply Chains anwenden. ^°^ Vgl. z.B. Otto (2002), S. 98-103, Gdpfert (2002), S. 25-44. Vgl. die Diskussion zu den allgemeinen Zielsetzungen des Supply Chain Management-Konzepts sowie der Konkretisierung dieser Zielsetzungen innerhalb unterschiedlicher Handlungsfelder in Kapitel 2.1.2.2. ^^^ Vgl. die tabellarische Ubersicht bei Heusler (2004), S. 76 sowie die dort zitierte Literatur. ^^^ Vgl. Cooper/Elb-am (1993), S. 17, Buscher (1999), S. 454. ^^^ Heusler (2004), S. 77-78, weist einschrankend darauf hin, dass trotz der inhaltlichen Nahe zu strategischen Netzwerken letztlich situationsspezifisch zu klaren ist, um welchen Netzwerktyp es sich bei einer Supply Chain im konkreten Einzelfall handelt. ^^^ Vgl. Prockl (2001a), S. 106-107. ^^Wgl. Otto (2002), S. 210.
2.3 TheoriegestutzteErklarungsbeitrage
97
den werden.^^^ Die Netzwerkforschung erweist sich in diesem Zusammenhang als anwendungsnSher als die Systemtheorie, die von nicht nSher spezifizierten Beziehungen zwischen abstrakten Systemelementen ausgeht. In diesem Zusammenhang ist zudem zu wiirdigen, dass die Netzwerkforschung neben der Untersuchung globaler Netzwerkstrukturen auch die Rolle des einzelnen Netzwerkakteurs mit seinen jeweiligen Interaktionsbeziehungen zu anderen Akteuren beleuchtet.^^^ SchlieBlich ist anzufuhren, dass eine kriteriengestutzte Differenzierung verschiedener Netzwerktypen dazu beitragen kann, unterschiedliche Supply ChainKonfigurationen zu unterscheiden, die auf Grund von Merkmalen wie zeitliche Stabilitat, Beziehungsintensitat oder vorherrschende Koordinationsrichtung die jeweils zulSssige Steuerungsform beeinflussen. Im Rahmen einer kritischen Beurteilung der Netzwerkforschung wird in der Literatur angemerkt, dass diese zwar die Betrachtung des Netzwerks als Ganzes betont und dafur einen analysemethodischen Rahmen aufspannt, jedoch bei der Grenzziehung zwischen Netzwerk und Umwelt keine konkreten Hilfestellungen anbietet.^'^ Ebenso besteht bislang kein Konsens hinsichtlich eindeutiger Gestaltungsvariablen zur Netzwerkstruktur oder zum Wandel von Netzwerken. Dies ist vor allem darauf zuriickzufuhren, dass die Netzwerkforschung keine eigene Zielsetzung, die durch ein EfTizienzkriterium messbar gemacht werden kOnnte, verfolgt.^^^ Die Einfuhrung eines einheitlichen Eflfizienzziels wird zusatzlich dadurch erschwert, dass die Auspragung der Netzwerkstruktur vom jeweiligen Netzwerktyp abhangig zu machen ist.^^"* Hier zeichnet sich - abgesehen von der haufigen Schwerpunktsetzung auf strategische Netzwerke - keine eindeutige Fokussierung auf bestimmte Netzwerktypen ab. Somit sieht sich die Netzwerkforschung der Kritik ausgesetzt, im Hinblick auf Fragen der interorganisationalen Steuerung eher implizite als explizite Aussagen bereitzustellen.^^^ Des Weiteren ist anzumerken, dass die im Zusammenhang mit der Diskussion strategischer Netzwerke herausgestellte Gleichzeitigkeit hierarchischer und heterarchischer Steuerungsrichtungen keineswegs als „State of the Art" der Netzwerkliteratur anzusehen ist. Insbesondere in der deutschsprachigen Literatur dominiert nach wie vor die Betrachtung von Untemehmensnetzwerken als Ergebnis der bewussten Gestaltungsbemiihungen einer Zentralinstanz, wohingegen Aspekte der Selbstorganisation haufig entweder vemachiassigt oder als Gegenposition zur
^*" Vgl. Thompson (2003), S. 120-126, Prockl (2001a), S. 30-31. Die zuweilen an dritter Stelle genannte, interpersonale Netzwerkperspektive wird an dieser Stelle ausgeblendet, da der Schwerpimkt der vorliegenden Arbeit auf den Austauschbeziehungen zwischen Untemehmen, d.h. im interorganisationalen Kontext, liegt. ^^' Vgl.St6lzle(1999),S.99. ^^^ Vgl. Otto (2002), S. 210, Burr (1999), S. 1166. ^^^ Vgl.St6lzle(1999),S.94. ^'"^ Vgl. Bellmann/Hippe (1996), S. 14. ^^^ Vgl. zu dieser Kritik Bellmann/Hippe (1996), S. 14. Vgl. auch Fleisch (2001), S. 97, der die Aussagen der Netzwerkforschung als zu breit bzw. zu eklektisch kritisiert, um praxisorientierte Managementempfehlungen aus ihnen abzuleiten.
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2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
hierarchischen Steuerung dargestellt werden.^*^ Die genannten Kritikpunkte lassen sich dabei durchaus als Anfordemngsprofil an eine bisherige Ansatze integrierende Netzwerktheorie aufFassen.^'^ 2.3.4. Gegenflberstellung der ausgewfthlten theoretischen Erklirungsbeitrflge Abbildung 24 liefert einen zusammenfassenden Uberblick der vorgestellten theoretischen Erklarungsbeitrage. Die einzehien AnsStze werden darin im Hinblick auf ihren Betrachtungsgegenstand, ihre maBgebHchen EinflussgrOBen sowie ihre Hauptaussagen zur Steuerung in Supply Chains verglichen. Dem gewShlten eklektischen Vorgehen folgend fliefien Elemente dieser theoretischen ErklSrungsangebote selektiv in die weitere Untersuchung ein. Die Transaktionskosten- und die Agency-Theorie fassen insbesondere bilaterale Steuerungsprobleme ins Auge. Da sie einen relativ starren Rahmen fur die Modellierung von untemehmensubergreifenden Beziehungen vorgeben, erscheinen sie insbesondere zur Abbildung standardisierter Problemstellungen unter kontroUierbaren Rahmenbedingungen geeignet. Fiir die weiteren Ausfuhrungen sind unter anderem die akteursspezifischen Verhaltensannahmen der Transaktionskostentheorie sowie die vergleichweise gute Ubertragbarkeit von PrinzipalAgentenbeziehimgen auf Supply Chains mit einem fokalen Untemehmen von Bedeutung. Die neuere Systemtheorie stellt primSr ein allgemeines Beschreibungsmodell ftir Systeme bereit, welches auch fur Supply Chains genutzt werden kann. Fur die weitere Diskussion erweist sich dabei vor allem das Konstrukt der Kontextsteuerung als relevant, welches auf regelbasierte Abstimmungsmechanismen, die gewisse Entscheidungsspieh-Sume ftir die beteiligten Supply Chain-Partner beinhalten, tibertragen werden kann. Die Netzwerkforschung liefert schliefilich den am deutlichsten erkennbaren Beitrag fur die weiteren Ausfuhrungen, da bestimmte Supply Chain-Typen die Charakteristika strategischer Netzwerke aufweisen und sich demzufolge Aussagen der Netzwerkforschung in gewissem Rahmen auch auf die Steuerung von Supply Chains tibertragen lassen. Diese Vermutung gilt insbesondere ftir das Netzwerkmanagement, welches im nachfolgenden Kapitel bei der Ableitung von Steuerungsanforderungen fur die Steuerung von Supply Chains herangezogen wird.
' Vgl. z.B. Burr (1999), S. 1173, der eine starkere Rezeption der skandinavischen Netzwerkliteratur fordert, die Akzente in den Bereichen exogener und endogener Wandel, Pfadabhangigkeit und interorganisationales Lemen in Netzwerken setzt. ' Vgl. Stolzle (1999), S. 94-95.
99
2.3 Theoriegestutzte Erklarungsbeitrage
Theoiieansatz
Betrachtungsobjekt
Einflussfaktoren
Relevante Aussagen f(ir die Steuerung in Supply Chains
Transaktionskostentheorie
Institutionelle Gestaltung der Transaktion zwischen zwei Akteuren
- Verhaltensbezogen: Opportunismus, beschrankte Rationalitat
- Transaktionskosten als Effizienzkriterium bei ,Jklake-or-Buy"Entscheidungen
- Transaktionsbezogen: Faktorspezifitat, Unsicherheit, Haufigkeit
- Hybride institutionelle Arrangements als Alternative zur vertikalen Integration einerseits und Markt andererseits
- Umweltbezogen: Transaktionsatmosphare
Institutionelle Gestaltung der Auftragsbeziehung zwischen Prinzipal und Agent
Agencyj Theorie
- Vgl. Transaktionskostentheorie - Risikoneigung von Prinzipal und Agent - Informationsasymmetrie zwischen Prinzipal und Agent
- Akteursspezifische Verhaltensannahmen (z.B. Opportunismusneigung, Informationsasymmetrie) erfordem die Steuerung von Austauschbeziehungen nach Vertragsabschluss, z.B. durch Anreizsysteme - Standardisierte LQsimgsansatze zur Verhaltenssteuerung bei AgencyProblemen in Supply Chains, insbesondere vor Vertragsabschluss - HoheUbertragbarkeitauf Supply Chains mit fokalem Untemehmen (Prinzipal) - Dezentrale SteuerungsmQglichkeiten tiber Multi-Agentensysteme
Neuere Systemtheorie
Selbstreferentielles System
- Differenz zwischen System und Umwelt
- PrimatderSelbststeuerung'in komplexen Systemen
- Komplexitat
- Systeme kOnnen nur „perturbiert", nicht gezielt „instruiert" werden
- Autonomic und Redundanz
Netzwerkforschung
Netzwerk als Interaktionssystem
- Ausgewahlte: - zeitliche Stabilitat - Beziehungsintensitat - Koordinationsrichtung
- Kontextsteuerung zur Schaffimg von Freiraumen ftir die Selbststeuerung - Interaktionscharakter von Netzwerkbeziehungen - Supply Chains als strategische Netzwerke - FuhrungsroUe des fokalen Unternehmens - Netzwerke als Mittelweg zwischen hierarchischer und heterarchischer Steuerung - Spezifische Steuerungsanforderungen auf unterschiedlichen Netzwerkebenen
Abbildung 24:
GegeniibersteUung der theoretischen Erklarungsbeitrage
100
2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
2.4. Ableitung von Steuerungsanforderungen im Supply Chain Management Im Folgenden werden die in Kapitel 2.2.2.2 aufgezeigten Charakteristika der Steuerung im interorganisationalen Umfeld, insbesondere vor dem Hintergnmd des angesprochenen Spannungsfelds zwischen Autonomie iind Interdependenz der Akteure, emeut aufgegriffen und auf das Anwendungsobjekt des Supply Chain Managements ubertragen. Zudem fliefien die Erkenntnisse aus den theoretischen ErklHrungsangeboten in die weiterftihrende Diskussion ein. Dabei spielen neuere Entwicklimgen in der Netzwerkforschung (vgl. Kapitel 2.3.3) eine besondere RoUe, die im Rahmen des Konzepts des Netzwerkmanagements eine Operationalisierung der bislang schwerpunktmSBig deskriptiven AnsStze anstreben.^'* Das normativ orientierte Netzwerkmanagement liefert insbesondere Empfehlungen zur organisationalen und ablauftechnischen Ausgestaltung von Untemehmensnetzwerken.^^^ Da es immittelbar auf das theoretische Fundament der Netzwerkforschung aufbaut, liegt die Vermutung nahe, dass sich die Steuerungsproblematik in Supply Chains als ein spezifisches Themenfeld innerhalb des Netzwerkmanagements in strategischen Netzwerken verorten lasst.^^^ Das Konzept des Netzwerkmanagements wird daher im folgenden Kapitel 2.4.1 aufgegriffen. Eine weitere Moglichkeit zur vertiefenden Systematisierung von Steuerungsanforderungen stellt die Dififerenzierung unterschiedlicher Betrachtungsebenen in der Supply Chain dar."^ Dabei kann ebenfalls auf die bereits herausgearbeiteten theoretischen ErklSrungsbeitrSge zuriickgegriffen werden, welche Mehrebenen-Modelle heranziehen, um z.B. die Systemkomplexitat von Netzwerken zu reduzieren"^ oder die Wechselwirkungen zwischen der Netzwerkstruktur und der darin ablaufenden Prozesse darzustellen.^^ In Kapitel 2.4.2 wird demzufolge ein Mehrebenen-Modell des Supply Chain Managements (bestehend aus einer Netzwerk-, einer Beziehungs- und einer Einzelakteursebene) herangezogen, um ebenenspezifische Steuerungsaufgaben zu dififerenzieren. 2.4.1. Implikationen des Netzwerkmanagements fQr die Steuerung von Supply Chains Das Netzwerkmanagement weist Ziige eines themenzentrierten Managements auf, da es das Gestaltungsfeld „Netzwerk" betrachtet und innerhalb des klassischen funktionalen Managementportfolios jene Aufgaben fokussiert, die fur die Steuerung dieses speziellen Gestaltungs-
Vgl. zum Konzept des Netzwerkmanagements Mannel (1996), S. 182-187, Stolzle (1999), S. 99 sowie S. 196-218, Hippe (1997), S. 66-79, Mildenberger (1998), S. 46-50, Borchert (2001), S. 71-163. Vgl. insbesondere die Diskussion zur „Netzwerkorganisation" bei Sydow (2003) sowie kritisch bei Reil3 (1998). ^^" Diese Ansicht vertreten beispielsweise auch Wohlgemuth/Hess (2001), S. 62, oder Heusler (2004), S. 75. ^^* Vgl. Heusler (2004), S. 70. ^^^ Vgl. Zundel (1999), S. 83-84 sowie die Ausfiihrungen zur Systemtheorie in Kapitel 2.3.2. ^^^ Vgl. z.B. Mildenberger (1998), S. 45.
2.4 Ableitung von Steuerungsanforderungen im Supply Chain Management
101
feldes relevant erscheinen.^^"* Das wesentliche Charakteristikum des Netzwerkmanagements liegt somit in der Einbindung vertikaler wie auch horizontaler Geschaftsbeziehungen in einen integrierten Managementansatz unter spezieller Beriicksichtigung der Wechselwirkungen zwischen diesen Beziehungen."^ Im Hinblick auf das Aufgabenportfolio des Netzwerkmanagements existieren unterschiedliche AnsStze. Folgt man einem flinktionalen Managementverstandnis, so umfasst das Netzwerkmanagement im Allgemeinen die efFiziente und effektive Planung, Durchfuhrung und Kontrolle der Ablaufe im Netzwerk.^^^ Ebenso wie in den Ausfuhrungen zur untemehmensintemen Steuerung in Kapitel 2.2.2.1 wird dabei eine prozessuale Perspektive angelegt, so dass sich sachlogische, nicht zwingend zeitlich-sequentiell angeordnete Steuerungsaufgaben zu einem Managementprozess zusammenfohren lassen."^ In einem in der Literatur vergleichsweise breit rezipierten Strukturierungsvorschlag unterscheiden SydowAVindeler vier allgemeine Steuerungsaufgaben in interorganisationalen Netzwerken (vgl.Abbildung25).'''
Abbildung 25:
Steuerungsaufgaben in interorganisationalen Netzwerken Quelle: Sydow/Windeler (1997), S. 151. leicht verdndert
Dies fUhrt dazu, dass klassische Managementaufgaben, wie z.B. Personalfuhning und -entwicklung, aus Griinden der Komplexitatsreduktion im Rahmen des Netzwerkmanagements nicht weiter vertieft werden. "^ Vgl. M6ller/Halinen (1999), S. 414-415. ^^^ Vgl. MSnnel (1996), S. 186, Corsten/GOssinger (2001a), S. 10. Vgl. auch Thoms (2003), S. 52, der die Aufgaben der Prozesssteuerung, Ressourcenaktivierung sowie des Informationsaustauschs unterscheidet. Zum funktionalen Management im Kontext des Netzwerkmanagements vgl. Zundel (1999), S. 111. Vgl. zu den folgenden Ausfuhrungen, soweit nicht anders angegeben, SydowAVindeler (1994) sowie Sydow (2001). Zur Anwendung des Ansatzes auf Logistiknetzwerke vgl. Sydow (2002), Wildemann (1997), auf virtuelle Untemehmen vgl. Strack (2001), S. 96 sowie Schrader (1996), S. 74-82, auf strategische Netzwerke Deigendesch (2004), S. 41-70.
102
2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
Im Rahmen der Selektion sind potenzielle Partner im Hinblick darauf auszuwahlen, ob sie durch ihre Teilnahme am Netzwerk zur ErfuUung der Netzwerkziele beitragen. Die Selektion nimmt auf diese Weise eine Vorsteuerungsfunktion in Bezug auf die zielkonforme Ausrichtung der NetzwerkaktivitSten ein, welche sich auch auf die anderen Steuerungsaufgaben im Netzwerk auswirkt. Neben der Auswahl von (neuen) Partneruntemehmen fallen auch die Festlegung von Fokus und Intensitat der Zusammenarbeit (z.B. bestinmite Produkte oder Dienstleistungen, bestimmte Prozesse) sowie Bestimmung geeigneter Personen oder Institutionen, die als „Boundary Spanners"^^^ untemehmensiibergreifende Abstimmungsaufgaben wahmehmen, in den Aufgabenbereich der Selektion. Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass nach dem hier entwickelten BegriflFsverstandnis auch Aufgaben der Integration, die im Sinne Bleichers als die prSsituative, planerische Gestaltung der Beziehungen zwischen Systemelementen verstanden wird,^^® zur Selektionsaufgabe der Steuenmg gezahlt werden. Als conditio sine qua non der Selektion gilt die Existenz von Netzwerkzielen, einer Netzwerkmission sowie gemeinsamer Netzwerkgrundsatze, da diese allgemeine Referenzpunkte fur die Selektion darstellen.^^' Ebenso geht der Selektion eine sorgfSltige Analyse der eigenen Ressourcenund Kompetenzausstattung sowie jener der potenziellen Partner voraus, um die grundsatzliche Kooperations- bzw. NetzwerkfMhigkeit einzuschatzen.^^^ Zudem sind auch nach einer erstmaligen Partnerwahl laufend Selektionsaufgaben wahrzunehmen, wie beispielsweise der Ausschluss ungeeigneter Partneruntemehmen oder die Re-Selektion bewShrter Partner. Die Regulation konzentriert sich auf die Ausrichtung der einzelnen Steuerungsaktivitaten auf ein iibergeordnetes Steuenmgsziel. Dies kann iiber Kooperationsregeln, etwa zur Konflikthandhabung, zur Verteilung von gemeinsam erwirtschafteten Effizienzgewinnen oder zum Umgang mit gemeinsam generiertem Wissen (z.B. F&E-Ergebnisse), erfolgen.^^^ Dariiber hinaus sind Anreizsysteme zu installieren, die einen langerfristigen Zusammenhalt der Beziehungen fbrdem.^^ Um die Flexibilitatspotenziale der interorganisatorischen Zusammenarbeit ausschopfen zu konnen, kann eine Regulation meist nicht abschliefiend erfolgen, sondem stellt einen kontinuierlichen Abstinmiungsprozess zwischen den Partneruntemehmen dar.^^^ Die mit der Regulation adressierte, situative Abstinmiung innerhalb bestehender
^^^ Vgl. hierzu die Ausfiihrungen zum Handlungsfeld „Organisation" in Kapitel 2.1.2.2. ^^" Vgl. Bleicher (2004), S. 590. Integration wird in der Literatur auch mit dem Begriff der „systembildenden Koordination" gleichgesetzt, vgl. dazu die Ausfiihrungen in Fufinote 539. Vgl. auch Hausler (2002), S. 81-82 sowie S. 110, die eine Einordnung der logistischen Integration in den Kontext von Untemehmensnetzwerken vomimmt. " ' Vgl. Evers (1998), S. 282 sowie ahnlich Schrader (1996), S. 75. Die Parallele zur untemehmensbezogenen Steuenmg wird hier offensichtlich, da auch diese auf grundlegende Vorgaben der strategischen Zielplanung zuruckgreift. ^^^ Vgl. Heusler (2004), S. 229. "^ Zur Rolle von Regeln in Untemehmensnetzwerken vgl. Burr (1999), S. 1165-1174. ^^"^ Vgl. ReiB (2001), S. 153-155. "^ Vgl. Wohlgemuth (2002), S. 121.
2.4 Ableitung von Steuerungsanfordemngen im Supply Chain Management
103
Strukturen wird in der Literatur haufig mit dem Begriff der Koordination belegt."^ Bei zu geringer Koordination im Netzwerk sind auf Grund der potenziell konfligierenden Einzelziele der Akteure Nachteile in Form von Autonomiekosten^^^ zu erwarten. Mit wachsender Koordination erhohen sich demgegeniiber die Koordinationskosten (bei sinkenden Autonomiekosten).^^* Ziel ist es, eine „optimale" Positionierung im Trade-off zwischen Autonomie- und Koordinationskosten zu erreichen. Die Koordination fmdet somit als laufende Abstimmung innerhalb bestehender Netzwerkstrukturen statt, wahrend die oben angesprochene Integration sich mit der Bildung eben dieser Strukturen befasst. Somit kann eine Einordnung von Integrations- und Koordinationsaufgaben in das in dieser Arbeit relevante Steuerungsverstandnis erfolgen. Integration demzufolge als als Teilbereich der Selektionsaufgabe der Steuerung aufgefasst, wahrend die Koordination der Regulationsaufgabe der Steuerung zugeordnet wird.'^' Die Allokation befasst sich mit der Verteilung von Aufgaben, Ressourcen und Zustandigkeiten im Netzwerk. Aus Efifizienzgesichtspunkten ist dabei die Zuordnung einer Aufgabe zu jenem Untemehmen innerhalb des Netzwerks, welches diese zu den geringsten Kosten wahmehmen kann, anzustreben. Die Allokation kann meist nicht - mit Ausnahme des spater zu vertiefenden strategischen Netzwerks - auf hierarchischem Wege erfolgen, sondem beruht auf Verhandlungsprozessen oder einem netzwerkintemen Wettbewerb um Leistungsumfdnge. Letztgenannter dient als Rebel zur Aufrechterhaltung des Marktdrucks innerhalb des Netzwerks und kann zur Verbesserung der Wettbewerbsfahigkeit des Netzwerks fungieren.^"*^
^^^ Vgl. zum hier aufgegriffenen Begriffsverstandnis der Koordination z.B. Frese (2000), S. 69, Bleicher (2004), S. 590, Koreimann (1999), S. 48-51. Vgl. auch Schneider (1994), S. 314, der die Koordination als ,Jlegelsystem" interpretiert. Vgl. zur Koordination von Prozessen Gaitanides (1983), S. 159-243. Vgl. zur Koordination in Logistik und Supply Chain Management Freichel (1992), S. 181, HSusler (2002), S. 109-110 und S. 36-38 sowie Heusler (2004), S. 131. Als Autonomiekosten sind jene Kosten zu bezeichnen, die im Vergleich zum theoretischen Ideal einer „simultanen Gesamtplanung" des gesamten Netzwerks als Folge suboptimaler Einzelentscheidungen der Akteure entstehen (z.B. Bestandskosten, die durch ein kooperatives Bestandsmanagement reduziert werden kQnnten). Vgl. zum allgemeinen, untemehmensbezogenen Begriff der Autonomiekosten Frese (2000), S. 124-125. "^ Vgl. Freichel (1992), S. 192. Die auf diese Weise getroffene Abgrenzung kann zwar nicht voUstandig iiberschneidungsfrei erfolgen, erscheint jedoch - insbesondere hinsichtlich der heterogenen Begriffsverwendung von Integration und Koordination in der Literatur - fiir das weitere Vorgehen pragmatisch. Das in dieser Arbeit vertretene Koordinationsverstandnis wird hSufig als „systemkoppelnde Koordination" bezeichnet. Diesem gegenuber steht der Begriff der „systembildenden Koordination", der die SchafRing einer Gebilde- und Prozessstruktur zur Abstimmung von Aufgaben bezeichnet und somit mit dem hier verwendeten, von Bleicher (z.B. 2004) gepragten Begriff der „Integration" entspricht. Vgl. zur Gleichsetzung von systembildender Koordination und Integration auch Horvath (2003a), S. 125-126. Schreyogg (2003), S. 255, verwendet die Begriffe Integration und Koordination explizit synomym. Eine andere Aufifassung vertritt ReiB (2000), S. 225-226, der die Losung situativer Abstimmungsaufgaben nicht - wie im hier vertretenen Verstandnis - als Koordination, sondem als sog. einstufige Integration bezeichnet. Freichel (1992), S. 181, ordnet Koordination allgemein als „zielorientierte Abstimmung interdependenter Handlungen" ein. StQlzle (1999), S. 206, stellt fest, dass „sich der Zielcharakter des Koordinationsbedarfs darauf [beschrankt], eine Leitlinie fiir die Formulierung von Komponenten und Methoden und Instrumenten des Netzwerkmanagements aufzustellen." ^"^ Vgl. Wildemann (1997), S. 428-430.
104
2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
Die Evaluation konzentriert sich - allgemein formuliert - auf die Eraiittlung des Gesamterfolgs des Netzwerks. Dies beinhaltet unter anderem die Bewertung des Leistungsbeitrags einzelner Partneruntemehmen innerhalb des Netzwerks. Die Evaluation greift dabei auf die (Teil)Ergebnisse der anderen Steuerungsaufgaben (Selektion, Allokation sowie Regulation) zuriick, die z.B. anhand untemehmensubergreifender Schltisselkennzahlen (Key Performance Indicators, KPIs) ausgewertet werden. In Bezug auf die angefuhrten Steuerungsaufgaben des Netzwerkmanagements ist zu konstatieren, dass diese inmierhin teilweise mit den in Kapitel 2.2.2.1 vorgestellten Steuerungsphasen auf Untemehmensebene korrespondieren.^"** Die Selektionsaufgabe weist Ahnlichkeiten zur Strategieauswahl und -bewertungsphase, die Regulations- und AUokationsaufgabe zur Implementierungsphase auf. Die Aufgabe der Evaluation spiegelt sich in der Kontrollphase wider. Einerseits weisen diese Gemeinsamkeiten darauf hin, dass auch auf untemehmensubergreifender Ebene eine zielgerichtete Steuerung der Zusammenarbeit im Sirme eines Netzwerkmanagements ftir sinnvoU und notwendig erachtet wird.^"*^ Andererseits ist festzustellen, dass die Phase der (operativen) Durchfuhrung im vorgestellten Modell des Netzwerkmanagements keine Entsprechung findet. Dies lasst den Schluss zu, dass diese nach wie vor der SteuerungsdomSne des einzehien Untemehmens zugeordnet wird. Eine efifektive (zielorientierte) und gleichzeitig effizienzorientierte Netzwerksteuerung erfordert jedoch eine verstarkte Beriicksichtigung der Durchflihrungs- bzw. Leistungsebene im untemehmensubergreifenden Umfeld, da diese die Voraussetzung ftir eine regelkreisartige Vermaschung von Strategiefmdung, -implementierung und letztendlich operativer Umsetzung darstellt. Somit gilt es, die bislang schwerpunktmSBig adressierte Managementebene der Netzwerksteuerung, welche primer auf die Beziehungsgestaltung zwischen Netzwerkpartnem abstellt, im hier vertretenen SteuerungsverstSndnis um eine Leistungsprozessebene, d.h. auf die Austauschprozesse im Netzwerk abzielende Steuerungskomponente, zu erganzen.^"^^ Abbildimg 27 tragt diesem Sachverhalt Rechnung, indem ausgewahlte Steuerungsaufgaben des Netzwerkmanagements nach Management- und Leistungsprozessebene differenziert dargestellt werden. Es bleibt festzuhalten, dass die genannten Steuerungsaufgaben keineswegs uberschneidungsfrei sind. Vielmehr ist von einer mehrfachen Vermaschung der einzelnen Steuerungsaufgaben, ebenso wie von einem fliefienden Ubergang zwischen der Management- und Leistungsebene auszugehen. Um nur ein Beispiel zu nennen, konnen die Regulationsaufgaben insofem auf die Selektion zuriickwirken, als die Befolgung gemeinsamer Regeln einen Indikator fur die Zugehorigkeit zu einem gemeinsamen Netzwerk darstellt. Die Akzeptanz gemeinsamer expliziter oder impliziter - Regehi kann dabei zur Selektionsaufgabe der „Grenzziehung" des
Vgl. Kapitel 2.2.2.1. • Vgl. Wohlgemuthmess (2001), S. 72, Sydow (1992), S. 81. ' Vgl. auch Hess (2002), S. 20, Wohlgemuth (2002), S. 41 sowie Wohlgemuth/Hess (2001), S. 73, welche auf die Notwendigkeit einer Differenzierung von auftragsUbergreifender und aufh-agsbezogener Ebene hinweisen, ihre weiteren Ausftihrungen jedoch auf die auftragsubergreifende Ebene als Kembereich des Netzwerkmanagements fokussieren.
2.4 Ableitung von Steuerungsanforderungen im Supply Chain Management
105
Netzwerks beitragen.^"*^ Zudem gilt weiterhin, dass die spezifische Auspragung der Steuerungsaufgaben unter Umstanden stark mit dem Netzwerktyp imd der darin dominierenden Koordinationsrichtung variiert.^'^^ Leistungsprozessebene
Managementebene •
vomehmlich Steuerung von Austauschprozessen
vomehmlich Beziehungsgestaltung Selektion
- Bestimmung der Netzwerkgrenzen, Auswahl und Abwahl von Netzwerkpartnem - Foraiulierung, Bewertung und Auswahl koUektiver Ziele und Strategien - Ausarbeitung und synchrone Aktualisierung von Prognosen
~
^^^^^^^
- Auftragsakquisition und Prufung der Realisierbarkeit eines Auftrags, z.B. durch Uberprufung vorhandener Ressourcen und Kompetenzen - Auftrags(typ)spezifische Auswahl der LeistungstrSger
- Spezielle Integrationsaufgaben, z.B. Uberprufung der Netzwerkfehigkeit potenzieller Partner in ausgewahlten Supply Chain-Prozessen - Bildung gemeinsamer Verhaltensgrundlagen, z.B. tiber eine Netzwerkverfassung, gemeinsame Netzwerkkultur
- Festlegung prozessbezogener KontroUgroBen (z.B. Kosten- und Leistungskennzahlen)
- Bewaltigung auftragsubergreifender Koordinationsaufgaben, z.B. Bildung von Verteilungsschlusseln, institutionalisiertes Konfliktmanagement, Anreizsysteme, Konfiguration von ITSystemen
- Uberwachung der Auftragsdurchfthrung (PlanfortschrittskontroUe)
AUokation
- Zuordnung grundlegender Aufgaben, Ressourcen, ZustSndigkeiten an Partneruntemehmen
- Planung und Zuordnung auftragsspezifischer Teilaufgaben und Kapazitaten an verschiedene Partneruntemehmen
Evaluation
- Laufende Bewertung kollektiver Strategien (PramissenkontroUe) und Suche nach potenziellen Chancen/Risiken (strategische tJberwachung)
- (Laufendes) Monitoring der Teilleistungen einzelner Partner hinsichtlich der Kosten-/Leistungsvorgaben(Realisationskontrolle)
- Bewertung des Netzwerkerfolgs sowie der individuellen Zielerreichung
- AbschlieBende Dokumentation und Bewertung der Auftragsdurchfuhrung
- Auftragsiibergreifende Gewinn- und Verlustverteilung
- Auftragsspezifische Gewinn-und Verlustverteilung
Regulation
Abbildung 26:
Steuemngsaufgaben im Netzwerk, differenziert nach Management- und Leistungsprozessebene. Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Sydow (2001); Buscher (2003) sowie Wohlgemuth (2002), S. 121-125
* Vgl. Burr (1999), S. 1166. ' Vgl. Wildemann (1997), S. 420-423, Busch/Dangelmaier (2002), S. 10-12, Stolzle (1999), S. 207.
106
2 Steuemngsproblematik im Supply Chain Management
2.4.2. Differenzierung von Steuerungsanforderungen auf unterschiedlichen Ebenen der Supply Chain Steuerungsaufgaben im Rahmen des Netzwerkmanagements wurden bislang aus einer allgemeinen, prozessualen Perspektive betrachtet. Um diflferenzierter Anfordemngen an die Steuerung zu formulieren, erscheint eine vertiefende Stmkturierung von strategischen Netzwerken im AUgemeinen bzw. Supply Chains im Besonderen angebracht. Hierzu bietet sich die Unterscheidung von struktur-, phasen- und ebenenbezogene Systematisierungsansatzen an.^"*^ Strukturbezogene Ansatze bauen auf die systemtheoretisch gepragte Netzwerktheorie auf und nehmen eine Aufteilung des Netzwerks in Netzwerkelemente, welche spezifische Eigenschaften aufweisen (z.B. Spezialisierungsgrad, Kooperationsbereitschaft) sowie Beziehimgen zwischen diesen Elementen (z.B. informationstechnische, soziale oder geschaftliche Beziehungen) vor.^"*^ Phasenbezogene AnsStze erweitem diese Perspektive um eine dynamische Komponente, indem unterschiedliche Entwicklungsstufen von Netzwerken, z.B. eine Bildungs-, Betriebs- und Aufldsungsphase, unterschieden werden. Dabei wird davon ausgegangen, dass je nach Dauer bzw. Lebenszyklusphase einer Netzwerkbeziehung das Netzwerkmanagement ein jeweils unterschiedliches Aufgabenprofil
aufweist.^"**
Ebenenspezifische
Ansatze stellen schlieBlich auf die Differenzierung abstrakter Ebenen ab, die sich anhand spezifischer Funktionen, strukturaler Charakteristika oder auch Steuerungsanforderungen voneinander abgrenzen lassen. Angesichts der relativ hohen Flexibilitat bei der Kriterienauswahl zur Ebenenbildimg wird in der wissenschaftlichen Literatur haufig auf die zuletzt genannte, ebenenspezifische Differenzierung zuriickgegriffen.^'*^ Dabei konnen - auf Basis einer institutionalen Betrachtung - die Ebene des einzehien Akteurs innerhalb des Netzwerks, die Ebene ausgewShlter Beziehungen im Netzwerk sowie die des Netzwerks als Ganzes unterschieden werden. Basierend auf dieser grundlegenden Aufteilimg sind anschlieBend ebenenspezifische Anfordemngen an die unterschiedlichen Steuerungsaufgaben zu formulieren. Neben der Moglichkeit der Komplexitatsreduktion wird dabei auch das Ziel verfolgt, die Wechselwirkungen zwischen der Struktur eines Untemehmensnetzwerks und den darin ablaufenden Prozessen abzubilden und zu analysie-
^"^ Vgl. Gomm/Trump£heller(2004), S. 50. ^^' Vgl. Kapitel 2.3.2. ^^^ Vgl. Gomm/Trumpfheller (2004), S. 53-54 sowie bezogen auf interorganisatorische Beziehungen Gareis (2002), S. 111-115. Kritisch ist dabei anzumerken, dass die meisten Autoren ein idealtypisches Verlaufsmuster des Lebenszyklus vorstellen, welches sich weitgehend einer empirischen Uberpriifbarkeit entzieht, vgl. Gareis (2002), S. 114. Zudem lasst sich insbesondere aus Sicht der Steuerungsrelevanz des Phasenansatzes bemangeln, dass eine Zuordnung des Netzwerks bzw. einer Netzwerkbeziehung zu einer bestimmten Lebenszyklusphase meist erst ex post moglich ist. ^^^ Vgl. z.B. Moller/Halinen (1999), S. 416-417, Ritter et al. (2004), S. 179, StSlzle/Karrer (2004a), S. 253, Hausler (2002), S. 163-167. ^^^ Vgl. Mildenberger (1998), S. 45, Heusler (2004), S. 70.
2.4 Ableitung von Steuerungsanforderungen im Supply Chain Management
107
Ein verwandter, ebenfalls ebenenspezifischer Segmentieningsvorschlag erhebt den jeweiligen Standpunkt eines Beobachters zum Differenzierungskriterium. Dabei werden eine „inteme Mikrosicht", eine „inteme Makrosicht" sowie eine „exteme Makrosicht" differenziert. Im ersten Fall wird das Netzwerk aus Sicht eines einzelnen Untemehmens betrachtet und analysiert. Die zweite Sichtweise verlSsst die Ebene des Teilnehmers und positioniert den Beobachter innerhalb des Netzwerks. Auf diese Weise wird die Analyse von Prozessen sowie das Aufdecken von Ursache-Wirkungszusammenhangen ermoglicht. In der dritten Sichtweise wird schliefilich das Netzwerk aus der Perspektive eines auBenstehenden Beobachters erfasst und „objektiv" analysiert.^^^ Beide Vorschlage zur Ebenenbildung beinhalten wesentliche Implikationen fur die Steuerung von Supply Chains. Wahrend die Unterscheidung institutionaler Steuerungsebenen einen Beitrag zur Eingrenzimg des Steuerungsobjekts leistet, weist die Differenzierung einer Innen/AuBenperspektive sowie einer Mikro/Makrosicht auf die Bedeutung der Position des Steuerungssubjekts hin. In der intemen Mikrosicht stehen die Erreichung individueller Steuerungsziele und deren Wechselwirkungen mit den (koUektiven) Zielsetzungen der Supply Chain im Vordergrund.^^^ Sie fmdet somit im Wesentlichen auf der Einzelakteursebene ihre Entsprechung. Die interne Makroperspektive stellt auf eine Steuerung untemehmensubergreifender Beziehungen in der Supply Chain ab. Fasst man die Supply Chain als strategisches Netzwerk auf, kann somit beispielsweise einem fokalen Untemehmen eine derartige interne Makrosicht zugesprochen werden. ^^^ Da in der Terminologie der „intemen Makrosicht" jedoch nicht trennscharf zwischen der Steuerung ausgewahlter Beziehungen und der Steuerung der Supply Chain als Ganzes unterschieden wird, erscheint der Begrifif der „Beziehungsebene" hier vorteilhafter.""* Die exteme Makrosicht wird schlieBlich hauptsachlich zur Identifikation und Deskription von Netzwerkstrukturen herangezogen. Dynamisch-prozessuale Zusammenhange entziehen sich einem extemen Beobachter jedoch weitgehend.^^^ Die exteme Perspektive erweist sich daher aus Steuerungsgesichtspunkten als weniger relevant, weshalb dem etwas allgemeiner gehaltenen Begriff der „Netzwerkebene" der Vorzug gegeben werden soil. Die weiteren Ausfuhrungen greifen somit Impulse aus beiden vorgestellten Strukturierungsvorschlagen auf und unterscheiden aus institutioneller Perspektive die Ebene des Einzelunternehmens als Netzwerkmitglied (Einzelakteursebene), die Ebene relationaler Austauschbe-
^^^ Vgl. Hippe (1997), S. 67, Mildenberger (1998), S. 46-50. ^" Vgl. Heusler (2004), S. 70. ^^^ Vgl. auch Hippe (1997), S. 67. ^^^ Die Netzwerkliteratur ist hierzu geteilter Meinung. Wahrend z.B. Hippe (1997), S. 67, hauptsachlich die Steuerung von Beziehungen aus Sicht eines fokalen Unternehmens der intemen Makroperspektive zuordnet, argumentiert Mildenberger (1998), S. 49, dass das Netzwerk selbst als „kollektiver Akteur hoherer Ordnung" den Beobachterstandpunkt bestimmt. Vgl. hierzu die Erklarungsbeitrage der Neueren Systemtheorie in Kapitel 2.3.2,
108
2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
ziehung innerhalb der Supply Chain (Beziehungsebene) sowie die Ebene der gesamten Supply Chain (Netzwerkebene) (vgl. Abbildung 27).^^^
Einzelakteursebene
Abbildung 27:
Mehrebenenbetrachtung der Supply Chain Quelle: Stolzle/Karrer (2004a), S. 253, leicht verdndert
Auf jeder dieser Ebenen sind spezifische Steuerungsanforderungen zu berucksichtigen. Dazu werden in den folgenden Abschnitten 2.4.2.1 bis 2.4.2.3 die oben vorgestellten Steuemngsaufgaben des Netzwerkmanagements (Selektion, Regulation, Allokation und Evaluation) wieder aufgegriffen und hinsichtlich ihrer spezifischen Auspragung auf den einzelnen Supply Chain-Ebenen untersucht.^" 2.4.2.1. Steuerungsanforderungen auf der Einzelakteursebene Auf der Einzelakteursebene steht die Steuening der untemehmensintemen „Supply Chain" im Vordergrund. Im Unterschied zur klassischen Managementlehre wird dabei jedoch das Untemehmensumfeld, insbesondere die Austauschbeziehungen mit anderen Mitgliedem der Supply Chain, nicht ausgeblendet bzw. auf eine exteme Rahmenbedingung reduziert.^^^ Vielmehr erfolgt ein Abgleich zwischen untemehmensindividuellen und netzwerkweiten
Vgl. zur analogen Unterscheidung dreier ,^alyseebenen" des Supply Chain Managements Croom et al. (2000), S. 71. Vgl. auch Arnold et al. (2005), S. 42, welche die genannten Ebenen im Rahmen des Supply (Chain) Controlling als einschlSgige ,3rkenntnisebenen" bezeichnen. Weber et al. (2002a), S. 159-160 sowie Weber et al. (2002c), S. 12, Ziehen die genannten Ebenen fur die Segmentierung von Kennzahlen des Supply Chain Controllings heran. Zu einer vergleichbaren Segmentierung im Netzwerkmanagement vgl. Zundel (1999), S. 85-89, der eine Makro, Meso- sowie Mikroebene von Netzwerken unterscheidet. Ein weiterer Systematisierungsansatz stanmit von Otto (2002), S. 248, der primSr nach der Art der jeweiligen Beziehungen bzw. der Fliisse zwischen den Netzwerkelementen Gutemetz, institutionales Netz, soziales Netz sowie Datennetz voneinander abgrenzt und diese Unterscheidung zur Analyse und Gestaltung von Supply Chains heranzieht. Gonmi/Trumpfheller (2004), S. 55, fugen dem Ansatz von Otto noch das Finanznetz hinzu, in dem die monetaren Flusse zwischen den Netzwerkelementen im Mittelpunkt stehen. Ein anders gelagerter Vorschlag stammt von Bellmann (1999), S. 213, der eine Strategic-, Prozess- sowie Organisationsebene in Untemehmensnetzwerken differenziert. Dabei steht der iiberblicksartige Vergleich der Anforderungen und Aufgabenprofile auf den unterschiedlichen Ebenen im Vordergrund. Eine inhaltliche Vertiefung der einzelnen Steuerungsaufgaben erfolgt nach deren Einordnung in den eigenen theoretisch-konzeptionellen Bezugsrahmen in Kapitel 4.3.1, ^^^ Vgl. SydowAVindeler (2000), S. 4.
2.4 Ableitung von Steuerungsanforderungen im Supply Chain Management
109
Zielsetzungen, woraus sich der Handlungsspielraum des einzelnen Akteurs innerhalb der Supply Chain eingrenzen lasst.^^^ Im Fokus der Selektionsfunktion der Steuerung steht dabei aus Sicht des einzelnen Akteurs die Abwagung der Vor- und Nachteile einer potenziellen Supply Chain-Teilnahme. Dabei sind insbesondere die Langfristigkeit von zu treffenden Selektionsentscheidungen und die mit diesen verbundenen Risiken zu beachten.^^'^ Die Regulationsfunktion zielt vor allem auf die Schaffung eines geeigneten intemen Anreizssystems ab, welches den Aufbau partnerschaftlicher Beziehungen incentiviert.^^* Da die Regulation untemehmensintem erfolgt, kann dabei weitgehend auf hierarchische Steuerungsprinzipien zuruckgegriffen werden. Im Rahmen der Allokationsfunktion steht fur das (nicht fokale) Einzeluntemehmen das Bemuhen um in der Supply Chain zu vergebende Auftrage.^^^ Die Allokationsentscheidung, die entweder von einem gegebenenfalls vorhandenen fokalen Untemehmen getroffen wird oder iiber Verhandlungsprozesse gesteuert wird, kann dabei vom Einzelakteur auch iiber vertrauensfordemde Mafinahmen, wie sie z.B. im Rahmen des Signalling^^^ besprochen wurden, indirekt beeinflusst werden.^^ Die Evaluationsaufgabe dient schliefilich der Uberwachung und Kontrolle der untemehmensintemen Supply Chain-Prozesse (z.B. im Rahmen eines klassischen LogistikcontroUings) sowie der kontinuierlichen Uberwachung der untemehmensbezogenen Kosten-ZNutzenbilanz des Engagements in der Suply Chain. Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass die Einzelakteursebene als erster Schritt auf dem Weg zu einem umfassenden Steuerungsansatz interpretiert werden kann. Bevor der Steuerungshorizont auf untemehmensiibergreifende Supply Chain-Prozesse sowie -Beziehungen ausgedehnt wird, ist zunachst die untemehmensinteme „Black Box" aufzubrechen. Dies impliziert, dass der Einzelakteur nicht nur als Knoten eines Netzwerks aufgefasst wird, sondem der Betrachtungsfokus auch auf untemehmensinteme Prozesse gelenkt wird. AUerdings erweist sich dieses inkrementelle Vorgehen nur dann als hilfreich, wenn es von einer Gesamtkonzeption getragen wird, welche diese Aktivitaten bereits in Relation zu einem mOglichen Zielzustand der untemehmensiibergreifenden Supply Chain stellt.^^^
^^^ Vgl. Zundel (1999), S. 87. ^^ Vgl. Baumgarten et al. (2004), S. 68. Vgl. hierzu auch die Ausfuhmngen zur Transaktionskosten- und Agency-Theorie in Kapitel 2.3.1. ^^^ Vgl. Sydow (2003), S. 314. ^^^ Vgl. Hamel (1999). Vgl. die Ausfiihrungen zur Agency-Theorie in Kapitel 2.3.1. ' Vgl. Groll (2004), S. 125-126. ^^^' Vgl. Jehle (2003), S. 385, de der ein weitgehendes Ausstehen einer konsensfahigen Gesamtkonzeption in Wissenschaft und Praxis konstatiert.
110
2 Steueningsproblematik im Supply Chain Management
2.4.2.2. Steueningsanforderungen auf der Beziehungsebene Die Beziehungsebene stellt eine Zwischenstufe zwischen der Akteurs- und der Netzwerkebene dar.^^ Hier stehen dyadische Austauschbeziehung im Mittelpunkt, weshalb insbesondere Erkenntnisse des Beziehungsmanagements - bzw. dessen spezifische stromauf- bzw. stromabwSrts gerichtete AusprSgungsformen Supplier Relationship Management und CRM - fur eine Ableitung von Steueningsanforderungen und -aufgaben herangezogen werden kSnnen.^^^ Zudem erscheint fur die Gestaltung eines Beziehungssystems zwischen heterogenen, (teil)autonomen Akteuren die Unterscheidung spezifischer Akteurspositionen relevant. Wahrend auf der Einzelakteursebene das Einzeluntemehmen als (potenzielles) Supply ChainMitglied im Vordergrund steht, kommt auf der Beziehungsebene dem fokalen Untemehmen als dominantem Supply Chain-Akteur eine zentrale Stellung zu. Auf Grund seiner erhohten Machtstellung, die in der Regel auf eine marktnahe Positionierung in der Supply Chain zurUckgefuhrt wird, ist von einem grundlegend unterschiedlichen Netzwerkbewusstsein und RoUenverstandnis des fokalen Untemehmens gegenuber den anderen Supply ChainMitgliedem auszugehen.^^* Dies hat zur Konsequenz, dass es einen GroBteil der Steuerungsaufgaben in der Supply Chain iibemimmt.^*^^ Die Selektionsaufgabe widmet sich dabei der - meist systematischen und kriteriengestiitzten Auswahl potenzieller Supply Chain-Mitglieder. Stehen die zuliefer- und abnehmerseitigen Partneruntemehmen gmndsatzlich fest, sind die „Spieh-egehi" der Zusammenarbeit der Steuerung zu defmieren. Das Aufgabenprofil der Regulationsfunktion konmit dabei durch das systemtheoretisch fiindierte Konstrukt der Kontextsteuerung am besten zum Ausdruck, welches angesichts der bestehenden Steuerungsbarrieren in Netzwerken (z.B. Opportunismusneigung, Informationsasymmetrie, Autonomie) eine indirekte Steuerung uber die Festlegung von Rahmenbedingungen (wie z.B. Standards ftir den elektronischen Datenaustausch) vorschlagt."'* Die Aufgaben- und Ressourcenallokation wird auf der Beziehungsebene ebenfalls vom fokalen Untemehmen wahrgenommen, wobei die beschriebenen Mechanismen der Quasi-Intemalisierung und Quasi-Extemalisierung zum Einsatz kommen."^ Bei der Evaluation steht die Uberwachung und Kontrolle der gemeinsamen Supply Chain-Prozesse im Vordergrund. Diese baut mafigeblich auf den Einsatz untemehmensubergreifender Kennzahlen(systeme) auf Aus Sicht des fokalen Untemehmens gilt es zudem den Erfolgsbeitrag der Kooperationspartner zum eigenen Untemehmenswert zu ermittebi.
^"^ Vgl. Heusler (2004), S. 123. ^^^ Vgl. zu einer Gegenuberstellung von Beziehungsmanagement, CRM und Supplier Relationship Management Stelzle/Heusler (2003), S. 183 sowie Heusler (2004), S. 120. ^^* Vgl. Jarillo (1988), Sydow (2001). ^^^ Vgl. Struthoff (1999), S. 49, Zundel (1999), S. 119. "^ Vgl. zur Kontextsteuerung Willke (2001), S. 194-195 sowie die Ausfiihrungen in Kapitel 2.3.2. Ahnliche Ansatze fmden sich bei Malik (2002), S. 411-424, im Rahmen der sog. „metasystemische Lenkung im Falle geringer EinflussmOglichkeiten". Vgl. auch Struthoff (1999), S. 168-174 sowie Baumgarten et al. (2004), S.65. "^ Vgl. Kapitel 2.3.3.
2.4 Ableitung von Steuerungsanfordemngen im Supply Chain Management
111
Der forschungsseitig gefUhrte Diskurs zur Beziehungsebene ist in den letzten Jahren durch eine zunehmende Ausdifferenzienmg gepragt. Der in der klassischen Kooperationsliteratur im Vordergrund stehende Fokus auf dyadische Austauschbeziehungen wird dabei insofem erweitert, als neben dyadischen Beziehungen auch komplexe, netzwerkartige Beziehungsgefiige auf der Beziehungsebene verortet werden. Forschungsarbeiten aus dem Bereich des Relationship Marketings identifizieren etwa neben der dyadischen Beziehungsebene weitere steuerungsrelevante Beziehungskonstrukte im Netzwerkmanagement.^^^ Ritter et al. (2004) unterscheiden beispielsweise zusatzlich das Beziehungsportfolio sowie die indirekten Beziehungen (vgl. Abbildung 28).
Akteursebene
: VLJ: •
•
•
Indirekt
Portfolio
v- 1 X Abbildung 28:
Netzwerkebene
Beziehu ngsebene Dyade
•
•
. . . . 71
. . .\ / I
: : 7N :
LTTN I
«MjMii»
wmammmm—*
•
•
•
•
•
Unterschiedliche Beziehungstypen auf der Beziehungsebene Quelle: Ritter et al. (2004), S. 179
Im Beziehungsportfolio steht die Steuerung der Beziehungen eines einzelnen Akteurs mit einer Mehrzahl direkter Kooperationspartner im Mittelpunkt. Steuerungsschwerpunkte liegen hierbei in der Ressourcenallokation innerhalb einer spezifischen Kooperationsbeziehung sowie im Ausgleich positiver bzw. negativer Wirkungsbeziehungen zwischen verschiedenen Beziehungen im Kooperationsportfolio (z.B. im Rahmen des Supplier Relationship Managements). Die Ebene der indirekten Beziehungen umfasst Beziehungen zu Vorlieferanten bzw. Kunden des Kunden. Mangels direkter SteuerungsmSglichkeiten stehen auf dieser Ebene meist die Bildung und Pflege von schwachen Beziehungen („weak ties") uber verschiedene Instrumente des Beziehungsmanagements im Vordergrund. ^^^ Auch in der Literatur zum Supply Chain Management wird die Beziehungsebene unterschiedlich interpretiert. Da innerhalb der Supply Chain nicht alle auf hiterdependenzen basierenden Interaktionsbeziehungen zwischen den teilnehmenden Untemehmen von Bedeutung sind, erfolgt teilweise eine gestufte Unterscheidung von Austauschbeziehungen nach ihrer Steuerungsintensitat.""^ Durch die zunehmende Ausdifferenzienmg der Beziehungsebene erweist sich eine Grenzziehung zur Netzwerkebene als schwierig. Die Kemaussage der Beziehungsebene, ein Partial-
Vgl. Ritter et al. (2004), vgl. ahnlich auch Gummesson (2004), S. 141. ^^^ Vgl. Ritter et al. (2004), S. 179-180 sowie Granovetter (1985). ""* Vgl. die in Kapitel 2.1.2.2 bereits vorgestellte und von Lambert et al. (1998), S. 13, propagierte Differenzierung von Schnittstellenprozessen („process links") in direkt gesteuerte Beziehungen („managed process links"), in Beziehungen mit nur indirekter Einflussnahme („monitored process links") sowie in bewusst nicht gesteuerte Beziehungen („non managed process links").
112
2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
netzwerk^^^ im Sinne eines Beziehungssystems zwischen (teil)autonomen Akteuren zu betrachten, bleibt gnmdsatzlich bestehen. Im Unterschied zur im Folgenden anzusprechenden Netzwerkebene wird jedoch nach wie vor von einer (relativ) losen Kopplung der Akteure ausgegangen. Die im Vergleich zum Markt h6here Stabilitat bei gleichzeitig hoherer Flexibilitat im Vergleich zum integrierten Untemehmen kennzeichnet das Netzwerk als Struktur. Die Beziehungsebene entspricht somit der aus der Netzwerkforschung bekannten, strukturalen Netzwerkbetrachtung."^ 2.4.2.3. Steuerungsanforderungen auf der Netzwerkebene In der Untemehmenspraxis steht die Steuerung „kompletter" Supply Chains auf Grund ihres umfassenden Integrationsanspruchs vor hohen Implementieningshtirden."^ Auch in der Literatur zum Supply Chain Management fmdet sich - im Vergleich zur akteursspezifischen und dyadischen Betrachtungsebene - ein vergleichsweise hoher Forschungsbedarf. Arnold et al. (2005) stellen etwa im Rahmen einer Inhaltsanalyse ausgewahlter Supply (Chain) Management-Konzepte fest, dass bis auf wenige Ausnahmen die Netzwerkebene nur den tertiaren Fokus dieser Konzepte bildet bzw. nicht oder kaum fokussiert wird."* Mit der Einfuhrung einer Netzwerkebene wird das Ziel verfolgt, die Supply Chain nicht ausschnittsweise tiber ausgewShlte Beziehungsgefuge (z.B Dyaden, Cluster) zu beschreiben, sondem als Ganzes erfassbar zu machen, sie somit als eigenstandige okonomische Institution anzusehen."^ Diese Sichtweise entspricht am ehesten dem in Kapitel 2.3.3 vorgestellten institutionalen Verstandnis des Netzwerks.^*" Sie impliziert, dass neben dem Wettbewerb zwischen Untemehmen ein Wettbewerb zwischen ganzen Supply Chains stattfmdet,^*' die jeweils einer koUektiven Strategic folgen.^*^ Die Steuerungsanforderungen, die an eine integrierte Supply Chain zu stellen sind, werden maBgeblich vom Zusammenspiel der bereits vorgestellten Kontextfaktoren Komplexitat, Intransparenz und Dynamik gepragt.^*^ Eine
Vgl. Hippe (1997), S. 70 und die dort zitierte Literatur. Vgl. Prockl (2001a), S. 30-31 sowie die AusfUhrungen in Kapitel 2.3.3. Vgl. auch Christopher/Ryals (1999). Vgl. Arnold et al. (2005), S. 43-44. Vgl. Sydow (1992), S. 120, Otto (2002a), S. 98. Das Netzwerk wird in diesem Zusammenhang auch als „koliektiver Akteur hoherer Ordnung" bezeichnet, vgl. Teubner (1996), S. 535-561. Andere Autoren sprechen auch von der „Netzwerkideologie", im Rahmen derer die Supply Chain als „Super-Organisation" interpretiert wird, vgl. Johanessen/Solem (2002), S. 38. Vgl. zur institutionalen (im Unterschied zur interpersonalen und strukturalen) Netzwerkperspektive z.B. den Literaturiiberblick bei Prockl (2001a), S. 30-31 sowie - bezogen auf Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen St6lzle(1999),S.92. ^^' Vgl. Christohper (2005), S. 18, Christopher/Towill (2002), S. 1, Schary (1998), S. 157, Chandra/Kumar (2000), S. 100-113. Vgl. zum Ansatz einer kollektiven Strategiebildung im Supply Chain Management Peck/Jiittner (2000), S. 35-38. Vgl. Klaus (2005), S. 365 sowie die allgemeinen Ausfiihrungen zu Dynamik, Intransparenz und Komplexitat als Kontextfaktoren der Steuerung in Kapitel 2.2.1.2.
"^ "^ "* "'
2.4 Ableitung von Steuerungsanforderungen im Supply Chain Management
113
integrierte, ganzheitliche Steuerung einer Supply Chain gestaltet sich demzufolge umso schwieriger, je starker ausgepragt diese Kontextfaktoren sind. Da in Netzwerken in der Kegel eine strukturale Ofifenheit mit dem Ziel der Erhohung der Konfigurationsflexibilitat angestrebt wird,^^"^ dient die Selektion vomehmlich der Komplexitatsreduktion. Dabei steht weniger die spezifische Auswahl von (einzelnen) Akteuren, sondem vielmehr die Abgrenzung der Supply Chain gegeniiber ihrer extemen Umwelt im Vordergrund. Die Regulationsaufgabe stellt daher auf die Bildung von netzwerkweiten Verhaltensregeln.^^^ Die Anforderung an die AUokationsaufgabe besteht auf Netzwerkebene darin, Ressourcen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten dort zu platzieren, wo sie den groBten Nutzen aus Sicht der gesamten Supply Chain erzielen. Die Zuordnung erfolgt dabei gemaB der Ressourcen- und Kompetenzausstattung der Supply Chain-Partner. Die Evaluation bezieht sich schlieBlich auf die Ermittlung des Erfolgs der gesamten Supply Chain. Dabei wird „Erfolg" hochst unterschiedlich interpretiert. In der Literatur zum Netzwerkmanagement wird haufig verallgemeinemd von der „Bestimmung und Verteilung von Kosten und Nutzen" gesprochen.^^^ Aus einer logistischen Perspektive konnen die Ziele des Supply Chain Management-Konzepts (Kostensenkung, Zeitvorteile, Qualitatssteigerung) zur Bestimmung der Leistungs- und Wettbewerbsfahigkeit der Supply Chain-Prozesse herangezogen werden.^^^ Eine starker monetare, ergebnisorientierte Sichtweise stellt den Gesamtwert der Supply Chain als Formalzielkategorie in den Mittelpunkt.^^^ Die Ausdehnung der Steuerung auf die Netzwerkebene fiihrt zum einen zu einer quantitativen Ausdehnung, indem die Anzahl aktiv zu steuemder Beziehungen erhoht wird. Noch bedeutsamer erscheint jedoch die qualitative Ausdehnung, die aus dem Wandel der Supply Chain von einem Beziehungssystem zwischen autonomen Untemehmen zu einem koUektiven Akteur hSherer Ordnung resultiert.^^^ Entscheidungen mussen nun vor dem Hintergrund einer doppelten Reflexivitat getrofifen werden, da Fiihrungskrafte, die mit einer bestimmten Steuerungsaufgabe im Wertsch5pfungsnetzwerk betraut werden, in der untemehmensbezogenen Primarorganisation noch eine andere Position innehaben (vgl. Abbildung 29).^^^ Dies erweist sich insbesondere dann problematisch, wenn leistungsbezogene Anreizsysteme nur auf untemehmensbezogenen Indikatoren beruhen und dadurch unter Umstanden lokale Optimie-
''^ Vgl. Reifi (1998), S. 226. ^^^ Vgl. zur Selbststeuerung in Netzwerken auch Thompson (2003), S. 129-134. ^^ Vgl. Sydow/Mollering (2004), S. 212. ^ Eine derartige Beurteilung erfolgt kennzahlengestiitzt, z.B. im Rahmen des bereits vorgestellten SCORModells (vgl. Kapitel 2.1.3). ^^^ Vgl. Moller (2003), S. 59-60. ^^^ Vgl. ahnlich dazu Mildenberger (1998), S. 49. ^^ Vgl. Otto (2002), S. 217, Sydow (2000), S. 119. Beispielsweise ist die Konstellation denkbar, in welcher der Logistikleiter eines Untemehmens gleichzeitig Mitglied eines untemehmensiibergreifenden Supply ChainLenkungsausschusses ist.
114
2 Steuemngsproblematik im Supply Chain Management
nmgsbestrebungen incentiviert werden, die zu Lasten des Erfolgs der gesamten Supply Chain gehen.'^'
Untemehmen A
Untemehmen B
Untemehmen C
Untemehmen
Untemehmen
Untemehmen
Untemehmensziele
°>^" v^. -\.. ^ -^ X. -\. ^
Beziehungsziele
Doppelte Reflexivitat
Dyade
V.
'^ " \
% . - % ' % . . •% - ^ Netzwerk
Abbildung 29:
W
X. 7
Netzwertcziele
Netzwerkrationalitdt und doppelte Reflexivitdt Quelle: Otto (2002), S. 216. leicht verandert
AbschlieBend ist mit Blick auf die getroffene Ebenendifferenzierung darauf hinzuweisen, dass diese zwar im Hinblick auf die Setzung unterschiedlicher Steuerungsschwerpunkte sinnvoU erscheint, jedoch kaum trennscharf sein kann.^^ Vielmehr stehen die Ebenen in enger Beziehung zueinander, da ein Netzwerkmanagement parallel sowohl auf der Beziehungs- als auch der Netzwerkebene erfolgt.^^^ Auch die Verknupfung der beiden untemehmensubergreifenden Perspektiven mit der Einzelakteursebene ist aus Sicht des Netzwerkmanagements von Bedeutung. Sie tritt insbesondere dort zutage, wo eine ganzheitliche Bewertung der Supply Chain die Offenlegung der Effizienzgewinne auf einzelnen Supply Chain-Stufen erfordert, wo eine Verteilung gemeinsam erwhtschafteter Kosteneinsparungen angestrebt wird oder wo die Vorteilhaftigkeit kooperativer Aktivitaten fur alle Mitgliedem der Supply Chain transparent gemacht werden muss.^^ Abbildung 30 stellt die getroffenen Aussagen zu den Steuerungsanforderungen innerhalb der einzelnen Steuerungsaufgaben sowie auf den unterschiedlichen Supply Chain-Ebenen zusammenfassend dar. Der primSre Fokus der Ausfuhnmgen liegt dabei auf der Beziehungsebene sowie auf dem (flieBenden) Ubergangsbereich zwischen Beziehungs- und Netzwerkebene.
Vgl. Simatupang/Sridharan (2002), S. 18-19, 25-27. ^^^ Vgl. Heusler(2004), S. 122. ^^^ Vgl. Ritter et al. (2004), S. 179. ^^^ Vgl. Weber et al. (2003), S. 106.
2.4 Ableitung von Steuerungsanforderungen im Supply Chain Management
Einzelakteursebene
Beziehungsebene
Netzwerkebene
115
Steuerungssubjekt
Einzeluntemehmen oder Untemehmensbereich
Fokales Untemehmen als dominanter Supply ChainAkteur
Supply Chain als koUektiver Akteur
Steuerungsobjekt
Untemehmensinteme „Supply Chain"
Beziehungen zu anderen Supply Chain-Mitgliedem
Supply Chain als strategisches Netzwerk
Selektion
- Kosten/NutzenabwSgung einer Supply Chain-Teilnahme
- Kriteriengestiitzte Selektion potenzieller Partneruntemehmen (zuliefer- u. abnehmerseitig)
- Abgrenzung der Supply Chain gegeniiber ihrer Umweh („Grenzmanagement")
Regulation
- Schaffimg von Anreizen zum Aufbau kooperativer Beziehungen
- Beeinflussung der Zielsetzungen der Partneruntemehmen (z.B. Festlegung von ITStandards)
- Bildung Supply Chainweiter Verhaltensgrundlagen, z.B. iiber eine Netzwerkverfassung
- Steuerungsprinzip ist iiberwiegend Kontextsteuerung
- Steuerungsprinzip ist iiberwiegend Selbststeuerung
- Aufgabenzuordnung (meist) durch das fokale Untemehmen
- Allokation von Aufgaben und Ressourcen am Ort des gunstigsten Kosten/Nutzenverhaltnisses
- Steuerungsprinzip ist iiberwiegend hierarchisch
1
Allokation
i V
- Heranziehen von Ressourcen und AuftrSgen in der Supply Chain (z.B. xinterstutzt durch „Signalling")
(/) Evaluation
- Uberwachung und Kontrolle untemehmensintemer, aber Supply Chain-relevanter Prozesse - Evaluation der Kosten/Nutzenbilanz bestehender Supply ChainBeziehungen aus Sicht des einzelnen Unternehmens
Abbildung 30:
- Ressourcenallokation iiber Mechanismen der Quasi-Intemalisierung bzw. -extemalisierung - Uberwachung und Kontrolle gemeinsamer Supply Chain-Prozesse mittels untemehmensiibergreifender Kennzahlen - Evaluation des Erfolgsbeitrags von Partneruntemehmen
- Uberwachung der gesamten Supply Chain (z.B. iiber SWOTAnalysen) - Evaluation des Gesamterfolgs einer Supply Chain
Ausprdgung der generischen Steuemngsaufgaben des Netzwerkmanagements auf der Einzelakteurs-, Beziehungs- und Netzwerkebene der Supply Chain
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass vor dem Hintergrund des Anforderungsprofils des Supply Chain Managements ein erheblicher Anpassungsbedarf im Hinblick auf das VerstSndnis sowie die Aufgaben der Steuerung besteht. Die in dieser Arbeit bislang vorgestellten Anforderungen basieren weitgehend auf einer Ubertragung generischer Steuemngsaufgaben des Netzwerkmanagements auf den Supply Chain-Kontext. Die durchgefiihrten Adaptionen beziehen sich zum einen auf eine verstarkte Berucksichtigung der Leistungsebene, d.h. eine ErgSnzung der Aufgaben des strategischen Managements um eine operative, prozessbezogene Steuerungsdimension (vgl. Abbildimg 26). Zum anderen wurden die Aufgaben des Netz-
116
2 Steuerungsproblematik im Supply Chain Management
werkmanagements im Rahmen eines Drei-Ebenen-Modells stmktural auf den Anwendungsbereich des Supply Chain Managements iibertragen (vgl. Abbildung 30). Die erste der in Kapitel 1.1 formulierten Forschungsfragen, welche sich auf die Anforderungen an ein Steuerungsverstandnis im untemehmensubergreifenden Kontext sowie auf die Systematisierung der Steuerungsaufgaben vor dem Hintergnmd der Charakteristika des Supply Chain ManagementKonzepts bezieht, kann somit als beantwortet gelten. Im folgenden Kapitel 3 werden diese weitgehend theoriegeleitet ermittelten Steuerungsanforderungen und -aufgaben um Impulse aus bereits vorhandenen Ansatzen, Methoden und Instrumenten zur Messung und Steuenmg der Performance in Supply Chains erweitert.
Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
Die vorangegangenen Ausfiihrungen naherten sich den Anforderungen an eine Steuerung von Supply Chains aus unterschiedlichen theoriegeleiteten Blickwinkeln. Als zentrale Erkenntnisse wurden zum einen die Ableitung eines eigenen Begrififsverstandnisses der Steuerung im Sinne einer ablauforientierten, untemehmensubergreifenden
Managementaufgabe,
zum
anderen die Ubertragung dieses Verstandnisses auf Supply Chains als spezielle strategische Netzwerke festgehalten. Im letzten Abschnitt von Kapitel 2 wurde zudem eine erste Einordnung der Steuerung in ein dreistufiges Ebenenmodell des Supply Chain Managements vorgenommen. Bevor die bislang gewonnen Erkenntnisse in eine integrierte Steuerungskonzeption iiberfuhrt werden, die dem Anspruch an eine wissenschaftliche Fundierung gerecht wird, gilt es, Gestaltungsempfehlungen aus bestehenden Ansatzen, Methoden und Instrumenten fur die Steuerung der Supply Chain-Performance aufzugreifen. Die nachfolgenden Ausfuhrungen zielen somit insgesamt auf die Beantwortung der zweiten Forschungsfrage' der vorliegenden Arbeit ab. Am Anfang steht die Diskussion zentraler Entwicklungspfade, die das zu entwickelnde Konzeptionsverstandnis nachhaltig pragen. Dies sind erstens die mittlerweile etablierten Ansatze des Performance Measurements (Kapitel 3.1). Sie stellen mehrdimensionale, kennzahlengestiitzte Messkonzepte bereit, die hinsichtlich ihrer Ubertragbarkeit auf den interorganisationalen Kontext zu prufen sind. Den zweiten Entwicklungspfad bildet die wertorientierte Untemehmensfuhrung (Kapitel 3.2). Die unter diesem Oberbegriff versammelten Ansatze bieten die Moglichkeit, die bislang meist separat betrachteten Kosten- und Leistungsziele des Supply Chain Managements in eine gemeinsame Zielkategorie der Wertsteigerung einzuordnen. An dritter Stelle sind neben den genannten Entwicklungspfaden auch inhaltlich verwandte Ansatze aus dem Forschungsfeld des Controllings auf ihr Transferpotenzial sowie ihre Abgrenzbarkeit gegentiber dem selbst abzuleitenden Ansatz zu untersuchen (Kapitel 3.3).
3.1. Entwicklungspfad Performance Measurement Seit den 1980er Jahren sieht sich das traditionelle Rechnungswesen zunehmend dem Vorwurf ausgesetzt, die hiformationsbedurfiiisse diversifizierter, marktorientierter Organisationen nur unzureichend zu befriedigen. Insbesondere die weit verbreiteten rechnungswesenbasierten Kennzahlensysteme rucken dabei in den Mittelpunkt der Kritik. Zu den in der Literatur mittlerweile umfassend behandelten Beanstandungen zahlen unter anderem das zu hohe Aggregationsniveau und der zu kurzsichtige Betrachtungshorizont konventioneller ErfolgsVgl. Kapitel 1.]
118
3 Annahening an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
messgrSfien^ verspStete, periodenbezogene Informationsverftigbarkeit\ mangelnder Strategie- und Planungsbezug^, Vemachlassigung extemer Einflussgr66en und Ansp^uchsg^uppen^ ungenugende Abbildung mehrdimensionaler Messgrdfien^ sowie mangelnde „Managementtauglichkeit", z.B. bei der UnterstUtzung von Investitionsentscheidimgen^ oder bei der Kopplung von Ziel- mit Anreizsystemen.* Die genannten Defizite fiihren zu einer Ausdehnimg der Forschungs- und Beratungstatigkeit im Bereich betrieblicher Kennzahlensysteme. Der Terminus „Performance Measurement" hat sich dabei - ausgehend von der englischsprachigen Management-Accounting-Literatur - als SammelbegriflF fiir den Einsatz kennzahlengesttttzter Messkonzepte und -instrumente durchgesetzt.^ MaBgeblich vom hohen Handlimgsdruck der Praxis getrieben, hat sich das Performance Measurement vor ca. 10-15 Jahren als akademisches Aufgabenfeld herauskristallisiert.'° Seit Mitte der 90er ist ein exponentieller Anstieg wissenschaftlicher Beitrage zu diesem Thema zu verzeichnen, der nach wie vor anhalt. Charakteristisch ist dabei der relativ hohe Praxis- bzw. Anwendungsbezug der BeitrSge.*' Im deutschsprachigen Raum wird Performance Measurement seit ca. fiinf Jahren vergleichsweise breit rezipiert. Abbildung stellt dazu ausgewahlte wissenschaftliche Monographien der jiingeren Vergangenheit einander gegeniiber, deren inhaltliche Schwerpunktsetzung anhand ausgewShlter Vergleichskriterien analysiert wird: Zunachst erscheint relevant, in welchem AusmaB die jeweilige Forschungsarbeit zur theoretischen Fundierung des Performance Measurements beitragt. Zwei weitere Kriterien beziehen sich darauf, inwieweit auf den Vergleich existierender Konzepte bzw. auf die Entwicklung eines eigenen Konzeptansatzes abgestellt wird. Angesichts der Anwendungsorientierung des Performance Measurements erscheint es zudem relevant, die Forschungsbeitrage auf Beziige zur Instrumentenentwicklung sowie zur Implementierung zu untersuchen. Eine weitere Kriteriengruppe bildet den Stellenwert ab, den empirische Aspekte einnehmen. Dabei werden quantitative und qualitative Untersuchungsschwerpunkte diflferenziert. AbschlieBend wird auch beriicksichtigt, ob sich der jeweilige Beitrag auf einen bestimmten Anwendimgsbereich (z.B. eine bestimmte Branche) bezieht oder eher allgemeine Aussagen zum Performance Measurement bereit halt (vgl. Abbildung 31).
Chakravarthy (1986), S. 440-445, Anthony/Govindarajan (2001), S. 442, Johnson/Kaplan (1987), S.22, Kaplan/Norton (1992), S. 71, Eccles (1991), S. 132. Vgl. Johnson/Kaplan (1987), S. 22, Hoffmann (2000), S. 22-23, Weber/Schaffer (1999c), S. 333. Vgl. Weber/Schaffer (1999c), S. 333, Hoffinann (2000), S. 23-24, Hammer (2003), S. 519-520. Vgl. MuUer-Stewens (1998), S. 37, Hoffinann (2000), S. 20-21. Vgl. Kaplan/Norton (1992), S. 71, Neely et al. (1995), S. 80. Vgl. Barker (1995), S. 31-32, Eccles (1991), S. 132, Johnson/Kaplan (1987), S. 22. Zur Kritik an rechnungswesenorientierten Kennzahlensystemen vgl, z.B. Johnson/Kaplan (1987), Eccles (1991), S. 132, Kaplan/Norton (1992), S. 71, Ghalayini/Noble (1996), S. 63-65, Ittner/Larcker (1998), S. 205-209, Weber/Schaffer (1999c), Hoffmann (2000), S. 16, S. 333, Gleich (2001a), S. 8-9, Neely et al. (2003), S. 129, Miiller-Stewens/Lechner (2003), S. 697-705 sowie die Aufzahlung in Klingebiel (2000), S. 30. Vgl. Gleich (2001a), S. 11. Vgl. insbes. Eccles (1991), Kaplan/Norton (1992), Lebas (1995), Neely (1995). Vgl. Thorpe/Beasley S. 334, 336 sowie 338.
3.1 Entwicklungspfad Performance Measurement
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Eine erste Analyse zeigt, dass sich ein erheblicher Teil der untersuchten Arbeiten mit mittlerer bis hoher IntensitSt der Darstellung existierender Performance Measurement-Frameworks aus der Untemehmenspraxis widmet. Ein Forschungsbeitrag wird dabei hSufig durch die kompa-
120
3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
rative Beurteilung dieser Frameworks geleistet.'^ Die theoriegeleitete Fundierung des Performance Measurements steht demgegenuber relativ selten im Vordergrund. In vielen Fallen wird eine Ubertragung ausgewahlter Ansatze auf einen speziellen Anwendungsbereich untemommen. Der Fokus liegt dabei jedoch weniger auf einer anwendungsbereichsspezifischen konzeptionellen Weiterentwicklung als vielmehr auf einer methodisch-instrumentellen Konkretisienmg des jeweiligen Ansatzes. Der Prozess der Implementierung der ausgewShlten Performance Measurement-AnsStze wird in den untersuchten Arbeiten meist fallstudienhaft beleuchtet.'^ Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass in der wissenschaftlichen Aufarbeitung des Performance Measurements erheblicher Forschungsbedarf besteht, der sich insbesondere auf die theoriegeleitete Fundierung, auf die konzeptionelle Weiterentwicklimg in neuen Anwendungsfeldem sowie auf die Entwicklung eines verallgemeinerungsfahigen Implementierungskonzepts des Performance Measurements erstreckt. Die nachfolgenden Ausftihrungen greifen den identifizierten Forschungsbedarf auf, indem zunachst als Ausgangspunkt einer literaturgestutzten Analyse eine grundlegende Einordnung des Performancebegriffs erfolgt (vgl. Kapitel 3.1.1). AnschlieBend werden aktuell zur Diskussion stehende Konzeptmerkmale des Performance Measurements anhand mehrerer Entwicklungsphasen nachgezeichnet (vgl. Kapitel 3.1.2). Dabei sind insbesondere jene Weiterentwicklungen von Interesse, die eine Ubertragung des Performance Measurements auf den Anwendungsbereich des Supply Chain Managements moglich erscheinen lassen. Dieser Aspekt wird deshalb im letzten Abschnitt im Rahmen einer Diskussion der Herausforderungen an das Performance Measurement im Supply Chain-Kontext vertieft (vgl. Kapitel 3.1.3). 3.1.1. Grundlegende Einordnung des Performancebegriffs Am Beginn einer Diskussion zum Performance Measurement als relevanter Entwicklungspfad ftir die herauszuarbeitende Konzeption des Performance Managements in Supply Chains bietet sich eine begriffliche Eingrenzung der zentralen Zielkategorie des Performance Measurements an. Aus diesem Grund soil im Folgenden die „Performance" zunachst losgelost vom Kontext ihres „Measurements" diskutiert werden. Performance ist weder als englischsprachiger Fachbegriff eindeutig belegt noch erfahrt der Ausdruck in der deutschen Sprache eine einheitliche Explikation.''' Da eine Verdichtung bzw.
Vgl. u.a. Klingebiel (2000). Vgl. Hieber (2002), der sich als zweite wissenschaftliche Monographic neben Erdmaim (2003) mit der Ausgestaltimg des Performance Measurements in Supply Chains befasst. Vgl. zu dieser Kritik auch Ittner/Larcker (1998), S. 205. Vgl. in der deutschsprachigen Literatur Griming (2002), S. 4, Hoffmann (2000), S. 7-11, Riedl (2000), S. 17, Erdmann (2003), S. 94, Gleich (2001a), S. 34, Hauber (2002), S. 52-53, Schomann (2001), S. 108, Schrank (2002), S. 8-14. Vgl. in der englischsprachigen Literatur Lebas/Euske (2002), S. 68.
3.1 Entwicklungspfad Performance Measurement
121
Konsolidierung unterschiedlicher Definitionsansatze nicht zielfuhrend erscheint/^ wird im Folgenden ein fur die vorliegende Arbeit zweckmSfiiges Performanceverstandnis uber die systematische Ableitung relevanter Begriffsinhalte herausgearbeitet.^^ Ein in der Literatur haufig beschrittener Weg zur Klarung des PerformancebegrifFs fuhrt iiber den Begriff der Leistung. Dieses Vorgehen erscheint insofem sinnvoll, als Performance in der einschlagigen deutschsprachigen Literatur oft explizit^^ bzw. implizit^^ mit Leistung gleichgesetzt wird.*^ Leistung wird teilweise mit stark dififerierenden Inhalten belegt:^^ • Aus etymologischer Sicht wurde das Wort „leisten" ursprunglich im Sinne von „befolgen", „nachkommen" oder „eine Pflicht tun" verwendet. Mittlerweile hat Leistung einen Bedeutungswandel von der ursprunglichen Bedeutung, die Leistung als Tatigkeit versteht („etwas leisten"), zu einem ergebnisorientierten Begriffsinhalt („Leistung erbringen") erfahren.^^ • Im Zuge der Industrialisierung wurde die personenbezogene Bedeutung des Leistungsbegriffs zunehmend von einer Orientierung am physikalischen Leistungsverstandnis abgelost?^ Dieses defmiert Leistung als Produkt aus Kraft in der Wegrichtung und zuruckgelegtem Weg (=Arbeit) pro Zeiteinheit. Arbeit kann dabei mechanische, chemische, thermische Oder elektrische Dimensionen aufweisen.^^ • Die Volkswirtschaftslehre bezeichnet Leistung als Wert eines Skonomischen Gutes, gemessen am erzielten oder zu erzielenden relativen Marktpreis. Eine technische Leistung erhalt unter dieser marktwirtschaftlichen Betrachtung somit erst durch die Existenz eines Nachfragers einen okonomischen Leistungswert. Insofem verwendet die Volkswirtschaftslehre ein auf den Erfolg bestimmter AktivitSten fokussiertes Leistungsverstandnis,^"^
Vgl. beispielhaft die Performancedefinitionen bei Hoffmann (2000), S. 8 („Unter Performance wird der bewertete Beitrag zur Erreichung der Ziele einer Organisation verstanden. Dieser Beitrag kann von Individuen und Gruppen von Mitarbeitem innerhalb der Organisation sowie von extemen Gruppen (wie z.B. Lieferanten) erbracht werden."), Riedl (2000), S. 17 („Unter Performance soUen [...] untemehmungszielbezogene Aktionen sowie output- und inputerfassende, bereits realisierte oder zukunftsorientierte Ergebnisse unternehmungszielbezogener Aktionen einer Untemehmung, ihrer Subsysteme und Mitarbeiter verstanden werden.") sowie Erdmann (2003), S. 94 („Performance ist der Beitrag zur Erreichung der Ziele einer Organisation, wobei der Beitrag von unterschiedlichen Objekten (z.B. Untemehmenskooperationen, Untemehmen, Abteilungen, Prozessen und Mitarbeitem) erbracht werden kann."). Vgl. zu den folgenden Ausftihrungen insbesondere Stolzle/Karrer (2002), S. 61-64 sowie Stolzle/Karrer (2004a), S. 237-241. Vgl. Munari/Naumann (1984), S. 855 sowie Hoffmann (2000), S. 8. Vgl. Klingebiel (2000), S. 1, Gleich (2001a), S. 39 sowie Griining (2002), S. 4. Vgl. zur Abgrenzung von Leistung und Perfomance in der deutschsprachigen Literatur auch Riedl (2000), S. 16, der eine Gleichsetzung der beiden Begriffe als zu reduktionistisch im Hinblick auf den Performancebegriff beurteilt. In der englischsprachigen Literatur steUt sich zwar die Ubersetzungsproblematik nicht. Dennoch wird der Performancebegriff auch dort mit stark unterschiedlichen Inhalten belegt, was von den englischsprachigen Autoren kaum thematisiert wird, vgl. zu dieser Kritik Lebas (1995), S. 23. Vgl. Becker (1994), S. 14, Wickinghoflf (1999), S. 19, Hoffinann (2000), S. 7 sowie Gleich (2001a), S. 34. Vgl. zum Ursprung des Leistungsbegriffs insbes. Becker (1994), S. 13. Zu einer umfassenden Beschreibung der Leistungsauffassungen in unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen vgl. Becker (1994), S. 16-37 und die dort zitierte Literatur. Vgl. Dom/Bader (2003), S. 94, Becker (1994), S. 17-18. Vgl. Becker (1994), S. 30.
122
3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
Auch innerhalb der Betriebswirtschaftslehre wird der LeistungsbegrifFkontrovers diskutiert.^^ Exemplarisch seien mit Produktionswirtschaft, Controlling und Logistik drei betriebswirtschaftliche Teildisziplinen herausgegrififen, welche aus ihrem jeweiligen Blickwinkel einen Erklamngsbeitrag zum herauszuarbeitenden Performanceverstandnis liefem.^^ • Die Produktionswirtschaft lehnt sich an die physikalische Definition an und fasst Leistung als geleistete Arbeitseinheit pro Zeiteinheit auf ^^ Eng mit dem Leistungsbegriffverbunden ist der Begriff der Effizienz, der eine technische und wirtschaftliche Komponente aufweist. Unter technischer Effizienz bzw. ProduktivitSt wird das VerhSltnis von realer Ausbringungsmenge (Output) zu realer Einsatzmenge (Input) verstanden.^* Okonomische Effizienz bzw. Wirtschaftlichkeit nimmt darauf aufbauend eine Bewertung von In- und Output uber die Zuschreibung von Kosten und ErlSsen bzw. Aufwand und Ertrag vor.^^ • Der im Controlling verwendete Leistungsbegriff entstammt dem intemen Rechnungswesen, wo er meist als Bestinmiungsgr66e fur Kosten bzw. als Mengenkomponente von Erlosen verwendet wird. Die Literatur zum Controlling beanstandet dies teilweise als zu eng gefasste Sicht, die sich in einer ungerechtfertigten Benachteiligung der Leistungsrechnung gegeniiber der Kostenrechnung widerspiegelt.^'^ • Die betriebswirtschaftliche Logistik trSgt vomehmlich uber die Differenzierung unterschiedlicher Kategorien logistischer Leistungen (z.B. Leistungsarten oder Leistungsebenen) zur BegriffsklSrung bei.^^ Ein relativ breit rezipierter Vorschlag unterscheidet eine potenzialorientierte, prozessorientierte, ergebnisorientierte sowie wirkungsorientierte Ebene der Logistikleistung (vgl. Abbildimg 32).^^
Vgl. insbes. Becker (1994), S. 38-69, der sich intensiv mit dem betriebswirtschaftlichen Leistungsverstandnis auseinandersetzt. Vgl. auch Weber (2004c), S. 233-236 sowie Riedl (2000), S. 16 und die dort zitierte Literatur. Vgl. Gleich (2001a), S. 36. Eine sog. Leistungsgradbeurteilung findet z.B. im Rahmen einer Zeitaufiiahme nach dem REFA-Verfahren start, indem die gemessene Ist-Leistung eines Arbeitsprozesses mit einer a prio definierten Normalleistung verglichen wird. Vgl. hierzu Kupper/Helber (2004), S. 133-134. Vgl.Corsten(2004),S.43. Vgl. Gleich (2001a), S. 38-39 sowie die dort zitierte Literatur. Daneben existieren eine Reihe weiterer Ansatze zur Effizienzmessung, unter anderem das Konzept der sozialen und Okologischen Effizienz. Ein Untemehmen gilt als sozial effizient, wenn es ihm gelingt, den Zielvorstellungen seiner Mitarbeiter und relevanter Interessensgruppen aus der Untemehmensumwelt zu entsprechen. Als Okologisch effizient gilt es, wenn es mit Hilfe einer geeigneten Produktions- bzw. Prozesstechnologie die Umweltbelastungen bei der Leistungserstellung zu minimieren vermag, vgl. Pfohl (2004a), S. 41. Diese Kritik ist insbesondere im Zusammenhang mit dem Logistikcontrolling relevant, vgl. Kapitel 3.3.2. Vgl. zur Leistungsrechnung Weber (2004c), S. 231-236, der mehrere Einsatzm6glichkeiten fur Leistungen innerhalb der Leistungsrechnung identifiziert, z.B. Leistung als Mafigr66e ftir nicht-monetare Ziele, als Grundlage der Leistungsplanung, als Basis von KontroUen, als Motivationsinstrument, als Mengenkomponente fiir Erl6se, als Kalkulationsobjekt fUr Kosten oder als Grundlage der Kostenkategoriebildung. Vgl. Pfohl (2004a), S. 285 sowie Weber/Kummer (1998), S. 116. Vgl. Pfohl (2004a), S. 24, Gopfert (2000), S. 300, Weber (2002b), S. 65. Wahrend Pfohl (2004a) und GSpfert (2000) auf drei Leistungsebenen abstellen, unterscheidet Weber (2002a), S. 118, neben der ergebnisbezogenen (ou^w/bezogene) Leistungsebene noch eine wirkungsorientierte (outcowebezogene) Leistungsebene. Auch Ihde (2001), S. 333, berucksichtigt die wirkungsorientierte Ebene und weist auf ihre Bedeutung bei der Integration untemehmensextemer Informationen in die Logistikkosten- und Leistungsrechnung hin.
3.1 Entwicklungspfad Performance Measurement
123
Die potenzialorientierte Leistung bildet als faktorbezogene Kategorie die Grundvoraussetzung fiir die DurchfUhrung von Prozessen.^^ Leistung im Sinne von „Potenziar* umschliefit zum einen die Leistxmgsfdhigkeit, die sich sowohl auf die Bereitstellung von quantitativen Kapazitaten (z.B. das Vorhandensein von Produktions- und Lagerkapazitaten) als auch auf die qualitative Kapazitat der Mitarbeiter eines Untemehmens (z.B. fachliches Know-how) bezieht.^"* Zum anderen umfasst die Potenzialorientierung auch die LQistangsbereitschaft im Sinne der situativen Verfiigbarkeit der Leistungsfahigkeit (z.B. terrain- und ortsgerechte Verfugbarkeit von TransportkapazitSten).^^ Leistungsebenen Potenzialorientierte Leistung
Input
Leistungsindikatoren (am Beispiel Wareneingang) - Freie Umschlagskapazitaten - Geleistete Personalstunden - Uberstundenquote
Prozessorientierte Leistung
Prozess („Throughput")
- Anzahl Picks/Scans - Betriebsstunden der Umschlagsanlagen - Verhaltnis Max-Stunden zu Min-Stunden einer Schicht
Ergebnisorientierte Leistung
Output
- Anzahl abgefertigter Ladeeinheiten - Anzahl beschadigter Ladeeinheiten - Anzahl Erfassungsfehler
Wirkungsorientierte Leistung
Outcome
- Verfugbarkeit gegeniiber der Produktion - Anzahl von Storungen in der Produktion
Abbildung 32:
Logistische Leistungsebenen am Beispiel des Bereichs Wareneingang Quelle: In Anlehnung an Weber (2002a), S. 118, Pfohl (2004b), S. 249 sowie Ihde (2001), S. 332-333
Das prozessorientierte Leistungsverstandnis betrachtet den Leistungsprozess per se, im Rahmen dessen eine Zusammenfuhrung der intemen Produktionsfaktoren (u.a. Leistungsfahigkeit und -bereitschaft) sowie des extemen Faktors (z.B. des Nachfragers als Person oder eines in den Prozess eingebrachten Verfugungsobjekts) stattfmdet. Die prozessbezogene Leistungsebene dient somit insbesondere der operativen Einsatzplanung und Prozesssteuerung.''
Vgl. Pfohl (2004a), S. 24, Weber/Kummer (1998), S. 116, Gopfert (2000), S. 291. Vgl. Kupper/Helber (2004), S. 56. Vgl. zu Leistungsfahigkeit und Leistungsbereitschaft Corsten (2004), S. 267-270. Vgl. G6pfert (2000), S. 291. Nach dem Leistungsinhalt konnen z.B. physische und operative Logistikleistungen (z.B. Transport-, Lager- und Umschlagsvorgange), administrative Logistikleistungen (z.B. Bestelldisposition, Wareneingangserfassung, Versanddisposition) und dispositive Logistikleistungen (z.B. Materialflussplanung, Fiihrung logistischer Bereiche) difFerenziert werden. Vgl. dazu Siepermann (2003), S. 1015.
124
3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
Drittens kann Leistung als Ergebnis des Leistungserstellungsprozesses interpretiert werden. Dieses auch in der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre vorherrschende Leistungsverstandnis bezieht sich sowohl auf mengenmafiige Ergebnisse (wie z.B. produzierte Sach- und Dienstleistungen, vollzogene Raum-/Zeitveranderung) als auch auf wertmaBige Ergebnisse (z.B. den erzielten WertschQpfungsbeitrag).^^ Viertens bezieht sich die wirkungsorientierte Leistungsebene in der Logistik auf die Konsequenzen der Leistungserstellung (wie z.B. Verfiigbarkeiten, Lieferservicegrade). Diese manifestieren sich haufig erst auBerhalb des unmittelbar betrachteten Logistiksystems, so dass im Zuge einer Leistungsoptimierung auf exteme Informationen (z.B. Bestandskosten bei Lieferanten und Abnehmem, Verfugbarkeit der Ware am POS) zuruckgegriffen werden muss.^* Welche Leistung(seben)en bei der Ausgestaltung einer Logistikkostenrechnung beriicksichtigt werden, hangt zum einen von den spezifischen Merkmalen des betreflfenden Logistiksystems, zum anderen von den strategischen Zielen ab, zu deren ErfuUung die Logistik beitrSgt.^^ Haufig ist festzustellen, dass die Entscheidungsrelevanz insbesondere der wirkungsorientierten Leistungsebenen in der Untemehmenspraxis nicht ausreichend beriicksichtigt wird, da zwischen einer isolierten VeranderungsmaBnahme (z.B. Abwalzung der eigenen Lagerhaltung auf einen Lieferanten) und deren langfristigen Auswirkungen auf das gesamte Logistiksystem (z.B, hoheres Beschaffiingsrisiko) oft nur ein indirekter Wirkungszusanmienhang besteht.'*® Das zu entwickehide Performanceverstandnis baut auf den mehrschichtigen Leistungsbegriff auf und erweitert diesen. Als maBgebliche Erweiterungen werden insbesondere folgende begriffsbildende Charakteristika der Performance verstanden, die zwar vielfaltige Verflechtungen miteinander aufweisen, fur sich genommen jedoch jeweils eine spezifische Eigenschaft der Performance in den Vordergrund stellen:'*^
Vgl. Dyckhoff (2000), S. 188. Der mengenmaBige Leistungsbegriff hat in der neueren Literatur zunehmend den wertmafiigen Leistungsbegriff abgeldst. Wahrend unter Leistung nunmehr das Mengengeriist, also die mengenmafiige Ausbringung einer Periode, verstanden wird, wird die wertmafiige Ausbringung als Erlos bezeichnet. Vgl. zum ErlSsbegriff auch Siepermann (2003), S. 1015. Erganzend ist anzufiihren, dass Leistung in der Literatur teilweise auch als Kombination von Leistungserstellungsprozess und Ergebnis aufgefasst wird. Der Vorteil dieses synthetischen Ansatzes besteht in einer Reduktion der Begriffsvielfalt durch die Zusammenfuhrung der Leistungskomponenten „Tatigkeit" und ,JErgebnis". Eine Fusion beider Bedeutungsinhalte innerfialb des Leistungsbegriffes ist jedoch insofem kritisch zu sehen, als Tatigkeit und Ergebnis in der Praxis auseinander fallen kOnnen. So kann ein aus Prozesssicht positiver Arbeitseinsatz (z.B. ein hoher Anstrengungsgrad bei der Erstellung einer Dissertationsschrift) unter Umstanden zu einem negativen Endergebnis fiihren (uber eine schlechte Beurteilung). Vgl. Ihde (2001), S. 333. Vgl. ahnlich Pfohl (2004b), S. 248. Vgl. Ihde (2001), S. 333. Vgl. zu einer Ubersicht unterschiedlicher Wirkungskategorien (z.B. Richtung, Intensitat, Dynamik, Interdependenz) Schuderer (1996), S. 118-120. Vgl. zu den folgenden Ausfiihrungen, falls nicht anders angegeben, Karrer (2003a), S. 107-123.
3.1 Entwicklungspfad Performance Measurement
125
• Effizienz- und Effektivitatsorientierung der Performance, • Mehrdimensionalitat der Performance sowie • Zukunfts- und Potenzialorientierung der Performance. Das Charakteristikum der Effizienz- und Effektivitatsorientierung der Performance impliziert, dass Performance keine absolut zu erreichende Leistungskategorie darstellt, sondem im Sinne einer VerhaltnismaBgroBe mehrere Eingangsgrofien einander komparativ gegenuberstellt."^^ Dies gilt sowohl fur die Effizienz- als auch fur die Effektivitatskomponente, welche beide in den Performancebegriff eingegliedert und damit zu Zielkategorien des Performance Measurements werden."*^ Innerhalb der Effizienzkomponente ist haufig das Verhaltnis von Input zu Output eines Kombinationsprozesses primarer Betrachtungsgegenstand.'*'* Dabei steht das Bestreben im Vordergrund, einen vorgegebenen Output mit moglichst geringem Input bzw. Ressourceneinsatz zu erreichen."^^ Weitergehende Effizienzinterpretationen beziehen neben dem Ressourceneinsatz auch die Beurteilung relevanter Nebenfolgen in den EfFizienzbegriff ein. Diese sind insbesondere im Hinblick auf den 6kologischen EfFizienzbegriff von Relevanz, stehen jedoch nicht im Mittelpunkt der hier angestellten Uberlegungen."*^ Als besonders fiir das Supply Chain Management relevante PerformancegroBen der Effizienzkomponente konnen der Nutzungsgrad als EffizienzmaB fiir den Ressourceneinsatz (Verhaltnis von tatsachlichem Input zu verfiigbarem Input) sowie die Produktivitat als EffizienzmaB fiir die Prozessdurchftihrung (Verhaltnis von tatsachlichem Output zu tatsachlichem Input) voneinander unterschieden werden."*^ Mit der Effektivitatskomponente inkludiert der Performancebegriff das ergebnisorientierte Leistungsverstandnis und erweitert dieses um den wesentlichen Aspekt der Zielrelativitat.'** Performance bezieht sich somit nicht nur auf die mengen- oder wertmaBigen Ergebnisse eines Kombinationsprozesses, sondem stellt diese den gewiinschten bzw. geplanten Ergebnissen gegeniiber, wird also auch durch die Zielstellung beeinflusst (vgl. Abbildung 33).
Vgl. zur Effizienz und Effektivitat als Aspekte der Performance z.B. Mentzer/Konrad (1991), S. 34, Neely et al. (1995), Lebas/Euske (2002), S. 68, Stolzle/Karrer (2004a), S. 240, Reiner (2004), S. 227, Seidl (2002), S. 29-30. Vgl. z.B. die haufig zitierte Definition des Performance Measurements von Neely et al. (1995), S. 80-81: ,J*erformance measurement can be defined as the process of quantifying the efficiency and effectiveness of action." Zu einem Uberblick zur breit gefacherten Verwendung des Effizienzbegriffs in der betriebswirtschaftlichen Literatur vgl. Ahn (2003), S. 90-92. Vgl. Gladen (2003), S. 30 sowie S. 63, Gleich (2002), S. 447. Vgl. DyckhofFGilles (2004), S. 779. Vgl. Abbildung 34. Vgl. Stolzle/Karrer (2004a), S. 240.
126
3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
Zieldimension
Ergebnis^
•
Abbildung33:
Zeit
Performance als Zielerreichungsgrad Quelle: Gruning (2002). S. 5
Wird der Effektivitatsbegriff im Sinne eines Zielerreichungsgrades verwendet, der die relative Effektivitat im Gegensatz zu einer absoluten EffektivitSt in den Vordergrund stellt/^ Es gilt, jene Outputs, die sich zur ErfuUung iibergeordneter Zielsetzungen (z.B. der strategischen Untemehmensziele) als zweckmaBig erweisen, zu identifizieren, ihren Zielerreichungsgrad zu messen und diesen gegebenenfalls anzupassen.^^ Zusanmienfassend konmit mit der Eingliederung der EfFizienz- und Effektivitatskomponente in den Performancebegriff der Anspruch des Performance Measurements zum Ausdnick, Ressourceneinsatz, Leistungserstellungsprozess und die Erreichung von Untemehmenszielen in ein integriertes Messkonzept zu iiberfiihren (vgl. Abbildung 34). Die Verankerung eines mehrdimensionalen Performanceverstandnisses in der Untemehmenssteuerung zahlt zu den zentralen Forderungen der Performance Measurement-Forschung.^* Eine Reihe von praxisbezogenen Methoden und Instrumenten des Performance Measurements, wie z.B. das vielbeachtete Konzept der Balanced Scorecard, verfolgen das Ziel, durch die Differenzierung unterschiedlicher Messperspektiven die Berucksichtigung von mehrdi-
Vgl. Otto (2002a), S. 279, Griining (2002), S. 5, Schrank (2002), S. 12, Gladen (2003), S. 132, Reiner (2004), S. 227. Vgl. zur Unterscheidung von absoluter und relativer Effektivitat Dyckhoffi'Gilles (2004), S. 779-780. Vgl. zur Effektivitat als Zielerreichungsgrad auch Otto (2002a), S. 279, Gladen (2003), S. 132. Vgl. zur ahnlich gelagerten Interpretation der Effektivitat als Zweckmafiigkeit Ahn (2003), S. 92. Die Messung der Effektivitat von Organisationen erweist sich als nicht unproblematisch. Zu den am haufigsten zitierten Problemen zahlen unter anderem die hohe Subjektivitat der Effektivitat, die wechselnde Belegung des Effektivitatsbegriffs in unterschiedlichen Organisationstheorien sowie die mangelnde Eingrenzbarkeit relevanter Effektivitatskriterien. Vgl. dazu uberblicksweise Cameron (1986), S. 87-88. Vgl. Hoffmann (2000), S. 17, Gruning (2002), S. 6, Gleich (2001a), S. 39 sowie Schrank (2002), S. 69, Chan/Qi (2003a), S. 212.
127
3.1 Entwicklungspfad Performance Measurement
mensionalen Performancezielen abzubilden." Vordergriindig wird damit zumeist die verstarkte Berucksichtigung von nicht-monetaren Kennzahlen in der Untemehmenssteuemng verbirnden.^^
Performance
Effizienz
Nutzungsgrad
Produktivitat
Effektivitat
Tatsdchlicher Input
Tatsachlicher Output
Tatsachlicher Output
VerfOgbarer Input
Tatsdchllcher Input
Geplanter Output
Ressourceneinsatz
WertschepfungsProzess
Zielerreichung
Abbildung 34:
Effizienz- und Effektivitdtsdimension der Performance Quelle: Eigene Darstellung mitlmpulsen aus Caplice/Sheffi (1994), S. 19
Bei etwas differenzierterer Betrachtxing bezieht sich die Mehrdimensionalitat auf die unterschiedlichen Zielkategorien, die in den Performancebegriff einfliefien. Hierbei erscheint insbesondere die Unterscheidung von Formalzielen und Sachzielen relevant. Formalziele weisen einen hierarchisch hoheren Stellenwert als Sachziele auf und sind mit diesen uber Zweck-Mittel-Beziehungen verkniipft. Das jeweils untergeordnete Sachziel nimmt dabei die Funktion eines Mittels gegenuber dem eigentlichen Zweck, dem Formalziel, ein.^"* Haufig stellen Formalziele - insbes. das Erfolgs- und das damit eng verkniipfle Liquiditatsziel einen „erwunschten geldwerten Zustand"^^ einer wirtschaftlichen Einheit dar und stehen somit far eine monetare ErgebniszielgroBe. Sachziele (z.B. Produkt-, Kundenzufriedenheits- oder Prozessziele) weisen im Performance Measurement deshalb eine hohe Bedeutung auf, well sie als nicht-monetare Ziele neben dem mengenmSfiigen Ergebnis der Leistungserstellung auch Aussagen zum Grad der Prozessbeherrschung sowie zu Erfolgspotenzialen bereithalten.^^ Um einen Bezug zu den fmanziellen Formalzielen der Organisation herzustellen, muss Sachzielen ein bestimmter Wert zugeschrieben werden. Dies stellt insbesondere bei Sachzielen, die sich nicht auf das Ergebnis der Leistungserstellung, sondem auf den Aufbau von Kompetenzen
Vgl. Kaplan/Norton (1992), S. 72, die eine Aufteilung erfolgsrelevanter Kennzahlen auf die Perspektiven , J'inanzen", „Kunden", „inteme Prozesse" sowie „Lemen und Entwicklung" vorschlagen. Vgl. Eccles (1991) sowie die Ausffihrungen zur inhaltlichen Ausdifferenzierung des Perfonnance Measurements in Kapitei 3.1.2.3. Vgl. Welge/Al-Laham (2001), S. 109-119. Gladen(2003),S.31. Vgl. Gladen (2003), S. 29-31.
128
3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
bzw. (Erfolgs)Potenzialen beziehen, eine Herausforderung dar. Diesen liegen sog. „Intangible Assets" zu Grunde, die verschiedenste Messdimensionen au^eisen konnen, subjektiv unterschiedlich bewertet warden und sich meist nur indirekt - uber komplexe UrsacheWirkungsbeziehimgen - auf finanzielle ErgebnisgroBen auswirken." Ein weiteres Charakteristikum der Performance besteht in ihrer ,^ukunfts- und Potenzialorientierung".^* Im Kern steht dabei die Aussage, dass Performance kein „one-time event"^^ darstellt, sondem - um in der Terminologie eines Zielerreichungsgrads zu bleiben - beschreibt, inwieweit ein Untemehmen heute in der Lage ist, seine zukunftigen Ziele zu erreichen. Ein Beschrankung auf die Betrachtung der ergebnisorientierten Leistungsdimension, wie sie in der Untemehmenspraxis vorherrscht, fuhrt hier zu keinen neuen Erkenntnissen, da eine Beurteilung der Ergebnisse vergangener Tatigkeiten nur Auskunft iiber vergangene Performance bzw. im besten Fall - z.B. bei einer Performancemessung in Echtzeit - uber die gegenwartige Performance geben kann.^ Als praktikabler Ausgangspimkt ftir ein zukunftsorientiertes Performanceverstandnis erweist sich demgegeniiber das prozessbezogene Leistungsverstandnis, da darin aktuelle Tatigkeiten im Vordergrund stehen, die als potenzielle Ergebnisse in die zukunftige Performance einflieBen. Der Betrachtungsfokus des Performance Measurements verschiebt sich dabei von periodenbezogenen, riickblickenden ErgebnisgrOBen auf die Messung von Fruhindikatoren und TreibergroBen.^^ Ein Grundproblem der zukunftsorientierten Performancemessung stellt dabei die Unsicherheit iiber zukunftige Handlungsaltemativen dar.^^ Forschungsseitig existieren Vorschlage, diese Unsicherheit iiber die explizite Beriicksichtigung der „Potenzialitat" als Performancebestandteil zu erfassen.^^ Ein weiteres, mit der Unsicherheit eng verbundenes Problemfeld besteht in dem zeitlichen Auseinanderklaffen von Ursache (aktuelle Tatigkeit) und Wirkung (potenzielle, zukiinftige Performance).^ Teilweise wird auch vorgeschlagen, die Potenzialitat iiber ein LatenzmaB zu beriicksichtigen, welches sich aus der Verknupfimg von aktuellen FShigkeiten und deren potenziellen Ergebnissen ableitet. Die potenzielle bzw. zukiinftige Performance lieBe sich somit theoretisch aus der gegenwartigen Performance unter Beriicksichtigung des genannten LatenzmaBes ermitteln.^^ Im Anwendungsbereich des Supply Chain Managements fiihrt die wachsende Bedeu-
Vgl. Kaplan/Norton (2004a), S. 52 und 54, Gladen (2003), S. 30, MuUer-Stewens/Lechner (2003), S. 703. Vgl. zur Messung von intangiblen Ressourcen auch MQller (2004), Helm/Meiler (2004) sowie Neely et al. (2004). Vgl. Lebas (1995), S. 23, sowie Riedl (2000), S. 17. Lebas/Euske (2002), S. 72. Vgl. Riedl (2000), S. 17. Vgl. Stdlzle/Karrer (2004b), S. 174-175, Lebas (1995), S. 23, Lebas/Euske (2002), S. 72, Riedl (2000), S. 16. Vgl. Kapitel 2.2.1.3. Vgl. Stainer/Nixon (1997), S. 489. Vgl. Hauber (2002), S. 96. Vgl. Stainer/Nixon (1997), S. 489, die das LatenzmaB als Quotient von aktuellen Fahigkeiten und zukiinftigen Ergebnissen beschreiben. Eine direkte mathematische Verknupfimg erscheint jedoch auf Grund der unterschiedlichen Dimensionen von Fahigkeiten und Ergebnissen problematisch, weshalb an dieser Stelle auf einen reinen Wirkungszusammenhang zwischen aktuellen, momentan noch unausgesch6pfl;en Fahigkeiten und deren potenziellen, zukunfl:igen Ergebnissen abgestellt wird.
3.1 Entwicklungspfad Performance Measurement
129
tung der Zukunfts- und Potenzialorientierung zu einer Aufwertung der Dimensionen Zeit und Flexibilitat in der Performancemessung, wie aktuelle Arbeiten zum prozessorientierten Zeitmanagement oder zum Time Based Performance Management zeigen.^^ Zusammenfassend lassen sich aus den bisherigen Uberlegungen folgende Aussagen zum PerformancebegriflF treflfen: • Performance umschlieBt den betriebswirtschaftlichen Leistungsbegriff und erweitert diesen. Demnach bezieht sich Performance sowohl auf die betriebliche Tatigkeit per se (prozessorientiertes Leistungsverstandnis) als auch auf deren Ergebnisse (ergebnisorientiertes Leistungsverstandnis). • Effektivitat und Effizienz sind zentrale Elemente der Performance. Im Unterschied zur hSufig anzutreffenden „Effizienzlastigkeit" im betriebswirtschaftlichen Leistungsbegriff erfahrt die Effektivitat als Zielerreichungsgrad im hier postulierten Performanceverstandnis verstarkt Beachtung. • Die inhaltliche Breite und Tiefe des Performancebegriffs gehen iiber die Betrachtung monetarer Formalziele hinaus. Ein mehrdimensionales Performanceverstandnis erfordert demgemaB die Integration mehrdimensionaler Sachziele. • Performance weist einen Zukunfts- und Potenzialbezug auf, indem die ZielgroBen zur aktuellen Leistungsfahigkeit und -bereitschaft in das vorliegende Performanceverstandnis einfliefien. 3.1.2. Konzeptmerkmale und Entwicklungsphasen des Performance Measurements Eine klare Abgrenzung des Performance Measurements erweist sich als nicht unproblematisch, da - einhergehend mit der oben diskutierten Vielfalt des Performancebegriffs - auch zum Performance Measurement unterschiedliche Defmitionsansatze vorliegen.^^ Hinsichtlich seiner grundlegenden Aufgaben lassen sich zwei Schwerpunktbereiche eingrenzen. Weitgehend konsensfahig ist die Aufgabe der Messung und Beurteilung von Performance.^^ Daruber
Vgl. zur Planung und Kontrolle von Zeitzielen innerhalb eines prozessorientierten Zeitmanagements Schafer (2001), S. 276-311. Vgl. zum Konzept des Time Based Performance Management in der Logistik Haage (2003). Vgl. zur wachsenden Bedeutung des Flexibilitatsziels auch die Ergebnisse der eigenen empirischen Untersuchung in den Kapiteln 5.2 und 5.3. Von dem prozessualen Charakter, der damit dem Performance Measurement zu Grunde gelegt wird, wird das Performance Measurement System unterschieden, welches als „the set of metrics used to quantify both the efficiency and the effectiveness of action" defmiert wird, vgl, zu beiden Defmitionen Neely et al. (1995), S. 80-81. Eine weit verbreitete Definition des Performance Measurements von Neely et al. (1995), S. 80-81, bezeichnet dieses als „the process of quantifying effectiveness and efficiency of action" und legt damit dem Performance Measurement einen weitgehend prozessualen Charakter zu Grunde. Vgl. auch die ahnlich gelagerten Defmitionsansatze von Riedl (2000),S. 18, Gleich (2001), S. 11-12, Schomann (2001), S. 110, Hauber (2002), S. 55, Binder (2003), S. 30, Erdmann (2003), S. 63, Haage (2003), S. 48 sowie Snethlage (2004), S. 28.
130
3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
hinaus ordnen mehrere Autoren auch die Aufgabe des Aufbaus eines kennzahlengesttitzten Messsystems dem Performance Measurement zu. ^^ Die heutige AusprSgung des Performance Measurements kann als das Ergebnis eines mehrjahrigen und inmier noch andauemden Entwicklungsprozesses angesehen werden. Dabei ist ein Bedeutungszuwachs des Performance Measurements fur die Untemehmenspraxis festzustellen, der mittlerweile auch von einer Reihe empirischer Studien bestatigt wird/" Abbildung 35 visualisiert die inhaltliche AusdiflFerenzierung des Gegenstandsbereichs des Performance Measurements im Zeitverlauf Aufgrund der nicht immer gegebenen TrennschSrfe zwischen einzelnen Entwicklungsphasen ist der dargestellte Zeitstrahl bewusst unscharf ausgepragt.
Konzeptumfang des Performance Measurement
Ausdehnung auf spezifische Anwendungsbereiche (z.B. SCM) Einbindung in prozessuales Managementkonzept Fokussiemng auf wertorientierte Ziele -
Ausgewogenheit der Perfomnancemessung Strategieanbindung Ursache-Wirkungsbeziehungen Anwenderspezif. Aufbereitung u. Visualisierung
- Nicht-monetdre Leistungsindikatoren - Erweiterte Anfbrderungen an die Eigenschaften von Kennzahlen Monetare, buchhalterische Leistungsgr()(len 1970er
1980er: Entwicklungsphase 1
Abbildung 35:
1990er: Entwicklungsphase 2
Aktuell: Entwicklungsphase 3
Ansdifferemierung der Konzeptmerkmale des Performance Measurements Quelle: Eigene Darstellung mit Impulsen aus Klingebiel (2001), S. 389
3.1.2.1. Entwicklxmgsphase 1: Berucksichtigung nicht-monetarer MessgroBen Am Ausgangspunkt der zuweilen etwas euphorisch als „Performance Measurement Revolution"^' bezeichneten ersten Entwicklungsphase des Performance Measurements (vgl. Abbildung 35) steht ein zunehmender Veranderungsdruck auf das „Management Accounting" in US-amerikanischen bzw. auf das rechnungswesengestiitzte Controlling in europaischen Untemehmen. Obwohl empirische Untersuchungen belegen, dass seitens der Entscheidungstrager ein hoher Bedarf nach nicht-monetaren Informationen wie z.B. Kundenzufriedenheit,
Vgl. unter anderem die Definitionsansatze von Gleich (2001), S. 11-12, Binder (2003), S. 30, Erdmann (2003), S. 63, Haage (2003), S. 48. Vgl. z.B. die Studien von Gleich (2001a) sowie Griining (2002). Vgl. auch Keebler (2000), Schomann (2001) Oder Haage (2003). Vgl.Eccles(1991), S. 131.
3.1 Entwicklungspfad Performance Measurement
131
Produktivitat oder Innovations- und Wandlungsfahigkeit besteht, basieren ein Grofiteil der existierenden Entscheidungsunterstiitzungssysteme auf finanziellen Messgrofien.^^ Die resultierenden Verbesserungsansatze, die sich unter dem Oberbegriff Performance Measurement zusammenfassen lassen, beinhalten zunachst hauptsachlich die Erganzung des monetSren MessgroBenportfolios um nicht-monetare Kennzahlen.^^ Dieser Prozess wurde mafigeblich von zwei Managementstromungen begleitet. Zum einen fuhrte die wachsende Popularitat von QualitatsansStzen wie dem Total Quality Management zur starkeren Berucksichtigung von intemen Prozesskennzahlen wie Fehlerquoten, Riist- und Durchlaufzeiten oder Produktqualitat.^"^ Zum anderen erhohten die starkere Wettbewerbsintensitat auf EndkundenmSrkten und der damit einhergehende Bedeutungszuwachs des Marketings die Bedeutung marktorientierter Messgrofien wie Kundenzufriedenheit, Marktanteil, Time to Market oder Anzahl neuer Produkte.^^ Einhergehend mit der Ausdehnung des MessgrSBenportfolios werden zunehmend auch erweiterte Anspriiche an die Eigenschaften von Kennzahlen und Kennzahlensystemen gestellt/^ Uber die einschlagigen Gutekriterien empirischer Messinstrumente (Validitat, Reliabilitat, Objektivitat^^) hinaus erstrecken sich diese Anfordemngen unter anderem auf folgende Charakteristika-7^ • Integrationspotenzial: Die MessgroBe unterstutzt eine schnittstellentibergreifende Koordination. Sie greift auf eine moglichst einheitliche Datenbasis zuruck. Zudem lasst sie sich in existierende Planungs- und Kontrollsysteme der Organisation integrieren. • Fruhindikatorfunktion und Prognosef^higkeit: Die MessgroBe erlaubt ein zeitnahes Erkennen von VerSnderungen, so dass bereits friilizeitig auf diese reagiert werden kann. Dadurch wird die Berechnung von Trends unterstutzt.
Vgl. Ittner/Larcker (1998), S. 206. Im IT-Bereich wird diesem Bedarf durch die Entwicklung von Fiihrungsinformationssystemen zunehmend Rechnung getragen, Diese stellen neben der Verwendung ,Jiarter", monetarer Messgrofien zunehmend auf die Aufbereitung „weicher", nicht-monetarer Informationen ab, vgl. Gluchowski et al. (2000), S. 363. Vgl. Gladen (2003), S. 127, Hoffmann (2000), S. 25, Zirkler (2002), S. 84, Anthony/Govindarajan (2001), S. 443, Kennerley/Neely (2003), S. 214, Ittner/Larcker (1998), S. 209. Vgl.Barker(1995),S.31. Vgl. Eccles (1991), S. 132-133, Zirkler (2002), S. 84. Auf die grundlegende Charakterisierung von Kennzahlenarten (z.B. nach ihrer statistischen Form in absolute Zahlen und Verhaltniszahlen) und Kennzahlensystemen wird an dieser Stelle verzichtet. Vgl. hierzu die einschlagige Literatur, z.B. Reichmann (2001), S. 19-39, Weber (2004c), S. 239-277, Horvath (2001), S. 567-588 sowie Gladen (2003), S. 16-18. Das Kriterium der Validitat bezeichnet die Gultigkeit einer MessgrOBe im Sinne der tJbereinstimmung von tatsachlichem und intendiertem Untersuchungsgegenstand. Die Reliabilitat ist gegeben, wenn die Messung zuverlassig ist. Die Zuverlassigkeit orientiert sich dabei meist daran, ob bei wiederholten Messungen unter gleichen Rahmenbedingungen gleiche Ergebnisse erzielt werden. Die Objektivitat bezieht sich auf die Robustheit der Messung, d.h. auf die Unabhangigkeit der Messergebnisse von extemen Einfliissen bzw. vom Messenden. Vgl. dazu ausfuhrlicher Bortz/Doring (2002), S. 192-206 sowie Kepper (1994), S. 183-190. Vgl. zu einer ahnlichen Aufstellung Caplice/ShefFi (1994), S. 14, Delftnann et al. (2003a), S. 44, Neidhard/Morschett (2004), S. 16 sowie Erdmann (2003), S. 160-163. Vgl. vertiefend auch die Anforderungen an das Performance Measurement in Kapitel 3.1.2.2.
132
3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
• AggregationsfShigkeit: Aus Sicht des EntscheidungstrSgers ist ein angemessener Detaillierungsgrad der MessgroBe anzustreben. Dieser kann iiber eine Verdichtung bzw. Aufgliederung der Kennzahlen auf rechnerischem oder sachlogischem Wege sichergestellt werden. • Anreizvertraglichkeit: Zielkonforme Verhaltensweisen werden durch den Einsatz der Kennzahl moglichst gefordert und unerwiinschte Lenkungseffekte bzw. dysfiinktionales Verhalten weitgehend vermieden/^ Dafur ist die Kennzahl einem eindeutigen Verantwortungsbereich zugeordnet und mit Anreizsystemen verkniipft. Unter dieses Oberziel kann auch die Fahigkeit einer Kennzahl, die wertorientierten Ziele des Untemehmens abzubilden, eingeordnet werden. • Wirtschaftlichkeit: Der Nutzen der Messung iibersteigt die Kosten der Erhebung, Analyse und Aufbereitung sowie Verbreitung der Messgr6Be. Den anwenderseitigen Aufwand bei diesen Aufgaben gilt es moglichst zu reduzieren, z.B. iiber (teil)automatische SoU-IstVergleiche. • Anwendungsbezug: Die Messergebnisse unterstiitzen den Entscheidungstrager bei der Diskriminierung von Handlungsaltemativen und bietet eine Grundlage ftir die Ableitung von Mafinahmen. Wo mdglich, wird die Entscheidungsunterstutzungsaufgabe durch Informationstechnologie
sinnvoll unterstutzt, z.B. durch (teil)automatische
Soll-Ist-
Vergleiche. Die dargestellten Kriterien verdeutlichen bereits, dass sich das Aufgabenprofil von Kennzahlen und Kennzahlensystemen im Rahmen des Performance Managements zunehmend von der ErfuUung analytischer Aufgaben hin zu spezifischen Steuerungsaufgaben im Rahmen der Planung, Durchfuhrung und Kontrolle weiterentwickelt.*® 3.1.2.2. Entwicklungsphase 2: Impulse durch die Balanced Scorecard Die zweite Entwicklungsphase (vgl. Abbildung 35) des Performance Measurements-Konzepts wurde wesentlich durch das Anfang der 1990er Jahre aufgekommene Steuerungsinstrument der „Balanced Scorecard (BSC)"^' gepragt.*^ Die BSC basiert ebenfalls auf der Erweiterung fmanzieller Kennzahlensysteme um ein Set nicht-monetarer Erfolgsfaktoren bzw. Leistungs-
79
Vgl. Gladen (2003), S. 11. Vgl. auch die Ausfiihnmgen zur Agency-Theorie in Kapitel 2.3.1. Als analytische Aufgaben sind typischerweise die vergangenheitsorientierte Beurteilung (z.B. Betriebs- oder Zeitvergleich) sowie die Ursachenforschung (z.B, Suche nach Griinden fiir eine Veranderung des ROI in der Umsatzrentabilitat oder Umschlagshaufigkeit) zu nennen, vgl. Gladen (2002), S. 6, Gladen (2003), S. 127-129. Der gnmdlegende Aufbau des Instruments der Balanced Scorecard (BSC) wird in der vorliegenden Arbeit als bekannt vorausgesetzt. Zur Struktur der BSC vgl. Kaplan/Norton (1992) sowie Kaplan/Norton (1993), zu Weiterentwicklungen vgl. Kaplan/Norton (2001a), Kaplan/Norton (2001b) sowie Kaplan/Norton (2004a). Vgl. Klingebiel (2000), S. 67, Zimmermann (2003), S. 46. Die BSC gilt als das am weitesten verbreitete Instrument des Performance Measurements. Zum Anwendungsstand der Balanced Scorecard in Deutschland vgl. z.B. die empirische Untersuchung von Gtinther/Gruning (2000), S. 6 sowie die fallstudienhaften Erfahrungsberichte bei Horvath/Gaiser (2000) sowie Bauer et al. (2001).
3.1 Entwicklungspfad Performance Measurement
133
treiber,^^ geht jedoch in mehreren Bereichen iiber diesen Anspruch hinaus. Dies wird anhand der im Folgenden dargestellten Anforderungen an das Performance Measurements ersichtlich, die sich auch im BSC-Ansatz wieder fmden:^"^ • Ausgewogenheit der Performancemessung, • Ursache-Wirkungsbeziehungen, • Strategieanbindung sowie • anwenderspezifische Aufbereitung und Visualisierung. Im Hinblick auf die Ausgewogenheit der Performancemessung ist zunachst festzuhalten, dass die Unterscheidung von monetaren und nicht-monetaren Kennzahlen fiir sich genommen noch nicht als originare Innovationsleistung des Performance Measurements gewiirdigt werden kann. In der Untemehmenspraxis ist es seit langerem tiblich, auf operativer Ebene vomehmlich nicht-monetare Kennzahlen, auf Geschaftsfiihrungsebene schwerpunktmaBig fmanzielle Erfolgsindikatoren einzusetzen.^^ Das zentrale Charakteristikum des Performance Measurements besteht vielmehr in der Verankerung dieser mehrdimensionaler MessgroBen in einem Bezugssystem, welches deren ausgewogene Darstellung ermoglicht. Als hilfreich erweist sich in diesem Zusammenhang eine Zuordnung der MessgroBen zu mehreren Betrachtungsperspektiven. Mittels letztgenannten wird - iiber die Darstellung mehrdimensionaler MessgroBen hinaus - auch die Abbildung unterschiedlicher Stakeholdergruppen wie Anteilseignem, Kunden und Mitarbeitem angestrebt/^ Des Weiteren ist hinsichtlich einer ausgewogenen Performancemessung darauf zu achten, dass - u.a. in Abhangigkeit vom Messobjekt sowie vom gewtinschten Detaillierungsgrad unterschiedliche Ebenen der Performancemessung eine adaquate Beriicksichtigung fmden.^^ Das Performance Measurement erweitert diesbeztiglich das klassische Controlling, welches sich im AUgemeinen an die Geschaftsfiihrungsebene richtet, in adressatenspezifischer Hinsicht, indem es Zielgruppen auf verschiedenen Ebenen im Untemehmen unterscheidet.^^ Fur die Dififerenzierung von Performanceebenen liegen mehrere Ansatze vor. Ein Vorschlag von
Bei isolierter Betrachtung des Grundgedankens der Ausgewogenheit weist die BSC eine Reihe von Vorlaufem auf. Hierzu zMhlen beispielsweise die im franzosischen Sprachraum verbreiteten „Ratios au Tableau de Bord", ein bereits seit Anfang des 20. Jahrunderts in der Praxis eingesetztes und in den 1960er Jahren wissenschaftlich rezipiertes Kennzahlensystem zur Abbildung nicht-monetarer kritischer Erfolgsfaktoren, vgl. hierzu z.B. Siegwart (1990), S. 40, Hoffmann (2000), S. 39. Die Ratios au Tableau de Bord konnen als eines der ersten Kennzahlensysteme angesehen werden, welches explizit kritische Erfolgsfaktoren beriicksichtigt. Letztgenannte erhalten mittlerweile auch im Bereich der Logistik groBe Beachtung, vgl. z.B. Christopher (2005), S. 122. Vgl. zur folgenden Aufzahlung St6lzle/Karrer (2002), S. 75-76 sowie Stolzle et al. (2001), S. 78. Vgl. Anthony/Govindarajan (2001), S. 443, Gunasekaran et al. (2004), S. 335. Vgl. Anthony/Govindarajan (2001), S. 444. Meist nimmt jedoch - wie im Fall der Balanced Scorecard - die Finanzperspektive, welche die Zielsetzungen der Eigentiimer eines Untemehmens reprasentiert, gegeniiber anderen Perspektiven eine vorrangige Stellung ein. Vgl. Gunasekaran et al. (2004), S. 335, Erdmann (2003), S. 97 sowie die Ausfuhrungen zur Mehrdimensionalitat der Performance in Kapitel 3.1.1. Vgl. Stolzle (2002b), S. 15.
134
3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
Rummler/Brache (1990) imterscheidet eine Organisations-, eine ablauforientierte Prozesssowie eine Arbeitsplatz-ZMitarbeiterebene des Performance Measurements.*^ Gleich (2001a) schlagt eine mafigeblich aufbauorganisatorische Ebenenaufteilung in Untemehmens-, Geschaftsbereichs-, Kostenstellen-, Prozess- und Mitarbeiterebene vor.^ Andere Systematisienmgsvorschiage halten sich an die klassische organisationstheoretische DifFerenzierung einer strategischen, taktischen sowie operativen Ebene.^' Diese unterschiedlichen Systematisierungsvorschiage weisen die Gemeinsamkeit auf, dass sie meist von einer hierarchischen Anordnung der Performanceebenen ausgehen. Ein weiteres Konzeptmerkmal des Performance Measurements besteht in der Fahigkeit, Ursache-Wirkungsbeziehungen abzubilden. Wird Performance Measurement als System interpretiert^, so gilt es, neben den Systemelementen (wie z.B. Zielen und Kennzahlen) insbesondere auch deren Beziehungen zueinander verstarkt zu beachten. Klassische Kennzahlensysteme stellen dabei auf definitionslogische Beziehungen und mathematische Umformungen - wie z.B. im ROCE- oder EVA-Modell^^ - ab. Dabei ist jedoch zu beachten, dass durch eine logische Zerlegung bzw. tautologische Umformung von Kennzahlen zwar ein hoher Grad an konzeptioneller Geschlossenheit erreicht werden kann, der Aussagegehalt des Kennzahlensystems jedoch gleich bleibt, da die empirischen BestimmungsgroBen der Systemelemente auBer Acht gelassen werden.^ Es erscheint daher im Rahmen des Performance Measurements vorteilhaft, empirisch fimdierte Ursache-Wirkungsbeziehungen in den Mittelpunkt zu stellen, um eine angemessene Berucksichtigung dieser EinflussgroBen zu gewShrleisten.^^ Eine explizite Aufdeckung aller empirischen Beziehungen erweist sich jedoch auf Grund der bereits an fruherer Stelle diskutierten Kontextfaktoren der Steuerung als faktisch unerreichbar.^ Als Altemativen bieten sich empirisch-theoretische sowie empirisch-induktive Verfahren an.^^ Im Fall des empirisch-theoretischen Verfahrens werden theoriegeleitete Aussagensysteme und Hypothesen, wie z.B. die betriebswirtschaftliche Produktions- und Kostentheorie oder theoretisch ftindierte Aussagen zum Marketing-Instrumentarium, fur die Ableitung von Ziel- und
Vgl. Rummler/Brache (1995), S. 15-28. Vgl. dazu auch Spangenberg (1994), S. 30-31, Brunner (der aufbauend auf dem urspriinglich 1990 von Rummler/Brache entwickelten Ansatz ein eigenes Modell entwickelt. Zu einer deskriptiven Darstellung unterschiedlicher Ebenenmodelle des Performance Measurements vgl. Gleich (2001b) sowie Erdmann (2003), S. 97-103. Vgl. Gleich (2001a), S. 12 sowie Gleich (2001b), S. 67. Vgl. ahnlich auch Klingebiel (2000), S. 181 sowie Neidhart et al. (2004), S. 15. Vgl. grundlegend zu dieser Ebenendifferenzierung Koreimann (1999), S. 155-157. Zur Anwendung im Performance Measurement vgl. z.B. Gunasekaran et al, (2004), S. 335 und S. 245, oder Griining (2002), S. 9 und die dort zitierte Literatur. Vgl. hierzu z.B. Riedl (2000), S. 20, Speckbacher (2002), S. 4, Zapfel/Piekarz (2003), S. 383-384. Vgl. die Ausfuhnmgen zu diesen Modellen in Kapitel 3.2.2. Vgl. Kupper (2001), S. 353, Speckbacher (2002), S. 4. Vgl. Kupper (2001), S. 350, Gladen (2003), S. 132-133. Vgl. Gladen (2003), S. 135. Vgl. zu Komplexitat, Intransparenz und Dynamik als Kontextfaktoren der Steuerung Kapitel 2.2.1.2. Vgl. Kupper (2001), S. 350-357, Zapfel/Piekarz (2003), S. 386-387, Wall (2001), S. 67-69.
3.1 Entwicklungspfad Performance Measurement
135
Kennzahlensystemen herangezogen. Werden diese Erkenntnisse mit dem Erfahrungswissen von Managem integriert, erscheint das Verfahren zur Ableitung von Hypothesen iiber Kausalketten geeignet.^^ Einschrankend ist jedoch anzumerken, dass das realtheoretische Wissen nur in wenigen Fachgebieten so fundiert ist, dass es fiir die direkte Herleitung von UrsacheWirkungsbeziehungen genutzt werden kann. Empirisch-induktive Verfahren bauen demgegentiber auf empirisches Wissen und Daten auf, ohne sich auf theoretische Aussagesysteme zu berufen. Dieser in der Praxis haufig begangene Weg greift mafigeblich auf Indikatorenmodelle zurtick. Die Indikatorenbildung erfolgt dabei iiber Erfahrungswissen bzw. Plausibilitatsiiberlegungen, uber Expertenbefragungen sowie verschiedene statistische Methoden (Dependenz- und Interdependenzanalysen, strukturentdeckende und strukturprufende Verfahren oder Diskriminanzanalysen) und fiihrt zur Etablierung von vermuteten Ursache-Wirkungsbeziehungen. Da diese induktiven Verfahren sSmtlich auf
unvoUstandigem
Wissen
beruhen,
wird
eine
Quantifizierung
der
Ursache-
Wirkungsbeziehungen nach wie vor als schwierig angesehen. Sie erlauben jedoch Aussagen zur Existenz einer Beziehung, zur Wirkrichtung und gegebenenfalls auch zur Wirkstarke.^^ Ein Charakteristikum eines idealtypischen Performance Measurements besteht in dessen Strategieanbindung. Dabei gilt es, den Prozess der Strategieimplementierung, d.h. die Ubertragung einer auf Geschaftsftihrungsebene entwickelten Strategic auf untergeordnete Unternehmenseinheiten, systematisch zu unterstiitzen.^^^ Dies erfolgt im Rahmen eines von oben nach unten („Top Down") orientierten Ubersetzungsprozesses, im Rahmen dessen eine iibergeordnete Geschaftsstrategie kaskadenartig in Teilstrategien und schlieBlich in operative MaBnahmenbiindel ubersetzt wird. AUgemeine Ursache-Wirkungsbeziehungen erfahren durch die Strategieanbindung eine vertikal-hierarchische Ausrichtung und werden zu Zweck-MittelBeziehungen.^^^ Eine derartige Beziehung liegt vor, wenn die ErfuUung eines untergeordneten Ziels zur Erreichung eines ubergeordneten Ziels beitragt. Die oben erwahnte Effektivitatskomponente der Performance ist somit ein Grundbaustein eines strategieorientierten Performance Measurements. An der Spitze der Zweck-Mittel-Verkettung stehen meist monetare Formalziele, auf welche nicht-monetare Performancetreiber, die sich zu Sachzielen zusammenfassen lassen, hinwirken. An das Performance Measurement ist somit die Anforderung zu stellen, uber Zweck-Mittel-Beziehungen eine Verknupfung von Sach- und Formalzielen und damit eine „Systemfokussierung" zu erreichen.^^^
^^ Vgl Wall (2001), S. 73. ^ Vgl. Kupper (2001), S. 357, Giinther (2001), S. 59, vgl. auch Stoi (2004), S. 199, Valentin et al. (2004), S. 354 und 356. ' ^ Vgl. auch Anthony/Govindarajan (2001), S. 441, die insbesondere diese Aufgabe als das oberste Ziel des Performance Measurements betrachten. ^" Wgl. Gladen (2003), S. 132-134. ^^^ Vgl. MuUer-Stewens/Lechner (2003), S. 699, Gladen (2003), S. 127-128, Hammer (2003), S. 526-528, Baumgartner (2002), S. 17.
136
3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
Durch die anwenderspezifische Aufbereitung und grafische Visualisierung der MessgroBen im Performance Measurement-System werden unterschiedliche Ziele angestrebt. Auf der Ausfuhrungsebene soil dadurch das VerstSndnis fur die fmanziellen Auswirkungen isolierter Mal3nahmen auf die finanzielle Gesamtperformance des Untemehmens geschaflfen werden. Im hoheren Management gilt es, das Bewusstsein fur die Treiber zukunftigen Erfolgs, die vornehmlich in nicht finanziell darstellbaren TatbestSnden - insbesondere in den Kemprozessen - verortet sind, zu scharfen. Die Anfordenmg an das Performance Measurement im Hinblick auf Visualisierung liegt somit in der Herstellung einer Zielkongruenz iiber mehrere Unternehmensebenen hinweg durch die transparente Darstellimg von Ursache-Wirkungs- bzw. Zweck-Mittel-Beziehungen. Die grafische Visualisierung trSgt zudem dazu bei, die Strategic eines Untemehmens durch Komplexitatsreduktion intuitiv begreifbar zu machen. 3.1.2.3. Entwicklungsphase 3: Selbstreflexion und Ausdifferenzierung Die dritte und aktuell andauemde Entwicklungsphase (vgl. Abbildung 35) ist von einer zunehmenden Selbstreflexion der Performance Measurement-Forschung gepragt, die sich zum einen in einem Hinterfragen der theoretischen und methodischen Grundlagen, zum anderen in einer fortschreitenden Ausdifferenzierung des Forschungsfelds ausdruckt.'®^ Der aktuelle Diskurs zum Performance Measurements ist dabei insbesondere gepragt durch • die Ausdehnung des Performance Measurements auf neue Anwendungsbereiche, • die Einbindung wertorientierter ZielgroBen in das Performance Measurement sowie • die Integration des Performance Measurements in einen prozessualen Managementansatz. GemaB den in Forschungsfrage 3 formulierten Anforderungen ist im Rahmen der vorliegenden Arbeit einen eigener Beitrag zur Weiterentwicklung des Performance Measurements zu leisten. Insofem sind die hier identifizierten aktuellen Forschungsfelder ftir den Fortgang der Argumentation von besonderer Relevanz. Nachfolgend werden daher die Anforderungen, die sich mit jedem dieser Felder verbinden, kurz charakterisiert, um im weiteren Verlauf der Arbeit emeut aufgegriffen und vertiefend behandelt zu werden. Im Hinblick auf die Ausdehnung des Performance Measurements auf neue Anwendungsfelder ist zunachst zu konstatieren, dass sich bislang ein GroBteil der Beitrage zum Performance Measurement mit dessen Einsatz in strategischen GeschSftseinheiten von meist groBen Untemehmen befasst.^^ Einhergehend mit der hohen Verbreitung des Performance Measurement-Ansatzes werden jedoch mittlerweile eine Reihe von Vorschlagen fur die Ubertragung auf neue Einsatzbereiche diskutiert.*"^ Zu diesen zahlen unter anderem die Anwendung in spezifischen Organisationstypen (z.B. Professional Service Firms oder Non-Profit-Unter-
'"' Vgl. Thorpe/Beasley (2004), S. 338. ^^^ Vgl. Horvath/Gaiser (2000), S. 33. Dies liegt unter anderem darin begriindet, dass groBe Untemehmen auf Grund eines erhShten, komplexitatsbedingten Steuemngsbedarfs eher auf formale Methoden und Instrumente zuriickgreifen als kleine und mittlere Untemehmen. ^^ Vgl. auch die letzte Spalte in Abbildung .
3.1 Entwicklungspfad Performance Measurement
13 7
nehmen'^^) oder Aufgabenbereichen (z.B. Nachhaltigkeitsmanagement, Forschung und Entwicklung,
Projektmanagement,
WerbecontroUing,
Wissensmanagement
oder
IT-
Services^"^). Fur die weitere Argumentation sind insbesondere jene ForschungsbeitrSge von Interesse, welche sich mit der Ausdehnung des Performance Measurements auf den Supply Chain-Kontext befassen. Hierzu liegen mittlerweile mehrere Fachbeitrage vor.^"^ Der GroBteil dieser Arbeiten befasst sich schwerpunktmaBig mit der Ubertragung kennzahlengestutzter Messkonzepte auf Logistik- und Supply Chain-Prozesse und tangiert insbesondere die methodisch-instrumentelle Ebene. Somit trifft die bereits geauBerte Kritik einer noch unzureichenden konzeptionellen Auseinandersetzung^^^ trifft nicht nur auf das Performance Measurement im AUgemeinen, sondem insbesondere auf das Performance Measurement in Supply Chains zu. Im anschlieBenden Kapitel 3.1.3 werden die speziellen Anforderungen, die an letztgenanntes zu stellen sind, vertiefend behandelt. Die darin getroflfenen Aussagen unterstreichen unter anderem die Notwendigkeit einer integrierten Performancemessung in Supply Chains und bilden somit eine zentrale Voraussetzung fur den weiteren Argumentationsverlauf Daruber hinaus fuhrt die zunehmende Verbreitung wertorientierter ZielgroBen im strategischen Management zu einem wachsenden Bedarf an Methoden und Instrumenten, die eine wertorientierte Steuerung auch im operativen Bereich sicherstellen konnen.^^^ Um dies zu erreichen, erscheint eine starkere Verknupfung des Performance Measurements mit wertorientierten ZielgroBen notwendig. Eine langfristige Steigerung des Untemehmenswerts ist nur iiber die zielgerichtete Beeinflussung, der zu Grunde liegenden Werttreiber realisierbar.^^^ Diese umfasst schwerpunktmaBig die monetare Bewertung von Strategien (im Rahmen einer wertorientierten Planung) ^^^ sowie die vorausschauende, laufende oder ex post erfolgende Uberpriifung der Wertsteigerungsziele (im Rahmen einer wertorientierten Kontrolle).^^^ Einschlagige Ansatze zur wertorientierten Untemehmensfuhrung, die sich meist auf vergleichende Darstellung wertorientierter Kennzahlen(systeme) und deren fmanzmathematische Berechnungsmethoden beschranken, erftillen diese Anforderung nur unzureichend. Das
Vgl. zum Einsatz des Performance Measurements in Professional Service Firms Gillmaim (2002), in NonProfit-Untemehmen den Hinweis bei Horvath/Gaiser (2000), S. 34. Vgl. zum Einsatz des Performance Measurements im Nachhaltigkeitsmanagement Bieker et al. (2001), insbes. S. 31-48, in Forschung und Entwicklung Hauber (2002), im Projektmanagement den Hinweis bei Horvath/Gaiser (2000), S. 33, im WerbecontroUing Bauer et al. (2001), S. 62-65, im Wissensmanagement Schomann (2001) sowie Kalmring (2004), im Bereich IT-Services Currle (2002) sowie Buchta et al. (2003), S. 277-282. '^^ Vgl. unter anderem Beamon (1999), Neidhart et al. (2004). Im deutschsprachigen Raum konnen diesbeziiglich drei Monographien als relevant erachtet werden: Hieber (2002), Erdmann (2003) sowie Zimmermann (2003). Die inhaltlich verwandten Arbeiten zum LogistikcontroUing, Kooperations- und NetzwerkcontroUing sowie Supply Chain Controlling werden an diese Stelle bewusst ausgeblendet und im dafur vorgesehenen Kapitel 3.3 aufgegriffen. Vgl. Abbildung sowie die dazugehorige Erlauterung. ^'^ Vgl. GomezAVunderlin (2000), S. 426, Brunner (1999), S. 34. "^ Vgl. Rappaport (1986), S. 76, Horvath (2003a), S. 520, Weber et al. (2004), S. 105 sowie Pfohl/Elbert (2002), S. 71. ^^^ Vgl.Gunther(1997),S.62. Vgl. zu den unterschiedlichen, auch hier als relevant einzustufenden Formen der Kontrolle Kapitel 2.2.2.1.
138
3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
Performance Measurement scheint demgegeniiber auf Grund seiner bereits diskutierten Konzeptmerkmale (insbesondere Strategieanbindung sowie Ursache-Wirkungsbeziehungen) in der Lage zu sein, die angestrebte Verkntipfung zwischen nicht-monetSren, operativen MessgroBen und monetSren bzw. wertorientierten Ergebnisgrdfien mittels geeigneter Instrumente (z.B. Werttreiberhierarchien) herzustellen. In Kapitel 3.2.3 werden die speziellen Herausforderungen, die an eine wertorientierte Fuhrung im Supply Chain-Kontext zu stellen sind, vertiefend behandelt. Die Forderung nach einer Integration des Performance Measurements in einen prozessualen Managementansatz zielt darauf ab, bestehende AnsStze starker in einen kontinuierlichen Steuerungskreislauf einzubinden, der sowohl die Implementierung als auch die kontinuierliche Anpassimg des Performance Measurements an geSnderte Steuerungsanforderungen beinhaltet.''"* Ein wesentlicher Ausloser hierfiir liegt in der haufig diagnostizierten „Messlastigkeit" des Performance Measurements, welche zu einem unzureichenden Hinterfragen der zu messenden Sachverhalte bzw. der Sinnhaftigkeit der Messung an sich fuhren kann."^ Forschungsseitig hat dies mittlerweile dazu gefuhrt, dass das Performance Measurement mehrheitlich in den weiter gefassten Ansatz des Performance Managements eingegliedert wird."^ Diese Entwicklung iSsst sich auch in Bezug zu einem allgemeinen Trend in der Managementforschung setzen, welche iiber die bislang iibliche „Innenoptimierung" eines Untemehmens (haufig in Bezug auf Zeit-, Kosten- und Qualitatsziele) hinaus verstarkt die Beurteilung des Fortschritts in der Strategieimplementierung ihrer Auswirkungen auf die Leistungszielerreichung ins Auge fasst.'^^ Das Performance Management stellt einen Steuerungsansatz dar, welcher strategische Planung und messbasierte Strategieimplementierung miteinander verbindet und in einen gemeinsamen Bezugsrahmen einordnet.^^* Die Einbindung des Performance Measurements in einen integrierten Managementansatz impliziert - insbesondere vor dem Hintergrund eines untemehmensiibergreifenden Steuerungsumfelds sowie der Beriicksichtigung wertorientierter Zielsetzungen - einen umfassenden Anpassungsbedarf bestehender Performance Measurement-Ansatze. Dieser Aspekt wird in Kapitel 4 im Rahmen der Ableitung der eigenen Konzeption des Supply Chain Performance Managements emeut aufgegriflfen.
Vgl. Z.B. Kaplan/Norton (2000), S. 9, Kennerley/Neely (2003), S. 213-229. "^ Vgl. Robson (2004), S. 511, Basu (2001), S. 9. Auch empirische Untersuchungen zur Erfolgsrelevanz des Balanced Scorecard-Einsatzes kommen zum Schluss, dass „a focus on performance measurement instead of performance management will impede the realization of organizational objectives and may even prove counterproductive by hurting company performance." Vgl. Braam/Nijssen (2004), S. 344-345, Hervorhebungen entsprechen dem Original. '^^ Vgl. u.a. Riedl (2000), S. 18, Hoffmaim (2000), S. 29-32, Klingebiel (2000), S.40 sowie die vertiefende Diskussion zum Charakter des Performance Managements in Kapitel 4.1. ^'^ Vgl. MUller-Stewens/Lechner (2003), S. 703. "^ Vgl. GomezAVunderlin (2000), S. 426.
3.1 Entwicklungspfad Perfonnance Measurement
139
3.1.3. Herausforderungen an das Performance Measurement im Supply Chain-Kontext Im Hinblick auf die zu entwickelnde Supply Chain Performance Management-Konzeption greift eine untemehmensspezifische Betrachtung des Perfonnance Measurements zu kurz: Mit wachsender Beziehungsintensitat innerhalb der Supply Chain hangt das wirtschaftliche Uberleben des einzelnen Akteurs zunehmend von der Performance des gesamten strategischen Netzwerks ab. In engen Kooperationsbeziehungen steigt die gegenseitige Interdependenz (z.B. tiber spezifische Investitionen wie ein gemeinsam betriebenes Logistikzentrum) mitunter so stark an, dass ein kurzfristiger Austritt aus der Partnerschaft keine realistische Handlungsaltemative mehr darstellt.^^^ Das Fehlen dieser Exit-Option hat auch zur Folge, dass die Teilnehmer einer Supply Chain auf wesentlich umfassendere Informationen iiber ihre Kooperationspartner sowie iiber die Supply Chain als Ganzes angewiesen sind, als dies in marktahnlichen Austauschbeziehungen der Fall ist.^^^ Diesen gesteigerten Informationsbedarf, zu dem sowohl Informationen zur Steuerung untemehmensubergreifender Prozesse als auch zur untemehmensubergreifenden Zielerreichung zahlen, gilt es durch ein interorganisationales Performance Measurement zu befriedigen. 3.1.3.1. BegrifFsverstandnis der Supply Chain-Performance Den Ausgangspunkt weiterer Uberlegungen bildet - wie bereits im intraorganisationalen Anwendungsbereich - das Begrififsverstandnis von Performance. Die in Kapitel 3.1.1 angefuhrten grundlegenden Charakteristika der Effizienz- und Effektivitatsorientierung, Mehrdimensionalitat sowie Zukunfts- und Potenzialorientierung bleiben grundsatzlich auch im Supply Chain-Kontext erhalten. Supply Chain-Performance kann demnach zunSchst „in linearer Verlangerung" der allgemeinen Performancedefmition als Erreichungsgrad des Supply Chain Management-Ziele aufgefasst werden, der durch mehrdimensionale, moglichst zukunftsorientierte und miteinander verknupfte Messgrofien gespeist wird. Unterschiede zum allgemeinen Performanceverstandnis ergeben sich jedoch durch die Erweiterung der bislang untemehmensintemen Performanceebenen (wie z.B. Untemehmens-, Geschaftsbereichs-, Kostenstellen-, Prozess- oder Mitarbeiterebene) auf den Supply Chain-Kontext.*^^ Unter Riickgriff auf das bereits aufgestellte Mehrebenenmodell*^^ erscheint in diesem Zusammenhang insbesondere die dififerenzierende Betrachtung der Beziehungs- sowie der Netzwerkebene angebracht.*^^ Die Eingrenzung eines Performanceverstandnisses auf der Beziehungsebene erweist sich insbesondere aus anwendungsorientierter Sicht als relevant, da dyadische Austauschbeziehungen in der Untemehmenspraxis nach wie vor die haufigste Auspragungsform unterVgl. die Ausfuhrungen zur Interdependenz in Kapitel 2.2.2.2. Vgl. dazu - am Beispiel von Logistikkooperationen - Stolzle/Karrer (2004b), S. 169. *^* Vgl. Stelzle/Karrer (2004b), S. 172-173. Vgl. insbesondere Abbildung 27. Das Performanceverstandnis auf Einzelakteursebene wird hier ausgeblendet, da es sich weitgeiiend mit dem in Kapitel 3.1.1 bereits vorgestellten allgemeinen Performanceverstandnis deckt.
140
3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
nehmensubergreifender Supply Chains darstellen.'^'^ Das in einer Kooperationsbeziehung anzuwendende Performanceverstandnis resultiert aus einem bilateralen Abstimmungsprozess, der eine moglichst hohe Kompatibilitat zwischen den potenziell konfligierenden Zielen der beteiligten Akteure zu erreichen sucht/^^ Entsprechend der bereits erfolgten Charakterisierung der Beziehungsebene^^^ ubemimmt das fokale Untemehmen dabei die RoUe eines primus inter pares. Als solcher initiiert es den Abstimmungsprozess und gibt im Rahmen einer Kontextsteuerung die Dimensionen der Performance (z.B. in Bezug auf Preis, Kosten, Zeit, Qualitat oder Service) sowie die etwa im Rahmen von Verhandlungen naher zu spezifizierenden Zielintervalle vor. Da die Existenz eines imtemehmensintemen Zielsystems hierfur eine zwingende Voraussetzung darstellt, erfolgt die Bildung eines Performanceverstandnisses auf Beziehungsebene quasi von innen nach auBen: Antoglich handelt das fokale Untemehmen nach der Devise „Get one's own measurement house in order"'^^, erst im Anschluss werden die daraus abgeleiteten Performancevorgaben mit dem Kooperationspartner abgestinunt. Im Idealfall fuhrt der Abstimmungsprozess zur Formulierung eines gemeinsamen, kooperationsspezifischen Performanceverstandnisses, welches im Hinblick auf die anzustrebende Stabilitat und Beziehungsintensitat eines strategischen Netzwerks auch das langfnstige Commitment der weniger dominanten Kooperationspartner sichert. Ein derartiges Vorgehen ist bereits als betrachtlicher Fortschritt gegeniiber einer rein akteursspezifischen Betrachtung anzusehen, da in den meisten Untemehmen bislang keine Abstimmung mit Kunden oder Lieferanten in Richtung eines gemeinsamen Zielsystems erfolgt. ^^^ Auf der Netzwerkebene entzieht sich die Performance bis zu einem gewissen Grad der Einflussnahme durch die beteiligten Akteure. Aufgrund der bereits diskutierten Systemeigenschaften einer Supply Chain kann sie nicht mehr iiber inteme Effizienz- und EfifektivitatsgrCBen ermittelt werden, sondem avanciert zur eigenst&idigen Zielkategorie eines integrierten Netzwerks. Die Supply Chain-Performance auf Netzwerkebene beinhaltet somit zwei zentrale Dimensionen (vgl. Abbildung 36):'^^ • Die exteme EffektivitSt driickt den Zielerreichungsgrad der gesamten Supply Chain im AuBenverhaltnis aus. Damit bezieht sie sich insbesondere auf den Erfolg der Supply Chain
^^'^ Vgl. die Ergebnisse der Studie von Foirier/Quinn (2003), S. 42, in Kapitel 2.1.1.1. '^^ Vgl. Stolzle/Karrer (2004b), S. 172. *^^ Vgl. Kapitel 2.4.2.2. '^^ Keebler (2000), S. 432. Vgl. z.B. die empirischen Ergebnisse von Keebler (2000), S. 6-7, der im Rahmen einer Befragung von 335 Logistikverantwortlichen feststellt, dass lediglich 40% der MessgrQBen, die zur Beurteilung von Supply Chain-Partnem herangezogen werden, mit dem betreffenden Partneruntemehmen abgestimmt werden. Die folgende Aufzahlung beruht in stark abgewandelter Form auf Aussagen von Keebler (2001a), S. 431, der mehrere „Measurement Focuses" im Rahmen des Supply Chain Performance Measurements identifiziert. Als relevante Performancedimensionen im AuBenverhaltnis eines Untemehmens nennt er „Outcome" im Sinne von Ergebnissen, die auSerhalb des Einflussbereichs eines einzelnen Untemehmens liegen, sowie „Impact" im Sinne von Auswirkungen der genannten Outcomes auf die unterschiedlichen Akteure in der Supply Chain.
3.1 Entwicklungspfad Performance Measurement
141
am Endkundenmarkt sowie auf ihre Wettbewerbsfahigkeit gegeniiber anderen Supply Chains.^'" Die bier als Wirksamkeit bezeichnete Dimension umfasst die aus der extemen Zielerreichung resultierenden Effekte im Innenverhaltnis der Supply Chain, d.h. die Auswirkungen der extemen Performance auf die beteiligten Akteure.*^^ Innerhalb der bereits genannten untemehmensbezogenen Performancedimensionen^^^ konnen sich diese riickwirkenden Effekte sowohl auf die Effektivitatsziele (z.B. durch eine ErtragserhShung tiber gesteigerte Umsatze) als auch auf die Efifizienzziele der Akteure (z.B. durch einer Erhohung der Produktivitat oder eine effizientere Nutzung vorhandener Ressourcen) beziehen.
1 Akteurs" ifice f"^ Akteurs• -• ^ — 1 AkteursP Brformance
•->H
Supply ChainPerformance
Effizienz
I
Nutzungsgrad RessourceneinsatzW
Inteme Effektivitat
Externa Effektivitat
Wirksamkeit
Zielerreichung des Akteurs
Zielerreichung der Supply Chain
Auswirkungen auf die Akteure
Produktivitat Wertsch6pfungsprozess
Z.B. mehr Umsatz Z.B. gerinqere Volumenschwankunqen Z.B. effizientere Logistikprozesse
Abbildung 36:
Dimensionen der Akteurs- sowie der Supply Chain-Performance
Die Notwendigkeit einer Messung der extemen Effektivitat flir eine Supply Chain liegt weitgehend auf der Hand: Unter der Pramisse, dass die Supply Chain als institutionale Einheit verstanden wird/^^ benotigt sie aus Sicht des Performance Measurements auch eine integrierte ZielgroBe. Der Bedarf nach einer Evaluierung der Wirksamkeit dieser koUektiven Aktivitaten auf die einzelnen Teilnehmer wird demgegeniiber haufig vemachlassigt.^^"^ Doch deren Messung erscheint vomehmlich deshalb zentral, da nur uber einen langfristigen InteressenLynch/Cross (1995), S. 80, schlagen im Rahmen des Instruments der Performance Pyramid ebenfalls die Zielkategorie einer extemen Efifelctivitat vor. Diese wird jedoch aus Sicht eines einzelnen Untemehmens und als Gegenstiick zur „intemen Effizienz" interpretiert. Damit geht das hier vertretene Begriffsverstandnis von Wirksamkeit deutlich uber die wirkungsorientierte Leistungsebene der Logistik (vgl. Kapitel 3.1.1) hinaus. ^Vgl. Abbildung 34. ' Vgl. Stolzle/Karrer (2004a), S. 251 -252. * Vgl. ahnlich Keebler (2001a), S. 430. Vgl. auch die Diskussion zur wirkungsorientierten Leistungsebene in Kapitel 3.1.1.
142
3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
ausgleich zwischen den Akteuren eine dauerhafte StabilitSt der Supply Chain-Konfiguration sichergestellt werden kann. Aufgnind der hfiheren Anzahl beteiligter Akteure stellt sich der Interessensausgleich auf einer Netzwerkebene ungleich schwieriger dar als auf der Beziehungsebene. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Performanceverstandnis insbesondere vom Netzwerktyp geprSgt wird. Es erscheint somit sinnvoll, eine typspezifische Fokussierung des Performance Measurement-Systems auf die Beziehungsebene bzw. auf die Netzwerkebene anzustreben, bevor Oberlegungen zur Ausgestaltung eines untemehmenstibergreifenden Performance Measurement-Systems angestellt werden/^^ 3.1.3.2. Anpassungsbedarf der Konzeptmerkmale des Performance Measurements Entsprechend dem grundlegenden Wandel des Performanceverstandnisses sind auch die bereits vorgestellten Konzeptmerkmale des Performance Measurements daraufhin zu untersuchen, ob und inwieweit sie im Supply Chain-Kontext eine Neuausrichtung erfahren.'^^ Was die Ausgewogenheit der Performancemessung anbelangt, so berucksichtigen die genannten Vorschlage zur Differenzierung ausgewogener Performanceperspektiven bzw. -messebenen die untemehmensexteme Perspektive bislang nicht ausreichend. Teilweise wird zwar eine Wettbewerbs- oder Marktebene bei der Ausgestaltung von Leistungs- bzw. Performanceebenen vorgeschlagen. Diese weist jedoch eher den Charakter einer rahmenbildenden Systemumwelt als den eines aktiven Steuerungsbereichs auf'^^ Im untemehmensintemen Anwendungsbereich liegen dagegen oft relativ detaillierte Ebenendifferenzierungen vor, die wiederum fiir die Performancemessung untemehmensiibergreifender Beziehungen nicht zwingend notwendig erscheinen.^'* Das Merkmal der Ausgewogenheit stellt somit im Supply Chain-Kontext insbesondere auf die Forderung nach einer Balance zwischen intemen und extemen bzw. nicht integrierten und imtemehmensubergreifend integrierten Messgr66en ab.^^^ Bei der Ubertragung des Konzeptmerkmals der Ursache-Wirkungsbeziehungen auf den Supply Chain-Kontext erscheint insbesondere die Problematik der kausalen Verkntipfung zwischen den Handlungen einzehier Akteure in der Supply Chain sowie deren potenziellen Konsequenzen fiir das gesamte Netzwerk von Bedeutung.'""*
'^^ Vgl. Stelzle/Karrer (2004a), S. 254. Vgl. zu den Konzeptmerkmalen des Performance Managements Abbildung 35. ^^^ Vgl. Z.B. Gleich (2001b), S. 71. '^* An dieser Stelle sei einschrankend darauf hingewiesen, dass sich die folgenden Ausflihrungen zu Performance Measurement bzw. Performance Measurement-Systemen stets auf institutionale Objekte wie z.B. Geschaftsbereiche, Untemehmen, Kooperationen, Netzwerke oder Supply Chains sowie auf die in diesen Institutionen ablaufenden Prozesse bzw. Austauschbeziehungen beziehen. Die Ebene des einzelnen Individuums wird dabei weitgehend ausgeblendet. Um diesen Aspekt ebenfalls in die Betrachtung einzubeziehen, ware eine umfassende Aufarbeitung verhaltenswissenschaftlicher Aspekte notwendig. Dies liegt jedoch aufierhalb der Zielsetzung der vorliegenden Arbeit. '^^ Vgl. Anthony/Govindarajan (2003), S. 497, Bechtel/Jayaram (1997), S. 24-25. ^"^^ Vgl. Keebler (2001a), S. 430.
3.1 Entwicklungspfad Performance Measurement
143
Die Strategieanbindung des Performance Measurements in Supply Chains steht vor dem Problem, dass in der Praxis meist keine explizite Gesamtstrategie auf Netzwerkebene existiert.^"*^ Dies fuhrt dazu, dass das oben genannte Top-Down-Vorgehen zur Implementierung des Performance Measurements nur in bestimmten Fallen - beispielsweise wenn ein fokales Untemehmen die strategische Ausrichtung des gesamten Netzwerks mafigeblich pragt - zur Anwendung kommen kann.^"^^ Anstelle einer expliziten Strategieformulierung ftir die Supply Chain ist daher eher von einer (impliziten) Strategieanpassung durch Einigung auf ausgewShlte Supply Chain Management-Ziele und somit von einer selektiven Strategieharmonisierung auszugehen.^"*^ Im Hinblick auf die anwenderspezifische Aufbereitung und Visualisierung fuhrt die Ubertragung auf den Supply Chain-Kontext insbesondere zu einer Erhohung der Anzahl potenzieller Adressaten der Messergebnisse sowie zu einer Erhohung der KomplexitSt der abzubildenden Sachverhalte bzw. MessgegenstSnde. Die Herausforderung besteht somit insbesondere darin, durch eine Visualisierung der Supply Chain-Struktur die relevanten Prozesse der Supply Chain zu identifizieren und zu visualisieren und damit ein gemeinsames Grundverstandnis der Supply Chain zwischen den Akteuren zu unterstutzen.^"^ Erganzend zu den angefiihrten Konzeptmerkmalen des Performance Measurements, die im Supply Chain-Kontext eine Anpassung erfahren, gilt es die in der Literatur vorgebrachte Forderung nach einer starkeren Prozessorientierung des Performance Measurements aufzugreifen.^"^^ Hierbei fiihrt eine Ubertragung des logistischen Prozessdenkens auf das Performance Measurement zur Uberlegung, dass zur Ableitung von Zielen, MessgroBen und MaBnahmen nicht nur eine Orientierung an der Untemehmensstrategie bzw. - sofem vorhanden an der Supply Chain Strategic erfolgen soUte, sondem auch die existierenden Supply ChainProzesse verstarkt zur Generierung von Steuerungsanforderungen herangezogen werden sollten. Hierzu ist eine engpassorientierte Prozessanalyse der Supply Chain durchzufuhren, die es entsprechend methodisch-instrumentell zu unterstiitzen gilt. Durch das resultierende „Gegenstromverfahren", welches eine parallele Strategic- und Prozessorientierung des
^^^ Vgl. Stolzle et al. (2001), S. 144, Stolzle (2002b), S. 17. Vgl. auch Bacher (2004), S. 144 und die dort zitierten Quellen, welche die vermuteten Defizite bei der untemehmensiibergreifenden Strategiefindung und -definition im Supply Chain Management empirisch stutzen. ^^^ Vgl. auch Zimmermann (2003), S. 142-143. Um diese Aufgabe zu vereinfachen bzw. zu beschleunigen, konnte sich die Ubertragung allgemeiner Normstrategien auf das Supply Chain Management als sinnvoU erweisen. Karrer et al. (2004) leiten etwa aus den Normstrategien „Kostenfuhrerschaft" und „Differenzierung" allgemeine Zielsetzungen und Kennzahlen ab und ubertragen diese auf ein branchenspezifisches Performance Measurement-Konzept fiir grofie Handelsuntemehmen. Vgl. dazu Karrer et al. (2004), S. 507-508. ^"^ Vgl. Bacher (2004), S. 175-176. ^"^^ Vgl. Reiner (2004), S. 218. Vgl. zur Konzeption eines prozessorientierten Performance Measurements am Beispiel der Telekommunikationsbranche Binder (2003), S. 46-48.
144
3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
Performance Measurements sicherstellt, gehen somit eigenstandige Impulse zur Schliefiung der in Kapitel 1.1 adressierten Liicke zwischen Fiihrungs- und Leistungssystem aus.^"*^ Neben der Anpassung der allgemeinen Konzeptmerkmale des Performance Measurements sind auch die heranzuziehenden MessgroBen im Supply Chain-Kontext zu adaptieren. Zieht man den Grad der untemehmensubergreifenden Integration von Kennzahlen als Differenzierungskriterium heran, so lassen sich drei MessgrSBentypen voneinander abgrenzen, die sich hinsichtlich ihrer Einsatzmdglichkeiten im Supply Chain Performance Measurement grundlegend voneinander unterscheiden:''*^ • Rein untemehmensbezogene bzw. untemehmensbereichsbezogene MessgroBen (z.B. Servicegrade, Fehlerquoten, Kundenzufriedenheit) beziehen sich ausschliefilich auf die Akteurs-Performance (vgl. Abbildung 36). Fiir die integrierte Steuerung der Supply Chain sind sie weniger geeignet, da sie sich entweder aus methodischen Grunden (z.B. mangels formallogischer Aggregierbarkeit) oder aus inhaltlichen Grunden (z.B. untemehmensspezifischer Messgegenstand) nicht auf andere Untemehmen bzw. auf die gesamte Supply Chain tibertragen lassen. • Untemehmensubergreifende MessgrdBen (z.B. zur Supply Chain-Struktur, zur Kooperationsintensitat, zum Maiktanteil der Supply Chain am Endkundenmarkt) sind demgegeniiber als originare Supply Chain-Kennzahlen zu bezeichnen, da das strategische Netzwerk als Ganzes ihr Bezugsobjekt darstellt. Dementsprechend zielen sie insbesondere auf die Messung der in Abbildung 36 als exteme Effektivitat bezeichneten Performancedimension ab. Spiegelbildlich zu den rein untemehmensbezogenen MessgroBen eignen sich diese Rahmenkennzahlen nicht fur eine Desaggregation auf einzelne Akteure. • An untemehmensbezogen und -ubergreifend einsetzbare MessgroBen (z.B. Durchlaufzeiten, Bestandshohen, Bestandsreichweiten, Prozesskosten) ist die Anforderung zu stellen, dass sie prinzipiell unabhangig von einzelnen Akteuren in der Supply Chain erhoben werden konnen. Da sie grundsStzlich sowohl zur Steuerung untemehmensiibergreifender Prozesse als auch zur Ermittlung der Performance einzelner Untemehmen geeignet sind, weisen sie eine vergleichsweise hohe Einsatzflexibilitat auf.^"** Zudem konnen sie auch zur Bildung von Verteilschlussehi herangezogen werden, so dass sie als Grundlage fiir einen Kosten-ZNutzenausgleich zwischen den Supply Chain-Akteuren zweckmaBig erscheinen. Sie sind insofem besonders fiir die Wirkungsdimension der Supply Chain-Performance in Abbildung 36 von hoher Bedeutung.
^"^^ Vgl. Stolzle et al. (2001), S. 82, Frigo/Krumwiede (2000), S. 50, Brunner et al. (2001), S. 107. Vgl. auch St6lzle(2002b), S. 15. '"^^ Vgl. zur folgenden Aufzahlung ahnliche Aussagen bei Reiner (2004), S. 228, der jedoch nicht auf die Untemehmensspezifitat der Kennzahlen als Unterscheidungskriterium abstellt. ^"^^ Vgl. Zimmermann(2003), S. 149-150.
3.1 Entwicklungspfad Performance Measurement
145
3.1.3.3. Ausgewahlte Ansatze zum Performance Measurement in Supply Chains Ein GroBteil der in der Untemehmenspraxis vorzufindenden Performance MeasurementMethoden bzw. -Systeme sind nicht fur den Einsatz in untemehmensubergreifenden Supply Chains konzipiert.'"*^ Auch in der wissenschaftlichen Literatur besteht noch betrachtlicher Forschungsbedarf im Hinblick auf Struktur und inhaltliche Ausgestaltung eines interorganisationalen Performance Measurements.^^" In jiingerer Vergangenheit wird die Frage der Ermittlung und Steuerung der Performance von Supply Chains jedoch von einer wachsenden Anzahl von Autoren aufgegrififen.*^* Im Folgenden wird eine Auswahl dieser Ansatze vorgestellt. Entsprechend der Aufgabenstellung der vorliegenden Arbeit werden dabei insbesondere jene Beitrage naher ausgefuhrt, welche den Anspruch erheben, ein Konzept bzw. ein Referenzmodell des Performance Measurements fur Supply Chains bereitzustellen. Eine erste Gruppe von Beitragen konzentriert sich auf die Auswahl und Beschreibung von Supply Chain-spezifischen MessgroBen. Dabei werden neben einer Kategorisierung nach der strategischen Relevanz von Kennzahlen (vgl. z.B. strategische, taktische und operative Kennzahlen)^^^ insbesondere unterschiedliche logistik- und Supply Chain-bezogene Systematisierungskriterium herangezogen. Beamon etwa (1999) ordnet eine Reihe von Supply ChainKennzahlen in die Dimensionen Ressourcen, Output und Flexibilitat ein, in welchen sich im Wesentlichen die aus der Logistikforschung bekannten Zielkategorien Kosten, Zeit, Qualitat und Flexibilitat wiederfmden.^^^ Die Flexibilitatsdimension wird dabei im Sinne einer Reagibilitat gegeniiber Kundenanforderungen („Customer Responsiveness") verstanden, die im Rahmen einer konsequenten Endkundenorientierung sichergestellt werden soil. Daruber hinaus wird in der Literatur auf die Notwendigkeit integrierter, d.h. prozess- und untemehmensubergreifender Kennzahlen hingewiesen, haufig jedoch ohne diese Forderung genauer zu spezifizieren bzw. theoriegeleitet zu begrunden.*^"^ Dem Anspruch an ein untemehmensubergreifendes Performance Measurement-Konzept fur Supply Chains konnen diese Ansatze somit nur eingeschrankt gerecht werden.
Vgl. LaLonde/Pohlen (1996), S. 4, Brewer/Speh (2000), S. 75, Reiner (2004), S.217, van Hoek (1998), S. 189-190, Gunasekaran et al. (2004), S. 333, Stolzle/Karrer (2002), S. 60. Die vorherrschende Meinung in der wissenschaftlichen Literatur wird durch die eigene, explorative empirische Untersuchung der vorliegenden Arbeit bestatigt, vgl. dazu Kapitel 5.4. ^^^ Vgl. Simatupang/Sridharan (2005), S. 45, Lambert/Pohlen (2001), Staughton/Johnston (2005), S. 322. ^^^ Vgl. Z.B. Keebler (2001a), S. 411-135, Erdmann (2003), Zimmermann (2002), Morgan (2004), S. 522-536, Beamon (1999), S. 275-292, Hieber (2002), Gunasekaran et al. (2001), S. 71-87, Lapide (2000), S. 287-297, Reiner (2004), S. 217-234, oder Neidhart et al. (2004), S. 13-19. Vgl. zur Systematisierung von Performancekennzahlen im Allgemeinen Neely et al. (1995), bezogen auf den Supply Chain Management-Kontext vgl. Gunasekaran et al. (2001), S. 83, die eine Einteilung in strategische, taktische, operative sowie jeweils finanzielle und nicht fmanzielle Messgrofien vorschlagen. Vgl. Beamon (1999), S. 281. Als Kennzahlen der Ressourcendimension nennt sie unter anderem Gesamtkosten, Distributionskosten, Produktionskosten Bestandskosten sowie ROI; als Outputkennzahlen Lieferservice, Kundenzufriedenheit, Fiillgrad, Umsatz, Orderrtickstande, Regalliicken (Out of Stocks) sowie Auflragsabwicklungszeit; als FlexibilitStskennzahlen Reaktionszeit gegeniiber Kundenanfragen, Volumenflexibilitat, (Liefer-)Terminflexibilitat, Mixflexibilitat sowie Produktanderungsflexibilitat, vgl. Beamon (1999), S. 282-285. ^^'^ Vgl. van Hoek (1998), S. 189, Bechtel/Jayaram (1997), S. 24.
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3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
Weiter gehen jene Ansatze, welche die Kennzahlenauswahl mit prozessorientierten Supply Chain-Modellen zusammenfiihren. Exemplarisch hierfur ist der Ansatz von Reiner (2004) zu nennen, in welchem unterschiedliche Kategorien von untemehmensubergreifenden Kennzahlen einem Supply Chain-Modell zugeordnet werden.*" Uber die literaturgestutzte Auswahl relevanter Prozesse und die Zuordnung untemehmensubergreifender MessgroBen zu diesen Prozessen weist das Modell eine vergleichsweise hohe Systematisierungskraft und Relevanz fur das Supply Chain Management auf. Allerdings fehlen Aussagen zur aufgabenorientierten Ausgestaltung sowie zur methodisch-instrumentellen Unterstutzung. Ahnlich einzuordnen ist der Vorschlag von Chan et al. (2003), die im Rahmen einer Prozess- und Kennzahlenhierarchie eine mit dem SCOR-Modell vergleichbare Zuordnung von Kennzahlen zu Prozessen vomehmen. Als innovatives Element kann dabei die Aggregation mittels gewichteter Kennzahlen gewertet werden.*^^ Uber die relativ gut ausgearbeitete Methodik zur Kennzahlengewichtung hinaus enthalt jedoch auch dieser Ansatz keine Aussagen zur inhaltlichen Ausgestaltung.'^^ Eine wachsende Anzahl von ForschungsbeitrSgen konzentriert sich auf die Anpassung ausgewahlter Methoden und Instrumente des allgemeinen Performance Measurements an die Anforderungen des Supply Chain Managements. Erdmann (2003) stellt beispielsweise ein „ReferenzmodeU" fur das Performance Measurement in Supply Chains auf Basis des Balanced Scorecard-Konzepts vor, welches funf Performanceebenen (Supply Chain-Ebene, Supply Chain-Segmentebene, Untemehmensebene, Fimktionsebene sowie Arbeitsplatzebene) beinhaltet. Die obersten drei Ebenen werden mit zahlreichen Kennzahlen inhaltlich ausgestaltet.'^^ Die Vorteile des Ansatzes liegen insbesondere in der Sammlung und Gegeniiberstellung imterschiedlicher, potenziell Supply Chain-relevanter Kennzahlen, die mit Hilfe des Perspektivenschemas der Balanced Scorecard in unterschiedliche Betrachtungsperspektiven eingeordnet sowie - anhand der Unterscheidung unterschiedlicher Supply Chain-Segmente - auch nach Steuerungsbereichen systematisiert werden. Kritisch ist jedoch anzumerken, dass die Auswahl der Elemente des Referenzmodells unzureichend theoretisch flindiert und auch die
'^^ Vgl. Reiner (2004), S. 224-230. Dabei werden die Prozesse Produktdesign, Prozessdesign und Auftragsabwicklung in ein untemehmensabergreifendes, statisches Modell integriert. Innerhalb des Modells kdnnen untemehmensbezogene (d.h. auf einen Prozessabschnitt fokussierte). Supply Chain-bezogene (d.h. auf die Effizienz ganzer untemehmensObergreifender Prozesse bezogene) sowie (end)kundenbezogene (auf die Effektivitat der Supply Chain am POS abzielende) MessgrOflen verortet werden. Dariiber hinaus weist Reiner (2004), S. 229 (ahnlich wie Hieber (2002)) auf die Bedeutung generischer Supply Chain-MessgroBen hin, welche grundlegende Charakteristika der Zusammenarbeit wie Beziehungsintensitat oder Supply ChainStruktur beschreiben. Quasi „von auBen" wirken MessgrdBen zur Bedarfs- und Versorgungsunsicherheit auf das Modell ein. Vgl. zu einer grafischen Darstellung des Modells Reiner (2004), S. 230. '^^ Vgl. Chan et al. (2003a), S. 211-214. Zur Ableitung von Gewichtungen fur die Kennzahlen greifen Chan et al. (2003), S. 216-219 auf die Fuzzy-Theorie zuriick. Weitere AnsStze, die eine prozessorientierte Zuordnung von Supply Chain-Kennzahlen einfordem, finden sich etwa bei Lapide (2001), S. 290-295, Gunasekaran et al. (2004), S. 344-345, Zapfel/Piekarz (2003), S. 388-394, Oder Glohr (2003), S. 617. Vgl. zudem den Ansatz von Neidhart et al. (2004), die ihren Supply Chain Performance Measurement-Ansatz fur Handelsuntemehmen ebenfalls an Kemprozessen orientieren, sich jedoch auf eine untemehmensbezogene Ausgestaltung des Performance Measurement-Systems beschranken. ^^^ Vgl. Erdmann (2003), S. 178-239.
3.1 Entwicklungspfad Performance Measurement
147
Art ihrer Verkniipfung nicht hinreichend beschrieben wird.'^^ Zudem wird die gmndsatzliche Problematik einer koUektiven Strategieorientierimg in der Supply Chain (bewusst) ausgeblendet^^° und auf aufgabenbezogene Handlungsempfehlungen (wie z.B. zum Implementierungsprozess des Performance Measurements) weitgehend verzichtet. Insgesamt muss somit konstatiert werden, dass der Ansatz zwar wichtige Impulse fur eine kennzahlengestutzte Performancemessung bereithalt, als Referenzmodell ftir das Supply Chain Performance Measurement jedoch nicht voU uberzeugen kann.^^* Das von Hieber (2002) entwickelte „Integrale Modell zur partnerschaftlichen Leistungsbeurteilung"^^^ ist ebenfalls dem Supply Chain Performance Measurement zuzuordnen. Der Ansatz stellt im Kern eine Erweiterung des bereits vorgestellten SCOR-Modells^^^ dar und soil Akteuren eines logistischen Netzwerkes bzw. einer Supply Chain ermoglichen, die Performance ihrer Wertschopfungskette gemeinschaftlich zu ermitteln. Das Modell beinhaltet ein zweistufiges Vorgehen (vgl. Abbildung 37). In der ersten Phase werden ausgewahlte Rahmenkennzahlen zur Supply Chain von den beteiligten Untemehmen gemeinsam erhoben und ausgetauscht. Da diese Messgrofien sich auf eher allgemeine Aspekte der Zusammenarbeit (wie etwa Kooperationsintensitat und -stabilitat, Koordinationsmechanismen, Wandlungsfahigkeit der Kooperation) beziehen, werden sie als generische MessgroBen bzw. „Enabler" bezeichnet.^^ Sie ermoglichen eine erste Momentaufhahme der Supply Chain sowie eine Positionsbestimmung der Akteure. '^^ In der zweiten Phase wird das Modell um weitere, ergebnisorientierte Kennzahlen („Results") erganzt. Teilweise konnen diese aus existierenden, untemehmensbezogenen Kennzahlensys-
So lehnt sich Erdmann (2003), S. 179 bei der Auswahl von vier sog. „Supply Chain-Segmenten", die als zentrale Bausteine seines Modells gelten konnen, unkommentiert an einen Vorschlag von Jehle (2000), S. 218, an, der in Supply Chains ein Wertschopfimgssegment, ein Distributionssegment, ein Recyclingsegment sowie ein Service- und Reparatursegment voneinander abgrenzt. Warum diese Einteilung sich aus Sicht des Perfonnance Measurements als sinnvoll erweisen soil, bleibt weitgehend offen. Beztiglich der Art der Verknupfung zwischen den unterschiedlichen Scorecards weist Erdmann (2003), S. 182, auf die Bedeutung von Ursache-Wirkungsbeziehungen hin. Dies erscheint zwar zunachst plausibel, erweist sich jedoch insofem als Schwache, als er im weiteren Verlauf der Arbeit die einzelnen Segment-Scorecards zwar mit konkreten Kennzahlen ausstattet, die Ursache-Wirkungsbeziehungen zwischen diesen Kennzahlen jedoch nicht mehr anspricht. ^^ Vgl. Erdmann (2003), S. 181. *^^ Mittlerweile liegen neben Erdmann (2003) eine Reihe weiterer BeitrSge vor, welche sich mit einer Adaptierung der Balanced Scorecard an die Anforderungen des Supply Chain Managements befassen, vgl. Brewer/Speh (2000), Werner (2000a und 2000b), StSlzle et al. (2001), Weber et al. (2002b), Mayer (2002), Jehle et al. (2002), Otto (2002a), S. 376-377, Zimmermann (2002), Ackermann (2003), Bacher (2004), S. 249-257, Schweier (2004). Ftir den ahnlich gelagerten Einsatz der BSC im Kontext des Kooperationscontrollings vgl. Drews (2001), Bomheim/Stiillenberg (2002) sowie in Ansatzen auch Wohlgemuth (2002), S. 178-179. Zum Einsatz der BSC in der untemehmensbezogenen Logistik vgl. z.B. Engelke/Rausch (2002), S. 185-204. Vgl. auch zur Einbindung der Supply Chain Balanced Scorecard in die eigene Steuerungskonzeption Kapitel 4.3.2. '^^ Vgl. Hieber (2002), S. 97-113, sowie Hieber/Nienhaus (2002), S. 30-32. ^" Vgl. zum SCOR-Modell Kapitel 2.1.3. Vgl. auch den weiter oben charakterisierten Typus der „rein untemehmenstibergreifenden MessgroBen". ^^^ Neben einer grundlegenden Positionsbestimmung soil durch die Erhebung dieser generischen Indikatoren, die im Rahmen eines untemehmensubergreifenden Projekts vorzunehmen ist, auch die Schaffung eines Klimas von Offenheit und Vertrauen zwischen den Netzwerkpartnem begimstigt werden.
3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
148
temen (z.B. SCOR Level 1 Metrics) entnommen werden und - nach einer Umwandlung bzw. Anpassung - mit den Kennzahlen anderer Akteure zu „Netzwerkkennzahlen" aggregiert werden. ^^ Zur ablauforientierten Strukturiening des Supply Chain Performance Measurements werden die genannten Phasen in einen untemehmensiibergreifenden Planungsprozess eingeordnet, den Hieber (2002) - in Anlehnung an die SCOR-Semantik - „P0: Plan Supply Chain: Transcorporate" neimt. Dieser wird als neue Prozesskategorie in das SCOR-Modell integriert.'^^ Die Vorteile des integralen Modells zur partnerschaftlichen Leistungsbeurteilung ofifenbaren sich bei einem Vergleich mit dem urspriinglichen SCOR-Modell. Wahrend jenes zunachst eine untemehmensinteme Prozessstandardisierung vomimmt und erst anschliefiend eine Verkntipfiing mit stromauf- und stromabwarts situierten Untemehmen empfiehlt, werden im Ansatz von Hieber (2002) Kennzahlendefinition und -implementierung von den beteiligten Akteuren gemeinsam initiiert und durchgeftihrt.
Participating
Customer
'^'^
Integrated framework for supply chain management common business processes and methods
J1
Generic performance indicators of transcorporate logistics ('Enablers') related to collaboration, coordination and transformability
m
Phase 2 Aggregated performance indicators of respective corporate logistics ('Results') related to deHvery reliability, flexibility and responsiveness, cost, and asset managenfient
Corporate performance indicators related to: • quality •costs • delivery • flexibility (e.g. SCOR. VDI, BSC)
Abbildung 3 7:
Corporate performance indicators related to: • quality •costs • delivery • flexibility (e.g. SCOR, VDI, BSC)
Corporate performance indicators related to: • quality •costs • delivery • flexibility (e.g. SCOR, VDI, BSC)
Integrates Modell zur partnerschaftlichen Leistungsbeurteilung in Supply Chains Quelle: Hieber (2002), S. 100
' Vgl. Hieber (2002), S. 97-101. Vgl. zur schematischen Darstellung dieser Prozesskategorie Hieber (2002), S. 107. Der hierarchischen SCOR-Logik folgend wird der Prozess in den iibergeordneten Prozesstyp „Plan" eingeordnet und in die untergeordneten Prozesselemente ,J?0.1: Supply chain initialization and configuration", „P0.2: Supply chain analysis", ,J*0.3: Supply chain improvement" sowie „P0.4: Supply chain performance measurement" zerlegt. Vgl. dazu Hieber (2002), S. 105-111.
3.1 Entwicklungspfad Performance Measurement
149
Ein weiterer Vorzug besteht in der Einbettung des Modells in einen sequentiellen Planungsprozess, mit dem - im Vergleich zum eher statischen Ansatz von Erdmann (2003) - eine deutlichere Aufgabenorientierung erreicht wird, die den Konzeptanspruch des Ansatzes unterstreicht.^^^ Kritisch ist demgegeniiber anzumerken, dass der Ansatz - mit Ausnahme der genannten generischen Rahmenkennzahlen - weitgehend auf untemehmensinteme Kennzahlen zuriickgreift und die Problematik der Aggregierbarkeit dieser MessgroBen weitgehend offen lasst.^^^ Zudem werden keine Interdependenzen bzw. Ursache-Wirkungsbeziehungen zwischen „Enablers" und „Results" berucksichtigt, was die Etablierung eines integrierten Kennzahlensystems erschwert. Insgesamt ist zu den bestehenden AnsStzen zum Performance Measurement in Supply Chains festzuhalten, dass das Hauptaugenmerk der Literatur bislang auf der Auswahl und Charakterisierung von Kennzahlen fur das Supply Chain Management liegt. Der Aufgabenbereich des Performance Measurements wird dadurch vergleichsweise stark eingeschrankt. Erste weiterfuhrende Ansatze befassen sich mit der Adaption untemehmensintemer Messmethoden und Instrumente auf das Messobjekt „Supply Chain", werden jedoch dem Anspruch an eine integrierte Steuerungskonzeption - wie die kritische Wurdigung ausgewahlter Ansatze gezeigt hat - nur teilweise gerecht. Relevanz des Performance Measurements fur die vorliegende Arbeit Der in Kapitel 3.1 charakterisierte Entwicklungspfad des Performance Measurements bietet entscheidende Impulse fiir die Entwicklung einer integrierten Steuerungskonzeption des Supply Chain Performance Managements: Einmal wird das grundlegende Konstrukt der Performance im Sinne eines Zielerreichungsgrads eingefiihrt. Dieser eignet sich - unter Berucksichtigung spezifischer Anforderungen - fiir eine Ubertragung auf den Supply ChainKontext. Daruber hinaus weisen zentrale Konzeptmerkmale des Performance Measurements wie Ausgewogenheit, Ursache-Wirkungsbeziehungen, Strategieanbindung sowie anwenderspezifische Aufbereitung und Visualisierung eine hohe Relevanz fiir das Supply Chain Management auf Diese Merkmale sind um neue. Supply Chain Management-spezifische Anforderungen, wie eine verstarkte Prozessorientierung der Performancemessung und die Nutzung „echter" untemehmensiibergreifender Messgr5Ben, zu erweitem. Schliefilich existieren erste anwendungsorientierte Ansatze, welche das Performance Measurement auf das Gebiet des Supply Chain Managements iibertragen. Die bereits diskutierten Grenzen dieser Ansatze geben Hinweise zum Anforderungsprofil der eigenen Konzeption.
Auf die Grenzen einer sequentiellen Darstellung des Prozessablaufs weist Hieber (2002), S. I l l , selbst hin und piadiert fur eine situative Anpassung. ^ Vgl. Hieber/Nienhaus (2002), S. 32, die selbst darauf hinweisen, dass eine rein additive Verknupfung bzw. Verdichtung untemehmensspezifischer Kennzahlen unter Umstanden nicht zielftihrend sein kann. Daruber hinaus zeigen sie auch auf, dass das Problem der Mehrfachmitgliedschaft einzelner Untemehmen in der Kette in dem Ansatz nicht hinreichend berucksichtigt wird.
150
3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass das Performance Measurement insbesondere zur Bildung einer methodischen Basis des Supply Chain Performance Managements herangezogen werden kann. Aufgrund der Schwerpunktsetzung im Bereich der Messung erscheint dies speziell fur die Ausgestaltung der Evaluationsaufgabe der Steuerung'^® von zentraler Bedeutung. Offene Fragen bestehen weiterhin im Bereich der inhaltlichen Ausgestaltung der Supply Chain Performance sowie der Integration der Messaufgabe in einen prozessualen Managementansatz. Das folgende Kapitel 3.2 sucht die erstgenannte Fragestellung tiber eine Fokussierung des PerformancebegriflFs auf das Wertorientierungsziel zu beantworten. Zudem enthah es erste Aussagen zur Ausgestaltung eines integrierten Managementprozesses, auch wenn diese sich vorerst auf den Untemehmenskontext konzentrieren.
' Vgl. Kapitel 2.4.2.
3.2 Entwicklungspfad wertorientierte Untemehmensfuhrung
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3.2. Entwicklungspfad wertorientierte Unternehmensfiihrung Im vorangegangenen Kapitel wurden Impulse aufgezeigt, die von bestehenden Ansatzen des Performance Measurements fur die Steuerung von Supply Chains ausgehen. Im Folgenden soil mit der wertorientierten Untemehmensfuhrung ein zweiter zentraler Entwicklungspfad der SCPM-Konzeption aufgegriffen werden. Die wertorientierte Untemehmensfuhrung ist als eines der am weitesten verbreiteten Managementparadigmen aktuell einer intensiven Diskussion in Forschung und Praxis ausgesetzt. Eine vertiefende Betrachtung dieses Themenfelds erweist sich in mehrfacher Hinsicht als zielflihrend fiir die vorliegende Arbeit: Zum einen ist mit der Ausrichtung an der Wertsteigemng eine Fokussiemng der Performance auf monetare Zielsetzungen verbunden. Dies wirfl Fragen nach der Kompatibilitat einer Shareholder Valueorientierten Performance mit dem oben vorgestellten mehrdimensionalen Performanceverstandnis auf (vgl. Kapitel 3.2.1). Dariiber hinaus wird das messorientierte Performance Measurement mit der Einbindung in die wertorientierte Untemehmensfuhmng um eine starker planungsorientierte Komponente erganzt. Die anvisierte Weiterentwicklung vom Measurement zum performanceorientierten Management kann somit durch eine Aufdeckung der Konzeptmerkmale einer wertorientierten Untemehmensfuhrung nachgezeichnet werden (vgl. Kapitel 3.2.2). Last but not least gilt es, die Ubertragbarkeit der wertorientierten Untemehmensflihrung auf ein untemehmensiibergreifendes Steuerungsumfeld zu untersuchen, um die Anforderungen an eine wertorientierte Steuemng von Supply Chains auszuloten (vgl. Kapitel 3.2.3). 3.2.1. Grundlegende Einordnung der wertorientierten Performance Sofem Performance - wie oben postuliert - einen Zielerreichungsgrad bezeichnet, lasst sich dieser auf der Ebene des Gesamtuntemehmens am Ziel der Erfolgssteigemng festmachen. Fiir die Definition und Berechnung des Erfolgs bzw. der Erfolgssteigemng liegen jedoch zahlreiche und teilweise konkurrierende Ansatze vor. In der Untemehmenspraxis sind gewinnorientierte MaBstabe wie der Jahrestiberschuss (im extemen Rechnungswesen) oder das Betriebsergebnis (im intemen Rechnungswesen) weit verbreitet.^^^ Sie weisen jedoch Schwachen auf, die seit langerem in der einschlagigen Literatur theoriegeleitet diskutiert und auch empirisch belegt werden. ^^^ Ein erster gmndlegender Einwand besteht darin, dass der Gewinn als ZielgroBe untemehmerischen Erfolgs die aus Eigentumersicht relevanten Eigenkapitalkosten nicht berucksichtigt.^^^ Die Wertschaffung des Untemehmens, insbesondere aus der Perspektive der Anteilseigner, lasst sich deshalb auf Basis von Gewinngrofien nicht voUstandig quanti-
' " VgI.Giinther(1997),S.21. '^^ Vgl. Giinther et al. (2000a), S. 69-75, Baum et al. (2004), S. 263-264, Bozkurt/Kollmeier (2004), S. 108-109, Kiimpel/Priebe (2002), S. 169-170, Pape (2004), S. 31-36. Chakravarthy (1986) kommt im Rahmen einer empirischen Untersuchung bei 14 Untemehmen der Computerindustrie zu dem Ergebnis, dass konventionelle ErfolgsgrSBen wie Return on Equity (ROE) oder Return on Sales (ROS) nicht geeignet sind, Unterschiede in der strategischen Performance zu diagnostizieren, vgl. Chakravarthy (1986), S. 442. ^^^ Vgl. Giinther (1997), S. 25.
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3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
fizieren.^^'* Ein weiterer Kritikpunkt, der jedoch kontrovers diskutiert wird, besteht darin, dass gewinnorientierte MessgroBen wie z.B. Return on Investment (ROI) oder Return on Equity (ROE) schlechter mit den am Kapitalmarkt tatsachlich realisierten Renditen korrelieren wurden als wertorientierte Kennzahlen.'^^ Zudem liefert eine auf Buchwerten beruhende, periodenbezogene Erfolgsrechnung aus Steuerungssicht keine adaquate Informationsbasis fiir periodenubergreifende Entscheidungen.'^^ Gewinnorientierte ErfolgsgroBen stellen somit sowohl vor dem Hintergrund einer eigentumerorientierten, langfristigen Erfolgsbeurteilung als auch aus entscheidungstheoretischer Sicht oftmals keinen hinreichenden Performancemai3stabdar.'^' An den genannten Defiziten setzt das wertorientierte Performanceverstandnis an, welches im Zusammenhang mit dem Konzept des Shareholder Value Managements zunehmend Verbreitung findet. Im Allgemeinen stellt der Shareholder Value den auf die Anteilseigner entfallenden Untemehmenswert dar.'^* Zur Berechnung des Untemehmenswerts stehen eine Reihe von Ansatzen bereit, wie z.B. EVA (Economic Value Added), ROCE (Return on Capital Employed), CVA (Cash Value Added) oder CFROI (Cashflow Return on Investment). *^^ Diesen ist - zunachst abgesehen von methodischen Unterschieden - gemeinsam, dass Unternehmen nur dann „echten" Wert generieren, wenn der Ertrag ihrer Investitionen die Opportunitatskosten des gesamten verwendeten Kapitals (d.h. die potenzielle Verzinsung einer Alternativanlage am Kapitalmarkt) iibersteigt.'*^
*^* Vgl. Deimel (2002b), S. 506 und die dort zitierte Literatur. ^^^ Vgl. Giinther (1997), S. 50-54 und die dort zitierte Literatur sowie Ittner/Larcker (1998) und die dort zitierte Literatur. In einer aktuelleren empirischen Untersuchung stellen Giinther et al. (2000b) hingegen fest, dass die klassischen gewinnorientierten KenngrOfien langfristig besser mit der Kursentwicklung korrelieren als wertorientierten Performancemaife. Sie halten dies allerdings fUr ein temporares Phanomen, das auf eine unvollstandige Verbreitung des Shareholder Value-Denkens in Deutschland zuruckzufiihren ist. Andere Autoren schreiben wertorientierten Kenngrdfien eine im Verhaltnis zu klassischen ErfolgsmaBstaben bessere Eignung zu, die LeistungsMigkeit eines Untemehmens hinsichtlich der Kapitalgeberinteressen abzubilden, vgl. z.B. Otto (2002a), S. 126 und die dort zitierte Literatur. '^^ Diese Aussage wird unter anderem mit folgenden Schwachen gewinnorientierter MessgroBen begriindet: Verzemingen durch bilanzpolitische und steuerliche Spielraume, fehlende Abbildung von Risiken, Inflationseffekten sowie Alterstrukturen des Anlagevermdgens, unzureichende Benicksichtigung des Finanzierungsbedarfs ftir zukunftiges Wachstum. Vgl. dazu z.B. Brunner et al. (2001), S. 95, Bozkurt/Kollmeier (2004), S. 108-109, Giinther (1997), S. 50-59. Auch aus Sicht des Logistikmanagements werden zunehmend wertorientierte Messgrdfien bevorzugt, vgl. Lambert/Burduroglu (2000), S. 15, Ellram/Baohong (2002), S. 34-37, Christopher/Ryals (1999), Keebler (2001b) sowie Hofmann/Elbert (2004). ^'^ Giinther (1997), S. 54, hah in diesem Zusammenhang fest, dass die Kritik einer einseitigen Orientierung des Managements an gewinnorientierten MessgrSBen teilweise „iiberzogen [ist], da z.B. seit jeher ein Vergleich der Gesamtkapitahendite mit den Kapitalkosten zum Standard-Repertoire der Kennzahlenanalyse gehort". Er raumt jedoch ein, dass die Anlegersicht bei operativen und strategischen Entscheidungen in der Vergangenheit an Bedeutung verloren hat und durch „verfeinerte", wertorientierte MessgrSfien, wie z.B. Cash-flowbasierte Kennzahlen, intensiviert werden sollte. Vgl. dazu auch Giinther (1997), S. 25. ^^^ Vgl. Lucke (2001), S. 58. Als bedeutendster Vertreter des Shareholder Value Managements gilt Rappaport, vgl. Rappaport (1986). ^^^ Vgl. zu diesen wertorientierten Kennzahlen die Ausfuhrungen in Kapitel 3.2.2. ^^" Vgl. Coenenberg/Salfeld (2003), S. 11, Horvdth (2003a), S. 507. Vgl. zur Unterscheidung barwertbasierter und residualgroBenbasierter Performancemafie Giinther et al. (2000a), S. 71.
3.2 Entwicklungspfad wertorientierte Untemehmensfuhrung
153
Die Denkweise in Opportunitaten fiihrt zur Zukunftsorientiemng als Kemmerkmal einer wertorientierten Performance. Mit der Fokussierung auf zukiinftige Wertschaffung wird in erster Linie eine Ausdehnung der strategischen Handlungsspielraume eines wertorientiert gefiihrten Untemehmens angestrebt (z.B. durch ErschlieBung neuer Markte oder Untemehmensakquisitionen). Dabei spielt die FShigkeit des Managements, in moglichst kurzer Zeit eine hohe Marktkapitalisiemng zu erreichen, eine zentrale Rolle.*^^ Da jedoch eine ex ante erfolgende Einschatzung zukunftiger Wertschaffiingspotenziale fur die Anleger erhebliche Risiken birgt, erlangt die Kommunikation zukunftsbezogener Kennzahlen eines Untemehmens an seine Shareholder eine herausragende Bedeutung.^^^ Hierunter fallen insbesondere die oben genannten immateriellen Vermogenswerte wie Rechte, Markenwerte, Know-how Oder Mitarbeiterfahigkeiten.*^^
Diese
konnen
als potenzielle
Friihindikatoren
bzw.
TreibergroBen zukunftiger Wertschaffung herangezogen werden.*^'^ Als zentrale Herausforderung erweist sich dabei die Monetarisierung dieser immateriellen Werte.*^^ Zur Systematisierung von immateriellen Vermogenswerten liegen unterschiedliche Ansatze vor. Haufig ist eine Differenzierung von sog, Strukturkapital (z.B. Untemehmensimage, InnovationsMigkeit, Prozesskapital, Untemehmenskultur) und Humankapital (z.B. Wissen und Kompetenz der Mitarbeiter) anzutreffen.'^^ Im Hinblick auf eine starkere AuBenorientierung des wertorientierten Managements werden in jiingerer Zeit zunehmend „exteme" Formen immateriellen Vermogens, wie z.B. das Kundenkapital (z.B. Kundenbasis, Kundenbeziehungen, Kundenpotenzial) und das Partner- bzw. AUianzkapital (z.B. Kooperationsbeziehungen zwischen Untemehmen) im Rahmen des
''*' Vgl. Coenenberg/Salfeld (2003), S. 7. Seit ca. 15 Jahren sind Anleger zunehmend bereit, zukunftsorientierten Kennzahlen gegenuber klassischen gewinnorientierten GrOfien den Vorzug zu geben, vgl. Giinther et al. (2000a), S. 70. Dies auBert sich in einem wachsenden Spread zwischen Markt- und Buchwert eines Untemehmens. Wahrend in den Jahrzehnten vor 1990 die Market-to-Book-Ratio borsennotierter Untemehmen einen relativ stabilen Wert von ca. 1,5 aufwies, ist sie seitdem - auch nach der weitgehenden Bereinigung der New-Economy-Fantasien - auf durchschnittlich 2,8 angewachsen. Vgl. dazu Coenenberg/Salfeld (2003), S. 8. Die Begriffe „immaterielle Vermogenswerte", „intellektuelle VermSgenswerte", „intangible Verm5genswerte", „Intangibles" und „Intangible Assets" werden im Folgenden synonym verwendet. Vgl. zum Management von Intangibles Gunther (2001), MoUer (2004), Stoi (2004), Helm/Meiler (2004), Schnabel (2002), Neely et al. (2004), Valentin et al. (2004) sowie Daum (2003). Ein anwendungsbezogenes Beispiel fur das Management von Intangibles mittels eines Scorecard-ahnlichen Instruments liefem M611erAValker (2003), S. 492. '^^ Vgl. ahnlich Daum (2003), S. 130 sowie S. 131-134. Vgl. auch Burmann/Meffert (2004), S. 46, die auf die strategische Flexibilitat als immaterielle Determinante des Untemehmenswerts abstellen. Komponenten der strategischen Flexibilitat sind zum einen die Replikationsfahigkeit (Fahigkeit, operatives Prozesswissen effektiv und eflFizient zu muhiplizieren), zum anderen die Rekonfigurationsahigkeit (Fahigkeit zur Dekontextualisierung vorhandenen Wissens auf elementare Ursache-Wirkungsbeziehungen und Ubertragung des Wissens auf neue Anwendungsgebiete). 185 In der Praxis bereits umgesetzte Ansatze zur Erfassung immaterieller VermSgenswerte wie z.B. der Skandia Navigator (oder vom Grundprinzip her auch die Balanced Scorecard) greifen meist auf Indikatorenmodelle zurUck, welche Ursache-Wirkungsbeziehungen zwischen Intangible Assets und fmanziellen KenngrQBen herstellen. Vgl. dazu die bereits gefuhrte Diskussion zu Indikatorenmodellen in Kapitel 3.1.2 und die dort angefuhrten Quellen. Vgl. auch Stoi (2004), S. 195-200, Valentin et al. (2004), S. 354. ^^^ Vgl. z.B. die Systematisierung bei Schnabel (2002), S. 38, oder Stoi (2004), S. 190. Letztgenannte wird auch zur Diskussion des Wertbegriflfs bei Neher (2003), S. 30-31, herangezogen.
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3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
Intangible Asset Managements beriicksichtigt.'*' Immaterielle Vermogenswerte werden somit zunehmend als Bestandteil eines erweiterten wertorientierten Performanceverstandnisses angesehen. Dies erweist sich fiir die Aufgabenstellung der vorliegenden Arbeit insofem als relevant, als die in der Supply Chain verorteten, teilweise immateriellen Werttreiber hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den Wert der teilnehmenden Untemehmen und auf den Wert der Supply Chain zu untersuchen sind, um deren wertorientierte Steuerung zu ermoglichen.^*^ 3.2.2. Konzeptmerkmale und Prozess der wertorientierten Unternehmensfiihrung Zur Ableitung charakterisierender Merkmale der wertorientierten Untemehmensfuhrung soil sie zunachst in den aktuellen Kontext des strategischen Managements eingeordnet werden. Die Strategieforschung wurde in den letzten Jahrzehnten mafigeblich durch drei Stromungen gepragt, welche zur Erzielung von Wertschopfung einer jeweils unterschiedlichen Argumentationslogik folgen (vgl. Abbildung 38)/*^ Der Market Based View beeinflusst die strategische Untemehmensfuhrung seit den 70er Jahren. Er beruht auf dem industrieokonomisch fundierten Structure-Conduct-PerformanceParadigma, nach welchem sich die exteme Branchen- bzw. Marktstruktur auf das Verhalten eines Untemehmens und damit nachgelagert auch auf dessen Erfolg auswirkt.^^ Wichtigste Vorbedingung fur das Oberziel der Wettbewerbsfahigkeit ist somit die Auswahl und Besetzung einer verteidigungsfShigen Produkt-Markt-Position innerhalb einer Branche. Der Resource Based View setzt der AuBenorientierung des Market Based View eine „hisideOut"-Perspektive entgegen und leitet die Fahigkeit eines Untemehmens zur Wertschopfung
'
Vgl. Stoi (2004), S. 190 sowie die Hinweise auf Kunden- und Lieferantenbeziehungen als immaterielle Werte beiGiinther(2001),S.53. Zum Wert interorganisationaler Beziehungen im Allgemeinen bzw. (strategischer) Untemehmensnetzwerke wie Supply Chains im Besonderen liegen nur wenige definitorische Arbeiten vor. Vgl. Thoms (2003), S. 65-73 sowie Wohlgemuth (2002), S. 168-172. Thoms (2003), S. 65, stellt den Wert eines Untemehmensnetzwerks als ,>IaB der Vorziehungswiirdigkeit [...], die sich aus der Einschatzung des gesamten Netzwerknutzens und sSmtlicher Kosten des Netzwerkes aus Sicht der beteiligten Untemehmen ergibt", dar. Damit folgt er dem von Engels (1962) vorgeschlagenen „gerundiven Wertbegriflf", der Wert als Verhaltnis von Nutzen und Kosten in Bezug auf eine bestimmte Zielfimktion deflniert. Als Nutzenkomponenten des Netzwerkwerts nennt Thoms die Verbesserung der Marktposition, Kompetenzgewinn, Zeitvorteile, Kosten- und Risikoreduktion sowie die Produkt- und DienstleistungsqualitStsverbesserung. Zu den Netzwerkkosten zahh er die in der Transaktionskostentheorie verankerten Anbahnungs-, Vereinbarungs- KontroU- und Anpassungskosten (vgl. Kapitel 2.3.1). Es ist ersichtlich, dass das gerundive Wertverstandnis fast deckungsgleich mit dem in Kapitel 3.1.1 entwickelten effizienz- und effektivitatsorientierten Performanceverstandnis ist, welches sowohl den Zielerreichungsgrad als auch den zur Zielerreichung nStigen Aufwand beriicksichtigt. Das Begriffsverstandnis der „wertorientierten Performance einer Supply Chain" in der vorliegenden Arbeit bezieht sich daher auf den monet^en Wertbegriff. Andere, nicht-monetare Bedeutungsinhalte des Wertbegrififs werden dem allgemeinen Performancebegriff zugeordnet.
•^^ Vgl. zur folgenden Aufeahlung Coenenberg (2003), S. 11 sowie Moller (2003), S. 59-60. Im Zusammenhang mit dem Market Based View haben insbesondere fiinf Triebkrafte des Branchenwettbewerbs auf breiter Basis Eingang in die Strategieforschung gefunden. Die von Porter (1980) als „Five Forces" bezeichneten EinflussgroBen umfassen (1) Bedrohungen durch neue Wettbewerber, (2) die Verhandlungsmacht der Kunden, (3) die Verhandlungsmacht der Lieferanten, (4) Druck durch Substitutionsprodukte sowie (5) die Intensitat der Rivalitat zwischen bestehenden Anbietem. Vgl. dazu Porter (2000), S. 25-52, Welge/AlLaham (2001), S. 36-41 und S. 193-201 sowie Muller-Stewens/Lechner (2003), S. 188-193.
3.2 Entwicklungspfad wertorientierte Untemehmensfuhrung
155
maBgeblich von dessen eigener Ressourcenbasis ab.^^^ Zwischen Ressourcen und Untemehmenserfolg wird eine komplexe Wirkungsbeziehung angenommen, derzufolge Ressourcen gezielt ausgewahlt, gebiindelt und am Markt platziert werden mussen, um dauerhafte Wettbewerbsvorteile und damit uberdurchschnittliche Renten zu erwirtschaften.^^^ Erfolgsunterschiede zwischen Untemehmen lassen sich demgemaB weniger auf Branchen- bzw. Wettbewerbskrafte als auf Unterschiede in der individuellen Ressourcenausstattung zuruckfiihren.^^^
Value Based View (vgl. z.B. Rappaport, 1986)
Market Based View (vgl. Z.B. Porter, 1980)
Abbildung 38:
Resource Based View (vgl. z.B. Prahalad/Hamel, 1990)
Strategische Untemehmensfuhrung im Kontext von Wettbewerbs-, Ressourcen- und Wertstrategie. Quelle: Coenenberg (2003), S. 11, leicht verdndert
Forschungsseitig diskutierte Weiterentwicklungen des ursprunglichen Resource Based View treiben unterschiedliche Teilaspekte des ursprunglichen Ansatzes in jeweils eigener Schwerpunktsetzung voran:'^'^ Der Competence Based View bzw. Kemkompetenzansatz geht davon aus, dass die den Ressourcen innewohnenden Wirkungspotenziale erst in handlungsorientierte Potenziale umgewandelt werden mussen, um Erfolgswirkungen zu entfalten.*^^ Ftir diese Transformation sind zum einen spezielle organisationale Fahigkeiten, d.h. Kemkompetenzen, notwendig. Zum anderen mussen die geschafifenen Potenziale aktiviert, d.h. in Prozesse umgewandelt werden, bevor sie markt- und damit ergebnisrelevant werden. ^^^ Mit der damit
'"" Vgl. Barney (1991), S. 99-120, Freiling (2001b), S. 5-7, Duschek/Sydow (2002), S. 426. An die Ressourcen sind besondere Anforderungen zu stellen: Sie sind untemehmensspezifisch, wertvoU, knapp, nicht bzw. schwer transferierbar, nicht bzw. schwer substituierbar sowie nicht bzw. schwer imitierbar. Zudem ergeben sich bei langfristiger Bearbeitung der Ressourcenbasis zeitabhangige Ressourcenakkumulationseffekte, d.h. Vorteile beim Aufbau neuer Ressourcen. Vgl. dazu vertiefend Heusler (2004), S. 208-211. ^^^ Vgl. Freiling (2001a), S. 74, Freiling (2001b), S. 7-8 sowie Heusler (2004), S. 199-207 und die dort zitierte Literatur. Unter den (mikrookonomisch definierten) Renten werden Ertrage verstanden, welche die Opportunitatskosten des Ressourceneinsatzes in einer Branche iiberschreiten, ohne neue Wettbewerber anzuziehen, vgl. Miiller-Stewens/Lechner (2003), S. 357. ^^^ Vgl. Miiller-Stewens/Lechner (2003), S. 356-357. ^^^ Die Weiterentwicklungen grunden sich unter anderem auf die vielfdltige Kritik am ursprunglichen Ansatz. Hervorzuheben sind unter anderem die mangelnde defmitorische Eingrenzung des Ressourcenbegriffs (vgl. Heusler (2004), S. 201-202, Freiling (2001b), S. 14) sowie die unzureichenden Erklarungsbeitrage zur Ressourcenkomplementaritat (Ressourcen werden erst in Kombination mit anderen Ressourcen nutzbar) und zur Ressourcenbewertung (wertvolle Ressourcen koimen ex ante nicht von wertlosen Ressourcen unterschieden werden), vgl. Muller-Stewens/Lechner (2003), S. 358. '^^ Der Competence Based View wurde maBgeblich von Hamel und Prahalad gepragt, vgl. z.B. Prahalad/Hamel (1990). ^^ Vgl. Freiling (2004), S. 6.
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3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
verbundenen Fokussierung auf prozessuale, organisatorische und integrative Aspekte der Generiening und Aufrechterhaltung von kemkompetenzinduzierten Wettbewerbsvorteilen oflFenbart sich der enge Bezug der Competence Based View zur strategischen Untemehmensfiihrung.^^^ Eine untemehmensiibergreifende Weiterentwicklung der Ressourcenorientierung stellt der Relational View dar.'^* Er basiert auf der Annahme, dass wettbewerbsrelevante Ressourcen auch in interorganisationalen Beziehungen verortet sein k6nnen und stellt damit einen wichtigen Bezugspunkt fur ressourcenorientierte Netzwerkansatze dar.'^ Die primare Analyseebene des Relational View ist die Kooperation bzw. das Netzwerk.^'^ Uber die Schaffung kooperativer Kemkompetenzen konnen „relationale Renten"^^' erwirtschaftet werden, beispielsweise indem untemehmensiibergreifende Transaktionskosten (wie etwa Kontrollkosten) gesenkt werden oder Ressourcen (materielle und immaterielle) gemeinsam genutzt oder ausgetauscht werden.^"^ Der Value Based View, welcher sich auf Managementebene im Konzept der wertorientierten Untemehmensfuhrung manifestiert, stellt heute die am starksten verbreitete Grundrichtung strategischer Untemehmensflihrung dar.^"^ Er setzt eine durchgehende Ausrichtung des gesamten Untemehmens auf die Strategic „Steigerung des Untemehmenswerts" voraus. Die dadurch entstehende Fokussierung auf die Anfordemngen der Kapitalmarkte ist nicht als Ersatzparadigma an Stelle der Market- oder Resource Based View zu interpretieren. Vielmehr ist das Ziel einer langfristigen Wertsteigemng nur iiber einen integrativen Ansatz zu erreichen, im Rahmen dessen markt- und ressourcenorientierte Strategien im Rahmen einer UrsacheWirkungsverkniipfung auf das Wertsteigerungsziel hinwirken. Insofem iiberrascht es nicht, dass in der Literatur zunehmend integrative AnsStze gefordert werden, welche marktbezogene Anforderungen, Ressourcenbasis und Wertstrategie miteinander verbinden, wie dies in Abbildung 38 schematisch dargestellt wird.^*^
Vgl. Prahalad/Hamel (1991). Dieser Bezug findet insbesondere in jiingeren Arbeiten zum Competence-Based Strategic Management seinen Niederschlag. Vgl. dazu Sanchez/Heene (1996), insbes. S. 41. Vgl. auch Freiling (2001a), S. 74, der den Resource Based View ebenfalls als strategischen Managementansatz auffasst. * Vgl. grundlegend Dyer/Singh (1998), S. 660-679, Freiling (2003), S. 244-247. Vgl. auch die Ausfiihrungen bei Heusler (2004), S. 215-219, insbes. die exemplarische Argumentationslogik des Relational View auf S.218. ' Vgl. Dyer/Sinh (1998), S. 660-661, Heusler (2004), S. 215. ' Vgl. Duschek/Sydow (2002), S. 428. ' Vgl. zum Begriff der ,Jlelational Rent" Dyer/Singh (1998), S. 661. ^ Als Moglichkeiten fOr die Generiening von relationalen Renten nennen Dyer/Singh (1998) insbesondere (1) die Einrichtung beziehungsspezifischer Assets (z.B. gemeinsame Investitionen), (2) Routinen fur den interorganisationalen Wissensaustausch (z.B. Austausch von F&E-Know-how), (3) die Nutzung komplementarer Ressourcen (jeweils firmenspezifische, am offenen Markt nicht erhaltliche Ressourcen, die zusammen einen iiberproportionalen Mehrwert generieren) sowie (4) den Aufbau eines untemehmensubergreifenden, institutionellen Rahmens fur die Netzwerksteuerung und -kontrolle. Vgl. dazu Dyer/Singh (1998), S. 662, Duschek/Sydow (2002), S. 429. ' Vgl. MoUer (2003), S. 58. Vgl. auch die Ergebnisse der empirischen Untersuchung von Horvath/Minning (2001), S. 273-282, derzufolge die Steigerung des Untemehmenswerts fiir 61% der umsatzstarksten Unternehmen in Frankreich, 89% in Deutschland sowie 94% in Italien und GroBbritannien eine wichtige strategische Zielsetzung darstelh (Erhebungsjahr: 2000). * Vgl. Coenenberg (2003), S. 11, Moller (2003), S. 59.
3.2 Entwicklungspfad wertorientierte Untemehmensfuhrung
157
Nach einer ersten konzeptionellen Einordnung der wertorientierten Untemehmensfuhrung gilt es, diese zu konkretisieren. Um den Steuerungsanspruch der wertorientierten Untemehmensflihrung herauszuarbeiten, bietet sich - wie bereits in Kapitel 2.2.2 bei der Ableitung eines prozessualen Steuerungsverstandnisses - eine aufgabenbezogene Darstellungsform an (vgl. Abbildung 39).'"'
Wertorientierte \ I'^^^^f^!;^^ \ l l ' t ' n u n r \ Wertschaffung \ Zielesetzen /P'a"^"""^ >messenund ^^elohnen / ^ entscheiden / kontrollieren ^ ^ Wertorientierung und Wertschaffung kommunizieren Abbildung 39:
Prozess der wertorientierten Untemehmensfuhrung Quelle: Kajiiter (2002a), S. 262, leicht verdndert
Wertorientierte Ziele setzen Am Beginn des idealtypischen^^^ Prozesses der wertorientierten Untemehmensfuhrung steht die Aufstellung eines Zielsystems fur das Untemehmen.^^^ In einem Mehrgeschaftsuntemehmen wie z.B. einem typischen Konzem ist dazu das iibergeordnete FormalzieP^^ der Wertsteigemng iiber die Berechnung differenzierter Kapitalkostensatze in Geschaftsbereichsziele aufzuteilen, bevor eine Operationalisiemng uber Sachziele stattfmden kann. Bin Ausweis von Geschaftsbereichszielen wird von Seiten des Kapitalmarkts gefordert, um eine ineffiziente, d.h. dem Shareholder Value-Prinzip widersprechende, Quersubventioniemng von Geschaflsbereichen innerhalb eines Konzems zu verhindem. Auch aus Steuemngsgesichtspunkten erscheint dies notwendig, um eine risiko- und wertorientierte AUokation von Investitionskapital zu gewahrleisten.^^^ Wertorientiert planen und entscheiden An die Zielformuliemng schlieBt sich die wertorientierte Planung an.^^^ Diese erstreckt sich von der gmndlegenden Planung von Investitionen in (neue) Geschaftsbereiche (Portfolioma-
^"^ Vgl. zur Strukturierung der folgenden Ausfuhrungen insbesondere Kajuter (2002a), S. 262-271. Vgl. auch den „prozessualen Baustein" der von Lattwein (2002), S. 263, vorgestellten Konzeption einer wertorientierten Steuerung. Idealtypisch insofem, als der Managementprozess in Abbildung 39 linear dargestellt wird, ohne Riickkopplungsschleifen, Unterbrechungen oder ahnliches zu beriicksichtigen. ^^^ Vgl. auch Pape (2004), S. 41-42. ^"^ Vgl. die Ausfuhrungen zum mehrdimensionalen Performancebegriff (Kapitel 3.1.1) so wie speziell zum wertorientierten Performanceverstandnis (3.2.1). ^^ Vgl. Kajuter (2002a), S. 263-264. Dabei treten in der Praxis bei der Ermittlung des Eigenkapitalzinssatzes von Geschaftsbereichen, die nicht selbst borsennotiert sind, vielfach Probleme auf. Insbesondere kann der pFaktor nur naherungsweise berechnet werden. Vgl. zum P-Faktor die Ausfuhrungen weiter unten im Abschnitt „Wertorientiert planen und entscheiden". ^^^ Vgl. Kajiiter (2002a), S. 271 sowie S. 275, Coenenberg/Salfeld (2003), S. 254.
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3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
nagement^^') iiber die Planung von rentabilitatsverbessemden Mafinahmen innerhalb existierender Geschaftsbereiche (z.B. durch absatzpolitische Mafinahmen oder durch die Reduktion der Kapitalbindung) bis hin zur Optimierung der Kapitalstruktur im Rahmen des Finanzmanagements (z.B. Anpassung des Eigenkapital-ZFrerndkapitalverhaltnisses).^'^ Eine wertorientierte Planung beruht dabei meist auf mehrperiodigen Planungsrechnungen, welche auf der Ebene eines als Profit Center agierenden, strategischen GeschSftsbereichs ansetzen. Unter Verwendung eines speziellen Kapitalwertverfahrens, dem sog. Discounted Cash Flow (DCF)Verfahren, werden dabei die Zahlungsstrome eines Untemehmens (Cashflows) als zu kapitalisierende Grdfie herangezogen.^'^ Urn die Auswirkungen untemehmerischer Entscheidungen auf den Untemehmenswert zu prognostizieren, werden aus BusinessplSnen zukiinftige Free Cash Flows (Brutto Cashflows abzuglich Investitionen in das Anlage- und Umlaufvermogen) abgeleitet.^''* Der Shareholder Value ergibt sich aus den abdiskontierten Free Cash Flows abztiglich des Marktwerts des Fremdkapitals:^*^ FCF,
^„
^ettoZp^,^,^^
(i+wc)' ^'" a+v-.)' Shareholder Value = Untemehmenswert - Marktwert des Fremdkapitals mit: I = Shareholder Value = Marktwert des Eigenkapitals FCF, = Free Cash Flow in Periode t iwACC = kapitalgewichteter Eigenkapital- und Fremdkapitalzinssatz NettoZ FK-Geber t = NettozaMungen an die Fremdkapitalgeber in Periode t ipfi = Fremdkapitalzinssatz
Die Berechnung des DCF beriicksichtigt explizit den geforderten Zukunftsbezug einer wertorientierten Untemehmensfuhrung, indem der Untemehmens- bzw. Geschaftsbereichswert sich unmittelbar aus geplanten zukunftigen Zahlungsfliissen ableitet. Da es auf einer Adaption des allgemeinen investitionstheoretischen Kapitalwertmodells beruht, zeichnet es sich zudem durch eine hohe theoretische Geschlossenheit aus. Aus Sicht der UntemehmensIm Rahmen des Poitfoliomanagements kommen insbesondere sog. Portfoliotechniken zum Einsatz. Vgl. zu einem exemplarischen Strategieportfolio als Methode des Logistikcontrollings Kapitel 3.3.2. • Vgl. Kajiiter (2002a), S. 265-268. Vgl. zu dieser Systematisiening auch die drei grundlegenden Fiihrungsentscheidungen im Shareholder Value-Netzwerk nach Rappaport (1986), S. 76. ' Vgl. Deimel (2002b), S. 79. Das DCF-Verfahren geht auf Copeland/Koller/Murrin (vgl. Copeland et al. (1993)) zuruck. Es beriicksichtigt - anders als das allgemeine Kapitalwertmodell - nicht nur allgemeine Zahlungsiiberschtisse, sondera zieht den sog. Free Cash Flow (FCF) heran, in welchem der operative Cash Flow urn Investitionen in Sachanlagen und inunaterielle VermSgensgegenstande bereinigt wird. Zudem bezieht das DCF-Verfahren einen Restwert des Untemehmens bzw. des Investitionsprojekts nach Ablauf der Planungsperiode in die Berechnung mit ein. Die Bruttomethode stellt das in der Praxis am h£iufigsten verwendete DCF-Bewertungsverfahren dar, vgl. dazu die empirischen Ergebnisse von Pellens et al. (2000), S. 1827. * Der zur Abdiskontierung verwendete Kalkulationszinsfufi iwAcc (WACC = Weighted Average Cost of Capital) stellt einen gewichteten Zinssatz aus Eigenkapital- und Fremdkapitalzinssatz dar. Der Fremdkapitalzinssatz ist dabei relativ einfach zu ermitteln, da er den jahrlich zu leistenden Zinszahlungen an die Fremdkapitalgeber entspricht, Der Eigenkapitalzinssatz wird auf Basis des sog. Capital Asset Pricing Modells (CAPM) ermittelt, welches die Eigenkapitalkosten durch Addition des Zinssatzes einer risikofreien Anlage (z.B. zehnjahrige Bundeswertpapiere) und einer Risikopramie ftir die Ubemahme des Marktrisikos berechnet. Zur Ermittlung der Risikopramie wird ein P-Wert herangezogen, der die Korrelation des Wertpapiers mit dem Marktportfeuille misst. Vgl. ausftihrlicher zum WACC Deimel (2002a), S. 80, Riedl (2000), S. 206-210 und die dort zitierte Literatur.
3.2 Entwicklungspfad wertorientierte Untemehmensfuhrung
159
praxis setzt jedoch die fehlende Prognostizierbarkeit zukunftiger Cashflows der Anwendbarkeit des Verfahrens Grenzen.^*^ Wertschaffung messen und kontroUieren Verfahren der wertorientierten KontroUe werden - im Gegensatz zu mehrperiodigen Planung mit dem DCF-Verfahren - meist zur periodischen Performancekontrolle der geplanten Wertbeitrage eingesetzt. Da sie auf Jahresabschlussdaten basieren, erlauben sie eine groBere Objektivierbarkeit der ErfolgsgroBen. Die idealtypischen, groBtenteils von Beratungsgesellschaften entwickelten Messansatze werden hSufig an firmenspezifische Anforderungen angepasst, so dass in der Untemehmenspraxis eine relativ breites Spektrum an wertorientierten Spitzenkennzahlen existiert?^^ Das Anforderungsprofil an diese Kennzahlen ist auBerst vielfaltig und umfasst unter anderem deren Kapitalmarktkorrelation, Manipulationssicherheit, Einfachheit und Verstandlichkeit sowie Wirtschaftlichkeit.^'^ Die gangigsten wertorientierten MessgroBen lassen sich zum einen danach systematisieren, ob sie auf GewinngroBen (z.B. ROCE und EVA) oder auf Cashflows (z.B. CFROI und CVA) basieren. Zum anderen werden neben absoluten WertbeitragsgroBen in der Praxis haufig relative Rentabilitatskennzahlen eingesetzt (vgl. Abbildung 40).^^^ Der Return on Capital Employed (ROCE) ist eine Renditekennzahl, welche den im operativen Geschaft erwirtschafteten Erfolg vor Steuem (Earnings Before Income and Taxes (EBIT)) zum investierten Kapital ins Verhaltnis setzt (ROCE = EBIT / Capital Employed). Da keine komplexen Bereinigungen vorgenommen werden, lasst er sich relativ einfach berechnen, so dass auch eine untemehmensexteme Analyse des ROCE auf Basis von Jahresabschlussdaten mOglich ist.^^^ Kritisch zu sehen ist allerdings die Tatsache, dass bei der Berechnung des Umfangs des Capital Employed relativ groBe Interpretationsspielraume bestehen, welche die Vergleichbarkeit der Kennzahl einschranken konnen. Der Economic Value Added (EVA) stellt demgegentiber eine ResidualgewinngroBe dar, die aus der Subtraktion der Kapitalkosten (Investiertes Kapital x WACC) vom operativen Jahresergebnis vor Zinsen und Steuem (Net Operating Profit After Taxes (NOPAT)) gebildet wird (vgl. auch Abbildung 41).^^* Da beide Ausgangsgr5Ben (Investiertes Kapital und NOPAT) auf dem handelsrechtlichen Jahresabschluss beruhen und somit bilanzpolitische Spielraume ^'"^ Vgl Weber et al. (2004), S. 115. ^*^ Vgl. Kajmer (2002a), S. 274-275. ^^* Eine ausflihrliche Diskussion der formalen Anforderungen an wertorientierte Kennzahlen kann an dieser Stelle nicht angetreten werden. Untersuchungen, die sich intensiver mit dem Vergleich wertorientierter Kennzahlen(systeme) auseinandersetzen, gehen davon aus, dass keine Kennzahl ohne Einbeziehung situations-, branchen- bzw. untemehmensspezifischer UmstSnde generell bevorzugt werden kann. Vgl. z.B. Weber et al. (2004), S. 84-116. Vgl, auch die zusammenfassende Gegeniiberstellung unterschiedlicher wertorientierter Kennzahlen bei StUhrenberg et al. (2003), S. 64-65. ^ Christopher/Ryals (1999) zShlen EVA und CFI creation]", vgl. Christopher/Ryals (1999), S. 2. ^^^ Vgl. Kajiiter (2002a), S. 278. ^^' Vgl. grundlegend zum EVA Stewart (1991).
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3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
bestehen, geht der Berechnung des EVA ein mehrstufiger Bereinigungsprozess mit grundsatzlichen (obligatorischen) und geschaftsspezifischen Anpassungen voraus.^^^ Der EVA beruht somit auf bilanziellen Daten, modifiziert diese jedoch, urn typische Schwachen gewinnorientierter Kennzahlen(systeme) zu reduzieren.^^^ ^"^ ^-.....^^^ Inhalt Datenbasis"-^—^.^^^
Rentabilitiit
Wertbeitrag
Gewinn
ROCE (Return on Capital Employed)
i EVA (Economic Value Added)
Cashflow
CFROI (Cashflow Return on Investment)
; CVA (Cash Value Added)
Abbildung 40:
Systematisierung ausgewdhlter wertorientierter Kennzahlen der Kontrollrechnung Quelle: In Anlehnung an Kajuter (2002a), S. 275
Cashflow-basierte Bewertungsverfahren fallen zwar ebenfalls in die Kategorie der Residualgewinnkonzepte, Ziehen jedoch ZahlungsstrSme zur Berechnung des Untemehmenswerts heran.^^'* Der Cash Flow Return on Investment (CFROI) wird aus dem Brutto-Cashflow (BCF), der okonomischen Abschreibung (OA) und der Kapitalbasis errechnet (vgl. Ausdruck (a)). ,.; CFROI= mit: BCF OA
^^^-^^ Kapitalbasis
= Brutto-Cashflow = Zahlungsuberschuss + Abschreibungen + Zinsaujwand = Okonom. Abschreibung = (Anschaffungsw. - Restwert) * Ruckwdrtsverteilungsfaktor
(b) CVA=[CFROI-WACC) * Kapitalbasis Zur Berechnung des Brutto-Cashflows wird der Zahlungsuberschuss der betrachteten Periode (bereinigt um auBerordentliche und aperiodische Positionen) mit Abschreibungen, Miet- und Leasingaufwand sowie Zinsaufwand addiert. Die Kapitalbasis bezeichnet das zu Beginn einer Periode von den Anlegem investierte Kapital abzuglich nicht zinstragender Verbindlichkeiten.^^^ Die okonomischen Abschreibungen sind vor dem Hintergrund einer unendlichen Untemehmensfortfuhrung notwendig, um abnutzbares Anlagevermogen (z.B. Maschinen, Fuhrpark) angemessen zu berucksichtigen. Dazu wird der vom Brutto-Cashflow abgezogene
Vgl. Coenenberg/Salfeld (2003), S. 267. Bei den als „Conversions" bezeichneten Anpassungen werden Operating Conversions (Bereinigung um nicht betriebliche Ergebniskomponenten), Funding Conversions (Beriicksichtigung versteckter Finanzierungsformen, z.B. nicht zinstragende Verbindlichkeiten wie Lieferantenkredite). Shareholder Conversions (Berucksichtigung eigenkapitalahnlicher, meist langfristiger Investitionen, die nicht im Jahresabschluss enthalten sind) sowie Tax Conversions (Anpassung der steuerlichen Bemessungsgrundlage nach DurchfUhrung der anderen Conversions) unterschieden, vgl. Weber et al. (2004), S. 65-68. Vgl. Coenenberg/Salfeld (2003), S. 269. Die hohe Komplexitat und Untemehmensbezogenheit der Anpassungen kann jedoch die Praktikabilitat und Wirtschaftlichkeit des Verfahrens gefahrden. Zudem wird in der periodenbezogenen Berechnung des EVA die Gefahr gesehen, dass das Management zu Restrukturierungsmafinahmen kurzfristiger Wirksamkeit motiviert werden konne, vgl. Michel (1996), S. 98. Vgl. zur Kritik am EVA-Ansatz Schneider (2001), S. 2509-2514, vgl. auch Stuhrenberg et al. (2003), S. 60. ^^^ Vgl. Coenenberg/Salfeld (2003), S. 269-270. Die Bewertung der Kapitalbasis (auch: Bruttoinvestitionsbasis) erfolgt dabei zu historischen Anschafflmgsbzw. Herstellungskosten, vgl. Weber et al. (2004), S. 74 und die dort zitierte Literatur.
3.2 Entwicklungspfad wertorientierte Untemehmensfuhrung
161
Abschreibungsbetrag verzinslich angelegt, so dass am Ende der (zu prognostizierenden) wirtschaftlichen Nutzungsdauer Mittel fur eine Ersatzinvestition zur Verfugung stehen. Verzemingseffekte durch zunehmendes Anlagenalter, wie sie z.B. beim ROCE auflreten,^^^ konnen auf diese Weise vermieden werden. Der Cash Value Added (CVA) wird ermittelt, indem vom CFROI die gewichteten Kapitalkosten subtrahiert werden und die resultierende Gr66e, die Residualrendite, mit der Kapitalbasis multipliziert wird (vgl. Ausdruck (b)). Der CVA stellt demzufolge den in einer Periode erwirtschafteten realen (absoluten) Wertzuwachs dar.^^^ Da sie auf ZahlungsflussgroBen beruhen, unterliegen CVA und CFROI in geringerem AuBmaB bilanzpolitischen Spielraumen als EVA und ROCE. Allerdings ist in der Praxis festzustellen, dass uber eine zeitliche Verschiebung von Ein- und Auszahlungen ebenfalls eine aus Sicht des Shareholder ValueAnsatzes unerwtinschte Beeinflussbarkeit gegeben ist.^^^ Wertschaffung belohnen Die Forderung Wert schaffender Aktivitaten tiber Anreiz- bzw. Vergiitungssysteme stellt ein verhaltenswissenschaftlich relevantes Aufgabenfeld der wertorientierten Untemehmensfuhrung dar.^^^ Dabei stehen aus wertorientierter Sicht variable monetare Vergiitungssysteme, die auf eine extrinsische Belohnung der „incentivierten" Person abzielen, im Vordergrund.^^^ Diese konnen nach ihrer Bemessungsgrundlage dififerenziert werden:^^^ Anreizsysteme, welche auf Wertbeitragskennzahlen (wie z.B. den oben diskutierten) und/oder deren TreibergroBen beruhen, bieten sich insbesondere dann an, wenn der betreffende Mitarbeiter nicht die Risiken einer von ihm nicht beeinflussbaren Veranderung des Aktienkurses tragen soll.^^^ Eine zweite Gruppe von Anreizsystemen bietet Mitarbeitem (haufig Spitzenfiihrungskraften) eine direkte Eigenkapitalbeteiligung (z.B. tiber Aktienoptionen) an. Die Anreizwirkung ist somit direkt an den Aktienkurs bzw. an dessen relative Veranderung gekoppelt. Bei beiden Formen
^^^ Da die Kapitalbasis beim ROCE anhand von bilanziellen Buchwerten ermittelt wird, kami der ROCE trotz konstanter operativer Ergebnisse bei zunehmendem Anlagenalter wegen der sinkenden Kapitalbasis eine positive Entwicklung vortauschen, vgl. Kajiiter (2002a), S. 278. ^^^ Auch beim CVA besteht die Moglichkeit, tiber die Abdiskontierung zukunftiger CVAs eine periodenubergreifende Planungs- und KontroUrechnung durchzufiihren. In der Praxis gilt dabei - wie auch beim EVA - meist nicht der absolute CVA, sondem die Abweichung von Soil- und Ist-CVA (A CVA) als PerformancemaB. Vgl. dazu Coenenberg/Salfeld (2003), S. 269. ^^^ Vgl. Coenenberg/Salfeld (2003), S. 269. Vgl. kritisch zu CFROI und CVA auch Stiihrenberg et al. (2003), S.49. Vgl. zu Verhaltenswirkungen von Planung und Kontrolle, insbesondere zur Beurteilung des Leistungsverhaltens Pfohl/Stolzle (1997), S. 256-261. Davon zu unterscheiden ist die intrinsische Belohnung, welche das Bediirfnis nach Selbstbestimmung und Kompetenz in den Mittelpunkt stellt. Sie steht in einem Spannungsverhaltnis zur extrinsischen Motivation, da eine zu starke Fokussierung auf monetare Anreize die intrinsische Motivation eines Mitarbeiters negativ beeinflussen kann. Typische Agency-Probleme sind die Folge. Vgl. zu extrinsischer/intrinsischer Motivation Pfohl/Stelzle (1997), S. 248-250, Weber et al. (2004), S. 224-225 und die jeweils dort zitierten Quellen. ^^^ Vgl. Kajuter (2002a), S. 269, Weber et al. (2004), S. 203. ^^^ Vgl. Weber et al. (2004), S. 202.
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3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
der variablen Vergutung stellt - neben einer Reihe allgemeiner Anfordenmgen^^^ - der Zeitbezug eine kritische GroBe dar: Kurze (z.B. einperiodige) Belohnungsrhythmen weisen zwar eine hohere Verhaltenswirksamkeit auf, bieten jedoch auf Grund von Informationsasymmetrien auch mehr Opportunismusspielraume fur den Mitarbeiter.^^"^ So bergen sie z.B. das Risiko, dass die Geschaftsfuhnmg langfristige Investitionen zugunsten einer kurzfristigen Aktienkurssteigenmg vemachlSssigt. Seitens der betriebswirtschaftlichen Forschung wird daher seit langerem eine Verkniipfiing von Leistungsanreizen mit mehrperiodigen wertorientierten Kennzahlen gefordert.^^^ Wertorientierung und Wertschaffung kommunizieren Insbesondere fur bfirsennotierte Untemehmen spielt die glaubhafte Vermittlung von Wertsteigerungsmafinahmen an die Kapitalmarktakteure eine bedeutende RoUe.^^^ Das standardisierte Medium der extemen Rechnungslegung bietet hierzu eine notwendige, aber keine hinreichende Gnmdlage. Zur SchlieBung der vorhandenen Wertlucke zwischen dem Untemehmenswert aus Sicht des Managements und dem aktuellen Borsenwert kann eine freiwillige Zusatzberichterstattung, das sog. Value Reporting, beitragen.^^' Zu den Kemaufgaben des Value Reporting zahlt die Information iiber vergangene Wertschaffung, uber eingesetzte Instrumente der wertorientierten Steuerung sowie iiber zuktinftig zu erwartende Cashflows.^^* Weitere, haufig genannte Bestandteile eines Value Reportings stellen der bereits genannte separate Ausweis geschaftsbereichsspezifischer
Kapitalkostensatze, die Kommunikation nicht bilanzierter
immaterieller VermOgenswerte sowie die Risikoberichterstattung dar.^^^ SchlieBlich wird stellenweise auch auf die Bedeutung der Konmiunikation operativ gepragter Werttreiber, wie z.B. Kapazitatsauslastung, Durchlaufzeiten oder Stakeholderzufriedenheit, hingewiesen.^'*" Seit mehreren Jahren wird der Beitrag des Value Reporting zur Konvergenz von extemem und
Hierzu z^len etwa die Beeinflussbariceit der ZielgrdBe, die Einfachheit und interne Kommunizierbarkeit der Belohnungssystematik, die Wirtschaftlichkeit des Belohnungssystems (vgl. Greth (1998), S. 91) sowie die wahrgenommene Gerechtigkeit der Belohnung (vgl. Weber et al. (2004), S. 227). ^^^ Vgl. hierzu die Ausfiihrungen zur Agency-Theorie in Kapitel 2.3.1. Vgl. auch Hahn/Hungenberg (2001), S. 451-452, Pellens et al. (2000), S. 1831. ^^^ Vgl. Gunther (1997), S. 62-63, Greth (1998), S. 94-95, Weber et al. (2004), S. 208. Aus diesem Grund weisen Aktienoptionen typischerweise eine Laufeeit von mehreren Jahren auf und unterliegen einer Sperrfrist. ^^^ Vgl. Ruhwedel/Schultze (2004), S. 492, Kajuter (2002a), S. 270. ^^^ Vgl. Corsten/Lingnau (2004), S. 241, Ruhwedel/Schultze (2004), S. 491-492, Eccles et al. (2001), S. 4 sowie S. 130. Zum Aufgabenprofll des Value Reportings liegt keine einheitliche Position der betriebswirtschaftlichen Forschung vor. Die hier genannten Kemaufgaben sind daher als kleinster gemeinsamer Nenner zu verstehen. Vgl. dazu den Literaturiiberblick bei Ruhwedel/Schultze (2004), S. 490-491. Fischer (2002), S. 161, fasst unter dem BegriflF Value Reporting „die gesamte Untemehmenspublizitat, welche Rendite-Risiko-Analysen fur die Kapitalgeber [.,.] ermoglicht", zusammen. ^^^ Vgl. Kajuter (2002a), S. 270, Eccles et al. (2001), S. 142-160. Weitere ErgSnzungen erfihrt das Value Reporting auch aus dem produktionswirtschaftlichen Bereich, vgl. z.B. Corsten/Lingnau (2004), S. 255-262. ^"^^ Vgl. Fischer (2002), S. 167. Corsten/Lingnau (2004), S. 255-262 formulieren z.B. Erganzungen fiir das Value Reporting aus dem produktionswirtschaftlichen Bereich.
3.2 Entwicklungspfad wertorientierte Untemehmensfuhrung
163
intemem Rechnungswesen diskutiert.^'*' Aufgrund der engen rechtlichen Grenzen, die dabei der Gestaltung des Jahresabschlusses gesetzt sind, kommt es in diesem Zusammenhang hauptsSchlich zu einer zusatzlichen Integration ursprunglich untemehmensintemer Steuerungskennzahlen in das exteme Rechnungswesen.^"*^ 3.2.3. Herausforderungen an die Wertorientierung im Supply Chain-Kontext Die Vorstellung der allgemeinen Konzeptmerkmale und Aufgaben der wertorientierten Untemehmensfuhrung im vorangegangenen Kapitel bildet die Grundlage fur eine Ubertragung dieser Aspekte auf den Supply Chain-Kontext. Auf die grundlegende Relevanz der Wertsteigerung als Zielkategorie fiir das Supply Chain Management wurde bereits an fruherer Stelle hingewiesen.^"*^ Nun gilt es, die daraus abzuleitenden Anforderungen fur eine wertorientierten Steuerung in Supply Chains naher zu charakterisieren. Dabei werden zwei grundlegende Sichtweisen unterschieden: Auf der einen Seite ist zu iiberprufen, auf welche Weise die Umsetzung von Supply Chain Management zur Erreichung der individuellen Wertsteigerungsziele eines Untemehmens beitragen kann.^'*'* Dazu sind Wirkungsbeziehungen zwischen den (operativen) Werttreibem innerhalb der Supply Chain-Prozesse und den monetaren Zielkategorien der wertorientierten Untemehmensfuhrung herzustellen. Die Argumentation fmdet somit primar auf der Akteursebene statt. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, welchen Beitrag wertorientierte Managementansatze zur Realisiemng der Ziele des Supply Chain Management-Konzepts leisten konnen. Dazu ist die Argumentationslogik der wertorientierten Untemehmensfuhmng - unter Beriicksichtigung ebenenspezifischer Steuerungsanfordemngen - auf den untemehmensiibergreifenden Supply Chain-Kontext, das heifit auf die Beziehungs- und Netzwerkebene, zu ubertragen. Beide Aspekte soUen im Folgenden nSher ausgefuhrt werden. 3.2.3.1. Beitrag des Supply Chain Managements zur wertorientierten Untemehmensfuhmng Gmndsatzlich kann der Wertbeitrag des Supply Chain Managements zum jeweiligen Gesamtwert eines Untemehmens ermitteh werden, indem die EinflussgroBen des Untemehmenswerts, die in den Supply Chain-Prozessen verankerten TreibergroBen, durch formal- oder sachlogische Verdichtung mit einer wertorientierten Spitzenkennzahl in Beziehung gesetzt
^^^ Vgl. die empirischen Ergebnisse bei Pellens et al. (2000), S. 1830, die eine zunehmende Vereinheitlichung des intemen und extemen Rechnungswesens n ^ e legen. Demnach ist bei ca. 39% der befragten DAX-lOO-Untemehmen bereits eine weitgehende Vereinheitlichung von extemem und intemem Rechnungswesen erfolgt. Weitere 34% streben eine Vereinheitlichung an. ^'^^ Vgl. Ruhwedel/Schultze (2004), S. 494-495. Diese Entwicklung fuhrt unter anderem dazu, dass sich die Zustandigkeitsbereiche des (intern orientierten) Controllings und des extemen Rechnungswesens zunehmend iiberlappen. Stellenweise wird daher eine Erweiterung des Aufgabenspektmms des Controllings um die exteme Untemehmensberichterstattung eingefordert, vgl. HebelerAVurl (2002), S. 210-211. Vgl. die einleitenden Ausftihrungen zum Wertsteigemngsziel in Kapitel 2.1.2.1. ^"^Vgl. zum Wertbeitrag des Supply Chain Managements Christopher/Ryals (1999), S. 3, Otto (2002), S. 126-127, Michel (1996), S. 65. Vgl. ahnlich Wohlgemuth (2002), S. 167.
164
3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
werden.^"*^ Da Werttreiber hSufig in den operativen Geschaftsprozessen verortet sind,^"*^ konnen Werttreiberhierarchien zur Verkntipfung von operativer und strategischer Steuenmgsebene herangezogen werden.^''^ Auch die Forschung im Bereich Logistik und Supply Chain Management greift auf Werttreiberhierarchien zuruck, wenn sie sich der Frage nach dem Beitrag logistischer Entscheidungstatbestande zum Gesamtwert eines Untemehmens widmet. Die Mehrzahl der BeitrSge stellt dabei auf Werttreiber innerhalb der Einflussbereiche Ertrage, Aufwendungen, Umlauf- und Anlagevermogen ab (vgl. Abbildung 41):^"** • Einflussbereich Ertrage: Die TreibergrSfien, die iiber eine Steigerung der Ertrage auf den Untemehmenswert einwirken, lassen sich meist nur iiber Ursache-Wirkungsbeziehungen in ein Wertsteigerungsmodell integrieren.^"*^ Zu diesen sachlogisch verkntipften Treibem zahlen einmal die klassischen, auf Leistungsverbesserungen ausgerichteten logistischen Lieferservicekomponenten. Das SCM-Konzept erweitert diese um nicht-logistische Prozesse, so dass - beispielsweise im Rahmen des Zeitziels - auch Reaktionszeiten auf Kundenanforderungen (z.B. administrative Auftragsabwicklungszeiten) als ertragswirksam erachtet werden mussen. Hinzu kommt die im SCM stark betonte Beziehungskomponente. Bisherige Untersuchungen belegen hier insbesondere die Ertragswirksamkeit von CRMAktivitaten, die auf den Aufbau langfristiger Kundenbeziehungen - insbesondere zur Erreichung einer erhohten Kundenbindung und Kundenloyalitat - abstellen.^^^ • Einflussbereich betriebliche Aufwendungen: Eine Reduktion der variablen und fixen Kosten wirkt sich uber die Senkung der betrieblichen Aufwendungen positiv auf den Untemehmenswert aus.^^' Obwohl die Klassifizierung, Erfassung und Reduktion von Kosten seit langem ein klassisches Themenfeld der Logistik darstellt, wird die kausale Verknupfung von logistik- und Supply Chain-induzierten TreibergroBen mit dem Untemehmens-
^^^ Das hierarchische Vorgehen ist dabei vergleichbar mit der in Kapitel 3.1.2 bereits vorgestellten Balanced Scorecard. ^^ Vgl. Gaitanides (2003), S. 315. ^^'' Vgl. gnmdlegend zu (operativen) Werttreiberhierarchien Knorren (1998), S. 114-118, Weber et al. (2003), S. 105-116, Coenenberg et al. (2002), S. 33-46. Zu einer Anwendung im Logistik- und Transportbereich vgl. die ValueScoreCard bei Pfohl/Elbert (2002), S. 63-74, sowie die Werttreiberhierarchie bei Pfohl et al. (2003a), S. 17. Michel (1996), S. 91, schlagt eine Werttreiberhierarchie fur strategische AUianzen auf Basis des Shareholder Value-Netzwerks von Rappaport (1986) vor. Galgenmiiller et al. (2004), S. 86, stellen eine Werttreiberhierarchie vor, welche Quellen der Wertsteigerung in Kooperationen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den Untemehmenswert systematisiert. Neuere empirische Untersuchungen bestatigen, dass Werttreiberhierarchien im Rahmen der wertorientierten Untemehmensfiihrung eine hohe Bedeutung attestiert wird, im Bereich der Umsetzung jedoch noch groBe Defizite bestehen, vgl. MuUer/Hirsch (2005), S. 84. '^^^ Vgl. zur folgenden AufeShlung, falls nicht anders angegeben, Lambert/Burduroglu (2000), S. 13-14, Lambert/Pohlen (2001), S. 1-19, Keebler (2001b), S. 334, Wildemann (2004), S. 68. Vgl. ahnlich auch Coenenberg et al. (2002), S. 43. Vgl, die gestrichelte Linie in Abbildung 41. 250 Vgl. z.B. Gummesson (2004), S. 141. Auf die implizite Verbindung zwischen der Steigerung des (End-)Kundennutzens („Wert Jiir den Kunden") und den betrieblichen Ertragen eines Untemehmens („Wert des Kunden") wurde in der Diskussion zum Handlungsfeld „Upstream-Beziehungen" bereits hingewiesen, vgl. die diesbeztiglichen Ausfuhrungen in Kapitel 2.1.2.2. Hierbei werden aus Vereinfachungsgriinden nur aufwandsgleiche Kosten (Grundkosten) betrachtet.
3.2 Entwicklungspfad wertorientierte Untemehmensfiihrung
165
wert erst in jungerer Vergangenheit verstarkt hervorgehoben.^^^ Als Werttreiber des Supply Chain Managements, welche sich insbesondere auf die variablen Kosten auswirken, sind beispielsweise Beschaffungsfrequenz und -volumen, Durchlaufzeiten (z.B. Lagerverweildauer, Auftragsabwicklungszeit) oder die Produkt- und Prozesskomplexitat zu nennen. Femer kann mittelbar auch iiber die Beziehungsgestaltung mit Lieferanten eine Reduktion betrieblicher Aufwendungen angestrebt werden (z.B. tiber eine langerfristige Fixierung des Einstandspreises in einer Zulieferer-Abnehmer-Kooperation). Auf die Fixkostensituation des Untemehmens wirkt sich aus Sicht des Supply Chain Managements insbesondere die Ausgestaltung der Netzwerkorganisation aus, die sich beispielsweise im Personalaufwand fur Supply Chain Management niederschlagen kann. • Einflussbereich Umlaufvermogen: Als wesentliche Treiber des Umlaufvermogens gelten die Bestandshehe und -wertigkeit sowie die Umschlagshaufigkeit der Bestande. Eine Reihe von Ansatzen, die dem Supply Chain Management-Konzept zugeordnet werden konnen, wie z.B. Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment (CPFR), Vendor Managed Inventory (VMI) oder Crossdocking, zielen iiber die genannten Werttreiber auf die Senkung des Umlaufvermogens bei gleichzeitiger Beibehaltung des Servicelevels ab.^^^ Der hier als „Durchlaufzeit des Finanzflusses" bezeichnete Werttreiber bezieht sich insbesondere auf die Kreditoren-ZDebitorenpolitik des Untemehmens sowie auf die Qualitat der Fakturierung, da diese Faktoren iiber den Bestand an offenen Forderungen bzw. Verbindlichkeiten direkt im Umlaufvermogen zu Buche schlagen. • Einflussbereich Anlagevermogen: Mit der Strukturgestaltung untemehmensiibergreifender Versorgungsnetzwerke beeinflusst das Supply Chain Management die Standortpolitik und damit das Anlagevermogen eines Untemehmens. Einen der Haupttreiber fur die aktuelle Outsourcingwelle, insbesondere fiir den Einsatz von Third Party Logistics Providem (3PL), stellt die Reduktion anlageintensiver Logistikbereiche (wie z.B. Fuhrpark und Lagerhaus) dar. Auch ein hoherer Nutzungsgrad des existierenden Anlagevermogens (z.B. hohere Anlageintensitat im Lager, hohere Kapazitatsauslastung von Transportbehaltem) kann langfiistig zur Senkung des Anlagevermogens beitragen.
^^^ Vgl. Lambert/Burduroglu (2000), S. 13. Die stark ausdifferenzierten Kategorien einer Logistikkostenrechnung umfassen imter anderem Transportkosten, Lager- und Handlingkosten, Kommissionierkosten, Fehlerkosten sowie Betriebskosten von IT-Systemen. ^^^ Vgl. zum Bestandsmanagement ausfuhrlich Stolzle et al. (2004), zur Einordnung der anderen genannten Ansatze in das SCM-Konzept vgl. Kapitel 2.1.3.
166
3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
BetrieblJche Ertrdge
NOPAT
- •
J
1—[
Betriebliche Steuem
r ^LJ
Gesamtkapitalkosten
H
_____^
fFremd1 kapital
WACC L - x — +
1 1, Eigen1 , 1 kapital
... formallogischeVerknOpfung ... sachlogischeVerknupfung
Abbildung 41:
fl
iT-
^7
^^~1? A
DesunaiiuiiHsiievjucii^-vui.
1
i
1—[ Durchlaufaeit (lnf.-/Mat^fluss) | r - ^ Produkt-ZProzesskomplexitat | - - • 1 Lieferantenbeziehung (SRM) |
1 Betriebliche Aufwendungen 4—+
1 EVA l^--
"—• --•
Variable Kosten
D
- - -I Fixe Kosten
Netzweri^organlsation
I
^ + —1
IT-lntensltat
I
'
Personalaufwand
\
1—H BestandshOhe/'Wertigkeit Umlauf1 4~ + —1 Bestandsumschlag vermOgen ' — ( Durchlaufzeit (FInanzfluss)
| | , | |
•+
1
- - - ( Standortpolitik (zentral/dez.) | '—( Anlage+ verm<5gen •— l—H *—1
Aniageintensitdt
1
FuhrparitgrGlie
|
KapazitStsauslastung
|
Ausgewdhlte Werttreiber des Supply Chain Managements aufden EVA eines industriellen Supply Chain-Akteurs. Quelle: Eigene Darstellung mit Impulsen aus Lambert/Burduroglu (2000). S. 13, Coenenberg et al. (2002), S. 43-44 sowie Lambert/Pohlen (2001), S 10-13
Die oben erlauterten Einflussbereiche und Werttreiber sind in Abbildung 41 in ein (stark vereinfachtes) Berechnungsmodell fur den EVA eingebunden.^^"* Die Spitzenkennzahl EVA wird dabei in der Abbildung exemplarisch herangezogen, um die potenziellen Hebelwirkungen des Supply Chain Managements auf den Untemehmenswert aufzuzeigen. Da die genannten Werttreiber jedoch groBtenteils auf der Sachzielebene ansetzen, erscheint auch eine Integration mit anderen wertorientierten Kennzahlensystemen moglich. Aus konzeptioneller Sicht sind jedoch einige einschrgnkende Anmerkungen zu treffen. Zum einen handelt es sich hierbei um keinen umfassenden Werttreiberkatalog, da Werttreiberhierarchien immer branchen- und untemehmensspezifisch auszugestalten sind.^^^ Dariiber hinaus sind Wechselwirkungen zwischen den Werttreibem zu beriicksichtigen (z.B. zwischen Ertrags- und Aufwandszielen), die insbesondere bei sachlogisch - und damit meist hypothetisch - gebildeten Ursache-Wirkungsbeziehungen nicht vollstandig aufgedeckt werden und zu Zielkonflikten fuhren konnen.^^^ Im Hinblick auf eine untemehmensubergreifende wertorientierte Steuerung
Eine Teilmenge der TreibergrdBen kann dabei der Logistik zugeordnet werden (z.B. Bestandsh6he und -umschlag oder FuhrparkgrdBe), die meisten beziehen sich jedoch auf Supply Chain-spezifische Inhalte (z.B. Durchlaufeeit des Finanzflusses in der Supply Chain oder KenngrSBen zu Kunden- und Lieferantenbeziehungen). ' Vgl. Coenenberg et al. (2002), S. 45, die zu den genannten Einflussbereichen das Risikomanagement hinzuftigen (beispielhafte risikoinduzierte Werttreiber: Marktvolatilitat, relative Wettbewerbsstarke, operative Flexibilitat). Pfohl/Elbert (2002), S, 69, weisen auf die Bedeutung einer Anpassungsdynamik der Werttreiberhierarchie hin und identifizieren langfristige Werttreiber der Transportlogistik innerhalb von vier Perspektiven (finanzielle, technologische, okologische und soziale Perspektive). ' Vgl. auch Shank/Govindarajan (1993), S. 148-149.
3.2 Entwicklungspfad wertorientierte Untemehmensfuhrung
167
ist schliefilich festzustellen, dass die abgebildete Werttreiberhierarchie nur die Ebene eines einzelnen Akteurs in der Supply Chain widerspiegelt, nicht jedoch die Kooperations- oder Netzwerkperspektive. Der Ansatz von Wildemann (2004) greift ebenfalls auf Werttreiberhierarchien zuruck und setzt sich eine verbesserte „Bilanzfahigkeit" der Logistik zum Ziel. Im Mittelpunkt des auch methodisch-instrumentell ausgestalteten Ansatzes steht ein softwaregesttitztes
Modell,
welches einerseits Kostenwirkungen der Logistik, andererseits Ertragswirkungen, die durch logistische Leistungen generiert werden, einer Bewertung unterzieht.^" Aufgrund der bereits genannten Schwierigkeiten bei der Herstellimg formallogischer Verknupfungen zwischen Leistungs- und WertgrOBen stellt der Ansatz hauptsachlich auf empirische UrsacheWirkungsbeziehungen ab. Diese sind teilweise bereits im Modell vorkonfiguriert, teilweise werden sie im Rahmen einer Selbstbeurteilung von Untemehmensseite eingebracht.^^^ Mit zunehmender Anzahl von im Modell hinterlegten Datensatzen soUen aussagekraftige branchenspezifische Wirkungsverlaufe und -intensitaten erzielt werden. Hinsichtlich einer Bewertung des Supply Chain Managements stoBt der Ansatz jedoch auf Grund seiner untemehmensbezogenen Betrachtung an seine Grenzen. Zwar ist im Forschungsansatz auch eine Quantifizierung untemehmensextemer Logistikleistungen vorgesehen, die Verdichtung erfolgt jedoch untemehmensspezifisch. Die Frage nach der Verteilung der generierten Werte im Netzwerk bleibt damit ofFen.^^^ Einen ahnlichen, wenngleich methodisch-instrumentell weniger stark ausdififerenzierten Ansatz verfolgen Gopfert/Froschmayer (2004) mit der „Logistikbilanz".^^^ Diese stellt im Kern einen bilanzahnlichen Systematisierungsansatz fiir logistische Basiskategorien dar, die in einer wertorientierten Betrachtung typischerweise vemachlassigt werden. So wird beispielsweise vorgeschlagen, immaterielle Logistikwerte (wie etwa Erfahrungswissen) als „Anlageverm6gen" auf der Aktivseite der „Logistikbilanz" abzubilden. Ressourcen und Fahigkeiten dritter Untemehmen (z.B. Logistikdienstleistem) sollen als „logistisches Fremd-
^" Vgl. Wildemann (2004), S. 26-27 sowie S. 122. Das Modell stUtzt sich im Wesentlichen auf drei softwaregestiitzte Instrumente, die inhaltlich aufeinander aufbauen. Im Rahmen des im Internet ausfiihrbaren Instruments „SCM Check" wird eine Benchmarkingahnliche Selbsteinschatzung der grundlegenden logistischen Leistungsfahigkeit des Untemehmens durchgefuhrt und mit den im Modell bereits enthaltenen Datensatzen abgeglichen. Im darauf aufbauenden Instrument „Logistik-Potenzial-Check" konnen diese Angaben urn weitere logistische und fmanzielle Kennzahlen erganzt werden. Im dritten Instrument, dem „Value-Check", werden die Auswirkungen logistischer Investitionen auf zukiinftige Ein- und Auszahlungsstrome (Cashflows) sowie auf zentrale logistische Kenngrofien prognostiziert. Vgl. dazu Wildemann (2004), S. 36-39. Die Kombination von im Modell vorkonfigurierten und von den Befragten anschliefiend selbst editierbaren Wirkungsbeziehungen muss jedoch kritisch gesehen werden: Sie birgt insofem die Gefahr einer selbsterfullenden Prophezeiung, als einem neuen Untersuchungsteilnehmer zunSchst die bereits im Modell enthaltenen (und iiber die Befragung anderer Untemehmen ermittelten) Wirkbeziehungsverlaufe vorgelegt werden, vgl. auch Wildemann (2004), S. 122. Da mit zunehmender Anzahl von Befragten bzw. von Datensatzen im Modell die wahrgenommene „Reprasentativitat" des Modells groBer wird, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Befragte die vorgeschlagenen „branchen- bzw. unternehmenstypspezifischen" Wirkungsverlaufe akzeptiert. Dies stelh jedoch keinen empirischen Beleg dar. ^^^ Vgl. Wildemann (2004), S. 147. '^^ Vgl. Gopfert/Froschmayer (2004), S. 77-84 sowie Froschmayer/G5pfert (2004).
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3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
kapital" auf der Passivseite berucksichtigt werden.^^' Kritisch ist anzumerken, dass der BilanzbegrifF lediglich als Metapher ftir eine ausgewogene Darstellung logistischer Entscheidungstatbestande verwendet wird.^^^ Dariiber hinaus erfahrt der Ansatz keine methodischinstrumentelle Konkretisienmg. Zusammengefasst bestehen bereits auf konzeptioneller Ebene erhebliche Hiirden fur die Quantifizierung der Auswirkungen des Supply Chain Managements auf die wertorientierte Performance.^*^ Dies wirkt sich auf die Anwendbarkeit der oben genannten Verfahren in der Untemehmenspraxis aus. Aufwandsseitig besteht ein wesentlicher Problembereich in der „Kostenlastigkeit" der betrieblichen Kosten- und Leistungsrechnung. Wahrend beispielsweise der Erfassung von Logistikkosten und deren Verhaltnis zu den Gesamtkosten eines Unternehmens betrachtliche Aufinerksamkeit geschenkt wird, gestaltet sich die Zuordnung dieser Kosten zu logistischen Leistungen - u.a. auf Grund des Dienstleistungscharakters und der Querschnittsfunktion der Logistik - schwierig.^*^ Es ist anzunehmen, dass dies umso mehr fur das Supply Chain Management gilt, wo das logistische Leistungsportfolio noch um andere, ebenfalls schwer monetarisierbare Komponenten wie das Management von interorganisationalen Beziehimgen ausgedehnt wird. Aus Ertragsperspektive ist anzufuhren, dass sich die Ertragswirkungen des Supply Chain Managements, z.B. hOhere UmsStze durch kurzere Reaktionszeiten oder durch verbesserten Lieferservice, in der Praxis nur schwer von anderen, nicht logistikbedingten Faktoren isolieren lassen.^*^ Des Weiteren steht in der Praxis bislang die ruckblickende Kosten- und Leistungsbetrachtung gegeniiber einer wertorientierten Planung im Vordergrund. Aufgrund der Fruhindikatorfunktion sachzielorientierter GroBen wie Reaktionszeiten, Durchlaufzeiten oder Fehlerquoten waren Werttreiber jedoch besonders fur planerisch-gestalterische Aufgaben geeignet.^^ 3.2.3.2. Beitrag der wertorientierten Untemehmensfiihrung zum Supply Chain Management Ubertragt man die Uberlegungen zur wertorientierten Untemehmensfiihrung auf den Supply Chain-Kontext, kSnnen - analog zu den Ausfuhrungen zum interorganisationalen Performance Measurement in Kapitel 3.1.3 - wieder zwei zentrale Betrachtungsebenen unterschieden werden. Zum einen besteht auf der Ebene kooperativer Austauschbeziehimgen ein hohes Partialinteresse der einzelnen Kooperationspartner, die Auswirkungen von Kooperationsbeziehungen in der Supply Chain auf ihren jeweiligen Untemehmenswert abzuschatzen.^*^
^^^ Vgl. Froschmayer/GSpfert (2004), S. 110-112 sowie S. 104. ^^^ Vgl. Gdpfert/Froschmayer (2004), S. 78, weisen selbst darauf hin, dass ansonsten iibliche Charakteristika einer Bilanz, wie Bilanzsumme und Bilanzgleichung (Aktiva = Passiva), fiir die Logistikbilanz sekundar sind. ^^^ Vgl. Weber/Blum (2001), S. 31. ^^ Vgl. Stolzle/Karrer (2002a), S. 248-249. ^^^ Vgl. Wildemann (2004), S. 122. ^^ Vgl. zur Fruhindikatorfunktion von Performancetreibem Caplice/Sheffi (1995), S. 64, Eccles (1991), S. 132, Kaplan/Norton (2001a), S. 87. ^^^ Vgl. Christopher/Ryals (1999), S. 3, Michel (1996), S. 65.
3.2 Entwicklungspfad wertorientierte Untemehmensfuhrung
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Erweitert man die Betrachtung auf die Netzwerkebene, erscheint die Frage nach dem Gesamtwert einer Supply Chain ftir eine integrierte wertorientierte Steuerung relevant (Wertorientierung auf der Netzwerkebene).^^^ Beide Aspekte werden im Folgenden separat vertieft. Wertorientierte Unternehmensfiihrung auf der Beziehungsebene der Supply Chain Eine Anwendung der Prinzipien wertorientierter Untemehmensfuhrung auf der Beziehungsebene ist nicht ohne eine Reihe von Anpassungen moglich. Das Spektrum an Steuerungsaufgaben erstreckt sich von der Identifikation bestehender und Schaffung neuer untemehmensiibergreifender Wertpotenziale iiber ihre Bewertung, d.h. die Zuordnung ihrer Wirkungen auf monetare, untemehmensspezifische ZielgroBen, bis hin zum Wertausgleich in der Kooperation und die Etablierung kooperationsspezifischer Anreizsysteme.^^^ Die bereits genannten Einflussbereiche fur die Steuerung (Ertrage, Kosten, Anlage- und Umlaufvermogen) sind auf der Beziehungsebene um weitere, kooperationsspezifische Einflussbereiche zu erganzen:^^" • Uber eine kooperative Abstimmung kann eine Reduktion der Wettbewerbsintensitat innerhalb der Supply Chain erreicht werden, die unter Umstanden tiber die Nutzung von Synergien zu Wertsteigerungen fuhrt. Eine Kooperation erweist sich dabei haufig flexibler als eine vertikale Integration (wie z.B. die Akquisition eines Lieferanten), da letztgenannter auf Grund rechtlicher Rahmenbedingungen oft enge Grenzen gesetzt sind.^^^ • Die Verteilung von Investitionen (Anlage- und Umlaufvermogen) auf mehrere Kooperationspartner kann nicht nur uber direkte Synergieeffekte, sondem auch indirekt iiber eine verbesserte Risikoeinstufung und niedrigere Kapitalkostensatze far die Beteiligten zu einer Wertsteigerung fuhren. • Insbesondere vor dem Hintergrund der zimehmenden Intemationalisiemng von Supply Chains weist auch der verbesserte Zugang zu neuen MSrkten den Charakter eines Wertsteigerungshebels auf Aus der Sicht eines global agierenden Untemehmens ist uber eine Kooperation mit lokalen Untemehmen eine Markterschliefiung haufig schneller und mit geringeren Transaktionskosten zu realisieren als im AUeingang.^^^ • Gegenseitiges Lemen zwischen den Kooperationspartnem sowie die Biindelung immaterieller Ressourcen, insbes. Prozesswissen, begiinstigen „Economies of Competence and Leaming".^^^ Diesen wird insbesondere im Hinblick auf die Dauerhaftigkeit kooperativ erzielter Wertsteigerungen eine positive Wirkung unterstellt?^"^
Vgl. Thorns (2003), S. 65-73, der sich mit der Eingrenzung des Wertbegriffs fur Untemehmensnetzwerke auseinandersetzt. Vgl. Neher (2003), Wildemann (2005), S. 503. Vgl. ahnlich auch GalgenmuUer et al. (2004), S. 93. ^'^^Vgl. Vgl.auch auchdie diebei beiGalgemnuller GalgenmuUeretetal.al.(2004), (2004),S.S.86, 86,Zahn/Foschiani Zahn/Foschiani(2002), (2002),S.S.270-271 270-271sowie sowieTlThorns (2003), S. 65-73, genannten Einflussfaktoren auf die Wertsteigerung in Kooperationen und Netzwerken. ^^^ Vgl. Zahn/Foschiani (2002), S. 271. ^^^ Vgl. Galgenmiiller et al. (2004), S. 84-85. ^^^ Vgl. Zahn (2001), S. 11-29. ^^^ Vgl. Zahn/Foschiani (2002), S. 271. 269
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3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
Die Monetarisienmg der Wertsteigeningseffekte einer Kooperationsbeziehung wird in der Literatur als relativ aufwandig eingeschatzt. Zum Problem der Erfassbarkeit komplexer Wirkungsbeziehungen kommt die Schwierigkeit einer venirsachergerechten Zuordnung von erzielter WertschaflEung (z.B. EfFizienzsteigemngen) zu den einzelnen Supply ChainMitgliedem hinzu."^ Dariiber hinaus gilt es zu klSren, aus wessen Sicht eine Bewertung erfolgen soU.^^^ Den bereits getroffenen Aussagen zur Beziehungsebene entsprechend bietet sich hier die Einnahme der Perspektive eines fokalen Untemehmens an, welches aus einer Machtposition heraus die Beziehungen zu Kooperationspartnem in der Supply Chain beurteilt.^^^ Eine Bewertung erfolgt hier bislang meist auf Basis von Kosten, teilweise existieren aber auch erste Cashflow-orientierte Bewertungsmethoden. Die Ansatze des interorganisationalen Kostenmanagements sowie des Supply Chain Costings stellen beispielsweise die Kosten von Kooperationsbeziehungen in den Mittelpunkt,^^^ Das interorganisationale Kostenmanagement stellt einen Bezugsrahmen fur die Kostenreduktion in Zulieferer-Abnehmerbeziehungen bereit, der die Hauptdimensionen „Beziehung" sowie „Produkt" umfasst. Die Beziehungsdimension befasst sich mit dem Aufbau interorganisationaler Austauschbeziehungen, die im Allgemeinen durch hohe Beziehungsintensitat, Stabilitat und Nutzenausgleich gekennzeichnet sind.^^^ Das Prinzip des Nutzenausgleichs zielt darauf ab, realisierte Kosteneinsparungen auf alle Beteiligten aufzuteilen, um deren langfristige Motivation sicherzustellen.^*® In der Produktdimension werden Kostensteuerungsinstrumente unterschiedlichen Produktlebenszyklusphasen zugeordnet. Im Mittelpunkt der Produktdesignphase steht etwa das Instrument des Target Costings, mit Hilfe dessen die „erlaubten" Kosten eines neuen Produkts fur dessen gesamten Lebenszyklus ermittelt werden. Die Berechnung der Zielkosten basiert auf dem erwarteten Verkaufpreis des Produkts sowie der vom Untemehmen angestrebten Gewinnspanne.^*' Der zugrunde liegende Verkaufspreis wird durch Ermittlung moglichst
^^^ Vgl.Hahn (2002), S. 1066. ^^^ Vgl. Wohlgemuth (2002), S. 169 und die dort zitierten Quellen. ^^^ Vgl. Kapitel 2.4.2.2. Vgl. zum interorganisationalen Kostenmanagement Cooper/Slagmulder (1999) sowie Slagmulder (2002), S. 75-88. Zur Beriicksichtigung untemehmenstibergreifender Beziehungen im Rahmen des allgemeinen Ansatzes des Kostenmanagements vgl, Franz/Kajtiter (1997), S. 16. Zum Supply Chain Costing vgl. Seuring (2001) sowie Seuring (2002), S. 15-30. Zu einem vergleichenden Uberblick der Konzepte vgl. Kajiiter (2002b), S. 37-38. Dabei werden unterschiedliche BeziehungsintensitSten unterschieden. Cooper/Slagmulder (2002) dififerenzieren beispielsweise (mit ansteigender BeziehungsintensitMt) die Lieferantenkategorien „Common Supplier", „Subcontractor", ,>Iajor Supplier" sowie ,J^amily Member", und ordnen diesen Kategorien spezifische Kostenmanagementtechniken mit unterschiedlichem Anspruchsniveau zu, vgl. Cooper/Slagmulder (2002), S. 109-110. ^^° Vgl. Slagmulder (2002), S. 85-86. ^^^ Vgl. Seidenschwarz (1993), Cooper/Slagmulder (1999), S. 163-179, Horvath/MOller (2003), S. 458-465, Slagmulder (2002), S. 81. Vgl. auch die empirische Erhebung zum Anwendungsstand des Target Costing in deutschen Untemehmen bei Amaout (2001).
3.2 Entwicklungspfad wertorientierte Untemehmensfiihrung
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differenzierter Produktanfordemngen aus dem Markt abgeleitet.^^^ Das interorganisationale Kostenmanagement halt dabei mehrere kooperativ ausgerichtete Methoden bereit, die darauf abzielen, den ermittelten Zielkostensatz in Kooperation mit dem Lieferanten zu realisieren.^^^ In der Produktionsphase kommen erganzende Techniken zum Einsatz, die auf die untemehmenstibergreifende Koordination der laufenden Produktionsprozesse abstellen.^^"^ Von der Zwecksetzung her weist das interorganisationale Kostenmanagement gewisse Parallelen zum bereits seit langerem etablierten Total Cost of Ownership (TCO)-Ansatz auf. Dieser zielt auf eine mSglichst ganzheitliche Erfassung einkaufs- und beschaflftingsspezifischer Produktkosten ab, indem einstandspreisbasierte Einkaufskostenkalkulationen systematisch um transaktionsbezogene Kostenkategorien erweitert werden.^^^ Die unter dem Begriflf des Supply Chain Costings versammelten Ansatze fassen verstSrkt die prozessorientierte und untemehmensiibergreifende Ausrichtung des Kostenmanagements ins Auge und stellen unterschiedliche Vorgehensmodelle flir dessen Ausgestaltung bereit. Als Kemaufgaben des Supply Chain Costings werden unter anderem das Herunterbrechen der Supply Chain-Prozesse in Aktivitaten, die Kostenzuschreibung zu diesen Aktivitaten sowie die Verknupfung der Aktivitatenkosten mit (logistischen) Leistungen genannt.^^^ Problemfelder des Supply Chain Costings stellen die Koordinierbarkeit eines derartig detaillierten und gleichzeitig untemehmensiibergreifenden Kostenrechnungsverfahrens sowie dessen Harmonisierbarkeit mit dem weiter bestehenden untemehmensintemen Rechnungswesen dar. Eine weitere Herausforderung besteht in der Diflferenzierung entscheidungsrelevanter Kostenkategorien. Ein Vorschlag aus der deutschsprachigen Literatur unterscheidet diesbeziiglich Einzelkosten, welche direkt einem bestimmten Produkt zugeordnet werden, Prozesskosten, welche als vom einzelnen Untemehmen beeinflussbare Gemeinkosten aufgefasst werden, sowie Transaktionskosten, welche als Informations- und Koordinationskosten in der unternehmensextemen Supply Chain verstanden werden.^^^ Zu diesem Vorschlag ist kritisch anzumerken, dass diese bereits belegten Kostenbegriflfe aus unterschiedlichen Modellen der
^^^ Vgl den Target Costing-Prozess bei Cooper/Slagmulder (1999), S. 166. ^^^ Vgl. Slagmulder (2002), S. 82-84, vgl. auch Kajiiter (2002b), S. 37-38. Im Rahmen von „Fimctionality-PriceQuality-Tradeoffs" werden beispielsweise Ansatzpunkte fur Kostenreduktionen in aus Kundensicht nachgeordneten Produktspezifikationen gesucht. Die Methode der „Interorganizational Cost Investigations" zielt auf tief greifendere Veranderungen des Produktdesigns und ein Reengineering des Produktionsprozesses (durch Verschiebung der Arbeitensteilung zwischen Zulieferer und Abnehmer) ab. Im Rahmen des „Concurrent Cost Management" wird schliefilich das gesamte Funktionsdesign an den Lieferanten ausgelagert, was eine intensive Zusammenarbeit von Designteams erfordert. Vgl. dazu vertiefend Cooper/Slagmulder (1999), S. 203-285. Im Rahmen des ,JCaizen Costing" fordert das fokale Untemehmen meist eine globale Kostensenkungsrate vom Lieferanten ein (z.B. 3% p.a.). Der Ansatz sieht jedoch auch kooperative Abstimmungsmechanismen vor, vgl. Slagmulder (2002), S. 84-85. ^^^ Vgl. Elb-am (1995), S. 4. Der TCO-Ansatz unterscheidet systematisch Kosten vor der Transaktion (z.B. Lieferantenqualifizierugskosten, Kosten ffir die Anbindung an eigene ITSysteme), wahrend der Transaktion (z.B. Zoll-, Zahlungsverkehrs- oder Priifkosten) sowie nach der Transaktion (z.B. Reparatur- oder Wartungskosten), vgl. Elkam (1995). Insofem beinhaltet er auch eine dynamische Komponente, vgl. Seuring (2001), S. 107-108 und die dort zitierten Quellen. ^^ Vgl. LaLonde/Pohlen (1996), S. 5-8. ^^^ Vgl. Seuring (2001), S. 116.
172
3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
untemehmensbezogenen Kostenrechnimg und teilweise auch aus der Neuen InstitutionenOkonomie entnommen wurden. Ob sie sich angesichts ihrer Heterogenitat in einen integrierten Bezugsrahmen einbinden und im Rahmen eines Supply Chain Costings operationalisieren lassen, erscheint daher fraglich. Die zentrale Gemeinsamkeit der oben angefuhrten Ansatze ist ihr Kostenfokus. Fur das interorganisationale Kostenmanagement (insbesondere fur die Target Costing-Methodik) sowie fur den TCO-Ansatz, die beide eine relativ hohe Anwendungsorientierung aufweisen,^^^ erscheint dies teilweise vorteilhafl, da dadurch eine bessere Implementierbarkeit in bestehende Kostenrechnungssysteme vermutet werden kann. Aus wertorientierter Sicht erweist sich die Kostenperspektive jedoch als zu eng, da sie die Ertrags- bzw. Nutzenkomponente einer Kooperationsbeziehung weitgehend ausblendet. Insbesondere fur das Supply Chain Costing, welches starker als die beiden anderen Ansatze den Anspruch eines allgemeinen Bezugsrahmens erhebt, stellt diese Einseitigkeit einen gewissen Nachteil dar.^*^ Die Frage der Monetarisierbarkeit von Kooperationsbeziehungen miindet in die Problematik der Schafifting anreizkompatibler Verteilungsmechanismen, die eine angemessene Beriicksichtigung relevanter Anspruchsgruppen sicherstellen sollen.^^ Der Shareholder Value-Ansatz ist hierbei haufig der Kritik ausgesetzt, die kurzfristige Maximierung der Anteilseignerrendite zugunsten der Interessen anderer Stakeholder in den Vordergrund zu stellen.^^^ Dies kann zwar teilweise auf (evtl. reduzierbare) methodische UnschSrfen zuriickgefuhrt werden,^^ deutet jedoch auch auf ein grundlegend unterschiedliches Performanceverstandnis von Shareholdem und anderen Stakeholdem hin.^^^ Wahrend sich Performance im Sinne der Shareholder auf die Steigerung des auf die Eigenkapitalgeber entfallenden Untemehmenswertes sowie auf die Hohe der auszuschiittenden Dividende bezieht,^^ machen andere Stakeholder die Performance an bestimmten Sachzielen fest, die mittels VertrSgen (z.B. Kauf-, Liefer- oder Arbeitsvertrage) fixiert werden. Da eine langfristige Steigerung des Shareholder Values nur moglich ist, wenn
Das Konzept des interorganisationalen Kostenmanagements entstand beispielsweise auf Basis von umfangreichen Fallstudien in der japanischen Automobilindustrie, vgl. Kajuter (2002b), S. 38. Vgl. auch Beamon (1999), S. 280, die vor einer einseitigen Fokussierung auf Kostengr6J3en im Supply Chain Performance Measurement wamt. Stdlzle (2002b), S. 20, merkt dariiber hinaus an, dass die genannten Kostenkategorien des Supply Chain Costing-Ansatzes von Seuring (2001) keine kostentheoretische Fundierung aufweisen. ^^ Vgl. ahnlich Neher (2003), S. 29, Moller, 2002, S. 316, Pfohl et al. (2003a), S. 16. ^^^ Vgl. Lattwein (2002), S. 114-117 und die dort zitierte Literatur. Der EVA-Ansatz ist z.B. auf Grund seiner Buchwertbezogenheit hauptsSchlich &r ex post-Betrachtungen geeignet. Beim Ansatz von Rappaport erweist sich insbesondere der hohe Anteil des Endwertes am Unternehmenswert als problematisch, der selbst bei mittel- bis langfristigen Planungshorizonten noch iiber 50% ausmacht. Vgl. Horvath (2003a), S. 519. ^^^ Vgl. StSlzle/Karrer (2004a), S. 242. Die Shareholder stellen eine Teilmenge der Stakeholder dar. Die an dieser Stelle als „andere Stakeholder" bezeichneten Interessensgruppen umfassen z.B. Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten oder 6ffentliche Institutionen. Zu einer vergleichenden Darstellung der AnsStze von Shareholder und Stakeholder Management vgl. Hungenberg (2004), S. 29-32. Zu einer empirisch gestiitzte Analyse des Stakeholder Management und dessen Auswirkungen auf die Untemehmensperformance vgl. Hillman/Keim (2001). ^^"^ Vgl. Lucke (2001), S. 58.
3.2 Entwicklungspfad wertorientierte Untemehmensfiihrung
173
diese Vertrage eingehalten werden und die Stakeholder sich weiterhin fiir das Untemehmen engagieren, liefie sich der Interessenskonflikt zwischen beiden Anspruchsgruppen zwar prinzipiell auflosen.^^^ Ein grundsatzlicher Unterschied besteht jedoch weiterhin darin, dass Shareholder eher in der Lage sind, Wertsteigerungen kurzfristig durch die Liquidierung ihrer Anteile am Kapitalmarkt nutzbar zu machen. Andere Stakeholder hingegen sind groBtenteils iiber eher langfristige Zielvereinbarungen an das Untemehmen gebunden. Die Dauerhaftigkeit der Wertschaffimg besitzt somit fur diese Interessensgruppen einen vergleichsweise hoheren Stellenwert.^^^ Ubertragt man die Uberlegungen auf das Supply Chain Management, konnen Untemehmen, die in intensiven Kooperationsbeziehungen zu anderen Supply Chain-Mitgliedem stehen, als langfristig gebundene Stakeholder einer Supply Chain angesehen werden. Es erscheint somit plausibel, bei einer Ubertragung von wertorientierten Untemehmensfuhmngsansatzen auf die Beziehungsebene auch Erkenntnisse des Stakeholder Value Managements einfliefien zu lassen.^^^ Wertorientierte Unternehmensfiihrung auf der Netzwerkebene der Supply Chain Projiziert man den Ansatz der wertorientierten Untemehmensflihmng auf die Netzwerkebene, ist eine Unterordnung der Partialinteressen einzelner Untemehmen unter das Ziel der Maximierung des Gesamtwerts der Supply Chain anzustreben.^^^ Unter der Annahme, dass mit zimehmender Wertorientiemng einer Supply Chain auch deren Wettbewerbsfahigkeit steigt,^^ korrespondiert das Wertsteigemngsziel auf der Netzwerkebene demnach mit der eingangs formulierten, idealtypischen Vorstellung, dass in Zukunft nicht mehr einzelne Untemehmen, sondem ganze Supply Chains miteinander konkurrieren konnten.^^^ Otto (2002a) beschreibt die Supply Chain in diesem Zusammenhang als „Nichtnullsummenau6enwelt", in der Nutzenmehrungen fiir einen Akteur nicht zwingend mit Nutzensenkungen fiir einen anderen Akteur verbunden sind und zur ErschlieBung gemeinsamer Nutzenpotenziale koUektives Handeln
' Vgl. Hungenberg (2004), S. 31-32. ^^ Vgl. Stolzle/Karrer (2004b), S. 167-194. Vgl. hierzu auch die empirischen Ergebnisse von Berman et al. (1999). Diese legen anhand einer Untersuchung von 81 Untemehmen aus der „Fortune 500"-Liste dar, dass die Beziehungen zu Stakeholdem indirekt bzw. moderierend auf das Verhaltnis von Strategie und finanzieller Performance einwirken. Daruber hinaus wurde eine direkte Wirkungsbeziehung zwischen der Beziehungsgestaltung zu Kunden bzw. Mitarbeitem und der fmanziellen Performance eines Untemehmens beobachtet, vgl. Berman et al. (1999), S. 501-503. ^^^ Vgl. hierzu die Ausflihrungen bei St6lzle/Karrer (2004b), S. 177-178, die diese Uberlegungen auf Logistikkooperationen iibertragen. Vgl. auch Stolzle/Karrer (2004a), S. 252. ^^^ Vgl. Griinauer (2001), S. 22, Neher (2003), S. 31, Heusler (2004), S. 21. Ein erstes Problem besteht zumeist bereits darin, dass sich auf Supply Chain-Ebene keine homogene Shareholdergruppe mehr eingrenzen lasst, vgl. Stolzle (2002b), S. 16. Eine weitere, noch naher zu beleuchtende Herausforderungen stellt das Fehlen einer zentralen Fiihrungsinstanz in einer Supply Chain dar. In Bezug auf die Problematik der Partialinteressen sei auch auf die Erkenntnisse der Agency-Theorie (vgl. dazu Kapitel 2.3.1) sowie auf die Literatur zum Management von GroBuntemehmen (vgl. z.B. Albach (2001), S. 645) verwiesen. ^^ Vgl. Heusler (2004), S. 20. ^^ Vgl. Christopher (2005), S. 18.
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3 Annahemng an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
erforderlich ist.^°' Eine isolierte Optimienmg der Einzeluntemehmenswerte wttrde somit aus Sicht der Supply Chain zu suboptimalen Ergebnissen fuhren.^^^ Dies fuhrt zu einem Anpassungsbedarf im klassischen Shareholder Value-Modell, wie ForschungsbeitrSge aus dem Gebiet der Konzemsteuerung nahe legem Albach (2001) weist beispielsweise darauf hin, dass die im „klassischen" Shareholder Value-Modell von Rappaport vertretene These, der Unternehmenswert sei gleich der Summe der Geschaftsbereichswerte, einen Beziehungswert zwischen den GeschSflsbereichen von null voraussetzen wiirde. Dies erweist sich jedoch fur verteilte Konzeme als unrealistisch. Vielmehr wtirde eine geschaftsbereichsbezogene Nutzermiaximierung zu einer Schmalerung des Gesamtuntemehmenswerts fuhren.^"^ Ubertragen auf den Supply Chain-Kontext konnte die Ermittlung des Gesamtwerts des Netzwerks somit wie folgt aussehen: Entsprechend den oben vorgestellten DCF-Verfahren sind Aus- und Einzahlungen netzwerkweiter Projektaltemativen zu prognostizieren und auf ihren Nettobarwert (Net Present Value (NPV)) abzudiskontieren. Eine Verteilung von Lasten und Nutzen auf die einzelnen Kooperationspartner, d.h. eine Anpassung der Einzeluntemehmenswerte, findet uber Verhandlungen statt. Der Gesamtwert der Supply Chain ergibt sich anschliefiend aus der Aggregation der verhandelten Nettobanverte (vgl. Abbildung 42).^^ Ungeachtet der methodischen Plausibilitat des Vorgehens bleiben aus inhaltlicher Sicht wesentliche Hiirden bestehen, die insbesondere auf netzwerktypische Effekte zuruckgefuhrt werden konnen. ZunSchst ist anzufuhren, dass Supply Chains keine zentrale Fiihrungsinstanz aufweisen, die verbindliche Vorgaben hinsichtlich der individuellen WertbeitrSge bzw. der Kosten-ZNutzenverteilung machen kdnnte. Zwar prSgt in eher hierarchisch gepragten Konstellationen haufig ein fokales Untemehmen de facto die Supply Chain-Strategie, de jure hat jedoch auch dieses keine Weisungsbefugnis gegeniiber seinen Kooperationspartnem. Hinzu kommt, dass die Einrichtung einer Netzwerkzentrale ohnehin nur dort sinnvoll ist, wo dadurch keine EinbuBen an erstrebenswerten Netzwerkeffekten (z.B. an Flexibilitatsvorteilen) zu erwarten waren.^"^ Eine voUstSndige Harmonisierung der Formalzielstruktur aller Akteure (z.B. eine Vereinheitlichung wertorientierter Spitzenkennzahlen) wurde somit zu tief greifenden Zielkonflikten fuhren. Im Gegensatz dazu bieten Konzepte, welche die Netzwerkperspektive zunachst auf einer Sachzielebene einfiihren, realistischere Handlungsaltemativen.
Vgl. Otto (2002a), S. 98. Dies impliziert auch, dass KostenerhOhungen bei einem Akteur in der Supply Chain unter Umstanden zu einer Reduktion der Gesamtkosten in der Supply Chain fiihren konnen, indem bei anderen Supply Chain-Mitgliedem die Kosten uberproportional sinken, vgl. ahnlich dazu Shank/Govindaraj an (1993), S. 56. Die Erzieiung eines Gesamtoptimums erlaubt jedoch noch keine Aussagen zur Verteilungsgerechtigkeit einer Supply Chain-weiten Entscheidung. ^^^ Vgl. Gaitanides (2003), S. 322-323, Stolzle/Karrer (2002), S. 72, Heusler (2004), S. 21. ^^^ Vgl. Albach (2001), S. 655. Zur Beweisfuhrung zieht Albach dariiber hinaus auch das Risikomanagement in divisionalen Untemehmen, die Komplementaritat von Entscheidungen einzelner Geschaftsbereiche sowie die Geschaflsbereichssteuerung im Multi-Markt-Wettbewerb heran. ^^^ Vgl. Kaufmann/Germer (2001), S. 189-190. ^"^ Vgl. Kapitel 2.3.3.
3.2 Entwicklungspfad wertorientierte Untemehmensfuhrung
175
Eine zweite Herausforderung resultiert aus der Moglichkeit von Doppelmitgliedschaften. Aus Sicht eines einzelnen Akteurs stellt ein Engagement in einer bestimmten Supply Chain haufig nur eine von mehreren strategischen Altemativen dar. Insbesondere Untemehmen der Zulieferindustrie (z.B. Komponentenlieferanten) sehen sich haufig untemehmensintemen Interessenskonflikten ausgesetzt, da sie Mitglied in mehreren, vom jeweils marktnahen Untemehmen defmierten und dominierten Supply Chains sind.^^ Die Problematik der Doppelmitgliedschaften wird zusStzlich durch die fur Netzwerke typische geringe Systemstabilitat verstarkt, die durch den Ein- und Austritt neuer Partner verursacht wird. Aus Sicht der wertorientierten Steuerung hat dies zur Folge, dass sich fur eine Supply Chain in toto keine homogene Shareholdergruppe mehr abgrenzen lasst.^^^ Fur potenzielle Methoden und Instrumente resultiert daraus die Anforderung an eine m5glichst kurzfristige und flexible Anpassung an Strukturveranderung des Bewertungsobjekts.^^^
Total Value Added to the Supply Chain
..••I, X
I
1—^ NPV,
F • I I • .III.,
• ••l> NPV,
NPV,
NPV„
ry^rt!^yit^?l^/F^^yt^^fe.i;::ir^j^?^ Verhandlungen
:^: \Rohstoff? lieferant
Abbildung 42:
N X Komponen? / tenlleferant
\ X Hersteller ^Z (OEM)
\ \ niotriknw ? / ^'^^^''^^^^
N ?
Idealtypisches Vorgehen zur Ermittlung des Gesamtwerts einer Supply Chain Quelle: Kaufmann/Germer (2001), S. 189, verdndert
In jungerer Vergangenheit fmden sich erste Arbeiten, welche diese ftir die Netzwerkebene typischen Anforderungen aufgreifen und mit bekannten Stellhebeln der wertorientierten
' Vgl. Hahn (2002), S. 1066, Otto (2002a), S. 201, Reiner (2004), S. 226. Rice/Hoppe (2001) argumentieren, dass der Vemetzungsgrad einer Supply Chain mafigeblich beeinflusst, ob diese als quasi-homogener Akteur gegen eine andere Supply Chain „antreten" kann. Ein hoher Vemetzungsgrad (wie er beispielsweise in der stark modularisierten Computerindustrie vorherrscht) wtirde einen Wettbewerb unter Supply Chains stark erschweren, da Doppelmitgliedschaften in mehreren Supply Chains insbesondere in der Standardkomponentenindustrie ein typisches Phanomen sind, vgl. dazu Rice/Hoppe (2001), S. 46-54. ' Vgl. Stolzle/Karrer (2004a), S. 252. ^ Vgl. Hess etal. (2001), S. 70.
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3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
Untemehmensfuhrung zusammenfiihren.^^ Unter dem Oberbegriff „Financial Supply Chain Management" stellen sie verstSrkt auf den Fluss fmanzieller Mittel, insbesondere auf die Steuerung des NettoumlaufVerm6gens in der Supply Chain ab.^^*^ Eine Verringerung des Nettoumlaufverm6gens fiihrt zu einer Erhohung des freien Cashflows in der Supply Chain und damit zu einer Steigening des Shareholder Value.^'^ Zur Instmmentalisierung kann die Kennzahl des Cash-to-Cash-Cycles herangezogen werden. Es handelt sich dabei um eine ursprunglich untemehmensinteme Leistungskennzahl, die sich aus dem Alter der vorgehaltenen Bestande zuziiglich des Alters ausstehender Forderungen abziiglich des Alters der Verbindlichkeiten zusammensetzt. Sie misst folglich die Zeit zwischen dem AbflieBen liquider Mittel flir den Einkauf von Rohmaterialien und dem Cash-Rtickfluss iiber Verkaufserlose. Je kiirzer der Cash-to-Cash-Cycle desto, geringer das Nettoumlaufvermogen. Die Ubertragbarkeit dieser Systematik auf den Netzwerkkontext wird im Rahmen des Financial Supply Chain Managements im Rahmen von drei primaren Stellhebehi diskutiert:^^^ • Untemehmensiibergreifendes Bestandsmanagement: Die Reduktion von Bestanden wurde bereits im untemehmensintemen Bereich als Wertsteigerungshebel identifiziert.^'^ Im Supply Chain-Kontext gilt es uber die Schaffimg von Transparenz zu Bedarfsverlaufen und Bestandsniveaus moglichst netzwerkweit Bestande abzubauen und damit die Lagerhaltungs- und Finanzierungskosten der GesamtbestSnde zu senken (vgl. Abbildung 43). Neben diesen meist direkt den Bestanden zugeordneten Kosten werden in jungerer Zeit vermehrt auch indirekte Kostenkategorien, die sich insbesondere bei untemehmensubergreifender Betrachtung als relevant erweisen, im Rahmen des Bestandsmanagements berucksichtigt. Zu diesen zahlen beispielsweise Wertverlust (insbes. von Konsumgutem mit kurzen Produktlebenszyklen), Preisgarantiekosten (Absicherung von Supply ChainPartnem gegen Preisanderungen auf bereits eingelagert Produkte), Retourenkosten (Retouren verbleiben langer im Gesamtbestand der Supply Chain imd fiihren dadurch meist zu
^"^ Vgl. Pfohl et al. (2003a), S. 12, Hofmann/Elbert (2004), S. 96-97, Hofmann (2003), S. 65-66 sowie Elbert (2002), S. 289-290. Vgl. auch Mdller (2003), S. 70-73, der mit dem „Supply Chain Network Value Added" einen Systematisierungsansatz vorstellt, welcher - im Rahmen eines Sbnlichen Verfahrens wie das der vorgestellten Werttreiberhierarchien - Supply Chain-spezifische Werttreiber tiber mehrere Ebenen zu einer gemeinsamen Spitzenkennzahl verdichtet. Dabei werden „Wertsch6pfungspotenziale", die in die „materielle Wertschdpfung" einfliefien (Erlossteigerung, Kostenreduzienmg, Kapitah-eduzierung und Risikoreduzierung) von solchen, die zur „immaterielle WertschSpfimg" zShlen (z.B. Netzwerkkultur, Information oder Wissen), unterschieden. Wie allerdings die Verdichtung von materieller und immaterieller Wertsch6pfung zu einer gemeinsamen (offensichtlich monetSren) Spitzenkennzahl erfolgt, bleibt offen. ^'" Als weitere Aufgaben des Financial Supply Chain Managements nennen Pfohl et al. (2003a), S. 15, das allgemeine Wertsteigerungsmanagement sowie das Finanzmanagement. Ersteres befasst sich mit der Problematik der Wertermittlung im untemehmensiibergreifenden Kontext und wurde bereits im Rahmen der Diskussion von Werttreiberiiierarchien ausftihrlich adressiert. Das zweitgenannte betrachtet die Beziehungen zwischen dem Finanzbereich eines Untemehmens und Investoren, dem Staat, Banken und Finanzdienstleistem. Es steht nicht im Fokus der vorliegenden Arbeit. Die folgenden Ausfiihrungen konzentrieren sich daher auf das Management des Nettoumlaufvermogens in Supply Chains. ^'^ Vgl. Farris II/Hutchison (2003), S. 64 sowie Bowersox et al. (2002), S. 563. ^^^ Vgl. zur folgenden Aufzahlung, falls nicht anders angegeben, Pfohl et al. (2003a), S. 18-20 sowie St6lzle/Karrer (2004b), S. 179. ^^^ Vgl. die Ausfiihrungen zum Umlaufverm6gen weiter oben in diesem Kapitel.
3.2 Entwicklungspfad wertorientierte Untemehmensfiihrung
177
„doppelten" Kosten) sowie Altbestandskosten (uber den Abschreibungsbetrag hinausgehend Kosten wie z.B. Promotionkosten oder Rabatte).^^"^ Obwohl die genannten Kostendkategorien in den meisten Untemehmen ermittelt werden, werden sie bislang nur selten aus Sicht des Bestandsmanagements, noch seltener in ihrer Supply Chain-weiten Tragweite bemcksichtigt.^*^ Die Stabilitat der Supply Chain-Beziehungen ist hier von besonderer Bedeutung, da eine einseitige, machtinduzierte Verlagemng von Pufferbestanden auf voroder nachgelagerte Supply Chain-Stufen nur kurzfristig vorteilhaft ist, sich langfristig jedoch negativ auf die Gesamtperformance der Supply Chain auswirken kann.^^^ • Untemehmensiibergreifendes Prozessmanagement: Dieses zielt aus wertorientierter Sicht insbesondere auf die Beschleunigung von Prozesszeiten (z.B. Wiederbeschaffungs- oder Lieferzeiten) im Material- und Warenfluss ab. Ein schnellerer Prozessdurchlauf tragt zu einer Reduktion des Zwischenfinanzierungsbedarfs und auf diese Weise zu einer Beschleunigung des Cash-to-Cash-Zyklus bei.^^^ Langfristige Einsparungspotenziale im Informationsfluss bietet der Einsatz von IT-Systemen im Bereich der Auftrags- und Reklamationsabwicklung, der Fakturierung und der elektronischen Dateniibertragung. • Untemehmensiibergreifendes Cash Management: Das Cash Management strebt eine netzwerkweite Kapitalkostenreduktion durch Beeinflussung von Forderungen und Verbindlichkeiten an (vgl. Abbildung 43). Die untemehmensintem rationale Strategic, offene Debitorenlaufzeiten zu verkurzen und Kreditorenlaufzeiten zu verlangem, fuhrt aus Sicht der gesamten Netzwerks zu einer Wertvemichtung, da an alien fmanziellen Schnittstellen Kapitalkosten anfallen. Aus der Netzwerkperspektive ware somit das optimale Zahlungsziel in der gesamten Supply Chain gleich nuU.^*^ Diese theoretisch ansprechende Konstellation wird jedoch in der Praxis aus verschiedenen Grunden nur selten erreicht.^'^ Das Cash Management hat somit eine moglichst weit reichende Verkurzung von Kreditoren- und
Vgl. Callioni et al. (2005), S. 136, welche die genannten Kostenkategorien am Beispiel der PC-Sparte von Hewlett Packard analysieren. ^^^ Vgl. Callioni et al. (2005), S. 137. ^^^ Vgl. Hofinann (2003), S. 87-88 und S. 90. Vgl. zu dieser Problematik in der Automobilindustrie auch Boschet et al. (2003), S. 11-34. AUerdings miissen die durch eine Reduktion des Zwischenfinanzierungsbedarfs erzielten Einsparungen mit den potenziellen Mehrkosten einer Prozessbeschleunigung (z.B. hoherer Investitionsbedarf, hohere Transportkosten durch Nutzung von Expressdienstleistem) verrechnet werden. ^^^ Vgl. Hofinann (2003), S. 86. Als mafigeblicher Grund ist die unterschiedliche Machtausstattung der beteiligten Akteure anzuflihren, die zu Inseloptimierungen in der Supply Chain fiihren kann. Die „Pay-on-Scan"-Praktiken bei Aldi sowie die ahnlich gelagerten Geschaftsmodelle von Dell oder Amazon.com bewirken bei diesen Untemehmen zwar eine Starke Verkurzung des Cash-to-Cash-Cycle, miissen jedoch aus Sicht der untemehmensubergreifenden Supply Chain kritisch gesehen werden, da sie zu einer Risiko- und Finanzierungskostenabwalzimg auf Lieferanten fuhren. Ein weiterer Grund flir die Existenz von Zahlungszielen besteht in der Notwendigkeit zur Vorfinanzierung der Produktionsaktivitaten des ersten, d.h. am weitesten stromaufwarts gelegenen Glieds der Supply Chain, vgl. dazu detailliert Hofmann (2003), S. 85.
178
3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
Debitorenlaufzeiten anzustreben, wobei in jenen Segmenten der Supply Chain, die hohe Kapitalkosten aufweisen, diese Verkurzung die hSchste Prioritat besitzt.^^^
Lieferung Halbfertigprodukt an Hersteller
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Lieferung Fertigprodukt an Handel
Lagerdauer* Hersteller
- —
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{ ^!^
<>•
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Debltorentage Lieferant
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Cash-to-Cash-Zyklus Ueferant
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Kreditorentage
{
Debltorentage Hersteller
j •
Bezahlung Halbfertigprodukt an Lieferant
/ /
W ^^
Bezahlung Fertigprodukt an Hersteller
Cash-to-Cash-Zyklus Hersteller
Cash-to-Cash-Zyklus Kooperation * Lagerdauer inkludiert Lager-, ProdiMions- und Transportzeiten
Abbildung 43:
Cash-to-Cash-Cycle einer dreistufigen Supply Chain Quelle: In Anlehnung an Zimmermann (2003), S. 149
Eine zentrale Herausfordening fur eine wertorientierte Steuerung auf Netzwerkebene insbesondere fur das hier dargestellte Aufgabenspektrum des Financial Supply Chain Managements - besteht darin, dass sie inhaltliche Uberschneidungen mit bislang untemehmensintemen Aufgaben wie beispielsweise Finanzierung und Rechnungslegung aufweist. Zum einen sind hierbei auf Grund der bereits mehrfach angesprochenen autonomiebedingten Zielkonflikte betrachtliche Widerstande gegen eine konsolidierte Cashflow-Steuenmg in der Supply Chain zu erwarten. Dariiber hinaus besteht insbesondere die Gefahr, dass der ursprungliche (ohnehin relativ breite) Aufgabenbereich des Supply Chain Managements uberdehnt wird und der Ansatz dadurch an Kontur verliert.^^' Relevanz der wertorientierten Unternehmensfiihning ffir die vorliegende Arbeit Die in Kapitel 3.2 diskutierten AnsStze bieten eine Reihe von Hinweisen fur die Ausgestaltung der zu entwickelnden Supply Chain Performance Management-Konzeption. Zunachst wird im Rahmen der wertorientierten Untemehmensfuhrung eine Fokussierung des allgemei-
Unter der Voraussetzung, dass dessen Liquiditat nicht gefUhrdet wird, ware eine Vorfinanziemng der gesamten Supply Chain durch das Untemehmen mit dem niedrigsten WACC aus Netzwerksicht optimaL Vgl. Hofmann (2003), S. 86. ^ Vgl. Stolzle/Karrer (2004b), S. 180.
3.2 Entwicklungspfad wertorientierte Untemehmensflihrung
179
nen Performancebegriffs auf das Wertsteigerungsziel vorgenommen. Dadurch werden eine Konkretisierung der Steuerungsinhalte ermoglicht und die Voraussetzimg fur eine Verkniipfung der meist nicht-monetaren Sachziele des Supply Chain Managements mit den Foraialzielen des allgemeinen strategischen Managements geschafFen. Zudem bietet die aufgabenorientierte Ausgestaltung des wertorientierten Managementprozesses erste Anhaltspunkte far den Aufbau eines Performance Managements, das iiber den Messcharakter des Performance Measurements hinausgeht. Ftir die tJbertragung wertorientierter Managementprinzipien auf den Supply Chain-Kontext erweist sich wiederum die bekannte Mehrebenenbetrachtung als hilfreich. Aus Sicht des einzelnen Teilnehmers der Supply Chain steht der Beitrag des Supply Chain Managements zum eigenen Untemehmenswert im Vordergrund. Die in diesem Zusammenhang vorgestellten Werthebel (Ertrage, Aufwendungen, Umlauf- und Anlagevermogen) halten insbesondere fiir die Ausgestaltung der Einzelakteursebene der zu entwickelnden Steuerungskonzeption wertvoUe Impulse bereit. Aus untemehmensubergreifender Perspektive leisten die Ansatze der wertorientierten Untemehmensfuhrung einen Beitrag zur Realisierung der Ziele des Supply Chain Management-Konzepts. Auf der Beziehungsebene weisen sie einen eher methodischinstrumentellen Charakter auf und konzentrieren sich schwerpunktmaBig auf die Beurteilung anderer Supply Chain-Mitglieder. Insofem eignen sie sich insbesondere zur Ableitung von Handlungsempfehlungen fiir ein fokales Untemehmen. Auf der Netzwerkebene weisen die genaimten Ansatze demgegenuber zwar im Bereich der
methodisch-instrumentellen
Ausgestaltung noch hohen Forschungsbedarf auf Aus theoretisch-konzeptioneller Sicht erscheinen sie jedoch - durch die Beriicksichtigung von Cashflow-Aspekten und eines netzwerkweiten Prozess- und Bestandsmanagements - eher geeignet, die Anforderungen an eine integrierte wertorientierte Steuerung der Supply Chain zu erfiillen. Nachdem bislang vomehmlich anwendungsorientiert gehaltene Entwicklungspfade des Supply Chain Performance Managements vorgestellt wurden, fuhrt das folgende Kapitel die Argumentation mit konzeptionellen Impulsen aus verwandten Ansatzen fort.
180
3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
3.3. Konzeptionelle Impulse des Controllings fur das Supply Chain Performance Management Die bereits in den vorangegangenen Kapiteln erfolgte Analyse von Entwicklungspfaden hat erste Anknupfungspunkte fur Aufbau und Ausgestaltung des Supply Chain Performance Managements ergeben. Im Folgenden soil die Annaherung an die zu entwickelnden Konzeption inhaltlich weiter vertieft werden, indem verwandte Konzeptionen aufgegrififen und auf ihr Transferpotenzial ftir das Supply Chain Performance Management untersucht werden. Dabei rucken insbesondere bestimmte ControUingkonzeptionen ins Blickfeld, die entweder wegen ihrer Fokussierung auf untemehmensiibergreifende Controllingobjekte oder auf Grund ihrer inhaltlichen Ausrichtung auf den Anwendungsbereich des Supply Chain Managements wichtige Impulse fiir die vorliegende Arbeit beinhalten. Da die ControUingforschung seit mehr als zehn Jahren durch eine vielschichtige Diskussion tiber das SelbstverstHndnis ihres Fachs gepragt ist, gilt es zunachst relevante ControUingkonzeptionen zu selektieren und kurz zu charakterisieren (Kapitel 3.3.1). Im Anschluss werden anhand dieser Konzeptionen ausgewahlte ftinktionale Teildisziplinen des Controllings aus aufgabenorientierter Sicht diskutiert. Relevant erscheinen dabei insbesondere jene Ansatze, welche einen Bezug zu logistisch geprSgten Problemstellungen und/oder zur untemehmensiibergreifenden Mess- und Steuerungsproblematik aufweisen. Dies trifil in besonderem Mafie auf die Ansatze des Logistikcontrollings (Kapitel 3.3.2), des Kooperations- und Netzwerkcontrollings (Kapitel 3.3.3) sowie des Supply Chain Controllings (Kapitel 3.3.4) zu. 3.3.1.
Charakterisierung relevanter ControUingkonzeptionen
Die zunehmende Verbreitung des strategischen Managements in der Untemehmenspraxis hat den Bedarf geweckt, das Aufgabenspektrum des operativ orientierten, rechnungswesenbasierten Controllings um eine strategische Komponente zu erganzen.^^^ Das resultierende „strategische Controlling" wird vom operativen Controlling zunachst dadurch abgegrenzt, dass nicht die Unterstutzung der kurzfristigen Planung und Kontrolle mit dem Ziel der Erfolgssteigerung, sondem der Aufbau und die Sicherung mittel- und langfristiger Erfolgspotenziale und damit die langfristige Existenzsicherung des Untemehmens im Vordergrund stehen.^^^ Zudem gilt das Untemehmensumfeld im strategischen Controlling nicht als exogen vorgegeben, sondem wird als ControUingobjekt selbst problematisiert und in Frage gestellt.^^"* Wahrend sich somit die TStigkeit des operativen Controllings primSr auf das interne Rechnungswesen stutzt,^^^ steht im strategischen Controlling die auf einer Analyse des Untemeh-
^^^ Vgl. Reichmann (2001), S. 542-543. ^^^ Vgl. Pfohl/Stolzle (1997), S. 30, Horvath (2003b), S. 252. ^^"^ Vgl. Kupper et al. (1990), S. 285, Pfohl/Stolzle (1997), S. 30. Als relevante Dimensionen der Aufgaben des operativen Controllings fuhrt Reichmann Kosten und Leistungen, Aufwand und Ertrag, Aus- und Einzahlungen sowie Vermogen und Kapital an, vgl. Reichmann (2001), S. 542-544.
3.3 Konzeptionelle Impulse des Controllings
181
mensumfelds beruhende Beurteilimg von Starken und Schwachen bzw. Chancen und Risiken eines Untemehmens, mithin die Unterstutzung des strategischen Managements im Mittelpunkt.'^' Angesichts des in Kapitel 2.2.2 entwickelten Steuerungsverstandnisses, welches sowohl strategische als auch operative Aspekte integriert, erweist sich eine voUkommen separate Betrachtung von strategischem und operativem Controlling als nicht sinnvoU.^^^ Zielfuhrender erscheint es, die aktuell zur Diskussion stehenden ControUingkonzeptionen aufzugreifen, da diese jeweils strategische und operative Aspekte in einen gedanklichen Bezugsrahmen integrieren. Neben bereits seit langerem etablierten Konzeptionen werden dabei in der Literatur zunehmend auch neue, starker verhaltensorientierte Ansatze rezipiert (vgl. Abbildung 44). Nachfolgend werden die „klassischen" und „neueren" ControUingkonzeptionen kurz charakterisiert. Eine ausfuhrliche Beurteilung ihrer Impulse ftir das Supply Chain Performance Management erfolgt in den anschliefienden Kapiteln 3.3.2, 3.3.3 und 3.3.4, wo sie in themenspezifische, Supply Chain Management-relevante ControUingansatze eingebettet werden.
I
ControUingkonzeptionen
„Klassische" Konzeptionen |_ Rechnungswesenorientiertes Controlling (z.B. Schneider, 1994) Informationsorientiertes Controlling (z.B. Reichmann, 2001) Koordinationsorientiertes Controlling (z.B. Horv^th, 2003a; Kupper, 2001)
Abbildung 44:
1 „Neuere" Konzeptionen Rationalitatssicherungsorientiertes Controlling (z.B. Weber/SchMer, 1999) Reflexionsorientiertes Controlling (z.B. Pietsch/Scherm, 2000)
„Klassische " und „ neuere " ControUingkonzeptionen Quelle: In Anlehnung an Scherm/Pietsch (2004), S. 34
Das rechnungswesenorientierte Controlling versteht Controlling als einen durch Rechnungswesen gestutzten Koordinations- und KontroUansatz. Dabei gilt es, die Erfolgsziele des Untemehmens - ausgedruckt z.B. durch das „Wohlstandsstreben" des Untemehmers^^^ - vor dem Hintergrund divergierender Bereichsziele sicherzustellen. Als Informationsbasis werden Daten des betrieblichen Rechnungswesens herangezogen.^^^ Die damit einhergehende Fokussierung auf monetSre GroBen flihrt zu einem vergleichsweise eingeschrankten Informationsgehalt des Aussagensystems. Zudem scheint die angestrebte Quantifizierbarkeit primar in ^^^ Vgl. Reichmann (2001), S. 544. Vgl. zu einer Ubersicht von Instrumenten des strategischen Controllings Hahn/Hungenberg (2001), S. 392. Vgl. kritisch zum strategischen Controlling und zu dessen Abgrenzung von der strategischen Kontrolle Zettelmeyer (1984), S. 100-101. Auch in der aktuellen Diskussion zur Identitat des Controllings wird eine kategorische Differenzierung von strategischem und operativem Controlling - unter anderem auf Grund der oft angemerkten engen Verflechtung zwischen strategischer und operativer Handlungsebene - haufig nicht angestrengt. ^^* Vgl. Schneider (1994), S. 333. ^^^ Vgl. Schneider (1994), S. 331, Pfohl/Stolzle (1997), S. 44.
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3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
operativen Zusammenh§ngen realisierbar, wodurch dem Ansatz in Bezug auf Fragen des strategischen Managements eine begrenzte Relevanz zukommt. Kritisch ist auch zu sehen, dass sich das rechnungswesenorientierte Controlling inhaltlich kaum von den etablierten Konzepten des Rechnimgswesens abgrenzt, weshalb deren bereits vorgestellte Grenzen auch fur diesen Ansatz gelten und dessen Innovationsgehalt somit in Frage gestellt werden muss."" Die weitere Verfolgung einer rechnungswesenorientierten Controllingkonzeption erscheint somit flir die Zwecke der vorliegenden Arbeit nicht zielfiihrend. Die unter dem Begriff des informationsorientierten Controllings vereinten Konzeptionen stellen auf die Informationsbeschaffimg und Informationsverarbeitung als zentrale Aufgabenkategorien des Controllings ab. Im Fokus steht dabei die zielbezogene Unterstutzung von Entscheidungstragem auf unterschiedlichen Ebenen des Untemehmens."' Meist beziehen sich die Informationsaufgaben auf das gesamte Zielsystem des Untemehmens, so dass neben monetaren Informationen aus den einzelnen Funktionalbereichen (z.B. Kosten- und LeistungsgroBen, Ertrage und Aufwendungen, Einnahmen und Ausgaben) auch qualitative Grofien (z.B. Mengen- und ZeitgrSBen) herangezogen werden."^ Eine weitere Ausdehnung der Informationsbasis erfolgt durch die Berucksichtigung untemehmensextemer Daten (z.B. Marktanalysen)."^ Das wichtigste Quellsystem bleibt jedoch das betriebliche Rechnungswesen.""* Neuere Auspragungen informationsorientierter Konzeptionen betonen neben der „reinen" Informationsversorgung zudem den Entscheidungsbezug sowie die Koordination als zentrale Merkmale des Controllings."^ Ein Entscheidungsbezug kann durch die Strukturierung der Controllingaufgaben entlang der Phasen eines generischen Entscheidungsprozesses hergestellt werden."^ Aspekte der Koordination finden sich in der informationsorientierten Controllingkonzeption insofem, als es das vom Controlling generierte Informationsangebot mit dem entscheidungsproblembezogenen Informationsbedarf in den einzelnen Verantwortungsbereichen des Untemehmens abzustimmen gilt."' Hierbei erhalten die informationsorientierten Konzeptionen insbesondere durch die Entwicklung neuer Datenverarbeitungstechnologien in der Kosten- und Investitionsrechung, dem extemen Rechnungswesen oder der
''" Vgl. Pietsch/Scherm (2000), S. 396-397, Pfohl/Stfilzle (1997), S. 44, StOlzle/Placzek (2004a), S. 619. ^^' Vgl. die Controllingkonzeption von Reichmann (2001), S. 5-13, der heute als Hauptvertreter der informationsorientierten ControUingkonzeptionen gilt. ^^^ Pfohl/St6lzle (1997), S. 44-46, differenzieren diesbezUglich eine „eingeschrankt informationsversorgungsorientierte" und somit auf das monetSre Erfolgsziel konzentrierte Controllingkonzeption sowie eine „uneingeschrankt informationsversorgungsorientierte" Konzeption, welche die Informationsversorgungsaufgabe des Controllings auf alle als relevant erachteten Zieldimensionen des Untemehmens ausdehnt. "^ Vgl. Pietsch/Scherm (2000), S. 397. ""* Vgl. Reichmann (2001), S. 11, Reichmann (2004), S. 87 sowie Schaefer/Lange (2004), S. 106. "^ Vgl. Reichmann (2004), S. 85, Schaefer/Lange (2004), S. 106-107. Vgl. Reichmann (2001), S. 8-10. So werden beispielsweise in der Problemstellungs-, Such- und Beurteilungs- sowie Verabschiedungsphase des Entscheidungsprozesses vomehmlich planerische Controllingaufgaben wahrgenommen, wahrend in der Realisations- und Kontrollphase vomehmlich steuemde und kontrollierende Aufgaben wahrgenommen werden. Vgl. zum Phasenmodell des Entscheidungsprozesses z.B. Hahn/Hungenberg (2001), S. 33-34 sowie Pfohl/St6lzle (1997), S. 55-63, die eine eigene, viergliedrige Prozessstruktur mit den Phasen Problemstellung, Losungsfindung, Optimierung und Implementierung vorlegen. "^ Vgl. MuUer (1974), S. 683-693, Pietsch/Scherm (2000), S. 397, Horvdth (2003b), S. 128.
3.3 Konzeptionelle Impulse des Controllings
183
Planimgs- und KontroUrechnung zusatzliche Praxisrelevanz. Auch auf der theoretischen Ebene wird die Informationsversorgung auf Grund des zunehmenden Informationsbedarfs der neueren ControUingkonzeptionen nicht an Bedeutung verlieren.^^^ Insgesamt emanzipieren sich die informationsversorgungsorientierten Ansatze somit beziiglich ihres Aufgabenspektrums deutlich vom betrieblichen Rechnungswesen, auch wenn sie im Hinblick auf die Erhebung relevanter Informationen schwerpunktmaBig auf dieses zuruckgreifen.^^^ Fiir die Ansatze des koordinationsorientierten Controllings stellt der - auch in anderen Konzeptionen teilweise verwendete - Begrifif der Koordination das Kemmerkmal des Controllings dar.^"^^ Ausgangspunkt ist dabei die Differenzierung eines Fuhrungs- von einem Leistungssystem.^"*^ Wahrend die zielorientierte Koordination des Leistungssystems, die sog. Primarkoordination, eine Aufgabe der Fuhrung und damit des (allgemeinen oder fiinktionsspezifischen) Managements darstellt, wird die Sekundarkoordination, welche eine Abstimmung innerhalh des Fiihrungssystems anstrebt, als originare Aufgabe des Controllings angesehen.^"*^ In Bezug auf die Zielkategorien des Controllings existieren dabei unterschiedliche Ansatze. Einige Autoren fokussieren die Koordinationsaufgaben auf formale Ergebnisbzw. Wertzielkategorien und argumentieren, dass deren Verfolgung letztendlich auch eine Koordination der Sachziele nach sich zieht.^"*^ Andere Auffassungen beziehen die Koordinationsaufgabe direkt auf alle relevanten untemehmerischen Zielsetzungen^"*^ bzw. heben die Rolle der Koordination im Zusammenhang mit der Effektivitats- und Efifizienzsicherung im Untemehmen hervor.^'*^ Einhergehend mit der unterschiedlichen Interpretation der Controllingziele lassen sich planungs- und kontroUorientierte sowie fuhrungsgesamtsystemorientierte Konzeptionen unterscheiden.^"^^ Erstgenannte verstehen Controlling als Fuhrungssubsystem, welches andere Subsysteme, insbesondere das Planungs- und Kontrollsystem und das Informationsversorgungssystem, systembildend und -koppelnd koordiniert.^"^^ Zweitgenannte beziehen die Koordinationsfunktion des Controllings auf alle Subsysteme des FiihrungssysVgl. Schaefer/Lange (2004), die z.B. die Bereitstellung zielentsprechender Informationen fur eine rationalitatssichenmgsorientierte Fuhrung, den Abbau asymmetrischer Informationsverteilung oder die Ausweitung der Informationsaufgaben auf strategische Untemehmensnetzwerke als neue Aufgaben hervorheben. Auf diese Aspekte wird im Verlauf der Vorstellung der weiteren ControUingkonzeptionen noch naher eingegangen. ^^^ Vgl.Kupper(2001),S. 11. ^^^ Vgl. insbesondere die Konzeptionen von Horvath (1978), Miiller (1974) und bis Mitte der 90er Jahre auch Weber (1995), die als Hauptvertreter der koordinationsorientierten ControUingkonzeptionen gelten bzw. galten. Vgl. zu einer aktueUen Version Horvath (2003b), S. 148-152 sowie die Uberlegungen von Wall (2004). ^^^ Vgl. Pietsch/Scherm (2000), S. 397. ^^'^ Vgl. Pfohl/Stolzle (1997), S. 29, Horvath (2003b), S. 109-111. ^"^^ Vgl. Horvath (2003b), S. 154-155, Hahn/Hungenberg (2001), S. 272, Reichmann (2001), S. 3. ^"^ Vgl. Kupper (2001), S. 18-19. ^^^ Vgl. Ahn (2003), S. 104, Ahn/Dyckhoff (2003), S. 517-523 sowie Weber (2004c), S. 29. ^^ Vgl. Pfohl/Stolzle (1997), S. 47-50, Pietsch/Scherm (2000), S. 398-399, Wall (2004), S. 390. ^^"^ Als relevante Auspragungen der Koordinationstatigkeit im Fiihrungssystem sind die systembildende und die systemkoppebde Koordination zu unterscheiden, vgl. z.B. Horvath (2003b), S. 125-126 oder Wall (2004), S. 390-392. Zu den verschiedenen Bedeutungsinhalten des Koordinationsbegriffs vgl. auch die Ausfiihrungen und zitierte Literatur in Kapitel 2.4.1.
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3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
terns (z.B. auf Organisation oder Personalfiihrung).^'*' Insbesondere dieses breite Verstandnis des koordinationsorientierten Ansatzes ist in der aktuellen Diskussion nicht unumstritten. Als Gegenargument wird angefthrt, dass die Integration vielfaltiger Sachziele in den Aufgabenbereich des Controllings und die Ausdehnung zu einer allumfassenden Koordinationsfimktion eine Reihe von Abgrenzungsschwierigkeiten gegeniiber dem allgemeinen Management hervomifen und auf diese Weise sowohl die Eigenstandigkeit der ControUingkonzeption gefahrden als auch Diskrepanzen zur Untemehmenspraxis aufwerfen wiirden.^"^^ Weitere Grenzen koordinationsorientierter Ansatze betreffen unter anderem die Frage nach der Umsetzbarkeit einer strikten Trennung von Fuhrungs- und Leistungssystem in der Untemehmenspraxis (insbesondere vor dem Hintergnmd einer zunehmenden Situativitat der Fuhrung) Oder die Auswahl und Abgrenzbarkeit der vorgeschlagenen Fiihrungssubsysteme.^^^ Zu den hier als „neuere" bezeichneten Controllingkonzeptionen zahlt zunachst der Ansatz des rationalitatssicherungsorientierten Controllings. Weber/Schaffer (1999a) stellen darin die Sicherstellimg einer angemessenen Rationalitat der Untemehmensfuhrung als zentrale Aufgabe des Controllings heraus. Rationalitat wird dabei als Zweckrationalitat interpretiert, die insgesamt auf die Nutzenmaximierung in Form von Gewinn- bzw. Wertsteigerungszielen ausgerichtet ist und kontextabhSngig unterschiedliche AusprSgungen annehmen kann.^^^ So stehen bei bestimmten „Rationalitatsengpassen" jeweils unterschiedliche Funktionen des Controllings im Vordergrund: GefUhrdet beispielsweise eine mangelhafte Datenverfugbarkeit die Fuhnmgsrationalitat, hat das Controlling schwerpimktmaBig seine Informationsversorgungsfunktion wahrzunehmen. Besteht der RationalitStsengpass in einer mangelhaften Abstimmimg innerhalb des Fuhrungssystems, kommt maBgeblich die Koordinationsfimktion des Controllings zum Tragen.^^^ Aufgrund dieses kontextspezifischen Riickgrififs auf andere Controllingkonzeptionen weist der Ansatz integrative Zuge auf.^^^ Zudem steht - wahrend andere Controllingkonzeptionen schwerpunktmSBig auf die Ausgestaltung eines ControUingsystems abstellen - der prozessuale Charakter des Ansatzes im Vordergrund. So erfolgt eine Konkretisierung der Controllingaufgaben im Rahmen einer Ubertragung auf einen idealtypischen, viergliedrigen Ftihrungskreislauf, der aus den Phasen der Willensbildung, Willensdurchsetzung, Ausfiihrung und Kontrolle besteht.^^'* Dabei wird der Reflexion von Fiihrungshandlungen zentrale Bedeutung beigemessen, da sie als kritisches tJberdenken von Entscheidungen der Intuition des Managers rationalitatssichemd entgegenwirkt. Intuition wird dabei als subjektives, impulsgetriebenes und gegebenenfalls irrationales Handeln interpre'^' Vgl. Kupper (2001), S. 20-24 sowie Weber (1995), S. 50. ^"^^ Vgl. Horvath (2003b), S. 156, Schneider (1992), S. 11-35, Pietsch/Scherm (2000), S. 398 und Pfohl/Stolzle (1997), S. 49. Wall (2004), S. 394-399, empflehlt u.a., die Bedeutung der systembildenden Koordination zu reduzieren, um Diskrepanzen im Aufgabenfeld des Controllings in der Praxis zu reduzieren. ^^^ Vgl. Weber (2004c), S. 30, Schneider (1994), S. 325. ^^^ Vgl. Weber/Schaffer (1999b), S. 206, Weber/Schaffer (1999a), S. 734. ^" Vgl. Weber/Schaffer (1999a), S. 740-742. ^^^ Vgl. auch Ahn (2003), S. 47. ^^"^ Vgl. Weber/Schaffer (1999a), S. 735, vgl. auch Bacher (2004), S. 85, der den unterschiedlichen Phasen des Fiihrungszyklus bestimmte Kategorien von ControUinginstrumenten zuordnet.
3.3 Konzeptionelle Impulse des Controllings
185
tiert.^^^ Die Uberwindung von Rationalitatsengpassen, die sowohl auf Konnens- als auch auf WoUensdefiziten der beteiligten Akteure zuruckzufuhren sind, steht somit im Mittelpunkt der ControUingbemuhungen.^^^ Der rationalitatssicherungsorientierte Ansatz wird in der Literatur zunehmend aufgegriffen und kritisch gewtirdigt.^^^ Grenzen des Ansatzes werden zunSchst im relativ breiten Verstandnis der Begriffe Rationalitat und Reflexion gesehen. Pietsch/Scherm merken beispielsweise an, dass „Rationalitat [...] den Orientierungspunkt in fast jeder Wissenschaft dar[stellt]", so dass es kaum verwundere, „dass man bei alien ControUingansStzen ,rationalitatsengpassbezogene' Inhalte fmdet".^^^ Ahnliches wird beim BegrifF der Reflexion beanstandet, der im Sinne von „bewusstes Denken" als zu allgemein interpretiert angesehen wird, was zur Folge habe, dass die Zielkategorie einer „angemessenen" Rationalitat im Sinne eines ausgeglichenen Verhaltnisses von Reflexion und Intuition nur schwer operationalisierbar erscheint.^^^ Schliefilich wird auch die implizite Unterstellung moniert, der Controller unterliege in einem geringeren AusmaB den genannten Rationalitatsdefiziten als anderen Entscheidungstrager im Untemehmen.^^^ Die Konzeption eines reflexionsorientierten Controllings greift den im Rationalitatssicherungsansatz zentralen Begriff der Reflexion auf und fiihrt ihn einer weiteren Konkretisierung zu.^^* ErgSnzend werden Elemente des informationsorientierten und koordinationsorientierten Ansatzes verarbeitet, so dass auch dieser Ansatz als ein Integrationsversuch bestehender Konzeptionen gewertet werden kann.^^^ Grundlegend ist dabei die Unterscheidung einer Fiihrungsfunktion sowie einer Fuhrungsunterstutzungsfunktion des Controllings. Die Fuhrungsfunktion manifestiert sich in der Reflexion als eine von mehreren zentralen „Grundoperationen" der Untemehmensfuhrung. Ihre Aufgabe besteht darin, Auswahlentscheidungen, die im Rahmen anderer Fiihrungssubsysteme getroffen werden, unter Ruckgrififauf neue Informationen und im Hinblick auf Effizienz- und Eflfektivitatsziele distanziert-kritisch zu hinterfragen.^^^ Damit weist sie enge Bezuge zum rationalitatsorientierten Ansatz auf, mit dem Unterschied, dass das Bezugsobjekt der Reflexion nun nicht mehr die Intuition (des Managers), sondem die Selektion als grundlegende Steuerungsaufgabe der Untemehmensfuhrung dar-
' ' ' V g l . Weber/Schaffer (1999a), S. 736-737, Weber/Schaffer (1999b), S. 209-210. Vgl. zur Reflexion im Controlling auch Becker (2003), der unter Riickgriff auf die Giddensschen Strukturationstheorie ein eigenes reflexionsorientiertes ControUingverstandnis entwickelt, welches Controlling als „reflexive Steuerung von Organisationen" bezeichnet. Vgl. Becker (2003), z.B. S. 209-226. ^^^ Vgl. auch Moller (2003), S. 54. ^" Vgl. Z.B. Ahn/Dyckhoff (2004), S. 508-510, Becker (2003), S. 36-41. ^^^ Pietsch/Scherm (2000), S. 401. Angesichts einer aktuellen, intensiveren Auseinandersetzung mit dem Rationalitatsverstandnis des Ansatzes - vgl. z.B. die Ausflihrungen zur SoUrationalitat oder zu unterschiedlichen Rationalitatsebenen - verliert dieser Einwand jedoch zunehmend an Gewicht, vgl. dazu z.B. Weber (2004a), S. 471-474 sowie Weber (2004c), S. 53-54. ^^^ Vgl. Ahn (2003), S. 47, Horvath (2003b), S. 153, Pietsch/Scherm (2000), S. 401-402. ^^ Vgl. Moller (2002), S. 54. ^^^ Vgl. Scherm (2003) sowie Pietsch/Scherm (2004), die als zentrale Vertreter der reflexionsorientierten Controllingkonzeption gelten. ^^^ Vgl. Pietsch/Scherm (2000), S. 402. ^^^ Vgl. Pietsch (2003), S. 19.
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3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
stellt. Die Fuhningsimterstutzungsfunktion greift mafigeblich auf die informationsorientierten ControUingkonzeptionen zuruck, indem sie zur ErfuUung der Reflexionsaufgabe eine fiinktionsiibergreifende, informatorische Basis bereitstellt. Die Informationsversorgung wird jedoch nicht als allgemeines Informationsmanagement verstanden, sondem fallt nur dann in den Aufgabenbereich des Controllings, wenn der Informationsbedarf direkt aus der Fiihrungsaufgabe der Reflexion abgeleitet werden kann. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass die Fuhrungsunterstiitzungsfunktion im Vorschlag von Pietsch/Scherm nicht innerhalb des Fiihrungssystems angesiedelt wird, sondem eine Sonderstellung auBerhalb von Fuhrungsund Ausfiihrungssystem einnimmt.^" Die koordinationsorientierten ControUingkonzeptionen werden schlieBlich indirekt integriert, indem die im Fuhnmgssystem stattfindende Koordination als einer von mehreren moglichen Referenzpunkten der Reflexionsfunktion des Controllings angesehen wird.^^^ Als aktuellste der diskutierten ControUingkonzeptionen ist der reflexionsorientierte Ansatz bislang noch keiner umfassenden Beurteilung unterzogen worden. Anzumerken ist zimSchst, dass durch die Einordnimg der Fuhnmgsunterstutzungsfimktion des Controllings auBerhalb des Fiihrungssystems die in den anderen Konzeptionen weitgehend akzeptierte Zuordnung des Controllings zum Filhrungssystem verlassen wird.^^ Daruber hinaus konstatieren die Vertreter des Ansatzes selbst, dass die Moglichkeiten einer Institutionalisierung der Fiihrungs- bzw. Reflexionsfunktion des Controllings relativ gering sind und stellen fest, dass diesbezugliche Aufgaben im Rahmen eines „Selbstcontrollings" dem Manager selbst auferlegt werden.^^^ Der Verantwortungsbereich des institutionalisierten Controllings wird dadurch auf Aufgaben der Informationsversorgung eingeschrankt. Die uberblicksweise Darstellung der aktuell zur Diskussion stehenden ControUingkonzeptionen offenbart eine Reihe von Unterschieden, aber auch Ubereinstimmungen. Bestehende Differenzen zwischen den Konzeptionen, wie z.B. die Tiefe der KoordinationsfUnktion des Controllings oder die unterschiedliche Gewichtung der von der ControUingfiinktion zu benicksichtigenden ZieUcategorien, sind dabei nicht zwingend als konzeptionelle Unscharfen zu sehen, sondem bieten vielmehr die Moglichkeit, unter Beibehaltung einer relativ hohen Kompatibilitat zwischen den Ansatzen dennoch unterschiedliche inhaltliche Schwerpunktsetzungen vorzunehmen.^^* Dies erscheint insbesondere angemessen, als es angesichts der Dynamik des Handlungsfelds des Controllings unmdglich erscheint, eine exklusive und klar abgrenzbare Funktion des Controllings normativ zu fixieren.^^^
'*^ Vgl. Pietsch/Scherm (2000), S. 403. ^^^ Vgl. Pietsch/Scherm (2000), S. 406. ^^ Noch weiter geht Ahn (2003), S. 51-56, der eine Unterscheidung zwischen Fiihrungs- und Ausfiihrungssystem als nicht trennscharf ablehnt und ein eigenes Gefuge von Teilsystemen des Untemehmens entwickelt. ^^^ Vgl. Pietsch/Scherm (2000), S. 409-410. ^^^ Negative Folgen ergaben sich erst dann, wenn die tjberschneidungen mit anderen, etablierten betriebswirtschaftlichen Teilgebieten so grofi wtirden, dass kein zusatzlicher Erkenntnisgewinn zu erwarten ware, vgl. Ahn/Dyckhoff (2004), S. 522. ^^^ Vgl. auch Becker (2004), S. 104, Scherm/Pietsch (2004), S. 5.
3.3 Konzeptionelle Impulse des Controllings
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Hinsichtlich der Gemeinsamkeiten der vorgestellten Konzeptionen ist das Bestreben festzustellen, durch zunehmend integrative Ansatze einen konsensfahigen konzeptionellen Kern des Controllings als betriebswirtschaftliches Teilgebiet herauszuarbeiten.^^" Dabei ordnen die meisten Ansatze - mit Ausnahme der reflexionsorientierten Konzeption, welche dies nur teilweise einraumt - Controlling als Teil des Fuhrungssystems eines Untemehmens ein.^^' Die unterschiedlichen Aufgaben des Controllings (u.a. Informationsversorgung, Fuhrungsunterstutzimg, Koordination, Rationalitatssicherung, Reflexion) weisen somit als gemeinsames Merkmal einen im weitesten SinnefiihrungsunterstutzendenCharakter auf.^^^ Die Umsetzung der „unterstiitzten" Entscheidungen, d.h. die Steuerung der Prozesse im Leistungssystem, bleibt jedoch weiterhin eine Aufgabe der Fuhrung bzw. des Managements: „Der Controller liefert und betreut die Systeme, Methoden und Informationen zur Wahmehmung des Controllings. Er steuert also nicht selbst."^^^ Dies erweist sich - im Vorgriff auf die Entwicklung der eigenen Supply Chain Performance Management-Konzeption - insofem als relevant, als das Controlling zwar wichtige Impulse - insbesondere fur den Bereich des Performance Measurements - bereithalt, jedoch nicht das voile Aufgabenportfolio des Performance Managements abdecken kann. In den folgenden Kapiteln 3.3.2, 3.3.3 sowie 3.3.4 werden die genannten ControUingkonzeptionen zur Systematisierung ausgewahlter ControUingansStze herangezogen, die jeweils individuelle Impulse fiir die Entwicklung des Supply Chain Performance Managements bereithalten. Vor dem Hintergrund der Aufgabenstellung der Arbeit erscheinen dabei zunachst jene themenzentrierten Ansatze relevant, welche auf Grund ihrer inhaltlichen Ausrichtung eine gewisse AfFmitat zum Supply Chain Management aufweisen. Hierzu kann insbesondere das LogistikcontroUing gezShlt werden. Dariiber hinaus sind auch Ansatze zu beriicksichtigen, welche den Anwendungsbereich des Controllings auf untemehmensiibergreifende Objekte ausdehnen. Diese Eigenschaft weisen insbesondere das Kooperations- und NetzwerkcontroUing auf, weshalb sie ebenfalls in die Analyse aufgenommen werden. Schliefilich wird auch der Ansatz des Supply Chain Controllings berucksichtigt, der sich sowohl durch seine inhaltliche Schwerpunktsetzung als auch durch seine untemehmenstibergreifende Ausrichtung fur Teilbereiche des Supply Chain Performance Managements als relevant erweist. Bevor das LogistikcontroUing, das Kooperations- und Netzwerkcontrollings sowie das Supply Chain Controlling naher analysiert werden, sei abschlieBend auf einige Controllingansatze verwiesen, deren Ubertragung auf untemehmenstibergreifende Steuerungsprozesse in der Literatur ebenfalls diskutiert,^^"* im Rahmen der vorliegenden Arbeit jedoch aus nachfolgenden
^^^ Vgl zum Versuch einer Zusammenftihrung unterschiedlicher Controllingkonzeptionen zu einem integrierten Ansatz bereits Schweitzer/Friedl (1992). ^^^ Vgl. Horvdth (2003b), S. 153. ^^^ Vgl. auch Pfohl/Stolzle (1997), S. 28. "^Horvath(2003b),S. 151. ^^"^ Vgl. auch Horvath (2003b), S. 219, Hess (2002), S. 109-141.
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3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
Grunden nicht vertieft wird. Das Konzemcontrolling bietet auf Grund von Ahnlichkeiten zwischen Fuhrungspraktiken von Konzemen und strategischen Netzwerken, die stark von einem fokalen Untemehmen dominiert werden, einige Anknupfimgspunkte.^^^ Andere wichtige Gnmdannahmen, wie z.B. die Existenz einer eigentumsrechtlich legitimierten Konzemfuhrung mit Durchgriffsrechten auf die Tochtergesellschaften, erweisen sich jedoch als nicht mit den Konzeptanforderungen des Supply Chain Managements, so dass auf eine ausfuhrliche Darstellung des Konzemcontrollings verzichtet wird."** Auch das ProjektcontroUing weist ein gewisses Transferpotenzial auf, da es sich mit der Planung und verantwortungsbereichsiibergreifenden Durchfuhrung besonders komplexer imd interdisziplinarer Aufgaben befasst, wie sie auch im Supply Chain Management anfallen. Weitere Projektcharakteristika wie deren Einmaligkeit oder zeitliche Befristung treffen hingegen auf Supply Chains nur eingeschrankt zu, so dass dieser Ansatz eher auf instabile, auftragsbezogene Netzwerke (z.B. sog. virtuelle Untemehmen) als auf Supply Chains ubertragbar erscheint und deshalb nicht weiter verfolgt wird.^^^ SchlieBlich ist auch der Ansatz des Prozesscontrollings als Impulsgeber anzufuhren. Dieses tragt der zunehmend flussorientierten Ausrichtung des Leistungssystems durch eine ebenso prozessorientierte Ausgestaltung des ControUingsystems Rechnung. Aufgrund der logistischen Grundausrichtung der vorliegenden Arbeit wurden die zentralen Charakteristika des Prozesscontrollings jedoch bereits mehrfach in anderem Zusammenhang vorweggenommen^^^ und werden daher nicht mehr separat diskutiert.^^^ 3.3.2.
Impulse des LogistikcontroUings
Einhergehend mit der zunehmenden Relevanz logistikbezogener Entscheidungen fur die Erfolgs- imd Wertentwicklung des Gesamtuntemehmens erscheint eine verstarkte Integration der Aufgaben von Logistik und Controlling erforderlich.^*® Zum einen trSgt der zunehmend strategische Charakter des Logistikmanagements dazu bei, das zur Unterstutzung der allgemeinen Untemehmensfthning etablierte Methodenspektrum des Controllings auch auf den
Vgl. z.B. zum Aufbau eines einheitlichen Infonnationssystems im Konzem, zur Regelung des konzeminternen Leistungsaustauschs, zur Koordination der Aktivitaten der Tochtergesellschaften sowie zur Untersttitzung des Konzenmianagements Hess (2000), S. 168-171. ^^^ Dessen ungeachtet werden in der vorliegenden Arbeit ausgewahlte Instrumente aufgegriffen, die ursprunglich zwar dem Konzemcontrolling zugeordnet werden kQnnen, jedoch auch in anderen, bereits ausfiihrlicher dargestellten ControUingansdtzen zur Anwendung konmien. Beispiele hierfur sind Ansatze zur Leistungsverrechnung oder zur Portfoliosteuerung, die unter anderem auch im Kooperations- und NetzwerkcontroUings herangezogen werden. " ' Vgl. Ries (2001), S. 230-239. Vgl. auch Hess (2000), S. 174. Vgl. zum ProjektcontroUing z.B. Mdrsdorf (1998), S. 111-125. ^^^ Vgl. z.B. das Handlungsfeld „Supply Chain-Prozesse" in Kapitel 2.1.2.2, die prozessorientierte Abbildung von Supply Chains im Rahmen des SCOR-Modells in Kapitel 2.1.3 sowie die Forderung nach einer stSrkeren Prozessorientierung des Performance Measurements in Kapitel 3.1.3.2. "^ Vgl. zum Prozesscontrolling z.B. Bauer (2000), S. 145-154, Brede (1998) oder Menden (2004), S. 101-106. ^^" Vgl. z.B. Kummer (2004), S. D5-14, G6tze (2003a), S. 11, Kupper (2001), S. 429, Keebler (2000), S. 1, Weber (2004b), S. D5-1 bis D5-2.
3.3 Konzeptionelle Impulse des Controllings
189
Aufgabenbereich der Logistik zu ubertragen.^^^ Zum anderen bringen die jungsten Vorschlage zur Weiterentwicklung der ControUingkonzeption auch einen Anpassungsbedarf in den funktional ausgerichteten ControUingansatzen mit sich. Das daraus entstandene LogistikcontroUing ist somit im Spannungsfeld zweier relativ jimger, dynamischer Teildisziplinen angesiedelt, so dass es nicht uberrascht, dass es weder definitorisch noch hinsichtlich seiner inhaltlichen Ausgestaltung vollkommen einheitlich besetzt ist. Unter Verzicht auf eine detaillierte Diskussion unterschiedlicher Definitionsansatze^^^ lasst sich LogistikcontroUing als methodisch-instrumentell relativ stark ausdifferenzierter, funktional ausgerichteter ControUingansatz einordnen, der eine vomehmlich untemehmensbezogene Perspektive einnimmt.^^^ Da sowohl Logistik (schwerpunktmaBig innerhalb des Leistungssystems) als auch Controlling (schwerpunktmaBig innerhalb des Fuhrungssystems) auf die Verkniipfung von Bereichen abzielen,^^"* ergibt sich fur das LogistikcontroUing ein breit gefachertes Spektrum an strategischen wie operativen Aufgaben.^^^ Fur eine aufgabenorientierte Charakterisierung werden in der Literatur schwerpunktmaBig die informationsorientierte sowie die koordinationsorientierte ControUingkonzeption herangezogen.^^^ Daruber hinaus liegen erste Ansatze vor, die rationalitatssicherungsorientierte Konzeption auf das LogistikcontroUing zu tibertragen.^^^ Aus informationsorientierter Perspektive steht die Versorgung der Fiihrung mit hiformationen, die sich in Bezug auf Umfang, Art, Zuverlassigkeit sowie Aktualitat zur Unterstutzung logistischer Entscheidungen eignen, im Vordergrund.^^^ Im strategischen Bereich ist dabei zunachst die Erhebung des Informationsbedarfs und dessen Abgleich mit dem intemen und
^^^ Vgl. Ihde (2001), S.331, GQpfert (2001), S. 348, Reichmami/Palloks-Kahlen (2003), S. 70-71, Bacher (2004), S. 58. ^^^ Vgl. die Ubersicht bei Gotze (2003a), S. 13-14. ^^^ Vgl. Stdlzle (2002a), S.289, Pfohl (2004b), S.201, vgl. ahnlich Lochthowe (1990), S. 51 sowie Stolzle/Placzek (2004b), S. 55. ^^ Vgl. Kiipper (2001), S. 429, der darauf hinweist, dass sowohl Logistik als auch Controlling somit den Charakter von Querschnittsflmktionen aufweisen. Vor diesem Hintergrund ist auch die Charakterisierung des Logistikcontrollings als Bereichscontrolling (vgl. Pfohl (2004b), S.201, Weber (1995), S. 20), aus forschungsseitiger Sicht als nicht mehr zeitgemafi einzuschatzen. ^^^ Vgl. Weber (1995), S. 20-33, vgl. auch StOlzle/Placzek (2004b), S. 55. ^^ Vgl. insbes. Gotze (2003a) und (2003b). Gotze geht daruber hinaus auf eine regelungs- und steuerungsorientierte Perspektive des Logistikcontrollings ein. Diese wird nicht weiter vertieft, zum einen, weil die darin genannten Aufgaben weitgehend in der informationsorientierten oder koordinationsorientierten Sichtweise enthalten sind, zum anderen weil die Steuerung - wie bereits an fruherer Stelle herausgearbeitet wurde keine originare Aufgabe des Controllings, sondem des Managements darstellt. Vgl. zu Koordination und Informationsversorgung als konstitutive Merkmale des Controllings auch Pfohl/Stolzle (1997), S. 28. ^^^ Vgl. insbes. Kaminski (2002), S. 83-114. Eine Ubertragung reflexionsorientierter ControUingkonzeptionen auf das LogistikcontroUing steht in der Literatur bislang aus und erscheint insbesondere auf Grund der unternehmensintemen sowie schwerpunktmaBig operativen Ausrichtung des Logistikcontrollings fur den weiteren Argumentationsgang der vorliegenden Arbeit nicht zwingend erforderlich. Vgl. die tfberlegungen zur reflexionsorientierten Sichtweise im Netzwerkcontrolling (Kapitel 3.3.3) sowie im Supply Chain Controlling (vgl. Kapitel 3.3.4). Zu letztgenanntem vgl. insbesondere auch StSlzle/Placzek (2004a). ^^^ Vgl. zum Folgenden insbesondere Gotze (2003b), S. 8-9.
190
3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
extemen Informationsangebot von Bedeutung.^*' Dies betrifft beispielsweise das Absatz-, Produktions- und Beschaffungsprogramm, die Struktur und Kapazitat des Logistiksystems, die Lieferanten- und Kundenstruktur, geplante Investitionen oder die Moglichkeiten des Fremdbezugs logistischer Dienstleistungen.^^ Eine vorrangige Stellung wird dabei dem Bedarf nach Informationen zur Wirtschaftlichkeit der Logistik eingeraumt. Zu deren Erhebung, problembezogener Verdichtung und Kommunikation ist ein logistikspezifisches Informationssystem aufzubauen, welches Logistikkosten und -leistungen sowie deren mafigebliche EinflussgroBen systematisch integriert.^^' Dem Logistikcontrolling obliegt es zudem, die Kompatibilitat dieses Systems mit bestehenden Informationssystemen im Untemehmen (z.B. mit dem Planungs- oder dem Kostenrechnungssystem) sicherzustellen. Hier bestehen somit ausgedehnte Schnittstellen zum allgemeinen Controlling sowie zum IT-Bereich. Auf der operativen Ebene fallen dem Logistikcontrolling aus informationsorientierter Sicht insbesondere die Aufgaben der Implementierung des entwickelten Informationssystems sowie des laufenden Betriebs der Kosten- und Leistungsmessung zu.^^^ Aus koordinationsorientierter Perspektive weist das Logistikcontrolling - einhergehend mit der zunehmenden Akzeptanz der Fuhrungsfunktion der Logistik - ein wesentlich umfassenderes Aufgabenprofil auf. Die dargestellten Koordinationsaufgaben beziehen sich dabei nicht nur auf das Fuhrungssystem der Logistik, sondem stellen auf eine Reihe von Koordinationsaufgaben zwischen dem Logistiksystem und anderen Fiihrungssubsystemen im Untemehmen ab.^^^ Unter Annahme eines umfassenden Koordinationsverstandnisses steht dabei die Berucksichtigung der Logistik im allgemeinen Wertesystem des Untemehmens, z.B. durch die Eingliederung logistischer Servicekategorien in das Untemehmensleitbild, an erster Stelle.^^"* Dariiber hinaus gilt es, die Logistik in das allgemeine Planungs- und Kontrollsystem einzubinden. Die Herausforderung besteht dabei darin, dies nicht nur auf Ebene logistischer Funktionalstrategien zu leisten, sondem auch auf Geschaftsfeld- und Gesamtuntemehmensebene Logistikstrategien mit der allgemeinen strategischen Ausrichtung des Untemehmens zu verkntipfen. Auch die Forderung nach einer Koordination mit dem allgemeinen hiformationssystem des Untemehmens sowie mit anderen ControUingbereichen deutet darauf hin, dass im koordinationsorientierten VerstSndnis eine Ausdehnung des LogistikcontroUings tiber das Handlungsfeld eines klassischen Bereichscontrollings hinaus stattfmdet. Im Rahmen der Unterstiitzung der Ziel- und Strategieformulienmg fur den Logistikbereich gilt es, Sollvorga-
Vgl. zur Forderung nach einem Ausgleich zwischen Informationsangebot und -nachfrage im allgemeinen Management Koreimann (1999), S. 146. ^^ Vgl. Mannel (1993), S. 27, Gdtze (2003b), S. 8. ^^^ Vgl. Reichmann (1993), S. 89-90 sowie Reichmann (2001), S. 417-418. Vgl. auch Vermast (1995), S. 122. ^^^ Vgl. Delfinann et al. (2003a) sowie Delfmann et al. (2003b). ^^^ Vgl. z.B. Kiipper (2001), S. 430-434. Vgl. zu den folgenden Ausfuhrungen insbesondere Kummer (2004). Vgl. auch Gotze (2003b), S. 10, der |n Anlehnung an das Koordinationsverstandnis von Horvdth (z.B. 2003) systembildende und systemkoppelnde Koordinationsaufgaben des LogistikcontroUings differenziert. ^^^ Ftir Logistikdienstleistungsuntemehrrien liegt diese Forderung auf der Hand. Nachholbedarf besteht jedoch bei Industrie- und Handelsuntemehmen, welche sich einer wachsenden Wettbewerbsrelevanz der Logistik gegeniibersehen, vgl. Kummer (2004), S. D5-15.
3.3 Konzeptionelle Impulse des Controllings
191
ben ftir Logistikleistungen und -kosten zu treffen und diese in entsprechende Logistikstrategien einzubetten. Als Ansatzpunkt bieten sich dabei z.B. die tJbertragung der Grundstrategien von Porter auf das Handlungsfeld der Logistik an.^^^ An der Schnittstelle zwischen strategischer und operativer Ebene begleitet das LogistikcontroUing schlieBlich die Umsetzung von Logistikstrategien. Damit sind einmal Aufgaben der Mafinahmenplanung sowie des Projektmanagements verbunden. Dariiber gilt es, die allgemeinen Aufgaben der strategischen KontroUe (insbes. der Pramissen- und Durchfiihrungskontrolle^^) auf die Logistik anzuwenden. Im Rahmen der PramissenkontroUe ist beispielsweise zu iiberpriifen, ob einmal getrofifene Annahmen (z.B. eine schwankende Endkundennachfrage, niit der Investitionen in neue Lagerkapazitaten begriindet wurden) nach wie vor gultig sind. Die DurchfuhrungskontroUe bezieht sich auf den Implementierungsprozess per se, z.B. auf die Uberwachung des Terminplans Oder auf die Koordination interdependenter Teilprojekte. Die Aufgaben auf operativer Ebene beziehen sich auf die Koordination innerhalb des Logistikbereichs. Dazu zShlen z.B. die Ubersetzung relativ global formulierter Logistikziele in konkrete Zielvorgaben fur einzelne Leistungsbereiche, die Ableitung operativer MessgroBen zur Messung der Zielerreichung, die Unterstiitzung der operativen Logistikplanung (z.B. Materialbedarfs- und Kapazitatsplanung) sowie die Erstellung von Logistikbudgets.^^^ Die weiteren, in Abbildung 45 angefuhrten operativen Aufgaben decken sich mit dem informationsorientierten Aufgabenspektrum. Mit dem LogistikcontroUing aus rationalitatssicherungsorientierter Sicht befassen sich bislang nur wenige Autoren explizit. Kaminski (2002) strebt im Rahmen des Logistikcontrollings eine tJbertragung der allgemeinen Aufgaben der Rationalitatssicherung auf die Fuhrung logistischer Bereiche an. Je nach Entwicklungsstand der Logistik stehen dabei unterschiedliche Rationalitatsengpasse im Vordergrund. Aus diesen erwachst jeweils ein Handlungsbedarf ftir das LogistikcontroUing. Die bereits genannten Aufgaben der informations- und koordinationsorientierten Konzeptionen werden dabei als kontextspezifische AusprSgungen eines rationalitatsorientierten Logistikcontrollings interpretiert, so dass dessen Aufgabenspektrum erhebliche tJberschneidungen mit dem informationsorientierten, insbesondere jedoch mit dem koordinationsorientierten LogistikcontroUing aufweist.^^^ Dariiber hinaus ordnet Kaminski auch bei „untemehmensubergreifenden Logistikproblemstellungen" dem LogistikcontroUing Rationalitatssicherungsaufgaben zu. Zu diesen zahlen z.B. die Wahl einer transaktionskostenminimalen Koordinationsform in der Beschaffung, die Unterstiitzung bei der Bewaltigung interorganisatorischer Konflikte sowie - in Abhangigkeit vom Charakter einer Austauschbe-
Weitere Ausfuhrungen zur logistischen Auspragung von Differenzierungs-, Kostenfiihrerschafts- und Fokussierungsstrategien wurden den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen. Vgl. dazu z.B. Kummer (2004), S. D5-18 bis D5-20 sowie - am Beispiel grofier Handelsuntemehmen - Karrer et al. (2004), S. 507-508. ^^ Vgl. Weber (1995), S. 20. Vgl. auch Kapitel 2.2.2.1. ^^^ Vgl. Weber (1995), S. 26-32. ^^^ Vgl. Kaminski (2002), S. 83-114, vgl. auch Weber (2002b), S. 45-46.
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3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
ziehung^^ - die marktorientierte Erweiterung des Planungs-, Informationsversorgungs- und Kontrollsystems der Logistik.'"'" Die dabei hervortretende Uberschneidung des interorganisationalen Aufgabenspektrums des LogistikcontroUings mit den Ansatzen des Supply Chain Controllings wird von ihm jedoch nicht adressiert.""*^ Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass der Beitrag der rationalitatssichenmgsorientierten Controllingkonzeption zum Aufgabenprofil des LogistikcontroUings bislang weitgehend in der Integration existierender, informations- und koordinationsorientierter Aufgaben in ein gemeinsames Ordnungsmuster besteht. Abbildung 45 liefert eine konsolidierte Darstellimg des Aufgabenspektrums des LogistikcontroUings aus den unterschiedlichen konzeptionellen Perspektiven. Erganzend enthalt sie auch einen Uberblick uber relevante Methoden bzw. Instrumented"^
Aufgaben aus informationsorientierter Sicht
Strategisches LogistikcontrolUng
Operatives Logistikcontrolling
- Ermittlung der Informationsbedarfe der Logistik und Abstimmung mit intemem und extemem Informationsangebot
- Implementierung eines prozessbezogenen, meist kennzahlengestutzten Informationssystems ftir die Logistik - Messimg, Aufbereitung und Dokumentation von entscheidungsrelevanten Informationen im Waren- und Informationsfluss
- Konzeption eines Informationssystems zur Unterstiitzung strategischer Logistikentscheidungen - Wirtschaftlichkeitsanalyse der Logistik fur das strategische Management Aufgaben aus koordinationsonentierter Sicht
- Laufende Leistungs- und KostenkontroUe
- Beriicksichtigung der Logistik im - Koordination der operativen mit der strategische Logistikplanung Wertesystem des Untemehmens - Koordination der Planungs- und - Koordination mit der strategiKontroUprozesse der Logistik mit schen Planung und KontroUe auf der Informationsversorgung Untemehmens- und GeschSftsfeldebene - Koordination mit der Organisation und der Personalfuhrung in der - Koordination mit dem InformatiLogistik onssystem des Untemehmens - Koordination mit anderen funktionalen ControUingbereichen
- Unterstutzung bei der Formulierung von operativen Logistikzielen und MaBnahmen
- Unterstutzung bei der Formulie- - Entwicklung operativer Methoden und Instrumente zur Kontrolle der rung von Logistikzielen und Logistikziele -strategien - Kontrolle der Strategieimplementierung
Unterschieden werden relationale (kooperative) Untemehmensbeziehungen sowie Austauschbeziehungen mit Spotmarktcharakter, die jeweils unterschiedliche RationalitatsengpSsse aufweisen. ' Vgl. Kaminski (2002), S. 115-116. ' Bacher (2004), S. 59-64, folgt ebenfalls der rationalitatssicherungsorientierten Controllingkonzeption, wendet diese jedoch auf das Supply Chain Controlling an. • Auf eine deskriptive Darstellung der einzelnen, teilweise einschlagigen Instrumente des LogistikcontroUings wird an dieser Stelle verzichtet. Vgl. zur Beriicksichtigung von Methoden und Instrumenten des Controllings in der eigenen Steuerungskonzeption Kapitel 4.3.2. ' Vgl. z.B. Reichmann (1993), 87-89, Reichmann (2001), S. 417-418, Mannel (1993), S. 38, Lorenzen (1994), S. 109-113. Starke Bezuge zur informationsorientierten Ausgestaltung des LogistikcontroUings stellt auch Vermast (1995), S. 121-122 her.
193
3.3 Konzeptionelle Impulse des Controllings
Strategisches LogistikcontroUing
Operatives LogistikcontroUing
Aufgaben aus rationalitatssicherungsorientierter Sicht"^^
- Sicherstellung von Transparenz iiber - Sicherstellimg der Rationalitat der logistische Kosten und Leistungen in beFiihrung logistischer Bereiche (entreichs- und untemehmensubergreifenden spricht weitgehend einer Integration von informations- und koordinationsorienProzessen tierten Aufgaben) - Verknupfung der operativen und strategischen Steuerung mit Anreizsystemen - Sicherstellung der Rationalitat im unternehmensiibergreifenden Bereich, z.B.: a) bei der Wahl einer geeigneten Koordinationsform in der Beschafftmg, b) bei der BewSltigung interorganisatorischer Konflikte sowie c) bei der marktorientierten Planung von Logistikleistungen
Exemplarische Methoden und Instrumente'^^^
- Logistik-Zielplanung
- Logistikkosten- und -leistungsrechnung
- Starken-Schwachen-Analyse
- Bestandsplanung und -kontrolle
- Logistische Portfolioanalyse
- Materialbedarfsplanung
- Strategische Kennzahlen(systeme)
- Bereitschaftskostenanalyse
- Fnihwamsysteme
- Logistik-Budgetierung
- Szenariotechnik
- Operative Kennzahlen(systeme)
- Investitionsrechnung
- Liquiditatsplanung
- Nutzwertanalyse - Make-or-Buy-Analyse Abbildung 45:
Konzeptionenorientiertes Aufgabenspektnim des Logistikcontrollings Quelle: Vgl Fufinoten in der Abbildung
Relevanz des Logistikcontrollings fiir die vorliegende Arbeit Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass die langjahrige wissenschaftliche und praxisbezogen gefthrte Diskussion zum LogistikcontroUing zur Ausbildung eines breit gefacherten Aufgabenspektrums gefuhrt hat. Insbesondere Aufgaben der Informationsversorgung und Koordination erscheinen dabei fur das Supply Chain Performance Management relevant. Daruber hinaus bietet das LogistikcontroUing auch Impulse fiir eine prozessorientierte Ausgestaltung von ControUingaufgaben und beinhaltet Vorschlage fur die systematische Erfassung von logistikspezifischen Leistungen und deren kostenmafiige Bewertung. Hierzu stehen eine Reihe strategischer und schwerpunktmaBig operativer Methoden und Instrumente bereit, deren Adaption auf das Supply Chain Performance Management denkbar erscheint. Die Grenzen der Nutzbarkeit des Ansatzes fur die vorliegende Aufgabenstellung liegen grundlegend in seiner untemehmensbezogenen Ausrichtung."^*^^ Zudem beschrankt sich das LogistikcontroUing als funktional auf den Logistikbereich fokussierter Ansatz auf das Con-
Vgl. z.B. Kaminski (2002), S. 83-114, Weber (2002b), S. 45-46, Weber (2004b), S. D5-10. ' Vgl. zu einer kurzen Ubersicht der Instrumente des Logistikcontrollings Stolzle/Placzek (2004b), S. 56. Vgl. vertiefend zur Logistikbudgetierung Pfohl (2004b), S. 232-236, zur Materialbedarfsplanung Reichmann (2001), S. 419-421, zur Bestandsplanung und Kontrolle z.B. StSlzle et al. (2004), S. 60-122. ' Vgl. Stolzle (2002a), S. 290, Pfohl (2004), S. 201.
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3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
trolling material-, waren- und informationsflussbezogener Prozessmuster, wohingegen andere, fur das Supply Chain Management relevante Geschaftprozesse als ControUingobjekte ausgegrenzt werden."*^^ Dariiber hinaus ist die Anpassung bewahrter ControUinginstrumente an logistische Messobjekte noch nicht abgeschlossen. Dies gilt ftir operative, insbesondere jedoch fur strategische Aufgaben des Logistikcontrollings.'^"* Die Logistikkosten- und Leistungsrechnung etwa stellt zwar kostenstellenbezogenen Kostenausweise sowie eine leistungsentsprechende Verrechnung von Logistikosten bereit, weist jedoch im Bereich der Bewertung der Leistung noch weit reichende Defizite auf.^ SchlieBlich erscheint die Logistikcontrolling-Kompetenz (z.B. im Hinblick auf Know-how, Akzeptanz sowie technische Voraussetzungen) insbesondere in kleinen und mittleren Untemehmen noch stark ausbaufahig/*" 3.3.3.
Impulse des Kooperations- und Netzwerkcontrollings
Supply Chains wurden an fruherer Stelle der vorliegenden Arbeit als spezielle Auspragungsform strategischer Netzwerke charakterisiert. Diese Grundiiberlegung gilt es wieder aufzugreifen, um die Aussagen der Netzwerkforschung fur das Supply Chain Performance Management nutzbar zu machen. Insbesondere die Literatur zum Controlling in Untemehmenskooperationen und -netzwerken gibt dazu wesentliche Impulse/" Wie auch in anderen Controllingbereichen liegt auch zu diesem Themenfeld keine geschlossene Konzeption vor/*^ Dem Kooperationscontrolling werden fuhrungsunterstiitzende Aufgaben zugeschrieben, welche sich in unterschiedliche Dimensionen einordnen lassen."*'^ Im Rahmen einer zeitlichsachlichen Dimension wird vorgeschlagen, das Controlling an den Lebenszyklus einer
^ ' Vgl. Stolzle (2002a), S. 290. ^^ Vgl. Stolzle/Placzek (2004b), S. 61. Die Kemaufgaben des Logistikcontrollings werden hSufig vom konventionellen Controlling wahrgenommen und konzentrieren sich im Wesentlichen auf rechnungswesengesttitzte Tatigkeiten wie die Planung und Kontrolle von Logistikbudgets sowie die Messung und Aufbereitung von Logistikkosten. Eine spezialisierte FOhrungsunterstutzung des Logistikmanagements bleibt haufig aus. Vgl. hierzu die Studie von Weber/Blum (2001), S. 278-279, die auf einer Befragung von 316 deutschen Logistikmanagem basiert. ^ Vgl. Wildemann (2004), S. 23. ^^^ Mehrere empirische Studien attestieren dem LogistikcontroUing zumeist einen relativ niedrigen Auspragungsstand, sowohl was Verbreitung, strategische Bedeutung im Untemehmen als auch informationstechnische Unterstutzung betriffl. GemSfi einer Studie von Gopfert/Neher (2002), S. 39 schatzen 75% von 64 befragten deutschen Logistikmanagera und Geschaflsfiihrem den Umsetzungsstand des Logistikcontrollings als befriedigend oder schlechter ein. Eine Studie von Keebler (2000), S. 1-7, in welcher 355 US-amerikanische Logistikmanager insbesondere zum Einsatz von Kennzahlen und Kennzahlensystemen in der Logistik befragt werden, kommt zum Ergebnis, dass dass rund die Halfte der als strategisch relevant erachteten LogistikmessgroBen gar nicht oder nur in unregelmSBigen AbstMnden erhoben werden. Zu weiteren, allgemein gehaltenen Kritikpunkten am Konzept des Logistikcontrollings vgl. Ebner (1997), S. 84-88. "*'' Vgl. z.B. Hippe (1997), Kraege (1997), Hess (2002), Wohlgemuth (2002), Mack (2003), Ries (2001), Balke/Kiipper (2003), Horvath (2003b) oder Schweier (2004). ^^^ Vgl. Balke/Kiipper (2003), S. 943. Hess stellt dariiber hinaus insbesondere bei der Entwicklung von Instrumenten und Werkzeugen fur das Netzwerkcontrolling Defizite fest, vgl. Hess (2002), S. 92. "^^^ Vgl. zu den im Folgenden angefuhrten drei Dimensionen den Bezugsrahmen des Kooperationscontrolling bei Kraege(l977), S. 133.
3.3 Konzeptionelle Impulse des Controllings
195
Kooperation anzupassen/*"^ Diese dynamische Komponente tragt dem Umstand Rechnung, dass Kooperationen unterschiedliche Entwicklungsphasen durchlaufen k6nnen, welche sich hinsichtlich Art und Intensitat der Zusammenarbeit - und damit auch hinsichtlich ihres Controllingbedarfs - voneinander unterscheiden."*^^ Eine systembezogene Dimension differenziert - maBgeblich gestiitzt auf koordinationsorientierte ControUingkonzeptionen - systembildende und systemkoppelnde Aufgaben. Erstgenannte umfassen dabei die Eingrenzung des Gegenstandsbereichs des Controllings einer Kooperation, zweitgenannte die Durchfuhrung kooperationsbezogener ControUingaktivitaten/^^ Im Rahmen einer hierarchischen Dimension lassen sich schlieBlich die Kooperation per se sowie die Kooperationstrager als Objekte des Controllings unterscheiden. Die Literatur zum KooperationscontroUing fokussiert dabei meist die Perspektive eines einzelnen Untemehmens und setzt im Bereich der Informationsversorgung sowie der Schnittstellenkoordination mit dem Kooperationspartner Akzente."^^^ Die Ansatze des Netzwerkcontrollings greifen die Vorleistungen des KooperationscontroUings auf und weiten den Anwendungsbereich des Konzepts teilweise deutlich aus/^^ So wird zunSchst der dyadische Fokus des KooperationscontroUings auf das gesamte Netzwerk erweitert, so dass sich die Aufgaben des Netzwerkcontrollings zunehmend auf die Ziele des gesamten Netzwerks und insbesondere auf die Abstimmung dieser Ziele mit den Partialinteressen der einzelnen Netzwerkmitglieder beziehen. Zudem werden verschiedene Netzwerktypen, wie z.B. virtuelle Untemehmen oder strategische Netzwerke, diflferenziert, die jeweils spezifische Anforderungen an das Controlling stellen/^^ Des Weiteren werden auch beim
^^^ Vgl. Schaefer/Lange (2004), S. 114. Vgl. auch Stullenberg (2004), S. 117-118, der in diesem Zusammenhang das Performance Measurement als Modul des KooperationscontroUings einordnet. Diese Eingrenzung greift aus Sicht des hier vertretenden, umfassenderen Performance Measurement-Verstandnisses jedoch zu kurz. ^^^ Vgl. Stelzle (2002a), S. 290. Vgl. auch die Diskussion zum Koordinationsbegriff in Kapitel 2.4.1. Vgl. zur Informationsversorgungsaufgabe des KooperationscontroUings Pampel (1993), S. 248. Zu einem knapp gehaltenen Uberblick uber die wichtigsten Aufgabenbereiche des KooperationscontroUings, ebenfalls maBgeblich aus Sicht eines einzelnen Kooperationspartners, vgl. Stullenberg (2004), S. 116. Einen Einblick in die Bedeutung des KooperationscontroUings in der Untemehmenspraxis gibt eine Studie von Pfohl et al. (2004). Diese attestiert der Messung des Kooperationserfolgs eine hohe Bedeutung, zeigt jedoch Defizite im Bereich der methodisch-instrumentellen Ausstattung des KooperationscontroUings auf Mit iiber 84% der Nennungen stellen ,Jdassische" Meetings die haufigste Methode des KooperationscontroUings dar und liegen damit weit vor strukturierten Methoden und Instrumenten wie Reporting (42%), IT-gestutzten Informationssystemen (30%) oder der Berichterstattung eines gemeinsamen Fiihrungsgremiums (24%) (Prozentsatze in Summe uber 100, da Mehrfachnennungen m6glich).Vgl. dazu Pfohl et al. (2004), S. 168. Aspekte des KooperationscontroUings werden daher im Folgenden als Teilfragen des Netzwerkcontrollings behandelt. Dies entspricht dem gegenwSrtigen Stand der einschlagigen Literatur, in der sich ebenfalls eine zunehmende Vereinnahmung des KooperationscontroUings durch das NetzwerkcontroUing abzeichnet. Wahrend zum KooperationscontroUing nur relativ wenige aktuelle Beitrage vorliegen (vgl. z.B. die Monographien von Kraege (1997) oder Drews (2001)), fmdet das NetzwerkcontroUing derzeit eine breite Aufiiahme (vgl. z.B. die Monographien von Hippe (1997), Ebner (1997), Strack (2001), Hess (2002), Wohlgemuth (2002), Otto (2002a) sowie Wenninger-Zeman (2003)). Andere Autoren heben hervor, dass Netzwerk- und Kooperationsforschung gemeinsame Wurzeln aufweisen, vgl. z.B. EBig (1999), S. 44-50, oder Sydow (1992), S. 78-79. ^^^ Vgl. Stelzle (2002a), S. 292. Vgl. zum Controlling in virtuellen Untemehmen z.B. Strack (2001) oder Ries (2001).
196
3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
Netzwerkcontrolling mehrere Lebenszyklusphasen eines Netzwerks unterschieden."*^" Insgesamt ist festzustellen, dass mit der konzeptionellen Ausdehnung des NetzwerkcontroUings auch ein hoherer strategischer Anspruch an das Netzwerkcontrolling verbunden ist."*^^ Dies spiegelt sich in den Aufgaben wieder, die vom Netzwerkcontrolling wahrzunehmen sind. Zur Strukturienmg der Aufgaben des NetzwerkcontroUings aus einer informationsversorgungsorientierten Perspektive kann der Ansatz von Hippe (1997) herangezogen werden, der informationsgenerierende,
informationsstrukturierende
sowie
informationsflussorientierte
Aufgaben unterscheidet.'*^^ Im Rahmen der Informationsgenerierung steht die Abbildung der WertschopfungsbeitrSge der einzelnen Netzwerkmitglieder im Vordergrund, die es in Bezug zur „Gesamtperformance" des Netzwerks zu setzen gilt. Dies stellt eine Voraussetzung fur die Gewinn- und Verlustverteilung innerhalb des Netzwerks dar. Die Informationsstrukturierung dient der Sammlung und Verdichtung der erhobenen Daten sowie ihrer anwenderspezifischen Aufbereitung. Dabei sind insbesondere die unterschiedlichen Informationsbedarfe der Netzwerkakteure zu beriicksichtigen. Informationsflussorientierte Aufgaben fallen schlieBlich beim Transfer der steuerungsrelevanten Informationen an die einzelnen Entscheidungstrager im Netzwerk an. Hier stehen unter anderem der Aufbau und die Weiterentwicklung von akteurstibergreifenden IT-Systemen im Vordergrund. Die aus koordinationsorientierter Sicht relevanten, allgemeinen Aufgaben der Systembildung und Systemkopplung fallen im Netzwerkcontrolling auf unterschiedlichen Ebenen an und sind an einen erhohten Koordinationsbedarf anzupassen.'*^^ In Anlehnung an die Erkenntnisse des Netzwerkmanagements werden haufig die Ebene der Akteure im Netzwerk (Mikroebene) sowie die Ebene des Netzwerks per se (Makroebene) unterschieden.'*^'* Systembildend steht zunachst die Unterstutzung der strategischen Netzwerkplanung im Mittelpunkt, die sich mit der Auswahl potenzieller Partneruntemehmen und der Festlegung relevanter Kooperationsfelder (z.B. Produktlinien, Regionen) befasst. Die Koordinationsaufgabe erstreckt sich hierbei insbesondere auf die Entwicklung, Implementierung und Anpassung eines strategischen Planungs-, KontroU- und Informationssystems. Je nach Positionierung des Handlungstragers macht sich das Netzwerkcontrolling dabei haufig die Perspektive des gesamten Netzwerks zu Eigen. Tritt z.B. der einzelne Akteur als fokales Untemehmen auf, erstrecken sich dessen systembildenden Koordinationsaufgaben bis hin zur Unterstiitzung der Konfiguration des gesamten Netzwerks (vgl. z.B. den Aufbau von JiT-Netzwerken in der Automobilindustrie).
^^^ Vgl. Mack (2003), S. 154-160, als Beispiel fiir die am haufigsten verwendete Klassifiziemng einer Konstituienings-, Stabilisierungs- (=Betriebs) und AuflSsungsphase eines Untemehmensnetzwerks sowie ahnlich Ries (2001), S. 43-52. Vgl. auch Horvath (2003), S. 219, der Netzwerkcontrollingaufgaben innerhalb der Phasen Strategiebildung, Strategieumsetzung, Betrieb und Auflosung differenziert. Vgl. dazu auch die bereits getroffenen Aussagen zur zeitlichen Stabilitdt von Netzwerken und zur Kritik am Lebenszyklusansatz in Kapitel 2.3.3. '^^^ Vgl. auch Stolzle (2002a), S. 293, Jehle (2003), S. 380. ^^^ Vgl. Hippe (1997), S. 218. Vgl. auch Hess (2002), S. 75. Vgl. die vorbereitende Diskussion zur Differenzierung unterschiedlicher Betrachtungsebenen in Netzwerken in Kapitel 2.4.1. "^^"^ Vgl. Hippe (1997).
3.3 Konzeptionelle Impulse des Controllings
197
Hinsichtlich der Systemkopplung sind insbesondere netzwerkweite Strategien zu koordinieren. Hier hat das NetzwerkcontroUing die Perspektive des Gesamtnetzwerks einzunehmen und im Falle von Interessenskonflikten zwischen den beteiligten Akteuren koordinierend einzugreifen/^^ Einschrankend muss angemerkt werden, dass eine Strategiekoordination nur solche Strategien betreffen kann, die in einem bewussten Entwurfs- und Entscheidungsprozess entwickelt werden und nicht unausgesprochen aus der gangigen GescMftspraxis hervorgehen (sog. „emergente" Strategien)."*^^ Operative Aufgaben der Systemkopplung im NetzwerkcontroUing betreffen unter anderem die Auftragskalkulation, Koordinationsleistungen bei der auftragsbezogenen Vergabe von Teilaufgaben sowie die Auftragsverfolgung. Auch aus rationalitatssicherungsorientierter Sicht liegen Ansatze zur Aufgabengestaltung des NetzwerkcontroUings vor. Hess (2002) basiert seine Gestaltungsvorschlage auf einen an den von Weber propagierten phasenorientierten Fiihrungszyklus angelehnten Netzwerkmanagementprozess, in welchem auftragsiibergreifende und auftragsbezogene Rationalitatssichemngsaufgaben des NetzwerkcontroUings anfallen/^^ Auf auftragsubergreifender Ebene steht die Sicherstellung von Netzwerkpotenzialen im Vordergrund, deren Aufbau das Controlling im Rahmen dreier Aufgabenbereiche zu unterstutzen hat:'^^^ Erstens bezieht sich das Controlling auf die Auswahl und Pflege partnerschaftlicher Untemehmensbeziehungen, die durch die Entwicklung geeigneter Bewertungsinstrumente (z.B. durch Entwurf und Dokumentation des Prozesses der Partnerbewertung) oder durch den Aufbau eines systematischen Konfliktmanagements unterstiitzt werden konnen. Einer rein intuitiven Beziehungsgestaltung kann das NetzwerkcontroUing so rationalitatssichemd entgegenwirken. Zweitens sind auftragsubergreifende Handlungen im Netzwerk (z.B. durch Kalkulation gemeinsamer Investitionen oder durch Aufbau von netzwerkweiten IT-Systemen) durch das Controlling zu unterstutzen. Drittens schlieBlich gilt es, den Gesamterfolgs eines Netzwerks zu planen, abzubilden und zu kontroUieren, wobei in Bezug auf das gesamte Netzwerk insbesondere die Erfolgsmessung, in Bezug auf die einzelnen Partner die Erfolgs- und Verlustverteilung hervorgehoben wird. Voraussetzung fiir letztgenannte Aufgabe ist die Moglichkeit zur Verdichtung von Kostenund Erlosdaten iiber mehrere AuftrSge bzw. Partner hinweg."^^^ Auf der auftragsbezogenen Ebene gilt es, den Prozess einer marktadaquaten (d.h. kundenorientierten) Auflragsabwicklung im Netzwerk zu unterstutzen. Aufgabenschwerpunkte liegen dabei in der Spezifikation des Auftrags, der netzwerkweiten Vergabe von Teilaufgaben sowie der Preisbildung. Auch hier bezieht sich der Rationalitatssicherungsanspruch insbesondere auf die Uberwachung
*^' Vgl. auch Hess/Schumann (2000), S. 413. ^^^ Vgl. Wohlgemuth (2002), S. 203. Dies ist auch hSufig in strategischen Netzwerken der Fall (vgl. die Diskussion in Kapitel 2.3.3). Diesbezugliche Aufgaben des NetzwerkcontroUings werden erst in jiingerer Vergangenheit verstarkt adressiert und methodisch-instrumentell ausgestaltet, vgl. z.B. Wohlgemuth (2002), S. 203-243. Diese Aufgabendifferenzierung lehnt sich eng an die bekannte Unterscheidung von strategischen und operativen (Management-)Aufgaben an, vgl. dazu Hess (2002), S. 20-21 sowie S. 146. ^^^ Vgl. Hess (2002), S. 144-149,verwendet fiir die nachfolgend angefuhrten drei Controllingaufgaben die Begriffe ,J*artnercontrolling", „Aktionscontrolling" sowie „Erfolgscontrolling". ^^^ Vgl. auch Hess/Schumann (2000a), S. 79-81.
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3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
netzwerkbezogener Auftragsziele gegeniiber den (mdglicherweise divergierenden) Zielsetziingen der Partnemntemehmen/^® Eine Betrachtung des NetzwerkcontroUings aus reflexionsorientierter Sicht steht in der Literatur bislang weitgehend aus. Aus den allgemeinen Charakteristika dieser ControUingkonzeption lassen sich jedoch erste Uberlegungen ableiten. Da die Reflexion sich als Gegenbegriflf zur Managementaufgabe der Selektion versteht, kann als erstes Aufgabenfeld das kritische Hinterfragen strategischer Auswahlentscheidungen im Netzwerk (z.B. Erschliefien neuer Kooperationsfelder, Aufiiahme neuer Partneruntemehmen in das Netzwerk) sowie die Uberpriifiing der bestehenden Netzwerkstruktur abgeleitet werden. Des Weiteren gilt es, die Aktivitaten der einzekien Akteure im Hinblick auf ihre ZweckrationalitSt ftir das Netzwerk"^^' zu reflektieren/^^ Dabei stellen Informationsasynmietrien, kognitive Begrenzungen sowie die Opportunitatsneigung der Akteure besondere Anforderungen an die Reflexionsfunktion.'*" Abbildung 46 stellt die (vomehmlich strategischen) Aufgaben des NetzwerkcontroUings zusammenfassend dar. Analog zum Logistikcontrolling*^"* werden dabei exemplarische Methoden und Instrumente des NetzwerkcontroUings angefuhrt, welche spater auf ihrer Anwendbarkeit im Supply Chain Performance Management untersucht werden/^^ (Vomehmlich strategische) Aufgaben des NetzwerkcontroUings Aufgaben aus informationsorientierter Sicht'*^^
- Sicherstellung einer bedarfsgerechten Informationsversorgung (Informationsgenerierung, Informationsstrukturierung und -verdichtung, Informationstransfer) der Kooperations- bzw. Netzwerkmitglieder - Aufbau eines (IT-gestUtzten) Inforaiationssystems zur Messung der Performance einer Kooperation/eines Netzwerks
Aufgaben aus koordinationsorientierter Sicht'*^^
- Systembildend: Untersttitzung der initiierenden Unteraehmen bei der strategischen Kooperations- und Netzwerkplanung durch Entwicklung, Implementierung und Anpassung eines Planungs-, Kontroll- und Informationssystems - Systemkoppelnd (strategisch): Koordination kollektiver Strategien, insbesondere Abstimmung zwischen netzwerkbezogenen Zielen (Makroebene) und Zielen der Einzelakteure (Mikroebene) - Systemkoppelnd (operativ): UnterstUtzung der Kooperationsfiihrung bei der Kooperationsplanung, -steuerung und -kontrolle, z.B. bei der auftragsbezogenen Vergabe von Teilaufgaben sowie der Auftragsverfolgung
^'" Vgl. Hess (2002), S. 144. ^^^ Die Zweckrationalitat manifestiert sich in der Erreichung der Effizienz- und Effektivitatsziele des Netzwerks. ^^^ Vgl. ahnlich Pietsch (2003), S. 19, Stdlzle/Placzek (2004), S. 622. '^^^ Eine Vertiefung der angesprochenen Sachverhalte findet an spaterer Stelle im Kontext des Supply Chain Controllings statt. Vgl. StSlzle/Placzek (2004), S. 621-623. ^^^ Vgl. Kapitel 3.3.2. "^^^ Vgl. Kapitel 4.3.2. ^^^ Vgl. z.B. Hippe (1997), S. 188-205, Stolzle (2002a), S. 292, Jehle/Stiillenberg (2001), S. 217, Hess (2000), S. 165. "^^^ Vgl. Z.B. Jehle/Stullenberg (2001), S.217, Balke/Kiipper (2003), S. 944-945 und S. 953, Hippe (1997), S. 134-140, Wohlgemuth (2002), S. 203, StSlzle (2002a), S. 292.
3.3 Konzeptionelle Impulse des Controllings
199
(Vornehmlich strategische) Aufgaben des NetzwerkcontroUings Aufgabenaus rationalitatssicherungsorientierter
- Sicherung der Rationalitat von Fuhrungsentscheidungen in alien Phasen des Lebenszyklus des Untemehmensnetzwerks - Unterstutzung bei der Leitbildentwicklimg einer Kooperation/eines Netzwerks - Aufiragsubergreifende Aufgaben: Erfolgs-, Aktions- und PartnercontroUing - Auftragsbezogene Aufgaben: Unterstiitzimg und KontroUe des Auftragsabwicklungsprozesses im Netzwerk, z.B. durch marktadaquate Spezifikation von AuftrSgen oder der Kalkulation von Auflragspreisen
Aufgaben aus reflexionsorientierter Sicht Exemplarische Methoden und Instrumfcnte'*^^
- Reflexion der Entscheidungen einzelner Akteure im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf das gesamte Netzwerk
- Modifizierte Nutzwertanalyse - Kooperationskostenrechnung - Ablauforientierte Bewertungsverfahren des Netzwerkerfolgs - Zielvertraglichkeitsanalyse - Kennzahlensysteme - Budgetierungssysteme - Verrechnungspreissysteme - Netzwerkverfassung
Abbildung 46:
Konzeptionenorientiertes Aufgabenspektrum des NetzwerkcontroUings Quelle: Vgl. Fufinoten in der Abbildung
Relevanz des NetzwerkcontroUings fur die vorliegende Arbeit Das NetzwerkcontroUing liefert sowohl auf konzeptioneller als auch auf methodischinstrumenteller Ebene Impulse fur das Supply Chain Performance Management. Zunachst weist das NetzwerkcontroUing ein relativ hohes deskriptives Potenzial auf, da sein Gegenstandsbereich in ein systemtheoretisch fundiertes Netzwerkmodell eingebettet wird. Dieses stellt einen Ordnungsrahmen fur die Zuordnung von ControUingaufgaben zu unterschiedlichen Netzwerktypen sowie zu unterschiedlichen Handlungsebenen im Netzwerk bereit, der in modifizierter Weise auch auf Supply Chains angewandt werden kann (vgl. z.B. das vorgestellte Ebenenmodell in Abbildung 27). Im Vergleich zum Logistikcontrolling weist das NetzwerkcontroUing ein deutlicher ausgepragtes strategisches Profil auf, was an den angesprochenen Aufgaben wie z.B. der Ermittlung des Gesamterfolgs eines Netzwerks oder der Koordination koUektiver Strategien ersichtlich ist. Da diese nicht ohne ein langfristiges Commitment der einzelnen Untemehmen wahrgenommen werden konnen, befmdet sich das NetzwerkcontroUing stets in einem Spannungsfeld zwischen Einzelakteurs- und Netzwerkperspektive. Zum ErfolgscontroUing werden eine Reihe von Methoden und Instrumenten bereitgestellt. Es handelt sich dabei meistens um aus
^ Vgl. Z.B. Becker (2005), S. 73-75, Hess (2002), S. 144-147, Hess/Schumann (2000a), S. 81, Hess/Schumann (2000b), S. 414, Schaefer/Lange (2004), S. 114. ^ Vgl. Hess (2002), S. 223, Wohlgemuth (2002), S. 346-347.
200
3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
anderen Disziplinen (Performance Measurement, wertorientierte Untemehmensfiihrung) entlehnte Ansatze, welche auf einen Netzwerkkontext tibertragen werden. Es wird zu priifen sein, inwieweit diese auch als Steuerungsinstrumente in Supply Chains herangezogen werden konnen. Kritik am Ansatz des NetzwerkcontroUings wird hSufig im Zusammenhang mit der Netzwerken inharenten Dynamik geSuBert. Die Initialisierung von Controllingkonzepten ist mit vergleichsweise hohen Kosten verbunden und baut auf die Existenz moglichst stabiler und damit besser kontroUierbarer Beziehungen auf. In Netzwerken, welche nur auf eine kurzfristige Zusammenarbeit ausgerichtet sind (z.B. operative Netzwerke oder virtuelle Organisationen) durften deshalb erhebliche Implementierungsbarrieren fUr das Netzwerkcontrolling bestehen.'^ Eine naturliche Grenze des Ansatzes liegt daruber hinaus in der Entscheidungsautonomie der einzehien Netzwerkpartner begrttndet. Da deren interne Prozesse fur das Netzwerk im ungiinstigsten Fall eine Black Box darstellen, ergeben sich Grenzen fur die „Eingriffstiefe" des NetzwerkcontroUings.'"' Ein letzter, fur die folgenden Ausftihrungen relevanter Kritikpunkt bezieht sich darauf, dass Fragen des Controllings untemehmensiibergreifender Prozesse im Rahmen des NetzwerkcontroUings derzeit kaum beleuchtet und auch die speziellen Anforderungen an logistisch geprSgte Prozesse nicht hinreichend vertiefl werden.'*^^ Diese Aspekte werden unter anderen im folgenden Abschnitt aufgegriffen. 3.3.4.
Impulse des Supply Chain Controllings
Im deutschsprachigen Raum entsteht seit Ende der 90er Jahre ein wachsender Literaturkorper zum Controlling von Supply Chains.'"^ Der Dynamik seines Dachkonzepts Supply Chain Management entsprechend liegt auch zu Aufgaben und Inhalten des Supply Chain Controllings eine relativ groBe Vielfah von Ansatzen vor."^ Am Beginn einer Konkretisierung seiner Aufgaben steht deshalb zunSchst die Abgrenzung vom LogistikcontroUing sowie vom Kooperations- und Netzwerkcontrolling.'*^^
^ Vgl. auch Sydow/MfiUering (2004), S. 283, Hess (2000), S. 166. ^^ Vgl. Hess (2000), S. 166. ^^ Schweier (2004) bezieht seinen Ansatz auf logistische Netzwerke und integriert auch ein Modul ,J*rozessControlling" in sein Controllingkonzept, beschreibt dieses jedoch nur oberflachlich, so dass controllingrelevante Besonderheiten von Logistilqjrozessen, aber auch die Anforderungen untemehmensiibergreifender Prozesse, weitgehend offen bleiben. ^ Zu den deutschsprachigen Monographien, die sich wissenschaftlich mit dem Supply Chain Controlling auseinandersetzen, zahlen z.B. Zapfel/Piekartz (1996), Weber (2002b), Bacher (2004) sowie Otto (2002a). Vgl. zudem die BeitrSge von Stdlzle (2002a), Weber et al. (2002a), Neher (2003), Kummer (2001), Otto/StSlzle (2003). ^ Vgl. Stolzle (2002b), S. 10, Pfohl (2004b), S. 203-204, Arnold et al. (2005), S. 45-48. ^^ Arnold et al. (2005), S. 46, nehmen darUber hinaus noch eine Abgrenzung des Supply Chain Controllings vom „Controlling im Supply Management", d.h. im Beschafiungsmanagement, vor. Da das Supply Chain Management-Konzept im Verstandnis der vorliegenden Arbeit das Supply Management beinhaltet (diese Auffassungen teilen auch Arnold et al. (2005), S. 42), wurde auf eine getrennte Behandlung dieses Themenkreises verzichtet. Vgl. zur hohen Bedeutung der Beschaffimg im Supply Chain Management das Handlungsfeld „Upstream-Beziehungen" in Kapitel 2.1.2.2.
3.3 Konzeptionelle Impulse des Controllings
201
Analog zum LogistikcontroUing, dessen Entwicklungsstand maCgeblich von dem der Logistik beeinflusst wird, weist das Supply Chain Controlling enge Beziehungen zum Themenfeld des Supply Chain Managements auf. Dabei hebt es sich hinsichtlich seiner Aufgaben sowie seiner Inhalte (i.S. der zu beherrschenden Phanomene) vom LogistikcontroUing ab."*"^^ Zum einen erfahren bestehende Aufgaben des LogistikcontroUings eine Komplexitatssteigerung, wenn die logistische „Kontrollspanne" auf ein interorganisationales Umfeld iibertragen wird."^^ Dariiber hinaus fallen in der Supply Chain ControUingaufgaben an, wie z.B. die interorganisationale Standardisierung von Prozessen und MessgroBen oder die Erfolgsteilung zwischen den beteiligten Supply Chain-Mitgliedem. SchlieBlich ist aus inhaltlicher Sicht eine Ausdehnung des Supply Chain Management-Konzepts tiber die Logistik hinaus festzustellen, welche ein Supply Chain Controlling sui generis neben dem LogistikcontroUing rechtfertigt."^"*^ Als Beispiele hierfur sind z.B. die Einbeziehung von Finanz- und Rechtefliissen in das SCMKonzept oder der Fokus auf interorganisationale Beziehungen anzufuhren."^^ Zwischen dem konzeptionellen Fundament des Supply Chain Controllings und dem des Kooperations- und Netzwerkcontrollings verlauft eine vergleichsweise feine Trennlinie, was zunachst darauf zuriickzuftihren ist, dass Supply Chains - wie oben argumentiert - als spezifische Auspragungsform strategischer Netzwerke aufgefasst werden konnen. Zur Begriindung des ControUingbedarfs in Supply Chains sind somit ahnliche Argumente wie beim Netzwerkcontrolling ins Treffen zu fuhren. Auch im Hinblick auf bestimmte inhaltliche Charakteristika, beispielsweise die systemtheoretische Fundierung oder das vomehmlich strategische Aufgabenspektrum, wird auf die bereits gefuhrte Argumentation verwiesen.'^^^ Ein grundlegender Innovationsbeitrag des Supply Chain Controllings besteht demgegeniiber in der Ubertragung logistischer Inhalte auf einen interorganisationalen ControUingansatz. Insbesondere der Aspekt der Prozessorientierung bleibt in der Literatur zum Netzwerkcontrolling weitgehend unberucksichtigt. Zudem werfen die uber die Logistik hinausgehenden Steuerungsaufgaben in Supply Chains auch die Frage nach einer Unterstiitzung durch ein ebenso spezifisches Controlling auf."^^^ Nachfolgend wird das Aufgabenprofil des Supply Chain Controllings aus Sicht der in Kapitel 3.3.1 charakterisierten ControUingkonzeptionen umrissen. Aus informationsversorgungsorientierter Perspektive steht allgemein formuliert das Ziel der Transparenz in der Supply Chain im Vordergrund. Konkret ist damit zunachst die Bereitstellung einer entscheidungsrelevanten Informationsbasis fur das Supply Chain Management verbunden."^" In Abhangigkeit vom relevanten Supply Chain-Ausschnitt (vgl. die Differenzie-
^ Vgl. Otto/Stolzle (2003), S. 7-8, Kaufmann/Genner (2001), S. 178. ^^ Vgl. Ihde (2001), S. 349-350. ^^ Vgl. Otto/Stolzle (2003), S. 7, StQlzle/Placzek (2004), S. 617-618. Diesbeziiglich wird auf die in Kapitel 2.1.2.2 angeftihrten Handlungsfelder des Supply Chain Managements verwiesen. ^'^ Vgl. Arnold et al. (2005), S. 46. ^^•^ Vgl. Kapitel 2.4.1. ^^^ Vgl. Kapitel 2.1.2.2. '^^^ Vgl. Otto (2002a), S. 13, Arnold et al. (2005), S. 47.
202
3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
rung der Akteurs-, Kooperations- und Netzwerkebene), von der Positionierung des Entscheidungstragers innerhalb seiner Organisation und innerhalb der Supply Chain sind somit unterschiedliche Informationsbedarfe zu beriicksichtigen. Ein erstes Ziel ist die Schafiung eines gemeinsamen VerstSndnisses hinsichtlich der in der Supply Chain verwendeten Begriffe sowie die Auswahl einer einheitlichen Darstellungsform fur relevante Strukturen und Prozesse.'*" Beziiglich des Umfangs der Informationsbasis erfahren neben dem Bedarf nach klassisch logistisch gepragten Informationen wie Kapazitaten, Mengen, Zeiten, Qualitaten und (interne) Kosten zunehmend auch die Ressourcenausstattung und insbesondere die Kompetenzen der an der Supply Chain beteiligten Untemehmen erhohte Aufmerksamkeit. Des Weiteren wird eine Verknupfung dieser Daten mit wertorientierten ErgebnisgroBen angestrebt. Zentrale Aufgabe der Informationsversorgung ist dabei die Strukturierung entscheidungsrelevanter Kosten- und Leistungskategorien, die DurchfUhning der Messung per se sowie die anwender- und ebenenspezifische Aufbereitung der erhobenen Informationen. Je nach Betrachtungsebene ist der Wertbeitrag einer Supply Chain-Teilnahme fur den einzelnen Partner, der Wertbeitrag einer dyadischen Kooperationsbeziehung fur die beteiligten Partner sowie der Wertbeitrag akteursspezifischer Entscheidungen flir die Supply Chain insgesamt zu differenzieren. Das informationsversorgungsorientierte Supply Chain Controlling ist in diesem Zusammenhang insbesondere fur die inhaltliche Ausgestaltung sowie fur die Abstimmung bzw. Harmonisierung untemehmenstibergreifender IT-Systeme verantwortlich.'*^'* Aus koordinationsorientierter Sicht ist die Informationsversorgungsaufgabe des Supply Chain Controllings um systembildende und -koppelnde Aufgaben zu erganzen/^^ Im Rahmen der Systembildung steht zimachst die Koordination des Informations-, Planungs- und KontroUsystems der Supply Chain-Partner an erster Stelle/^^ Einem eher weit gefassten Koordinationsverstandnis folgend beinhaltet diese Aufgabe auch die Abstimmung mit den Zielen anderer Fuhrungsbereiche wie z.B. Organisation oder Personalfuhnmg/" Das daraus resultierende, breite Aufgabenspektrum kann in mehrfacher Hinsicht konkretisiert werden. Erstens sind die genannten Fiihrungssubsysteme nur insoweit von der Koordinationsfunktion betroffen, als sie auf die Supply Chain gerichtet sind bzw. Interdependenzen mit diesbeziiglichen Aktivitaten aufweisen."*^^ Zweitens lassen sich fur die Koordination - unter Bezugnahme auf die bereits vorgestellten Betrachtungsebenen der Supply Chain - jeweils ebenenspezifische Anforderungen formulieren. Die Literatur zum Supply Chain Controlling nimmt hier bislang meist die Perspektive des fokalen Untemehmens ein, welches auf Grund seiner vorrangigen Machtposition die Koordination der schwerpunktmaBig vertikalen Supply Chain-Beziehungen vor-
^" Vgl. Otto (2002a), S. 58, Boldt/Fnmzke (2004), S. 324, Weber et al. (2003a), S. 106. Dies betrifit z.B. die Standardisiening von Prozessen oder die einheitliche Benennung und inhaltliche Definition interorganisationaler Kennzahlen. ^^"^ Vgl. Pfohl (2004), S. 205, Stelzle (2002a), S. 301, Arnold et al. (2005), S. 47. "^^^ Vgl. GOtze (2003c), S. 277-279, ZSpfel/Piekarz (1996), S. 25-26. "^^^ Vgl. Zimmermann (2003), S. 96. ^^'' Vgl. Gopfert (2000), S. 203. ^^^ Vgl. ahnlich auch Gotze (2003c), S. 277.
3.3 Konzeptionelle Impulse des Controllings
203
nimmt. Drittens besteht neben der Koordination innerhalb der Einzelakteurs-, Beziehungsoder Netzwerkebene insbesondere ein Koordinationsbedarf zwischen diesen Ebenen, Das Supply Chain Controlling kann diesbeztiglich die Funktion eines „Ebenen-IntegrationsControUings" wahmehmen/^^ welches bereits im Rahmen der sog. konstituierenden Systembildung Koordinationsobjekte, -intensitaten und -zyklen festlegt/^^ Im Zuge der Systemkopplung sind die verfolgten Strategien in der Supply Chain laufend zu koordinieren. Dies bezieht sich unter anderem auf die Koordination des Ressourceneinsatzes, der Risikoverteilung in der Supply Chain sowie auf die Verteilung des gemeinsam erwirtschafteten Erfolgs. Die starker operativ orientierte systemkoppelnde Koordination in der Supply Chain baut auf eine prozessorientierte Strukturierung der Koordinationsaufgaben auf. Wahrend in Netzwerken allgemeine Austauschbeziehungen das primare Koordinationsobjekt darstellen, beziehen sich die Aussagen des Supply Chain Controllings auf untemehmensubergreifende Material-, Waren- und Informationsflusse. Entsprechend dem oben beschriebenen, erweiterten Informationsbedarf ruckt zudem die Koordination des untemehmensiibergreifenden Finanzflusses verstarkt in den Fokus des Controllings. Hierbei gilt es, die Aktivitaten der einzelnen Supply Chain-Mitglieder so zu koordinieren, dass der Gesamtwert der Supply Chain die Summe der einzelnen Untemehmenswerte ubersteigt."^^' Die rationalitatssicherungsorientierte Perspektive greift das Spektrum der informations- und koordinationsorientierten Aufgaben des Supply Chain Controllings auf und richtet sie auf das Ziel der Zweckrationalitat aus. Im Mittelpunkt steht der Supply Chain Manager als Handlungstrager, dessen von Rationalitatsengpassen gepragte Entscheidungsfmdung es durch das Controlling zu unterstiitzen gih."^^^ Rationale Entscheidungen im Supply Chain Management fuhren demgemafi zu Wertsteigerungen bei den beteiligten Untemehmen."^^^ Das Supply Chain Controlling nimmt somit bislang eine hauptsachlich akteursspezifische Sichtweise ein. Die vorliegenden Ansatze des Supply Chain Controllings konzentrieren sich zunachst auf die rationalitatsorientierte Ausgestaltung der Informationsbasis und damit auf die Willensbildung des Entscheidungstragers."^^ Diesbeztiglich gilt es beispielsweise die Entscheidungsfmdung sowohl ex ante als auch aktiv zu unterstutzen."^^ „Ex ante" impliziert dabei, dass bereits vor der Artikulation eines Informationsbedarfs durch den Verantwortlichen eine spekulative Informationsbasis zu Struktur (z.B. wichtigste Lieferanten und Vorlieferanten) und Prozessen (z.B. relevante Material- und Waren- und Informationsflusse) der Supply Chain aufgebaut ^'''Vgl.Essig(2004),S. 11. ^ Vgl. Arnold et al. (2005), S. 47. ^^ Vgl. Neher (2003), S. 32-33. ^^ Vgl. Otto (2002a), S. 42, Weber et al. (2003a), S. 105, Stolzle/Placzek (2004), S. 630, Arnold et al. (2005), S. 47. Zur Systematisierung des Entscheidungsprozesses wird haufig der von Weber/Schaffer (z.B. 1999a, S. 739) propagierte Fiihrungszyklus mit den Phasen Willensbildung, Willensdurchsetziing, Ausfuhrung und Kontrolle herangezogen. Otto (2002a), S. 45, stellt fest, dass sich das Controlling dabei schwerpunktmaBig auf die Phase der Willensbildung bezieht. ^^ Vgl. Otto (2002a), S. 126-128, Bacher (2004), S. 128-129. ^ Vgl. Otto (2002a), S. 15. ^^ Vgl. Bacher (2004), S. 61 -62, Otto (2002a), S. 13.
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3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
wird."*^ „Aktiv" bedeutet in diesem Zusammenhang, den Informationsbedarf selbst zu hinterfragen bzw. in Eigeninitiative neue Informationsbedarfe zu generieren (z.B. durch Analyse von Chancen und Risiken altemativer Supply Chain-Konfigurationen).'*^^ Ebenso gilt es, das Informationsangebot, insbesondere die heranzuziehenden Methoden und Instrumente, nicht nur bereitzustellen, sondem auch hinsichtlich der Eignung zur Entscheidungsunterstutzung zu uberprufen.'^ In mehrstufigen Supply Chains besteht beispielsweise ein hoher Bedarf nach unverfalschten Informationen zum tatsachlichen Marktverhalten. Die Weitergabe von POSDaten an vorgelagerte WertschSpfungsstufen kOnnte daher als Sicherung einer angemessen „Marktrationalitat" und somit als Aufgabe eines operativen Supply Chain Controllings interpretiert werden. Der Koordinationsbedarf leitet sich aus Sicht des rationalitatssichenmgsorientierten Controllings insbesondere aus dem Spannungsfeld zwischen einer idealtypischen Supply ChainRationalitat und der jeweiligen Zweckrationalitat (im Sinne einer Wertmaximierung) auf Untemehmensebene ab."^' Hieraus ergibt sich ein Btindel von Anforderungen. Erstens gilt es, iiber Standardisierungsprozesse ein gemeinsames Verstandnis der relevanten Begriffe und Konstrukte sicherzustellen/'" Zweitens sind Fragen der Institutionalisierung relevant. Dies gilt in doppelter Hinsicht: Einerseits obliegt es dem Supply Chain Controlling, eine rationalitatssichemde AUokation von Aufgaben und Kompetenzen auf die Supply Chain-Untemehmen zu unterstutzen (z.B. logistische Aufgabenbundel wie Transport, Lagerung, Distribution)."^^* Andererseits gilt es, auch die Controllingfunktion selbst innerhalb der Supply Chain institutional zu verankem."*^^ Die bislang vorliegende Literatur geht hierbei meist von der Existenz eines fokalen Untemehmens aus, welches Controllingaufgaben fur die von ihm als steuerungsrelevant erachtete Supply Chain wahmimmt. In heterarchisch strukturierten Supply Chains erscheint hingegen eine interorganisationale ControUinginstanz (z.B. ein Supply Chain-Komitee) als eine realistische Alternative.'*^^ Drittens fallen eine Reihe von Supply Chain-spezifischen Controllingaufgaben im Rahmen der Wertgenerierung und -allokation an, Eine besondere Schwierigkeit bei der Quantifizierung von Kosten- und Erloswirkungen stellt die Identifikation von deren meist nicht-monetSren Treibem in einer komplexen Supply Chain dar."*^"* Diese bilden die Grundlage fur die Ermittlung und Dokumentation des Wertsteige-
^ Vgl. Otto (2002a), S. 13. ^^ Vgl. Otto (2002a), S. 13-14. ^^ Vgl. Weber et al. (2003a), S. 105. ^^ Vgl. ahnlich Mdller (2003), S. 54. "^^^ Vgl. Otto (2002), S. 58, Otto/St6lzle (2003), S. 5, Boldt/Fninzke (2004), S. 324. ^"^^ Vgl. Weber et al. (2003a), S. 107. ^'^'^ Vgl. Otto (2002b), S. 58, Weber et al. (2003a), S. 107, Stolzle/Placzek (2004), S. 628-629. ^^ Vgl. Stelzle/Placzek (2004), S. 629. Eng verknupft mit der institutionalen Verankerung ist die Akzeptanz des Controllings innerhalb der Supply Chain. Ist eine machtbasierte Durchsetzung der Controllingziele durch ein fokales Untemehmen nicht mOglich, gilt es ein mSglichst paritatisch besetztes, neutral auftretendes Controllinggremium einzurichten. ^'^'^ Vgl. LaLonde/Pohlen (1996), S. 9-10.
3.3 Konzeptionelle Impulse des Controllings
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rungsbeitrags, welcher aus Sicht des einzelnen Untemehmens den primaren Anreiz ftir ein kooperatives Engagement im Wertschcipfungsnetzwerk darstellt. Fiir asymmetrisch anfallende Nutzeneffekte einer kooperativen Anstrengung sind Ausgleichsmechanismen zu defmieren. Dies erweist sich bereits im Rahmen der Zuordnung von Kosten und Erlosen als Herausforderung. Noch schwieriger stellt sich die Verteilung nichtmonetarer Efifekte dar (z.B. geringere Fehlmengen oder hohere Endkundenzufriedenheit). Das Supply Chain Controlling greift hierbei unter anderem auf Vorschlage des Beziehungscontrollings zuriick, um verhaltensbezogene Aspekte wie Opportunismusneigungen, Vertrauen und Commitment zwischen den Supply Chain-Mitgliedem und damit die Qualitat der Beziehung zu beeinflussen."^^^ Stellenweise wird auch der Bedarf nach einem interorganisationalen WissenscontroUing formuliert, welches sich mit der Integration und Verteilung von proprietarem bzw. mit dem Aufbau beziehungsspezifischen Wissens innerhalb der Supply Chain auseinandersetzt."^^^ Zu den letztgenannten Anforderungen liegen bislang jedoch sowohl auf konzeptioneller als auch auf methodisch-instrumenteller Ebene nur wenige Aussagen vor. Die reflexionsorientierte Konzeption lenkt iiber die Sicherung einer angemessenen Rationalitat der Entscheidungsfindung hinaus die Aufmerksamkeit speziell auf die Selektion von Supply Chain-spezifischen Handlungsaltemativen. Dabei stellt die institutionelle Konfiguration im Sinne der „Selektion" von Kooperationspartnem nur eines von mehreren Reflexionsobjekten dar. Reflexionsbedarf besteht auch bei der Bestimmung einer geeigneten Beziehungsintensitat zu stromauf- und stromabwarts angesiedelten Untemehmen'*^^ oder bei der Auswahl untemehmensubergreifend zu koordinierender Prozesse. Die genannten Problemfelder der Intransparenz, Dynamik und Komplexitat wirken dabei katalysierend auf den Selektionsbedarf in der Supply Chain Die reflexionsorientierte ControUingkonzeption stellt intensiv auf verhaltensbezogene Aspekte ab. Diesbeztiglich soUen neben dem Konstrukt „beschranktes Wissen", welches bereits im Rahmen der Rationalitatssicherung adressiert wurde, nachfolgend die Problemfelder der „kognitiven Begrenzungen" sowie der „Opportunismusneigung" der Supply Chain-Akteure naher erlSutert werden.'*''^ Kognitive Begrenzungen der beteiligten Entscheidungstrager stellen insbesondere in Supply Chains mit hoher Interdependenz ein Problem dar. Dort konnen unreflektierte bzw. isolierte Entscheidungen eines Akteurs relativ schnell zu Ineffizienzen fiihren. Zum anderen erwachsen aus der intensiven personlichen Zusammenarbeit von Handlungstragem kognitive Beschrankungen, wie z.B. sog. „Tumierentscheidungen" (gruppendynamisch herabgesetzte Risikoaversion) oder „aversion to regref'-Verhaltensformen (Vermeidung innovativer und damit risikobehafteter Losungen, um eine Entscheidung sp^ter nicht
^^^ Vgl. Wertz (2000), S. 88, Weber et al. (2002b), S. 136, Bacher (2004), S. 192-203, Groll (2004), S. 28-29, Pfohl (2004), S. 205. Vgl. auch die AusfUhrungen zum Supplier Relationship Management bei St6lzle/Heusler(2003). "^^^ Vgl. Weber et al. (2003a), S. 107. "^^^ Vgl. die Ausftihrungen zu den Handlungsfeldem „Beschaffiing" und ,>Iarketing" in Kapitel 2.1.2.2. ^'^^ Vgl. St6lzle/Placzek(2004), S. 625-628.
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3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
ruckgangig machen zu mussen).'*^^ Deshalb sind aus Sicht der sog. abweichungsorientierten Reflexion bereits getroffene Entscheidungen vom Supply Chain Controlling systematisch zu hinterfragen, z.B. anhand von kennzahlengesttitzten Soll/Ist-Vergleichen/*" Als konkrete Manifestation des etwas abstrakten BegriflFs der „Soll-Rationalitat"'*^' einer Supply Chain kann dabei beispielsweise der oben entwickelte PerformancebegrifiF herangezogen werden/*^ Die sog. perspektivenorientierte Reflexion entspricht demgegenuber starker dem strategischen Anspruch des Supply Chain Managements, da sie sich mit dem Aufdecken neuer Gestaltungsperspektiven befasst.**^ Unter anderem gilt es zu priifen, inwieweit sich die erwarteten Erfolgspotenziale, welche in einer idealtypischen Supply Chain-Strategie hinterlegt sind, uberhaupt realisieren lassen. Aus den Ergebnissen dieses SollAVird-Vergleichs lassen sich langfristige Handlungsbedarfe fur die Konfiguration der Supply Chain, das Design der Material-, Waren-, Informations- und Finanzfliisse oder die Anpassung gemeinsamer Managementmethoden ableiten/^ Die Opportunismusneigung (teil)autonomer Akteure in der Supply Chain stellt ein von der Agency-Theorie bereits weitgehend abgedecktes Phanomen dar. Vor dem Hintergrund des Supply Chain Managements ergibt sich jedoch auf Grund der rechtlichen und haufig auch wirtschaftlichen Selbstandigkeit der Akteure und der durch Intransparenz, Dynamik und Komplexitat begiinstigten Informationsasymmetrien ein besonderer Handlungsbedarf."**^ bisbesondere bei neu zu konfigurierenden Supply Chains hat das Controlling daher schon in der Phase der Entscheidungsfindung, d.h. bei der Auswahl und Beurteilung potenzieller Kooperationspartner, durch eine abweichimgsorientierte Reflexion zum Abbau von Diformationsdefiziten beizutragen. In bestehenden Beziehungen zielt die abweichungsorientierte Reflexion auf die Aufdeckung bereits ausgeschSpfler Opportunismusspieh-aume, die Quantifizierung des entstandenen Schadens sowie auf die Vorbereitung von Sanktionen ab. Perspektivenorientiert gilt es schliefilich, die Steuerungswirksamkeit von interorganisationalen Anreizsystemen einzuschatzen und potenzielle negative Lenkungseffekte (insbesondere in Form von hidden action und hidden intention) moglichst zu antizipieren. Hierzu zahlt neben den bereits genannten verhaltensorientierten Initiativen eines Beziehungsmanagements aus agencytheoretischer Sicht insbesondere der Aufbau von Reputation."^*^
^^^ Vgl. Weber et al. (2003), S. 22. Vgl. zur abweichungsorientierten Reflexion Pietsch (2003), S. 22 sowie zur Ubertragung dieses Gedankens auf den Supply Chain Management-Kontext insbesondere Stolzle/Placzek (2004), S. 626. ^^^ Vgl. zu diesem Begriff Bacher (2004), S. 124. "^^^ Vgl. Kapitel 3.1.3.1. Vgl. zur perspektivenorientierten Reflexion Pietsch (2003), S. 23. ^^"^ Vgl. Stolzle/Placzek (2004), S. 626. Vgl. die Beziige zum Supply Chain Management in den Ausfuhrungen zur Agency-Theorie in Kapitel 2.3.1. Vgl. auch Pfohl (2004), S. 204. ^^^ Vgl. Stolzle/Heusler (2003), S. 188, Stolzle/Placzek (2004), S. 628.
3.3 Konzeptionelle Impulse des Controllings
207
Abbildung 47 stellt das beschriebene Aufgabenspektrum des Supply Chain Controllings zusammenfassend dar. Die darin exemplarisch genannten Methoden und Instrumente werden - analog zum Logistik- und NetzwerkcontroUing - an spaterer Stelle wieder aufgegriffen und vertieft.'*'' (Vornehmlich strategische) Aufgaben des Supply Chain Controllings
Aufgaben aus informationsorientierter
sichr
- Schaffiing von Transparenz iiber untemehmensiibergreifende Supply Chain-Prozesse - Reduktion von Informationsasymmetrien unter den Mitgliedem der Supply Chain, Ausgleich zwischen Informationsbedarf und -angebot - Abbildung entscheidungsrelevanter Kosten- und Leistungskategorien - Anwender- und ebenenspezifisches Reporting von relevanten qualitativen und quantitativen Informationen fur das Supply Chain Management
Aufgaben aus koordinationsorientierter
sichr
- Systembildend: Untemehmensiibergreifende Koordination der Fuhrungsteilbereiche der teilnehmenden Untemehmen, insbesondere Koordination zwischen Informations-, Planungs- und KontroUsystem des Supply Chain Managements einzelner Akteure - Systemkoppelnd (strategisch): Koordination untemehmensbezogener und netzwerkweiter Strategien innerhalb der Supply Chain; Koordination von Ressourceneinsatz, Risikostreuung, Erfolgsverteilung - Systemkoppelnd (operativ): Koordination des Material-, Waren-, Informations- und Finanzflusses der Supply Chain (z.B. Schnittstellendefmition, Prozessstandardisierung)
Aufgaben aus rationalitatssicherungsorientierter Sicht"*^
- AUgemein: Sicherung von Rationalitat in den Entscheidungsprozessen des Supply Chain Managements (u.a. durch informations- und koordinationsorientierte Aufgaben); insbesondere: - Rationalitatssicherung bei der Partnerauswahi - Bereitstellung von Informationen fur die Abbildung von Chancen und Risiken altemativer Supply Chain-Konfigurationen - Unterstiitzung des Aufbaus von Vertrauen und Commitment zwischen denAkteuren - Quantifizierung der Kosten- und Erloswirkungen von OptimierungsmaBnahmen und Identifikation von deren Treibem in der Supply Chain - Ermittlung des Beitrags der Supply Chain zur Wertsteigerung der beteiligten Akteure - Schaffung einer Basis fur den Ausgleich asymmetrisch anfallender Nutzeneffekte - „Wissenscontrolling" zum Aufbau und zur Integration beziehungsspezifischen Wissens
Vgl.Kapitel 4.3.2. ^ Vgl. Kaufmann/Germer (2001), S. 181, Kummer (2001), S. 82, Otto (2002a), S. 13, StSlzle (2002a) und Stolzle (2002b). ' Vgl. Stelzle (2002a), S. 288 und S. 305, Zimmermann (2003), S. 95, Gopfert/Neher (2002), S. 41, vgl. auch Bacher (2004), S. 59-60. ' Vgl. Bacher (2004), S. 121-124 und S. 167, Weber (2004b), S. D5-10 bis D5-12, Weber (2003a), S. 107, Stelzle (2002a), S. 305.
3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
208
(Vornehmlich strategische) Aufgaben des Supply Chain Controllings Aufgabenaus reflexionsorientierter Sicht"*^^
- Allgemein: Reflexion von Selektionsentscheidungen in der Supply Chain (gesteigerter Reflexionsbedarf auf Grund der Problemfelder Dynamik, Intransparenz und Komplexitat in Supply Chains); insbesondere: - Reflexion der Konfiguration der Supply Chain, z.B. der institutionellen Struktur, der Beziehungsgefiige, der, J*rozesslandschaft" - Reflexion der Entscheidungen isolierter Akteure und Visualisienmg der Auswirkungen auf die gesamte Supply Chain mit den Zielen a)Verbesserung des Wissens uber die relevante Supply Chain, b) Reduktion kognitiver Begrenzungen der Akteure sowie c) Aufdeckung und Beseitigung opportumstischer Spieh-Sume in der Supply Chain
Exemplarische Methoden und Instrumente^^^
- (Selektive) Kennzahlen(systeme) - Supply Chain Balanced Scorecard - Supply Chain Maps - Wertkettenanalyse - Beanspruchungs- und Belastbarkeitsportfolio - UntemehmensUbergreifende Prozesskostenrechnung - Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment (CPFR) - Kennzahlen des Supply Chain Operations Reference Model (SCOR) - Target Costing fiir Supply Chains - Benchmarking
Abbildung 47:
Konzeptionenorientiertes Aufgabenspektrum des Supply Chain Controllings Quelle: Vgl. Fufinoten in der Abbildung
Relevanz des Supply Chain Controllings fur die vorliegenden Arbeit Die vornehmlich forschungsseitig gefuhrte Diskussion zum Supply Chain Controlling erweist sich in mehrfacher Hinsicht als relevant. Grundlegend ist zimachst festzustellen, dass mit dem Supply Chain Controlling das traditionelle Terrain eines Controllings innerhalb stabiler, hierarchischer Strukturen verlassen wird. Damit greift es aktiv die Kritik einer zu hohen Zentralitat und Innenorientierung des Controllings auf und stellt Uberlegungen zu dessen Anpassung an untemehmensiibergreifende Supply Chains an/^^ Die intensive Befassung mit integrierenden Konzeptionen wie dem rationalitSts- oder reflexionsorientierten Ansatz fordert zudem die Akzeptanz eines gemeinsamen konzeptionellen Kerns des Supply Chain Controllings/^"* Sie fuhrt jedoch auch dazu, dass normative Aussagen zu Konzeptmerkmalen und zum allgemeinen Aufgabenprofil bislang im Vordergrund stehen.
Vgl. Stelzle/Placzek (2004a), S. 623-628. • Vgl. Bacher (2004), S. 169-173, G6pfert/Neher (2002), S. 42, Boldt/Frunzke (2004), S. 325-326, Kummer (2001), S. 82, Kaufmann/Germer (2001), S. 184. ' Vgl. auch Picot et al. (2003), S. 532, die diese Uberlegungen auf das Controlling virtueller Untemehmen ubertragen. Vgl. insbesondere die Ausfuhrungen zur rationalitatssicherungsorientierten und reflexionsorientierten ControUingkonzeption weiter oben. Vgl. auch die Abbildung bei Arnold et al. (2005), S. 46.
3.3 Konzeptionelle Impulse des Controllings
209
Dariiber hinaus wird in bestehenden Ansatzen der Anwendungsbereich des Supply Chain Controllings haufig auf eine Einzeluntemehmensbetrachtung fokussiert,"*^^ auch wenn damit potenzielle Wechselwirkungen zwischen der Profitabilitat des einzelnen Untemehmens und der gesamten Supply Chain weitgehend verborgen bleiben. Eine tiefergehende - beispielsweise an den unterschiedlichen Betrachtungsebenen des Supply Chain Managements orientierte Differenzierung von ControUing-Aufgaben erscheint hier erforderlich. Die Grenzen des ControUingansatzes ofifenbaren sich auch bei der institutionellen Verankerung der Controllingverantwortung: Die bereits am allgemeinen Ansatz monierte Annahme, der Controller verhielte sich im Unterschied zu anderen Entscheidungstragem weniger opportunistisch bzw. weitgehend neutral bzw. „rational" gegeniiber unterschiedlichen Anspruchsgruppen"*^^ scheint insbesondere im Supply Chain-Kontext schwer haltbar. Da er im eigenen Untemehmen als Person vertraglich weisungsgebunden ist, kann eine Gesamtverantwortung fur die Rationalitatssicherung in der Supply Chain nicht voUstandig auf den Controller ubertragen werden."^^^
An dieser Stelle wird die Diskussion zur Annaherung an das Konzeptionsverstandnis des Supply Chain Performance Managements abgeschlossen. Die Entwicklungspfade des Performance Measurements (Kapitel 3.1) und der wertorientierten Untemehmensflihrung (Kapitel 3.2) sowie die funktionalen Controllingansatze (Kapitel 3.3) bieten eine Reihe von Ansatzpunkten fiir die Entwicklung einer integrierten Steuerungskonzeption. Das Performance Measurement stellt insbesondere methodisch-instrumentelle Grundlagen, wie etwa das Konstrukt der Performance als Zielerreichungsgrad, die Balanced-ScorecardSystematik oder mehrdimensionale Kennzahlensysteme, bereit. Mit diesen leistet es einen Beitrag zur Verknupfung zwischen operativen Leistungsprozessen und strategischem Management. Aufgrund seiner Schwerpunktsetzung im Bereich der Performancemessung tragt es insbesondere zur Ausgestaltung der in Kapitel 2.4.2 charakterisierten Evaluationsaufgabe der Steuerung bei. Wahrend das Performance Measurement hinsichtlich der Messinhalte weitgehend ofifen bleibt, nimmt die wertorientierte Untemehmensfiihrung eine inhaltliche Fokussierung auf das Formalziel der Wertsteigerung vor. Aus diesem lassen sich fur das Supply Chain Management die Einflussbereiche Ertrage, Aufwendungen, Umlauf- und Anlagevermogen sowie - speziell im untemehmensubergreifenden Kontext - die Stellhebel Bestandsmanagement, Prozessmanagement sowie Cash Management ableiten. Zudem liefert die wertorientierte Untemehmensflihrung Anhaltspimkte zur Ausgestaltung eines formalen Managementprozesses, der die in Kapitel 2.4.2 entwickelten Steuerungsaufgaben der Selektion, Regulation, AUokation und Evaluation aufgreifl.
"^^^ Vgl. Bacher (2004), S. 127. ^^ Vgl. Weber et al. (2003a), S. 105. "^^^ Vgl. Arnold et al. (2005), S. 45.
210
3 Annaherung an die Konzeption des Supply Chain Performance Managements
Die genannten fiinktionalen Controllingansatze des Logistikcontrollings, des Kooperationsund NetzwerkcontroUings sowie des Supply Chain Controllings nehmen eine weitere Konkretisierung der Steuerungsinhalte vor. Das LogistikcontroUing beinhaltet insbesondere Aussagen zur Informationsversorgung bzw. Koordination von Lx)gistikprozessen und stellt diesbezuglich einen vergleichsweise breiten „Instrumentenbaukasten" bereit. Die Ansatze des Kooperations- und NetzwerkcontroUings enthalten erste Vorschlage zur untemehmensiibergreifenden Ausrichtung des Controllings. Das Supply Chain Controlling weist schliefilich die engsten Bezuge zum Supply Chain Performance Management auf und ruckt insbesondere die Rationalitatssicherungs- und Reflexionsfunktion in den Mittelpunkt der Betrachtung. Insgesamt ist somit zu konstatieren, dass die zweite in Kapitel 1.1 formulierte Forschungsfrage nach den Impulsen, die sich aus bestehenden AnsStzen, Methoden und Instrumenten der Performancemessung fiir die performanceorientierte Steuerung von Supply Chains ableiten lassen, hiermit als beantwortet gelten kann. Die kritische Wiirdigung der genannten Entwicklungspfade und konzeptionellen Impulse zeigt jedoch auch, dass keiner der Ansatze fiir sich genommen den Anforderungen an eine integrierte Steuerungskonzeption fur das Supply Chain Management vollstandig gerecht wird. Im nachfolgenden Kapitel 4 werden daher die Gestaltungsempfehlungen (Kapitel 3) mit dem Anforderungsprofil an eine umfassende Steuerung im Supply Chain Management (Kapitel 2) abgeglichen und mittels eines theoretischen Bezugsrahmens in eine eigene Supply Chain Performance Management-Konzeption uberfiihrt.
4. Supply Chain Performance Management (SCPM) als interorganisationale Steuerungskonzeption fur das Supply Chain Management
Die vorangegangenen Kapitel spannen einen Bogen von den allgemeinen Anforderungen, die an die Steuerung im interorganisationalen Kontext zu stellen sind, iiber die grundlegende Systematisierung ihres strategischen und operativen Aufgabenspektrums im Supply Chain Management bis hin zu konzeptionellen Impulsen aus den Forschungsbereichen Performance Measurement, wertorientierte Untemehmensfuhrung und Controlling. Nachfolgend gilt es, das aus diesen unterschiedlichen Perspektiven gebildete Vorverstandnis des Supply Chain Performance Managements zu strukturieren und zu einer eigenen Konzeption weiterzuentwickeln. Dazu wird folgendes Vorgehen eingeschlagen: Zunachst sind grundlegende Anforderungen an den angestrebten Performance Management-Ansatz zu formulieren. Insbesondere ist dabei zu klaren, inwiefem der Ansatz dem Anspruch an eine theoriegeleitete und gleichzeitig anwendungsorientierte Konzeption des Supply Chain Performance Managements Rechnung tragen kann (Kapitel 4.1). Anschliefiend wird die Konzeption selbst abgeleitet. Sie bildet den zentralen theoretischen Bezugsrahmen der Arbeit (Kapitel 4.2). Nach der Vorstellung der Struktur der Konzeption erfolgt deren inhaltliche Ausgestaltung. Diese umfasst die Konkretisierung der Konzeptionselemente und deren relevanter Zusammenhange, die methodisch-instrumentelle Unterstiitzung der Konzeption sowie die institutionelle Verankerung der Konzeption (Kapitel 4.3). Insgesamt gilt es somit, den Beitrag der entwickelten Konzeption zur Losung der Steuenmgsproblematik in Supply Chains herauszuarbeiten und die theoriegeleitete Diskussion zum Abschluss zu bringen.
4.1. KonzeptionsverstMndnis des Performance Managements Vor der Ableitung der eigenen Konzeption soil das in der Arbeit vertretene Verstandnis des Performance Managements eingegrenzt und naher charakterisiert werden. Ausgangspunkt ist dabei die in Kapitel 3.1.2.3 aufgeworfene Forderung nach einer Weiterentwicklung des Performance Measurements zum Performance Management. Die konzeptionelle Einordnung des Performance Managements in der forschungsseitigen Diskussion dauert bis heute an.^ Die Mehrzahl der Beitrage folgt jedoch mittlerweile einer 1
Neben den Forschungsgebieten des Performance Measurements, der wertorientierten Untemehmensfiihrung sowie des Controllings wird der Begriff des Performance Managements auch seit langerem vom Personalwesen aktiv besetzt. Dies ist vomehmlich darauf zuruckzufiihren, dass die meisten Performance ManagementKonzepte eine Gtiltigkeit bis auf die Ebene des einzelnen Mitarbeiters und damit eine Verkniipfung der enthaltenen MessgroBen mit Anreizsystemen (z.B. Zielvereinbarungen, entgeltwirksamen Leistungsbeurteilungen, Erfolgsbeteiligungen oder variablen Entlohnungsanteilen) anstreben. Diesbeziigliche Methoden und Instrumente fallen typischerweise in den Aufgabenbereich des Personalwesens. Da sich die vorliegende Ar-
212
4 SCPM als interorganisationale Steuerungskonzeption
Begriffsauslegung, gemafi welcher das Performance Measurement als Element, Teilprozess bzw. Phase eines umfassenderen Ansatzes des Performance Managements interpretiert wird.^ Auch die vorliegende Arbeit macht sich dieses BegrifFsverstandnis zu Eigen, so dass konstatiert werden kann: Wahrend das Performance Measurement sich auf den Aufbau und die Pflege moglichst integrierter Messsysteme sowie auf die Messung und Uberwachung der Performance erstreckt, umfasst das Performance Management daruber hinaus die Steuerungsentscheidimgen in Supply Chains im Sinne des in Kapitel 2.2.1 entwickelten Steuerungsverstandnisses. Im Unterschied zu einem allgemeinen Managementmodell erhebt das Performance Management jedoch keinen umfassenden Fiihrungsanspruch, sondem beschrSnkt sich auf jene Anwendungsbereiche der Steuerung, die tatsSchlich tiber MessgroBen abgebildet werden konnen.^ Andere Teilprozesse der Fuhrung - etwa aus den Bereichen Untemehmenspolitik Oder Managemententwicklung - lassen sich insofem nicht unmittelbar dem Performance Management zuordnen.* Ein zentrales Merkmal des Performance Managements besteht somit in der Einbindung strategischer und operativer Steuerungsaufgaben in einen integrierten Managementansatz.^ Dies impliziert, dass das Performance Management eine Bruckenfimktion zwischen dem Fiihrungssystem und dem Leistungssystem eines Untemehmens wahrzunehmen hat.^ Der Bezug zum Fuhrungssystem wird dabei durch die Integration der wertorientierten Untemehmensfuhrung in das Performance Management sichergestellt.^ Die fmanziellen Zielvorgaben der Untemehmensfuhrung werden im Rahmen einer wertorientierten strategischen Planung auf einzelne GeschSftsbereiche bzw. Investitionsvorhaben heruntergebrochen. Dabei kann der in Kapitel 3.2.2 vorgestellte, aufgabenorientierte Prozess der wertorientierten Untemehmensfuhrung zum Einsatz kommen. Die primSre Schnittstelle zum Leistungssystem bildet demgegenuber das Performance Measurement, welches iiber die Entwicklung und Anwendung mehrdimensionaler Messsysteme eine Verkniipfung der wertorientierten Planung mit den Geschaflsprozessen im Leistungssystem ermoglicht. Durch die Integration von Performance
beit jedoch mit Performance Management im speziellen Anwendungsbereich des Supply Chain Managements befasst, sollen Anreizsysteme zwar als bedeutender Baustein auf einer institutionellen Ebene berucksichtigt, jedoch nicht auf personenbezogener Ebene und aus verhaltensorientierter Sicht beleuchtet werden. Vgl. zu einer kritischen Betrachtung des Performance Managements im Personalbereich Fumham (2004), S. 83-94. Vgl. Z.B. Riedl (2000), S. 18, HoflEmann (2000), S. 29-32, Erdmann (2003), S. 90, Klingebiel (2000), S. 40, Brunner (1999), S. 11, Stdlzle (2002b), S. 15, Stolzle/Karrer (2002), S. 57-81, Speckbacher (2002), S. 2, Klingebiel (2000), S. 40, GomezAVunderlin (2000), S. 428, Auer (2004), S. 74, Hauber (2002), S. 56-58, Aguilar (2003), S. 46. Vereinzelt wird das Performance Management als Teilschritt des Performance Measurements aufgefasst, in welchem Aktivitaten und MaBnahmen zur besseren Planzielerreichung aufgezeigt werden, vgl. Gleich (2001a), S. 24. Diese Sichtweise wird in der vorliegenden Arbeit nicht weiter vertieft. Vgl. auch die Diskussion zum prozessualen Management- und Steuerungsverstandnis in Kapitel 2.2.2.1. Vgl. Riedl (2000), S. 26, StSlzle (2002b), S. 15. Vgl. Kapitel 2.2.1. Die Diflferenzierung von Ftihrungs- und Leistungssystem wird hier als einschlagig bekannt vorausgesetzt. Vgl. erlautemd zu Ftihrungs- und Leistungssystem, insbesondere in Bezug auf die Verortung von Aufgaben der Planung und Kontrolle, z.B. Horvath (2003), S. 109-111, Kupper/Helber (2004), S. 3-4 oder Pfohl/Stolzle (1997), S. 28-30. Vgl. zu den Konzeptmerkmalen der wertorientierten Untemehmensfuhrung Kapitel 3.2.2.
213
4.1 Konzeptionsverstandnis des Performance Managements
Measurement und wertorientierter Untemehmensfuhrung in den Handlimgsrahmen des Performance Managements kann folglich sichergestellt werden, dass die Messung nicht ungerichtet agiert, sondem sich an der Zielvorgabe der Wertsteigenmg ausrichtet.^ Primare Zielkategorie des Performance Managements ist demnach der Untemehmenswert, der in den unterschiedlichen ZielgrQBen des Shareholder Values ausgedriickt werden kann.^ GemSB der erweiterten Betrachtung einer wertorientierten Untemehmensfuhrung ist dieser als Teilmenge eines weiter gefassten Stakeholder Values aufzufassen.^^ Die explizite Berucksichtigung der Interessen der Stakeholder neben denen der Shareholder schafit zudem - uber das traditionell auf das Fiihrungssystem gerichtete Controlling-Verstandnis hinaus - die Voraussetzung fiir die Integration untemehmensextemer Einflussfaktoren in das Konzept des Performance Managements.^^ Abbildung 48 steUt die Zusammenhange schematisch dar.
Shareholder Value
Stakeholder Vatue
Performance Management Wertorientieite .^^^ Unternehmens- ^ ^ ^ fOhrung
FHhrurigssyitern
Abbildung 48:
Perfbmnance Measurement
^'••'i^m^f^t§^&%^<^(.
Konzeptionsverstandnis des Performance Managements Quelle: Stolzle/Karrer (2002), S. 68, leicht verandert
Das Integrationspotenzial von wertorientierter Untemehmensfuhrung und Performance Measurement im Rahmen des Performance Managements kann am Beispiel von typischen Umsetzungsdefiziten strategischer Managementkonzepte verdeutlicht werden. Bisweilen werden diese Defizite auch als „Lucken im Strategieprozess"*^ bezeichnet. Dabei wird insbesondere der sog. Formuliemngslucke, der Messliicke, der Implementiemngslticke sowie Vgl. GomezAVunderlin (2000), S. 430, die eine Eingliederung der wertorientierten Strategieplanung und des Performance Measurements in ein integriertes Strategiemodell vomehmen. Vgl. Kapitel 3.2.1. Vgl. Kapitel 3.2.3.2. Atkinson et al. (1997) bezeichnen diesbezuglich die Ziele der Shareholder als Primarziele, jene der anderen Stakeholder als SekundSrziele. Weil die Erreichung der Primarziele direkt von der Erreichung der Sekundarziele abhangt, soUte der Fokus der Performancemessung auf den SekundSrzielen liegen, vgl. Atkinson et al. (1997), S. 28-29. GomezAVunderlin (2000), S. 444.
214
4 SCPM als interorganisationale Steuerungskonzeption
der Lemlucke eine hohe Relevanz zugesprochen.^^ Von einer Formulierungslucke im strategischen Management kann insofem gesprochen werden, als hSufig bereits bei der Entwicklung von Strategien relevante Treiber des Untemehmenswerts nicht ausreichend beachtet werden.^"* Die wertorientierte Untemehmensftihrung tragt uber die Abbildung dieser steuemngsrelevanten Sachverhalte, beispielsweise im Rahmen von Werttreiberhierarchien, zur Schliefiung der Formulierungslucke bei. Die Messlucke bezieht sich auf die bereits genannten Unzulanglichkeiten vergangenheitsorientierter, monetSrer MessgroBen bei der Erfassung des gesamten Leistungsumfangs eines Untemehmens. In diesem Problembereich bietet insbesondere das Performance Measurement durch die Bildung ausgewogener Messsysteme und die Ausgestaltung des Evaluationsprozesses eine Reihe von Losungsansatzen.^^ Angesichts der Implementierungs- sowie der Lemliicke stSBt eine isolierte Betrachtung von wertorientierter Untemehmensftihrung bzw. Performance Measurement an ihre Grenzen und zeigt die Potenziale eines integrierten Performance Managements auf Die Implementierungslucke bezieht sich auf die Problematik einer unvollstSndigen Operationalisierung strategischer ZielgroBen. Eine Diflferenzierung von Treiber- und ErgebnisgroBen sowie deren rechnerische und/oder kausale Verknupfung - wie sie etwa in den genannten WerttreiberbSumen unternommen wird - kann zwar zu einer Strategieumsetzung im Sinne einer sachlogischen Verknupfimg von Ursache und Wirkung beitragen. Die Durchsetzung von Strategien, also die aufgabenbezogene Ausgestaltung des Implementierungsprozesses (z.B. die Uberwindung von Widerstanden oder das Management von Konflikten), stellt jedoch eine Managementaufgabe dar, bei der es wertorientierte Strategieplanung und messbasierte Strategieimplementierung im Rahmen der Steuerung zu verbinden gilt.'^ Die Lemlucke betrifft schlieBlich die hSufig anzutreffende, einseitige Fokussierung des Managements auf die nachlaufende Messung des Erfolgs einer Strategic. Uber die verstarkte Beriicksichtigung einer PrSmissen- sowie einer Planfortschrittskontrolle gegeniiber der abschlieBenden RealisationskontroUe strebt das Performance Management diesbeziiglich eine verbesserte Steuerung sowohl der Strategieentwicklung als auch des Implementierungsprozesses an.^^ Insgesamt ist zu konstatieren, dass das Performance Management wertorientierte Untemehmensfuhmng und Performance Measurement in einen gemeinsamen Bezugsrahmen einordnet und so zur SchlieBung existierender Lucken zwischen Fuhmngs- und Leistungssystem beitragt. Im folgenden Abschnitt gilt es, dieses Konzeptionsverstandnis auf den Anwendungsbereich des Supply Chain Managements zu iibertragen.
Vgl. GomezAVunderlin (2000), S. 426-427. Vgl. Kapitel 3.2.3.1, insbes. Abbildung 41. Vgl. Kapitel 3.1.2. Vgl. zur Differenzierung von Umsetzung und Durchsetzung als Teilbereiche der Implementierung von Strategien Kolks (1990), S. 79-80, sowie Heusler (2004), S. 144-146. Vgl. zu einem auf die Implementierung von Performance Measurement fokussiertes Performance Management-Verstandnis beispielsweise Brunner (1999), S. 11 Oder Currle (2002), S. 12. Vgl. zur Kombination von Feedback- und Feedforward-Steuerung Kapitel 2.2.1.1.
4.2 Ableitung des theoretischen Bezugsrahmens der SCPM-Konzeption
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4.2. Ableitung des theoretischen Bezugsrahmens der SCPM-Konzeption Ein theoretischer Bezugsrahmen nimmt im Forschungsprozess eine zentrale Stellung ein. Als forschungsmethodisches Instrument dient er vomehmlich der Darstellung bereits vorhandenen theoretischen Wissens, der Identifikation wichtiger Elemente des Forschungsgegenstandes sowie der Erfassung und Konkretisierung relevanter Zusammenhange zwischen diesen ElementenJ^ Indem er gezielt Felder ftir die weitere Vertiefling des Problemverstandnisses identifiziert, nimmt der theoretische Bezugsrahmen zudem eine Kanalisierungsfunktion ftir den weiteren Erkenntnisprozess wahr.^^ Vor dem Hintergrund der Aufgabenstellung der vorliegenden Arbeit sind aus dieser allgemeinen Charakterisierung zwei spezifische Anforderungen abzuleiten: Zum einen sind im theoretischen Bezugsrahmen alle bislang als relevant identifizierten Erkenntnisse zum „Supply Chain Performance Management" zu integrieren. Indem er dessen Elemente abbildet und in funktionaler Beziehung zueinander stellt, dient er der Strukturierung des Vorverstandnisses iiber das Erkenntnisobjekt.^^ Zum anderen ist auf Grund des gewahlten, anwendungsorientierten Forschungsverstandnisses an den Bezugsrahmen auch die Anforderung der Praxisrelevanz zu stellen.^^ Es gilt demnach, diesen inhaltlich, prozessual und methodisch so auszugestalten, dass Gestaltungsempfehlungen fiir Untemehmen abgeleitet und gegebenenfalls einer empirischen Prufung im Anwendungszusammenhang unterzogen werden konnen. Angesichts dieses Anforderungsprofils erscheinen die konstituierenden Merkmale einer Managcmentkonzeption am ehesten geeignet, den zu entwickelnden Bezugsrahmen zu charakterisieren: Eine Managementkonzeption beruht - im Unterschied zum ManagQmQntkonzept nicht schwerpunktmaBig auf Erfahrungswissen, sondem vor allem auf deduktiv gewonnenen Erkenntnissen aus einem oder mehreren theoriegeleiteten Forschungsfeldem.^^ Charakteristisch ist daruber hinaus die Orientierung an einer ubergeordneten Leitidee bzw. einem Leitbild. Zudem verfolgt sie das handlungspraktische Ziel der Gestaltung, gibt also strategisch relevante und aufeinander abgestimmte Hinweise ftir die Praxis ab.^^ Da diese Anforderungen sich ftir den eigenen Ansatz als relevant und zutreffend erweisen, soil im Folgenden der abzuleitende theoretische Bezugsrahmen der Arbeit als „Supply Chain Performance Management-Konzeption" bzw. „SCPM-Konzeption" bezeichnet werden. Der deduktiven Vorgehensweise entsprechend sind die relevanten Erkenntnisse der bisherigen Ausftihrungen in die SCPM-Konzeption aufzunehmen.
Vgl. Becker (1993), S. 119, Kubicek (1976), S. 17. Vgl. R6fil (1990), S. 99, Becker (1993), S. 118. Vgl. Kirsch (1971), S. 241. Vgl Kubicek (1976), S. 17. Vgl. Schafer (2000), S. 203. Vgl. Scherm/Pietsch (2004), S. 8, sowie Schafer (2000), S. 204. Die Gestaltungsempfehlungen mussen dabei nicht zwingend einen unmittelbaren Handlungsbezug aufweisen, weshalb sie inhaltlich mit theoretischen ErklSrungsmustem verwandt sind, vgl. Stolzle (1999), S. 146.
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4 SCPM als interorganisationale Steuerungskonzeption
Als zentrales strukturelles Element gilt es zimSchst die Mehrebenenbetrachtung in den Bezugsrahmen zu integrieren und eine Akteurs-, Beziehungs- und Netzwerkebene von Supply Chains zu differenzieren (Kapitel 2.4.2). Zudem werden - in Anlehnung an die Erkenntnisse des Netzwerkmanagements (Kapitel 2.4.1) - eine strategische sowie eine operative Steuerungssphare unterschieden. Das zentrale aufgabenbezogene Element der Konzeption bildet der Steuerungsprozess, der mafigeblich auf das entwickelte Steueningsverstandnis aufbaut und dieses auf den Supply Chain-Kontext anwendet (Kapitel 2.2.2.1). Im Vordergrund steht dabei ein primSrer, wertorientierter Performance Management-Kreislauf, welcher die Phasen institutionelle und strategiebezogene Konfiguration der Supply Chain, Implementierung von Supply Chain-Strategien, operative Steuerung von Supply Chain-Prozessen sowie Supply Chain Performance Measurement beinhaltet. Innerhalb der letztgenannten Phase ist ein sekundarer Steuerungskreislauf verortet. Die darin enthaltenen Aufgaben beziehen sich auf das Messsystem per se, d.h. auf Aufbau, Implementierung und Betrieb des Supply Chain Performance Measurements (Kapitel 3.1). Eine Verflechtung von Performance Measurement und den anderen Managementphasen erfolgt uber eine Pramissen-, Fortschritts- imd RealisationskontroUe (Kapitel 2.2.2.1). Als wesentliche inhaltliche Elemente sind sowohl generelle Zielsetzungen fur die Supply Chain Performance Management-Konzeption festzulegen als auch die aufgabenbezogenen Inhalte der einzelnen Steuerungsphasen zu definieren. hi Bezug auf erstgenannte flieBen die allgemeinen Zielkategorien des Supply Chain Management-Konzepts in den Bezugsrahmen ein (Kapitel 2.1.2.1). Zudem sind in diesem Zusammenhang die an fruherer Stelle herausgearbeiteten BegriflFsmerkmale und Dimensionen der Performance bzw. der Supply Chain Performance zu berttcksichtigen (Kapitel 3.1.1, 3.1.3.1 sowie 3.2.1). Fur die inhaltlichen Ausgestaltung der einzelnen Steuerungsphasen werden aus den theoriegestutzten Erklarungsbeitragen abgeleiteten Steuerungsaufgaben herangezogen (Kapitel 2.4.2). Zur Systematisierung dieser Steuerungsaufgaben bietet sich dabei die Nutzung der bereits ausgefuhrten Handlungsfelder Information/TT, Supply Chain-Prozesse, Upstream-Beziehungen, Downstream-Beziehungen sowie Organisation an (Kapitel 2.1.2.2). Zur Unterstiitzung der Steuerungsaufgaben sind schliefilich geeignete Methoden und Listrumente heranzuziehen. Als Suchfeld konmien hier insbesondere die analysierten ControUingkonzeptionen (Kapitel 3.3), aber auch die bereits vorgestellten, anwendungsorientierten Ansatze des Performance Measurements sowie der wertorientierten Untemehmensfuhrung in Betracht (Kapitel 3.1.3.3 sowie 3.2.3). In der folgenden grafischen Visualisierung werden die ausgewahlten Elemente in die SCPMKonzeption eingeordnet (vgl. Abbildung 49).
4.2 Ableitung des theoretischen Bezugsrahmens der SCPM-Konzeption
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Methodisch-instrumentelleUntersttitzung des Supply Chain Performance Managements
Abbildung 49:
Theoretischer Bezugsrahmen der Supply Chain Performance ManagementKonzeption
Im Anschluss an die grafische Entwicklung der eigenen Konzeption erfolgt eine - im Sinne der Stellung des Bezugsrahmens im Forschungsprozess verdichtete - Erlauterung der abgebildeten Komponenten und ihrer Zusammenhange. Dabei sollen erstens die Ziele, zweitens die ebenenspezifischen Anforderungen, drittens der abgebildete Steuerungskreislauf sowie viertens die methodisch-instmmentelle Unterstutzung des Supply Chain Performance Managements naher erlautert werden.
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4 SCPM als interorganisationale Steuerungskonzeption
Ziele des Supply Chain Management Performance Managements An oberster Stelle der Konzeption steht die Festlegung von Zielsetzungen fur das Supply Chain Performance Management. Aus einer inhaltlichen Perspektive k6nnen hierzu die literaturgestiitzt abgeleiteten Zielkategorien des Supply Chain Managements, d.h. Steigerung des Endkundennutzens, Kostensenkung, Realisierung von Zeitvorteilen, Verbesserung der Qualitat sowie Wertsteigerung herangezogen werden. Bereits bei der Vorstellung dieser Ziele^"* wurde Hinweis gegeben, dass diese eine Reihe von Interdependenzen aufweisen. Diese konnen einer systematischen Einordnung unterzogen werden. Dazu werden die Dimensionen der Supply Chain Performance emeut aufgegriffen:^^ Die Effizienzdimension der Performance wird insbesondere von der Prozesseflfizienz und vom Ressourceneinsatz beeinflusst, welche sich in der Kostensituation jedes einzelnen Akteurs in der Supply Chain niederschlagen. In der EflFektivitatsdimension stehen die Realisierung von Zeitvorteilen sowie die Verbesserung der Servicequalitat in der Supply Chain im Vordergrund. Diese wirken sich maBgeblich auf die Steigerung des Endkundennutzens, d.h. auf die exteme Effektivitat bzw. den Markterfolg der Supply Chain, aus. Die Wirksamkeitsdimension der Supply Chain Performance wird durch das Ziel der Wertsteigerung geprSgt. Dieses steht an oberster Stelle der idealtypischen Zielhierarchie und stellt die Supply Chain-Performance aus Sicht der beteiligten Akteure dar. Neben der bekannten, formallogischen Beziehung zwischen intemen Kostengrofien und der Wertsteigerung ist dabei insbesondere die Kausalbeziehung zwischen Endkundennutzen auf Supply Chain-Ebene und Shareholder Value auf Untemehmensebene von Bedeutung (vgl. Abbildung 50).^^ Eine zentrale Herausforderung fiir das Supply Chain Performance Management stellt die Schaffling eines Bewusstseins fur die Giiltigkeit der genannten Zielkategorien und ihrer Wirkungsbeziehungen dar. Angesichts der bereits angesprochenen Problematik der Monetarisierung der untemehmensiibergreifenden Supply Chain Performance^^ steht dabei die Bildung konsensfahiger Ursache-Wirkungsverknupfiingen
zwischen untemehmensbezogenen und
-iibergreifenden Zielsetzungen im Vordergrund.^* Die in Abbildung 50 dargestellten, effizienzund effektivitatsbezogenen Sachziele fungieren dabei als TreibergroBen fur die Formalziele. Sie sind untemehmenstibergreifend abzustimmen und hinsichtlich ihrer erwarteten Wirkungen
Vgl. Kapitel 2.1.2.1. Vgl. hierzu insbes. Abbildung 36 in Kapitel 3.1.3.1, welche eine interne Effizienz-, interne Effektivitats-, exteme Effektivitats- sowie eine exteme Wirksamkeitsdimension der Supply Chain Perforaiance differenziert, die in einer Ursache-Wirkungsbeziehung zueinander stehen. Vgl. zur Kausalbeziehung zwischen Endkundenorientierung und Shareholder Value z.B. Christopher/Ryals (2001), S. 49. Vgl. Schary/SkJ0tt-Larsen (2001), S, 442, die darauf hinweisen, dass der Wirkungszusammenhang, insbesondere die Wirkungsrichtung, zwischen untemehmensintemen und -ubergreifenden Zielsetzungen bislang haufig ungeklart ist. Nach Vorliegen erster Erfahrungswerte konnen ausgewShlte Wirkungszusammenhange gegebenenfalls auch einer Kausalanalyse (Faktoren-, Pfad- und Regressionsanalyse) unterzogen werden.
4.2 Ableitung des theoretischen Bezugsrahmens der SCPM-Konzeption
219
auf den gemeinsamen Markterfolg (Endkundennutzen), auf die akteursbezogenen Kosten und in weiterer Folge auf die Wertsteigerungsziele der beteiligten Untemehmen zu untersuchen.^^ Akteursperformance
Abbildung 50:
Supply Chain-Performance
Einordnung und idealtypische Wirkungsbeziehungen von Zielen des SCPM
Steuerungskreislauf des Supply Chain Performance Managements Fiir die aufgabenorientierte Gestaltung des Supply Chain Performance Managements wurde eine prozessuale Darstellungsform gewahlt.^^ DabeiflieBendie genannten Zielkategorien in einen Steuerungskreislauf des Supply Chain Performance Managements ein. Dieser besteht aus einem primaren und einem sekundaren Regelkreis, die jeweils einen praskriptiven, idealtypischen Charakter aufweisen. In der untemehmerischen Realitat vorhandene Riickkoppelungen innerhalb des Prozesses sowie Parallelen und Uberlappungen zwischen den genannten Steuerungsphasen werden daher im vorliegenden Vorgehensmodell ausgeblendet.^^ Die Struktur des primaren Steuerungskreislaufs leitet sich aus dem in Kapitel 2.2.2.1 entwickelten Prozess der strategischen und operativen Steuerung ab.^^ Sie besteht aus den Phasen (1) Institutionelle und strategieorientierte Konfiguration der Supply Chain, (2) Implementierung von Supply Chain-Strategien, (3) Operative Steuerung von Supply Chain-Prozessen sowie (4) Supply Chain Performance Measurement. Das Supply Chain Performance Management spannt somit einen Bogen von einer strategischen Steuerungssphare, welche sich vomehmlich mit strukturellen Fragen sowie mit der langfristigen Gestaltung der Supply
Die in Abbildung 50 dargestellten Sachziele spiegeln sich auch in den Performanceattributen des SCORModells wider (vgi. Kapitel 2.1.3, insbes. Abbildung 9). Die Sinnhaftigkeit eines prozessorientierten Managementansatzes fiir die vorliegenden Aufgabenstellung wurde bereits an fruherer Stelle begriindet (vgl. Kapitel 2.2.2.1) und soil hier nicht wiederholt werden. Vgl. auch Welge/Al Laham (2001), S. 86-87 sowie S. 97, die auf den idealtypischen Charakter des Ablaufmodells des strategischen Managements hinweisen. Vgl. Kapitel. 2.2.2.1, insbes. Abbildung 16.
220
4 SCPM als interorganisationale Steuerungskonzeption
Chain befasst, hin zum operativen Bereich, welcher schwerpunktmafiig auf die Steuerung von untemehmensubergreifenden Austauschprozessen in der Supply Chain abstellt. Da der Ubergang zwischen strategischer und operativer Steuerung nicht klar lokalisiert werden kann, wird er in Abbildung 49 alsflieBenderUbergang visualisiert. In Bezug auf die anzustrebenden inhaltlichen Ziele der Steuerung sind die in Kapitel 2.1.2.2 vorgestellten Handlungsfelder des Supply Chain Managements emeut heranzuziehen. Diese nehmen in den einzelnen Steuerungsphasen jeweils einen unterschiedlichen Stellenwert ein. Die von der letzten Phase, dem Supply Chain Performance Measurement, wahrzunehmenden Aufgaben erstrecken sich iiber die reine Evaluations- bzw. KontroUfunktion hinaus auch auf die Entwicklung, Implementierung und den Betrieb eines imtemehmenstibergreifenden Messsystems. Letztgenannte Aufgaben werden in einem eigenen, sekundaren Steuerungskreislauf abgebildet. Er beinhaltet die Aufgaben (a) Supply Chain-Visualisiemng, (b) Strategieanbindung, (c) MessgroBenableitung, (d) Implementierung sowie (e)Messung und Evaluation. Da das Supply Chain Performance Measurement mit den anderen Phasen des Performance Managements iiber spezifische Formen der strategischen und operativen Kontrolle vemetzt ist, nimmt es zudem die Rolle einer Querschnittsfunktion im Performance Management-Prozess wahr.^^ Eine nahere inhaltliche Ausgestaltung des primaren und sekundaren Steuerungskreislaufs erfolgt in Kapitel 4.3.1. Ebenenspezifische Anforderungen an das Supply Chain Performance Management Die SCPM-Konzeption greift auf das entwickelte Mehrebenenmodell von Supply Chains zuriick und diflferenziert eine Akteurs-, eine Beziehungs- sowie eine Netzwerkebene des Supply Chain Performance Managements.^"* Nach dem Steucrungssubjekt sind somit Steuerungsaufgaben eines einzebien Supply Chain-Mitglieds, eines fokalen Untemehmens als Initiator relationaler Austauschbeziehungen sowie Steuerungsaufgaben der Supply Chain als kollektiver Akteur zu unterscheiden. Nach dem Steuerungsotye/:/ bzw. -bereich kann die Steuerung eines Untemehmens innerhalb der Supply Chain, die Steuerung einer ausgewahlten Dyade (z.B. einer Kooperation) sowie die Steuerung eines komplexen Netzwerks mit mehr als drei Teilnehmem differenziert werden. Die Konzeption legt dabei die Annahme zu Grunde, dass auf alien Ebenen vergleichbare Kategorien von Steuerungsaufgaben anfallen - der grundsatzliche Steuerungskreislauf wiederholt sich somit auf jeder Ebene. Hinsichtlich ihrer inhaltlichen Ausgestaltung unterscheiden sich die ebenenspezifischen Aufgaben jedoch mafigeblich voneinander. Neben der Anpassung der Steuerungsinhalte innerhalb der einzehien Steuerungsebenen sind auch die Beziehimgen zwischen den Ebenen zu beriicksichtigen. Ausgangspunkt ist dabei die Uberlegung, dass - in Abhangigkeit vom vorliegenden Integrationsgrad und der damit ver-
Vgl. grundlegend zu den Aufgaben der Pramissen-, Fortschritts- und Realisationskontrolle Kapitel 2.2.2.1. ^"^ Vgl. Kapitel 2.4.2.
4.2 Ableitung des theoretischen Bezugsrahmens der SCPM-Konzeption
221
bundenen Managementintensitat^^ - unter Umstanden alle drei Ebenen gleichzeitig in einer Supply Chain vorliegen konnen. Deren Wechselwirkungen, die inhaltliche, funktionale und institutionelle Aspekte aufweisen konnen, sind im Rahmen einer integrierten SCPMKonzeption abzubilden und zu steuem.^^ Aus inhaltlicher Sicht ist etwa zu klaren, inwiefem eine engere Einbindung eines Zulieferers in die Prozesse des beschaffenden fokalen Unternehmens dessen untemehmensinteme Leistungs- und Kostenstruktur, d.h. die Performance der untemehmensintemen „Supply Chain", verandert. Funktionale Aspekte beziehen sich vor allem auf die gemeinsame Zielorientierung der verschiedenen Ebenen.^^ Institutionelle tJberlegungen stellen auf die organisatorische Verankerung eines ebenenubergreifenden Performance Managements ab. Hierzu existieren erste Vorschlage, welche die Einrichtung eines zentralen und mehrerer dezentraler Steuerungsmodule vorschlagen.^^ Dieser Aspekt wird im Zuge der inhaltlichen Ausgestaltung der SCPM-Konzeption emeut aufgegriffen.^^ Methodisch-instrumentelle Unterstiitzung des Supply Chain Performance Managements Bereits die Annaherung an das Konzeptionsverstandnis (insbesondere die Ausfthrungen zum Performance Measurement, zur wertorientierten Untemehmensfuhrung und zum Controlling) hat eine Reihe von anwendungsorientierten AnsStzen, Methoden und Instrumenten zutage gefbrdert, die fiir einen potenziellen Einsatz im Supply Chain Performance Management in Frage kommen. Innerhalb der methodisch-instrumentellen Komponente des theoretischen Bezugsrahmens werden dabei zwei Kategorien von Instrumenten unterschieden. Integrative Instrumente erscheinen geeignet, den idealtypischen Performance Management-Prozess phaseniibergreifend abzubilden. Sie werden daher zur strukturellen und inhaltlichen Ausgestaltung des gesamten Steuerungskreislaufs herangezogen. Fokussierte Instrumente sind demgegeniiber eher ^ r isolierte Aufgaben wie z.B. die Visualisierung der Supply Chain, die Bildung von Zielhierarchien oder die Ableitung von Kennzahlen pradestiniert und konnen somit schwerpunktmafiig der Steuerungsphase 4 (Supply Chain Performance Measurement) zugeordnet werden. In Kapitel 4.3.2 werden Anforderungen an Methoden und Instrumente des Supply Chain Performance Managements formuliert und ausgewahlte Instrumente vorgestellt.
Vgl. etwa die Unterscheidung von managed, monitored, not managed und non-member process links im Handlungsfeld Supply Chain-Prozesse in Kapitel 2.1.2.2. Vgl. dazu auch Lambert/Cooper (2000), S. 74-76. Vgl. EBig/Prauer (2004), S. 11, die zur verbesserten Koordination zwischen den genannten Ebenen ein „Ebenen-Integrations-Controlling"vorschlagen. Vgl. die idealtpyischen Ursache-Wirkungsbeziehungen zwischen Einzelakteurs- und Netzwerkebene, die im Rahmen der Einordnung der Zielkategorien des Supply Chain Performance Managements in Abbildung 50 aufgezeigt werden. Vgl. Jehle/Stullenberg (2001), S. 217-219. Vgl. Kapitel 4.3.3.
222
4 SCPM als interorganisationale Steuerungskonzeption
4.3. Inhaltliche und methodisch-instrumentelle Ausgestaltung der SCPM-Konzeption Im folgenden Abschnitt soil die erfolgte Charakterisienmg der eigenen Konzeption, welche die gnmdlegende Funktionsweise des Supply Chain Performance Managements wiedergibt, inhaltlich ausgestaltet werden. Dazu wird zunSchst in Kapitel 4.3.1 der Steuerungskreislauf des Supply Chain Performance Managements als zentrale Komponente der vorgestellten Konzeption emeut aufgegriffen und konkretisiert. Nachdem mit diesem Schritt die Aufgabenfelder der SCPM-Konzeption vorliegen, kOnnen in Kapitel 4.3.2 die Auswahl und Zuordnung geeigneter Methoden und Instrumente in AngriflF genommen werden. Kapitel 4.3.3 schlieBt die Betrachtung mit einer EinschStzung der Moglichkeiten einer institutionellen Verankerung des Supply Chain Performance Managements ab. 4.3.1. Konkretisiening des Steuerungskreislaufs des Supply Chain Performance Managements Die inhaltliche Ausgestaltung des Steuerungskreislaufs des Supply Chain Performance Managements baut auf einer Reihe von Vorleistungen auf, die bereits an fruherer Stelle der Arbeit erbracht wurden. Neben dem entwickelten, intra- und interorganisationalen Steuerungsverstandnis"** fliefien insbesondere die ebenenspezifischen Anforderungen, welche aus der Ubertragung der Steuerungsaufgaben des Netzwerkmanagements auf den Supply ChainKontext resultieren, sowie die inhaltlichen Vorgaben der Handlungsfelder des Supply Chain Managements in den Steuerungskreislauf ein.'*' Phase 1: Institutionelle und strategieorientierte Konfiguration der Supply Chain Die institutionelle und strategieorientierte Konfiguration der Supply Chain bildet den Ausgangspunkt des primaren Performance Management-Kreislaufs. Allgemein formuliert sind die Aufgaben dieser Phase die Anpassung der Ressourcenausstattung der Supply Chain sowie der gezielte Aufbau von WettbewerbsstSrken (bzw. der Abbau von Schwachen) durch die Entwicklung geeigneter Strategiebtindel fur die Supply Chain. In Bezug auf erstgenanntes Aufgabenfeld trSgt das Performance Management iiber die Steuerungsaufgabe der Selektion zur Bildung der Ressourcenbasis einer Supply Chain bei.'^^ Somit stehen darin zunachst die Inhalte des Handlungsfelds Organisation im Vordergrund."*^ Dariiber hinaus ist im Rahmen der Integrationsaufgabe zu klaren, mit welchen Akteuren in der Supply Chain Kooperationsbeziehungen aufgenommen werden sollen und welcher Integrati-
Vgl. Kapitel 2.2.2. Vgl. Kapitel 2.4.2. Vgl. zur Selektion als Aufgabe des Netzwerkmanagements Kapitel 2.4.1, zu den Anforderungen an die Selektion im Supply Chain-Kontext Kapitel 2.4.2. Vgl. die Ausfuhrungen zum Handlungsfeld Organisation in Kapitel 2.1.2.2.
4.3 Inhaltliche und methodisch-instrumentelle Ausgestaltung
223
onsgrad in Bezug auf die untemehmensubergreifenden Supply Chain-Prozesse anzustreben ist. Hierbei kommen schwerpunktmafiig die Inhalte der Handlungsfelder Upstream- und Downstream-Beziehungen sowie das Handlungsfeld Supply Chain-Prozesse zum Tragen.'^ Die Konfigurationsaufgabe des Performance Managements nimmt je nach Betrachtungsebene unterschiedliche Ausgestaltungsformen an. Auf der Einzelakteursebene steht das Abwagen der Vor- und Nachteile einer Supply Chain-Teilnahme flir den einzelnen Akteur im Vordergrund. Diese Einschatzung dient als Basis fur die SchlieBung informeller Kooperationsvereinbarungen bzw. fur den Abschluss expliziter Vertragsbeziehungen mit potenziellen Supply ChainPartnem. Ziel des einzelnen Untemehmens ist die Erwirtschaftung einer „relationalen Rente" im Sinne eines erhohten Nutzenniveaus, welches nur iiber die Erschliefiung der Ressourcen von Kooperationspartnem erreichbar ist.'*^ Auf der Beziehungsebene sind durch das fokale Untemehmen geeignete, zulieferer- oder abnehmerseitig positionierte Mitglieder der Supply Chain auszuwahlen. Der fur strategische Netzwerke typische, langfristige Charakter von Supply Chain-Beziehungen rechtfertigt in diesem Zusammenhang einen relativ aufwandigen, kriteriengestutzten Auswahlprozess, im Rahmen dessen die Eignung potenzieller Kooperationspartner (z.B. im Hinblick auf ihre Netzwerkkompetenz"*^) systematisch analysiert wird.'^^ Dariiber hinaus gilt es, die Domane der Kooperation (z.B. die Auswahl kooperativ zu steuemder Prozesse) und die Intensitat der Zusammenarbeit festzulegen. Auf der Netzwerkebene ist zu beachten, dass Ein- und Austritte haufig keine aktiv getrofifenen Entscheidungen einzelner Untemehmen darstellen, sondem ohne deren Zutun, z.B. durch BranchenzugehSrigkeit, erfolgen. Im Fokus der Konfigurationsaufgabe steht daher weniger die gezielte Auswahl einzelner Akteure im Vordergrund als vielmehr die Abgrenzung der Supply Chain gegeniiber ihrer extemen Umwelt und somit die Festlegung ihrer institutionellen Identitat."^^ Hierbei erweist sich die Unterscheidung verschiedener Supply Chain-Typen (z.B. nach zeitlicher Stabilitat, Beziehungsintensitat oder vorherrschende Koordinationsrichtung) als ntitzlich."*^ Eine hohe Komplexitat (Vielfalt von Produkten, Dienstleistungen, Markt-
Vgl. die AusMrungen zu den Handlungsfeldem Upstream-Beziehungen, Downstream-Beziehungen sowie Supply Chain-Prozesse in Kapitel 2.1.2.2. Vgl. Otto (2002), S. 57, zum Konstrukt der relationalen Rente vgl. Dyer/Singh (1998). Reifi (2001), S. 150-151, unterscheidet in diesem Zusammenhang vier Arten der Netzwerkkompetenz. Die Vemetzungskompetenz umfasst sowohl fachliche, kaufinannische als auch soziale Vemetzungsaspekte. Die Segmentierungskompetenz betrifft die Spezifikation der einzelnen Netzwerkknoten. Die Infrastrukturkompetenz bezieht sich auf die strukturellen, technokratischen, personellen und informationellen Voraussetzungen fur eine erfolgreiche Netzwerkteilnahme. Die Veranderungskompetenz stellt schliefilich eine „Metakompetenz" dar, die als Basis fur den organisationalen Ubergang vom Einzeluntemehmen zum vemetzten Unternehmen fungiert. Vgl. Ojasalo (2004), S. 199, Sydow (2002), S. 12, Buscher (1999), S. 455. An die Selektionsaufgabe in kiu-zfristigen, auftragsspezifischen Untemehmenszusammenschltissen wie etwa virtuellen Untemehmen waren andere Anforderungen zu stellen, da dort die Geschwindigkeit der Konfiguration eines funktionsfahigen Netzwerks im Vordergrund steht, vgl. Buscher (2003), S. 68. Vgl. zur Abgrenzung eines Netzwerks gegeniiber seiner Umwelt Zundel (1999), S. 85. Vgl. zur Differenzierung von Untemehmensnetzwerken gemaB diesen Kriterien Kapitel 2.3.3.
224
4 SCPM als interorganisationale Steuerungskonzeption
segmenten oder Lieferantengmppen), eine heterogene Vemetzungsintensitat innerhalb einer Supply Chain (z.B. fest verkoppelte Zweierbeziehungen, lineare mehrstufige Prozessketten, komplexe „Many-to-Many**-Beziehiingen^°) sowie ein hoher Uberlappungsgrad mit anderen Supply Chains kSnnen dieses „Grenzmanagement" jedoch erschweren.^* Bezuglich des Aufbaus von WettbewerbsstSrken bzw. des Abbaus von Schwachen hat sich in der Literatur die Unterscheidung zweier Normstrategien des Supply Chain Managements, der „Operational Excellence"-Strategie sowie der „Customer Closeness"-Strategie, etabliert." Erstere verfolgt primSr das Ziel der Kostenfuhrerschaft iiber die Reduktion der Supply ChainKosten bei Sicherstellung einer verlasslichen Versorgung mit Standardprodukten. Zweitgenannte zielt auf Differenzierungsvorteile uber eine hohe Produkt- und Servicequalitat sowie eine intensive Interaktion mit dem Kunden ab.^^ Eine vergleichbare Differenzierung von Normstrategien wird bei der Unterscheidung von „schlanken" und „agilen" Supply Chains vorgenommen.^"* In jiingerer Zeit werden angesichts der zunehmenden strategischen Relevanz untemehmensextemer Risiken auch Strategien zur Erhohung der „resilience", d.h. der Robustheit bzw. Widerstandsfahigkeit von Supply Chains, vorgeschlagen. Bei diesen steht die Generierung von Wettbewerbsvorteilen durch eine moglichst risikobewusste Supply ChainKonfiguration im Mittelpunkt.^^ Dem Perfonnance Management kommt in Bezug auf die strategische Wahl die Aufgabe zu, diese idealtypischen Strategieansatze auf ihre Anwendbarkeit in der eigenen Supply Chain zu uberpriifen. Phase 2: Implementierung von Supply Cbain-Strategien Die Phase der Strategieimplementierung setzt die vorauslaufende Konfigurationsphase in konkrete, strategiegeleitete Handlungen um.^^ Dabei konnen sach- und verhaltensorientierte Implementierungsaufgaben unterschieden werden (vgl. Abbildung 51). Erstgenannte zielen insbesondere auf das Erreichen von QualitSts-, Kosten- und Zeitzielen ab, die es durch eine geeignete AUokation von Verantwortlichkeiten und Aufgaben (z.B. Auftragen) innerhalb der Supply Chain zu erreichen gilt. Somit wird hier emeut das Handlungsfeld Organisation tangiert. Die verhaltensorientierten Implementierungsziele sind demgegeniiber auf die Erreichung einer grofitmoglichen Zustimmung der beteiligten Untemehmen fiir die Supply ChainStrategien ausgerichtet. Diese Akzeptanz gilt es durch Regulationsaufgaben, wie z.B. durch den Aufbau eines einheitlichen Ziel- und Regelsystems fur die beteiligten Akteure, sicherzu-
Vgl. Kapitel 2.4.2.2, insbesondere Abbildung 28. Vgl. zum Tenninus „Grenzmanagement" Sydow/M6llering (2004), S. 212. Vgl. auch van Hoek (1998), S. 188. Vgl. Heusler (2004), S. 50 und die dort zitierte Literatur. Vgl. Morash (2001), S. 37-40. Vgl. Christopher/Towill (2002), S. 1-14. Vgl. Christopher/Peck (2004), S. 1-13. Vgl. die Phase der Strategieimplementierung in Kapitel 2.2.2.1.
225
4.3 Inhaltliche und methodisch-instrumentelle Ausgestaltung
stellen." Die verhaltensorientierte Implementierungsaufgabe bezieht sich somit insbesondere auf die Handlungsfelder Upstream- und Downstream-Beziehungen.
Zielsystem derlmplementierung Akzeptanz
Qualitat
- Hohe Akzeptanz fur bzw. geringer Widerstand gegen das Implementierungsobjekt
- Hohe Kompatibilitat des Implementierungsobjekts mit dem Implementierungskontext
- Hohe Akzeptanz fur bzw. geringer Widerstand gegen den Im plementierungsprozess
- Fehlerfreies Vorgehen, geringe BeeintrSchtigung des Tagesgeschafts
Kosten - Geringe Folgekosten (Problem der Kostenremanenz) - Kostengunstiger Im plementierungsprozess
Abbildung 51:
'^
^
P<,
k
A
Zeit - Rechtzeitige EinfOhrung u. Fertigstellung - Optimale, i.d.R. kurze Implementierungsdauer
Sack- und verhaltensorientierte Zielkategorien der Implementierungsphase Quelle: Heusler (2004), S. 163, in Anlehnung an Daniel (2001). S. 36-37, verdndert
Nachfolgend werden die genannten AUokations- und Regulationsaufgaben unter Zuhilfenahme der bekannten Ebenendifferenzierung naher ausgestaltet. Auf Einzelakteursebene ist in Bezug auf die Implementierungsaufgabe der Allokation zunachst zu beachten, dass ein „abhangiges" Untemehmen unter Umstanden keinen eigenstandigen Handlungsspielraum bezuglich einer untemehmensextemen Aufgabenzuordnung aufweist. Im Fall weitgehend gleichberechtigter Supply Chain-Beziehungen erfolgt somit eine Aufgabenverteilung primar tiber heterarchische Steuerungsprinzipien. Als mogliche Auspragungsformen kommen die fallweise Abstimmung nach eigenem Ermessen der Akteure (weitgehend informell), die themenspezifische Abstimmung (z.B. im Fall von a priori festgelegten Kriterien wie z.B. Serviceniveauunterschreitungen) sowie die institutionalisierte Selbstabstimmung (z.B. durch Koordinationsorgane wie Ausschiisse oder Arbeitskreise) in Frage.^^ Obliegt einem fokalen Untemehmen die Allokationsaufgabe, besteht zwischen den abhangigen Untemehmen ein „mehr oder weniger domestizierter Wettbewerb"^^ um AuftrSge innerhalb der Supply Chain. Der Einzelakteur bemiiht sich somit aktiv um das „Heranziehen" von zu verteilenden Ressourcen („resource attraction").^^ AUokationsentscheidungen auf der Beziehungsebene sind weitgehend durch das fokale Untemehmen zu trefifen, welches eine Ressourcen- und Aufgabenzuordnung in der Supply Vgl. ReiB (1997a), S. 25, Heusler (2004), S. 162. Zeyer (1996) spricht in diesem Zusammenhang von ,J*erformancegr66en" der Implementienmg, vgl. Zeyer (1996), S. 136-142. ^^ Vgl. Groll (2004), S. 59. ^^ Sydow(2002),S. 12. ^ Vgl. Hamel (1999).
226
4 SCPM als interorganisationale Steuerungskonzeption
Chain vomimmt.^* Die strategische Steuenmg greift dabei auf die beschriebenen Mechanismen der Quasi-Intemalisierung bzw. -extemalisiemng von Ressourcen zuruck.^^ Insbesondere die Extemalisiemng weist in Supply Chains eine hohe Bedeutung auf, weil das fokale Unternehmen „kemfeme" Aufgabenbereiche auslagert und geeigneten Wertschopfiingspartnem, z.B. Systemlieferanten oder Logistikdienstleistem, zuordnet.^^ Aus Sicht der Netzwerkebene sind Ressourcen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten dort einzusetzen, wo sie den groBten Nutzen aus Sicht der gesamten Supply Chain erzielen. Die Zuordnung erfolgt dabei gemSB der Ressourcen- und Kompetenzausstattung der Supply Chain-Partner. Die AUokationsaufgabe hat dabei zu beriicksichtigen, dass bestimmte Ressourcen und Kompetenzen in einzelnen Partnemntemehmen vorhanden sind, andere hingegen erst aus dem untemehmensubergreifenden Beziehungsgeflecht erwachsen und demgemafi nur im Netzwerk genutzt werden kdnnen.*^ GemaB dem Wertsteigenmgsziel gilt es, die einmal identifizierten Ressourcen und Kompetenzen auf den profitabelsten WertschOpfiingsstufen der Supply Chain zum Einsatz zu bringen.^^ Auch in Bezug auf die Implementiemngsaufgabe der Regulation erweist sich die Differenziemng der Supply Chain-Ebenen als hilfreich. Auf der Einzelakteursebene sind primar Anreize zur Teilnahme an der Supply Chain zu schaflfen, welche ixber markttypische Sanktionsmechanismen hinausgehen und auf diese Weise ein langerfristiges Engagement des Untemehmens in der Supply Chain begunstigen." Die Aufgabe des Performance Managements besteht in diesem Zusammenhang z.B. darin, ein Messsystem aufzubauen, welches die Aufhahme und Pflege kooperativer Beziehungen abbildet und gegebenenfalls belohnt.^^ Da das Untemehmen unter UmstSnden an mehreren Supply Chains aktiv teilnimmt, ist auch der untemehmensinteme Interessensausgleich zwischen einzehien Geschaftsbereichen wahrzunehmen.^^ Die Teihiahme an einer Kooperation birgt fur das Einzeluntemehmen zumeist einen Tradeoff zwischen positiven LemeflFekten durch die engere Zusammenarbeit einerseits und einem Know-how-Abfiuss durch potenziell opportunistisches Verhalten von Supply ChainTeilnehmem andererseits. Die Einrichtung von integrierten ManagementansStzen, beispielsweise im Bereich des Konfliktmanagements, kann unter Umstanden zur Auflosung dieser Zielkonflikte beitragen.^^
Vgl. Struthoff (1999), S. 183-185. GemaB den Ausftthnmgen in Kapitel 2.4.2, insbesondere Abbildung 30, wird auf der Beziehungsebene der Supply Chain die Existenz eines fokalen Untemehmens a priori unterstellt. Vgl. Kapitel 2.3.3. Vgl. Z.B. Struthoff (1999), S. 53. Vgl. Dyer/Singh (1998), S. 660-679, ausfiihrlich Heusler (2004), S. 215-219, sowie die Aussagen zum Resource Based \^ew in Kapitel 3.2.2. Vgl. Otto/Kotzab (2002), S. 143-144. Vgl. Sydow (2002), S. 12. Vgl. Sydow (2003), S. 314. Vgl. Corsten (2001), S. 150. Vgl. Kale et al. (2000), S. 232-234.
4.3 Inhaltliche und methodisch-instrumentelle Ausgestaltung
227
Auf der Beziehungsebene erfolgt die Implementiemng eines Ziel- und Regelsystems meist tiber einen bilateralen Verhandlungsprozess, der typischerweise vom fokalen Untemehmen initiiert wird. Im Vordergrund steht dabei - im Sinne einer Kontextsteuerung - die Entwicklung von Rahmenvereinbarungen. Diese stellen aus inhaltlicher Sicht auf die Erreichung der bekannten Ziele des Supply Chain Managements ab. So kOnnen etwa zur Erreichung von Zeitvorteilen RichtUnien fiir den elektronischen Datenaustausch entwickelt werden, die auf einen beschleunigten Informationsfluss durch eine Reduktion der Schnittstellenanzahl in der Supply Chain abzielen^^ Die Umsetzung der Rahmenvereinbarung in konkrete MaBnahmen findet auf Ebene des einzelnen Supply Chain-Mitglieds statt. Auf der Netzwerkebene besteht auf Grund der tendenziell hoheren Komplexitat sowie des Fehlens hierarchischer Koordinationsmechanismen erhebliche Intransparenz in Bezug die Prognostizierbarkeit der Wirkung von Steuerungsimpulsen.^^ Die Regulationsaufgabe zielt deshalb auf die Bildung netzwerkweiter Verhaltensregeln ab, die den Rahmen fur eine Selbststeuerung innerhalb der Supply Chain aufspannen. Im Rahmen dieser Aufgabe riicken verstarkt kulturelle und soziale Komponenten wie Vertrauen, Reziprozitat, Selbstverpflichtung und Risikoteilung ins Blickfeld der Supply Chain-Steuerung.^^ Phase 3: Operative Steuerung von Supply Chain-Prozessen Li der Phase der operativen Steuerung von Supply Chain-Prozessen sind Aufgaben der kurzfristigen Planung und KontroUe wahrzunehmen. Dabei kommen vor allem die inhaltlichen Ziele der Handlungsfelder Supply Chain-Prozesse sowie Information/IT zum Tragen^^ Im Rahmen der operativen Planung erfolgt eine Zuordnung auftragsspezifischer Aufgaben und Kapazitaten zu bestimmten operativen (Teil)Prozessen. Dabei wird in vielen Untemehmen auf programmgesteuerte Planungsmethoden zuruckgegriflfen, die innerhalb von ERP bzw. PPS-Systemen abgebildet werden.^"^ Ahnliche operative Planungsansatze werden zur Steuerung von Beschafifiingsprozessen (z.B. Bedarfs-, Bestellmengen- oder Bestandsplanung)^^ Oder Distributionsprozessen (z.B. Tourenplanung, Steuerung von AuBendienst und Lieferservice)^^ eingesetzt. Neben programmgesteuerten Planungsansatzen sind im Supply Chain-Kontext insbesondere verbrauchsgesteuerte AnsStze wie etwa Kanban fur die operative
Vgl. Baumgarten et al. (2004), S. 65, Buscher (1999), S. 455. Vgl. Klaus (2005), S. 365. Vgl. ahnlich Bellmann (1999), S. 210. Vgl. Kapitel 2.1.2.2. Vgl. Steven (2002), S. 754, Welge/Al Laham (2001), S. 570. Am Beispiel der Produktionsplanung und -steuerung (PPS) stellt sich dies etwa wie folgt dar: Zunachst ist festzulegen, welche Mengen eines Produkts in einer bestimmten Periode zu produzieren sind (Produktionsprogrammplanung). Nach der Festlegung des Primarbedarfs erfolgt iiber eine Stiicklistenauflosung die Planung des Sekundarbedarfs (Mengenplanung). AnschlieBend wird festgelegt, welches Erzeugnis in welcher Menge auf einer bestimmten Produktionsanlage zu fertigen ist (Losgrofienplanung) sowie zu welchem Zeitpunkt (Terminplanung) und in welcher Reihenfolge (Reihenfolgenplanung) die Fertigung zu erfolgen hat. Vgl. Arnold (1997), S. 118-164, Stolzle/Gareis (2002). Vgl. Pfohl (2004a), S. 221-222.
228
4 SCPM als interorganisationale Steuerungskonzeption
Steuerung von Supply Chain-Prozessen von Bedeutung.^^ Besonders bei Just-in-TimeProzessen weist das Kanban-Prinzip den Vorteil einer dezentralen Stmktur auf, so dass es zur Selbststeuerung des Materialflusses zwischen Zulieferem und abnehmenden Untemehmen geeignet ist. Diesem stehen Nachteile hinsichtlich der Storanfalligkeit (auf Grund geringer PufFerbestande) sowie der Abbildung kurzfristiger Auftragsschwankungen gegenuber. Kanban-Systeme werden demzufolge meist nur in klar abgegrenzten, produktionsorientierten Prozessen eingesetzt. Untemehmensiibergreifende Planungsprobleme stellen nach wie vor eine Herausfordemng fur IT-gestiitzte PlanungsansStze dar. Hier kommen in jiingerer Zeit vermehrt APS-Systeme zum Einsatz, welche an bestehenden PPS- und/oder ERP-Systemen der einzelnen Akteure andocken. Mittels modemer Modelliemngs- und Optimierungsverfahren und vergleichsweise hoher Rechner- und Speicherkapazitaten konnen APS-Systeme inzwischen auch komplexe Problemstellungen in Echtzeit simulieren und engpassorientiert losen.^^ Ziel ist dabei die Erhohung des Urteilsvermogens des Entscheidungstragers und eine daraus resultierende Verbesserung der Entscheidungsqualitat/^ Teilweise wird jedoch kritisch angemerkt, dass auch diese Systeme die Anforderungen einer operativen Steuerung nicht voll erfuUen konnen, weil sie auf kurzfristige Anderungen mit einem neu aufgerollten Gesamtplan reagieren. Ein emeuter Planungsdurchlauf fuhrt jedoch nicht zwingend zu „besseren" Ergebnissen, sondem erhoht haufig lediglich die Nervositat im System.*" Hinzu kommt, dass die operative Nutzung von APS-Systemen haufig auch an Widerstanden der beteiligten Akteure gegen eine umfassende Informationsweitergabe scheitert.*' Aus diesem Grund werden APS nach wie vor hauptsachlich zur mittel- und langfristigen Planung eingesetzt, wShrend im Kurzfristbereich die operative Steuerung eine Aufgabe untemehmensintemer ERP-Systeme bleibt (vgl. Abbildung 52).
Zur Entstehung und Funktionsweise des Kanban-Prinzips vgl. z.B. Dreisbach (1998), S. 141-143. Zum Aufgabenspektrum modemer APS-Systeme zdhlen beispielsweise die Produktionsprogrammplanung, Produktionsgrob- und -feinplanung, Distributionsplanung, Nachfrageplanung (Demand Planning), VerfiigbarkeitsprUfung (Available to Promise) sowie eine Reihe von Monitoring-Funktionen wie z.B. die Bestandsund Transportuberwachung bzw. -steuerung. Vgl. zu den Funktionalitaten von APS-Systemen z.B. Kruger/Steven (2002), S. 176. Vgl. Chamoni/Gluchowski (1999), S. 7. Vgl. Bretzke (2002), S. 28. Vgl. Zimmer (2001), S. 13-14 sowie Heusler (2004), S. 31.
4.3 Inhaltliche und methodisch-instrumentelle Ausgestaltung
229
Planvorgaben
Abbildung 52:
Zusammenwirken von APS- und ERP-Systemen Quelle: Kruger (2004), S. 234
Ein weiteres Aufgabenfeld der operativen Steuerung stellt die KontroUe untemehmensiibergreifender Material- und Warenflusse dar. Hier sind sog. Tracking&Tracing-Systeme (T&T-Systeme) relativ stark verbreitet. Sie generieren Statusinformationen zu Standardprozessen und stellen diese - mittlerweile haufig in Echtzeit - ausgewahlten EntscheidungstrSgem (z.B. Disponenten) zur Verfugung.^^ Insofem untersttitzen sie insbesondere die aus Sicht des Handlungsfelds Inforaiation/IT zu stellenden Forderungen nach einem verzogerungsfreien Informationsfluss in der Supply Chain. Allerdings besteht ein GroBteil der von T&T-Systemen generierten Daten aus „einfachen" Statusmeldungen, welche keinen Bezug zu einem erwiinschten Planziel aufweisen. Eine umfassende Unterstutzung operativer Entscheidungen auf Basis von Soll/Ist-Vergleichen wird somit mit T&T-Systemen (noch) nicht voll erreicht. Seit einigen Jahren ist im Bereich der operativen Steuerung von Supply Chain-Prozessen ein Trend bin zu Systemen mit groBerem Entscheidungsunterstutzungspotenzial festzustellen, die unter dem Schlagwort „Supply Chain Event Management (SCEM)" diskutiert werden.^^ SCEM stellt einen IT-gestutzten, regelbasierten Ansatz der ereignisorientierten Planung dar, der durch eine beim Auftreten von Ausnahmesituationen einsetzende, kurzfristige Steuerung ein schnelles Reagieren des Prozessverantwortlichen untersttitzen soil, ohne dabei einen komplexen Planungsdurchlauf hervorzurufen. Dies wird realisiert, indem fur im Vorfeld festgelegte Ausnahmesituationen („Events") ein bestimmtes Spektrum an Losungsaltemativen bereitgestellt und im Bedarfsfall vorgeschlagen wird. Hier schlieBt sich der Kreis zur operativen Planung, da die Grundvoraussetzung fur den untemehmensubergreifenden Einsatz von SCEM die Existenz abgestimmter operativer Zielvorgaben in der Supply Chain darstellt. Das Performance Management steht somit vor der Aufgabe, die Generierung und untemehmensubergreifende Weiterleitung operativer Planvorgaben zu untersttitzen und mit den Ergebnissen der operativen KontroUe zusammenzufuhren, um eine integrierte Steuerung von Supply Chain-Prozessen zu ermOglichen.
Vgl. Z.B. Stefansson/Tilanus (2000). Vgl. zu SCEM-Systemen Stolzle (2004), Karrer (2003b), Bretzke/Klett (2004), Nissen (2002), Chamoni et al. (2005), S. 113.
230
4 SCPM als interorganisationale Steuerungskonzeption
Phase 4: Supply Chain Performance Measurement Der Phase des Supply Chain Performance Measurements kommt in der SCPM-Konzeption die RoUe eines primus inter pares zu. GemSB dem entwickelten Steuerungsverstandnis nimmt sie die Aufgaben einer erweiterten KontroU- und Evaluationsfimktion wahr. Sie beschrankt sich somit nicht auf eine feedback-orientierte ErgebniskontroUe, sondem beinhaltet auch begleitende und feedforward-orientierte Kontrollaufgaben. Eine Verkniipfung mit den anderen Steuerungsphasen erfolgt dabei uber spezifische Formen der strategischen und operativen Kontrolle: Die PrSmissenkontrolle verbindet das Supply Chain Performance Measurement mit der Konfigurations- und Strategiebildimgsphase. Hier findet ein Abgleich zwischen den Zielvorgaben, der institutionellen Konfiguration der Supply Chain sowie der ausgewahlten Strategiebiindel statt. Insbesondere vor dem Hintergrund der bereits angesprochenen Dynamik von Supply Chains erscheint es bedeutsam, die Gttltigkeit der diesen Entscheidungen zu Grunde gelegten Annahmen regelmSBig zu ttberprufen. Die Implementierungsphase wird von einer Fortschrittskontrolle begleitet. Mit der operativen Steuerung von Supply ChainProzessen ist schlieBlich die RealisationskontroUe assoziiert. Diese entspricht am ehesten dem Charakter einer klassischen, nachlaufenden ErgebniskontroUe.^ Zur vertieften Betrachtung der Kontrollaufgaben des Supply Chain Performance Measurements bietet emeut die Ebenendiflferenzierung an: Aus Sicht der Einzelakteursebene sind zwei Aufgabenbereiche einzugrenzen: Zum einen ist im Bereich der untemehmensintemen „Supply Chain" zu prufen, inwieweit bereits dort durch SteuerungsmaBnahmen die Sachziele des Supply Chain Management-Konzepts (Kostensenkungen, (End-)Kundennutzensteigerung, Qualitats- und Zeitvorteile) realisiert werden k6nnen.*^ Zum anderen miissen die Effekte bestehender und potenzieller Supply Chain-Mitgliedschaften - und damit die Ergebnisse der Selektions-, Regulations- und Allokationsentscheidungen - auf das Wertsteigerungsziel als Formalziel des eigenen Untemehmens einer kontinuierlichen Evaluation unterzogen werden.^^ Auf der Beziehungsebene zielt das Supply Chain Performance Measurement insbesondere auf die Beurteilung anderer Supply Chain-Mitglieder durch das fokale Untemehmen ab. In Bezug auf das Zielsystem betrifil dies sowohl die Evaluation des Erfolgsbeitrags von Partnerunternehmen zum eigenen Untemehmenserfolg als auch die laufende Uberwachung und Kontrolle gemeinsamer Supply Chain-Prozesse mittels untemehmensubergreifender
Kennzahlen.
Wahrend eine - periodische oder im Bedarfsfall erfolgende - Partnerevaluation weitgehend selbstandig durch das fokale Untemehmen durchgefiihrt wird, ist eine untemehmensiibergreifende Prozessevaluation meist nicht ohne die Mitwirkung der Kooperationspartner zu realisieren. Es empfiehlt sich somit, diese nicht nur in die Entwicklung und Implementierung des
Vgl. zur Pramissen-, Fortschritts- und RealisationskontroUe auch Kapitel 2.2.2.1. Vgl. Heusler (2004), S. 122 sowie die Schlussfolgerungen von Kapitel 2.1.1.2. Vgl. Sydow (2002), S. 12 sowie SydowAVindeler (2003), S. 313.
4.3 Inhaltliche und methodisch-instmmentelle Ausgestaltung
231
Ziel- und Messsystems, sondem insbesondere auch in die laufende Durchfuhrung der Messung einzubeziehen.*^ In Bezug auf die Netzwerkebene steht die Ermittlung und Verteilung der Performance der gesamten Supply Chain im Vordergrund. Dabei ist Erfolg dem entwickelten Performanceverstandnis gemaB als mehrdimensionales Konstrukt zu verstehen, welches sowohl die Formalals auch die Sachzielebene umfasst.^^ Eine direkte Ermittlung der Supply Chain Performance auf Formalzielebene erscheint dabei zwar theoretisch denkbar,^^ beschrankt sich jedoch auf Supply Chains mit hoher gegenseitiger Abhangigkeit sowie geringer Mitgliederfluktuation.^ Dies triflft beispielsweise auf strategische Netzwerke in der Automobilindustrie zu, in denen teilweise eine strategische Steuerung eines mehrstufigen Netzwerks durch fmanzielle Zielvorgaben des fokalen Untemehmens erfolgt. Ein Automobilhersteller gibt beispielsweise im Rahmen des Target Costing-Ansatzes an seine Lieferanten die Sollkosten eines neuen Produkts weiter, die auf Basis des erwarteten Preises am Endkundenmarkt sowie unter Beriicksichtigung der erwiinschten Gewinnspanne des Herstellers defmiert werden. Aus der gemeinsamen Zielvorgabe einer prozentualen Kostensenkung, die fur alle beteiligten Akteure gilt, werden systematisch konkrete Sachziele und MaBnahmen abgeleitet. Die Steuerung dieser Mafinahmen sowie die Kontrolle und Verteilung der erzielten Kosteneinsparungen sind dabei entweder vom fokalen Untemehmen selbst in seiner RoUe als Netzwerkkoordinator oder von einem untemehmensubergreifend besetzten Supply Chain-Komitee wahrzunehmen.^^ In vergleichsweise heterarchischen Netzwerken ohne fokales Untemehmen stehen die typischerweise geringere Beziehungsdauer, die Moglichkeit von Doppelmitgliedschaften sowie vergleichsweise hohe Opportunismusspielraume der beteiligten Untemehmen haufig einer Abstimmung von Performancezielen auf der Formalzielebene entgegen. In dieser Situation erscheint ein direktes Ansetzen der Performance Measurement-Aktivitaten auf der Sachzielebene sinnvoU, um Zielvereinbamngen auf bestimmte Produkte, Produktlinien oder ausgewahlte Prozesse zu fokussieren und somit die Problematik von Doppelmitgliedschaften und daraus entstehenden Zielkonflikten zu mildem. Die Formuliemng, Implementierung und Kontrolle gemeinsamer Sachziele (z.B. Servicegrade, Durchlaufzeiten, Qualitatslevels) kann dabei durch systematische Verfahren unterstutzt werden, die nicht zwingend auf eine machtbasierte Steuemng angewiesen sind.
Hinsichtlich der Steuerung von Supply Chains in dyadischen Austauschbeziehungen besteht in der Praxis noch hoher Handlungsbedarf. Keebler (2000) stellt z.B. im Rahmen einer Befragung von 335 Logistikverantwortlichen fest, dass lediglich 40% der MessgroBen, die zur Evaluation von Supply Chain-Partnem herangezogen werden, mit dem betrefFenden Partneruntemehmen vereinbart werden. Vgl. Keebler (2000), S. 1-7. Vgl. dazu auch Stolzle/Karrer (2004a), S. 253. Vgl. Kapitel 3.1.1, 3.1.3.1 sowie 3.2.1. Vgl. die Ausftihrung zur wertorientierte Untemehmensfuhrung auf der Netzwerkebene der Supply Chain in Kapitel 3.2.3.2. Ein Indikator fur diese Interdependenz ist beispielsweise der gegenseitige Anteil am Beschaffimgsvolumen (abnehmerseitig) bzw. am Umsatzvolumen (lieferantenseitig). Vgl. z.B. Hahn (2000), S. 16, der bei Vorliegen einer hierarchischen Koordinationsrichtung in Supply Chains die Einrichtung von Supply Chain-Komitees vorschl^gt.
232
4 SCPM als interorganisationale Steuerungskonzeption
Uber die beschriebenen Aufgaben einer erweiterten KontroUe hinaus stellt das Supply Chain Performance Measurement insbesondere jene Phase dar, welche sich mit dem Aufbau, der Einfuhrung und dem Betrieb eines kennzahlengestiitzten, untemehmensiibergreifenden Messsystems befasst. Die hiermit verbundenen Aufgaben kdnnen ebenfalls regelkreisartig angeordnet werden. Der resultierende sekundare Steuerungskreislauf beinhaltet funf Aufgabenkategorien, die im Folgenden charakterisiert und in Kapitel 4.3.2.2 methodischinstrumentell ausgestaltet werden: • Supply Chain-Visualisienmg: Durch die grafische Abbildung der als relevant erachteten Supply Chain tragt die Visualisienmg der geforderten Prozessorientiemng des Performance Measurements Rechnung.^ Zu den angestrebten Nutzeneffekten einer Visualisienmg der Supply Chain zahlen etwa das Aufbrechen funktionaler „Silos" bzw. der untemehmensintemen „Black Box" durch eine untemehmensiibergreifende, prozessorientierte Visualisienmg Oder die erleichterte Lokalisierung von EngpSssen imd kritischen Pfaden im Wertschopfungsnetzwerk. Zudem werden in der Literatur Effekte wie eine erhohte Selbstverpflichtung der beteiligten Untemehmen gegeniiber „ihrer" Supply Chain sowie eine beschleunigte Integration neuer Kooperationspartner diskutiert.^^ Die Supply ChainVisualisierung unterstutzt somit insbesondere die Selektionsaufgabe im primaren Performance Management-Prozess. • Strategieanbindung: Im Rahmen der Strategieanbindung ist die Entwicklung eines strategischen Grundkonsenses fur die Supply Chain, die Abbildung und Auswahl von altemativen Strategiebundeln sowie die Bildung von Ursache-Wirkungsbeziehungen zwischen den in den Supply Chain-Prozessen verorteten Sachzielen und den Wertsteigerungszielen der beteiligten Akteure anzustreben.^ Die Strategieanbindung begleitet somit insbesondere die Strategiebildungsaufgabe des Performance Managements. Da die Auswahl der operativen Werttreiber und die Festlegung von Sachzielen durch die Visualisienmg der relevanten Leistungsprozesse erleichtert wird, bietet sich eine mSglichst enge Abstimmung zwischen der Strategieanbindung und der Supply Chain-Visualisienmg an. • Ableitung von MessgrOBen: Nach der Aufstellung des prozess- und strategieorientierten Zielsystems sind den ausgewShlten Zielen geeignete Messgrofien zuzuordnen. Im Rahmen dieser Aufgabe stellen insbesondere die strategische Relevanz der ausgewShlten MessgrS6en sowie deren Geltungsbereich in der Supply Chain bedeutsame Auswahlkriterien dar. Eine vertiefte Kennzahlenbeurteilung erfolgt anhand der bereits adressierten Kriterien Wirtschaftlichkeit, Integrationspotenzial, KompatibilitSt, Aggregationsgrad, Anwendungsbezug und Anreizvertraglichkeit sowie anhand der formalen Giitekriterien Validitat, Objektivitat und Reliabilitat.'^
Vgl. Kapitel 3.1.3.2. Vgl. Gardner/Cooper (2003), S. 40. Vgl. zur Bildung von Ursache-Wirkungsbeziehungen Kapitel 3.1.2.2. ^^ Vgl. Kapitel 3.1.2.1.
4.3 Inhaltliche und methodisch-instrumentelle Ausgestaltung
233
• Implementiemng: Die Implementierungsaufgabe bezieht sich auf die Umsetzung des Performance Measurements in der Supply Chain. Sie begleitet somit die Implementierungsphase des primaren Steuerungskreislaufs und weist demgemaB ebenfalls eine sachbezogene Dimension, welche auf die inhaltliche Konkretisierung des entwickelten Messsystems abhebt, sowie eine verhaltensbezogene Dimension, welche die Schaffung einer groBtmoglichen Akzeptanz fur das entwickelte Messsystem beabsichtigt, auf ^^ Insbesondere der zweitgenannte Aufgabenbereich erscheint im Supply Chain-Kontext von zentraler Bedeutung, da - insbesondere wenn kein fokales Untemehmen vorhanden ist - weitgehend unabhangige Untemehmen mit entsprechend hohen Opportunismusspielraumen an der Implementiemng des Performance Measurements beteiligt sein konnen. • Messung und Evaluation: Die Messung und Evaluation bezieht sich schlieBlich auf die Ausgestaltung des operativen Messprozesses (z.B. die informationstechnische Unterstutzung der Messung, die Anbindung an operative Systeme) sowie auf die Evaluation des Implementiemngsprozesses des Performance Measurements im Sinne einer ErgebniskontroUe. Mit der Messungs- und Evaluationsaufgabe schlieBt sich somit der sekundare Steuerungskreislauf Zum Abschluss der inhaltlichen Konkretisiemng des primaren und sekundaren Steuemngskreislaufs des Supply Chain Performance Managements soil die Relevanz der in Kapitel 2.1.2.2 entwickelten Handlungsfelder des Supply Chain Managements ftir die jeweilige Steuemngsphase des Performance Managements zusammenfassend dargestellt werden. Anzumerken bleibt, dass innerhalb der Phase des Supply Chain Performance Measurements alle Handlungsfelder von gleich hoher Bedeutung sind, da diese eine Querschnittsfunktion zu den anderen Steuerungsphasen darstellt. ^ ^ ^ - - ^ ^ ^ Handlungsfelder Information/ Steuerungs^^^^^des SCM IT phasendes SCPNl^^-^^^.^
Supply Chain- UpstreamBeziehungen Prozesse
DownstreamBeziehungen
Organisation
Formulierung u. Bewertung von Supply Chain-Strategien
•
•
••
••
•••
Implementiemng von Supply Chain-Strategien
•
••
•••
•••
••
Operative Steuerung von Supply Chain-Prozessen
•••
•••
•
•
•
Supply Chain Performance Measurement
•••
•••
•••
•••
• ••
•... .niedrige Relevanz Abbildung 53:
• •... .mittlere Relevanz
• • • . . . hohe Relevanz
Relevanzeinschdtzung der Handlungsfelder des Supply Chain Managementsfiirdie Steuerungsphasen des Supply Chain Performance Managements
Zur Differenzierung von Durchflihrung und Durchsetzung im Rahmen der Implementiemng vgl. Kapitel 4.1
234
4 SCPM als interorganisationale Steuemngskonzeption
Die Aufgaben des Supply Chain Performance Managements werden insbesondere durch ihre Ausgestaltung mit Methoden und Instmmenten mit Leben gefiillt. Das anschliefiende Kapitel 4.3.2 greift diesen Handlungsbedarf auf, indem es ausgewahlte Methoden und Instmmente vorsteUt, welche der SCPM-Konzeption als Ganzes bzw. einzelnen Steuenmgsphasen zugeordnet werden konnen. 4.3.2. Methodisch-instrumentelle Unterstiitzung des Supply Chain Performance Managements hi die Annaherung an das eigene Konzeptionsverstandnis sind bereits eine Reihe von Hinweisen auf potenziell einsetzbare Instmmente fur das Supply Chain Performance Management eingeflossen.^^ Dennoch befindet sich das aktuell vorliegende „histrumentenportfolio" in einem relativ fruhen Entwicklungsstadium.^* Dies gilt insbesondere fur fuhrungsunterstiitzende und koordinierende Methoden und histrumente, die urspriinglich fiir das allgemeine Management entworfen, bislang jedoch nur teilweise mit den Steuerungsanforderungen des Supply Chain Managements abgestimmt worden sind.^ Handlungsbedarf besteht etwa bei der Anpassung der Instmmente an die einschlagigen Problemfelder des Supply Chain Managements (Dynamik, Intransparenz, Komplexitat), bei der Beriicksichtigung der (Teil)Autonomie der involvierten Akteure sowie der damit verbimdenen Fragen nach der Verortung der Verantwortung ftir Entwicklung, Implementiemng, Ensatz und Uberarbeitung von Instmmenten. Vor dem Hintergrund des oben abgeleiteten Aufgabenprofils des Supply Chain Performance Managements konnen dariiber hinaus folgende spezifische Anpassungsbedarfe ftir potenzielle Methoden und Instmmente identifiziert werden:'^ • Inhaltlicher Anpassungsbedarf: Methoden und Instmmente des Supply Chain Performance Managements miissen auf eine untemehmensiibergreifende Informationsbasis zuruckgreifen. Die Weitergabe intemer Kosten- und Leistungsdaten an andere Mitglieder der Supply Chain bildet hierfur nicht zwingend eine ausreichende Gmndlage. Vielmehr gilt es, die Relevanz der erhobenen MessgroBen ftir die anderen Kooperationspartner sowie ftir die Supply Chain in toto kritisch zu iiberpriifen. Dies gilt sowohl hinsichtlich ihrer diagnostischen als auch ihrer interaktiven, d.h. steuerungsbezogenen, Eigenschaflen. Zudem besteht
Vgl. zum Performance Measurement in Supply Chains Kapitel 3.1.3.3, zum Netzwerkcontrolling Kapitel 3.3.3 sowie zum Supply Chain Controlling Kapitel 3.3.4. Vgl. Otto/Stolzle (2003), S. 8, Weber et al. (2003a), S. 106, Pfohl (2004), S. 203-204. Vgl. z.B. Weber et al. (2003a), S. 106, Ebner (1997), S. 125-145. ' Vgl. zu den ersten beiden Punkten der folgenden Aufzahlung StSlzle et al. (2001), S. 80. Bacher (2004), der einer rationalitatssicherungsorientierten Controllingkonzeption folgt, leitet Anforderungen an Instrumente des Supply Chain Controllings aus Supply Chain-spezifischen Rationalitatsengpassen ab (vgl. Bacher (2004), S. 167). Diese weisen jedoch eher den Charakter von Aufgaben als von Anforderungen auf und wurden deshalb bereits in Abbildung 47 in Kapitel 3.3.4 berucksichtigt.
4.3 Inhaltliche und methodisch-instrumentelle Ausgestaltung
235
in komplexen Supply Chains die Notwendigkeit, neue Kennzahlen zu bilden, welche bereits per definitionem untemehmensubergreifende Sachverhalte abbilden.^^^ • Struktureller Anpassungsbedarf: Durch strukturelle Modifikationen gilt es, die Einsetzbarkeit von Methoden und Instrumenten in der Supply Chain sicherzustellen. Dies kann beispielsweise durch eine hierarchische Anordnung von Steuerungsebenen gewahrleistet werden, die Aufgaben mit unterschiedlicher strategischer Relevanz oder unterschiedlicher „Reichweite" in der Supply Chain (z.B. Akteurs-, Beziehungs- oder Supply Chain-Ebene) voneinander abgrenzen.^"^ Des Weiteren kann ein modularer Aufbau, welcher das Ein- und Ausblenden von Funktionalitaten erlaubt, die Anpassungsfahigkeit bzw. Flexibilitat des Instruments (z.B. an unterschiedliche Akteurskonstellationen oder branchenspezifische Prozessanforderungen) erhohen.*^^ Die gewahlten Strukturelemente sind dabei sachlogisch und/oder rechnerisch zu verbinden, um Ursache-Wirkungsbeziehungen bzw. Zielkonflikte transparent zu machen. • Prozessualer Anpassungsbedarf: Aufgrund des Fehlens einer hierarchisch legitimierten Fiihrungsinstanz in der Supply Chain ist der Prozess von Planung, Implementierung, Evaluation und dynamischer Anpassung von Methoden und Listrumenten an die Anforderungen des Supply Chain Performance Managements anzupassen. Dabei gilt es, neben den strategischen Zielsetzungen auch die Anforderungen der existierenden Supply ChainProzesse starker ZM beachten.^^ Dazu mussen Steuerungsengpasse, die sich aus einer Analyse der Ist-Prozesse ergeben, ebenso bei der Bildung neuer MessgroBen berucksichtigt werden wie die strategischen Zielsetzungen der beteiligten Untemehmen.*^^ Hinsichtlich der Ausgestaltung des Implementierungsprozesses sind die oben genannten Durchfuhrungs- und Durchsetzungsaufgaben instrumentell zu unterstutzen, Im Rahmen der operativen Steuerung steht neben der Durchfiihning des eigentlichen Messprozesses die kontinuierliche Uberarbeitung des Instrumentenbaukastens im Vordergrund. Die Durchsetzungskomponente zielt auf die Motivation nicht weisungsgebundener Akteure (z.B. durch die Etablierung untemehmenstibergreifender Anreizsysteme) ab. Schliefilich ist die Eignung eines Performance Management-Instruments auch vor dem Hintergrund des jeweiligen Entwicklungsstands der Kooperations- bzw. Supply Chain-Beziehung(en) zu evaluieren
'"• VgLKapitel 3.1.3.2. '^^ Im Ansatz von Erdmann (2003), S. 180, kommt dies deutlich zum Ausdruck. Sein Referenzmodell beinhaltet eine Reihe von hierarchisch angeordneten Ebenen. An oberster Stelle steht die netzwerkorientierte Supply Chain-Ebene, gefolgt von der Supply Chain-Segment-Ebene, der Untemehmensebene, der Funktionsbereichsebene und schliefilich der Arbeitsplatzebene. Fraglich erscheint jedoch, ob ein interorganisationales Performance Measurement, dessen Ziel im Kern die Steuerungsunterstutzung untemehmenstibergreifender Beziehungen und Austauschprozesse darstellt, einem derartig allumfassenden Anspruch gerecht werden kann und soil. ^^^ Vgl. etwa Jehle/Stullenberg (2001). ^^ Vgl. auch die Forderung nach einer starkeren Prozessorientierung des Performance Measurements in Supply Chains in Kapitel 3.1.3.2. '"^ Vgl. Weber/Schaffer (2000), S. 41.
236
4 SCPM als interorganisationale Steuerungskonzeption
und an die dynamische Entwicklung dieser Beziehungen anzupassen.'^ In der Planungsund Initiienmgsphase stehen etwa Aufgaben der Informationsversorgung im Mittelpunkt, wahrend in der Betriebsphase die Unterstutzung der Supply Chain-Fiihrung durch koordinierende Instmmente an Bedeutung gewinnt/^^ Vor dem Hintergrund der genannten Anpassungsbedarfe gilt es, potenzielle Methoden und Instrumente aufzugreifen und auf ihr Einsatzpotenzial in der SCPM-Konzeption zu untersuchen. Dabei sind zwei Kategorien von Instrumenten zu unterscheiden: • Integrierte Instrumente zur Unterstutzung des primaren Steuerungskreislaufs: Diese Instrumente dienen vomehmlich der ablauforientierten Unterstutzung des Performance Management-Prozesses und beziehen sich auf den primaren Steuerungskreislauf Da sie den Aufgabenbereich des Performance Managements moglichst umfassend abdecken sollen, sind hinsichtlich der Erfullung der oben angefuhrten Anpassungsbedarfe vergleichsweise hohe Anforderungen an diese Instrumente zu stellen. Durch die Einbeziehung planungs- und implementierungsbezogener Aufgaben streben sie vomehmlich eine moglichst ex ante erfolgende - Koordinationsbedarfsreduzierung in der Supply Chain an.'°^ Als vorrangige Vertreterin dieser Kategorie riickt insbesondere die Balanced Scorecard ins Blickfeld, die in der relevanten Literatur bereits erste Anpassungen an den Supply Chain-Kontext erfahren hat.'^ • Fokussierte Instrumente zur Unterstutzung des sekundaren Steuerungskreislaufs: Die hierbei angesprochenen Instrumente beziehen sich vor allem auf spezifische Aufgaben innerhalb des sekundaren Steuerungskreislaufs der SCPM-Konzeption. Die Performance Measurement-Phase nimmt vomehmlich begleitende und untersttitzende Aufgaben - wie beispielsweise die Entwicklung und Implementienmg eines kennzahlengestutzten Messsystems Oder die Versorgung mit steuerungsrelevanten Informationen - wahr. Insofem konmien als Suchfeld fur die Auswahl geeigneter Instmmente partiell auch die bereits diskutierten ControUingansatze in Frage.'*" Nachfolgend werden ausgewahlte Instmmente des Supply Chain Performance Managements vorgestellt und an das Anfordemngsprofil angepasst. Die Struktur der Ausfiihrungen folgt Vgl. zur dynamischen Betrachtung partnerschaftlicher Lieferantenbeziehungen z.B. StQlzle/Korte (2003), Abschnitt 2.4.2, S. 2, die fur den „Lieferantenlebenszyklus", d.h. fur die Dauer einer Lieferantenbeziehung die Unterscheidung von Anbahnungsphase, Ausreifungsphase und Degenerationsphase vorschlagen. '"^ Vgl. Zimmeraiann (2003), S. 97. Vgl. zur Unterscheidung koordinationsbedarfsreduzierender und koordinationsbedarfsdeckender Instrumente Borchert (2001), S. 133. ^^ Vgl. die ausfiihrliche Diskussion zur Supply Chain-BSC in Kapitel 4.3.2.1. Neben der Supply Chain-BSC kommen prinzipiell auch andere Instrumente fur eine Anwendung im primaren Steuerungskreislauf des SCPM in Frage, deren nahere Betrachtung den Rahmen der vorliegenden Arbeit jedoch sprengen wurde. Zu priifen ware z.B. eine Anwendung der Performance Pyramid (vgl. McNair (1990), Lynch/Cross (1995)). Diese weist neben Kennzahlen in unterschiedlichen Messdimensionen auch ansatzweise Charakteristika eines Managementkonzepts auf, da sie eine regelkreisartige Verkniipfung unterschiedlicher Messaktivitaten (sog. „Performance Loops") vorsieht. Vgl. insbesondere die genannten Instrumente zum Logistikcontrolling (Abbildung 45), Kooperations- und NetzwerkcontroUing (Abbildung 46) sowie zum Supply Chain Controlling (Abbildung 47).
4.3 Inhaltliche und methodisch-instrumentelle Ausgestaltung
237
dabei der Unterscheidung von integrierten und fokussierten Instrumenten. Aufgrund des hoheren Managementanspruchs und der groBeren Relevanz fur die SCPM-Konzeption fallt die Diskussion der integrierten Instrumente vergleichsweise ausfuhrlicher aus. 4.3.2.1. Die Supply Chain-BSC als integriertes Instrument des SCPM Zur methodisch-instrumentellen Unterstutzung des primaren Steuerungskreislaufs des Supply Chain Performance Managements erscheint insbesondere die Balanced Scorecard geeignet."^ Die BSC hat mit ihrer zunehmenden Etablierung in Forschung und Praxis eine Wandlung von einem ausgewogenen Kennzahlensystem hin zu einem integrierten und phasenorientierten Managementinstrument erfahren.^^^ Kaplan/Norton (1996) konzipieren etwa einen phasenorientierten Managementprozess, im Rahmen dessen die Balanced Scorecard zur strategischen Neuausrichtung des gesamten Untemehmens beitragen soU.^*^ Dieser regelkreisartige Prozess beinhaltet (a) das Herunterbrechen der Untemehmensvision auf konsensfahige Strategien, (b) die Verkniipfting strategischer Ziele und Mafinahmen und deren Kommunikation im Untemehmen, (c) die Planung von operativen Zielen und die Abstimmung strategischer Initiativen sowie (d) die Verbesserung von strategischem Feedback und Lemen.*^"^ Dieser Prozess entspricht in seinen Grundzugen dem primaren Steuerungskreislauf der SCPMKonzeption. Aus prozessualer Sicht scheint die Balanced Scorecard somit ex ante eine gute Ubertragbarkeit auf das Supply Chain Performance Management aufzuweisen. Dariiber hinaus liegen forschungsseitig Vorschlage zur Anpassung der Balanced Scorecard an das Supply Chain Management (Supply Chain-BSC) vor. Einige darunter konzentrieren sich auf eine inhaltliche Anpassung im Sinne der Berucksichtigung untemehmensUbergreifender MessgroBen in der urspriinglichen BSC, ohne den BSC-Ansatz konzeptionell anzupassen.'*^ Andere Ansatze beinhalten neben den inhaltlichen Erganzungen auch strukturelle Anderungen, die sich schwerpunktmSBig auf eine Erweiterung des klassischen 4-Perspektiven-
Vgl. zur den allgemeinen Charakteristika der Balanced Scorecard Kapitel 3.1.2.2. "^ Vgl. Kaplan/Norton (1997), Kaplan/Norton (2001a) sowie Kaplan/Norton (2001b). ^'^ Uber die Implementierung der Balanced Scorecard soil letztlich das Ziel einer sog. „strategiefokussierten Organisation" erreicht werden, vgl. Kaplan/Norton (1996), S. 77. Vgl. vertiefend die Erlautenmgen zu den einzelnen Phasen bei Kaplan/Norton (1997), S. 10-11, Kaplan/Norton (2001a) sowie Kaplan/Norton (2001b). In dieser oder ahnlicher Form werden die genannten Managementaufgaben auch von anderen Autoren aufgegriffen. Vgl. z.B. Aguilar (2003), S. 46, der funf ,Ja-itische Dimensionen des Performance Managements" unterscheidet: (a) Strategic Planning, (b) Performance Measurement, (c) Integrated Business Planning, (d) Management Reporting sowie (e) Organizational Culture and Reward Systems. Vgl. ahnlich auch Anthony/Govindarajan (2003), S. 500-502. ^^^ Dabei nehmen die meisten Autoren die Perspektive eines Einzelakteurs ein, der seine Supply ChainAktivitaten mittels einer BSC steuem will. Eine kooperative Abstimmung von Inhalten und Struktur der BSC wird dabei meist nicht adressiert, vgl. z.B. Mayer (2002), S. 250-254, oder Werner (2000a) und (2000b). Vgl. auch Bomheim/Stiillenberg (2002), z.B. S. 288, die zwar eine Kooperationsperspektive einfuhren, diese jedoch ebenfalls nur aus Akteurssicht beschreiben.
238
4 SCPM als interorganisationale Steuerungskonzeption
Aufbaus beziehen sowie teilweise Adaptionen hinsichtlich des Implementierungsprozesses und der Institutionalisierung der BSC vomehmen (vgl. Abbildung 54).^*^ Autor(en)
InhaltUche Anpassungen
Brewer/Speh (2000), Mayer (2002), Werner (2000a&b),
- (Einzelne) untemehmensiibergreifende Kennzahlen
Zimmermann (2002), Erdmann (2003), Jehle et al. (2002), Schweier (2004), Bomheim/Stiillenberg (2002), Drews (2001),
- Untemehmensiibergreifende Kennzahlen, z.B. Gesamtbestande in der Supply Chain
Otto (2002)
- EVA als finanzielle Spitzenkennzahl der Supply Chain
Stnikturelle Anpassungen
- Hierarchisierung von Scorecards auf unterschiedlichen Supply ChainEbenen - Kooperationsperspektive (meist zusatzlich zu klassischen Perspektiven) - Vier neue Perspektiven: Datennetz, institutionelles Netz, soziales Netz, Giiternetz
Weber/Bacher/Groll (2002b), - Kennzahlen zu IntensitSt Bacher (2004) (z.B. ausgetauschte Daten) u. Qualitat (z.B. Vertrauen, Zufiriedenheit) der Kooperationsbeziehung
- Kooperationsqualitats- statt Kundenperspektive und Kooperationsintensitatsstatt Lemperspektive
Stolzle/Heusler/Karrer (2001), Heusler (2004), Ackermann (2003)
- Lieferantenperspektive (zusatzlich zu den anderen Perspektiven)
Abbildung 54:
Prozessuale Anpassungen
- Untemehmensiibergreifende Kosten- und Leistungstreiber (z.B. Cash-to-CashCycle, Total Cycle Time filr Material-, Waren und Informationsfluss)
- Heusler. Einrichtung einer Implementierungsperspektive
- Implementierung uber Top-DownBottom-UpVorgehen
Ausgewdhlte Ansdtze zur Anpassung der BSC an das Supply Chain Management
Die inhaltliche Anpassung des BSC-Ansatzes erfordert eine Neuausrichtung der Zielsetzungen der einzelnen Scorecard-Perspektiven sowie eine Erweitenmg des Kennzahlenportfolios um untemehmensubergreifende MessgrSBen.''^ In der Finanzperspektive werden die Kostenund Leistungstreiber der Supply Chain in ihren finanziellen Auswirkungen auf das gesamte strategische Netzwerk sowie auf einzelne Segmente (z.B. dyadische Beziehungen, Einzelakteure) ergebnisorientiert zusammengefuhrt. Neben der Realisiening von Kostenzielen in der Supply Chain''* ist dabei insbesondere auch die Gestaltung des untemehmensubergreifenden
Die folgenden Ausfuhningen greifen dabei vor allem auf die AnsStze von StQlzle et al. (2001) - unter Einbeziehung der Erweiterungen und Aktualisierungen bei StSlzle/Karrer (2003), S. 74-79 - sowie von Weber et al. (2002b) - unter Einbeziehung der Erweiterungen und Aktualisierungen bei Weber et al. (2002c), Weber et al. (2003) sowie Bacher (2004), S. 249-257 - zurttck. Diese Autorenteams formulieren sowohl aus inhaltlicher als auch aus struktureller Sicht fur die Supply Chain-BSC vergleichsweise tief greifende Anpassungsvorschlage, die vor dem Hintergrund der vorliegenden Arbeit besonders relevant erscheinen. Vgl. zum Ansatz von Stolzle et al. (2001) auch die Ausfiihrungen bei Zimmermann (2003), S. 122. Vgl. zu den folgenden Ausfiihrungen zur inhaltlichen Anpassung, falls nicht anders angegebenen, Stolzle et al. (2001), S. 80-82. ^ Vgl. Werner (2000a), S. 14.
4.3 Inhaltliche und methodisch-instrumentelle Ausgestaltung
239
Finanzflusses zu bemcksichtigen. Die bereits diskutierte Kennzahl „Cash-to-Cash-Cycle" kann beispielsweise dafiir eingesetzt warden, bereits vor der Aufhahme eines neuen Supply Chain-Mitglieds die Konsequenzen fur die „Lange" des Finanzflusses der Supply Chain zu analysieren.^*^ In der Kundenperspektive steht das Supply Chain Management-Postulat der Endkundenorientierung im Vordergrund. Dieses gilt es nicht nur im marktnahen Untemehmen, sondem auch in weiter stromaufwarts angesiedelten Wertschopfungsstufen zu beriicksichtigen, z.B. uber die Integration von POS-Daten in umsatzbezogene Kennzahlen der Supply Chain-BSC. Uber Kennzahlen aus dem Key-Accounting wie „Deckungsbeitrag pro Kunde" oder die Ergebnisse einer rentabilitatsorientierten Kunden-ABC-Analyse konnen Entscheidungen zur Kundfenauswahl sowie zur anzustrebenden Integrations- und ManagementintensitSt auf ihre monetaren Auswirkungen hin untersucht werden. Ebenfalls einen starken Finanzbezug enthalt die MessgroBe „customer value ratio"^^'', welche die vom Kunden wahrgenommenen Performancedimensionen (insbes. die genannten Servicekomponenten) in Relation zu den auflragsbezogenen Kosten stellt.^^^ Als am starksten integrierte MessgroBe kann die Kennzahl „Perfect Order" herangezogen werden, die eine Reihe von leistungsprozessbezogenen Indikatoren (z.B. zum Auftragsabwicklungsprozess, zum Warenfluss, zum Informationsaustausch) zu einer kundenbezogenen Spitzenkennzahl verdichtet.^^^ Die Ziele der Prozessperspektive sind auf die relevante Steuerungsebene der untemehmensubergreifenden Supply Chain auszudehnen. Neben Logistikprozessen gilt es dabei auch, die im Supply Chain Management-Konzept verankerten Supportprozesse, wie z.B. der Auftragsabwicklungsprozess, abzubilden. Aus koordinationsorientierter Sicht kann die Supply ChainBSC die Identifikation von „Kemprozessen" der Supply Chain und die Entscheidung, wie intensiv diese Prozesse mit den Supply Chain-Partnem harmonisiert werden soUen, unterstutzen. Als exemplarische MessgroBe der Prozessperspektive greifen Stolzle et al. (2001) die „Supply Chain Cycle Time"^^^ auf. Sie vergleicht die „wertschopfende" Zeit der Supply Chain mit der Gesamtdurchlaufzeit, identifiziert Prozessabschnitte mit geringer Wertschopfung (z.B. Liegezeiten) und zielt somit auf eine Steigerung der Gesamteffizienz des Netzwerks ab. Die inhaltliche Anpassung der Lem- und Entwicklungsperspektive hat dem dynamischen Charakter des Supply Chain Managements Rechnxmg zu tragen. Durch die Berucksichtigung weiterer Fnihindikatoren (z.B. Ausgabenentwicklung fur Forschung und Entwicklung in der Supply Chain, Anteil neuer Produkte am Produktportfolio) wird die Flexibilitat im Sinne der „Zukunftsfahigkeit" der Supply Chain-Mitglieder unter Beobachtung gestellt. Die Kennzahl
**^ Vgl. Brewer/Speh (2000), S. 90. Customer value ratio (CVR) = Note der Kundenzufriedenheitsanalyse / Kosten pro Auftrag. ^^' Vgl. Brewer/Speh (2000), S. 87. ^^^ Als Treiber der Perfect Order-MessgroBen konnen beispielsweise Produktverfugbarkeit, Fehlerhaufigkeit bei der Auftragsannahme, Kommissioniergenauigkeit, zeitgerechte Lieferung, Produktqualitat, Rechnungsgenauigkeit oder die Servicequalitat bei Kundenanfragen beriicksichtigt werden. Vgl. Lapide (2001), S. 292. ^^^ Vgl. Brewer/Speh (2000), S. 87.
240
4 SCPM als interorganisationale Steuerungskonzeption
„Anzahl ausgetauschter DatensStze**^^"* misst z.B. den Grad der informatorischen Vemetzung zwischen den Supply Chain Partnem und gibt dadurch einen Anhaltspunkt fur den Fortschritt der Beziehungsintensitat.'^^ Hinsichtlich der Dynamik von Supply Chain Prozessen ist Ebenfalls die Kennzahl „Product Finalization Point" von Nutzen. Sie kann zur Steuerung von Postponement-Strategien verwendet werden, indem der Zeitraum zwischen der endgiiltigen Fertigstellung des Produktes und dessen Auslieferung gemessen wird. Je kleiner dieser Zeitraum ausfallt, umso flexibler kann die Supply Chain auf Nachfrageandeningen reagieren. Im Hinblick auf eine stmkturelle Anpassung der Supply Chain-BSC wird die Einfiihrung einer Lieferantenperspektive vorgeschlagen. Dies ist insbesondere fur die methodischinstrumentelle Untersttitzung auf der Beziehungsebene der Supply Chain von Bedeutung: Argumentiert man aus der Sichtweise eines fokalen Untemehmens in der Supply Chain, konnen mit dieser zusatzlichen BSC-Perspektive die Beziehungen zu „stromaufwarts" gelegenen Stakeholdem (z.B. Lieferanten, Logistikdienstleister, Vorlieferanten) in der Balanced Scorecard abgebildet werden. *^^ Auf der Betrachtungsebene der gesamten Supply Chain wird durch das Zusammenspiel von Lieferanten- und Kundenperspektive eine ausgewogene Beriicksichtigung von „Upstream"- und „Downstream"-Beziehungen in der Supply Chain begunstigt.'^' Ein zweiter Vorteil zeigt sich auf der Einzelakteursebene: Die Integration des ansonsten voneinander isolierten Beschaffimgs- und Vertriebsbereichs in ein gemeinsames Kennzahlensystem begunstigt eine starkere Prozessorientierung der Performancemessung imd erleichtert die Abbildimg typischer Zielkonflikte im Rahmen eines integrierten Anreizsystems.'^« Andere VorschlSge zur Strukturanpassung der Supply Chain-BSC konzentrieren sich auf das untemehmensiibergreifende Beziehungsmanagement. An Stelle der Perspektiven „Kunden" sowie „Lemen und Entwicklung" treten die Perspektiven „Beziehungsintensitat" sowie „Beziehungsqualitat". Erstgenannte setzt sich die Messung der „harten" Faktoren der Beziehung zum Ziel, worunter der (elektronische) Informationsaustausch (z.B. Quantitat und Qualitat ausgetauschter DatensStze) oder die Abstinmiungsintensitat (z.B. Anzahl gemeinsamer Sitzungen) verstanden wird. Zweitgenannte bezieht sich auf die grundlegende Qualitat der Beziehung aus Sicht der beteiligten Partner und beinhaltet Indizes zu Zufriedenheit, Vertrauen oder KonfliktlosungsfShigkeit.^^'' Die EinMirung allgemein beziehungsbezogener
Vgl. Brewer/Speh (2000), S. 89. Eine vergleichbare Kennzahl ist der Anteil der mittels EDI angebundenen Supply Chain Partner. ' Vgl. zur ausftihrlicheren Benicksichtigung der Beziehungsintensitat den Ansatz von Weber et al. (2002c). ' Kaplan/Norton (1997), S. 33-34, verwenden in diesem Zusammenhang den Begriff der ,JCey Stakeholder", deren Interessen es im Rahmen der Balanced Scorecard ausgewogen zu berucksichtigen gilt. Vgl. auch Atkinson et al. (1997), S. 27. Damit wird eine deutliche Ausrichtung der Balanced Scorecard auf den speziellen Steuerungsbedarf in Supply Chains erzielt, als mittels einer allgemeinen Kooperationsperspektive, wie sie z.B. von Erdmann (2003), S. 183, Oder Bomheim/Stullenberg (2002), S. 287, vorgeschlagen wird, mSglich ware. ^ Vgl. Stolzle/Karrer (2002), S. 78. ^ Vgl. Weber et al (2002b), S. 138, Bacher (2004), S. 252. Die Kundenperspektive wird dabei mit dem Argument ausgeblendet, dass diese im Rahmen einer Supply Chain-Sichtweise nicht zwingend notwendig
4.3 Inhaltliche und methodisch-instrumentelle Ausgestaltung
241
BSC-Perspektiven erscheint insbesondere fur den Fall relevant, wenn kein fokales Untemehmen lokalisiert werden kann und damit keine klare Zuordnung von Upstream- bzw. Downstream-Stakeholdem moglich ist. Die prozessuale Anpassung bezieht sich auf Anpassung der Balanced Scorecard an die Anforderungen des primaren Steuerungskreislaufs des Performance Managements. Dabei sind vor allem im Hinblick auf die Implementiemngsphase Adaptionen vorzunehmen: Zunachst erscheint auf Grund der hohen Bedeutung der Prozessorientierung im SCM-Konzept eine verstarkte Berucksichtigung dieses Aspekts bei der Implementierung der BSC angemessen. Dazu ist das typische Top-down-Vorgehen, bei welchem Zielvorgaben, MessgroBen und Mafinahmenpakete aus einer iibergeordneten Strategie schrittweise abgeleitet werden, zu dem in Kapitel 3.1.3.2 bereits kurz angesprochenen Gegenstromverfahren auszubauen, bei welchem die aktuelle Prozesssituation in die BSC-Gestaltung einfliefit.^^^ Ein weiterer Anpassungsvorschlag, der sich auf die Ausgestaltung des Implementierungsprozesses bezieht, sieht die Bildung einer temporSren Implementierungsperspektive der Supply Chain-BSC vor.*^^ Mit dieser vorubergehenden Anpassung der BSC-Struktur*^^ durch Einrichtung einer Implementierungsperspektive soUen Ziele und MessgroBen, welche sich auf Zeit-, Qualitats- und Akzeptanzziele der Implementierung beziehen, abgebildet und systematisch iiberwacht werden.^^^ Nach erfolgter erstmaliger Implementierung der BSC geht die Implementierungsperspektive in die Lem- und Entwicklungsperspektive uber.^^"* Abbildung 55 zeigt eine schematische Darstellung der Perspektivenstruktur einer Supply Chain-BSC unter Berucksichtigung der diskutierten strukturalen und prozessualen Adaptio-
sei, „da in den meisten Fallen nur der Endproduzent eine Schnittstelle zum Endkunden hat und die Kimdenbeziehung kontroUiert", vgl. Bacher (2004), S. 253. Dies ist jedoch kritisch zu sehen, da das Supply Chain Management-Konzept eine starkere Endkundenorientierung insbesondere auch in marktfemen Supply ChainStufen anstrebt. Dieses auch als „Top-Down-Bottom-Up-Vorgehen" bezeichnete Verfahren spielt insbesondere bei der Ableitung von Supply Chain-spezifischen MessgroBen eine zentrale Rolle und wird daher im Rahmen der methodisch-instrumentellen Unterstiitzung des sekundaren Steuerungskreislaufs emeut aufgegriffen. Vgl. zur Forderung nach einer starkeren Prozessorientierung des Performance Measurements im Supply ChainKontext Kapitel 3.1.3.2. ^^^ Vgl. Heusler (2004), S. 329-331. Da es sich um eine temporare Strukturanderung handelt, die hauptsachlich auf den Implementierungsprozess abstellt, wird sie hier im Rahmen der prozessualen Anpassung der Supply Chain-BSC vorgestellt. Zur Abbildung des Zeitziels kann beispielsweise ein Plan/Ist-Vergleich fur die Dauer des Rollouts der Supply Chain-BSC-Einfuhrung herangezogen werden. Das Qualitatsziel spiegelt sich beispielsweise in der inhaltlichen Konsistenz des Performance Management-Instrumentariums wider und kann beispielsweise uber die Anzahl von Uberarbeitungsschleifen, die fur die Erstellung von Kennzahlendefmitionsblattem notwendig sind, messbar gemacht werden. Das Akzeptanzziel ist unmittelbar mit der Implementierungskompetenz eines Untemehmens, zu welcher auch die Fahigkeit zur Uberwindung intemer Widerstande gegen Implementierungsobjekte zahlt, verbunden. Vgl. hierzu Heusler (2004), S. 245. ^^"^ Vgl. Heusler (2004), S. 331.
242
4 SCPM als interorganisationale Steuemngskonzeption
^-^
ftir das SCM
Beziehungen
I
'r Lieferanten i
k
4-4
Finanzen
^ 4-»
Kunden
^
I ¥
Supply Chain Prozesse
¥
Lemen und Entwicklung
t — -¥
Abbildung 55:
i—
f —
Schematische Perspektivenstruktur einer Supply Chain-BSC Quelle: in Anlehnung an Heusler (2004), S. 329 sowie Stolzle et al (2001), S. 81
Die Ableitung von Ursache-Wirkungsbeziehungen zwischen den einzelnen Perspektiven der Supply Chain-BSC, die in Abbildung 55 nur schematisch dargestellt sind, fallt in den Aufgabenbereich der Performance Measurement-Phase der SCPM-Konzeption. Demzufolge wird dieser Aspekt im Rahmen der Diskussion fokussierter bistnimente emeut aufgegriffen und naher ausgefuhrt.'^^ An dieser Stelle sei lediglich auf die hohen Anforderungen, die an die Bildung von Ursache-Wirkungsbeziehungen im Supply Chain-Kontext zu stellen sind, hingewiesen: Anders als bei einer untemehmensbezogenen Betrachtung, wo die Verdeutlichung der Kausalzusammenhange zwischen Sachzielen und Formalzielen (z.B. Wertsteigerungszielen) innerhalb eines geschlossenen Zielsystems im Vordergrund steht, sind bei einer Supply Chain-BSC zusStzlich die Wirkungsbeziehungen zwischen den Aktivitaten einzelner Supply Chain-Akteure und deren Konsequenzen fur andere Akteure bzw. fur die Supply Chain als Ganzes abzubilden. Da dies erhohte Anforderungen an die Komplexitatsbewaltigung stellt, ist es noch starker als auf der Untemehmensebene von Bedeutung, nur ausgewahlte Ursache-Wirkungsbeziehungen zu betrachten und untemehmensiibergreifend abzustimmen. Eventuell bereits vorhandene, bilaterale Verkntipfungen von Performance Measurement-Systemen aus bestehenden Kooperationsbeziehungen konnen dabei als Ausgangspunkt ftir die Anbindung weiterer Supply Chain-Teilnehmer genutzt werden. Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass die Supply Chain-BSC unter Beriicksichtigung der genannten Anpassungen geeignet erscheint, den primSren Performance Management-Prozess abzubilden und zu unterstutzen. Sie gibt somit einen methodisch-instrumentellen Rahmen vor, in welchen sich weitere, starker fokussierte Instrumente einordnen lassen.
' Vgl. die Strategieanbindung mittels Target Maps in Kapitel 4.3.2.2, insbesondere Abbildung 60.
243
4.3 Inhaltliche und methodisch-instrumentelle Ausgestaltung 4.3.2.2. Fokussierte Instmmente zur Unterstutzung des SCPM
Uber die ablauforientierte Abbildung bzw. Strukturierung des Supply Chain Performance Managements hinaus sind Methoden und Instmmente zur Unterstutzung von Aufbau, Einftihrung und Betrieb eines kennzahlengestiitzten, untemehmensubergreifenden Messsystems bereitzustellen. Die nachfolgenden Ausfuhrungen beziehen sich somit auf die Ausgestaltung der einzelnen Aufgaben innerhalb der Performance Measurement-Phase. Die dort verankerten Instmmente sind tiber die genannten Kontrollregelkreise mit den Managementphasen der SCPM-Konzeption verbunden (vgl. Abbildung 56).
Supply ChainBSC zur Unterstutzung des primaren SCPMKreislaufs
- Supply Chain Map
-^g^^^x^^^i - Netzwerkleitbild - Strategleportfolio - Target Map
- Kennzahlenkataloge - Kennzahlenhierarchie
- Vorgehensmodell - Logistlkkosten- und Leistungsrechnung zur sachbez. Im- Supplier/Customer plementierung Lifetime Value - Kompetenzprofil zur verhaltensbez. - Nutzwertanalyse Implementierung
Exemplarische Methoden und Instrumente zur Unterstutzung des sekundSren SCPM-Kreislaufs Abbildung 56:
Verortung ausgewdhlter Methoden und Instrumente in der SCPM-Konzeption
Ausgestaltung der Supply Chain-Visualisierung Im Rahmen der Supply Chain-Visualisiemng konnen sog. Supply Chain Maps als Instmmente zur Kartiemng des strategischen Netzwerks herangezogen werden.^^^ Die Erstellung einer Supply Chain Map stellt einen ersten Schritt zur Erreichung eines gemeinsamen Gmndverstandnisses der Supply Chain unter den beteiligten Akteuren dar. Sie untersttitzt die Supply Chain-Konfiguration durch die Schaffung von Transparenz uber relevante „Aste" des Netzwerks.^^'' Da die Kartiemng primar der Abbildung des Status quo der Supply Chain dient, kommt ihr somit vor allem eine Informationsversorgungsftinktion im Rahmen der SCPMKonzeption zu.'^^
' Vgl. Gardner/Cooper (2003), die unterschiedliche Arten von Supply Chain Maps vorstellen. Vgl. auch Bacher (2004), S. 178-180, sowie Kaufmann/Germer (2001), S. 182-184. Vgl. hierzu auch die Wirkungsrichtung der Supply Chain-Visualisierung in Abbildung 56. ' Vgl. ahnlich Bacher (2004), S. 178.
244
4 SCPM als interorganisationale Steuerungskonzeption
Zur Erstellung einer Supply Chain Map kann auf Ansatze der Geschaftsprozessmodellierung bzw. auf einschlagig bekannte Techniken zur Erstellung von Flussdiagrammen zunickgegriffen werden/^' Diese sind durch eine Verandenmg ihrer Semantik (z.B. eine Supply Chainspezifische Symbolik) an den Supply Chain-Kontext anzupassen. Weitere Impulse geben bereits vorliegende, prozessorientierte Referenzmodelle des Supply Chain Managements wie z.B. das SCOR-Modell, da diese standardisierte Prozesselemente fur die Kartierung von Supply Chains beinhalten.''*® Als zentrale Bausteine einer Supply Chain Map sind Stmktur- und Prozesselemente zu differenzieren. Erstgenannte lokalisieren die beteiligten Partnemntemehmen bzw. - bei hoherem Detaillierungsgrad - auch ProduktionsstStten, Abladestellen oder Umschlagspunkte im Netzwerk. Die Anzahl der abgebildeteten Strukturelemente erlaubt erste Riickschlusse auf die Steuerungskomplexitat der Supply Chain. Die genaue Funktionsweise des Netzwerks wird jedoch erst bei Betrachtung der Prozesselemente deutlich. Grundsatzlich sind dies die Material- und Waren-, Informations- sowie Finanzfliisse in der Supply Chain. ^"^^ Um die Aussagekraft der Supply Chain Map zu erhohen, konnen die Prozesselemente kriteriengestutzt ausdifferenziert werden: Die
IntensitSt einer Verbindung (z.B. der Umsatzanteil
einer
Lieferbeziehung) verdeutlicht die strategische Relevanz einer bestimmten Beziehung in der Supply Chain. In Kombination mit der Anzahl der Verzweigungen lassen sich daraus Ruckschliisse auf einzusetzende Sourcing- oder Distributionsstrategien ziehen. Eine Erfassung des Automatisierungsgrads einer Verbindung (z.B. der Anteil an EDI-Verbindungen) kann zur Untersuchung der AktualitSt und Giite des Informationsflusses sowie zur Lokalisierung von transaktionskostenintensiven Austauschbeziehungen beitragen. Im Hinblick auf die einzusetzende Steuerungsform (z.B. hierarchische, heterarchische Steuerung oder Kontextsteuerung) erscheint zudem die Abbildung der Machtverhaltnisse in der Beziehung (sofem ermittelbar) zweckmaBig. Insgesamt ist durch die wertende Abbildimg der Supply Chain-Prozesse die Identifikation eines oder mehrerer kritischer Pfade innerhalb des Netzwerks moglich. Innerhalb des kritischen Pfads werden neuralgische Punkte (wie z.B. Schnittstellen im Materialfluss, VerantwortungsiibergSnge) identifiziert, auf welche sich eine anschliefiende kennzahlengestutzte Performancemessung konzentriert.'"*^ Auf diese(n) fokussieren sich die weiteren Steuerungsaktivitaten des Performance Managements. Abbildung 57 gibt eine exemplarische Landkarte einer mehrstufigen Supply Chain wieder und ordnet den genannten Prozesselementen eine einheitliche Symbolik zu.
Die in allgemeinen Flussdiagrammen eingesetzte Symbolik (z.B. Start-ZEndpunkte [Ovale], Operationen [Rechtecke] oder Verzweigungen bzw. Entscheidungen [Rauten]) sind nach DIN 66001 genormt, vgl, Stahlknecht/Hasenkamp (2005), Anhang 9a. '"^^ Vgl. zum SCOR-Modell Kapitel 2.1.3, insbesondere Abbildung 9. ^"^^ Aufgrund der besseren Erfassbarkeit bilden dabei Mufig die Material- und Warenflusse das Ruckgrat einer Supply Chain Map. Vgl. Stelzle (2002b), S. 17. Diesbeziigliche Uberlegungen werden unter anderem in der Literatur zum Supply Chain Controlling aufgegriffen, vgl. Kapitel 3.3.4.
4.3 Inhaltliche und methodisch-instmmentelle Ausgestaltung
Materiatfluss zwischen Supply Chain-Akteuren
Intensltat der Verbindung (z.B. Volumen des Materialflusses)
1 zu n-Beziehung
Elektronlscher Infomnationsfluss zwischen Akteuren (EDI)
nzu 1-Beziehung
Machtgefaile der Verbindung
245
Kritischer Pfad In der Supply Chain
Abbildung57:
Abbildung kritischer Pfade in der Supply Chain mit Supply Chain Maps Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Gardner/Cooper (2003), S. 57
Ausgestaltung der Strategieanbindung Die anschlieCende Aufgabe der Strategieanbindung konzentriert sich auf die Abbildung einer konsensfahigen Supply Chain-Strategie sowie deren Kommunikation innerhalb der Supply Chain. Dabei ist die im Rahmen der Supply Chain-Visualisierung erzielte Momentaufhahme von Struktur und Prozessen des Netzwerks am Anforderungsprofil der kooperierenden Untemehmen zu spiegeln. Zunachst gilt es, einen strategischen Grundkonsens uber Vision und Mission der Supply Chain herzustellen. Auf der Ebene des einzelnen Untemehmens liegen hierzu Erfahrungen mit Leitbildem bzw. „Mission Statements" vor. Sie vermitteln eine einheitliche Auffassung der grundsatzlichen Werte des Untemehmens, erhohen die Entscheidungseffizienz durch eine Verringerung strategischer WahlmSglichkeiten und erfuUen eine sowohl untemehmensinteme als auch -exteme Motivations- und Kommunikationsfunktion.^"*^ Das Grundprinzip der Leitbildentwicklung lasst sich auch auf den Supply Chain-Kontext ubertragen.^"^ Dabei konnen untemehmensspezifische Leitbilder - sofem bereits vorhanden - schrittweise zu bilateralen Kooperationsleitbildem (auf der Beziehungsebene) bzw. im Idealfall zu einem Meta-Leitbild der gesamten Supply Chain (auf der Netzwerkebene) erweitert werden (vgl. Abbildung 58).
Vgl. Welge/Al Laham (2001), S. 106-107. Zum Einsatz von Leitbildem im untemehmensiibergreifenden Bereich, insbesondere in Kooperationen, vgl. Becker (2005). Vgl. auch die Aussagen zur Entwicklung sowie zu Nutzenkomponenten von Leitbildem in Untemehmensnetzwerken, z.B. bei Becker (2005), S. 64-65.
4 SCPM als interorganisationale Steuerungskonzeption
246
Transportiertes, bilaterales Beziehungsleitbild
Transportiertes, bilaterales Beziehungsleitbild
Supply Chain-weites Netzwerkleitbild
Abbildung 58:
Untemehmens-, Beziehungs- und Netzwerkleitbild einer Supply Chain Quelle: Trumpflteller/Hojmann (2004), S. 76, leicht verdndert
Die Moglichkeit zur Bildung eines Supply Chain-Leitbilds ist nicht in alien Supply ChainKonfigurationen gegeben. Insbesondere auf Grund der Doppelmitgliedschaftsproblematik konnen Konflikte zwischen Untemehmensleitbildem bestehen, welche die Ableitung eines Leitbilds mit hoherer Reichweite verhindem.''*^ Zur EinschStzung der Vertraglichkeit von Untemehmensleitbildem bietet sich die Analyse typischer Einflussfaktoren an. Zu diesen zahlen etwa die gmndsatzliche Kompatibilitat der Untemehmenskultur (z.B. Risikoneigung), die Ubereinstimmung von ManagementverstSndnis und -instmmenten (z.B. Perfomiance Measurement-Verstandnis, Nutzung von Anreizsystemen), OfFenheit und Partnerschaftlichkeit (z.B. Opportunismusneigung, Dauer bisheriger Partnerschaften) sowie die Symmetrie von sonstigen Kemmerkmalen (z.B. UntemehmensgroBe, Geschaftssprache, Marktanteile, Technologienahe).''^ Im Anschluss an die Auswahl eines kritischen Pfads der Supply Chain als primarem Steuemngsbereich sowie an die Einigung auf einen strategischen Grundkonsens unter den Supply Chain-Partnem ist die Abbildimg und Gegeniiberstellung altemativer Supply Chain-Strategien anzustreben. Hierzu kann auf die aus dem allgemeinen strategischen Management bekannte Portfoliotechnik zuruckgegriffen werden.''*^ In der Literatur wird etwa die Anwendung eines Beanspmchungs-Belastbarkeitsportfolios im Supply Chain Management empfohlen.^"*^ Als Beanspmchungsfaktoren werden Aspekte wie die geographische Ausdehnung der Supply
Vgl. Trumpflieller/Hofinann (2004), S. 76. ^^ Vgl. Lambert et al. (1999), S. 169, erganzt und erweitert bei Boldt et al. (2004), S. 220-221, sowie Trumpfheller/Hofmann (2004), S. 77. Ublicherweise wird darin eine Umfelddimension (z.B. Marktwachstum oder Marktattraktivitat) mit einer imtemehmensspezifischen Dimension (z.B. relativer Marktanteil oder Wettbewerbsstarke) ins Verhaltnis gesetzt. Vgl. zur Portfoliotechnik im strategischen Management z.B. Hahn/Hungenberg (2001), S. 371-374, sowie Baum et al. (2004), S. 176-180. ^^^ Vgl. Kaufmann/Germer (2001), S. 177-192, vgl. auch Bacher (2004), S. 178-180, sowie Weber (2002b), S. 194-197.
4.3 Inhaltliche und methodisch-instrumentelle Ausgestaltung
247
Chain oder die Machtverteilung genannt.^'*^ Daruber hinaus lassen sich auch aus den genannten Problemfeldem der Dynamik, Intransparenz und Komplexitat Beanspruchungsfaktoren ableiten.^^^ Die Belastbarkeit wird wesentlich durch die material- und informationsflussbezogene Stabilitat der Supply Chain, durch die wirtschaftliche Leistungsfahigkeit der beteiligten Untemehmen sowie durch die Kooperationsintensitat (insbes. das Vertrauensniveau) beeinflusst.^'^ Der Vergleich von Beanspruchung und Belastbarkeit eines Supply Chain-Ausschnitts stellt nur eine von mehreren Moglichkeiten der Portfoliogestaltung dar. Beziiglich der Auswahl potenzieller Portfoliodimensionen kSnnen keine allgemeingultigen Handlungsempfehlungen gegeben werden. Es erscheint jedoch plausibel, bei der Ausgestaltung des Portfolios das dominierende (z.B. branchentypische) Geschaftsmodell der Supply Chain, produkt- oder umfeldspezifische Faktoren sowie die abzubildende Betrachtungsebene (Einzelakteurs-, Beziehungs- oder Netzwerkperspektive) zu beriicksichtigen. Abbildung 59 stellt eine exemplarische Matrix zur Systematisierung von Supply Chain-Strategien aus Sicht eines Logistikdienstleistungsuntemehmens dar.^^^ Als vertikale Dimension wird die „Reichweite" einer Supply Chain-Strategie im Sinne der intemen und extemen Performance herangezogen.'^^ Eine Fokussierung auf die „inteme Performance" entspricht dabei weitgehend der Normstrategie einer „schlanken" Supply Chain, jene der „extemen Performance" der einer agilen bzw. serviceorientierten Supply Chain. Auf der horizontalen Achse wird eine kundenneutrale sowie eine kundenspezifische Supply Chain Performance differenziert. Die Kundenspezifitat einer Supply Chain-Strategie ist fur das beispielhafl herangezogene Logistikdienstleistungsunternehmen von zentraler Bedeutung, um standardisierbare Netzwerkdienstleistungen von individuell „ma6geschneiderten" Kontraktlogistikdienstleistungen abzugrenzen. Mittels der aufgezeigten Performancedimensionen lasst sich ein mehrdimensionales Handlungsfeld aufspannen, welches die Ableitung von vier Normstrategien erlaubt.
'"^ Vgl. zu den Beanspruchungsfaktoren Macht und geographische Ausdehnung Kaufmann/Germer (2001), S. 185. '^^ Vgl. Kapitel 2.2,1.2. Dynamik betriffl beispielsweise die Fluktuation der Mitgliederzahl der Supply Chain oder die Beschleunigung und Flexibilisierung von Supply Chain-Prozessen. Intransparenz stellt insofem einen Beanspruchungsfaktor dar, als die Ziele der beteiligten Akteure und potenzielle Zielkonflikte in Supply Chains meist nicht unmittelbar ersichtlich sind. Komplexitat bezieht sich im Supply Chain-Kontext insbesondere auf die Anzahl der steuerungsrelevanten Wertschopfungsstufen und Akteure sowie den Vemetzungsgrad zwischen den beteiligten Untemehmen. ^^Wgl. Kaufmann/Germer (2001), S. 186. ^^^ Vgl. zu den folgenden Ausfiihrungen insbes. Karrer/Petzold (2004), S. 95-96. Das nachfolgend dargestellte, exemplarische Strategieportfolio weicht von der einschlagigen Markt/Produkt-Portfolio-Technik ab. *" Vgl. Kapitel 3.1.3.1.
248
4 SCPM als interorganisationale Steuerungskonzeption
MarM-/Supply Chain-Position stflrlcen
8 (0 c
i p > u.
8 c
F
^ ^
- Einheitliche Qualit^sstandards schaffen (z. B. im Rahmen von TQM) - Finanzielle Leistungsfdhigkeit kommunizieren (Performance Reporting) - Performance Measurement aktiv zum Vertrauensaufbau mit potenziellen Kunden nutzen
Kundenzufriedenheit erhdiien - Kundenzufriedenheit uber zentrale Key Perfomriance Indicators erfassen (z. B. Perfect Order-Rate) - Performance Measurement-System kundenindividuell ausgestalten (Performance Measurement als Added Value)
Netzwerl(rentabilit« erhdhen
Kundenrentabilitflt erhdiien
- Umlauf- und AnIagevemfiOgen reduzieren - Netzwerk prozessorientiert steuem (z. B. Qber Prozesskostenrechnung) - Gesamtkostendenken einfOhren (z. B. Total Cost of Ownership auf bestimmte Dienstleistungsprodukte anwenden) - Potenziale integrierter IT-Systeme nutzen
- Kontraktiogistik kundenindividuell und deckungst}eitragsorientiert steuem - Performance Measurement an Projektanforderungen anpassen - Projektspezifisches Investitionscontrolling durchfuhren (z. B. uber Nutzwertanalysen)
Kundenneutrale Perfonnance
Abbildung 59:
Kundenspezifische Perfonnance
Exemplarische Strategiematrix eines Logistikdienstleistungsuntemehmens Quelle: Karrer/Petzold (2004), S. 96
Die Auswahl gmndlegender strategischer Handlungsaltemativen bildet die Gmndlage ftir eine Verknupfung strategischer Zielsetzungen mit den operativen Zielsetzungen der Leistungsprozesse der Supply Chain. Zur Unterstutzung dieser Aufgabe kann die bereits im Rahmen des Performance Measurements adressierten Methodik der Herstellung sachlogischer UrsacheWirkungsbeziehungen zum Einsatz kommen. Dabei sind auch die herausgearbeiteten Besonderheiten im Supply Chain-Kontext - u.a. die Beriicksichtigung relevanter Stakeholder in der Supply Chain und das Fehlen einer expliziten Gesamtstrategie auf Netzwerkebene - angemessen zu beriicksichtigen.*^* Vergleichbar mit der oben dargestellten Supply Chain Map lasst sich hierzu eine „Landkarte" der in der Supply Chain verfolgten Ziele („Target Map") erstellen, welche sowohl der Notwendigkeit einer sachlogischen Verkntipfung relevanter Steuerungsziele als auch dem Bedarf nach einer Visualisierung des Geschaftsmodells der Supply Chain Rechnung trSgt.'^^ Abbildung 60 stellt eine beispielhafte Target Map aus Sicht eines fokalen Untemehmens, d.h. auf der Beziehungsebene des Supply Chain Managements, dar.^^^
Vgl, zu Strategieanbindung und Ursache-Wirkungsbeziehungen im AUgemeinen Kapitel 3.1.2.2, zu den spezifischen Herausforderungen an diese beiden Aspekte im Supply Chain-Kontext Kapitel 3.1,3.2. ' Vgl. dazu insbesondere Kaplan/Norton (2001a), S. 92, Kaplan/Norton (2004a), S. 54-55. Der Begriflf „Target Map" wird hier an Stelle des von Kaplan/Norton gepr^gten Begriffs der „Strategy Map" verwendet. Die Begriffsanpassung wird deshalb vorgenommen, well in der Supply Chain hSufig eine Vielzahl von Zielsetzungen bestehen, die in Ursache-Wirkungsbeziehung zueinander gesetzt und auch im Rahmen eines Mappings abgebildet werden kQnnen. Eine koharente und explizit ausformulierte Gesamtstrategie der Supply Chain stellt demgegentiber eher die Ausnahme dar. * Da es sich um eine exemplarische Target Map handelt, weisen die enthaltenen Zielsetzungen und UrsacheWirkungsbeziehungen den Charakter von Tendenzaussagen auf, konnen also keinen Anspruch auf Vollstandigkeit oder Allgemeingiiltigkeit erheben.
4.3 Inhaltliche und methodisch-instrumentelle Ausgestaltung
FINANZPERSPEKTIVE
Abbildung 60:
249
Erhdhung des Shareholder Value des fokalen Unternehmens
Exemplarische Target Map fur das Supply Chain Performance Management aus Sicht eines fokalen Unternehmens (Beziehungsebene) Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Kaplan/Norton (2001a), S. 92
Die aufgezeigte Target Map wird in die Perspektivenstruktur der oben ausgestalteten Supply Chain-BSC eingebettet. Dadurch wird eine Verflechtung von primarem und sekundarem Steuerungskreislauf der SCPM-Konzeption erreicht. Die Finanzperspektive spiegelt die Normstrategien einer serviceorientierten (agilen) sowie einer kostenorientierten (schlanken) Supply Chain wider und ordnet diesen Strategien zentrale wertorientierte Zielkategorien zu. Da sich die Target Map exemplarisch auf die Beziehungsebene konzentriert, steht die Wersteigerung des fokalen Unternehmens als Oberziel an der Spitze der Zielhierarchie. Zur Deduktion nichtmonetarer Ziele aus dem Wertsteigerungsziel konnen Werttreiberhierarchien eingesetzt werden.'^^ Die wichtigsten Stakeholder der Supply Chain werden im Rahmen der Kunden- und Lieferantenperspektive abgebildet. Durch ein perspektiveniiberspannendes Beziehungsmanagement wird gleichzeitig der Notwendigkeit einer aktiven Gestaltung des Verhaltnisses zu diesen Stakeholdem Rechnung getragen. Inhaltlich kommen im Rahmen des
Vgl.Kapitel 3.2.3.1.
250
4 SCPM als interorganisationale Steuemngskonzeption
Beziehungsmanagements die Handlungsfelder Upstream-Beziehimgen und DownstreamBeziehnngen zur Geltung. In der Prozessperspektive finden sich die wichtigsten operativen Zielsetzungen des SCPM, die aus den Handlungsfeldem Supply Chain-Prozesse, Information/IT und - teilweise - Organisation abgeleitet werden k5nnen. Die Lem- und Entwicklungsperspektive widmet sich der kontinuierlichen Verbesserung des Supply Chain Performance Managements. Hierzu zShlen beispielsweise der Ausbau des Methoden- und Instrumentenspektrums, die BefUhigung von Lieferanten zur eigenstandigen Wahmehmung von Performance Management-Aufgaben oder die Einrichtung von kooperationsspezifischen Anreizsystemen. Die Vorteile der Visualisierung von Supply Chain-Strategien im Rahmen von Target Maps liegen insbesondere in der hohen Anwendungsflexibilitat. Durch die weitgehende Freiheit bei der Perspektivenwahl ist eine - im Vergleich zu anderen Verfahren zur Bildung von Zielhierarchien wie etwa der Performance Pyramid'^* - hohere Ubertragbarkeit auf den Supply Chain-Kontext gegeben. Die schwerpunktmSfiige Verwendung von sachlogischen UrsacheWirkungsbeziehungen, die mittels empirischer-induktiver Verfahren^^^ gebildet werden, erlaubt zudem eine Fokussierung auf ausgewahlte strategische Zusammenhange und tragt so zur Komplexitatsreduktion bei. Ausgestaltung der MessgrdBenableitung Bei der Ableitung von MessgrQfien besteht zunachst ein Bedarf an Instrumenten zur Identifikation und kriteriengestiitzten Auswahl geeigneter MessgroBen. In Bezug auf die Identifikation stellt die einschlagige Literatur umfangreiche Kennzahlenkataloge bereit, in denen MessgroBen meist nach sachbezogenen Kategorien differenziert werden (z.B. ressourcenbezogene, outputbezogene und flexibilitatsbezogene Kennzahlen).*** Die Praxis steht jedoch meist weniger vor der Herausforderung, potenziell relevante Kennzahlen zu fmden, als vielmehr bereits existierende Kennzahlen strategic- und kontextbezogen auszuwahlen. Zur Eingrenzung der Steuerungsebene bietet sich eine Systematisierung nach der strategischen Relevanz der Kennzahl, d.h. ihrer „vertikalen" Position im Zielsystem des Untemehmens bzw. der Supply Chain, an. Hierzu k5nnen Kennzahlenhierarchien herangezogen werden,
Vgl. McNair et al. (1990), S. 30 sowie vertiefend Lynch/Cross (1995). '^Wgl.Kapitel 3.1.2.2. Vgl. zu den beispieUiaft genannten Kategorien und diesbezttglichen Kennzahlen Beamon (1999), S. 282-284. Andere sachbezogene Systematisierungen finden sich beispielsweise im SCOR-Modell, wo Supply ChainKennzahlen nach den Kategorien Kosten, Flexibilitat, Reagibilitat und Effizienz differenziert werden, vgl. dazu Supply Chain Council (2004) sowie Kapitel 2.1.3. Ebenfalls am SCOR-Modell, jedoch an den dort verankerten Standardprozessen orientiert sich die Kennzahlenauswahl bei Gunasekaran et al. (2004), S. 336-339, die nach MessgroBen fiir die Prozesse Planung, Beschafiung, Produktion sowie Distribution unterscheiden. Otto/Kotzab (2003), S. 310-315, ordnen den von ihnen aufgestellten Perspektiven des Supply Chain Managements (System Dynamics, Operations Research and Information Technology, Logistics, Marketing, Organisation, Strategy) ausgewahlte MessgroBen zu. Vgl. ergSnzend auch die Auflistung von Supply Chain-Kennzahlen bei Lapide (2001), S. 291.
251
4.3 Inhaltliche und methodisch-instrumentelle Ausgestaltung
welche strategische, taktische und operative Supply Chain-MessgroBen unterscheiden.'^^ Eine ahnlich gelagerte Systematisierung bietet die in der folgenden Abbildung dargestellte Kennzahlenhierarchie (vgl. Abbildung 61). RM ... Raw Material WIP... Work in Progress FG ...FinishedGoods
Abbildung 61:
Bildung von Kennzahlenhierarchien nach Mafigabe der strategischen Relevanz Quelle: Hofinan (2004), S. 31, leicht verdndert
Die Struktur der dargestellten Kennzahlenhierarchie stellt unterschiedliche Steuerungsfiinktionen der Kennzahlen in den Vordergrund. Kennzahlen im oberen Drittel dienen demnach vomehmlich der (periodischen oder im Bedarfsfall erfolgenden) Erhebung ergebnisorientierter MessgroBen der Supply Chain Performance. Im mittleren Bereich erfolgt eine Cashfloworientierte Analyse, welche erste Riickschlusse auf die finanzielle Situation der Supply Chain zulasst. Die unterste Ebene beinhaltet eine Reihe operativer Steuerungskennzahlen, die mit den hoher angesiedelten MessgroBen kausal verbunden sind. Ausgestaltung der Implementierung Die weiterfiihrende Beurteilung und Filterung steuemngsrelevanter MessgroBen ist im Rahmen der sachbezogenen Implementierung wahrzunehmen. Hierzu bietet sich ein dreistufiges Vorgehensmodell an (vgl. Abbildung 62). Auf der ersten Stufe gilt es zum einen, die Zielsetzungen der Supply Chain-Strategie, die im Rahmen der Strategieanbindung festgelegt wurden, in entsprechende MessgroBen zu ubersetzen. Zum anderen sind auch jene Steuerungsanforderungen, welche sich aus einer engpassorientierten Prozessanalyse der Supply Chain ergeben, bei der Kennzahlenauswahl gleichberechtigt zu berucksichtigen. Die „klassische" Top-Down-Implementierung wird somit um eine prozessorientierte Bottom-UpKomponente erganzt. Das resultierende Top-Down-Bottom-Up-Vorgehen erscheint insbesondere deshalb vorteilhaft, weil es simultan eine Uberprufimg der Realisierbarkeit der (haufig
Vgl. zur Unterscheidung von strategischen, taktischen sowie operativen Supply Chain-MessgroBen auch Gunasekaran et al. (2004), S. 345, oder Bacher (2004), S. 239.
4 SCPM als interorganisationale Steuerungskonzeption
252
impliziten) Supply Chain-Strategie sowie ein Hinterfragen der Strategieorientiening der vorhandenen Supply Chain-Prozesse erlaubt/^^ Daruber hinaus kann das kombinierte Vorgehen dazu beitragen, Zieikonflikte, die aus einem unzureichenden Prozessverstandnis der beteiligten Akteure resultieren, bereits im Planungsstadium aufzudecken.'^^ Zudem bietet die verstarkte Beriicksichtigung existierender Prozesse auch die Moglichkeit, trotz weitgehender Autonomie der Akteure und potenziell konfligierender Untemehmensstrategien gemeinsame Steuenmgsprioritaten zu ermitteln und in der SCPM-Konzeption zu verankem.
Mi^ StrategieorJentierte Messgrd&enableitung (Top-Down)
Prozessorientierte MessgrO&enableitung (Bottom-Up)
AbleJtung nach TopDown-BottomUp-Vorgehen
FJIterung und Konkretisierung
Festlegung der Reichweite in der Supply Chain
Ausgewdhlter kritischer Pfad innerhalb der Supply Chain
Abbildung 62:
Schematisches Vorgehensmodell zur sachbezogenen Implementierung von SCPMMessgrofien
' Das kombinierte Top-Down-Bottom-Up-Vorgehen stellt somit eine Ubertragung der in Kapitel 2.2.1.1 herausgearbeiteten VerknUpfung von Feedback- und Feedforward-Steuerung auf den Supply Chain-Kontext dar. ^ Vgl. ahnlich Zimmermann (2003), S. 143. Vgl. auch Frigo/Krumwiede (2000), S. 50-51, die das Top-DownBottom-Up-Vorgehen bei der Implementierung untemehmensintemer Balanced Scorecards als vorteilhaft einschatzen, da es zu einer Verringerung von Akzeptanzproblemen innerhalb der Linienorganisation fuhre, weil Vorschlage der Prozessverantwortlichen aus den einzelnen Abteilungen starker beriicksichtigt werden. Ein weiterer Vorteil des Top-Down-Bottom-Up-Vorgehens besteht darin, dass damit ein Prozess des „doubleloop-leamings" angestofien werden kaim. Vgl. dazu Horvath & Partner (2000), S. 4, und Eschenbach/Haddad (1999), S. 98.
4.3 Inhaltliche und methodisch-instrumentelle Ausgestaltung
253
Auf der zweiten Stufe erfolgt eine Keimzahlenbeurteilung und Filtemng nach formalen und inhaltlichen Kriterien. Aus formaler Sicht ist eine Prufung der Kennzahlen nach den allgemeinen Giitekriterien empirischer Messinstrumente wie Validitat, Objektivitat und Reliabilitat vorzunehmen. Eine inhaltliche Filtemng greift auf die genannten Kriterien Integrationspotenzial, Fruhindikatorfunktion, Aggregationsfahigkeit, Anreizvertraglichkeit, Wirtschafllichkeit sowie Anwendungsbezug zurtick.^^ Diese sind an das Anforderungsprofil des SCPM anzupassen: • Das Litegrationspotenzial erlaubt Rtickschlusse auf die untemehmensubergreifenden EinsatzmOglichkeiten der Kennzahl. Eine Kennzahl weist dann ein hohes Litegrationspotenzial auf, wenn sie sich fur die untemehmensubergreifende Steuerung von Prozessen eignet, d.h. schnittstelleniibergreifend eingesetzt werden kann. Ein Beispiel hierflir ist die Kennzahl Durchlaufzeit, die sowohl auf Material- als auch auf Finanzfltisse angewendet und uber additive Verkniipfung beliebig stufeniibergreifend eingesetzt werden kann. Das Integrationspotenzial bezieht sich zudem auf die Moglichkeit der Einbindung der unternehmensiibergreifenden Kennzahlen in die Informationssysteme (z.B. ERP-Systeme) der beteiligten Akteure. • Die Fruhindikatorfunktion bezieht sich zum einen auf die zeitnahe Erfassung der betreffenden Messgr56e, zum anderen auf die moglichst rasche Weiterleitung entscheidungsrelevanter Informationen in der Supply Chain (z.b. durch Alerts im Rahmen von SCEMSystemen). • Die Aggregationsfahigkeit der Kennzahl spielt auf Grund der Komplexitat der Supply Chain-Steuerung eine bedeutsame RoUe. Die anwenderspezifische Konsolidierung orientiert sich im Supply Chain-Kontext nicht zwingend an der Position des Kennzahlenadressaten in der Untemehmenshierarchie, sondem an dessen Verantwortungsspanne innerhalb der untemehmensubergreifenden Wertschopfungskette. Die Moglichkeiten einer formalund/oder sachlogischen Verdichtung einer Kennzahl uber mehrere Untemehmen hinweg sind bereits bei der Kennzahlendefmition zu berucksichtigen. • Die Anreizvertraglichkeit einer Kennzahl weist im Supply Chain-Kontext angesichts der (Teil-)Autonomic der Akteure, die je nach Netzwerktyp variieren kann, eine hohe Bedeutung auf Um negative Lenkungseffekte zu vermeiden, ist insbesondere auf eine klare Definition der Kennzahl sowie auf deren Einbindung in untemehmensbezogene Anreizsysteme zu achten. • In Bezug auf die Wirtschaftlichkeit der Kennzahlenerhebung besteht im Supply ChainKontext die Problematik, dass Kosten und Nutzen der Messgrofienerhebung unter Umstanden auf unterschiedliche Akteure entfallen. Die potenziellen Erhebungskosten einer Messgrofie sind daher bereits firuhzeitig abzuschatzen und entsprechend der erwarteten Nutzeneffekte auf die beteiligten Partner zu verteilen.
^^VglKapitel 3.1.2.1.
254
4 SCPM als interorganisationale Steuerungskonzeption
• Das Kriterium des Anwendungsbezugs spiegelt die „Entscheidungsunterstutzungsfahigkeit" der MessgrQBe wider. Insofem umfasst sie eine Reihe von Faktoren wie die intuitive Begreifbarkeit der MessgrOfie, die anwenderspezifische Aufbereitung oder die Unterstutzung durch untemehmenstibergreifende IT-Systeme. Durch Einrichtung von Eskalationsmechanismen im Rahmen eines „Exception Managements" kann der Anwendungsbezug einer Kennzahl gesteigert werden. Beispielsweise ist bereits bei der Kennzahlenableitung festzulegen, welche MaBnahmen bei Uberschreitungen bestimmter Grenzwerte angestoBen werden vmd an welche Entscheidungstrager innerhalb der Supply Chain diesbezugliche Informationen fliefien. Die dritte Stufe der sachbezogenen Implementierung dient der Festlegung des Geltungsbereichs der ausgewahlten Kennzahlen im Sinne ihrer „horizontalen" Giiltigkeit in der Supply Chain. Dabei ist die bereits vorgestellte Differenzierung von untemehmensbezogenen, flexibel einsetzbaren sowie Supply Chain-bezogenen MessgrSBen emeut aufzugreifen.^^^ Erstgenannte beziehen sich zwar nur auf einen Teilausschnitt des identifizierten kritischen Pfads der Supply Chain, sind jedoch fur das Performance Management insofem relevant, als mit ihnen Verbesserungspotenziale bei einzebien Akteuren identifiziert werden konnen.'^ Voraussetzung hierfur ist die Kommunikation dieser MessgroBen an andere Supply ChainTeilnehmer. Flexibel einsetzbare Kennzahlen kSnnen auf alien Supply Chain-Ebenen eingesetzt werden (z.B. Durchlaufzeiten, Cash-to-Cash-Cycle). Die formallogische Aggregier- und Desaggregierbarkeit stellt hierfur eine zentrale Eignungsvoraussetzung dar. Supply Chainbezogene MessgroBen sind schlieBlich zur Erfassung netzwerkbezogener Effekte notig, die sich auf den gesamten relevanten Supply Chain-Ausschnitt beziehen (z.B. Risiken der aktuellen Supply Chain-Konfiguration, Endkundenzufriedenheit). Diese MessgroBen konnen nicht uber eine Aggregation untemehmensbezogener Kennzahlen gebildet werden und sind daher unabhangig vom einzelnen Akteur zu erfassen. Insgesamt stiitzt das dreistufige Vorgehensmodell die oben getroffene Aussage, dass die Auswahl von Kennzahlen einen situativen, von der angestrebten Supply Chain-Strategie und der vorherrschenden Prozesslandschaft gepragten Prozess darstellt. Von der Aufstellung eines generischen Kennzahlenkatalogs fur die SCPM-Konzeption wird daher abgesehen. In Bezug auf verhaltensbezogene Aspekte der Implementierung sind insbesondere Aufgaben wie die Koordination der Implementierungsaktivitaten in unterschiedlichen Untemehmen, die organisatorische Verankerung des entwickelten Messsystems, der Einsatz spezifischer Implementierungstrager (wie z.B. Supply Chain Manager) sowie die Ausgestaltung eines implementierungskonformen Anreizsystems wahrzunehmen. Die Anforderungen, die insbesondere vor dem Hintergrund eines interorganisationalen Implementierungskontexts an die verhaltensbezogene Implementierung zu stellen sind, konnen an dieser Stelle nicht umfassend
'Vgl.Kapitel 3.1.3.2. ' Vgl. Zimmermann (2003), S. 149.
4.3 Inhaltliche und methodisch-instrumentelle Ausgestaltung
255
vertieft, sondem nur kurz angerissen werden.^^^ Zur methodisch-instmmentellen Unterstiitzung der diesbeziiglichen Aufgaben bietet sich - neben einschlagig bekaimten Methoden des Projektmanagements - beispielsweise ein Implementierungskompetenzprofil an. Dieses erfasst neben den inhaltlichen Voraussetzungen, die fur die Wahmehmung untemehmensiibergreifender Implementierungsvorhaben in den beteiligten Untemehmen vorhanden sein miissen („Supply Chain Management-Kompetenzprofil") insbesondere auch die verhaltensbezogenen Anfordemngen („Profil der Implementierungskompetenz i.e.S.") an eine SCPMImplementierung. Letztgenanntes Profil beinhaltet Faktoren, welche sich sowohl auf die Fahigkeiten als auch auf die Bereitschaft der beteiligten Akteure beziehen: Die Komponente „Kennen" erfasst das grundlegende Wissen sowie das VerstSndnis iiber die Inhalte der SCPMKonzeption. Das „Konnen" bezieht sich auf das sachliche Know-how zur Umsetzung der Implementierung und umfasst Aspekte wie Fach-, Methoden- oder Sozialkompetenz. Das „Wollen" beinhaltet die tJberzeugung und Motivation der betroflfenen Personen, sich auf anstehende Veranderungen durch eine SCPM-Implementierung einzulassen. Die „Sollen"Komponente betriflft schlieBlich die gestalterischen Optionen eines Implementierungsmanagements, welche Mafinahmen wie die Schaffung einer Implementierungsorganisation oder den Einsatz von Promotoren in den beteiligten Untemehmen beinhalten.^^^ Ein zusammenfuhrender Vergleich der Supply Chain Management-Kompetenz mit den verhaltensbezogenen Faktoren ermoglicht eine mehrdimensionale Beurteilung der Implementierungskompetenz eines Supply Chain-Teilnehmers (vgl. Abbildung 63).
Profil der Implementierungskompetenz i.e.S.
Supply Chain Management-Kompetenzprofil
Kennen
1—1—1—1—WJ—1—1
SC-Prozesse L
KSnnen
1
1
1
1
1
1 •
1
1
1
Schwach
1 ^
l
1
'
/
1
1
1
Upstream-Bez. •-—L
Wollen Sollen
»J
1
# '
'
'
L_i:4
1
Schwach Profil der Implementierungskompetenz i.w.S.
Abbildung 63:
Kompetenzprofil zur Erhebung der SCPM-Implementierungskompetenz Quelle: Heusler (2004), S. 245, leicht verdndert
Vgl. vertiefend zur Implementierung des Supply Chain Managements Heusler (2004), insbes. S. 307-325. '^^ Vgl. Heusler (2004), S. 245, Reifi (1997b), S. 93. Eine Einstufung im Profil ergibt vor allem dann Sinn, wenn eine Vergleichsmoglichkeit mit anderen Untemehmen besteht. Insofem kann das genannte Kompetenzprofil beispielsweise im Rahmen von Benchmarking-Projekten zum Einsatz kommen.
256
4 SCPM als interorganisationale Steuerungskonzeption
Ausgestaltung der Messung und Evaluation Die fiinfte Phase des sekundSren Steuenmgskreislaufs umfasst den operativen, kennzahlenbezogenen Messprozess sowie die Evaluation des Implementierungsprozesses des Performance Measurements. Da Aufgaben wie Messung, Evaluation und KontroUe Kemthemen des Controllings darstellen, kann zur methodisch-instrumentellen Ausgestaltung dieser Phase unter anderem auf das Methodenspektrum des Controllings zuruckgegriffen werden. Dabei sind die einzusetzenden Instrumente an die besonderen Anforderungen des Messgegenstandes, wie z.B. imtemehmenstibergreifende Ausrichtung oder Prozessorientierung, sowie an die jeweilige Betrachtungsebene der SCPM-Konzeption anzupassen. Die folgenden Ausfuhrungen stellen drei potenzielle Instrumente zur Evaluation der Supply Chain Performance aus Sicht der Einzelakteurs-, Beziehungs- und Netzwerkebene vor. Auf der Ebene des Einzelakteurs steht die Messung und Evaluation untemehmensintemer Supply Chain-Prozesse im Vordergrund. Insofem erscheint der Einsatz etablierter Instrumente des Logistikcontrollings wie z.B. der Logistikkostenrechnung und der logistischen Leistungsrechnung plausibel. Der Bedarf nach einer spezifisch logistischen Kosten- und Leistungsrechnung wird in der Literatur meist mit der primSr fertigungsorientierten Ausgestaltung konventioneller Kosten- und Leistungsrechnungssysteme begrundet, welche den logistischen Informationsbedarf nicht oder nur unzureichend abdecken.^^^ Zum einen ist in der Praxis ein immer hoherer Anteil von Fix- und Gemeinkosten an den Gesamtlogistikkosten festzustellen, wodurch Probleme sowohl bei der Erfassbarkeit von Kosten als auch bei deren Beeinflussbarkeit auftreten.'^" Zudem sind Logistikleistungen auf Grund des Querschnittsfunktions- und Dienstleisttmgscharakters der Logistik meist schlechter quantifizierbar als Sachleistungen, so dass erhebliche Probleme bei der Kostenrechnung entstehen.'^' Eine idealtypische Vorgehensweise zur Erhebung der Logistikkosten auf der Einzelakteursebene stellt sich wie folgt dar: Im Anschluss an die Strukturierung logistischer Leistungen, welche entsprechend der in Kapitel 3.1.1 bereits besprochenen Dififerenzierung unterschiedlicher Leistungsebenen erfolgt, sind die zu berucksichtigenden Kostenarten der Logistik festzulegen. Diese kOnnen iiber eine Kopplung mit der logistischen Mengenplanung mit Planpreisen bewertet werden und somit die Logistikplankosten ausweisen.'^^ Voraussetzung dafur ist die a priori zu erfolgende Definition von Leistungs-Kosten-Relationen. Auf Basis der entwickelten Kostenarten und Relationen ist eine logistische Kostenstellenrechnung aufzuVgl. Pfohl (2004b), S. 237, Weber (1995), S. 32-34, Hide (2001), S. 332, Delfinann et al. (2003b), S. 70. Vgl. auch Stolzle/Placzek (2004b), S. 58-60, die sich der Obertragung der Kostenrechnung auf (insbesondere kleine) Logistikdienstleistungsunteraehmen widmen. ' Vgl. Schuderer(1996), S. 132-133. Vgl. Engelke (1997), Bruhn (2004), Niebuer (1996), Speh/Novack (1995), S. 28. Dies gilt auch fiir andere Dienstleistungsfiinktionen wie z.B. den Einkauf, der meist nur auf Basis der von ihm verursachten Kosten (insbesondere Materialeinstandspreise sowie Gemeinkosten der Einkaufs- bzw. Beschaffimgsabteilung) beurteilt wird, wahrend originSre Leistungen des Einkaufs (wie z.B. Aufbau und Pflege von strategisch wichtigen Lieferantenbeziehungen) haufig nicht transparent gemacht werden (konnen), vgl. dazu Efiig (2004b), S. 43-44. - Vgl. Reichmann (2001), S. 423.
4.3 Inhaltliche und methodisch-instrumentelle Ausgestaltung
257
setzen. Eine Kostentragerrechnung erlaubt zudem die Zuordnung von Logistikkosten zu Auftragen, Produkten und Produktgruppen sowie Bereichen.^^^ Beiden Rechnungsformen sind jedoch Grenzen gesetzt. So ist z.B. eine eindeutige Kostenstellenzuordnung nur selten moglich, da logistische Aktivitaten haufig mit Produktionsaktivitaten zu „Mischkostenstellen" zusammengefasst werden, innerhalb derer der Kostenanteil der Logistik nicht mehr eindeutig separierbar ist.^^"* Im Rahmen der Kostentragerrechnung ist das Aufschlagen logistischer Gemeinkostensatze ublich. Eine derartige Fixkostenproportionalisierung stellt jedoch auf Grund unterschiedlicher Effekte (z.B. Verbundeffekte, Nicht-Abbaubarkeit mittel- bis langfnstiger Kapazitaten) eine suboptimale Informationsbasis fur logistische Entscheidungen dar.^^^ Zur Erhohung der Aussagefahigkeit wird in der Literatur eine moglichst detaillierte Identifikation der EinflussgroBen bzw. Treiber von Kosten und Leistungen angemahnt, wie dies beispielsweise im Rahmen der Prozesskostenrechnung erfolgt.^^^ Auf der Beziehungsebene steht die Partnerevaluation tiber unterschiedliche Bewertungstechniken (wie z.B. ABC-Analysen, Kooperationsportfolios oder Scoring-Modelle*^^) im Vordergrund.
Einen
aus
Sicht
der wertorientierten
Steuerung
interessanten
methodisch-
instrumentellen Ansatz zur Evaluation der Performance Supply Chain-Partner bietet die Literatur zum Einkaufs- und Beschaffungsmanagement. Der dort in jiingerer Zeit diskutierte Ansatz des „Supplier Lifetime Value (SLV)" strebt eine Lieferantenbeurteilung auf Basis eines Cashflow-basierten Verfahrens an.^^^
S(l+0' T t et a, i
= Gesamtzahl der betrachteten Perioden = Analyseperiode = erwartete lieferantenspezifische Einzahlungen = erwartete lieferantenspezifische Auszahlungen = Diskontierungszinssatz
Der SLV vergleicht die zukunftigen lieferantenspezifischen Einzahlungen einer Periode Ct (die z.B. in Form von Effizienzvorteilen oder Einstandspreissenkungen anfallen) mit den lieferantenspezifischen Auszahlungen der Periode at (z.B. in Form von Koordinationskosten). Lang-
'^^ Vgl. Gotze (2003b), S. 8, Pfohl (2004b), S. 238. ^'^ Vgl. auch Mannel (1993), S. 36. ^^^ Vgl. Reichmann (2001), S. 423 und 428, Weber (2002a), S. 139, Delfmann (2003b), S. 94, Darkow (2003), S.96. ^^^ Vgl. Pfohl (2004b), S. 242-243, MSiinel (1993), S. 37, Schuderer (1996), S. 144-149, Ebner (1997), S. 93. Dabei weist insbesondere die Prozessteilkostenrechnung gegenuber der Prozessvollkostenrechnung den Vorteil auf, dass sie keine Proportionalisierung aller Fixkosten vomimmt, vgl. Delfmann (2003b), S. 112. Eine vertiefte Betrachtung der Anwendung unterschiedlicher Kostenrechnungsverfahren in der Logistik wiirde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Vgl. zu einem Uberblick Schuderer (1996), S. 140-143. Zu einer Vertiefung der hier verkiirzt dargestellten Abgrenzungsprobleme bei der logistischen Kostenrechnung vgl. Weber (2002a), S. 135-155. Vgl. zu unterschiedlichen Verfahren der Partnerbewertung, insbesondere der Lieferantenbewertung, Efiig (2003), S. 329-333. ''* Vgl. Efiig (2003), S. 329-332.
258
4 SCPM als interorganisationale Steuerungskonzeption
fristig negative SLV-Werte kSnnen unter Umstanden zu einer Auslistung des Lieferanten und damit zu einer Beendigung der Beziehung fuhren.^^^ Durch seine Cashflow-Orientierung weist der SLV die bereits diskutierten allgemeinen Vorteile des DCF-Verfahrens auf.***' Seine Grenzen liegen jedoch bislang in der Prognostizierbarkeit der EingangsgroBen und damit in der Implementierbarkeit.'*' Auf der Netzwerkebene hat eine zunehmend ganzheitliche, d.h. auf die gesamte relevante Supply Chain bezogene Ferformanceevaluation zu erfolgen. Insofem bietet sich insbesondere der Einsatz multikriterieller Methoden an, die eine vergleichsweise hohe Anwendungsflexibilitat aufweisen. Eine im Folgenden nSher auszufuhrende Methode stellt die modifizierte Nutzwertanalyse dar.'*^ Der „Nutzwert" einer Supply Chain, der sich aus der Summe gewichteter Zielerreichungsgrade zusammensetzt, wird darin als primare PerformancegroBe herangezogen.'*^ Die Nutzwertanalyse strebt somit eine mehrdimensionale Erfolgsbewertung anhand einer Reihe von Zielvariablen an, die von alien beteiligten Akteuren gemeinschaftlich zu gewichten und anschliefiend gegebenenfalls akteursspezifisch zu ermitteln sind (vgl. Abbildung64).'^ Ein Vorteil der Nutzwertanalyse besteht darin, dass uber die Messung relativer Zielerreichungsgrade und iiber die Vergabe von Gewichtungsfaktoren die simultane Beriicksichtigung finanzieller und nicht-monetarer PerformancegrQfien methodisch unterstutzt wird.^*^ Die damit verfolgte mehrdimensionale Entscheidungsunterstutzimg erscheint geeignet, die haufig sehr heterogenen Zielsetzungen innerhalb einer Supply Chain auf Netzwerkebene in ein systematisches Messmodell zu iiberfuhren. Der Nutzwert kann somit als Supply Chainspezifische, ganzheitliche ZielgroBe herangezogen werden.'*^ Voraussetzung dafur ist allerdings die gemeinschaftliche Festlegung eines Zielkatalogs auf Netzwerkebene sowie die abgestimmte Vergabe von Gewichtungsfaktoren/*^ Die Nutzwertanalyse bietet somit die Moglichkeit der instrumentellen Unterstutzung einer verteilten Entscheidungsfmdung.^*^ Das Potenzial der Nutzwertanalyse liegt neben der Moglichkeit einer ex post-ZielkontroUe auch in '^^ Vgl. EBig (2003), S. 335-338. '"" Vgl. Kapitel 3.2.2. '^^ Bezuglich der Bestimmung zukOnftiger Ein- und AuszahlungsstrSme wird eine mSglichst umfassende Erfassimg empfohlen (z.B. Auszahlungen: Materialeinstandspreise zuziiglich aller lieferantenspezifischen Transaktionskosten). Eine solche fSUt insbesondere auf der Einzahlungsseite schwer, da sich lieferantenspezifische Einzahlungen hSufig lediglich in einer Reduktion der Auszahlungen niederschlagen. Vgl. zu einer ausfuhrlichere Diskussion der Nachteile des SLV auch EBig (2003), S. 337-338. '^^ Vgl. zu den folgenden Ausfiihrungen auch StSlzle/Karrer (2004b), S. 167-194, Wohlgemuth (2002), S. 177-178, Hess et al. (2001), S. 70, sowie Picot et al. (2003), S. 569-573. '^^ Vgl. Z.B. Wohlgemuth (2002), S. 131, der neben der Bewertung des Netzwerkerfolgs auch die Entwicklung einer Netzwerkverfassung, die Koordination kollektiver Strategien sowie die Auswahl von Netzwerkpartnem zu den Aufgaben des Netzwerkmanagements zShlt. '*"* Vgl. Neher (2003), S. 36. '^^ Vgl. Wohlgemuth (2002), S. 181. Auf der Einzelakteursebene kann die Nutzwertanalyse als Bewertungsschema fur die EfifektivitSt der Teilnahme an einer Supply Chain herangezogen werden. ^^^ Vgl. Neher (2003), S. 37. '^^ Vgl. Picot et al. (2003), S. 573.
259
4.3 Inhaltliche und methodisch-instrumentelle Ausgestaltung
der Entscheidungsvorbereitung. Analog zum Ansatz des Target Costings^^^ konnen beispielsweise vor der Realisienmg neuer gemeinsamer Investitionsvorhaben oder vor der Aufiiahme neuer Partner in die Supply Chain logistische Zielsetzungen systematise!! gewichtet und beispielsweise im Sinne eines „Target Timing" oder „Target Quality" Zielkorridore festgelegt werden.*^^
Kennzahlen
Zielwert
Cash-to-CashZykluszeit
15%
14 Tage
12,45
Perfect OrderQuote
35%
99,5 %
33,95
Kapitalbindung Gesamtbestand im Netzwerk
50%
-200.000 €
27,00
„Nutzwert" der Kooperation
100%
Abbildung 64:
Erreichungsgrad (Ei) gering hoch
Erfolgsbeitrag (Gi-Ei)
Rel. Bedeutung (Gi)
73,40
Exemplarische Nutzwertanalyse einer Supply Chain Quelle: In Anlehnung an Hess et al. (2001), S. 70
Kritisch ist zur modifizierten Nutzwerkanalyse anzumerken, dass sie keine Einteilung der enthaltenen Zielwerte bzw. Kennzahlen hinsichtlich unterschiedlicher Hierarchieebenen vorsieht. Die Unabhangigkeit der enthaltenen Werte wird vielmehr sogar als methodische Voraussetzung fur deren additive Verknupfung zu einem Gesamtnutzwert angesehen.^^^ Diese Unabhangigkeit ist jedoch zum einen nicht immer gegeben (vgl. z.B. die vieldiskutierten Wechselwirkungen zwischen Lieferservice und Kundenzufriedenheit). Zum anderen erscheint sie aus Steuerungsgesichtspunkten nicht zwingend zielftihrend, da iiber die explizite Berucksichtigung von Ursache-Wirkungsbeziehungen Treiber- und Ergebniskennzahlen differenziert werden und so die Entscheidungsunterstiitzung verbessert werden kann.^^^ In der Literatur finden sich dariiber hinaus auch andere Vorschlage zur Evaluation der Performance von strategischen Netzwerken im AUgemeinen bzw. von Supply Chains im Besonderen. Im Bereich des Netzwerkmanagements bestehen beispielsweise Uberlegungen zur Anwendung einer periodenbezogenen Ergebnisrechnung im Netzwerk. Dabei wird davon ausgegangen, dass eine „Netzwerkorganisation" mit standardisierten Kosten- und ErlosgroBen
Vgl. Kapitel 3.2.3.2. und die dort zitierte Literatur. ' Vgl. Kraege (1997), S. 229. Vgl. zum Target Costing in WertschSpfungsketten auch Goldbach (2003), S. 220-222. ' Vgl. Wohlgemuth (2002), S. 181. Dies flihrt dazu, dass unzureichende Ergebnisse in einem Bereich durch iiberdurchschnittliche Auspragungen bei anderen Zielen kompensiert werden konnen. '• Vgl. Stolzle/Karrer (2004b), S. 185.
260
4 SCPM als interorganisationale Steuerungskonzeption
vorliegt.'^^ Diese fast konzemahnlichen Voraussetzungen gelten jedoch fur die wenigsten Supply Chains, so dass der Ansatz hier relativ schnell an seine Grenzen stoBt. Insgesamt ist zum Methoden- und Instrumenteneinsatz im Supply Chain Performance Management zu konstatieren, dass dieser immer kontextspezifisch zu erfolgen hat. Hierarchisch aufgebaute Instnimente (wie z.B. Kennzahlenhierarchie) bzw. Instrumente, welche bereits einen relativ starken strategischen Grundkonsens zwischen den Akteuren voraussetzen (wie z.B. die Strategiematrix oder die Target Map), eignen sich vor allem fur strategische Netzwerke. Der beim Einsatz dieser Instrumente notwendige, vergleichsweise tiefe Eingriff in die Zielsysteme der Beteiligten erfordert eine Durchsetzungskraft, die meist nur ein fokales Untemehmen im Netzwerk aufbringen kann. Andere Instrumente, wie beispielsweise die Supply Chain Map oder das entwickelte Vorgehensmodell zur sachbezogenen Implementierung erweisen sich hinsichtlich der Anwendung auf unterschiedliche Netzwerktypen und Machtverhaltnisse demgegenuber flexibler. Dartiber hinaus erweist sich die Frage der Verantwortungszuordnung in Bezug auf Instrumentenentwicklung und -einsatz als kritisch. Dieser Aspekt wird im nachfolgenden, letzten Abschnitt der Ausgestaltung des SCPM adressiert. 4.3.3. Institutionelle Verankerung des Supply Chain Performance Managements Zur Institutionalisienmg der SCPM-Konzeption bieten sich unterschiedliche Optionen an. Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass eine Verankerung von Verantwortlichkeiten und Aufgaben typischerweise fallspezifisch vorzunehmen ist, so dass an dieser Stelle lediglich Tendenzaussagen getrofFen werden konnen. Eine erste Moglichkeit besteht darin, die Verantwortung fur das Supply Chain Performance Management in der Organisationsstruktur des Supply Chain Managements zu verankem. Da die im Performance Management fokussierte Steuerungsaufgabe einen Teilbereich der allgemeinen Managementaufgaben des Supply Chain Management-Konzepts betriflft, erscheint dies aus inhaltlicher Sicht sinnvoll. Potenzieller Verantwortungstrager auf Untemehmensebene ist in diesem Fall der Supply Chain Manager, der im Hinblick auf die verhaltensbezogene Umsetzung des Performance Managements die Rolle eines Promotors und Forderers, in Bezug auf die sachbezogene Umsetzung die Rolle eines Process Owners, d.h. eines direkt Prozessverantwortlichen, wahmimmt.^^ Zudem erweist sich auch die DiflFerenzierung unterschiedlicher Supply Chain-Typen fur die institutionelle Verankerung des Supply Chain Performance Managements relevant.'^^ In Supply Chains mit einem fokalen Untemehmen erscheint die Aufrechterhaltung einer zentralen Organisationsstruktur denkbar. Das fokale Untemehmen tibemimmt dabei die Verantwortung fur Aufbau, Betrieb und Weiterentwicklung des Performance Managements bzw. legt
'^' Vgl. Wohlgemuth (2002), S. 173-175. ^^"^ Vgl. Heusler (2004), S. 317. ^^^ Vgl. Gopfert/Neher (2002), S. 42.
4.3 Inhaltliche und methodisch-instmmentelle Ausgestaltung
261
im Rahmen einer Kontextsteuerung die Rahmenbedingungen bzw. die SoU-Struktur fur diesbeziigliche Methoden und Instrumente fest. Fur Supply Chains mit ausgeglichenen Machtverhaltnissen erscheint demgegeniiber eine teambasierte LOsung, bei der das Instrumentarium gemeinsam entwickelt und implementiert wird, sinnvoll. Neuere empirische Untersuchungen aus dem verwandten Themengebiet des Supply Chain Controllings legen nahe, dass diesen beiden Formen der Institutionalisierung von Methoden und Instrumenten in der Praxis derzeit die hochste Bedeutung beigemessen wird.'^^ Des Weiteren kann auch die Differenzierung der Akteurs-, Beziehungs- und Netzwerkebene zur Institutionalisierung des Supply Chain Performance Managements herangezogen werden. Dies lasst sich am Beispiel der Supply Chain-BSC verdeutlichen: Eine erste Moglichkeit besteht in der Einrichtung einer gemeinsamen BSC fur alle Akteure der Wertschopfimgskette auf der Netzwerkebene. Diese nimmt Aufgaben eines Supply Chain-Leitbilds*^^ wahr und beinhaltet ausschlieBlich unternehmensubergreifend relevante Ziele und Kennzahlen. Ftir eine wirksame Steuerung gilt es, diese Netzwerk-BSC mit bestehenden Kennzahlensystemen auf Beziehungs- und Einzelakteursebene abzustimmen und sachlogisch zu verkniipfen.*^^ Die Verantwortung ftir BSCEntwicklung und -Einsatz kann hierbei von einem untemehmensiibergreifenden Kontrollgremium (z.B. einem Supply Chain-Komitee) getragen werden. Als weitere Moglichkeit kommt ein iteratives Vorgehen in Betracht, im Rahmen dessen bereits existierende, akteursspezifische Supply Chain-BSCs schrittweise auf die Kooperations- und Netzwerkebene ausgedehnt werden. ^^^ Die Ausdehnung kann sich dabei auf spezifische Perspektiven beziehen, denen eine hohe Bedeutung ftir die Supply Chain beigemessen wird. Beispielsweise konnen konsensfahige Entwicklungs- und Prozessziele in eine untemehmensiibergreifende Lem- und Entwicklungs- bzw. Prozessperspektive aufgenommen werden, also auf Netzwerkebene verankert werden. Die darin enthaltenen Ziele werden von den beteiligten Akteuren gemeinsam defmiert und in regelmafiigen Abstanden, beispielsweise im Rahmen von Benchmarking-Projekten, ausgewertet. Die Ausgestaltung der Kunden- und Lieferantenperspektive der BSC erfolgt jeweils im Rahmen einer bilateralen Abstimmung und verbleibt somit auf der Beziehungsebene. Fur eine sach- und formallogische Verkniipfung der Sachziele aus den genannten Perspektiven mit den wertorientierten Zielen auf der Akteursebene zeichnet schlieBlich das jeweilige Partneruntemehmen selbst verantwortlich.
In einer von G6pfert/Neher (2002) durchgefuhrten empirischen Untersuchung unter 65 befragten Logistikmanagem und Geschaftsfuhrem unterschiedlicher Branchen sprechen sich 44,6% der befragten Untemehmen fiir eine „teambasierte zentrale" Organisationsstruktur aus, 29,2% pladieren ftir eine „einfache zentrale Organisationslosung." 16,9% geben an, Aufgaben des Supply Chain Controllings arbeitsteilig an die einzelnen Netzwerkpartner zu vergeben. Die Fremdvergabe des Supply Chain Controllings an unabhangige Dritte bzw. Spezialisten wird von 9,2% der Befragten favorisiert. ^^^VglKapitel 4.3.2. ^^^ Vgl. Weber et al. (2002b), S. 137-140, sowie darauf aufbauend Weber (2002a), S. 225-229, Bacher/Groll (2003), S. 254-259, sowie Bacher (2004), S. 249-255. Ein ahnlicher Ansatz findet sich bei dem von Erdmann entwickelten „Supply Chain Performance Measurement-Referenzmodell" und bei der von Zimmermann vorgestellten „Supply Chain Balanced Scorecard". Vgl. Erdmann (2003), S. 179-180, Zimmermann (2002), S. 404-412, sowie darauf aufbauend Zimmermann (2003), S. 123-151. ^^ Vgl. Stolzle et al. (2001), S. 80-82, Stolzle/Karrer (2002), S. 78.
262
4 SCPM als interorganisationale Steuemngskonzeption
In der Literatur finden sich erste Hinweise fur eine Kombination von zentralen und dezentralen Organisationsstmkturen in Supply Chains. Beispielsweise wird fur das Netzwerkcontrolling, welches hinsichtlich der institutionellen Ausgestaltung vor ahnlichen Anforderungen steht wie das Supply Chain Performance Management, eine modulartige Ausgestaltung vorgeschlagen. Diese beruht auf einer Differenzierung von Kooperationsfiihrung und Kooperationstragem.^^ Im zentralen Modul werden controUingrelevante Informationen aus den kooperierenden Untemehmen konsolidiert und einheitliche Vorgaben fur die technische, inhaltliche und organisatorische Ausgestaltung des gesamten Netzwerks generiert. Ebenso zahlen die Erfolgsmessung und -beurteilung aus untemehmensubergreifender Perspektive zu den zentral verankerten Aufgaben. Unter Berucksichtigung der bereits gefuhrten Diskussion zum Management strategischer Netzwerke erscheint die Nutzung dieses Moduls vomehmlich fiir langfristig angelegte, eher hierarchisch gepragte Supply Chains realistisch.^"' Die dezentralen Module sind demgegenuber als ErgSnzung zu den untemehmensspezifischen Controllingsystemen der einzelnen Kooperationstrager zu verstehen. Ihre Kemaufgaben umfassen zum einen die Unterstutzung der einzelnen Untemehmen bei der Planung einer Kooperationsbeziehung, zum anderen den Aufbau und die Harmonisierung von Schnittstellen mit den Systemen der Partneruntemehmen bzw. mit einem evtl. existierenden zentralen Modul. Die Aufgabe der Erfolgsbeurteilung bezieht sich im dezentralen Modul auf die Ermittlung des Kooperationserfolgs aus Sicht des teihiehmenden Untemehmens.^"^ Im Hinblick auf die personelle Besetzung erscheint eine Kombination aus zentraler und dezentraler Verantwortung vorteilhaft.^"^ Eine zentrale Steuerung kann sowohl iiber das fokale Untemehmen als auch iiber ein Supply Chain-Komitee erfolgen. Eine untemehmens- und fachbereichsubergreifende Besetzung dieses Komitees bietet dabei insbesondere auf Grund der inhaltlichen Breite des Supply Chain Performance Managements Vorteile. Innerhalb der zentralen Steuerungsinstanz sind insbesondere strategische Entscheidungen zur Aufgabengestaltung des Performance Managements zu treffen, Grobplanungen zur Gestaltung der Material-, Waren-, Informations- und Finanzfliisse vorzunehmen sowie eine netzwerkorientierte ErgebniskontroUe durchzufohren. Operative, d.h. auftrags- bzw. projektbezogene Planungsund Kontrollaufgaben, k5nnen dezentral wahrgenommen oder bilateral abgestimmt werden.^'^ Im untemehmensintemen Bereich bietet sich fur diese Aufgabe die Einrichtung einer Stabstellenfunktion an. Des Weiteren ist auch die MSglichkeit zu erwSgen, einen neutralen Dienstleister als Performance Management-Verantwortlichen einzuschalten. Diesem Profil entspricht auf den ersten Blick das Konzept des sog. Fourth Party Logistics Provider (4PL), einem Logistikdienstleister, der ohne untemehmenseigene Assets auflritt und zentrale Koordi-
^^ Vgl. zu den folgenden Ausftihrungen Jehle/Stullenberg (2001), S. 217-219. ^^^ Als Anwendungsbereich eines zentralen ControUingmoduls kommen somit die Beziehungsebene (vgl. Kapitel 2.4.2) sowie die Netzwerkebene (vgl. Kapitel 2.4.3) in Betracht. ^^^ Als Anwendungsbereich eines dezentralen ControUingmoduls kommt somit die in Kapitel 2.4.1 vorgestellte Einzelakteursebene in Betracht. ^"^ Vgl. Hahn (2002), S. 1068. ^^^ Vgl. auch Cooper et al. (1997b), S. 1-14.
4.3 Inhaltliche und methodisch-instrumentelle Ausgestaltung
263
nationsaufgaben innerhalb der Supply Chain wahmimmt. Wissenschaft und Praxis stehen dem Konzept jedoch mittlerweile skeptisch gegeniiber. Zum einen gestaltet sich der Aufbau von Reputation und Kundenvertrauen ohne eigene logistische „Hardware" fur einen 4PL relativ schwierig. Zum anderen handelt dieser im Namen eines einzelnen Auftraggebers, haufig eines fokalen Untemehmens, womit die geforderte Neutralitat des 4PL als zentrale Koordinationsinstanz in Frage zu stellen ist.^^^
An dieser Stelle werden die theoriegeleiteten Ausfuhrungen zum Supply Chain Performance Management abgeschlossen. Ausgehend von einer grundlegenden Eingrenzung des Konzeptionsverstandnisses des Performance Managements wurde eine eigene SCPM-Konzeption aufgestellt, welche die zentralen Ergebnisse der vorangegangenen Ausfuhrungen in einem theoretischen Bezugsrahmen vereinigt (vgl. Abbildung 49). Das zentrale Strukturelement der SCPM-Konzeption bildet ein prozessualer Steuerungsansatz, der die relevanten Aufgaben eines Performance Managements auf unterschiedlichen Steuerungsebenen der Supply Chain defmiert. Der darin enthaltene, primare Steuerungskreislauf dient zur Strukturierung dieser Managementaufgaben, die im Rahmen der Konfiguration einer Supply Chain, der hnplementierung von Supply Chain-Strategien, der Durchfuhrung von Supply Chain-Prozessen sowie des Supply Chain Performance Measurements wahrzunehmen sind. Das Performance Measurement als untersttitzende Querschnittsfunktion bildet einen sekundaren Steuerungskreislauf, der die Entwicklung, Implementierung und den Betrieb eines kennzahlengestiitzten Messsystems beinhaltet. Zudem stellt es ausgewahlte Listrumente bereit, die nach einer Anpassung an Supply Chain-spezifische Anforderungen zur Unterstutzung der ubrigen Steuerungsphasen herangezogen werden konnen. Mit der entwickelten SCPM-Konzeption liegt somit ein Ansatz vor, der den Erfordemissen einer interorganisationalen Steuerungskonzeption fiir das Supply Chain Management gerecht wird. Die in Kapitel 1.1 formulierte Forschungsfrage nach der strukturellen, inhaltlichen und methodisch-instrumentellen Ausgestaltung einer theoriegeleiteten Konzeption fur das Supply Chain Performance Management kann somit als beantwortet angesehen werden. Im folgenden Kapitel 5 wird der bislang erarbeitete Wissensstand einer explorativen empirischen Untersuchung unterzogen. Eine vergleichende Feldstudie sowie eine Fallstudie geben dabei aus Sicht der Untemehmenspraxis erste Einblicke in den Entwicklungsstand der unternehmenstibergreifenden Performancemessung, in die Anforderungen an ein Supply Chain Performance Management sowie in das Problemlosungspotenzial der entwickelten SCPMKonzeption.
' Zum 4PL-Konzept vgl. Nissen/Bothe (2002), S. 16-26 sowie kritisch Bretzke (2002), S. 31-44.
Explorative empirische Untersuchung zum Supply Chain Performance Management in der Unternehmenspraxis
Um Anhaltspunkte fiir die Praxisrelevanz der theoriegeleiteten Erkenntnisse zu gewinnen und erste Hinweise auf die praktische Problemlosungskraft der entwickelten SCPM-Konzeption zu erhalten/ bietet sich die Durchfuhmng einer empirischen Untersuchung an. Dazu wird folgende Vorgehensweise gewahlt: Kapitel 5.1 widmet sich zunSchst der Entwicklung eines geeigneten Forschungsdesigns, welches den Untersuchungsprozess inhaltlich und ablauforientiert stmkturiert. Die anschliefienden Abschnitte gehen ausfiihrlich auf die Ergebnisse der Untersuchung ein. Kapitel 5.2 stellt dazu die Erkenntnisse aus einer brancheniibergreifenden Fallstudienuntersuchung dar, welche sich mit der Anwendung der SCPM-Konzeption in zwei ausgewahlten Supply Chains der Automobil- und Konsumguterbranche auseinandersetzt. Kapitel 5.3 prasentiert die Resultate einer vergleichenden Feldstudie zu Stand und Entwicklungstrends des Supply Chain Performance Managements. Der zweifache Branchenfokus der Fallstudienuntersuchung wird auch auf die Feldstudie iibertragen, um eine hShere Aussagekraft und Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu erzielen. Kapitel 5.4 liefert schlieBlich eine konsolidierte Darstellung der Untersuchungsergebnisse und leitet thesenartige Gestaltungsempfehlungen fur die Unternehmenspraxis ab.^
5.1. Entwicklung des Forschungsdesigns fur die empirische Untersuchung Nachfolgend wird ein dem Untersuchungsgegenstand entsprechendes Forschungsdesign entwickelt. Den Ausgangspunkt bildet die Einordnimg der eigenen empirischen Untersuchung in einen qualitativen Forschungsansatz (Kapitel 5.1.1). Aufbauend auf diese grundlegende Klassifizierung sind potenzielle Untersuchungsplane fur die Durchfuhmng der empirischen Forschung auszuwahlen. Dabei stellen sich insbesondere die Fallstudienforschung sowie die Feldstudie als geeignete Ansatze heraus (Kapitel 5.1.2). Im anschliefienden Kapitel 5.1.3 werden diese Untersuchungsplane mit geeigneten Methoden zur Datenerhebung und -auswertung ausgestattet, so dass in Kapitel 5.1.4 das endgiiltige Forschungsdesign abgeleitet werden kann.
Vgl. hierzu Forschungfrage 4 in Kapitel 1.1. Die Ausfuhmngen in Kapitel 5 basieren auf den Ergebnissen eines Forschungsprojekts, welches zwischen April 2004 und Februar 2005 am Lehrstuhl fiir Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Logistik und Verkehrsbetriebslehre an der Universitat Duisburg-Essen (Leitung: Prof. Dr. Wolfgang Stolzle) vom Verfasser durchgefiihrt wurde. An der Fallstudienuntersuchung waren sechs Untemehmen aus der Automobil- und der Konsumguterbranche sowie zwei branchenfremde, exteme Experten beteiligt. Die Feldstudie basiert auf 14 Tiefeninterviews, die mit Entscheidungstragem aus den beiden genannten Branchen durchgefuhrt wurden. Den Vertretem der beteiligten Untemehmen sowie den extemen Experten sei fiir ihre Mitwirkung hiermit herzlich gedankt. Fiir die organisatorische Unterstiitzung im Projekt sowie fiir die Mitarbeit bei der Auswertung der Untersuchungsergebnisse ist der Verfasser insbesondere Herm Dipl.-Kfm. (FH) Harald Bachmann, M.Sc, zu grofiem Dank verpflichtet.
266
5 Empirische Untersuchung zum Entwicklungsstand des SCPM in der Praxis
5.1.1. Einordnung der Untersuchung in einen qualitativen Forschungsansatz Die betriebswirtschaftliche Forschung greift bei der Auswahl empirischer Untersuchungsansatze vomehmlich auf die empirische Sozialforschung zuriick.^ Diese trifft eine gmndlegende DifiFerenzierung zwischen quantitative!! und qualitativen Forschungsansatzen/ Im quantitativen Ansatz steht ein deduktiv-falsifikationistisches Vorgehen, d.h. die Uberpriifung von im Vorfeld aufgestellten Hypothesen im Vordergrund. Messdaten werden mittels standardisierter Erhebungstechniken erfasst und statistisch ausgewertet. Ein hoher Standardisieiimgsgrad sowie groBe Stichproben tragen zu einer vergleichsweise guten Verallgemeine!iingsfahigkeit und Vergleichbarkeit der Ergebnisse bei.^ Im qualitativen Ansatz hingegen liegt der Fokus nicht auf der Messung, sondem vielmehr auf dem Erke!men, Vei*stehen, Beschreiben und auf der (subjektiven) Interpretation relevanter Phanomene. Auf Grund der Breite des Aufgabenspektrums kommen in der qualitativen Forschung haufig unterschiedliche Methoden parallel zum Einsatz. Die vergleichsweise groBe Analysetiefe erzwingt dabei eine kleinere StichprobengroBe, teilweise auch eine Einzelfallbetrachtung, so dass die Generalisierbarkeit der Ergebnisse typischerweise niedriger als im quantitativen Ansatz ausfallt. Da beim qualitativen Ansatz das Erforschen und Beschreiben relevanter Phanomene fokussiert wird, wird dieser haufig als induktiv-explorativ bezeichnet.^ Auf Basis der idealtypischen Eigenschaften des quantitativen und qualitativen Ansatzes sowie unter Berucksichtigung der Charakteristika des Forschungsgegenstands „Supply Chain Performance Management" ist eine Einordnung der eigenen empirischen Untersuchung zu treffen. Zunachst sei darauf hingewiesen, dass eine kategorische Tre!mung von quantativem und qualitativem Ansatz in der forschungsmethodischen Literatur zunehmend abgelehnt wird7 Im praktischen Forschungsprozess kommen haufig Forschungsstrategien zum Einsatz, welche Elemente beider AnsStze miteinander verknupfen.* Auf Grund seiner Ofifenheit und Einsatzflexibilitat' weist der qualitative Ansatz jedoch insbesondere bei der Erforschung komplexer und u!!zureichend abgegrenzter Forschungsgegenstande Vorziige auf ^^ Diese Eigenschaften treffen weitgehend auf das Supply Chain Performance Management zu: Eine detaillierte wissenschaftliche Aufarbeitung der Thematik hat erst in Teilbereichen stattgefimden, weshalb das Phanomen in seiner Gesamtheit bislang noch unvoUstandig erforscht wurde
Vgl.Kubicek(1975),S.35. Die Abgrenzung kann dabei nicht immer trennscharf erfolgen, vgl. Bortz/D6ring (2002), S. 298, Laatz (1993), S. 11, sowie Kepper (1994), S. 5-6. Vgl. Bortz/Doring (2002), S. 296. Vgl. Wittenberg (2001), S. 3, Laatz (1993), S. 11, Kepper (1994), S. 17, Lamnek (1995), S. 8 sowie S. 24-25. Vgl. Bortz/Doring (2002), S. 295. Vgl. Kepper (1994), S. 13. Vgl. zur Verkniipfung qualitativer und quantitativer empirischer Ansatze im Supply Chain Management Gimenez (2005), S. 318. Vgl. Hopf (1979), S. 14-15 sowie S. 27-28, Aaker et al. (2001), S. 184-185. Vgl. Kleining (1982), S. 228-229.
5.1 Entwicklung des Forschungsdesigns fur die empirische Untersuchung
267
und eher schwach strukturiert ist.*^ Zwar weisen einzelne Methoden und Instrumente (wie z.B. die Balanced Scorecard) bereits eine relativ detaillierte Ausgestaltung auf. Eine falsifikationistische Hypothesenprufiing im Rahmen eines quantitative!! Forschungsansatzes erscheint jedoch vor dem Hintergrund der aufgezeigten theoretischen Defizite sowie des bislang geringen Auspragungsstandes in der Untemehmenspraxis verfhiht. Zudem steht - in Ubereinstimmung mit dem eingangs formulierten explorativen Forschungsverstandnis^^ - nicht die Hypothesenpriifung, sondem die systematische Ausweitung eines wissenschaftlichen Vorverstandnisses durch die Einbringung von Expertenwissen aus der Untemehmenspraxis im Mittelpunkt. Vor diesem Hintergrund erscheint insbesondere der qualitative Ansatz zur Umsetzung der empirischen Untersuchung geeignet. 5.1.2. Fallstudie und vergleichende Feldstudie als ausgewMhlte UntersuchungsplMne Nach der gnmdlegenden Klassifizierung als qualitatives Forschungsvorhaben sind geeignete Untersuchungsplane fiir die Analyse des Supply Chain Performance Managements auszuwahlen. Ein Untersuchungsplan beschreibt auf formaler Ebene die Ziele und den Ablauf der Erhebung und gibt somit den konzeptionellen Rahmen des Forschungsvorhabens vor.*^ Eine Klassifizierung qualitativer Untersuchungsplane kann nach der Anzahl der Untersuchungsobjekte und -zeitpunkte vorgenommen werden (vgl. Abbildung 65).^"* Zur Durchfuhrung von einmaligen qualitativen Untersuchungen bieten sich Fallstudien sowie vergleichende Feldstudien an. Diese stellen auf die statische Beschreibung und Analyse eines Forschungsobjekts ab. Fallstudien ermoglichen dabei eine vertiefende Einzelfallbetrachtung, vergleichende Feldstudien einen komparativ-statischen Vergleich der Eigenschaften mehrerer Untersuchungsobjekte. Veranderungen im Zeitverlauf konnen tiber eine Langsschnittanalyse erfasst werden, wobei auch hier nach der Anzahl der Untersuchungsobjekte zwischen singularen und multiplen Langsschnittanalysen unterschieden wird.'^
Vgl. Kapitel 2.1.1.2 (zum Stand der Forschung im Supply Chain Management), Kapitel 3.1.3 (zum Entwicklungsstand des Performance Measurements im Supply Chain-Kontext), Kapitel 3.2.3 (zum Entwicklungsstand der wertorientierten Untemehmensfuhrung im Supply Chain-Kontext) sowie Kapitel 3.3 (zum Entwicklungsstand relevanter untemehmensiibergreifender Controllingansatze). Vgl. Kapitel 1.2. Vgl. auch die altemativen Bezeichnungen Forschungsarrangement, Forschungstypus oder Forschungskonzeption bei Mayring (2002), S. 40. Neben der hier gewahlten Klassifizierung existieren eine Reihe weiterer Moglichkeiten zur Abgrenzung qualitativer Forschungsplane. Kubicek (1975), S. 58, dififerenziert beispielsweise aktive Verfahren, bei welchen der Forscher weit reichende EingrifFsmoglichkeiten in den Forschungsprozess besitzt (z.B. Laborexperimente), von passiven Verfahren, in denen die RoUe des Forschers iiber die Formulierung von Fragestellungen und die Auswertung und Interpretation der Ergebnisse nicht hinausgeht (z.B. Feldstudien). Gareis differenziert ahnlich hierzu nach dem AusmaB der Interaktion zwischen Forscher und Untersuchungsobjekt und nach der Anzahl der untersuchten Objekte, vgl. Gareis (2002), S. 285. Vgl. Kubicek (1975), S. 58-67, Biischges/Liitke-Bomefeld (1977), S. 205-208. Vgl. exemplarisch fur die intertemporale Untersuchung der Implementierung des Supply Chain Management-Konzepts im Rahmen einer singularen Langsschnittanalyse Heusler (2004), S. 339-387.
5 Empirische Untersuchung zum Entwicklungsstand des SCPM in der Praxis
268
Auf Grund des angesprochenen geringen Entwicklungsstands des Untersuchungsobjekts eignet sich fur die angestrebte empirische Analyse insbesondere eine statische Bestandsaufnahme von Erwartungen und Anwendungsstand. Nachfolgend stehen daher die UntersuchungsplSne „Fallstudie" sowie „vergleichende Feldstudie" im Vordergnind. ^^""•"--^^^Anzahl der UntersuchungsAnzahl der objekte UntersuchungszeitpunlSe^^^^.,^^^
Ein Untersuchimgsobjekt
Mehrere Untersuchungsobjekte
Singulare Langsschnittanalyse
Multiple Langsschnittanalyse
Ein Zeitpimkt
Mehrere Zeitpunkte
Abbildung 65:
Differenzierung altemativer Untersuchungspldne nach Anzahl der Untersuchungszeitpunkte und Anzahl der Untersuchungsobjekte Quelle: Kubicek (1975). S. 62, leicht verdndert
Charakterisierung des Untersuchungspians ^Fallstudie*^ Fallstudien sind insbesondere zur Erforschung von Untersuchungsobjekten (z.B. Ereignissen, Verhaltensweisen, Praktiken) geeignet, die einen hohen KomplexitStsgrad aufweisen und nur schwer vom Untersuchungskontext abgegrenzt werden konnen.^^ Dabei steht das Bestreben im Mittelpunkt, ein PhSnomen mSglichst ganzheitlich und individuell abzubilden, um Kausalzusammenhange aufzudecken.'^ Bei der Selektion des Untersuchungsobjekts ist zu beriicksichtigen, dass dieses einen - bezogen auf das zu untersuchende Phanomen - typischen Fall darstellt und/oder besonders aussagekrSftige Ergebnisse verspricht.^* Zur Durchfuhrung einer Fallstudienuntersuchung konnen dabei sowohl qualitative als auch quantitative Methoden, mitunter auch parallel, zum Einsatz kommen.'^ Auf Grund der angestrebten hohen Analysetiefe bilden jedoch in der Regel offene und kommunikative Verfahren (z.B. Gruppendiskussion Oder teilnehmende Beobachtung) den Schwerpunkt des Methodenspektrums.^" In der relevanten wissenschaftsmethodischen Literatur werden verschiedene Fallstudientypen - meist nach ihrem jeweiligen Forschungszweck - unterschieden.^' Vor dem Hintergrund der
Vgl.Yin(2003),S. 15. Vgl. Lamnek(1995),S.5. Vgl. Boos (1993), S. 35-36, Mayring (2002), S. 43, Lamnek (1995), S.22. Da die Identifikation eines „typischen Falls" sich in der Praxis als schwierig erweist, ist die ReprSsentativitat von Fallstudien im Allgemeinen kritisch einzuschatzen, vgl. Meyer/Kittel-Wegner (2002), S. 25-26. Vgl. auch die Aussage von Stake (1995), S. 8: „The real business of case study is particularization, not generalization." Vgl. Eisenhardt (1989), S. 534-535 sowie S. 538, Meyer (2003), S. 475, Gammelgaard (2003), S. 562-565. Vgl. Lamnek (1995), S. 7, Meyer (2003), S. 475. Vgl. zur Diskussion unterschiedlicher Fallstudientypen Meyer/Kittel-Wegner (2002), S. 17, Weber et al. (1994), S. 50-53. Vgl. zu altemativen Zielsetzungen von Fallstudien auch Knyphausen-AufseB (1995), S. 223. Andere Klassifizierungen von Fallstudien fmden sich z.B. bei Boos (1992), S. 7-11, oder Festing (1996), S. 190.
5.1 Entwicklung des Forschungsdesigns fur die empirische Untersuchung
269
explorativen forschungsmethodischen Grundposition der vorliegenden ArbeiP ist dabei insbesondere der Idealtyp der explorativen Fallstudie heranzuziehen. Explorative Fallstudien dienen vomehmlich dem Erkenntnisgewinn und enthalten sowohl deskriptive als auch erklSrende Elemente. Erstgenannte stellen auf eine Beschreibung und Illustration eines komplexen Gegenstandsbereichs ab und streben somit eine Beantwortung der Fragen nach dem „Was" und dem „Wie" des Forschungsgegenstands an. Zweitgenannte erlautem und hinterfragen die zu Grunde liegenden Kausalzusammenhange und adressieren damit die Frage nach dem „Warum" eines Phanomens in der Praxis.^^ Der Ablauf einer Fallstudienuntersuchung wird mafigeblich durch den gewahlten Fallstudientyp gepragt.^"^ Bei der Erstellung einer explorativen Fallstudie bildet die Formulierung der Forschungsfrage, welche den Zweck der Untersuchung defmiert, den Ausgangspunkt. Basierend auf den Anforderungen der Forschungsfrage erfolgt die Auswahl eines bzw. mehrerer Falle. Parallel dazu ist ein Fallstudienraster zu generieren, welches die zu ermittelnden Tatbestande inkludiert und damit der Systematisierung der Datenerhebung und -auswertung dient. Zudem werden unter Beriicksichtigung der Fallauswahl und der zu beantwortenden Frage adaquate Methoden defmiert. AnschlieBend erfolgen die Durchfuhrung der eigentlichen Fallstudie(n) sowie die fallspezifische Auswertung und Interpretation der erhobenen Daten. Dabei sind die Elemente des Fallstudienrasters wieder aufzugreifen. Bei der Durchfuhrung mehrerer Fallstudien schlieBt sich an die fallbezogene Auswertung eine falliibergreifende Ergebnisanalyse an, in welcher sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede herausgearbeitet und zu vorlaufigen Schlussfolgerungen zusammengefasst werden. Aus diesen Erkenntnissen konnen - unter Beachtung der bereits genannten eingeschrankten Generalisierbarkeit erste Hypothesen abgeleitet werden, die gegebenenfalls in nachfolgenden quantitativen Untersuchungen kausalanalytisch uberpruft werden konnen.^^ Die fehlende Reprasentativitat von Fallstudienuntersuchungen wird haufig zum Anlass genommen, Kritik am Fallstudienansatz per se zu iiben.^^ Da bei einer Einzelfallbetrachtung eine Verallgemeinerung der Ergebnisse jedoch keineswegs angestrebt, sondem bewusst zugunsten einer hoheren Analysetiefe geopfert wird, ist diese konzeptimmanente Eigenschafl zunachst nicht als Defizit zu interpretieren. Dennoch erscheint zur Erhohung der Aussagekraft der Untersuchungsergebnisse die Analyse unterschiedlicher Falle von Nutzen.^^
Vgl.Kapitell.2. Vgl. Meyer (2003), S. 476. Vgl. Meyer/Kittel-Wegner (2002), S. 21. Vgl. Yin (2003), S. 50, Meyer/Kittel-Wegner (2002), S. 21-22. Ahnliche Vorgehensweisen finden sich z.B. bei Mayring (2002), S. 43-44, Lamnek (1995), S. 21-27, Roll (2003), S. 316-317, Gareis (2002), GSthlich (2003), S. 8-12, Trumpfheller (2004), S. 179-185. Vgl. Schoenherr/Fritz (1967), S. 156, Boos (1993), S. 39, Yin (2003), S. 10-11, Meyer/Kittel-Wegner (2002), S. 24-26, Mayring (2002), S. 42. Vgl. Blau (1965), S. 323, Heydebrand (1973), S. 34, Kubicek (1975), S. 63. Eine parallele Durchfuhrung mehrerer Fallstudien (vgl. z.B. Trumpfheller (2004), S. 178) erweist sich jedoch als ressourcen- und zeitintensiv. Vgl. zu dieser Problematik Eisenhardt (1989), S. 545, Yin (2003), S. 47.
270
5 Empirische Untersuchung zum Entwicklungsstand des SCPM in der Praxis
Charakterisiening des Untersuchungsplans ^Vergleichende Feldstudie^ Uber eine vergleichende Feldstudie kann eine Analyse mehrerer Untersuchungsobjekte zu einem bestimmten Zeitpunkt vorgenommen werden (vgl. Abbildung 65).^* Der Hauptnutzen der vergleichenden Feldstudie in der explorativen Forschung liegt in ihrem Querschnittscharakter begrundet. Durch den systematischen Vergleich von Untemehmen kOnnen relevante Kausalzusammenhange zwischen den beabsichtigten Untersuchungsmerkmalen und etwaigen Rahmenbedingungen aufgedeckt werden. Feldstudien erleichtem somit die Identifikation von Kontextfaktoren und tragen so zur Hypothesen- bzw. Theoriebildung bei.^^ Die Analysetiefe einer vergleichenden Feldstudie fSUt typischerweise geringer als bei der Fallstudie aus. Um die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu erhShen, sind die einzusetzenden Methoden sowie Analyseraster bereits vor Durchfuhrung der Erhebung zu fixieren und kSnnen nicht - wie in der Fallstudie - parallel oder evtl. sogar im Nachlauf zur Fallauswahl definiert werden.^® Bei vergleichsweise unvollstSndig erforschten und schlecht strukturierten Phanomenen erscheint es hilfreich, der Feldstudie eine Fallstudienuntersuchung voranzustellen, um eine schSrfere Eingrenzung des Forschungsgegenstands zu erreichen. Auf diese Weise kann die latente Gefahr verringert werden, dass methodische und/oder inhaltliche Liicken im Forschungsdesign unbemerkt bleiben. Die Durchfuhrung einer Feldstudie im Nachlauf zu einer pilotartigen Fallstudienuntersuchung weist zudem den Vorteil auf, dass ein bereits entwickeltes Analyseraster genutzt werden kann und gegebenenfalls erste Resultate der Fallstudienarbeit einer breiteren Diskussion zugefuhrt werden konnen.^* 5.1.3. Methoden zur Datenerhebung und -auswertung Wahrend der Untersuchungsplan den konzeptionellen Rahmen ftir die empirische Untersuchung vorgibt, basiert deren konkrete Umsetzung auf dem Einsatz entsprechender Methoden und histrumente.^^ GrundsStzlich ist dabei die methodisch-instrumentelle Unterstutzung der Datenerhebung sowie der Datenauswertung zu differenzieren.^^ Beziiglich der Datenerhebung wird haufig die Forderung erhoben, unterschiedliche Untersuchungsmethoden parallel
Vgl. Kubicek (1975), S. 61, Biischges/Latke-Bomefeld (1977), S. 205. Vgl. Blau (1965), S. 332. Da demzufolge Defizite im Forschungsdesign mSglicherweise erst bei der Auswertung bemerkt wiirden, sind einzusetzende Erhebungs- und Auswertungsmethoden zudem einer Uberpriifung im Rahmen von Pretests zu unterziehen, vgl. Kubicek (1975), S. 63-64. Zur Durchfiihrung von Pretests vgl. z.B. Friedrichs (1990), S. 253-254, Laatz (1993), S. 67-68, Atteslander (2003), S. 329-330. Im Hinblick auf den Untersuchungsablauf einer vergleichenden Feldstudie k6nnen generische Vorgehensmodelle aus der empirischen Sozialforschung herangezogen werden. Auf eine nMhere Eriauterung dieser Modelle wird an dieser Stelle verzichtet. Vgl. vertiefend z.B. Laatz (1993), S. 12-26, Atteslander (2003), S. 21-23, sowie Diekmann (2004), S. 161-199. Vgl. Mayring (2002), S. 40. Mayring (2002) geht daniber hinaus auf Verfahren zur Datenaufbereitung ein, welche zwischen Erfassung und Auswertung angesiedelt ist. Aus Vereinfachungsgriinden werden diese in der vorliegenden Arbeit als Bestandteil der Auswertungsaufgabe aufgefasst.
5.1 Entwicklung des Forschungsdesigns fiir die empirische Untersuchung
271
heranzuziehen, um eine einseitige Betrachtung des Forschungsobjekts zu vermeiden.^'* Im Idealfall konvergieren die mit unterschiedlichen Erhebungsmethoden ermittelten Ergebnisse zu einer einheitlichen Aussage.^^ Als potenzielle Datenquellen kommen insbesondere die Analyse existierender Dokumente, Aussagen von Interviewpartnem sowie eigene Beobachtungen des Forschers in Betracht. In Bezug auf die Datenauswertung ist insbesondere der Strukturierungsgrad der eingesetzten Methoden von Bedeutung:^^ Es gilt, ein m6glichst systematisches, an ein Untersuchungsraster gekniipftes Auswertungsverfahren einzusetzen, welches gleichzeitig den fur eine qualitative Untersuchung zentralen Anforderungen der Offenheit xrnd Interpretativitat genugt. Methoden zur Datenerhebung Im Hinblick auf die Erhebung relevanter Daten fur die UntersuchungsplSne Fallstudie und Feldstudie erscheinen insbesondere die Methoden der teilnehmenden Beobachtung, des qualitativen Interviews sowie der Dokumentensammlung viel versprechend. Die teilnehmende Beobachtung stellt eine systematisch geplante und dokumentierte Form der Erfassung realer PhSnomene dar.^^ Sie wird unter anderem dann eingesetzt, wenn Kenntnisse iiber ein weitgehend unbekanntes Untersuchungsobjekt erlangt werden soUen.^^ Das Attribut der Teilnahme impliziert, dass sich der Forscher direkt in das zu untersuchende System begibt und sich aktiv an darin stattfmdenden Interaktionen beteiligt.^^ Auf Grund der Nahe zum Untersuchungsobjekt konnen auf diese Weise komplexe Zusammenhange vergleichsweise ganzheitlich erfasst werden/^ Sie eignet sich somit insbesondere zum Einsatz im Rahmen der Fallstudienforschung. Die Erfassung und Aufbereitung der Daten stellt eine bedeutsame Tatigkeit im Rahmen der teikiehmenden Beobachtung dar. Bei einer explorativen Forschungsstrategie wird dabei hSufig eine Uberblicksbeobachtung am Beginn des Untersuchungsprozesses von einer Ausschnittsbeobachtung abgelost, bei welcher ein spezifischer Teilbereich des zu analysierenden Phanomens fokussiert wird."*^ Zu berucksichtigende Problembereiche der teilnehmenden Beobachtung sind einmal mit der selektiven Wahmehmung des Beobachters verbunden. Die
Der gleichzeitige Einsatz unterschiedlicher Untersuchungsmethoden wird auch als Methodentriangulation bezeichnet, vgl. Eisenhardt (1989), S. 537-538, Yin (2003), S. 97-99, GQthlich (2003), S. 10. Dies stellt keine zwingende Anfordenmg dar, vgl. Yin (1994), S. 93, Meyer/Kittel-Wegner (2002), S. 15-16. Vgl. Mayring (2002), S. 103. Vgl.Lamnek(1995),S.313. Vgl. Lamnek (1995), S. 243, Schnell et al. (1989), S. 369, Wittenberg (2001), S. 37. Vgl. Mayring (2002), S. 54-55, Spohring (1995), S. 122, Atteslander (2003), S. 105. Dabei kann eine standardisierte teilnehmende Beobachtung, bei welcher der Forscher seine Beobachtungen anhand relativ genau ausgearbeiteter Beobachtungskategorien aufzeichnet, von einer unstandardisierten teilnehmenden Beobachtung, bei der lediglich grobe Erhebungsrichtlinien existieren, differenziert werden. Vgl. dazu Lamnek (1995), S. 250 und S. 253, Girtler (2001), S. 62. Der explorativen Forschungsstrategie der vorliegenden Arbeit wird dabei die unstandardisierte teilnehmende Beobachtung am ehesten gerecht, vgl. Lamnek (1995), S. 255. Vgl. Laatz (1993), S. 181-182, Spohring (1995), S. 131-132.
272
5 Empirische Untersuchung zum Entwicklungsstand des SCPM in der Praxis
teilweise unbewusste Selektion betrifft dabei neben dem Wahmehmungsprozess auch die Dokumentation der Beobachtungen. Beispielsweise kann es bei der schriftlichen ProtokoUierung von Beobachtungen zu nicht intendierten Abstraktionen, Interpretationen oder Wertungen kommen/^ Ein weiterer Problemkreis besteht im Dilemma von Identifikation und Distanz des Forschers. Einerseits wird von dem Beobachter gefordert, dass er sein Untersuchungsobjekt moglichst umfassend versteht und quasi „von innen heraus" kennen lemt (Identifikation), andererseits sollen die Erkenntnisse kommuniziert und fur Dritte nachvoUziehbar und iiberprufbar gemacht werden (Distanz)."*^ Das problemzentrierte, semistrukturierte Interview ist als spezielle Form der miindlichen Datenerhebung auf eine bestimmte Problemstellung ausgerichtet, welche der Forscher bereits im Vorfeld eingehend und gegebenenfalls theoriegeleitet analysiert hat."" Als qualitatives Erhebungsinstrument zeichnet es sich vor allem durch eine vergleichsweise hohe Flexibilitat bei der Frage- und Antwortformulierung aus/^ Das Attribut „semistrukturiert" bezieht sich auf die Tatsache, dass das Interview nicht auf einem standardisierten Fragebogen beruht, sondem mittels eines Gesprachsleitfadens durchgefiihrt wird."*^ Dieser enthalt alle relevanten inhaltlichen Aspekte der Befi-agung, verzichtet jedoch weitgehend auf geschlossene Fragen mit festen Antwortkategorien.'*^ Auf Grund seiner typischen Charakteristika bietet sich das problemzentrierte, semistrukturierte Interview insbesondere zur Datenerhebung im Untersuchungsplan der Feldstudie an. Der mit der Offenheit der Befi^gung verbundene, geringe Standardisierungsgrad ist mit einer reduzierten Vergleichbarkeit der einzelnen Interviewergebnisse verbimden. Dies impliziert auch, dass ein problemzentriertes, semistrukturiertes Interview in der Regel nicht zur Hypothesenpriifung herangezogen werden kann/* Da unter dem in der vorliegenden Arbeit verfolgten Forschungsziel jedoch kein falsifikationistisches Prufiingsverfahren angestrebt wird, erweist sich dieser Tatbestand als unschadlich. Die tatsachlich gestellten Fragen des Inter-
Vgl. Griimer (1974), S. 95-100, Atteslander (2003), S. 114, Diekmann (2004), S. 40-52. Vgl. Lamnek (1995), S. 311-317, Atteslander (2003), S. 115. Wenn der Beobachter die eigentlich erforderliche Distanz zum Untersuchungsobjekt verliert und sich vollstandig mit diesem identifiziert, wird dies auch als „going native" bezeichnet. Vgl. Griimer (1974), S. 115, Laatz (1993), S. 202. Vgl. zum problemzentrierten Interview z.B. Lamnek (1995), S. 74. Vgl. zum semistrukturierten Interview z.B. Kromrey (1995), S. 286. Vgl. zum Einsatz semistrukturierter Interviews als Forschungsmethode im Logistikkontext Gareis (2002), S. 288-289. Vgl. Friedrichs (1990), S. 224. Vgl. Aaker et al. (2001), S. 187-189. Vgl. zur RoUe des Interviewleitfadens in semistrukturierten Interviews („Leitfaden-Interviews") z.B. Diekmann (2004), S. 446-447. Im Hinblick auf das gewahlte Forschungsdesign sind damit bestimmte Vorteile verbunden: In Bezug auf die Freiheitsgrade der befragten Person ergibt sich eine Erweiterung des Antwortspieh-aums. Zudem wird die bei geschlossenen Fragestellungen virulente Gefahr verringert, dass vorgegebene Antwortkategorien zwar dem Bezugsrahmen des Forschers, nicht jedoch dem des Befragten entsprechen und so Verstandnis- und Beurteilungsschwierigkeiten auftreten. Der Interviewer hat seinerseits die M5glichkeit, die Gesprachsfuhrung situativ anzupassen, z.B. durch Erlauterung zum Verstandnis einzelner Begriffe, durch Anderung der Fragenfolge Oder durch Vertiefung ausgewahlter Fragestellungen. Vgl. Diekmann (2004), S. 409, Mayring (2003), S. 67 sowie Modrow-Thiel (1993), S. 133. Dies wird stellenweise als Nachteil gewertet. Vgl. Friedrichs (1990), S. 226.
5.1 Entwicklung des Forschungsdesigns fiir die empirische Untersuchung
273
views weichen somit unter Umstanden von den im Gesprachsleitfaden vorgesehenen Fragen ab. Die Interviewergebnisse fliefien emeut in die theoriegeleitete Fragestellung ein und kSnnen so zur tJberarbeitung des bestehenden Kategoriensystems bzw. zur Ableitung neuer Thesen herangezogen werden (vgl. Abbildung 66).'*^ Im Kern ist damit ein reflexives Vorgehen angesprochen, bei welchem die theoriegestiitzt herausgearbeiteten Denkkategorien im Licht der empirisch gewonnenen Eindrucke noch einmal kritisch reflektiert werden.^^
Forschungsziel ^^ Forschungsfragen
*
^ Theoriegestutzte
r
Theoretische Fundierung
Abbildung 66:
- •
1
TatsSchliche Fragen im Interview
1 ^
Offene Fragen
Tatsachliche Ergebnisse ^ des Interviews
Erwartete Ergebnisse der empirischen Erhebung
^ Geplante Fragen im Leitfaden
—
Reflexivitdt zwischen Konzeptualisierung und Ergebnissen im semistrukturierten Interview Quelle: In Anlehnung an Friedrichs (1990), S. 228.
Im Rahmen einer Dokumentensammlung konnen schliefilich neben Primardaten aus der eigenen Erhebung auch Sekundardaten, beispielsweise aus Jahresberichten, FirmenprSsentationen oder Arbeitsanweisungen, erhoben werden.^^ Die Sammlung lasst sich als systematischer Prozess charakterisieren, in dessen Rahmen aussagekraftige Objekte identifiziert, registriert und fur eine spatere Auswertung archiviert werden.^^ Das heranzuziehende Datenmaterial existiert bereits vor Durchfuhrung der empirischen Untersuchung, so dass der Erhebungsaufwand vergleichsweise gering ausfallt. Das im Rahmen einer Dokumentensammlung ausgewertete Material eignet sich ebenso zur Gewinnung neuen Wissens wie zur Erganzung und kritischen Reflexion der aus Beobachtungen oder Interviews gewonnenen Daten.^^ Typische Herausforderungen bestehen beziiglich der Lokalisierung relevanten Materials bei einem komplexen Untersuchungsumfeld (z.B. bei Beteiligung mehrerer Untemehmen) sowie beziiglich des Zugangs zu vertraulichen Dokumenten.^"* Auf Grund ihrer konzeptionellen Offenheit und Flexibilitat erscheint die Durchfuhrung einer Dokumentensammlung sowohl fur die Fallstudie als auch fur die Feldstudie angebracht. Zusammenfassend ist somit die die teilnehmende Beobachtung im Untersuchungsplan Fallstudie, das qualitative Interview im Untersuchungsplan Feldstudie als Datenerhebungsmethode einzusetzen. Die Dokumentensammlung kommt in beiden Untersuchungsplanen zur Anwendung.
Vgl. Friedrichs (1990), S. 227-228, Diekmann (2004), S. 409. Vgl. zu heuristisch angelegten Forschungsdesigns Kubicek (1976), hier insbesondere S. 25-29. Vgl. Lamnek (1995), S. 7. Vgl. Laatz (1993), S. 207-210, Mayring (2002), S. 47. Vgl. Biischges/Lutke-Bomefeld (1977), S. 172. Vgl. Mayring (2002), S. 47-49. Vgl. Gareis (2002), S. 290-291, Gothlich (2003), S. 10.
274
5 Empirische Untersuchung zum Entwicklungsstand des SCPM in der Praxis
Methoden zur Datenauswertung Im Rahmen der Datenauswertung soil mit der qualitativen Inhaltsanalyse eine ausgewahlte Methode vorgestellt werden, welche auf Grund ihres vergleichsweise breiten Aufgabenspektrums sowie ihres mittleren Strukturierungsgrads vielfSltige EinsatzmSglichkeiten in qualitativen Forschungsvorhaben bietet. Die qualitative Inhaltsanalyse dient der methodisch kontrollierten Aufbereitung und Auswertung von Text- und Sprachmaterial.^^ Dabei nutzt sie eine systematische Auswertungstechnik, ohne zu friihzeitigen Quantifizieningen zu fuhren.^^ Dies kommt in den drei Grundtypen der qualitativen Inhaltsanalyse zum Ausdruck:^^ • Im Rahmen des Zusammenfassungsverfahrens wird eine Reduktion des Materials auf die Keminhalte angestrebt. Dazu erfolgt zunSchst eine Umschreibung (Paraphrasierung) relevanter Textstellen in eine knappe, nur auf den Inhalt beschrankte Form. Daraufhin werden die gebildeten Paraphrasen verallgemeinert (Generalisierung) und gegebenenfalls inhaltsgleiche Aussagen eliminiert. Im Anschluss erfolgt eine Verdichtung der Aussagen zu Kategorien (induktive Kategorienbildung). Eine abschliefiende Priifung stellt fest, ob das Kategoriensystem gtiltig ist, d.h. ob sich die Aussagen des Ausgangsmaterials darin einordnen lassen. • Das Verfahren der Explikation dient der ErgSnzung erklSrungsbedurftiger Textstellen durch zusatzliches Material. Diese Informationen k5nnen ebenfalls aus dem Text stammen Oder aus einer Sekundardatenanalyse (z.B. Dokumentensammlung) gewonnen werden. • Mittels der Strukturierung wird schlieBlich Material nach Mafigabe eines Kategoriensystems gefiltert und geordnet. Hierzu sind entsprechende Kategorien aus der Fragestellung sowie aus dem theoretischen VorverstSndnis abzuleiten (deduktive Kategorienbildung). Anschliefiend werden die voriiegenden Primardaten auf ihre Zuordenbarkeit zum Kategoriensystem durchsucht. Passende Elemente des Materials werden extrahiert, zusammengefasst und aufgearbeitet. Die Vorteile der qualitativen Inhaltsanalyse bestehen mafigeblich in ihrer Offenheit und Interpretativitat.^* Offenheit bezieht sich auf den Umstand, dass zur Ausfuhrung der Analyse keine a priori ausformulierten, variablengestiitzten Analysekriterien oder Hypothesen voriiegen. Diese werden erst im Rahmen der Verarbeitung des Materials entwickelt.^^ Interpretativitat impliziert, dass bei der qualitativen Inhaltsanalyse iiber die Auslegung der erhobenen
Vgl. Mayring (2002), S. 114-121 sowie ahnlich BQschges/Ltttke-Bomefeld (1977), S. 173. Zu einer Ubersicht weiterer Definitionsansdtze vgl. Mayring (2003), S. 11-12. Vgl. grundlegend zur (qualitativen) Inhaltsanalyse Merten (1995). Vgl. Mayring (2002), S. 103. Zu einem Uberblick Uber Auswertungsmethoden der qualitativen Forschung vgl. Mayring (2002), S. 103-134. Vgl. zur folgenden Aufzahlung Mayring (2003), S. 58 und S. 59-84. Vgl. darauf aufbauend auch Laatz (1993), S. 214-227 sowie Lissmann (2001), S. 58-67. Vgl. Lamnek (1995), S. 197-203. Diese Eigenschaften stellen gleichsam grundsatzliche Merkmale der qualitativen Methodologie dar. Vgl. Lamnek (1995), S. 17-21. Vgl. Mayring (2002), S. 114, Lamnek (1995), S. 207, Mayring (2003), S. 44.
5.1 Entwicklung des Forschungsdesigns fur die empirische Untersuchung
275
Daten neue Thesen bzw. Hypothesen gebildet werden.^'^ Diese kOimen am theoretischen Vorverstandnis bzw. an der formulierten Forschungsfrage gespiegelt werden und bringen so ahnlich wie beim vorhergehend diskutierten, semistrukturierten Interview - ein reflexives Element in die Auswertung ein. Bei einer falliibergreifenden Betrachtung ist im Rahmen der Interpretationsaufgabe insbesondere das Entdecken typischer Muster anzustreben. Diese Muster reprasentieren das Endergebnis einer inhaltsanalytischen Auswertung.^' Die qualitative Inhaltsanalyse kann im vorliegenden Forschungsvorhaben sowohl fiir die Datenauswertung im Rahmen der Fallstudie als auch im Rahmen der Feldstudie eingesetzt werden (vgl. Abbildung 67). Im Untersuchungsplan Fallstudie kommt dabei der Analysetechnik der Strukturierung die Aufgabe zu, die unsystematischen, im Zuge der teilnehmenden Beobachtung erhobenen Daten zu einem Kategoriensystem zu strukturieren. Die Explikation wird herangezogen, um Erlauterungen zu Zusammenhangen zwischen den einzelnen Kategorien zu liefem und gegebenenfalls unter Riickgriff auf Sekundardaten bzw. auf das theoretische Vorverstandnis zusatzliche Informationen bereitzustellen. Bei der Feldstudie dient die Inhaltsanalyse insbesondere der Zusammenfassung der in Protokollform vorliegenden Interviewergebnisse zu konsolidierten Aussagen. Wie auch bei der Fallstudie wird erganzend das Verfahren der Explikation genutzt, um erklarungsbediirftige Aussagen durch zusatzliche Informationen zu konkretisieren.
Untersuchungsplan Fallstudie:
Strukturierung
Explikation
Untersuchungsplan Feldstudie: Aussagen zu Frage X
Zusammenfassung
Abbildung 67:
Explikation
Anwendungsmoglichkeiten der qualitativen InhaltsanalysefiirFall- und Feldstudie
Vgl. Lamnek (1995), S. 202-203. Vgl. Lamnek (1995), S. 215, Mayring (2003), S. 53.
276
5 Empirische Untersuchung zum Entwicklungsstand des SCPM in der Praxis
5.1.4. Ableitung des Forschungsdesigns Aufbauend auf der qualitativen Charakterisierung der Untersuchung und der Vorstellung geeigneter Untersuchungsplane und -methoden ist nachfolgend das Design der empirischen Untersuchung abzuleiten und zu konkretisieren. Entsprechend der aus Forschungsfrage 4 in Kapitel 1.1 ableitbaren Aufgabenstellung gilt es zum einen, die praktische Relevanz der theoriegeleiteten Aussagen der vorangegangenen Kapitel zu hinterfragen. Der Fokus liegt hierbei auf der Ermittlung des derzeitigen Stands der Performancemessung in Supply Chains sowie sich abzeichnender Entwicklungstendenzen. Zum anderen ist der theoretische Bezugsrahmen der vorliegenden Arbeit, die in Kapitel 4.2 entwickelte SCPM-Konzeption, einer ersten empirischen Uberpriifimg zu unterziehen. Hierbei steht die Generierung von Gestaltungsempfehlungen fur die Untemehmenspraxis im Mittelpunkt. Das Forschungsdesign spiegelt diese Aufgabenstellung im Rahmen eines zweistufigen Ansatzes wider, dessen Kern zwei zentrale Untersuchungsplane bilden, die aufeinander aufbauen (vgl. Abbildung 68):
l£''%1liftiiii'-iftiiMJIiiMij^^ Vorbereitung des qualitativen Forschungsdesigns fiir die empirische Untersuchung (Kap. 5.1)
Untersuchungsplan Fallstudie
i
Untersuchungsplan Feldstudie
Forschungsdesign (Kap. 5.1.4.1)
Forschungsdesign (Kap. 5.1.4.2)
• Auswahl der Faile • Entwicklung eines Fallstudienrasters • Erhebungsmethode: Teilnehmende Beobachtung, Dokumentensammlung • Auswertungsmethode: Qualitative Inhaltsanalyse
• Ertiebungsmethode: Qualitatives interview, Dolcumentensammiung • Auswertungsmethode: Qualitative Inlialtsanalyse • Ablauf der Untersuchung • Auswahl der Interviewpartner
Ergebnisse (Kap. 5.2)
Ergebnisse (Kap. 5.3)
• status Quo der Supply Chains • Pilotanwendung der SCPM-Konzeption • Ableitung des weiteren Forschungsbedarfe fQr die Feldstudie
• RahmefKlaten zu den untersuchten Untemehmen und Interviewpartnem • RolledesSCM • Status Quo des SCPM • Vom Perfbnnance Measurement zum wertorientierten Performance Management
Chaki$(ifCsV6f
Abbildung 68:
Globules Forschungsdesign der explorativen empirischen Untersuchung
5.1 Entwicklung des Forschungsdesigns fiir die empirische Untersuchung
277
• Zunachst wird eine Fallstudienuntersuchung in zwei ausgewahlten Supply Chains durchgefuhrt. Eine untemehmensubergreifende Wertschopfungskette entstammt dabei der Automobilbranche, die andere gehort der Konsumguterbranche an. Dabei steht eine moglichst ganzheitliche Betrachtung der Untersuchungsobjekte im Vordergrund. Mittels der brancheniibergreifenden Betrachtung wird eine Erhohung der Aussagekraft bzw. der Gultigkeit der Untersuchungsergebnisse angestrebt. • Anschliefiend werden im Rahmen einer vergleichenden Feldstudie weitere Untemehmen aus der Automobil- und Konsumguterbranche untersucht. Damit bietet die Feldstudie die Moglichkeit, Aspekte, welche sowohl in der theoriegeleiteten Untersuchung als auch in der Fallstudienarbeit aufgeworfen wurden, einer breiteren Uberprufung zuzufuhren. 5.1.4.1. Ausgestaltung des Untersuchungsplans Fallstudie Den ersten Teil der empirischen Untersuchung bildet die Durchfuhrung einer Fallstudienanalyse. Wie bereits in Kapitel 5.1.2 festgestellt, erscheint auf Grund des vergleichsweise fruhen Entwicklungsstands des Supply Chain Performance Managements in der Praxis der Typus der explorativen Fallstudie hierzu besonders geeignet. Den organisatorischen Rahmen der Untersuchung bildet ein von der Forschungseinrichtung des Verfassers im Jahr 2004 durchgefuhrter Expertenkreis.^^ Dieser erstreckte sich iiber sechs ganztatige Arbeitssitzungen, an welchen ausgewahlte Fuhrungskrafte, die in ihren Untemehmen vomehmlich Positionen an der Schnittstelle zwischen Logistik/Supply Chain Management und Controlling bekleiden, teilnahmen. Die folgenden Ausfiihrungen widmen sich einer detaillierten Ausgestaltung des Untersuchungsplans Fallstudie. Dazu ist zunachst eine Auswahl der Falle vorzunehmen. Anschliefiend wird ein Fallstudienraster zur Systematisierung des Forschungsprozesses entwickelt. AbschlieBend werden die zur Erhebung und Auswertung der Daten notwendigen Methoden definiert. Auswahl der FSUe Die Selektion der an der Fallstudienuntersuchung teilnehmenden Untemehmen erfolgt mit der Zielsetzung, moglichst aussagekraftige Falle fiir die explorative Untersuchung zu konfigurieren. Gemafi dem Anspmch des Supply Chain Management-Konzepts, die Wertschopfungskette als eine integriert zu steuemde Einheit zu betrachten, werden in den geplanten Fallstudien keine einzelnen Untemehmen, sondem untemehmensubergreifende Supply Chains als Untersuchungsobjekte herangezogen.
Bel der Forschungseinrichtung handelt es sich um den Lehrstuhl fur Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Logistik und Verkehrsbetriebslehre der Universitat Duisburg-Essen (Campus Duisburg) unter der Leitung von Prof. Dr. Wolfgang Stolzle.
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5 Empirische Untersuchung zum Entwicklungsstand des SCPM in der Praxis
Im Mittelpunkt der Fallstudienanalyse stehen zwei mehrstufige Supply Chains aus der Automobil- sowie der Konsumgtiterbranche, die sich aus jeweils drei kooperierenden Untemehmen zusammensetzen. Die Konfiguration der beiden Supply Chains ist jeweils als branchentypisch zu bezeichnen: Die Automobil-Supply Chain besteht aus einem groBen Systemlieferanten, der Continental AQ welcher Uber einen mittelstSndischen Gebietsspediteur, die Schiichen hitemational GmbH & Co. KQ Reifen an einen deutschen Automobilhersteller, die DaimlerChrysler AQ liefert.^^ Als Fall aus der Konsumguterindustrie wird die Supply Chain zwischen dem Sportartikelhersteller Adidas-Salomon AG und dem deutschen Handelsunternehmen KarstadtQuelle AG herangezogen. Da die Adidas-Salomon AG vorwiegend im Ausland produzieren iSsst, stellt die Befordenmg der Waren von der kontrahierten Produktionsstatte zum Bestimmungsort in Deutschland eine wichtige Komponente dieser Wertschopfungskette dar. Aus diesem Grund wird die fiir den Transport verantwortliche Maersk Logistics International A/S als drittes Supply Chain-Mitglied ebenfalls in die Untersuchung einbezogen. Aus der Perspektive des theoriegeleiteten Supply Chain Management-Verstandnisses kSnnen die Supply Chains als Ausschnitte zweier strategischer Netzwerke angesehen werden, welche jeweils ein fokales Untemehmen (die DaimlerChrysler AG bzw. die KarstadtQuelle AG) beinhalten.^ Abbildung 69 vermittelt einen schematischen Uberblick uber die ausgewahlten Falle. Eine detaillierte Darstellung der beteiligten Untemehmen und ihrer Beziehimgen zueinander erfolgt im Rahmen der Ergebnisdarstellung in Kapitel 5.2.
Automobil-Supply Chain:
Konsumguter-Supply Chain:
••if
Abbildung 69:
Schematische Darstellung der Fallstudien-Supply Chains
Eine Ausdehnimg des Betrachtungsspektrums auf die Lieferanten von Continental erscheint nicht zielfiihrend, da deren Rohstoffbeschaffimgsprozesse als unkritisch erachtet werden und in keinem direkten Zusammenhang mit den Bestellmengen von DaimlerChrysler stehen (prognosegetriebene Produktion). Auch von einer absatzseitigen Ausweitung der Kette auf die Vertriebseinheiten von DaimlerChrysler werden keine wesentlichen Impulse fur die vorliegende Untersuchung erwartet, weshalb auch die Distributionskette vom Werk zum Handler nicht betrachtet wird. Vgl. hierzu die Schlussfolgerungen zu den Erklarungsbeitragen der Netzwerkforschung in Kapitel 2.3.3.
279
5.1 Entwicklung des Forschungsdesigns fur die empirische Untersuchung
Entwicklung eines FaUstudienrasters Das Fallstudienraster dient als inhaltlicher und ablauforientierter Bezugsrahmen der Fallstudienanalyse. Seine Gestaltung orientiert sich stark an der SCPM-Konzeption, da durch die Ubertragung ausgewahlter Konzeptionsbausteine auf die Fallstudien-Supply Chains eine erste (Jberprufung der Praxistauglichkeit des theoriegeleitet entwickelten Ansatzes angestrebt werden soil. Einschrankend ist anzumerken, dass eine voUstandige Anwendung der umfassenden SCPM-Konzeption den Rahmen der Fallstudienuntersuchung sprengen wurde. Demzufolge wird die Analyse auf einen Ausschnitt der SCPM-Konzeption fokussiert, welcher im Sinne eines Pilotbereichs zwar die Funktionsweise der Konzeption moglichst gut widerspiegelt, jedoch hinsichtlich seiner KomplexitSt und seines Implementierungsumfangs fur eine Anwendung im Rahmen einer explorativen Fallstudienuntersuchung geeignet erscheint (vgl. Abbildung 70).
Supply Chain Performance Measurement-Prozess_
PVAnalysebereiche AusgangssituatJon u. Initiativen Nder FalistudienAktuelle InitiaVintersuchung Ausgangstiven in den situation der FallstudienFallstudienSupply Chains Supply Chains
lgM^j^Ml^%M!
SCPM-Konzeption Betrachtete Faile
m
\ \
KonsumgUterSupply Chain AutomobilSupply Chain
Fallstudienraster
Abbildung 70:
Fallstudienraster als spezifisches Forschungsdesign der Fallstudienanalyse
Vor diesem Anforderungsprofil bietet sich insbesondere die Performance Measurement-Phase als primarer Ankniipfungspunkt an. Anhand der darin enthaltenen prozessualen Aufgabenfolge konnen den Fallstudienteilnehmem die wesentlichen Schritte zu Entwicklung und Implementierung einer kennzahlengestiitzten, untemehmenstibergreifenden Performancemessung aufgezeigt werden. Auf Grund des Querschnittscharakters der Performance MeasurementPhase sowie ihrer Verflechtungen mit den anderen Steuerungsphasen ist zudem eine hohe Kompatibilitat des hier betrachteten Pilotbereichs mit der SCPM-Konzeption als Ganzes gegeben. Mit der Analyse von dreistufigen Supply Chains werden schliefilich auch die Beziehungs- und teilweise auch die Netzwerkebene der SCPM-Konzeption beleuchtet.
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5 Empirische Untersuchung zum Entwicklungsstand des SCPM in der Praxis
Den Ausgangspunkt des aus der SCPM-Konzeption extrahierten Performance MeasurementProzesses bildet die Visualisierung der Supply Chain.^^ Mit Hilfe von Supply Chain Maps werden dabei besonders erfolgskritische Aktivitaten der untemehmensubergreifenden Wertschopfungskette identifiziert und als kritischer Pfad der Supply Chain grafisch ausgewiesen. Darauf aufbauend erfolgt eine Strategieanbindung der identifizierten Supply Chain-Prozesse. Da im untemehmensubergreifenden Kontext meist keine kohSrente Strategic existiert, wohl aber eine Reihe von Supply Chain-bezogenen Sachzielen und (teilweise auch) Formalzielen vorliegen, bietet sich eine Erfassung dieser Ziele im Rahmen eines „Target Mappings" der Supply Chain an. Bei diesem Schritt werden imtemehmensbezogene und -ubergreifende Zielsetzungen erhoben, dem kritischen Pfad der Supply Chain zugeordnet und - sofem moglich - zu Oberzielen der Supply Chain verdichtet. Aus der entstandenen, prozessorientierten Target Map der Supply Chain kdnnen MessgroBen im Rahmen des kombinicrten TopDown-Bottom-Up-Verfahrens abgeleitet werden. Die anschlicBende Implementicrungsaufgabe fliefit nur teilweise in die Fallstudienuntersuchung ein: Aspekte einer sachoricnticrten Implementierung werden durch die kriteriengestutzte Kennzahlenauswahl, -filterung und -hierarchisierung berucksichtigt. Eine verhaltensorientierte Implementierung (z.B. die Festlcgung von Zielwerten ftir die erhobenen MessgrQBen oder die Verknupfung mit Anreizsystemen) erfolgt untemehmensspezifisch und wird aus der vorliegenden Fallstudienuntersuchung ausgeklanmiert. Ebenso wird die Ausgestaltung des operativen Messprozesses sowie die Evaluation im Sinne einer Ergebniskontrolle der Implementierung aus der angestrebten explorativen Fallstudienanalyse ausgeblendet. Um eine moglichst umfassende Vorbereitung der beschriebenen Pilotanwendung der SCPMKonzeption sicherzustellen, werden die genannten Aufgabenfelder um zwei vorauslaufende Analysebereiche erganzt, in welchen die Ausgangssituation der Fallstudien-Supply Chains sowie ihre aktuellen Initiativen im Bereich des Supply Chain Managements erfasst werden (vgl. Abbildung 70). Eingesetzte Methoden zur Datenerhebung und -auswertung Als Erhebungsmethode wird vomehmlich die teilnehmende Beobachtung herangezogen.^^ Sic ermoglicht eine aktive Teilnahme an den Sitzungen des oben genannten Expertenkreises. Das entwickelte Fallstudienraster fungiert als grobe Richtlinie ftir die Beobachtung und erweist sich gleichzeitig als ausreichend flexibel, um relevante Sachverhalte durch gezielte Einflussnahme auf die GesprSchsfiihrung zu vertiefen (Ausschnittsbeobachtung). Die Dokumentation der Beobachtungen erfolgt unmittelbar im Anschluss an die Sitzungen in Form eines vom Verfasser erstellten ErgebnisprotokoUs.
Vgl, zum Folgenden Kapitel 4.3.2, insbesondere die Ausfuhningen zu den fokussierten Instrumenten zur Unterstiitzung des sekundaren Steuemngskreislaufs der SCPM-Konzeption. Vgl. grundlegend zu dieser und zu den nachfolgend vorgestellten Methoden Kapitel 5.1.3.
5.1 Entwicklung des Forschungsdesigns fiir die empirische Untersuchung
281
Als weitere Erhebungsmethode wird die Dokumentensammlung eingesetzt. Sie dient primar dazu, die im Rahmen der Beobachtung gewonnenen Erkenntnisse zu erganzen bzw. zu bestatigen (konvergente Verwertung). Hierzu werden alle Dokumente, die von den Teilnehmem in die Expertenkreissitzungen mit eingebracht oder dort erstellt werden, registriert und fur die spatere Auswertung archiviert. Dabei handelt es sich insbesondere um Untemehmensprasentationen, Diskussionsnotizen sowie Ergebnisprasentationen der Arbeitsgruppen des Expertenkreises. Zur Komplettierung der Informationsbasis werden zudem auch auBerhalb der fixierten Arbeitssitzungen relevante Dokumente gesammelt (z.B. bestehende Reportingdaten und Kennzahlenlisten). Zur Datenauswertung werden Techniken der qualitativen Inhaltsanalyse eingesetzt. Den Kern bildet dabei der Auswertungstypus der Strukturierung, mit welchem die protokoUierten Informationen anhand des Kategoriensystems im Fallstudienraster systematisiert werden. Dartiber hinaus wird die inhaltsanalytische Technik der Explikation genutzt, um einzelne erklarungsbediirftige Informationen durch die Hinzunahme zusatzlichen Materials naher zu erlautem. 5.1.4.2. Ausgestaltung des Untersuchungsplans Feldstudie Zur Erhohung der Analysebreite der empirischen Untersuchung wird neben der vorgestellten Fallstudie auch eine Querschnittsuntersuchung im Rahmen einer vergleichenden Feldstudie angestrebt.^^ Dieser Untersuchungsplan baut teilweise auf die im Vorfeld durchgefiihrte Fallstudienanalyse auf. Dadurch kann gewahrleistet werden, dass infolge der dort erzielten genaueren Kenntnis des Untersuchungsgebietes inhaltliche Liicken bei der Konzeption der vergleichsweise aufwendigen Feldstudie vermieden werden konnen. Die grundsatzlich explorative Forschungsstrategie wird dabei auch in der Feldstudie beibehalten. Anders als bei der Fallstudie steht bei der Planung einer vergleichenden Feldstudie die Auswahl geeigneter Methoden zur Datenerhebung und -auswertung an erster Stelle. Anschliefiend wird ein Interviewleitfaden entwickelt, welcher die zu untersuchenden Inhalte festlegt und zur Strukturierung des Erhebungsprozesses dient. Die Auswahl der zu untersuchenden Untemehmen bildet den letzten Vorbereitungsschritt vor der eigentlichen Durchfuhrung. Eingesetzte Methoden zur Datenerhebung und -auswertung Um bei vergleichsweise hoher Analysebreite den Untersuchungsaufwand gering zu halten, sind fur die Datenerhebung vor allem Methoden heranzuziehen, deren Informationsbedarf aus Gesprachen mit ausgewahlten SchlUsselinformanten sowie untemehmensbezogenen Dokumenten gedeckt werden kann.^^ Als primSre Erhebungsmethode kommt daher das problemzentrierte, semistrukturierte Interview in Betracht. Angesichts des vergleichsweise geringen
Vgl. zum Tradeoff zwischen Analysebreite und -tiefe auch die Diskussion bei Kubicek (1975), S. 58-71. Vgl. grundlegend zu den nachfolgenden Methoden Kapitel 5.1.3.
282
5 Empirische Untersuchung zum Entwicklungsstand des SCPM in der Praxis
Entwicklungsstands des Supply Chain Performance Managements bietet dieses insbesondere den Vorteil einer offenen Fragenstruktur. Auf diese Weise konnen semantische Unklarheiten relativ gut erkannt und Fehlinterpretationen vermieden werden. Erganzend fmdet - wie auch bei der Fallstudienuntersuchung - eine Dokumentensammlung statt. Dabei handelt es sich in erster Linie um Anschauungsmaterial, das von den Interviewteilnehmem zur Verfugung gestellt wird (z.B. Organigramme). Die Datenauswertung greift auf Techniken der qualitativen Inhaltsanalyse zuriick. Im Vordergrund steht dabei das Verfahren der Zusammenfassung, mit welchem eine Reduktion des erhobenen Datenmaterials und eine Systematisierung uber induktive Kategorienbildung angestrebt werden.^ Auf diese Weise entsteht ein uberschaubares Destillat des urspriinglichen Materials, welches sich auf die wesentlichen inhaltlichen Aussagen konzentriert. Wie bei der Fallstudie wird ergSnzend auch das Verfahren der Explikation genutzt, um erklSrungsbediirftige Aussagen mittels zusStzlicher Informationen zu konkretisieren/" Entwicklung eines Interviewleitfadens Inhalt und Ablauf des problemzentrierten, semistrukturierten biterviews werden in einem Gesprachsleitfaden abgebildet. In diesem wird der Untersuchungsgegenstand in unterschiedliche Analysebereiche aufgeteilt, zu welchen entsprechende Fragen formuliert werden. Zur Unterstutzung einer flexiblen Konmiunikation wurden - entsprechend der Empfehlungen der einschlagigen Literatur - Fragen, die zwingend gestellt werden sollen (Schliisselfragen), und Fragen, die je nach Gesprachsverlauf ergSnzt werden k6nnen (Eventualfragen), difFerenziert.^^ In den Interviewleitfaden fliefien sowohl Ergebnisse der theoriegeleiteten Analyse als auch Erkenntoisse der Fallstudienarbeit ein. Um diese doppelte Fundierung zu gewahrleisten, erfolgt die Durchfiihrung der Feldstudie im Nachlauf zur Fallstudienarbeit. Abbildung 71 stellt den Aufbau des Interviewleitfadens tiberblicksweise dar. Der Interviewleitfaden ist in drei Abschnitte gegliedert: Im ersten wird eine nShere Betrachtung der RoUe des Supply Chain Managements in den untersuchten Untemehmen vorgenommen. Der Bedarf hierfur ergibt sich insbesondere aus den Erfalmmgen der Fallstudienarbeit, wo teilweise unterschiedliche betriebswirtschaftliche Konzepte mit dem Supply Chain Management-Begriff assoziiert werden. Einleitend wird zunSchst der wahrgenommene Innovationsgehalt des Supply Chain Managements gegenuber der Logistik erhoben. Im Anschluss werden weitere Aspekte der Ausgestaltung des Supply Chain Managements analysiert, die bereits starke inhaltliche Bezuge zum Performance Measurement und Management enthalten.
^^ Im Rahmen der durchgefiihrten Feldstudie wurden dabei Tonbandprotokolle aus 14 Interviews in ca. 200 Seiten Ergebnisprotokolle transkribiert und einer qualitativen Inhaltsanalyse unterzogen. ^° Hierzu sind insbesondere Geschaftsberichte, Strategiepapiere, Organigramme, Kennzahlenlisten und ausgewahlte Berichte aus dem intemen Reporting der befragten Untemehmen heranzuziehen, ^^ Vgl. Friedrichs (1990), S. 226-227 sowie die dort zitierte Literatur. Vgl. ahnlich auch Bortz/D6ring (2002), S.315.
5.1 Entwicklung des Forschungsdesigns fiir die empirische Untersuchung
283
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iNitersuohiHf^)
Rolle des Supply Chain Managements in den untersuchten Unternehmen (Kapitel 5.3.1)
Status Quo des SCPM in den untersuchten Unternehmen (Kapitel 5.3.2)
• Innovationsgehalt des Supply Chain Managements gegenuber der Logistik • Ziele des Supply Chain Managements • Struktur und Ausdehnung der Supply Chain
• Nutzenpotenzial einer Performancemessung in Supply Chains • Inhalte der Performancemessung
• Charakter und Intensitdt der Supply ChainBeziehungen
• Beurteilung der eingesetzten Kennzahlen: Basisanforderungen und erweiterte Steuerungsanforderungen
• Integration der Supply Chaln-Prozesse
• Organisatorische Verankerung des SCPM • Reichweite des SCPM in der Supply Chain • Adressaten des SCPM • Implementierungsbarrleren des SCPM
Entwicklungstrends: Vom Measurement zum wertorientierten Management (Kap. 5.3.3) • BerQcksichtigung der Wertorientierung im Supply Chain Performance Management • Ausdehnung des Performance Measurements zu einem integrierten Managementprozess
^^^^^k^^^m' Abbildung 71:
Interviewleitfaden ah spezifisches Forschungsdesign der vergleichende Feldstudie
Inhaltlich orientiert sich der erste Feldstudienabschnitt vor allem an den theoriegeleitet entwickelten Handlungsfeldem des Supply Chain Managements:^^ Die Fragekategorien „Ziele des Supply Chain Managements" sowie „Struktur und Ausdehnung der Supply Chain" stehen in engem sachlichen Zusammenhang mit den in das Handlungsfeld Organisation fallenden Steuerungsaufgaben. Fragen zum Beziehungsgefuge in der Supply Chain („Charakter und Intensitat der Supply Chain-Beziehungen") rekurrieren in erster Linie auf Inhalte der Handlungsfelder Upstream-Beziehungen und Downstream-Beziehungen. Die Fragenkategorie „Integration der Supply Chain-Prozesse" iiberfuhrt vomehmlich hihalte der Handlungsfelder Supply Chain-Prozesse sowie Information/IT in das Forschungsdesign der vergleichenden Feldstudie. Im zweiten Abschnitt wird der Status quo des Supply Chain Performance Managements in den untersuchten Unternehmen erhoben. Da die Ergebnisse der Fallstudienanalyse a priori auf einen relativ niedrigen Entwicklungsstand eines umfassenden Supply Chain Performance Management-Ansatzes in der Untemehmenspraxis schliefien lassen, stellen die Mehrzahl der Fragen auf Aspekte der Performancemessung und somit auf den Teilbereich Performance Measurement ab. Einleitend steht dabei die Frage nach den Nutzenerwartungen an eine untemehmensubergreifende Performancemessung („Nutzenpotenzial einer Performancemessung in Supply Chains"), aus welcher sich erste Aussagen zum Aufgabenprofil sowie zu den Zielen des SCPM ableiten lassen. Die anschliefienden Fragen gehen starker auf inhaltliche
Vgl. Kapitel 2.1.2.2.
284
5 Empirische Untersuchung zum Entwicklungsstand des SCPM in der Praxis
Aspekte der Performancemessung ein. Die Frage „Inhalte der Performancemessung im Supply Chain Management" bezieht sich insbesondere auf die zur Messung herangezogenen Kennzahlen. Im Rahmen der „Beurteilung der eingesetzten Kennzahlen" wird unter Zuhilfenahme formaler und inhaltlicher Kriterien^^ ermittelt, welche Anforderungen an Kennzahlen zu stellen imd inwieweit diese bereits als erfiillt zu erachten sind. Anschliefiend werden aus Organisationsgesichtspunkten relevante Fragen nach der Zustandigkeit („Organisatorische Verankerung der Performancemessung"), nach dem untemehmensubergreifenden Geltungsbereich („Ausdehnung der Performancemessung entlang der Supply Chain") sowie nach den Emp%igem der ermittelten Daten („Adressaten der Performancemessung in Supply Chains") gestellt.^'* Der letzte Punkt, der auf die „Implementierungsbarrieren eines Supply Chain Performance Managements" abstellt, dient vomehmlich der Vertiefung von Erkenntaissen der Fallstudienarbeit. Im dritten Abschnitt des Interviewleitfadens sind iiber den derzeitigen Anwendungsstand hinausreichende Entwicklungstrends zu identifizieren und zu hinterfragen. Im Fokus steht dabei die Transformation vom Performance Measurement zum Performance Managements^ Eine bedeutsame Fragenkategorie bezieht sich diesbezuglich auf die zukunftige RoUe des Wertsteigerungsziels im Supply Chain-Kontext („Berucksichtigung der Wertorientierung im SCPM")7^ Des Weiteren wird - auch unter Rackgriflfauf die Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung, die in diese Richtung weisen - die Frage nach der „Ausdehnung des Performance Measurements auf einen integrierten Managementprozess" adressiert. Auswahl der zu untersuchenden Untemehmen Den abschliefienden Schritt der Konzipierung der vergleichenden Feldstudie bildet die Selektion der zu untersuchenden Untemehmen sowie der Interviewpartner. Die Auswahl orientiert sich dabei stark an der Besetzung der Fallstudien-Supply Chains, so dass auch in der Feldstudie eine ausgewogene Verteilung von Reprasentanten der drei Supply Chain-Stufen (Lieferant/Logistikdienstleister/OEM bzw. Lieferant/Logistikdienstleister/Handel) sowie der Automobil- und Konsumgiiterbranche angestrebt wird. Angesichts des hohen Zeitaufwands bei der Durchfuhrung der Interviews (ca. drei Stunden pro Gesprach) sowie bei der Auswertung der qualitativen Daten wird aus Griinden der Forschungseflfizienz mit 14 Interviewpartner eine relativ kleinzahlige Befragung durchgefuhrt. Um die Anonymitat der teilnehmenden Untemehmen zu gewShrleisten, werden sSmtliche Informationen, die klare Riickschlusse auf deren Identitat ermoglichen, eliminiert oder verallgemeinert. Als Gesprachspartaer werden vomehmlich Fiihrungskrafte im gehobenen Management in Betracht gezogen, die haufig auf Grund ihrer vergleichsweise groBen Leitungsspanne eine „Vogelperspektive" auf Supply
^^ Vgl. zur literaturgestiitzten Ableitung dieser Kriterien Kapitel 3.1.2.1. '^^ Vgl. Kapitel4.3.3. ^^ Vgl. Kapitel 4.1. ^^ Vgl. Kapitel 3.2.3.
285
5.1 Entwicklung des Forschungsdesigns fiir die empirische Untersuchung
Chain-relevante Prozesse einnehmen und auch Beziehimgen zu anderen Untemehmen aktiv gestalten konnen. In fachlicher Hinsicht fallt die Wahl auf Personen, die im Bereich Logistik und/oder Supply Chain Management tatig sind und deren Aufgabenprofil starke Bezuge zur Steuerung bzw. zum Controlling aufweist.^^ Die Stichprobe beinhaltet ausschliefilich Untemehmen, die bereits tiber umfassende Erfahrungen im Bereich Supply Chain Management sowie mindestens uber erste Erfahrungen mit der untemehmensiibergreifenden Performancemessung verfugen. Da angenommen werden kann, dass insbesondere groBere Untemehmen mit derartigen Konzepten bereits vertraut sind, liegt der Fokus der Untersuchung auf GroBuntemehmen (vgl. Abbildung 72).
Umsatz p.a. [EUR]
A
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> 2,5 Mrd.
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1 - 2,5 Mrd.
<1Mrd.
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1
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Abbildung 72:
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5
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Anzahl der befragten Untemehmen
Umsatzverteilung der an der Feldstudie teilnehmenden Untemehmen
Nach Abschluss der inhaltlichen und ablauforientierten Vorbereitung der empirischen Untersuchung widmen sich die folgenden Abschnitte einer Ergebnisprasentation. Das unmittelbar nachfolgende Kapitel 5.2 gibt die Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung wieder. Kapitel 5.3 greift im Anschluss daran die Resultate der vergleichenden Feldstudie auf.
Als Vertreter der Automobilbranche nahmen zwei Experten aus Zulieferuntemehmen (Fachreferent zentrale Beschaffungslogistik, Director Logistics & Distribution), drei aus Logistikdienstleistungsuntemehmen (Leiter Controlling, Leiter Kontraktlogistik, Leiter Key Account Netzwerkmanagement) sowie zwei EntscheidungstrSger aus Herstelleruntemehmen (Standortleiter Logistik, Abteilungsleiter Logistikplanung) an der Befragung teil. Als Vertreter der Konsumgiiterbranche beteiligten sich drei Experten aus Herstelleruntemehmen (Leiter Logistik, Manager Supply Chain Projects & Controlling, Logistics Manager Europe), zwei aus Logistikdienstleistungsuntemehmen (Prokurist, Bereichsleiter Fast Moving Consumer Goods) sowie zwei Manager aus Einzelhandelsuntemehmen (Zentralbereichsleiter Logistik und Organisation, Leiter Logistik) an der Befragung.
286
5 Empirische Untersuchung zum Entwicklungsstand des SCPM in der Praxis
5.2. Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung: SCPM am Beispiel einer AutomobU- sowie einer Konsumgiiter-Supply Chain Die folgende Darstellung und Diskussion der Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung orientiert sich an dem entwickelten Fallstudienraster/* Den dort fixierten Analysebereichen entsprechend werden einleitend die Ausgangssituation der Fallstudien-Supply Chains sowie aktuelle Initiativen im Bereich der Performancemessung Uberblicksweise dargesteUt (Kapitel 5.2.1). AnschlieBend erfolgt eine ausfuhrliche Darstellung der Umsetzung ausgewahlter Elemente des Supply Chain Performance Managements (Kapitel 5.2.2). 5.2.1. Ausgangssituation und aktuelle Initiativen der Fallstudien-Supply Chains Profll der Automobil-Supply Chain^' Die Continental AG ist ein groBer Systemlieferant der Automobilbranche, der eine breite Palette von Komponenten fiir PKW und Nutzfahrzeuge produziert. Der Geschaftsbereich „Nutzfahrzeugreifen" produziert mit etwas iiber 11.000 Mitarbeitem jahrlich ca. 6.000.000 Reifen fur leichte Lkws, Lkws und Busse. Die Reifen werden sowohl an verschiedene Nutzfahrzeughersteller (Erstausriistergeschaft) als auch an den Reifen- und Ersatzteilhandel (Ersatzgeschaft) vertrieben. Von DaimlerChrysler wurde im Segment „Transporter" (Modellreihen „Sprinter", „Vaneo" und „Vito") im Geschaftsjahr 2003 eine StUckzahl von 550.000 Einheiten abgenommen, deren Lieferung u.a. von der Firma Schiichen iibemommen wird. Die Schuchen International GmbH & Co. KG ist ein mittelstSndisches Speditionsuntemehmen, welches sich auf die Erbringung logistischer Dienstleistungen in der Automobilbranche spezialisiert hat.*° In unterschiedlichen Regionen werden von jeweils mehreren Zulieferem Telle abgeholt und, gegebenenfalls nach einer abnehmerspezifischen Konsolidierung in eigenen Umschlagspunkten, zu verschiedenen Automobilwerken transportiert. Ein Vertragsverhaltnis besteht dabei in der Regel entweder mit dem Zulieferer oder mit dem Abnehmer, wobei in der untersuchten Supply Chain DaimlerChrysler als Auftraggeber auftritt. DaimlerChrysler fertigt am betrachteten Standort Diisseldorf jahrlich rund 130.000 Einheiten des Nutzfahrzeugs „Sprinter**. Auf Grund zahkeicher KonfigurationsmSglichkeiten der Fahrzeuge ist das Produktionsprogramm durch eine relativ hohe Variantenvielfalt gekennzeichnet. Die zur Fertigung benStigten Telle werden mit ca. 200 Lkws pro Tag von ca. 500 verschiedenen Lieferanten angeliefert. Die Mehrzahl der Lieferanten stellen die gelieferten Materialien und Waren eigenverantwortlich in einem Konsignationslager bereit, wo Daimler-
Vgl. Abbildimg 70 in Kapitel 5.1.4.1. Vgl. auch Abbildung 69. Zum Gebietsspediteurkonzept vgl. z.B. Stolzle/Gareis (2002), S. 413-415, Pfohl (2004a), S. 192.
5.2 Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung zum SCPM
287
Chrysler diese selbstSndig entnimmt.^^ Andere liefem entweder an ein konventionelles Lager Oder direkt JIT bzw. Just-in-Sequence (JIS) in die Fertigung.^^ Im Fall von Continental erfolgt eine JIT-Lieferung der bezogenen Reifen ans Band von DaimlerChrysler. In der betrachteten Supply Chain sind sowohl Continental als auch Schiichen direkte Auftragnehmer von DaimlerChrysler. Die Wertschopfungskette wird dabei hauptsachlich auf Grundlage von geplanten Produktionsabrufen gesteuert, d.h. DaimlerChrysler stellt Continental Daten iiber geplante Bestell- bzw. Transportmengen zur Verfugung, auf Basis derer Continental und in weiterer Folge Schtichen ihre eigenen Planungen aufbauen. Obwohl DaimlerChrysler dabei die Supply Chain direkt tiber Vorgaben steuert und dadurch in gewisser Weise die Rolle eines fokalen Untemehmens einnimmt, kann das Beziehungsgefuge zwischen den Akteuren nicht als rein hierarchisch charakterisiert werden. Vor allem das Verhaltnis zwischen DaimlerChrysler und Continental ist eher als partnerschafllich zu bezeichnen. Als Grtinde hierfur konnen unter anderem die vergleichsweise grofie Marktmacht von Continental in ihrem Produktbereich, aber auch gemeinsame KooperationsaktivitSten in den Bereichen der Forschung und Entwicklung sowie in der Prozessverbesserung identifiziert werden. Profil der Konsumgtiter-Supply Chain^^ Die Adidas-Salomon AG ist ein mittelgroBes europaisches Untemehmen der Sportartikelbranche. Da sie tiber keine eigenen Produktionskapazitaten in Europa verftigt, werden die Waren in Auftragsfertigung von ca. 200 - hauptsachlich im asiatischen Raum angesiedelten Untemehmen hergestellt. Die Auswahl der Produktionsstatten und die AUokation der Produktionsauftrage werden dabei von einer vor Ort ansSssigen „Liaison-OfFice" der adidas-Salomon international sourcing (ASIS) wahrgenommen. Die Distribution der Produkte an den Handel erfolgt in Deutschland schwerpunktmaBig indirekt tiber das adidas-Salomon-Zentrallager in UflFenheim. Daneben werden einige Grofikunden direkt von einem lagerlosen Umschlagspunkt („Deconsolidation Center") eines Logistikdienstleisters in der Nahe des empfangenden Seehafens in Bremen beliefert. Der Transport der Waren von den Produktionsstatten in Asien zum Zentrallager bzw. tiber den Auflosungspunkt in Rotterdam zum Kunden wird von der Maersk Logistics International A/S, einem groBen intemationalen Seefrachtspediteur, im Auftrag von Adidas gesteuert. Zur Erbringung der dafur erforderlichen Leistungen (z.B. VerzoUung, Dekonsolidierung und
Vgl. zum Konsignationslager z.B. Schulte (2001), S. 260. Das im Rahmen des ECR-Konzepts (Kapitel 2.1.2.2) adressierte Vendor Managed Inventory (VMI)-Konzept ahnelt dem Konsignationslager, ist jedoch nicht mit diesem gleichzusetzen: Wahrend beim Konsignationslager die Frage des rechtlichen Eigentums an der Ware im Vordergrund steht, wird beim VMI primSr auf die Ubemahme des Bestandsmanagements durch den Lieferanten abgestellt. AUgemein zu den verschiedenen Bereitstellungsprinzipien vgl. Pfohl (2004a), S. 185-186, sowie speziell zum Just-in-Time-Konzept StQlzle/Gareis (2002), S. 408-410. Vgl. auch Abbildung 69.
288
5 Empirische Untersuchung zum Entwicklungsstand des SCPM in der Praxis
Transport) greift Maersk Logistics entweder auf eigene Ressourcen zuruck oder nimmt von Adidas nominierte Dienstleister (z.B. den o.g. „Deconsolidator" in Bremen) in Anspruch. Das Geschaftsfeld „stationarer Einzelhandel" der KarstadtQuelle AG beschaftigt ca. 36.000 Mitarbeiter und ist mit uber 150 WarenhSusem und einer Reihe von Sporthausem und Fachgeschaften einer der groBten Kunden von Adidas in Deutschland. Dementsprechend wird KarstadtQuelle vomehmlich direkt iiber den Cross-Docking-Punkt in Bremen beliefert. Die Feindistribution der Waren an die LadengescMfte erfolgt indirekt uber sechs eigene Zentrallager („Warenverteilzentren") im westdeutschen Raum. Anders als bei der oben beschriebenen Automobil-Supply Chain existiert bei der hier vorgestellten Konsumguter-Supply Chain kein zentraler Auftraggeber, welcher die Wertschopfungskette direkt Uber Plandaten seines Produktionsprogramms steuert. KarstadtQuelle nimmt aufgrund ihrer endkundennahen Stellung zwar eine zentrale Position ein. Die Abstimmung zwischen den Akteuren erfolgt jedoch weitgehend auf bilateraler Basis. Das Beziehungsgefiige zwischen den Akteuren kann als partnerschaftlich und - insbesondere zwischen Adidas und KarstadtQuelle - als weitgehend heterarchisch bezeichnet werden. Aktuelle Initiativen in der Automobil-Supply Chain Die derzeitigen Aktivitaten in der Automobil-Supply Chain zielen vomehmlich auf eine Erhohung der Verlasslichkeit in der Lieferkette ab. Der Fokus liegt dabei in erster Linie auf der Erreichung einer moglichst hohen Versorgungsleistung „am Band" von DaimlerChrysler. Um dieses Ziel zu erreichen, wird insbesondere eine Verbesserung der ProzessqualitSt angestrebt. Diesbeziiglich zentrale Aspekte sind unter anderem die Einhaltung von Anlieferungszeitfenstem oder die Vollstandigkeit des iibermittelten Datenmaterials. Dementsprechend werden derzeit hauptsSchlich Kennzahlen erhoben und ausgetauscht, welche die Qualitat der Logistikprozesse reflektieren. Obwohl generell auch eine Senkung der Kosten sowie eine Steigerung der FlexibilitSt angestrebt werden, fmdet eine Messung derartiger GroBen fiir den untemehmensubergreifenden Kontext bislang noch nicht statt. Um die Transparenz in der Kette zu steigem, soil zukiinftig der untemehmensiibergreifende Austausch von Daten intensiviert werden. Angedacht wird unter anderem eine Weitergabe von Bedarfsprognosen (Forecasts) von DaimlerChrysler an Continental. Aktuelle Initiativen in der Konsumgfiter-Supply Chain Neben eher allgemeinen MaBnahmen zur Prozessverbesserung steht auch fur die Konsumguter-Supply Chain derzeit vor allem die Schaffung von Transparenz in der Wertschopfungskette im Vordergrund. Hierfur wird vomehmlich die untemehmensiibergreifende Integration bestehender IT-Systeme vorangetrieben. Eine Herausforderung stellt dabei insbesondere die Anbindung einer Vielzahl - oftmals auslandischer - Frachtfiihrer und Logistikdienstleister an die Systeme von Adidas sowie KarstadtQuelle dar. Weiterer Handlungsbedarf wird bei der Qualitat der Forecasts und der Kapazitatsplanung sowie bei der Ausgestaltung der Anreizsys-
5.2 Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung zum SCPM
289
teme gesehen. In Bezug auf die Performancemessung in der Supply Chain liegt nach Einschatzung der Fallstudienuntemehmen der Schwerpunkt auf der Verlasslichkeit des Warenund Informationsflusses. Kostengr6i3en werden hingegen bisiang nicht untemehmenstibergreifend erhoben bzw. ausgetauscht. Auch MessgroBen aus anderen Kategorien wie z.B. Kennzahlen zur Uberwachung der Supply Chain-Flexibilitat haben in dieser Wertschopfungskette bisiang keine wesentliche Bedeutung erlangt. 5.2.2. Umsetzung ausgewahlter Elemente des Supply Chain Performance Managements Im Anschluss an die Erhebung der Ausgangssituation der Fallstudien-Supply Chains werden die im Fallstudienraster selektierten Elemente der SCPM-Konzeption umgesetzt.^"^ Aktivitatenorientiertes Mapping der Supply Chain Der erste im Fallstudienbereich vorgesehene Analysebereich beinhaltet ein aktivitatenorientiertes Supply Chain Mapping.^^ Anfangs wird dazu ein von alien Beteiligten als zentral interpretierter, untemehmensiibergreifender Prozess - der angesprochene kritische Pfad in der Supply Chain^^ - isoliert. Die mit einer linearen Struktur einhergehende Vereinfachung der Aktivitatenfolge wird dabei bewusst in Kauf genommen, um eine konsensfahige und standardisierte Visualisierung der untemehmenstibergreifenden Supply Chain zu erreichen.
DaimlerChrysler
Continental
Schuchen '
Abbildung 73:
X
Waron \
\
DaimlerChrysler
KonSOli-\
Lineare Aktivitatenkette der Automobil-Supply Chain
Den AnstoB in der Aktivitatenkette der Automobil-Supply Chain (vgl. Abbildung 73) bildet der Eingang des Kundenauftrages bzw. die Erstellung einer Prognose uber die voraussichtlichen Auftragseingange in einer Planperiode bei DaimlerChrysler. Diese Primarbedarfe werden im Rahmen der Disposition in Sekundarbedarfe aufgel(3st und fiir die benotigten Teile werden entsprechende Lieferabrufe generiert. Unter Berucksichtigung dieser Stiickzahlen stellt Continental fiir die nSchste Periode eine Produktionsplanung auf und produziert anschliefiend die Reifen entsprechend diesem Programm. Die hergestellten Reifen werden dann gemaB den Feinabrufen von DaimlerChrysler zum Versand bereitgestellt. AnschlieBend wird die Ware von Schuchen abgeholt. Dabei dokumentiert diese, ob die Reifen rechtzeitig bereitgestellt wurden und die avisierte Anzahl an Transportbehaltem mit den tatsachlich an sie
Vgl. zum Fallstudienraster Kapitel 5.1.4.1. Ausfuhrunge zu Supply Chain Maps in Kapitel 4.3.2.2. Vgl. die Ausfuhrungen Vgl. Kapitel 4.3.2.2.
290
5 Empirische Untersuchung zum Entwicklungsstand des SCPM in der Praxis
ubergebenen tibereinstimmt. Danach erfolgt der Transport zu einem Konsolidienmgspunkti wo eine Konsolidierung mit anderen ftir den EmpfSnger bestimmten Teilen stattfindet. Nach Ankunft am Wareneingang von DaimlerChrysler wird uberpriift, ob die Liefenmg innerhalb des vorgegebenen Zeitfensters liegt und ob die Ware vollstSndig und unbeschSdigt tibergeben wurde. Danach erfolgt die Einlagerung in einem fertigungsnahen Pufferlager. Von dort wird die Ware nach Bedarf entnommen und werksintem zum Verwendungsort transportiert. Beendet wird diese Aktivitatenkette mit der Montage der Reifen in der Fertigungslinie.
KQ/Adidas
Adidas
Abbildung 74:
Maersk Logistics
Adidas
KarstadtQuelle
Lineare Aktivitatenkette der KonsumgUter-Supply Chain
Den Ausgangspunkt in der Aktivitatenkette der Konsumguter-Supply Chain (vgl. Abbildung 74) bildet der Eingang von KundenauftrSgen bei Adidas (wie z.B. die saisonalen Auftrage von KarstadtQuelle) bzw. die Erstellung einer Prognose fiir den voraussichtlichen Absatz in der Planperiode. Auf Gnindlage dieser Informationen generiert der Sportartikelhersteller entsprechende Beschaffimgsauftrage („purchase orders"). Diese AuftrSge werden von der zentralen Planungsabteilung zusammengefasst und in Zusammenarbeit mit den vor Ort ansSssigen „Liaison-Offices" von Adidas auf vorab gebuchte Produktionskapazitaten disponiert. Nachdem die Waren hergestellt worden sind, werden sie von Maersk Logistics bzw. einem ihrer Vertragspartner abgeholt und zu einem Umschlagspunkt am nachsten Seehafen transportiert. Dort werden, gesteuert von Maersk Logistics, die ZoUfonnalitaten abgewickelt, die notwendigen Sendungspapiere erstellt sowie die Waren konsolidiert und in Container verpackt. Anschliei3end sorgt Maersk Logistics dafur, dass die Container fur die Dxirchfuhrung des Hauptlaufs auf entsprechende Schiffe verladen werden. Nach diesem Transport werden im Empfangshafen (Rotterdam oder Hamburg) wiederum von Maersk Logistics zunachst die Zollformalitaten erledigt. AnschlieBend erfolgt der Transport der Container an das Zentrallager von Adidas in Deutschland oder - bei AuftrSgen von GroBabnehmem (wie z.B. KarstadtQuelle) - zimi Dekonsolidieningspunkt eines von Adidas nominierten Logistikdienstleisters. Dieser entladt die Behalter und versendet die Waren auf Paletten an den jeweiligen Kunden. Entsprechend werden die Bestellungen in der Regel von diesem Dienstleister direkt an das Zentrallager von KarstadtQuelle geliefert. Dort werden die Waren zunachst einer EingangskontroUe unterzogen. Den Endpunkt der Aktivitatenkette bildet die Einlagerung im Zentrallager oder die direkte Ausliefenmg an eine Filiale.
291
5.2 Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung zum SCPM
Target Mapping in der Supply Chain Nachdem die relevanten AktivitSten der beiden Supply Chains identifiziert und dokumentiert wurden, gilt es aus der gemeinsamen Supply Chain-Strategie adaquate Sachziele abzuleiten (Supply Chain Target Mapping).^^ Da in den untersuchten Wertschopfungsketten bislang noch keine derartige Strategie formuliert wurde, miissen die mit den jeweiligen Aktivitaten in Verbindung stehenden Ziele direkt ermittelt werden. Die innerhalb der Automobil-Supply Chain verfolgten Ziele sind in Abbildung 75 dargestellt. Die horizontale Ausdehnung des jeweiligen Ziels gibt dabei seinen Gultigkeitsbereich an. Die neben dem Ziel angegebene Ziffer dient der spateren Zuordnung von Kennzahlen zum jeweiligen Ziel.
DaimlerChrysler
Continental
DaimlerChrysler
Schuchen KonsoliWaren- ' • Transport ^ dierung, robernahme. Verladunj
Gemeinsame Vision: ..Perfect Order" zu mdglichst geringen Kosten (5) Prozessstabilitat gewahrieisten (Vermeidung v. Schwankungen ggo. ursprQngl. Pig.) (10) Handhabungskosten fQr Ladungstrager nninimieren I
(2) Forecast-Perforrnance ertiOlien
||
(7) Schaden reduzieren
(3) P 1(1) Bestande h Vollst. und H reduzieren | Obereinst. | von Ware h
(6) Frachtkost. reduzieren
il gewahrleist.
(4) Zeitfenster fQrAnllef. an Rampe
(6) d Frachtkost. reduzieren
(8) LieferH termin- und 1 -mengenI treue
(11) Versorg. qualitat gewahrieisten (1) Bestande reduzieren
d (3) Vollstan-h 3 digkeit u. ' Obereinst. von Ware . und Daten I gewahrl.
I EDI-Quote I erhOiien
Abbildung 75:
Ziele in der Aktivitdtenkette der Automobil-Supply Chain
Bei der Analyse der Ziele soil zunachst der Frage nachgegangen werden, welche Arten von Zielen besonders haufig genannt werden. Um dies zu untersuchen, erscheint es sinnvoU, die Zielkategorien des Supply Chain Management-Konzepts heranzuziehen.^^ Die Zuordnung der identifizierten Ziele zu diesen Kategorien zeigt, dass in dieser Aktivitatenkette vor allem
Vgl. die Ausfuhrungen zu Target Maps in Kapitel 4.3.2. Vgl.Kapitel 2.1.2.1.
292
5 Empirische Untersuchung zum Entwicklungsstand des SCPM in der Praxis
Qualitats- und Kostenziele verfolgt werden (Versteht man die Verbesserung des Lieferservice als eine Verbesserung des Kundennutzens, so findet sich dariiber hinaus auch diese Zielkategorie). Dies verwundert insofem nicht, als in der Automobilbranche typischerweise die Sicherstellung einer hohen Versorgungsleistung bei einer gleichzeitig moglichst efFizienten Prozessgestaltung im Vordergrund steht (dies wird auch durch die ubergeordnete „Vision" in Abbildung 75 reflektiert). Vollkommen ungenannt bleiben hingegen Zeitziele. Dies wird von den Fallstudienteilnehmem damit begrundet, dass der reinen Prozessbeschleunigung in der Automobilindustrie in der Regel nur eine inferiore Rolle zukommt. Auf Grund der sich wandelnden Markterfordemisse wird jedoch die Vermutung geauBert, dass kiinftig an verschiedenen Stellen der AktivitStenkette zunehmend eine Steigerung der Flexibilitat gefordert werden wird. Betrachtet man daniber hinaus die horizontale ,^ielausdehnung", so zeigt sich, dass eine Reihe von Zielen nicht nur mehrere AktivitSten betreffen, sondem auch untemehmensubergreifend von mehreren Akteuren gemeinsam verfolgt werden (z.B. „Prozessstabilitat gewahrleisten"). Bei der Konsumgiiter-Supply Chain ergibt sich hinsichtlich der verfolgten Ziele in der Supply Chain ein etwas anderes Bild (vgl. Abbildung 76).
KQ/Adidas
Adidas
Adidas
Maersk Logistics
KarstadtQuede
Vision: Kostonminimal* WarvnveffOgbarfcatt am P 0 8 (Prio 1) iMi grMtmdgiictMr Ziiveri«ssiglceit von Zeit/Qualittt/Sefvices (Prio 2). VvrtMssaning d«r finanziellwi Pwfomuinc* d w gcsamten Supply Chain durcli IcOizeren Cash-to-Casli-Zyl(lus (3) Termingerechte Prozessabwicldung (1)HoheFi (Menge und Termin) erreichen (6) I Kontrald-
(4) Qualitfltsvorgaben
(2) Effiziente Auftrags-
!
(5) Minimieamg der Kapitalblndung
rung der Kapitalbindung
(9) KostengQnstige Prozessabwicldung
V |{
(5) 1 Minimie1 aing der Kapital1 bindung
(7)
1 <®) i 1 i
Abbildung 76:
}
Uefer1 tnengen- ll treue |
l!
Terminge- { rechte An-1| liefarung |l (Rampen- l! 1 zeit) |i
Ziele in der Aktivitdtenkette der Konsumgiiter-Supply Chain
Die Priorisierung der Zielsetzungen in der tibergeordneten „Vision" zeigt, dass bei dieser Wertschdpfimgskette der Fokus auf der Senkung der Kosten liegt, wahrend die Erreichung eines hohen Servicegrades an zweiter Stelle steht. Anders als bei der Automobil-Supply Chain steht neben den klassischen logistischen Servicezielen vor allem die insgesamte Beschleunigung der Prozesskette und damit die Realisierung von Zeitvorteilen im Vordergrund. Dies betrifft nicht nur den Warenfluss (z.B. „termingerechte Prozessabwicklung"), sondem auch den Fluss finanzieller Mittel in der Supply Chain (z.B. die angestrebte Verkiirzung des Cash-
293
5.2 Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung zum SCPM
to-Cash-Zyklus in der Vision). Die Bedeutung der zeitlichen Dimension ergibt sich vomehmlich aus der grofien geografischen Ausdehnung der Wertschopfiingskette bzw. der damit verbundenen, vergleichsweise langen Durchlaufzeit (ca. sechs Monate). Einige Ziele werden von mehreren Kettenmitgliedem gemeinsam verfolgt (v.a. Ziele zur Prozessabwicklung). ProzessorientierteMessgrOBenableitung Nach der Erfassung der Ziele beider Prozessketten sind Steuerungskennzahlen zu identifizieren und aktivitatenspezifisch zuzuordnen.^^ Im Sinne des untemehmensubergreifenden Charakters des Supply Chain Performance Managements sollen dabei nur jene MessgroBen betrachtet werden, die fur mindestens zwei Akteure in der Wertschopfiingskette relevant sind und im Idealfall entweder gemeinsam gemessen oder zwischen den Akteuren ausgetauscht werden. Die Messgrofienauswahl und -filterung folgt dabei dem in Kapitel 4.3.2.2 entwickelten Vorgehensmodell zur sachbezogenen Implementierung.^ Die in der Automobil-Supply Chain herausgearbeiteten Performanceindikatoren sind in Abbildung 77 dargestellt. DaimlerChrysler
Continental
Schijchen
DaimlerChrysler
Konsolidierung, Verladui [ad (2) 1 |ad(1) 1 1 ad (3) 1 ad (5) 1 ad (6) ForecastVerfOgba- J Anzahl der Auslas1 Lieferrer LagerPerforEreignisse tungsgrad j abrufbestand 1 schwanmance imAbLKW [Stk. und [Abweigleich zw. I kungen [% d. max. EUR] Kapaz.] chung Ware und [Abw. 1 AbrufPrognose Oaten 1 menge (=Outvon |ad(1) tatsSchl. 3 aktueller bound BestandsBedarfin 1 Tag V. Delivery reichweite 1 durchschn. %1 Perfor[Tage] Abrufmance) 1 menge d. [Stk.] 1 letzten 5 1 Tage] |
ad (4) 1 |ad(1) ad (7) 1 fad (6) Auslas- 1 Anzahl der Anzahl VerfQgbatungsgrad [ ZeitfensSchaden rer LagerLKW 1 terverletzje Auftrag bestand [% d. max. 1 ungen [Stk. und [Stk.] EUR] Kapaz.] 1 [Stk.] ad (8) 1 |ad(1) BestandsOber-/ reichweite Unterlief. [+/- Stk.] 1 1 F^Se] ad (3) 1 [ad (10) \ LadungsAnzahl der trSger pro Ereignisse i. Abgleich produz. zw. Ware Einheit und Daten [Stk.] 1 [Stk.] 1 ad (9) 1 ad (11) Anteil Fehlteile am Band elektron. [Stk.] Liefer1 avisierung [%] 1 1 1 ad (7) 1 Anzahl d. SchSden/ 1 Lief. [Stk.] 1 1
Abbildung 77:
Untemehmensubergreifend relevante Kennzahlen in der Automobil-Supply Chain
Hierzu wurden Workshops durchgefiihrt, im Rahmen derer von den beteiligten Untemehmen aus bestehenden Untemehmensdokumentationen (z.B. Reporting-Unterlagen, Kennzahlenkataloge) als relevant erachtete Kennzahlen ausgewahh wurden. Vgl. auch die Ausftihrungen zur MessgroBenableitung in Kapitel 4.3.2.2.
5 Empirische Untersuchung zum Entwicklungsstand des SCPM in der Praxis
294
Da in der Abbildung nur bereits existierende Messgr66en dargestellt werden, konnen momentane Messschwerpunkte identifiziert und Ruckschlusse auf eventuell existierende Steuerungsliicken gezogen werden. Mithilfe der den Kennzahlen zugeordneten ZifFem kann der Bezug zu den in Abbildung 75 aufgefuhrten Zielen hergestellt werden. Inhaltlich ist aus Abbildung 77 zu entnehmen, dass fur alle Ziele, die in der Automobil-Supply Chain verfolgt werden, auch entsprechende Messgrdfien existieren. Auf Grundlage dieser Informationen kQnnen daher zunachst keine offensichtlichen Messlucken erkannt werden. Von einer „echten" untemehmensubergreifenden Performancemessung kann jedoch nur bedingt gesprochen werden, da viele der aufgefuhrten Kennzahlen bislang nur intern verwendet und nicht an anderer Akteure in der Supply Chain weitergeleitet werden. Abbildung 78 enthalt die derzeit in der Konsumguter-Supply Chain erhobenen MessgroBen. Auch hier wird tiber die Nummem ein Bezug zu den eingangs identifizierten Zielen dieser Aktivitatenkette (vgl. Abbildung 76) hergestellt.
KQ/Adidas
B/L DLZ USD KQ
... ... ... ...
Adidas
Maersk Logistics
Adidas
KarstadtQuelle
Bill of Lading Ourchlaufeeit US-Oollar KarstadtQuelle AG
Abbildung 78:
Untemehmensilbergreifend relevante Kennzahlen in der Konsumgiiter-Supply Chain
Wie bei der Automobil-Supply Chain finden sich auch hier fiir alle Ziele entsprechende Performanceindikatoren. Es lasst sich jedoch eine starker Fokus auf Kennzahlen zur Messung der Qualitats- und Zeitziele erkennen, wohingegen das in der Vision an erster Stelle genannte
5.2 Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung zum SCPM
295
Kostenziel im Kennzahlenportfolio deutlich unterreprasentiert ist. Vor allem Durchlaufzeiten werden relativ detailliert und fur jede Phase des Transportprozesses separat gemessen. Ein Austausch von Kennzahlen findet derzeit hauptsachlich zwischen Adidas und Maersk Logistics statt. Dabei wird seitens Maersk Logistics eine Vielzahl von Einzelkennzahlen erhoben und im Rahmen eines periodischen, schriftlichen Reportings gegentiber Adidas dokumentiert. Trotz der vergleichsweise hohen Zahl an Kennzahlen kann somit auch hier nur bedingt eine untemehmensubergreifende Performancemessung im engeren Sinne festgestellt werden. StrategieorientierteMessgrdBenverkniipfung Im Mittelpunkt dieses Aufgabenbereichs steht die Entwicklung eines mogUchst koharenten Zielsystems fur die analysierten Supply Chains. Aufbauend auf das durchgefuhrte Target Mapping sowie auf die prozessorientierte MessgroBenableitung sind nun die Ziele und die dazugehorigen Messgrofien miteinander zu verkniipfen. Dies erfolgt mit Hilfe von UrsacheWirkungsbeziehungen, die im Rahmen von pyramidalen Key Performance IndicatorHierarchien grafisch visualisiert werden. Ein derartiges Vorgehen wird im Supply ChainKontext bislang kaum eingesetzt, da eine ausformulierte Gesamtstrategie, welche ^ r eine reine Top-Down-Ableitung von Zielen notwendig ist, im untemehmensubergreifenden Bereich meist nicht existiert.^* Durch die Kombination mit dem vorgeschalteten Target Mapping und der prozessorientierten Messgr56enableitung als Bottom-Up-Komponenten erscheint jedoch die Schaffung eines von alien Beteiligten akzeptierten Zielsystems moglich.^^ In der Automobil-Supply Chain werden zwei pyramidale Key Performance IndicatorHierarchien gebildet, deren Spitzen die beiden Oberziele „Steigerung der Qualitat" und „Senkung der Kosten" bilden. Auf der untersten Ebene der Qualitatszielpyramide (vgl. Abbildung 79) befinden sich operative Basisziele, deren Erreichung einen Beitrag zur Steigerung des auf der nachsthoheren Ebene angesiedelten Ziels der Liefertermin- und -mengentreue leistet. Dieses Ziel fordert wiederum gemeinsam mit den anderen Zielen der selben Ebene (Steigerung der Forecast-Performance, Optimierung der Bestande) die Prozessstabilitat und die Versorgungsleistung. Die beiden letztgenannten Ziele reprasentieren die Hauptbestandteile des Konstrukts „Supply Chain-Qualitat". Die Kostenzielpyramide der Automobil-Supply Chain weist gegenuber der Qualitatszielpyramide eine vergleichsweise einfache Struktur auf (vgl. Abbildung 80). Sie enthalt mit der Reduktion der Handhabungs- und Frachtkosten sowie der Optimierung der Bestandskosten, nur jene Ziele, deren Erreichung einen mafigeblichen Einfluss auf die Senkung der Logistikkosten in der Supply Chain hat. Die hier vorgenommene Unterscheidung einer Qualitats- und einer Kostenzielpyramide bietet fur DaimlerChrysler die Moglichkeit einer nahtlosen Anbindung an die tibergeordnete Wertorientierungspyramide des Konzems. Auf diese Weise kann
^* Vgl. Kapitel 3.1.3.2. Vgl. hierzu das in Kapitel 4.3.2.2 adressierte Top-Down-Bottom-Up-Vorgehen.
296
5 Empirische Untersuchung zum Entwicklungsstand des SCPM in der Praxis
der Wertbeitrag einzelner Stellhebel in der Logistik besser transparent gemacht und die strategische Rolle der Logistik fur den Gesamtkonzem fiindierter vertreten werden.
JIT ... Just in Time JIS ... Just in Sequence SC ...SupplyChain
..interne Logistikkennzahlen der DaimlerChrysler AG
Abbildung 79:
Key Performance Indicator-Hierarchie Jur die Automobil-Supply Chain (Dimension Qualitdt)
W^ SC- ^ L
^ Kostan ^ k ^ (=Kosten- ^ ^ ~ senkung und ^ ^ effizienter Asseteinsatz)^^
Handhabungskostan fOr die Ladungstrflgar reduziaren: ' Ladungstrdger pro produzierter Einheit [Stk.J ' (PersonaB
FE . .. Fertigerzeugnisse FM . .. FOrdermittel IBL . .. Inbound Links OBL. . Outbound Links RHB. . Roh-. Hilfs- und Betriebsstoffe SC . . Supply Chain
I Frachtkosten I reduzieren: ' Ausl.grad LKW Inventory on hand rStk./EUR] [% d. Maximalkapazitat]^ Bestandsrek:hweite | ' (Frachtkosten pro Einhek "" [Tage, bei FM. (IBL und OBL) [EUR])* Aggregaten, RHB
..interne Logistikkennzahlen der DainilefChrysler AG
Abbildung 80:
Key Performance Indicator-Hierarchie Jiir die Automobil-Supply Chain (Dimension Kosten)
297
5.2 Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung zum SCPM
Auch bei der Erstellung einer Zielhierarchie fur die Konsumguter-Supply Chain gelingt es, die Ziele dieser Wertschopfungskette in einer Pyramide zu vereinen (vgl. Abbildung 81). Ahnlich wie die Qualitatszielpyramide der Automobil-Supply Chain enthalt diese auf der untersten Ebene eine Reihe operativer Qualitatsziele (hohe Forecastqualitat, Kontrakteinhaltimg, Einhaltxing des Anlieferungszeitfensters und Einhaltung der Quahtatsvorgaben), deren Erreichung sowohl einen positiven Beitrag zur Senkung der Kapitalbindungs- und Prozesskosten als auch zur Steigerung der Termin- und Liefermengentreue leistet. Die Umsetzung dieser Kosten- und Qualitatsziele der zweiten Ebene fbrdert wiederum mafigeblich die Erreichung der beiden Oberziele der Supply Chain „Kostenminimale Warenverfiigbarkeit am POS" und „Zuverlassigkeit von Zeit, Qualitat und Services".
POS... Point of Sale
*Vgl. zu weiteren zeitbezogenen Kennzahlen Abbildung 78.
Abbildung 81:
Key Performance Indicator-Hierarchic fiir die Konsumguter-Supply Chain (integrierte Betrachtung der Dimensionen Qualitat und Kosten)
Insgesamt lassen die Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung den Schluss zu, dass sich die literaturgestiitzt erarbeiteten Aussagen zum Supply Chain Performance Management fur die Untemehmenspraxis als relevant erweisen. Die Tatsache, dass ausgewahlte Elemente der SCPM-Konzeption im Rahmen von Fallstudien-Workshops umgesetzt werden konnten, gibt zudem einen ersten positiven Hinweis auf die Umsetzbarkeit des theoriegeleiteten Vorgehensmodells.
298
5 Empirische Untersuchung zum Entwicklungsstand des SCPM in der Praxis
5.3. Ergebnisse der vergleichenden Feldstudie: Stand und Entwicklungstrends des SCPM in der Automobil- und Konsumgaterbranche Gegenstand des zweiten Tells der Untersuchung ist die Durchfuhrung einer Feldstudie. Durch die „Vorschaltung" der Fallstudienanalyse wird eine Weiterverarbeitung der bereits gewonnen Resultate in der Feldstudie ermSglicht. Gleichzeitig greift das Feldstudiendesign auch die theoriegeleiteten Erkenntnisse der vorliegenden Arbeit auf.^^ Dem entwickelten Interviewleitfaden entsprechend gliedert sich die Ergebnisdarstellung in drei Abschnitte. Zunachst wird die Rolle des Supply Chain Managements in den untersuchten Untemehmen ausfuhrlich diskutiert (Kapitel 5.3.1). AnschlieBend erfolgt eine Darstellung des Status quo des Supply Chain Performance Managements in den untersuchten Untemehmen (Kapitel 5.3.2). Mit der Weiterentwicklung derzeitiger Ansatze der Performancemessimg zum wertorientierten Performance Management in Supply Chains werden schlieBlich relevante Entwicklungstrends aufgegriffen (Kapitel 5.3.3). 5.3.1. Rolle des Supply Chain Managements in den untersuchten Untemehmen Innovationsgehalt des Supply Chain Managements gegenfiber der Logistik Material- und Warenfliisse sowie Informationsflusse zShlen zum traditionellen Objektbereich der Logistik. Da das Supply Chain Management sich ebenfalls mit diesen Objektflussen befasst, liegt sein Ursprung in der Logistik. Der Anwendungsbereich des Supply Chain Managements dringt jedoch auch in nicht-logistische Prozesse, wie den Customer Relationship Management- oder den Produktentwicklungsprozess, vor. Daraus wird deutlich, dass der Integrationsanspruch des Supply Chain Managements tiber den der Logistik hinausgeht.^"* Dies zeigt auch die Vielfalt an Aufgaben, die von den Interviewteihiehmem mit dem SCMKonzept in Verbindung gebracht werden (vgl. Abbildung 82). Trotz der sehr breit gefScherten Begriffsassoziationen lassen sich in den Aussagen der Interviewpartner doch einige Gemeinsamkeiten erkennen. Als eine zentrale Eigenschaft des Supply Chain Managements wird von nahezu alien Befragten die durchgangige Prozessorientierung genannt. Femer bringen viele die zunehmende Integration der Planung und den verstarkten Einsatz von untemehmensiibergreifend vemetzten IT-Systemen mit diesem Konzept in Verbindung. Als Zielsetzung dieses Ansatzes wird daruber hinaus haufig die ErschlieBung von Kostensenkungspotenzialen genannt.
Vgl. Kapitel 5.1.4.2. Vgl. Kapitel 2.1.1.2.
5.3 Ergebnisse der vergleichenden Feldstudie zum SCPM
Lieferant/Hersteller
9i
1 2
3
e S 3
<
Logistikdienstleister
299
OEM/Handel
- Abteilimgs-/ Untemehmensubergreifendes Prozessdenken
- Prozessorientierung durch standardisierte Haupt- u. Teilprozesse
- Abteilungs-Zuntemehmensiibergreifendes Prozessdenken
- Koordinierte Reduktion von Bestanden eigener Standorte
- Angebot ganzheitlicher KontraktlogistiklQsungen
- Kosteneinsparungspotenziale in der Inboimd-Logistik, insbesondere im Transportbereich
- Intensivere Kooperation mit Kunden und anderen Logistikdienstleistem
- Aufwertung der Rolle der Logistik im Untemehmen durch SCM
- Schnittstellenmanagement mit ausgewahlten Lieferanten
- Reaktion auf Komplexitat im Produkt, Zeitanforderungen des Kunden und neue Bedeutung von Kosten in der Inbound-Logistik, insbesondere im Transport - Management des Informationsflusses
- Scharfung des intemen Prozess- u. Ursache/ Wirkimgsverstandnisses a
2 ,A
s s on
a
- Integration vormals getrennter Orga-Bereiche unter das Dach des SCM - Nutzung integrierter ITTools zur Herstellung von Transparenz (z.B. T&T, SCEM, POS-Daten) - Einbringung einer starkeren planerischen Komponente in die Logistik Abbildung 82:
- Management kompletter Prozessketten - Auslagerung kompletter Logistikbereiche erfordert ganzheitlichen Managementansatz - SCM als „Oberbegriff, der die Branche zusammenfuhrt" - Integrierte IT-L6sungen
- Durchgehende Prozessorientierung bis zur Teilprozessebene - Prozesskostensenkung durch Insourcing von Logistikleistungen - Entlastung des POS von Logistikaktivitaten und Verbesserung der Flachennutzung
- Orientierung am Kiindenwunsch
Mit dem Supply Chain Management-Konzept assoziierte Aufgaben
Ziele des Supply Chain Managements in den untersuchten Unternehmen Die einschlagige Literatur geht davon aus, dass Untemehmen mit dem Konzept des Supply Chain Managements iiber die Senkung von Kosten, die Beschleunigung von Prozessen und die Verbesserung der Qualitat letztendiich den Nutzen fur den Endkunden steigem mochten. Ublicherweise wird dabei unterstellt, dass mit der Erhohung des Kundennutzens eine starkere Kundenbindung einhergeht, die sich langfristig positiv auf den Wert der beteiligten Unternehmen auswirkt. Ofifen bleibt jedoch, welche relative Bedeutung den verschiedenen Zielen in den Untemehmen beigemessen wird und ob sich branchenspezifische Unterschiede erkennen lassen. Um dieser Frage nachzugehen, werden die Interviewpartner gebeten, ausgewahlte Ziele, die mit dem Konzept des Supply Chain Managements verfolgt werden konnen, durch eine Rangreihung hinsichtlich ihres Stellenwertes zu beurteilen. Dabei wird nicht nur nach der aktuellen Situation befragt, sondem auch um eine Einschatzung hinsichtlich der zukiinftigen Entwicklung (Situation in drei Jahren) gebeten. Aus der Betrachtung der Ziele, die von den Vertretem der Automobilbranche auf Rang 1 oder 2 platziert werden (vgl. Abbildung 83), lasst sich erkennen, dass die Verbessemng der Qualitat heute als wichtigste Zielsetzung des Supply Chain Managements angesehen wird. Unter
300
5 Empirische Untersuchung zum Entwicklungsstand des SCPM in der Praxis
Qualitat wird dabei von den Befragten insbesondere die Verlasslichkeit und Fehlerfreiheit der relevanten Logistikprozesse verstanden. Diese Einschatzung resultiert vomehmlich aus der Tatsache, dass in der Automobilindustrie nach wie vor die zeit- und mengengenaue Anlieferung das entscheidende Kriterium darstellt.
Wertstejgerung Steigerung des Endkundennutzens
^1
heute
•
in 3 Jahren
Kostensenkung
Lieferflexibilitdt Realisierung von Zeitvorteilen Verbesserung der Qualitdt
J-
^,,,j,,—»,
2
.p
^ ^^ -^^MTI 3
4
^
5
Anzahl der Ratzierungen auf Rang 1 oder 2
Abbildung 83:
Priorisierte Ziele des Supply Chain Managements in der Automobilbranche
Daneben werden derzeit vor allem noch die Senkung von Kosten sowie die Realisierung von Zeitvorteilen als bedeutsame Ziele wahrgenommen. In Bezug auf die Situation in drei Jahren ergibt die EinscMtzung der Interviewteilnehmer, dass kunftig neben der Qualitat insbesondere dem Ziel der Lieferflexibilitat eine zunehmende Relevanz zugesprochen wird. Diese Annahme ruhrt unter anderem daher, dass immer mehr Automobilhersteller ihren Kunden ermoglichen, bis kurz vor Produktionsbeginn Anderungen an der Fahrzeugkonfiguration vorzunehmen, um sich so vom Wettbewerb zu differenzieren. Vor allem bei Just-in-Time und Just-inSequence bereitgestellten Teilen ergeben sich aus dieser Strategie erhohte Anforderungen an die Flexibilitat der Akteure in der Supply Chain. Insofem ist in diesem Bereich ein Trend weg von der „schlanken" (lean) Supply Chain hin zur „agilen" (agile) Supply Chain festzustellen. Obwohl auch in Zukunft der Reduktion von Kosten prinzipiell eine wichtige Rolle zugesprochen wird, attestieren die Befragten diesem Ziel eine sinkende Bedeutung. Dieser scheinbare Widerspruch wird von den Interviewpartnem vor allem damit begriindet, dass im Rahmen der massiven Rationalisierungsbemuhungen der Automobilindustrie in der Vergangenheit Kostensenkungspotenziale im intemen Logistikbereich bereits weitgehend ausgeschSpft wurden. Ahnlich ist auch die relativ verhaltene Platzierung des Ziels „Wertsteigerung" zu interpretieren: Die Interviewpartner vertreten vielfach die Ansicht, dass die Wertsteigerungsziele des Gesamtuntemehmens uber eine Fokussierung auf die Senkung von Logistikkosten bereits heute ausreichend berucksichtigt werden. Das Ziel der Endkundenorientierung wird relativ
301
5.3 Ergebnisse der vergleichenden Feldstudie zum SCPM
selten auf den obersten beiden Rangen platziert. Dies ist allerdings auf den gewahlten Supply Chain-Ausschnitt zuriickzufuhren, der hauptsachlich das beschaffiingslogistische LieferantenLogistikdienstleister-OEM-Verhaltnis fokussiert. Im Unterschied zur Automobilbranche sind die Einschatzungen der Befragten aus der Konsumgiiterbranche vergleichsweise heterogen (vgl. Abbildung 84). Dies ist daran ersichtlich, dass relativ vielen der diskutierten Ziele des Supply Chain Managements mit ahnlicher Haufigkeit eine hohe Prioritat eingeraumt wird. Wesentlich haufiger als in der Automobilindustrie werden Kostensenkungs- und Wertsteigerungsziele als wichtigste Ziele bezeichnet. Dies kann dahingehend interpretiert werden, dass in der Konsumguterbranche noch ein vergleichsweise hoher Bedarf nach einer Steigerung der ProzessefFizienz gesehen wird. Ein groBer zukunftiger Bedeutungszuwachs wird auch hier dem Ziel der Flexibilitatssteigerung eingeraumt. Wahrend heute die Realisierung von Zeitvorteilen (d.h. die reine Beschleunigung von Prozessen) noch relativ stark im Vordergrund steht, wird davon ausgegangen, dass innerhalb der nachsten drei Jahre die Potenziale in diesem Bereich weitgehend ausgeschopft sein und zugunsten einer Steigerung der Lieferflexibilitat (z.B. Mengen-, Zeit- oder Serviceflexibilitat) an Bedeutung verlieren werden.
Wertstejgerung Steigerung des Endkundennutzens Kostensenkung LieferflexibilitSt Realisierung von Zeitvorteilen Verbesserung der Qualitdt
heute in 3 Jahren
Anzahl der Platzierungen auf Rang 1 oder 2
Abbildung 84:
Priorisierte Ziele des Supply Chain Managements in der Konsumguterbranche
Neben der Rangreihung vorgegebener Zielkategorien werden die Interviewpartner nach weiteren relevanten Zielen gefragt. Brancheniibergreifend wird in diesem Zusammenhang vor allem die Schafiung von Transparenz in der Lieferkette hervorgehoben. Transparenz soil dabei jedoch keinen Selbstzweck darstellen, sondem die Erreichung anderer Ziele unterstutzen. Dies ware beispielsweise der Fall, wenn auf Grund einer verbesserten Visibilitat von logistischen Prozessen Storungen bereits erkannt und beseitigt werden konnen, bevor diese negative Effekte (z.B. Uber-AJnterbestande oder Verspatungen) hervorrufen. Femer kann die
302
5 Empirische Untersuchung zum Entwicklungsstand des SCPM in der Praxis
Schaffung von Transparenz in der Wertschfipfungskette unter bestimmten Voraussetzungen auch direkt einen Mehrwert fiir den Endkunden generieren und damit dessen Nutzen steigem (z.B. durch die MSglichkeit einer Auftragsverfolgimg aber das Internet). Transparenzsteigerung darf jedoch nicht als reine IT-Aufgabe verstanden werden, sondem kann auch durch organisatorische Mafinahmen wie z.B. die Etablierung einheitlicher Kennzahlensysteme, die Einfuhnmg einer Prozesskostenrechnung oder so genannte „Open-Book-Policies" mit Lieferanten erreicht werden. Als ein weiteres Ziel wird wiederholt die Reduktion von Komplexitat genannt („Decomplexity**). Auf Grund der in der Vergangenheit stSndig angestiegenen Produkt- und Prozesskomplexitat ist die Steuenmg des betrieblichen Leistungserstellungsprozesses zunehmend schwierig geworden. Viele der befragten Untemehmen sind daher auf der Suche nach MSglichkeiten, wie sie der zunehmenden Komplexitat entgegenwirken bzw. sie handhaben kfinnen („Komplexitatshandling").'^ Neben der Frage, welche Ziele im Rahmen des Supply Chain Managements verfolgt werden, wird auch untersucht, wie diese in den Untemehmen dokumentiert bzw. kommuniziert werden. Dabei gibt lediglich knapp die HSlfte der Interviewpartner an, dass in ihren Organisationen die Ziele des Supply Chain Managements uberhaupt schriftlich fixiert werden. Die verwendete Dokumentationsform M\t dabei stark unterschiedlich aus: In einigen Untemehmen existiert ein - teilweise sogar als BroschOre aufbereitetes - Strategiepapier mit der zentralen Logistik- bzw. Supply Chain Management-Vision und den daraus abgeleiteten Zielen. Bei anderen Organisationen werden die Ziele des Supply Chain Managements in die Balanced Scorecard des Gesamtuntemehmens aufgenonmien (z.B. als Ziele in der Prozessperspektive) und auf diese Weise an die entsprechende Fachabteilung kommuniziert. Relevante branchenspezifische Unterschiede kSimen nicht festgestellt werden. Im Allgemeinen besteht diesbezuglich noch groBer Handlungsbedarf, da die Kommunikation von Zielen als eine Gmndvoraussetzung fur eine zielorientierte Steuenmg der Supply Chain-Prozesse und ftr die Verknupfung mit Leistungsanreizen aufgefasst wird. Struktur und Ausdehnung der Supply Chain Die Wahmehmimg der Supply Chain-Stmktur hSngt in starkem Mafie von der Sichtweise des einzelnen untersuchten Untemehmens, dessen Position innerhalb der Lieferkette (z.B. Hersteller, Handel, Dienstleister) und/oder dessen Branche ab. Die erhobenen, subjektiv geprSgten Wahmehmungen der Supply Chain-Struktur sind schematisch in Abbildung 85 gegenubergestellt. Der fiir das Supply Chain Performance Management als relevant erachtete Steuerungsbereich der Supply Chain ist darin grau hinterlegt.
Vgl. zur Komplexitat als Kontextfaktor der Steuenmg Kapitel 2.2.1,2.
303
5.3 Ergebnisse der vergleichenden Feldstudie zum SCPM
Automobilzulieferer/ KonsumgUterhersteller
Tier-3 Lieferanten
Tier-2 Lieferanten
Zulieferer/ Hersteller
OEM/ Handel
Automobllhersteller
Tier-2 Lieferanten
Tier-1 Lieferanten
OEM
I FQr das SCPM I relevanter Bereich
Abbildung 85:
Handler
Betrachtetes Unternehmen
KonsumgUtereinzelhandel
Hersteller
Handel (Lager)
Logistlkdienstleister
Tier-1 LogistikLieferanten dienstleister Einbezogene Akteure
r ••
OEM/ Handel
j Nichteinbezogene Akteure
Struktur der Supply Chain und relevanter Steuerungsbereichjur das SCPM
Die befragten Automobllhersteller verstehen unter der flir sie relevanten Supply Chain zumeist die beschaffungsseitige Verbindung zwischen sich und ihren direkten Lieferanten (Tier1-Lieferant). Nur im Ausnahmefall wird die Betrachtung auch auf deren Vorlieferanten (Tier2-Lieferant) ausgedehnt. Streng genommen gilt dies auch fur die Handelsuntemehmen, die ebenfalls nur den Bereich zwischen sich und ihren Lieferanten betrachten, so dass in beiden Branchen unter einer Supply Chain nach wie vor schwerpunktmaBig eine einstufige Verkniipfling zweier Kooperationspartner verstanden wird. hi Abhangigkeit von der Lagerhaltungsund Produktionsstruktur des eigenen Untemehmens (z.B. dezentrale Regionallager, verteilter Produktionsverbund) kann aber auch dieser Abschnitt zu einer mehrstufigen Kette werden. Im Gegensatz dazu sehen sich sowohl die Automobilzulieferer als auch die KonsumgUterhersteller im Zentrum einer zweistufigen Kette zwischen Lieferant und Abnehmer. Ahnliches gilt auch fur Logistlkdienstleister, wenn ihre Dienstleistung in der logistischen Verkntipfung zweier Wertschopflingsstufen besteht. Wie in der Automobilindustrie wird die erweiterte Supply Chain (drei und mehr Stufen) im Konsumguterbereich nur bei Bedarf betrachtet. Diese Situation iSsst sich anhand eines - von einem Literviewpartner aus der Nahrungsmittelindustrie genarmten - Fallbeispiels illustrieren. Fiir die Produktion der Lebensmittel benStigt dessen Unternehmen eine Reihe von Rohstoffen, die es von einer vergleichsweise kleinen Anzahl von Lieferanten bezieht. Da entweder keine Vorlieferanten existieren oder diese als unkritisch erachtet werden, wird die Supply Chain in der Regel lediglich bis zum Tier-1Lieferanten betrachtet. Eine Ausnahme bildet die Lieferkette fiir eine spezielle Gemiisesorte. Da die Qualitat dieses Erzeugnisses mafigeblich durch den eingesetzten Samen determiniert
304
5 Empirische Untersuchung zum Entwicklungsstand des SCPM in der Praxis
wird, beschafft das Industrieimtemehmen in diesem Fall auch das ftir den Anbau benotigte Saatgut, d.h. das Betrachtungsspektrum wird auf den Tier-2-Lieferanten ausgeweitet. Charakter und Intensitflt der Supply Chain-BeziehuDgen Aus den Antworten der Automobilhersteller und -zulieferer iSsst sich eine eher hierarchisch gepragte Beziehungsstruktur erkennen: Ublicherweise dominiert der OEM als fokales Unternehmen die Beziehung, wobei Abstuflingen in Abhangigkeit von der GroBe und Marktmacht des Zulieferers auftreten konnen. Die Abstimmungsintensitat zwischen diesen beiden Akteuren ist in der Regel sehr hoch. So wird in diesen Beziehungen unter anderem haufig versucht, durch eine Integration der IT-Systeme die Prozesse so weit wie moglich zu synchronisieren. Als Beispiel hierftir kann die Anbindung eines Zulieferers an das Abrufsystem des OEMs genannt werden. Im Gegensatz dazu ist die KooperationsintensitSt zwischen den Automobilzulieferem (Tier-1-Lieferanten) und ihren Lieferanten (Tier-2-Lieferanten) noch vergleichsweise niedrig. Wahrend die Lieferungen absatzseitig in kurzen Rhythmen, bedarfs- oder sequenzgenau erfolgen, werden im Inboundbereich oft noch groBe Lose beschafft und bis zu ihrer Verwendung in der Produktion gelagert. Nach Ansicht des Logistikleiters eines Automobilzulieferers liegt der Grund ftir diese Disparitat unter anderem in den unterschiedlichen Lieferbedingungen. Da der OEM die Materialien vom Tier-1-Lieferant meist „ab Werk" bezieht, hat er die notwendigen Einflussmoglichkeiten, um Verbesserungen in seiner Beschaffimgslogistik zu erzielen. Demgegenuber erhalten die Automobilzulieferer die Waren ihrer Tier-2-Lieferanten oft „Frei Haus". Aus diesem Grund sind die Vorlieferanten ublicherweise bestrebt, die Lieferrhythmen zu reduzieren, um so ihre Transportkosten senken zu konnen. Damit dieser „Bruch im Logistiksystem" beseitigt wird und sich auch „stromaufwarts" bedarfsorientierte Konzepte wie z.B. Vendor Managed Inventory oder Just-in-Time etablieren,^ beginnen mittlerweile auch Automobilzulieferer systematisch ihre Lieferanten zu entwickeln und zu fbrdem. In diesem Bereich besteht nach Aussage der Befi-agten groBer Handlungsbedarf. Ein vergleichbares Bild ergibt sich aus den Ergebnissen der Konsumgiiterbranche: In der Regel werden die Beziehungen zwischen Konsumgttterhersteller und Handel von beiden Parteien als eher hierarchisch zu Gunsten des Handels empftmden. Diese Einschatzung kann unter anderem dann difiFerieren, wenn von Seiten der Endverbraucher eine stark markengetriebene Nachfrage besteht. In diesem Fall werden die Machtverhaltaisse als eher ausgeglichen charakterisiert. UnabhSngig vom Machtgefuge sind die Beziehungen zwischen Konsumgttterhersteller und Handel meist relativ intensiv. Dies zeigt sich unter anderem in Aktivitaten wie z.B. der gemeinsamen Durchfiihrung einer Absatzplanung im Rahmen eines CPFRProjektes oder auch in der Einrichtung eines vom Lieferanten gefiihrten Lagers beim Handel (Vendor Managed Inventory). Anders stellt sich jedoch das Verhaltnis zwischen den Konsumguterherstellem und ihren Vorlieferanten dar. Hierbei handelt es sich oftmals eher um traditio-
Vgl. zu diesen Konzepten z.B. StSlzle/Gareis (2002), S. 408-410 sowie S. 412-413.
5.3 Ergebnisse der vergleichenden Feldstudie zum SCPM
305
nelle, marktlich gepragte Beziehimgen mit relativ geringer Kooperationsintensitat. Ein dazu befragter Sportgeratehersteller, der vomehmlich Waren aus dem asiatischen Raum bezieht, begriindet dies damit, dass die Arbeitskosten in dieser Region so weit unter dem europaischen Niveau lagen, dass die durch eine Verbesserung der ProzessefFizienz erzielbaren Einsparungen fast nie die dafur erforderlichen Investitionen ubersteigen wurden. Dementsprechend werde mit derartigen Lieferanten haufig keine vertiefte Reoperation im Rahmen gemeinsamer SCPM-Initiativen angestrebt. Die Beziehungen der Logistikdienstleister zu ihren Auftraggebem lassen sich nur schwer einheitlich charakterisieren. Tendenziell wird aber von den Befragten die Zusammenarbeit bei komplexen Kontraktlogistikleistungen eher als partnerschaftlich und bei einfachen Transportleistimgen eher als hierarchisch eingeschatzt. Als Katalysator wirkt dabei die Logistikkompetenz des Auftraggebers. Verfugt der Kunde selbst iiber ein ausgepragtes Knov;^-how, so stellt er meist relativ konkrete Leistungsfordemngen, die der Dienstleister zu erfiillen hat. Besitzt er demgegeniiber weniger spezifisches Wissen, so ist er in der Regel eher dazu bereit, auf einer partnerschaftlichen Basis gemeinsam mit dem Logistikuntemehmen adaquate Losungen zu erarbeiten. So erfordert beispielsweise die LFbemahme der kompletten Lagerlogistik eines Untemehmens ublicherweise eine wesentlich intensivere Abstimmung im Bereich der Performancemessung (z.B. Kennzahlenabstimmung, Festlegung von Zielkorridoren, Einrichtung eines regelmafiigen Reportings) als die Durchfuhrung von Standardtransportdienstleistungen. Integration der Supply Chain-Prozesse Im Zusammenhang mit der dem Supply Chain Management inharenten Schnittstellenproblematik, wird in der Literatur regelmafiig die Forderung nach einer gesteigerten Integration der Supply Chain-Prozesse erhoben. Diesbezuglich sind bestehende Standardisierungsansatze im Materialfluss, beim Austausch elektronischer Daten sowie bei der Dokumentation und Modellierung von Prozessen von hoher Bedeutung. Standards im Materialfluss, also z.B. die Verwendung einheitlicher Ladehilfsmittel oder Verpackungen, wird von den Befragten in beiden Branchen eine hohe Bedeutung beigemessen (vgl. Abbildung 86). Die Nennungen in der Kategorie „geringe Bedeutung" resultieren aus der Tatsache, dass einige Interviewpartner das Thema bereits als weitgehend abgeschlossen erachten und keinen weiteren Handlungsbedarf sehen. Materialflussbezogene Standards, insbesondere der Dachverbande VDA und ODETTE, werden in der Automobilbranche bereits vielfach umgesetzt. Erschwert werden diese untemehmensiibergreifenden Standardisierungsbemuhungen durch die Existenz herstellerspezifischer OEM-„Standards". Insbesondere bei Just-in-Time bzw. Just-in-Sequence bereitgestellten Teilen setzen die Automobilhersteller untemehmensspezifische Behalter und Verpackungen ein. Der Anteil derartiger Hilfsmittel soil in Zukunft jedoch reduziert werden. Weiterer Standardisierungsbedarf wird vor allem im Bereich der Beschaffungslogistik der Automobilzulieferer gesehen. Hier werden noch zahlreiche lieferantenspezifische Transportbehalter und -verpackungen genutzt, weshalb die Leergut-
5 Empirische Untersuchung zum Entwicklungsstand des SCPM in der Praxis
306
riickfuhning vergleichsweise aufwendig ist. Zudem weist dieser Bereich einen relativ hohen Einweganteil auf. In der KonsumgUterbranche weisen Materialfluss-Standards ebenfalls eine weite Verbreitung auf. Als Beispiele hierfUr kOnnen die unterschiedlichen Typen von Standardpaletten (EuroPalette, CHEP-Palette, Dtisseldorfer Palette, etc.) oder die von GSl Germany (ehemals Centrale fur Coorganisation) definierten Richtlinien fur die Beladung von Paletten (CCG 1/ CCG II-Empfehlungen) genannt werden.^^ Quasi unterlaufen werden diese Standardisierungsbemtihungen jedoch durch den anhaltenden Trend zu individualisierten Verpackungsformen wie beispielsweise Verkaufsdisplays. Diese Verpackungsformen erschweren die Handhabung und ftihren sowohl beim Transport als auch bei der Lagerung zu negativen KapazitStsauslastungseffekten.
hoch
mittel
u]
genng
6
7
8
9
Anzahl der Nennungen
Abbildung 86:
Bedeutung von Materialfluss-Standards im Supply Chain Management
Auch beim elektronischen Austausch von Daten wird die Bedeutung von einheitlichen Formaten (IT-Standards) nahezu durchgangig als hoch eingestuft (vgl. Abbildung 87). In der Automobilbranche haben sich in den 80er Jahren einige Standards etablieren konnen (z.B. VDA-/ODETTE-/EDIFACT-Standards), die bis heute eingesetzt werden. Neuere DatenubertragungsprotokoUe wie z.B. XML^ werden bislang noch kaum verwendet. Ahnlich wie bei den oben dargestellten Materialfluss-Standards ist zwischen dem OEM und seinen direkten Zulieferem bzw. Logistikdienstleistem der Anteil des standardisierten Informationsaustausches relativ gro6. Nachholbedarf besteht auch hier auf der Beschafiungsseite der Automobil-
In Deutschland existieren seit dem Jahr 1985 die von der Centrale fiir Coorganisation herausgegebenen Palettenladehohen-Richtlinien CCG I (1050mm) und CCG II (1600-1950mm), welche in der Untemehmenspraxis weitgehend Anwendnng fmden. Vgl. http://www.gsl-germany.de. Vgl.GSl(Hrsg.)(2005),S.7.
307
5.3 Ergebnisse der vergleichenden Feldstudie zum SCPM
zulieferer, wo mit den Lieferanten noch hSufig per Telefon, Fax oder BrieQ)ost kommuniziert wird. In der Konsumguterbranche existieren ebenfalls verschiedene Standards fUr die elektronische Kommunikation. Anders als im Automobilbereich hat sich hier jedoch eine vergleichsweise groBe Anzahl an Formaten und Nachrichtentypen herausgebildet, was die untemehmensubergreifende Integration von IT-Systemen erschwert.
c
hoch
I •°
mittel
iij
gering
I Automobil I Konsumguter
8
9
10
11
Anzahl der Nennungen
Abbildung 87:
Bedeutung von IT-Standards im Supply Chain Management
Vor allem Logistikdienstleister sehen sich haufig mit der Herausforderung konfrontiert, eine Vielzahl verschiedener Standards verarbeiten zu miissen. Hier sind die Entwicklungsstande derzeit noch sehr unterschiedHch, so dass der Anteil des elektronischen Datenaustausches sehr stark von den betrachteten Supply Chains abhangt. Aktuelle Initiativen in diesem Bereich befassen sich haufig mit der Implementierung elektronischer Lieferavise (so genannte DESADV-Nachrichten^). Sie sollen dem Empfanger bereits fruhzeitig ankundigen, welche Waren demnSchst an ihn ausgeliefert werden, so dass er bereits im Vorfeld die erforderlichen Vorkehrungen treffen oder auf etwaige StSrungen (z.B. Unterlieferungen) reagieren kann. Der zunehmende Bedarf nach einem dem Warenfluss vorauseilenden Informationsfluss deckt sich auch mit der oben adressierten, wachsenden Bedeutung von Flexibilitatszielen in der Supply Chain. Neue Impulse werden in diesem Bereich insbesondere von der RFID-Technologie erwartet.^^ Im Gegensatz zu den vorhergehend thematisierten Materialfluss- und IT-Standards wird Standards zur einheitlichen Modellierung der Supply Chain (wie z.B. das SCOR-Modell) von den Interviewpartnem aus beiden Branchen lediglich eine geringe Bedeutung attestiert (vgl.
^ DESADV (Despatch Advice) ist die Kennung fiir einen Nachrichtentyp aus dem EANCOM 2002-Standard. Vgl. http://www.gsl-germany.de. ' ^ Zur RFID-Technologie vgl. Pflaum (2004), S. 431-437.
308
5 Empirische Untersuchung zum Entwicklungsstand des SCPM in der Praxis
Abbildung 88). Dies wird hauptsSchlich mit Schwierigkeiten bei der Anpassung der in Modellen propagierten Standardprozesse an die untemehmensspezifischen Bedingungen begriindet.^^* Dementsprechend arbeitet die Mehrheit der befragten Untemehmen derzeit mit selbst entwickelten, an ihren spezifischen Anforderungen ausgerichteten Modellen. Dazu ist anzumerken, dass eine Standardisierung von Prozessen innerhalb einer Supply Chain eine Gnindvoraussetzung fiir vergleichende Analysen, z.B. im Rahmen von Benchmarkingprojekten, darstellt. Die Ergebnisse deuten somit auf einen erheblichen Handlungsbedarf hin.
B
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Automobil KonsumgQter
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1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Anzahl der Nennungen
Abbildung 88:
Bedeutung von Prozess-Standards im Supply Chain Management
Nachdem in diesem ersten Abschnitt der Feldstudie eher allgemeine Fragen zu den Supply Chains bzw. zum Supply Chain Management in den untersuchten Untemehmen erortert wurden, werden im nachfolgenden Kapitel 5.3.2 spezifische Aspekte des Supply Chain Performance Managements analysiert. 5.3.2. Status quo des Supply Chain Performance Managements in den untersuchten Untemehmen Nutzenpotenzial einer Performancemessung in Supply Chains Da sich die Einftihrung eines Supply Chain Performance Managements als relativ aufwendig erweist, gilt es bereits im Vorfeld dessen Nutzenpotenzial abzuschatzen. Am Anfang steht dabei eine EinschStzimg des Nutzens einer untemehmensubergreifenden Performancemessung gegeniiber dem klassischen Controlling. Dieser wird von samtlichen Befragten ein
Diese Aussage bestatigt auch die literaturgestiitzte Kritik am SCOR-Modell, vgl. hierzu Kapitel 2.1.3.
5.3 Ergebnisse der vergleichenden Feldstudie zum SCPM
309
„hohes" Potenzial zugesprochen.^"^ Als Begriindung werden an erster Stelle die einschlSgig diskutierten Defizite rechnungswesengestiitzter Kennzahlensysteme genannt. Dabei handelt es sich unter anderem um die mangelnde Abbildbarkeit logistikrelevanter „weicher" Kennzahlen, die unzureichende Orientierung der Kennzahlen an der Logistikstrategie sowie die mangelnde Aktualitat finanzieller ErgebnisgroBen.^"^ Daruber hinaus schatzen ca. drei Viertel der Befragten den Nutzen einer untemehmensiibergreifenden Performancemessung in der Logistik gegeniiber einer rein untemehmensintemen Messung als „hoch" ein. Die Mehrheit der Entscheidungstrager scheint somit fur die Bedeutung einer integrierten „Supply ChainSichtweise" bereits sensibilisiert zu sein. Hinsichtlich des Aufgabenspektrums einer unternehmensiibergreifenden Performancemessung in Supply Chains kristallisieren sich im Rahmen der Befragung mehrere Schwerpunktbereiche heraus (vgl. Abbildung 89).
Abbildung 89:
Aufgaben der untemehmensiibergreifenden Performancemessung in Supply Chains
Von zentraler Bedeutung ist zunachst die Forderung eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses in der Logistik. Die Performancemessung liefert hierfur nicht nur die notwendige Transparenz uber prozessbezogene Kosten und Leistungen. Nach Aussage mehrerer Interviewpartner fuhrt in vielen Fallen erst die Diskussion iiber Performancemessung und Kennzahlen dazu, die damit verbundenen Prozesse kritisch zu hinterfragen. Daruber hinaus kann die Performancemessung dazu beitragen, strategische Entscheidungen, die innerhalb eines Funktionalbereichs des Untemehmens getroflfen werden, kritisch zu reflektieren und deren
' Zur Auswahl standen bei den Fragen zur Einschatzimg des Nutzenpotenzials einer Performancemessung in Supply Chains die Antwortkategorien: ,JHoch, weil...", ,>littel, weil..." sowie „Niedrig, weil...". Der qualitativen Ausrichtung des Interviews entsprechend wurde dabei das Hauptaugenmerk auf die Begrundung der Zuordnung gelegt. WgLKapitel 3.1.2.
310
5 Empirische Untersuchung zum Entwicklungsstand des SCPM in der Praxis
Auswirkungen auf die logistische Kosten- und Leistungsbilanz einzuschStzen. So kann auf Gnmdlage der erhobenen Messwerte beispielsweise einem Produktmanager genau gezeigt werden, welche Auswirkungen bestimmte Produktandeningen auf die Logistikkosten haben. Neben diesen eher allgemeinen Aufgabengebieten wird auch eine Reihe von Effekten genannt, welche erst aus einer untemehmensiibergreifenden Supply Chain-Zusammenarbeit erwachsen. Insbesondere bei der Realisierung von bestimmten Planungs- und Steuerungskonzepten (wie z.B. CPFR) nimmt die untemehmensubergreifende Performancemessung hSufig die Schlusselrolle eines Inforaiationslieferanten ein. Diese Aufgabe erfShrt einen anhaltenden Bedeutungszuwachs, da Faktoren wie z.B. die Verlagerung von Lieferantenstandorten in das auBereuropaische Ausland oder die langfristige Fremdvergabe von logistischen Leistungsprozessen (Outsourcing) untemehmensubergreifende Planungs- und KontrollaktivitSten immer erfolgsrelevanter werden lassen. Da anhand der erhobenen MessgroBen die erbrachte Leistung vergleichsweise objektiv beurteilt werden kann, dient die Performancemessung hSufig auch als informatorische Basis ftir die Bewertung der GeschSftspartner und den Einsatz von Bonus/Malussystemen. Einige Interviewpartner berichten, dass dies zudem zu einer Versachlichung der GesprSche mit ihren Zulieferem bzw. Abnehmem gefuhrt hat. Daruber hinaus stellen Teilnehmer fest, dass der mit einer systematischen, interorganisationalen Performancemessung verbundene, wechselseitige Abstimmungsprozess per se bereits zu einer Intensivierung der Beziehungen fiihrt. Inhalte der Performancemessung in Supply Chains Auf Grund des geforderten Zielbezugs fUr MessgrSBen im Supply Chain Performance Management bietet es sich an, zur Systematisierung der im Rahmen der Feldstudie erhobenen Kennzahlen auf die in Kapitel 2.1.2.1 abgeleiteten Zielkategorien des Supply Chain Managements zuriickzugreifen. Dementsprechend werden in Abbildung 90 die Kennzahlen, die von den Interviewpartnem als „derzeit eingesetzte MessgrOBen" genannt wurden, diesen Zielkategorien zugeordnet.^^ Auch wenn die hier vorgenommene Einteilung keineswegs eindeutig und trennscharf ist, kOnnen Konzentrationstendenzen zugunsten der „traditionellen" logistischen Zielkategorien Kosten und QualitSt festgestellt werden. Im Gegensatz dazu fmden sich trotz der ihnen zugesprochenen hohen Bedeutung vergleichsweise wenige Kennzahlen zur Messung der Ziele Flexibilitat und Zeit (vgl. die grau hinterlegten Bereich in Abbildung 90). Bei den meisten der genannten Kennzahlen handelt es sich um nachlaufende ErgebnisgrSBen. FrCihindikatoren, die eine proaktive Form der Steuerung ermOglichen, sind demgegentiber eher imterreprasentiert. Der Nutzen des (direkten) Kunden wird zwar iiber die Messung des Kundenservice bereits teilweise beriicksichtigt, dies muss jedoch nicht zwangslSufig mit den Nutzenerwartungen des Endkunden korrespondieren. Bei einer naheren Betrachtung der einzelnen Kennzahlen kann
Das Ziel der Wertsteigerung ist in dieser Tabelle nicht enthalten, da ihm ein eigener Abschnitt in Kapitel 5.3.3 gewidmet wird.
5.3 Ergebnisse der vergleichenden Feldstudie zum SCPM
311
dariiber hinaus festgestellt werden, dass es sich vomehmlich um nach innen gerichtete Messgrofien handelt. Diese lassen meist nur eine interne Leistungsbeurteilung zu und werden somit in der Kegel ausschlieBlich zur Steuerung des Untemehmens, in dem sie erhoben werden, verwendet. P\
Unter-
\iiehmeii Ziel- N . kategorie^^
Automobilzulieferer
Automobilhersteller
Logistikdienstleister
KonsumgOterhersteller
Einzelhandels unternehmen
- Lieferservice - Lieferservice - Lieferservice (filialseitig) (kundenseitig) (kundenseitig) - Einhaltung - Out-of-Stock- Anzahlder LieferzeitfensQuoten Lieferungen ter (kundenpro Auftrag seitig)
Endkundennutzen
- Lieferservice (kundenseitig) - Einhaltung Lieferzeitfenst. (kundenseitig)
Kosten
- Bestandskenn- - Bestandskenn- - Auslastungszahlen zahlen grad - Logistikkosten - Sonderfrachtkosten - AnteilEDIKommunikation
FlexibiUtSt
- Produktions- - Anteil Sonderkapazitaten fahrten \ '' ^y.^'^'J-/'' ''\ beim Lieferanten (in Einzel• ••- V - A ; ' ; ; / 7 ' * ' ^ fallen) :^-.:'ll£V-." c' ^=';/f^^^-; ,, „,„.,,:^ ,Mi,j „„„ „„,,»..„.„„.,.y.„.,„,^„,i - Durchlaufzeit - Durchlaufzei- •'-'':.:-^^,, A V77:': (von Bestelten (im Lager • * . / ' ' des LDL) lung bis Wa''-• / -• reneingang in Filiale) ,».' •
Zeit
QuaUtat
- Bestandskenn- - Bestandskennzahlen zahlen - Transportkost. - Logistikkosten - Handlingkost. - Bearbeitete - Bearbeitete Einheiten pro verrichteter Einheiten pro LDL-Stunde MA-Stunde - Anteil Displayverpackg./ Kleinstsend. - Anteil EDIKommunik.
- Flexibilitat gegeniiber Abrufschwankungen
- Lieferservice (lieferantenseitig) - Lieferservice (LDL-seitig) - Forecastgiite - EDI-Fehlerquote
Abbildung 90:
- Versorgungs- - Einhaltung leistung Abholzeitfen- Lieferservice ster (lieferanten- Anzahlder seitig) Fehler pro - Einhaltung Kategorie Lieferzeitfenster - Bestandebeim Lieferanten (in Einzelfallen)
- Anzahl der Beschwerden pro Kategorie - Lieferservice (lieferantenseitig) - Forecastqualitat - EDI-Fehlerquote
- Anzahlder Fehler pro Kategorie - Lieferservice (lieferantenseitig) - Lieferservice (LDL-seitig) - Einhaltung Lieferzeitf (TransportDL) - Einhaltung Bestellzeitfenster (Filialen)
Derzeit eingesetzte Messgrofien im Supply Chain Performance Management
Die Analyse der derzeit eingesetzten Messgrofien lasst darauf schliefien, dass die Kennzahlensysteme der meisten untersuchten Unternehmen noch keine Anpassung an den untemehmens-
5 Empirische Untersuchung zum Entwicklungsstand des SCPM in der Praxis
312
ubergreifenden Supply Chain-Kontext erfahren haben und noch weitgehend den Vorgaben eines „traditionellen" Logistikcontrollings'"^ entsprechen. Beurteilung der eingesetzten Kennzahlen: Basisanforderungen Damit Kennzahlen ein aussagekrafliges und zugleich efiizientes Instrument zur betriebswirtschaftlichen Entscheidungsunterstutzung darstellen, miissen sie eine Reihe von Anforderungen erfullen. Hierzu zahlen zunSchst grundlegende Anforderungen wie die ZuverlSssigkeit (Reliabilitat), GUltigkeit (Validitat) und Objektivitat der MessgroBen sowie das Kriterium der Wirtschaftlichkeit (vgl. Abbildung 91).*"^
100/ 90 80 70 (D C 3 UJ
60 50 40 30 20 10
ZuverldssigkeJt der Messung
Abbildung 91:
Gunstjges Kosten/ Nutzen-Verhaitnis der Messung
GQItigkeit der Messgrdden
ObjektivitSt der Messgrdllen
Erfullung von Basisanforderungen an Kennzahlen in Supply Chains
Die Interviewpartner stufen den Erfiillungsgrad der einzelnen Giitekriterien auf einer Skala von 0 bis 100% ein (vgl. Abbildung 91). Die Kriterien „Zuverlassigkeit der Messung" und „Gunstiges Kosten/Nutzen-Verhaltnis" weisen mit mittleren Antwortwerten um die 70% in beiden Branchen einen vergleichsweise hohen Erfiillungsgrad auf. Der Grund hierfiir liegt vomehmlich in der relativ weiten Verbreitung integrierter IT-Losungen (z.B. ERP-Systeme). Mithilfe dieser Applikationen ist es moglich, auf Basis vorab defmierter Algorithmen eine \^elzahl von MessgroBen weitgehend automatisiert zu erheben. Dieser Vorzug birgt jedoch gleichzeitig das Risiko, dass in den Untemehmen lediglich jene Kennzahlen gemessen werden, die sich ohne gr5Beren Aufwand softwaregestiitzt abbilden lassen („quick wins"). Femer fiihrt die hohe Dynamik des Supply Chain-Umfelds dazu, dass die Rahmenbedingun-
* Vgl. zum Logistikcontrolling Kapitel 3.3.2. ' Vgl. Kapitel 3.1.2.1.
5.3 Ergebnisse der vergleichenden Feldstudie zum SCPM
313
gen der Performancemessung einem standigen Wandel unterliegen, was deren Zuverlassigkeit negativ beeinflussen kann. Mit ca. 60% etwas schlechter beurteilt werden die Kriterien „Gultigkeit der MessgroBen" und „Objektivitat der MessgrOBen". Die Giiltigkeit der MessgroBen stellt traditionell eine groBe Herausforderung in der Logistik dar. Beispielhaft sei hier die Problematik der Messung der Kapazitatsauslastung genannt. In Abhangigkeit von dem herangezogenen BewertungsmaBstab (FiSche, Volumen, Gewicht) kann es hierbei zu stark abweichenden und teilweise irrefuhrenden Beurteilungen kommen. Auch die Objektivitat der MessgroBen wird von einigen Interviewpartnem kritisch beurteilt. Vor allem im interorganisationalen Kontext kommt es hier haufig zu Unstimmigkeiten, da die einzelnen Akteure fiir den gleichen Sachverhalt unterschiedliche Werte (z.B. Lieferservice) ermitteln. Dies unterstreicht die Bedeutung einer untemehmenstibergreifenden Standardisierung von Performancemessgr6Ben. Unterschiede zwischen den beiden untersuchten Branchen konnen hinsichtlich der Erflillung von Basisanforderungen an die Performancemessung nicht festgestellt werden. Beurteilung der eingesetzten Kennzahlen: Erweiterte Steuerungsanforderungen Neben den dargestellten grundlegenden Gutekriterien von Kennzahlen gibt es eine Reihe von erweiterten Anforderungen, die an Performance Measures gestellt werden konnen. ^^^ Um festzustellen, wie hoch die Erwartungen der Untemehmenspraxis an solche Eigenschaften sind, werden diese auf einer Skala von 1 bis 6 bewertet (1 = niedrige Erwartungen, 6 = hohe Erwartungen). Danach wird mithilfe der gleichen Skala ein Einschatzung abgegeben, inwieweit diese Erwartungen bereits erfuUt werden (1 = Erwartungen nicht erfuUt, 6 = Erwartungen voll erfiillt). Die Ergebnisse sind - dififerenziert nach Branchen - in Abbildung 92 und Abbildung 93 dargestellt. Fiir eine nahere Analyse erscheinen vor allem jene Faktoren interessant, bei denen noch vergleichsweise hoher Handlungsbedarf besteht, also die Differenz zwischen Soil- und IstZustand relativ groB ist (in den Abbildungen durch Fettdruck hervorgehoben). Die folgende Analyse beschrankt sich somit auf diese Anforderungen: • Kennzahlen weisen eine Friihindikatorfunktion auf: An diese Eigenschaft kntipfen die Befragten aus beiden Branchen hohe Erwartungen. Dies erscheint einsichtig, da auf damit - unabhangig von spezifischen Produkten oder Prozessen - die Reagibilitat des Untemehmens erhOht und damit zusatzlicher Handlungsspielraum erschlossen werden kann. Da sich die Messung in beiden Branchen jedoch noch vomehmlich auf die „traditionellen" logistischen Servicekomponenten konzentriert, wird die Umsetzung dieser Eigenschaft bislang als eher unzureichend empfunden.
'^^ Vgl. Kapitel 3.1.2.1 sowie 4.3.2.2. Die theoriegeleitet entwickelten Kriterien wurden aus befragungstechnischen Grunden teilweise in Unterkategorien aufgeteilt.
314
5 Empirische Untersuchung zum Entwicklungsstand des SCPM in der Praxis
AiMgawoganhatt monatirar und nicht-monatirar Kannzahlan MMsinstrunMnto eriauten autom. ^^.^-T---.-,,^ Kannzahlan haban SolMst-Vergleiche ^^--^''^O'lj^«v^^^^^^~---^r0hlndlkatorfunk^ Messinstrumwito haben einhattlictM Datonbasis
SOU\ K \ Kennzahlen eriauben \ N v ^ A Zukunflsprognosen
/ /^^^ ifiC^
VerknOpfung der / / / Jk Ergebnisse mit ilL^^L Zieiverein^ \ ^ ^ | barungen \\ ^ ^ H
\
Kennzahlen sind \ V ^ H eindeutigen Verant- \ ^ ^ ^ wortungsbereichen \ \ zugeordnet \ Aus Treiberkennzahlen kOnnen SteuerungsmaOnahmen abgeleitet warden
Abbildung 92:
/ /
Ergebniskennzahlen refiektieren werl orientierteZiele
/ X
/
Kennzahlen kOnnen rechnerisch verknOpft werden
Kennzahlen kdnnen Qber Ursache-Wirkungsbeziehungen verknQpft werden
Erweiterte Steuerungsanforderungen in der Automobil-Supply Chain
Mas ainatnanaiila eriauban autom. SolMlat-VaroMcha Mesainstrumanta
Ausgewogenheit monetdrer und nicht-monetflrer Kennzahlen Kannzahlan haben FrOhindikatoffunktion
Kannzahlan arlauben Zukunftaprognoaen
VerknOpfung der Ergebnisse mit Zieivereinbarungen
Kannzahlan kdnnen vardichtet bzw. detailiiart
Kennzahlen sind eindeutigen Verantwortungsbereichen zugeordnet
Kennzahlen kOnnen rechnerisch verkniipft werden
Aus Treiberkennzahlen kdnnen Steuerungsma&nahmen abgeleitet werden
Abbildung 93:
^ ^ \ Kannzahlan
V ^ ^ ) •**""•" vardlchtat \ \ , f 1 L^ bzw. detailliart l^^ I warden
Kannzahlan kdnnen Qber Ursache-Wirkungabaziahungan varknOpft warden
Erweiterte Steuerungsanforderungen in der Konsumguter-Supply Chain
5.3 Ergebnisse der vergleichenden Feldstudie zum SCPM
315
• Kennzahlen erlauben Zukimftsprognosen: Diese FShigkeit wird insbesondere von den Vertretem des Bereichs Konsumgtiter als wichtig erachtet, da in der Branche haufig die gesamte Untemehmensplanung auf relativ langfristigen Prognosewerten aufbaut. Es erscheint also notwendig, dass auch logistische Kennzahlen derartige Trendabschatzungen erlauben. Da die Performancemessung jedoch schwerpunktmaBig auf eine vergangenheitsorientierte Leistungsbeurteilung ausgerichtet ist, sind die Erwartungen der Interviewteilnehmer diesbeziiglich bislang nicht ausreichend erfullt. • Kennzahlen kOnnen verdichtet bzw. detailliert werden: In Abhangigkeit vom Adressatenkreis und/oder dem Zweck der Analyse konnen die verwendeten MessgroBen sowohl zu Spitzenkennzahlen (Key Performance Indicators) aggregiert als auch in ihre einzelnen EinflussgroBen zerlegt werden. An diese Eigenschaft kniipfen alle Befragten hohe Erwartungen. Dies lasst sich unter anderem damit begriinden, dass in beiden Branchen die Performanceindikatoren an Entscheidungstrager auf verschiedenen Hierarchieebenen berichtet werden. Um deren spezifischen Informationsbedarf adaquat befriedigen zu konnen, mussen die Kennzahlen in verschiedenen Detaillierungsniveaus vorliegen. Dies f^Ut vor allem bei nicht-monetaren MessgroBen haufig schwer. Da derartige Kennzahlen insbesondere in der Logistik bzw. im Supply Chain Management weit verbreitet sind, iiberrascht es nicht, dass der von den Interviewpartnem angegebene Ist-Zustand noch groBen Handlungsbedarf erkennen lasst. • Kennzahlen konnen iiber Ursache-Wirkungsbeziehungen miteinander verkniipft werden: Kausale Abhangigkeiten zwischen verschiedenen MessgrdBen lassen sich im Kennzahlensystem sachlogisch abbilden. Auf diese Weise kann den verschiedenen Akteuren in einer Organisation bzw. Supply Chain aufgezeigt werden, welche Wirkung die Erreichung oder Nicht-Erreichung eines Zielwertes auf die Erreichung anderer Zielsetzungen hat. Der Eigenschaft wird von den Befragten aus beiden Branchen eine hohe Bedeutung beigemessen. Im der Automobilbranche haben die Untemehmen daher in den letzten Jahren groBe Anstrengungen untemommen, um dieser Forderung gerecht zu werden (z.B. durch die Etablierung von Wertreiberbaumen). In den untersuchten Untemehmen der Konsumgiiterbranche besteht diesbezuglich noch groBer Handlungsbedarf. • Ergebniskennzahlen reflektieren wertorientierte Ziele: Die verwendeten Ergebniskennzahlen korrespondieren mit den Wertsteigemngszielen des Untemehmens. Damit wird sichergestellt, dass die einzelnen Subsysteme des Untemehmens (z.B. die Logistik) ihre Aktivitaten an den iibergeordneten Untemehmenszielen ausrichten. Wahrend brancheniibergreifend eine vergleichbar hohe Erwartung an diese Eigenschaft gestellt wird, sehen die Befragten aus dem Konsumgiiterbereich hier noch deutlich mehr Handlungsbedarf als die Teilnehmer aus der Automobilbranche. • Messinstmmente greifen auf eine einheitliche Datenbasis zu: Die fur die Berechnung der Kennzahlen benotigten Daten werden aus nur einer Informationsquelle (z.B. einer Datenbank) extrahiert. Auf diese Weise kann neben einer effizienten Erhebung vor allem die
316
5 Empirische Untersuchung zum Entwicklungsstand des SCPM in der Praxis
Konsistenz des Datenmaterials sichergestellt werden. Die Bedeutung dieses Merkmals wird von nahezu alien Befragten als hoch eingestufl. Der Ist-Zustand bleibt jedoch in beiden Branchen deutlich hinter den Erwartungen zuruck. Untemehmensintem liegt dies vornehmlich daran, dass im Logistikbereich haufig verschiedene Softwaresysteme eingesetzt werden (z.B. Warehouse Management-Software, Tourenplanungssoftware, Auftragsverwaltung, etc.). Obwohl diese Applikationen tiber spezifische Schnittstellen miteinander kommunizieren kSnnen, ist ein zentraler Zugriff auf alle in den Systemen vorgehaltenen Daten oft nicht moglich. Ahnliches gilt auch fur den untemehmensubergreifenden Bereich. Zwar gibt es fur den interorganisationalen Informationstransfer eine Reihe von Ubertragungsstandards. Diese erlauben jedoch meist nur den elektronischen Austausch bestimmter transaktionsbezogener Informationen wie z.B. Auftragsdaten, Lieferscheine oder Ablieferungsnachweise. Fiir die Berechnung von untemehmenstibergreifenden Performanceindikatoren mussen die untemehmensextemen Daten meist auf anderem Wege bezogen werden (z.B. per E-Mail) und anschliefiend mit Datenmaterial aus den untemehmensintemen IT-Systemen konsolidiert werden. • Messinstrumente ermoglichen automatische Soll-/Ist-Vergleiche: Der Vergleich vorab defmierter Soll-Werte mit den tatsachlich erreichten Ist-Werten des Logistiksystems erlaubt eine Reduktion des manuellen KontroUaufwands und im besten Fall eine (teil)automatische Steuerung von Material- und Informationsfliissen. Spezielle IT-Instrumente, wie z.B. das derzeit intensiv diskutierte SCEM, sammeln dazu Statusmeldungen aus operativen Systemen (z.B. T&T) und gleichen sie mit Werten aus Planungssystemen (z.B. ERPSystemen) ab. In beiden Branchen ist ein mittlerer bis hoher Bedarf nach diesen Funktionen festzustellen. Allerdings sehen viele Untemehmen innerhalb ihrer bestehenden operativen Systeme weiteren Verbesserungsbedarf hinsichtlich der Aktualitat imd Vollstandigkeit der laufenden Ist-Daten sowie der QualitSt der Plandaten. Die Voraussetzungen ftir „proaktive" Funktionen wie zeitaahe Soll-/Ist-Vergleiche oder automatisch generierte „Alerts" sind somit in der Praxis hSufig nicht gegeben. Bei den weiteren Merkmalen besteht aus Sicht der Befragten ein vergleichsweise geringerer Handlungsbedarf, da sie entweder geringere Anforderungen an diese stellen oder ihre Erwartungen schon als weitgehend erfiillt ansehen: • Ausgewogenheit monetSrer und nicht-monetSrer MessgrOBen: Um das jeweilige Analyseobjekt moglichst umfassend abzubilden, enthalt das Kennzahlensystem eine ausgeglichene Mischung aus monetSren und nicht-monetaren Indikatoren. • Kennzahlen konnen rechnerisch verknupft werden: Die MessgrSBen sind so miteinander verbunden, dass sich ein deterministisch rechenbares Modell ergibt. • Aus Treiberkennzahlen konnen Steuerungsmafinahmen abgeleitet werden: Neben den Ergebniskennzahlen existieren Treiberkennzahlen, die bereits fruhzeitig auf Steuerungsbedarf hinweisen. Auf diese Weise konnen proaktiv Steuerungsmafinahmen eingeleitet und Abweichungen bei den ErgebnisgroBen a priori vermieden werden.
5.3 Ergebnisse der vergleichenden Feldstudie zum SCPM
317
• Kennzahlen sind eindeutigen Verantwortungsbereichen zugeordnet: Fiir jede MessgroBe ist eindeutig definiert, wer fur die Einhaltung der Vorgabewerte verantwortlich ist und im Falle von Abweichungen SteuemngsmaBnahmen einleiten muss. • Verkntipfung der Ergebnisse mit Zielvereinbarungen: Fur jede Kennzahl werden Zielwerte festgelegt, die wiederum fur das Anreizsystem des Untemehmens als Beurteilungsbasis dienen. Organisatorische Verankerung der Performancemessung in Supply Chains Als weiteres Kriterium zur Beurteilung des Stellenwerts, welcher der performanceorientierten Steuerung in Supply Chains in den befragten Untemehmen beigemessen wird, ist die organisatorische Verankerung der Performancemessung heranzuziehen. SinnvoUe Aussagen hierzu konnen nur in Abhangigkeit vom Typ des jeweiligen Untemehmens sowie von dessen Position in der Wertschopfungskette getroffen werden. Auf der Stufe der Tier-1-Lieferanten, in diesem Fall der Automobilzulieferer und der Konsumgiiterhersteller, geben die befragten Untemehmen an, dass diese Aufgabe weitgehend von der Logistikeinheit wahrgenommen wird. Diese bewusste Entkopplung vom (Untemehmens-)Controlling wird damit begrundet, dass die Performancemessung beim jeweiligen „Process Owner" verankert sein soUte. Bei Automobilherstellem und Handel liegen teilweise separate Verantwortungsbereiche vor: Wahrend der Einkauf die Rahmenbedingungen festlegt und eher strategische MessgroBen iiberwacht, ubemimmt die Logistik haufig die Performancemessung in den operativen Prozessen. Eine ahnliche Form der Aufgabenteilung fmdet sich auch bei den befragten Logistikdienstleistem. Hier werden fmanzielle Zielvorgaben in der Regel durch eine zentrale Controllingstelle vorgegeben und periodisch iiberwacht. Die kennzahlengestutzte Steuemng der operativen Ablaufe wird jedoch meist in der jeweiligen Niederlassung von einem Standortleiter Oder einem Key Account Manager (KAM) wahrgenommen. Diese diflferenzierte organisatorische Einbettung des Supply Chain Performance Managements und das sich daraus ergebende Beziehungsgeflecht ist zusammenfassend in Abbildung 94 dargestellt.
Abbildung 94:
Organisatorische Verankerung des Supply Chain Performance Managements
Die dargestellten Ergebnisse konnen dahingehend interpretiert werden, dass ein Supply Chain Performance Management nicht nur - wie oben bereits hervorgehoben - Uber Untemehmensgrenzen hinweg einzusetzen ist, sondem dass auch fachliche Grenzen (z.B. zwischen Logistik, Controlling, Einkauf und Key Account Management) uberbruckt werden miissen. Dieser
318
5 Empirische Untersuchung zum Entwicklungsstand des SCPM in der Praxis
abteilungstibergreifende Abstimmungsprozess wird regelmSfiig durch multiple Kommunikationsbarrieren zwischen den Abteilungen sowie konfligierende Bereichsziele erschwert. Die Einhaltung eines verhaltensbezogenen Implementienmgsprozesses*®* kann zur Entscharfung derartiger Konfliktpotenziale beitragen und ist daher fur die erfolgreiche Umsetzung eines Supply Chain Performance Managements von besonderer Bedeutung. Reichweite der Performancemessung in der Supply Chain Der Gestaltungsbereich des Supply Chain Perfonnance Managements steht in engem Zusammenhang mit dem des Supply Chain Managements, denn ublicherweise werden lediglich in jenem Bereich der Wertsch5pfungskette organisationstibergreifende Messungen durchgefiihrt bzw. Performanceindikatoren ausgetauscht, der auch aktiv gesteuert wird. Da hierbei nur Kennzahlen relevant sind, die eine unmittelbare Aussagekraft in Bezug auf den Erfolg der Kette haben, ist die Anzahl der untemehmensiibergreifenden Messgr56en in der Regel geringer als bei der untemehmensintemen Betrachtung. Bei hierarchischen Netzwerken ist femer mit zunehmender Entfemung vom fokalen Untemehmen eine weitere Verringerung des Messspektrums auf einige wenige kritische Parameter festzustellen (vgl. Abbildung 95).
Bandbreite der ^ Messung [%]
WertI schOpfungsI stufe
Abbildung 95: Ausdehnung der Performancemessung entlang der Supply Chain (schematische Darstellung)
Fiir das Supply Chain Performance Management ergibt sich dadurch die Herausfordenmg, die Steuerungsintensitat in der Supply Chain situativ anzupassen. Exemplarisch soil dazu ein in die Untersuchung einbezogenes Automobilherstelleruntemehmen herangezogen werden. Dieses bezieht von einem in derselben Region ansSssigen, mittelstandischen Tier-1-Lieferan-
' Vgl. Kapitel 4.3.2.2.
5.3 Ergebnisse der vergleichenden Feldstudie zum SCPM
319
ten einbaufertige Module. Die Zusammenarbeit mit diesem Zulieferer ist durch einen vergleichsweise intensiven Austausch von MessgrQfien gekennzeichnet. Der Lieferservice des Tier-l-Lieferanten wird jedoch in starkem MaBe von der Performance eines im auBereuropaischen Ausland angesiedelten Tier-2-Lieferanten determiniert, der eine zentrale Komponente fur dessen Module liefert. Da die Wiederbeschaffungszeit dieses Bauteils sehr lang ist und es nicht kuTzfristig von einem anderen Lieferanten beschaffi werden kann, werden in der Ausgangssituation sowohl beim ModuUieferanten als auch beim OEM groBe Sicherheitsbestande vorgehalten. Dies hat hohe Kapitalbindungskosten zur Folge und gewahrleistet nicht die gewunschte Versorgungssicherheit. Auf Grund der Engpassposition des Tier-2-Lieferanten wird eine selektive Ausdehnung der Performancemessung beschlossen. Diese soil vom Tier-lLieferanten wahrgenommen werden. Da er jedoch nicht uber die notwendigen Messmethoden verfugt, werden Mitarbeiter des Tier-l-Lieferanten gezielt geschult. Dies versetzt sie in die Lage, das Messkonzept eigenstandig auf die Tier-2-Beziehung auszudehnen. Eine maBgebliche RoUe spielt dabei der Austausch bzw. die Messung von Kennzahlen. Zum einen werden dem Tier-2-Lieferanten monatlich aktualisierte Bedarfsprognosen zur Verfugung gestellt. Zum anderen werden ihm genaue Vorgaben bzgl. Bestandshohen und Lieferzeiten gemacht, deren Einhaltung durch einen kontinuierlichen Messprozess von Seiten des Tier-l-Lieferanten iiberpriift wird. Eine emeute Einbindung des OEM erfolgt ausschlieBlich im Rahmen eines im Vorfeld abgestimmten Eskalationsprozesses. Durch dieses „Measurement by Exception" wird gewahrleistet, dass der Automobilhersteller von Routinemessungen entlastet wird, ohne dabei in kritischen Situationen auf entscheidungsrelevante Informationen in Form von Kennzahlen verzichten zu mtissen. Adressaten der Performancemessung in Supply Chains Mittels einer untemehmensiibergreifenden Performancemessung werden entscheidungsrelevante Informationen bereitgestellt, welche die Verantwortlichen bei der Ableitung von SteuerungsmaBnahmen im Rahmen des Supply Chain Performance Managements unterstiitzen soUen. Die Tragweite dieser Entscheidungen hangt dabei maBgeblich von der Positionierung des Entscheidungstragers in der Untemehmenshierarchie ab (vgl. Abbildung 96). Im Rahmen der Interviews ist daher zu erheben, welche Adressatenkreise primar mit den Ergebnissen der Performancemessung konfrontiert werden bzw. diese zur Entscheidungsuntersttitzung heranziehen. Betrachtet man die Antworten beider Branchen, so zeigt sich, dass die Ergebnisse uberwiegend von den Logistikverantwortlichen auf Bereichsebene verwendet werden. Das obere Management erhait zwar auch Daten aus der interorganisationalen Performancemessung, jedoch iiblicherweise in aggregierter Form und in grSBeren zeitlichen Abstanden (z.B. in Form eines Jahresberichts). Lediglich in kritischen Situationen, beispielsweise wenn eine Storung von den hierarchisch niedrigeren Ebenen nicht eigenverantwortlich behoben werden kann, erfolgt eine direkte Berichterstattung an das Top-Management (Eskalation). In hierarchisch entgegengesetzter Richtung unterstutzt die Performancemessung auch die Mitarbeiter in den operativen Einheiten bei der Lenkung von Supply Chain-Prozessen. Aus der nach
320
5 Empirische Untersuchung zum Entwicklungsstand des SCPM in der Praxis
Branchen getrennten Betrachtimg wird deutlich, dass in der Automobilbranche auf operativer Ebene starker kennzahlengestutzt gesteuert wird als in der Konsumgiiterbranche.
Performancemessung im Supply Chain Management dient..
2
3
...dem oberen Management bei Ranungsund Fuhrungsaufgaben auf strategischer Ei}ene
5
3
•s ^
...Fuhmngskraftenim Bereich Logistik zur EntscheidungsunterstOtz. auf taktischer Ebene
^
^S >
...Teamleitem und Mitarbeitem bei der operativen Lenkung von Logistikprozessen
[I
>
Arithmetisches Mittei alter Antworten (Antwortkategorien: 1=kelne Zustimmung bis 6=volle Zuslimmung)
Abbildung 96:
4
^ 1 Automobil H j Konsumguter
Adressaten der Performancemessung in der Supply Chain
Zusammengefasst zeigt sich somit, dass das Supply Chain Performance Management derzeit hauptsSchlich zur taktisch-operativen Steuerung auf einer mittleren (bis unteren) Fiihrungsebene herangezogen wird. Insofem kann es nicht iiberraschen, dass haufig erhebliche Schwierigkeiten bestehen, logistische Sachverhalte auf Geschaftsftihrungsebene transparent zu machen. Die Bildung von Werttreiberhierarchien - vgl. die Ergebnisse der Fallstudienarbeit in Kapitel 5.2.2 - stellt einen ersten Losungsansatz fiir diese Problematik dar. Implementierungsbarrieren des Supply Chain Performance Managements In der Untemehmenspraxis sehen sich die Akteure mit einer Reihe von Faktoren konfrontiert, welche die hnplementierung und den Betrieb eines Supply Chain Performance Managements behindem. Brancheniibergreifend wird in diesem Zusammenhang bemangelt, dass ein elektronischer Austausch der fur die Performancemessung benotigten Daten nicht immer moglich ist. Insbesondere mit mittelstSndischen und/oder auslandischen Geschaftspartnem fmdet die Datenubermittlung meist noch manuell, beispielsweise per E-Mail oder Fax, statt. Doch selbst bei Untemehmen, die prinzipiell tiber die notwendigen Voraussetzungen fur einen elektronischen Datenaustausch verf^gen, werden die Informationen hSufig zu spat oder unvoUstandig ubertragen. Erschwert wird die untemehmensiibergreifende Performancemessung zudem durch die mangelnde Standardisierung des Datenmaterials. Neben untemehmensintemen, nicht aggregierbaren bzw. vergleichbaren Kennzahlen stellen insbesondere MessgroBen, die zwar gleich bezeichnet werden, aber auf unterschiedlichen Berechnungsalgorithmen basieren, eine Herausforderung dar. Zudem stehen Kennzahlen bei vergleichsweise hohem manuellem
5.3 Ergebnisse der vergleichenden Feldstudie zum SCPM
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Erhebungsaufwand meist erst ex post in wochentlichen oder monatlichen Reports zur Verfiigung, was eine proaktive Steuerung einschrankt. Daruber hinaus wird der fur die Bereitstellung benStigte Aufwand im Vergleich zu dem sich daraus ergebenden Nutzen oftmals als zu hoch eingeschatzt. Vor allem Akteure, die in ihrer Organisation vergleichsweise groBe Anpassungen und Investitionen vomehmen miissen, sehen bei der Etablierung eines untemehmensiibergreifenden Supply Chain Performance Managements fur sich haufig keine unmittelbaren Vorteile. In der Automobilbranche wird als weitere Umsetzungsbarriere mehrfach das Fehlen prozessbezogener Kosteninformationen genannt. Dieser Umstand wird haufig auf eine noch nicht erfolgte bzw. unvollstandige Implementierung einer Prozesskostenrechnung zuruckgefuhrt. Auf Grund der daraus resultierenden Kostenintransparenz herrscht Unklarheit iiber die tatsSchlichen Kosten einzelner Logistikprozesse, weshalb die abgeleiteten SteuerungsmaBnahmen meist eher auf der Erfahrung bzw. Lituition der EntscheidungstrSger als auf formalen Steuemngssystemen beruhen. Eine weitere Schwierigkeit sehen die Interviewteilnehmer aus dem Automobilbereich in der Ausdehnung der Messaktivitaten iiber den Tier-1-Lieferanten hinaus. Die Beschafflingslogistik dieser Akteure weist haufig einen vergleichsweise geringen Entwicklungsstand auf Die Kooperationsintensitat zwischen ihnen und ihren Lieferanten ist in der Regel eher schwach ausgepragt. Auf Grund dieser Faktoren sind auch die Schnittstellen zwischen diesen beiden Wertschopfungsstufen oft unzureichend abgestimmt, was den Austausch bzw. die untemehmensiibergreifende Erhebung von Kennzahlen erschwert. Weiterer Handlungsbedarf wird daruber hinaus in der klaren Zuordnung von Verantwortlichkeiten vor allem zwischen Automobilherstellem und Logistikdienstleistem - gesehen. Diese Frage bezieht sich weniger auf die Messung, sondem vielmehr auf die Frage, wer fiir eine Abweichung verantwortlich ist bzw. wer gegebenenfalls entsprechende Steuerungsmafinahmen einleiten muss. In der Konsumgiiterbranche stellen nach Meinung der Befragten nach wie vor fehlendes Vertrauen und unzureichende Kooperationsbereitschaft die groBte Htirde bei der Umsetzung eines Supply Chain Performance Managements dar. Besonders in der Kritik steht in diesem Zusammenhang das Verhalten des Handels. Dieser ist nach Aussage der Industrie haufig nicht dazu bereit, Informationen (wie z.B. Prognosen oder Abverkaufsdaten) an die tibrigen Akteure der Supply Chain herauszugeben. Vor allem die Filialen des Handels stellen fiir den Rest der WertschSpfungskette in der Regel eine Art „Blackbox" dar. In engem Zusammenhang damit steht die Tatsache, dass die Akteure in Konsumguter-Supply Chains oftmals verschiedene, zum Teil konfligierende Zielsetzungen verfolgen. So sind beispielsweise die Logistikdienstleister bestrebt, ihre Lager- und Transportkapazitaten gut auszulasten, wahrend der Handel oftmals an einer moglichst gleichmafiigen Belieferung in kleinen Mengen interessiert ist. Diese lokalen Optimierungsstrategien fiihren jedoch nicht nur regelmafiig zu suboptimalen Gesamtlosungen, sondem erschweren auch die Ausrichtung an gemeinsamen Zielen und Kennzahlen. Derartige Zieldivergenzen treten haufig bereits untemehmensintem auf Ein klassischer Zielkonflikt besteht z.B. zwischen Einkauf und Logistik. Da der Einkauf vor-
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5 Empirische Untersuchung zum Entwicklungsstand des SCPM in der Praxis
nehmlich an den erzielten Einstandspreisen bzw. an der sich daraus ergebenden Handelsspanne gemessen wird, schenkt er bei BeschaflElingsentscheidungen den daraus resultierenden Logistikkosten in der Regel keine Beachtung. Diese Entscheidungen beeinflussen aber mafigeblich die spStere Effizienz der Logistikprozesse, weshalb Konflikte mit dem Zielsystem der Logistikabteilung auftreten kdnnen. Ahnlich wie im untemehmenstibergreifenden Bereich behindert die Existenz derartiger „Inselziele" die Ausrichtung an einer (ibergeordneten Supply Chain-Strategie und erschwert die Implementierung eines daran ausgerichteten MeasurementSystems. Daneben stellt der steigende Anteil des AktionsgeschSfts am Gesamtumsatz des Handels eine weitere Herausforderung fiir die untemehmenstibergreifenden Performancemessung dar. Die daraus resultierenden Mengenschwankungen konterkarieren nicht nur den effizienten Betrieb der Logistiksysteme, sondem wirken auch als „massiver Storfaktor" auf das Supply Chain Performance Management. Da es meist nicht moglich ist, zwischen Basisund Aktionsabsatz zu differenzieren, erschweren derartige Mengenspitzen die Definition adSquater Toleranzbereiche und reduzieren die Aussagekraft von Zeitreihenanalysen. Der Ruf nach einer starkeren Berticksichtigung von Flexibilitatszielen in der Performancemessung bezieht sich daher im Konsumgtiterbereich vomehmlich auf eine verbesserte KontroUe uber das Aktionsgeschaft. 5.3.3. Entwicklungstrends: Vom Performance Measurement zum wertorientierten Performance Management in Supply Chains Zur Realisierung einer wertorientierten Steuerung der Supply Chain erscheint gemaB den literaturgestutzten Ausfiihrungen die Integration des Performance Measurements in einen umfassenden Performance Management-Ansatz notwendig. Die Praxisrelevanz dieser Uberlegungen fur die Untemehmenspraxis wird in der Feldstudie im Rahmen einer letzten Fragengruppe explorativ erschlossen. Berucksichtigung der Wertorientierung im Supply Chain Performance Management Dem Ziel der Wertsteigerung wird von den EntscheidungstrSgem aus der Logistik branchenubergreifend eine hohe Bedeutung zugesprochen. Aber auch auf der Untemehmensfuhrungsebene und in anderen Fachbereichen setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass das Supply Chain Management einen Beitrag zur Steigerung des Untemehmenswertes leisten kann. Um diesen Erkenntnisprozess weiter voranzutreiben, muss nach Ansicht der Befragten die Bedeutung der Logistik bzw. des Supply Chain Managements von den zustandigen Stellen untemehmensintem noch starker kommuniziert werden. In vielen Untemehmen zahlen Instrumente wie beispielsweise WertsteigerungsbSume oder Balanced Scorecards bereits zum etablierten Methodenportfolio. Mit ihrer Hilfe k5nnen verschiedenen Organisationseinheiten ihre „Stellhebel" zur Steigerung des Untemehmenswertes aufgezeigt und deren Anreizsysteme entsprechend ausgerichtet werden. Die EinflussgrSfien der Logistik bzw. des Supply Chain Managements sind hier jedoch haufig noch unterreprasentiert bzw. nur implizit enthalten. Auch operative Logistikkennzahlen werden bislang nur selten rechnerisch oder sachlogisch
5.3 Ergebnisse der vergleichenden Feldstudie zum SCPM
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mit den entsprechenden wertorientierten Ergebniskeimzahlen verknilpft. Insbesondere die quantitative Verknupfung wird dabei von den Befragten als eine groBe Herausforderung aufgefasst. Trotz dieser fehlenden Formalisierung sind den Entscheidungstragem die Kausalzusammenhange zwischen den verschiedenen Messgrofien hSufig qua „Bauchgefuhl" bewusst und werden bei der Einleitung von Steuerungsmafinahmen berucksichtigt. Es mangelt jedoch nicht nur an der Verbindung der verschiedenen Kennzahlen iiber Ursache-Wirkungsbeziehungen. Auch ein Herunterbrechen von untemehmensbezogenen Wertzielen auf die Ebene einzelner Abteilungen oder Filialen findet erst ansatzweise statt. Auf dieser Stufe dominieren nach wie vor Kosten- und MengengrOfien. Eine Steuerung findet hier meist uber Budgets statt. Auswirkungen auf WertgrSBen werden iiblicherweise lediglich im Rahmen von ex post Analysen betrachtet. Ausdehnung des Performance Measurements auf einen integrierten Managementprozess Im Zuge der Diskussion von Entwicklungstrends ist auch eine Spiegelung der idealtypischen Aufgabenstruktur des Supply Chain Performance Managements am Status quo der Untemehmenspraxis vorzunehmen. Dazu wird der primare Steuerungskreislauf der SCPM-Konzeption herangezogen.^^^ Im Rahmen der Konfigurationsphase der Supply Chain fallen insbesondere die Aufgaben einer Selektion der Supply Chain-Mitglieder sowie einer Festlegung des Inhalts und der Intensitat der Zusammenarbeit an. Die Befragung zeigt, dass ftir die Konfiguration der Supply Chain bislang kaum formale Prozesse existieren. Erste Ansatzpunkte sind in der Harmonisierung von BewertungsmaBstaben ftir die Selektion neuer Partner zu sehen. In der Automobilindustrie werden beispielsweise standardisierte Mitarbeiter-, Flachen- und Transportkosten fur die Beurteilung von Logistikdienstleistem herangezogen. Ebenso fmden multikriterielle Lieferantenbewertungssysteme dort zunehmende Verbreitung. Die Implementierungsphase ist insbesondere von AUokations- und Regulationsaufgaben geprSgt. Die AUokation von Aufgaben bzw. Auftragen, Ressourcen und Verantwortlichkeiten erfolgt meist durch ein fokales Untemehmen in der Supply Chain. Strukturierte Vorgehensweisen zur netzwerkweiten Unterstutzung von Allokationsentscheidungen - z.B. hinsichtlich der Frage, auf welcher Supply Chain-Stufe bestimmte Logistikaktivitaten zu welchem Kosten/Nutzen-Verhaltnis ausgefuhrt werden konnen - haben sich bislang noch nicht etablieren konnen. Die Unterstutzung von Outsourcingentscheidungen stellt jedoch ein Themenfeld dar, in welchem nach Aussage der Befragten in Zukunft kennzahlengestutzte Managementprozesse verstarkt zum Einsatz kommen werden. Auch hinsichtlich der Regulationsaufgabe, welche sich auf die Implementierung eines untemehmenstibergreifenden Ziel- und Regelsystems in der Supply Chain bezieht, kann das Fehlen eines formalen Managementprozesses konstatiert werden. Wenn uberhaupt gemeinsame Ziele formuliert werden, sind diese in der Regel
Vgl. zum theoriegeleiteten Soll-Profil der nachfolgend angefuhrten Aufgaben Kapitel 4.3.1.
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5 Empirische Untersuchung zum Entwicklungsstand des SCPM in der Praxis
fallspezifisch und beziehen sich mafigeblich auf einzelne, operative Sachziele. Zudem werden sie in der Kegel nicht kooperativ abgestimmt, sondem vom Auftraggeber vorgegeben. In beiden Branchen werden bei ca. einem Drittel der befragten Untemehmen interne Anreizsysteme wie z.B. an den Lieferservice gebundene, variable Vergutungsanteile fur Logistikverantwortliche eingesetzt. Methoden zur Visualisierung untemehmensiibergreifender Zielbeziehungen, wie sie z.B. im Rahmen der Fallstudienanalyse exploriert wurden/^" kommen bislang im Supply Chain-Kontext kaum zum Einsatz. Im Bereich der operativen Steuerung konzentrieren sich die Aussagen insbesondere auf die informationstechnische Abbildung und Steuerung von Supply Chain-Prozessen.*^^ Das Potenzial von APS-Systemen, welche eine untemehmensubergreifende Planung iiber eine Verkopplung mehrerer ERP-Systeme ermSglichen, wird dabei von den Befragten weitgehend bestatigt. Erste Anwendungserfahrungen liegen jedoch bislang nur im untemehmensintemen Umfeld vor (z.B. in der standortubergreifenden Produktionsplanung eines groBen Lebensmittelherstellers). Der Datenaustausch in der Supply Chain erfolgt groBtenteils uber bilaterale EDI-Verbindungen, die haufig eine vergleichsweise aufyvendige Schnittstellenprogrammierung voraussetzen. Zur operativen Steuerung von Logistikprozessen kommen bei einem GroBteil der befragten Untemehmen T&T-Systeme zur Anwendung. Der Einsatz „proaktiver" SCEM-Losungen, welche eine (teil)automatische Steuerung von Logistikprozessen unterstiitzen soUen, wird von den Interviewpartnem meist kritisch gesehen. Zweifel bestehen in diesem Bereich insbesondere hinsichtlich der zur Durchftihrung eines Event Managements notwendigen Planungsgenauigkeit sowie den Problemkreisen Datenqualitat (z.B. VoUstandigkeit auftragsbezogener Daten in intemationalen Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen) und Standardisierungsgrad (z.B. bei der Einbindung kleiner und mittelstandischer Untemehmen). Die letzte Phase des idealtypischen Performance Management-Prozesses bildet das Performance Measurement. Zu den zentralen Aufgaben dieser Phase zahlen die Visualisierung der Supply Chain mittels geeigneter Methoden, die Strategieanbindung des Messsystems, die Ableitung geeigneter MessgroBen, die Implementierung des entwickelten Messsystems sowie die Durchftihrung des eigentlichen Mess- und Evaluationsprozesses. Zudem ist eine kontinuierliche Anpassung des Messsystems zu gewahrleisten. Die bereits vorgestellten Ergebnisse der Feldsmdie zeigen hier, dass fur die Performancemessimg bereits eine Reihe von MessgroBen vorhanden ist, die kontinuierlich erhoben und ausgewertet werden. Fur die Ableitung von MessgroBen sowie fur die Durchfuhmng der Messung und Evaluation existieren in der Mehrzahl der befragten Untemehmen mittlerweile standardisierte Vorgaben. Handlungsbedarf besteht demgegenuber bei den Aufgaben der Supply Chain-Visualisierung, der Strategieanbindung des Messsystems sowie bei der untemehmensubergreifenden Implementiemng. Fur
' Vgl. Kapitel 5.2.2. ' Da die informationstechnologische Umsetzung keinen Schwerpunktbereich der vorliegenden Arbeit bildet, sind die hier ermittelten Untersuchungsergebnisse als Tendenzaussagen zu verstehen, die nicht ausfiihrlich vertieft werden.
5.3 Ergebnisse der vergleichenden Feldstudie zum SCPM
325
diese Teilaufgaben der Performance Measurement-Phase existieren in den befragten Unternehmen bislang keine formalen Prozesse. Die Analyseergebnisse der letzten Fragenkategorie sind zusammenfassend in Abbildung 97 dargestellt.
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Derzeit wahrgenommene Aufgaben
Abbildung 97:
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i Derzeit nicht wahrgenommene Aufgaben
Umsetzungsstand der Steuerungsaufgaben des Supply Chain Performance Managements
Insgesamt sprechen die Ergebnisse der vergleichenden Feldstudie dafur, dass die Bedeutung einer untemehmensubergreifenden Steuerung von Supply Chain-Prozessen in den untersuchten Branchen Automobil sowie Konsumgiiter erkannt wird. Die Befragung offenbart, dass im Bereich der kennzahlengestutzten Messung bereits eine Reihe von praktikablen Ansatzen existieren. Der im abschliefienden Abschnitt der Feldstudie angestellte, iiberblicksweise Vergleich zwischen dem idealtypischen SCPM-Steuerungskreislauf und dem Status quo weist jedoch auch darauf hin, dass hinsichtlich der Ausdehnung des Performance Measurements zu einem integrierten Managementprozess erheblicher Handlungsbedarf in den befragten Unternehmen besteht. Die im Rahmen der Fallstudienanalyse erzielten Ergebnisse werden somit durch die vergleichende Feldstudie bestatigt.
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5 Empirische Untersuchung zum Entwicklungsstand des SCPM in der Praxis
5.4. Ableitung von Gestaltungsempfehlungen fiir die Unternehmenspraxis Vor dem Hintergrund des anwendungsorientierten Forschungsziels der vorliegenden Arbeit'^^ wird aufgezeigt, welche Verbesserungsansatze in den betrachteten Untemehmen bzw. Supply Chains zum weiteren Ausbau des Supply Chain Performance Managements ergriffen werden konnen. Allgemeine Handlungsempfehlungen Auf Grundlage der in der Feldstudie erhobenen Informationen und identifizierten Handlungsbedarfe konnen folgende allgemeine Empfehlungen abgegeben werden: • Ausweitung der Prozesskostenrechnung: Mithilfe einer Prozesskostenrechnung konnen steuenmgsrelevante Kosteninformationen iiber Logistikprozesse bereitgestellt werden. In der Mehrzahl der untersuchten Untemehmen wird dieses Kostenrechnungsverfahren bislang entweder gar nicht oder nur selektiv (z.B. fur ausgewShlte Teilprozesse oder einzebie kritische Artikel) eingesetzt. Lediglich ein groBes Handelsuntemehmen gibt an, dass vor kurzem untemehmensweit, d.h. sowohl auf Zentrallager- als auch auf Filialebene, eine Prozesskostenrechnung eingefuhrt worden ist. Die daraus gewonnenen Informationen geben zum einen Hinweise darauf, wo Prozesse effizienter gestaltet werden konnen. Zum anderen zeigt die artikelgenaue Zuordnung von Kosten, welchen Aufwand ein Artikel tatsachlich verursacht. Vor allem bei Waren, die vor dem Verkauf erst aufbereitet werden mussen (z.B. Aufbugeb von Textilien) wurde auf diese Weise festgestellt, dass die tatsachliche Handelsspanne deutlich unter der mithilfe der „traditionellen" Zuschlagskalkulation ermittelten Spanne liegt. Trotz der bislang geringen Verbreitung sind sich auch Interviewpartner aus Industrie und Dienstleistung der Potenziale einer Prozesskostenrechnung bewusst. In der Mehrzahl der befragten Untemehmen existieren daher derzeit Bestrebungen, eine Prozesskostenrechnung zu implementieren bzw. diese weiter auszubauen. • Vemetzung und Integration von IT-Systemen: Ein wichtiger Faktor bei der Umsetzung eines SCPM-Ansatzes ist die untemehmensiibergreifende Verfugbarkeit relevanter Daten. Um dies zu erreichen, werden in der Regel entweder die bestehenden IT-Infrastrukturen verschiedener Untemehmen miteinander vemetzt oder neue, integrierte IT-Systeme geschaffen. Nahezu alle Befragten geben an, dass in ihren Untemehmen derzeit Projekte durchgefuhrt werden, die auf eine stSrkere Vemetzung und Integration der Informationssysteme abzielen. Die konkreten Inhalte dieser Vorhaben sind jedoch sehr unterschiedlich und in starkem MaBe von dem jeweiligen Untemehmen bzw. dessen Branche abhangig. Vielfach handelt es sich um den Aufbau eines elektronischen Datenaustausches oder dessen Erweitemng mithilfe weiterer Nachrichtentypen, wie z.B. „Pick-Up-Sheets" in der Automobilindustrie oder „Electronic Dispatch Advices" (DESADV) in der Konsumguter-
Vgl.Kapitell.2.
5.4 Ableitung von Gestaltungsempfehlungen fur die Untemehmenspraxis
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branche. Diese zielen insbesondere auf eine Verbesserung der ProzessflexibilitSt ab. Daruber hinaus werden auch - teilweise gemeinsame - Investitionen in IT-Infrastruktur getatigt. Beispiele hierfiir sind die Installation neuer Datenbankserver fur den Betrieb von Data Warehouse-LQsungen oder auch die Einrichtung eines landerubergreifenden T&T-Systems im schienengebundenen Guterverkehr. • Ausbau der fachbereichs- und untemehmensubergreifenden Teamarbeit: Viele Aufgaben, die aus der untemehmensubergreifenden Gestaltung von Wertschopfungsketten erwachsen, mtissen von mehreren Fachbereichen aus teilweise verschiedenen Untemehmen gemeinsam bewaltigt werden. Die meist funktional strukturierte Primarorganisation der Unternehmen ist fur derartige ubergreifende Arbeitsprozesse jedoch eher ungeeignet. Eine Moglichkeit dieser Situation zu begegnen, ist die Schafiung einer Sekundarorganisation, in der Mitarbeiter aus verschiedenen Fachbereichen und Untemehmen in Teams zusammenkommen. Die Aussagen der Befragten ergeben, dass kooperationsbezogene Aktivitaten meist im Rahmen von Projekten organisiert werden. Eine Herausfordemng ist darin zu sehen, die zeitlich begrenzte Projektorganisation in eine permanente Organisationsstmktur zu iiberftihren, ohne die mit einer Kooperation angestrebte Flexibilitat zu sehr einzuschranken. • Intensivierung der Lieferantenfdrderung: In den untersuchten Supply Chains ist die Logistikkompetenz der beteiligten Lieferanten auBerst heterogen ausgepragt. Marktnahe GroBuntemehmen gehen verstSrkt dazu iiber, das im eigenen Haus vorhandene LogistikKnow-how auf ausgewahlte Partner in der Supply Chain (haufig Tier-1-Lieferanten) zu iibertragen (so genannte „Supplier Development Workshops"). Diese MaBnahme zielt nicht nur auf eine Verbessemng der Zusammenarbeit in der Beziehung zwischen Abnehmer und Tier-1-Lieferant, sondem soil Letztgenannten auch befahigen, seine eigenen beschafiungsseitigen Aktivitaten gezielter zu steuem. Ein wichtiges Ziel ist dabei die Reduktion von Beschaffungsrisiken. Mit der zunehmenden geografischen Ausdehnung des Beschaffiingsmarkts nach Femost und Osteuropa gewinnen derartige Aktivitaten zusatzlich an Bedeutung, da es ftir den OEM (bzw. fur den Handel) haufig nicht mehr moglich ist, das komplexe Beschaffungsnetzwerk allein zu steuem. • Starkere Standardisiemng von Performanceindikatoren: Haufig tragen Messgrofien zwar die gleiche Bezeichnung, werden aber mit unterschiedlichen Berechnungsverfahren ermittelt. Vor allem Untemehmen, die in mehreren Supply Chains aktiv sind, fmden sich in der Situation, eine grofie Anzahl verschiedener Indikatoren erheben und verarbeiten zu mussen (Mehrfachmitgliedschaftsproblem). Diese Problematik wird in den Interviews insbesondere von den Logistikdienstleistem thematisiert, die in der Regel fur jeden ihrer Kunden unterschiedliche Kennzahlen erheben und aufbereiten. Da sich die Befragten eine Verbesserung der Situation in erster Linie durch eine zunehmende Standardisierung von Performance Measures erwarten, nehmen sie verstarkt an entsprechenden Verbandsprojekten teil. Im Konsumgiiterbereich sind dies beispielsweise ECR-Arbeitsgmppen der GSl
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5 Empirische Untersuchung zum Entwicklungsstand des SCPM in der Praxis
Germany (ehemals CCG), in der Automobilindustrie aktuell laufende Projektarbeiten zur Logistikqualitat (VDA) oder zu standardisierten Logistikkennzahlen (AIAG). • Ausweitung des Austausches und gemeinsame Entwicklung von MessgroBen: Supply Chain Performance Management umfasst sowohl die Messung untemehmensubergreifender Sachverhalte (z.B. Gesamtdurchlaufzeiten) als auch den Austausch imtemehmensintem erhobener Kennzahlen zwischen den Akteuren einer Wertschopfungskette (z.B. Bestandshohen). Die empirische Untersuchung ergibt, dass in der Untemehmenspraxis die selektive Weitergabe von Messgr56en haufig den ersten Schritt auf dem Weg zu einem umfassenden Supply Chain Perfonnance Measurement darstelh. So erhalt beispielsweise ein Automobilhersteller in der Anlaufphase neuer Modelle von ausgewShlten Lieferanten taglich Daten iiber deren aktuelle Kapazitatsauslastung in der Produktion. Im Gegenzug iibermittelt er ihnen Informationen zur Uber-/Unterversorgung von Teilen am Einbaupunkt. In der Konsumguterbranche findet ein Ausbau des Kennzahlenaustausches z.B. im Rahmen von untemehmensubergreifenden Planungsaktivitaten wie CPFR statt. • Verstarkung der wertorientierten Steuerung: Der Zusammenhang zwischen operativen Logistikkennzahlen und iibergeordneten finanziellen MessgroBen kann z.B. uber UrsacheWirkungsbeziehungen verdeutlicht werden. Das Aufzeigen derartiger Kausalzusammenhange hilft den Entscheidungstragem, die in ihrem Verantwortungsbereich liegenden StellgroBen zur Steigenmg des Untemehmenswertes zu identifizieren und ihre Handlungen entsprechend auszurichten. Die Untersuchung zeigt, dass in den Untemehmen vereinzelt bereits Anstrengungen untemommen werden, Performance Measures aus der Logistik in Instrumente wie WerttreiberbSume oder Balanced Scorecards zu integrieren, um so eine Verbindung mit iibergeordneten Ergebniskennzahlen herzustellen. Zudem wird dadurch auch eine ErhOhung der „Top Management Attention" fur logistische Sachverhalte angestrebt. • Durchfuhrung von Benchmarkingprojekten: Im operativen Bereich konnen MessgroBen unter anderem dazu eingesetzt werden, die Performance gleichartiger Logistikprozesse zu vergleichen (Benchmarking). Einer der untersuchten Logistikdienstleister fuhrt beispielsweise anhand von Logistikkennzahlen regelmaBig ein standortubergreifendes Benchmarking durch. Ein derartiger Vergleich von Performanceindikatoren kann auch untemehmens- und branchentibergreifend sinnvoU sein. Ein Interviewpartner berichtet beispielsweise, dass regelmaBige Benchmarkingprojekte zwischen einem Verlader imd einem Logistikdienstleister aus der Konsumguterbranche als Entscheidungsgrundlage fur Outsourcingentscheidungen herangezogen werden. Spezifische Handlungsempfehlungen fSr die Fallstudien-Supply Chains Im Rahmen einer Konsolidierung der Ergebnisse der Fallstudie und der Feldstudie konnen iiber die allgemeinen Handlungsempfehlungen hinaus spezifische Gestaltungsvorschlage fur die Fallstudienteilnehmer abgeleitet werden:
5.4 Ableitung von Gestaltungsempfehlungen fur die Untemehmenspraxis
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• Ausdehnung des Performance Measurements auf globale Supply Chains: Der Trend zur Intemationalisiemng der Beschaffiings- und Fertigungsaktivitaten in der Automobilbranche halt weiter an. Mit der geografischen Ausdehnung der Wertschopfungskette steigt jedoch auch deren Storanfalligkeit. Um trotzdem weiterhin die gleiche Versorgungsleistung „am Band" gewahrleisten zu konnen, sind mehr steuerungsrelevante KontroUinformationen als bisher bereitzustellen. Hierzu konnte das in der Konsumgtiterbranche vorhandene Know-how verstarkt genutzt werden (z.B. im Rahmen von Benchmarkingaktivitaten), da diese Untemehmen oftmals bereits tiber langjahrige Erfahrungen mit der Steuerung komplexer, intemationaler Beschaffungskanale verfiigen. Vor allem die Performance Measurement-Aktivitaten global agierender Third Party Logistics Provider (3PLs) konnten fur die Logistikdienstleister aus der Automobilbranche Anhaltspunkte fur die zukunftige Ausgestaltung ihrer Informations- und Kennzahlensysteme bieten. • Fordenmg von Performance Measurement bei Vorlieferanten: Wie die Feldstudie gezeigt hat, sind in der Automobilbranche vor allem groBere Tier-l-Zulieferer bemuht, die Performancemessung auch auf die ihnen vorgelagerte Wertschopfungsstufe auszuweiten. Oflmals verfiigen die Tier-2-Lieferanten noch nicht uber die dafiir notwendigen Kenntnisse. Aus diesem Grund streben Tier-1-Zulieferer die gezielte Entwicklung ihrer Vorlieferanten im Bereich Performance Measurement an. Auch wenn die Beziehungen zwischen Adidas und ihren Vorlieferanten in der Regel eher marktlich gepragt und relativ volatil sind, ware in ausgewahlten Fallen diese Vorgehensweise auch hier vorstellbar. • Identifikation von Synergien im Beschaffungsbereich: Weitere hnpulse fur die Konsumgtiter-Supply Chain ergeben sich aus den Beschaffungskonzepten der Automobilbranche. Meist beziehen die Automobilhersteller Telle von ihren Tier-1-Lieferanten entweder ab Werk Oder werden tiber Konsignationslager am eigenen Werksgelande beliefert. Diese beiden Strategien lassen sich prinzipiell auch auf die Situation der Konsumgiiter-Supply Chain transferieren. Zum einen ware es denkbar, dass KarstadtQuelle die bestellten Waren nicht mehr „frei Haus" geliefert bekommt, sondem sie „ab Werk" in Asien bezieht und gemeinsam mit anderen dort bezogenen Waren nach Deutschland transportieren lasst. Auch eine Blindelung von Warenstromen von KarstadtQuelle und Adidas erschiene zur Erzielimg von GroBeneffekten plausibel. Zum anderen konnte aber auch Adidas in den Lagem oder sogar in den Filialen von KarstadtQuelle Vendor Managed Inventories (VMI) einrichten. Bei beiden Strategien ist davon auszugehen, dass sie die Logistikkosten der beteiligten Akteure stark beeinflussen. Ob durch die Umstellung auf eines der Konzepte allerdings die Effizienz der gesamten Supply Chain gesteigert werden kann, ist kritisch zu priifen. Fur den Fall von Kostenverschiebungen miissen dauerhafte Ausgleichsmechanismen (z.B. iiber die Einkaufskonditionen) geschaffen werden. Die notwendigen Informationen fur eine Kosten- bzw. Nutzenverteilung konnten wiedemm durch das Performance Measurement zur Verftigung gestellt werden.
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5 Empirische Untersuchung zum Entwicklimgsstand des SCPM in der Praxis
• Uberpriifung der Relevanz der Kennzahlen: Bevor das Performance Measurement weiter ausgestaltet wird (Berichtswesen, Anbindung an Anreizsysteme, etc.), ist vorab die Relevanz aller dokumentierten Supply Chain-Messgr6fien kritisch zu uberprufen. Dabei gilt es insbesondere fiir jede einzelne Kennzahl zu hinterfragen, ob sie wirklich steuerungsrelevant ist (keine „nice-to-have"-Kennzahlen) und darttber hinaus untemehmensubergreifenden Charakter besitzt (keine „nach innen" gerichteten Kennzahlen). • Anpassung des Umfangs der Berichterstattung: In engem Zusammenhang mit dem vorangegangen Punkt steht die Frage nach dem ,^chtigen" Umfang der Berichterstattung. Auch wenn eine Kennzahl prinzipiell fur relevant erachtet wird, impliziert dies nicht, dass sie zwangslaufig in jedes Reporting einfliefien muss. Die Aufbereitungsform ist ebenso wie die Periodizitat der Berichterstattung individuell fur jede Kennzahl abzustinmien. Zukfinftige Initiativen in den Fallstudien-Supply Chains Nach Abschluss der explorativen empirischen Untersuchung haben sich die an der Fallstudienanalyse beteiligten Untemehmen zu konkreten hiitiativen fur die Verbesserung des Supply Chain Performance Managements entschlossen. Die Automobil-Supply Chain strebt folgende Aktivitaten an: • Die Bedarfsprognosen (Forecasts) von der DaimlerChrysler AG sollen kunflig nicht nur an die Continental AG, sondem auch an die Schuchen International GmbH & Co. KG ubermittelt werden. • Die Continental AG soil in Zukunfl eine BestStigung iiber den Eingang seiner Lieferung beim Automobilhersteller (DaimlerChrysler AG) erhalten. • Die Berichtsperiodizitat der Supply Chain-Kennzahlen soil genau defmiert werden. • Zur Unterstiitzung der operativen Prozesssteuerung soil ein Supply Chain Event Management (SCEM) implementiert werden. Die in der Untersuchung diesbeziiglichen identifizierten Barrieren werden einer gezielten Uberpriifung unterzogen. Die in der Konsumguter-Supply Chain geplanten Initiativen umfassen folgende Aufgaben; • Um bei der Adidas-Salomon AG den strategischen Stellenwert des Supply Chain Managements zu verdeutlichen, sollen in der auf Untemehmensebene neu einzurichtenden Balanced Scorecard auch Ziele und Kennzahlen mit Logistikbezug aufgenommen werden. • Der Austausch von prozessbezogenen Kennzahlen zwischen Maersk Logistics International A/S, der Adidas-Salomon AG und der KarstadtQuelle AG soil im Rahmen gemeinsamer IT-Systeme weiter vorangetrieben werden, um so die Transparenz in der Supply Chain zu steigem („SCM Visibility**)• Die Zusammenarbeit der drei Partner beim Konsolidierungsprozess in Femost soil weiter ausgebaut werden.
5.4 Ableitung von Gestaltungsempfehlungen ftir die Untemehmenspraxis
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Mit der Formuliemng von Handlungsempfehlungen und der Darstellung zukiinftiger Initiativen schliefit der empirische Teil der vorliegenden Arbeit. Insgesamt sprechen die diskutierten Ergebnisse dafur, dass die Bedeutung eines untemehmenstibergreifenden Supply Chain Performance Managements in der Praxis weitgehend erkannt wird. Die Praktikabilitat der entwickelten SCPM-Konzeption kann - unter Berucksichtigung der genannten Einschrankungen einer ersten explorativen Untersuchung - bestatigt werden. Damit ist die letzte der in Kapitel 1.1 formulierten Forschungsfragen als beantwortet anzusehen. Der Erfolg zukunftiger Supply Chain Performance Management-Ansatze wird davon abhangen, wie gut diese die Beziehung zwischen den Supply Chain-Prozessen und der Gesamtperformance eines Untemehmens darstellbar und steuerbar machen konnen. Diese Integrationsleistung erstreckt sich auf den operativen wie auf den strategischen Bereich. Die zur Entscheidungsunterstutzung herangezogenen Kennzahlen sind dazu an den untemehmenstibergreifenden Supply Chain-Kontext anzupassen. Die empirischen Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass einige Best-Practice-Untemehmen derzeit in diesem Bereich Fortschritte erzielen, indem sie gemeinsam mit ausgewahlten Kooperationspartnem bestehende Kennzahlensysteme anpassen bzw. neue entwickeln. Der fur eine performance-orientierte Steuerung der Wertschopfimgskette erforderliche Ausbau zu einem Performance Management-System hat somit bereits begonnen, ist jedoch in den identifizierten Aufgabenbereichen noch weiter voranzutreiben.
Thesenartige Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit und Ausblick auf zukiinftige Forschungsfelder
Im letzten Abschnitt der vorliegenden Arbeit erfolgt eine Zusammenfassung der theoriegeleitet und empirisch gewonnenen Erkenntnisse. Dem explorativen Charakter des Forschungsvorhabens entsprechend wird diese thesenartig ausgestaltet. Den Abschluss der Betrachtung bildet ein Ausblick auf zukiinftige Forschungsfelder im Themenfeld des Supply Chain Performance Managements. Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit • Supply Chain Management geht iiber den Rahmen einer untemehmenstibergreifenden, endkundenorientierten Fiihrungsphilosophie hinaus. Als strategisches Managementkonzept erhebt es einen expliziten Steuerungsanspruch, der sich in einer Reihe von normativen Referenzmodellen in der einschlagigen Literatur widerspiegelt. Hinsichtlich der naheren Ausgestaltung der konzeptimmanenten Steuerungsaufgaben besteht betrachtlicher Forschungsbedarf. Diesen greift die vorliegende Arbeit mit der Entwicklung einer theoriegeleiteten Steuerungskonzeption (Supply Chain Performance Management-Konzeption) auf. Ein erster Schritt besteht dabei in der Ableitung aufgabenorientierter Handlungsfelder aus den globalen Zielkategorien des Supply Chain Managements (Endkundennutzen, Kosten, Zeit, Qualitat sowie Wertsteigerung). Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden diesbeztiglich die Handlungsfelder Information/IT, Supply Chain-Prozesse, Upstream-Beziehungen, Downstream-Beziehungen sowie Organisation differenziert. • Im Vorfeld der Ubertragung eines untemehmensintemen Steuerungsverstandnisses auf den Supply Chain-Kontext ist der vergleichsweise breite Steuerungsbegriff problemorientiert einzugrenzen. Einem kybemetischen Grundverstandnis folgend wird Steuerung als gemaBigt-voluntaristischer Prozess aufgefasst, der unter dem Einfluss der Kontextfaktoren Dynamik, Intransparenz und Komplexitat Losungsansatze fiir nicht triviale Entscheidungsprobleme generiert. Als spezielle Managementaufgabe umfasst die Steuerung dabei die Phasen der Strategieformulierung und -bewertung, Strategieimplementierung, Ausflihrung sowie KontroUe. Die Arbeit vertritt ein vergleichsweise breites Steuerungsverstandnis, welches sowohl eine strategische als auch eine operative Dimension enthalt. Im interorganisationalen Kontext steht die Steuerung angesichts des Spannungsfelds von Autonomic und Interdependenz der Akteure vor besonderen Herausforderungen. Diese beziehen sich sowohl auf die inhaltliche Ausgestaltung der Steuerung als auch auf Veranderungen im Steuerungsprozess. • Auf Grund der Interdisziplinaritat der Problemstellung ist kein einzelnes Theoriegebaude in der Lage, das Phanomen einer untemehmensiibergreifenden Steuerung voUstandig abzubilden. Im Rahmen eines synoptischen Vorgehens werden daher ausgewahlte theoreti-
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6 Thesenartige Zusammenfassung der Ergebnisse und Forschungsausblick
sche Ansatze hinsichtlich ihrer Erklanmgsbeitrage analysiert. Die ausgewShlten Theorien der neuen InstitutionenSkonomie steuem dabei unter anderem akteursspezifische Verhaltensannahmen sowie Aussagen zu hybriden institutionellen Arrangements als Alternative zu hierarchischen und marktlichen SteuemngsansStzen bei. Die Neuere Systemtheorie liefert Aussagen zur (begrenzten) Steuerbarkeit komplexer Systeme und bringt das Konstrukt der „Kontextsteuerung** in die Diskussion ein. Die Netzwerkforschung und insbesondere das Netzwerkmanagement beinhalten schlieBlich Hinweise zur organisationalen und ablauftechnischen Ausgestaltung von Untemehmensnetzwerken und erlauben eine Klassifizierung von Supply Chains als strategische Netzwerke. Das im Rahmen der Arbeit entwickelte SteuerungsverstMndnis kann damit auf das Netzwerkmanagement ubertragen werden. Denmach fallen in strategischen Netzwerken insbesondere die Steuerungsaufgaben der Selektion, Regulation, AUokation und Evaluation an. • Zur vertiefenden Systematisierung von Steuerungsanforderungen und -aufgaben bietet sich eine Mehrebenenbetrachtung des Supply Chain Managements an. Auf der Einzelakteursebene steht dabei die interne „Supply Chain" eines einzebien Untemehmens im Vordergrund. Die Beziehungsebene bildet die Steuerungsaufgaben eines fokalen Untemehmens als dominanter Supply Chain-Akteur ab, welcher die Beziehungen zu anderen Untemehmen aktiv gestaltet (z.B. durch Selektion potenzieller Supply Chain-Mitglieder oder durch die kennzahlengestutzte Evaluation bestehender Kooperationspartner). Auf der Netzwerkebene wird die Supply Chain als kollektiver Akteur interpretiert, dessen Positionierung es innerhalb einer Branche bzw. auf dem Endkundenmarkt zu steuem gilt. • Bevor die theoriegeleiteten Erkenntnisse in eine integrierte Steuerungskonzeption tiberfuhrt werden kOnnen, sind Gestaltungsempfehlungen aus bestehenden anwendungsorientierten Ansatzen aufzugreifen, die als Entwicklungspfade der eigenen Konzeption fimgieren. An erster Stelle ist hier das Konzept des Performance Measurements zu nennen, welches mehrdimensionale, kennzahlengestutzte Messkonzepte zur Steigemng der Unternehmensperformance bereitstellt. Das Konstrukt der Performance wird dabei als Zielerreichungsgrad verstanden, der sich - unter Berucksichtigung spezifischer Anforderungen fur eine Ubertragung auf den Supply Chain-Kontext eignet. Dazu sind die zentralen Konzeptmerkmale des Performance Measurements um Supply Chain Management-spezifische Anforderungen zu erweitem. Zudem liefert eine kritische Wiirdigung existierender Ansatze, welche das Performance Measurement in den Supply Chain-Kontext tiberfuhren, erste Hinweise zum Anfordemngsprofil einer eigenen Steuerungskonzeption. • Die wertorientierte Untemehmensfuhrung bildet einen weiteren Entwicklungspfad der eigenen Konzeption. Sie liefert Anhaltspunkte dazu, wie eine Fokussiemng des mehrdimensionalen Performancebegriffs auf das Wertsteigerungsziel vorgenommen werden kann. Dadurch wird eine Konkretisierung der Steuerungsinhalte ermoglicht und die Voraussetzung fur eine sachlogische Verknupfung der Sachziele des Supply Chain Managements mit dem Formalziel der Wertsteigemng des allgemeinen strategischen Managements geschaf-
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fen. Als relevante Stellhebel im Supply Chain-Kontext werden dabei insbesondere das Cash Management, das Prozessmanagement sowie das Bestandsmanagement angesehen. Zudem bietet die aufgabenorientierte Ausgestaltung des vorgestellten wertorientierten Managementprozesses Anhaltspunkte fiir den Aufbau eines Performance Managements, welches iiber den Messcharakter des Performance Measurements hinausgeht. • Im Rahmen eines dritten Entwicklungspfades wird das Transferpotenzial des inhaltlich verwandten Forschungsfelds des Controllings auf das eigene Forschungsvorhaben untersucht. Dabei riicken insbesondere die Ansatze des LogistikcontroUings, des Kooperationsund NetzwerkcontroUings sowie des Supply Chain Controllings ins Blickfeld. Das LogistikcontroUing beinhaltet insbesondere Aussagen zur Informationsversorgung bzw. Koordination von Logistikprozessen und stellt diesbeziiglich einen vergleichsweise breiten „Instrumentenbaukasten" bereit. Die Ansatze des Kooperations- und NetzwerkcontroUings tragen erste Vorschlage zur untemehmensiibergreifenden Ausrichtung des Controllings bei. Das Supply Chain Controlling weist schlieBlich die engsten Bezttge zum Supply Chain Performance Management auf, wobei die Rationalitatssicherungs- und die Reflexionsfiinktion in den Vordergrund gestellt werden. • Nach der Entwicklung eines theoretischen Vorverstandnisses ist zu konstatieren, dass das Performance Management in der Lage ist, wertorientierte Untemehmensfuhrung, Performance Measurement und Aspekte des Controllings in einen gemeinsamen Bezugsrahmen einzuordnen. Dadurch trSgt es zur Schliefiung existierender Liicken zwischen Fuhrungsund Leistungssystem bei. • Den Kern der vorliegenden Arbeit bildet die Supply Chain Performance ManagementKonzeption (SCPM-Konzeption), die in ihrer Funktion als theoretischer Bezugsrahmen alle bislang als relevant identifizierten Erkenntnisse zum Supply Chain Performance Management aufiiimmt und in funktionaler Beziehung zueinander stellt. Zudem ist sie angesichts des anwendungsorientierten ForschungsverstSndnisses der Arbeit inhaltlich, prozessual und methodisch so auszugestalten, dass Gestaltungsempfehlungen fur Untemehmen abgeleitet und gegebenenfalls einer empirischen Priifung im Anwendungszusammenhang unterzogen werden konnen. • Das zentrale Strukturelement der SCPM-Konzeption bildet ein prozessualer Steuerungsansatz, der die relevanten Aufgaben eines Performance Managements auf den imterschiedlichen Steuemngsebenen der Supply Chain defmiert. Der primare Steuerungskreislauf besteht aus vier Phasen: Im Rahmen der strategiebezogenen und institutionellen Konfiguration der Supply Chain sind primar Selektionsentscheidungen zu treffen. Die Phase der Implementierung von Supply Chain-Strategien umfasst insbesondere Aufgaben der Allokation von Ressourcen und Verantwortlichkeiten sowie der Regulation. In der Phase der Durchfuhrung von Supply Chain-Prozessen sind insbesondere Aufgaben der kurzfristigen, operativen Planung und Kontrolle relevant. Die vierte Phase, das Supply Chain Performance Measurement, nimmt als Querschnittsfunktion zu den anderen Phasen die RoUe eines
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primus inter pares ein. Sie bildet einen sekundaren Steuerungskreislauf, der die Entwicklung, Implementierung und den Betrieb eines kennzahlengestutzten Messsystems beinhaltet. Zudem stellt sie ausgewShlte Instrumente bereit, die nach einer Anpassung an Supply Chain-spezifische Anfordemngen zur Unterstutzung der ubrigen Steuerungsphasen herangezogen werden konnen. Als ausgewShlte Instrumente, die in der vorgelegten SCPMKonzeption verankert werden, sind unter anderem das die Supply Chain Balanced Scorecard, das Netzwerkleitbild, die Target Map sowie das dreistufige Vorgehensmodell zur sachbezogenen Implementierung von SCPM-MessgroBen hervorzuheben. • Die theoriegeleiteten Erkenntnisse werden durch eine qualitative, explorative empirische Untersuchung erganzt. Diese umfasst eine Fallstudienanalyse zweier dreistufiger Supply Chains aus der Automobil- und der Konsumguterbranche sowie eine vergleichende Feldstudie in diesen beiden Branchen. Fallstudie wie Feldstudie sind in ein integriertes Forschungsdesign eingebettet, welches sich am literaturgesttitzt erarbeiteten Wissensstand sowie an der entwickelten SCPM-Konzeption orientiert. • Die
Ergebnisse
der Fallstudienuntersuchung
lassen darauf schlieBen, dass die
literaturgestiitzt erarbeiteten Aussagen zur ablauforientierten Gestaltung des Supply Chain Performance Managements fur die untersuchten Untemehmen praktikabel sind. Im Rahmen von mehreren Workshops wurden ausgewahlte Elemente der SCPM-Konzeption (Supply Chain-Visualisierung, Strategieanbindung, Top-Down-Bottom-Up-Messgr66enableitung sowie erste Schritte einer sachbezogenen Implementierung) umgesetzt. Die Konzeption erweist sich zur Strukturierung und methodisch-instrumentellen Unterstiitzung dieser Aufgaben als praktikabel. • Auch die Resultate der Feldstudienimtersuchung sprechen dafur, dass die Bedeutung einer untemehmensubergreifenden Steuerung von Supply Chain-Prozessen in den Branchen Automobil sowie Konsumgiiter erkannt wird. Die Ergebnisse von 14 Experteninterviews zeigen unter anderem, dass im Bereich der kennzahlengestutzten Messung bereits eine Reihe von praktikablen Ansatzen existiert. Der Vergleich zwischen dem theoriegeleiteten SCPM-Steuenmgskreislauf und dem Status quo zeigt jedoch auch, dass hinsichtlich der Ausdehnung der Performance Measurement-Ansatze auf einen integrierten Performance Management-Prozess erheblicher Handlimgsbedarf besteht. • Aus einer konsolidierten Betrachtung von Fallstudie und Feldstudie lassen sich eine Reihe von Handlungsempfehlungen fur die Untemehmenspraxis ableiten. Zu diesen zahlen unter anderem die Ausweitung der Prozesskostenrechnung, der Ausbau der untemehmensubergreifenden Teamarbeit, die Ausweitung der kooperativen Entwicklung von MessgroBen, die Forderung einer Performancemessung bei Vorlieferanten oder die direkte Ubermittlung von Bedarfsprognosen des fokalen Untemehmens an Vorlieferanten. Insgesamt sprechen die Ergebnisse sprechen dafur, dass die Bedeutung einer untemehmensubergreifenden Steuerung von Logistikprozessen in der Praxis weitgehend erkannt wird. Der Erfolg zukiinftiger logistischer Steuerungsansatze hangt davon ab, wie gut diese die Beziehung zwi-
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schen der Logistik und der Gesamtperformance eines Untemehmens darstellbar und steuerbar machen konnen. Ausblick auf zukiinftige Forschungsfelder Das Supply Chain Performance Management stellt ein vergleichsweise junges Forschungsfeld dar, welches noch breiten Raum fur zukiinftige Forschungsvorhaben bietet. Aus der vorliegenden Arbeit ergeben sich theoretische Ankniipfungspunkte in den Themenbereichen Supply Chain Management und Performance Management. Zudem besteht aus praxisorientierter Sicht ein Bedarf an weiterfiihrenden Untersuchungen. • Aus Sicht des Supply Chain Managements ist zunachst zu konstatieren, dass die Theoriebildung dieses untemehmensubergreifenden Konzepts - insbesondere im Hinblick auf den ihm innewohnenden Steuerungsanspruch - noch nicht abgeschlossen ist. Die Unterscheidung dreier Betrachtungsebenen des Supply Chain Managements (Einzelakteurs-, Beziehungs- und Netzwerkebene) stellt etwa nur eine von mehreren denkbaren Moglichkeiten zur Systematisierung unterschiedlicher Steuerungsanforderungen dar. Im Zuge zukiinftiger Forschungsarbeiten erscheint daher eine weiterfuhrende Differenzierung, beispielsweise nach unterschiedlichen Supply Chain-Typen, sinnvoll. Dariiber hinaus bietet sich die Ubertragung der generischen Steuerungsaufgaben des Performance Managements auf bestimmte Teilgebiete des SCM-Konzepts (z.B. Vendor Managed Inventory oder Efficient Consumer Response) an, um eine weitere Fokussierung der Steuerungsaufgaben zu erreichen. • Die entwickelte SCPM-Konzeption bietet eine Reihe von Anhaltspunkten fur den Einsatz einer performanceorientierten Steuerung im Supply Chain Management-Konzept. Da sie auf einem allgemeinen prozessualen Managementansatz beruht, liefert sie daruber hinaus auch Impulse, die iiber den Anwendungsbereich des Supply Chain Managements hinausgehen. Fiir zukiinftige Forschungsvorhaben, die auf die Entwicklung allgemeiner unternehmensiibergreifender Managementkonzepte abzielen (z.B. im Bereich des Kooperationsoder Netzwerkmanagements), konnten sich beispielsweise die generischen Aufgaben des primaren und sekundaren Steuerungskreislaufs oder das Konstrukt der Performance als mehrdimensionale, untemehmensiibergreifende Zielkategorie als niitzlich erweisen. Auch eine Reintegration des Supply Chain Performance Managements in das traditionelle Disziplinengeriist der Betriebswirtschaftslehre erscheint aufschlussreich. So ist z.B. zu hinterfragen, welche Riickschliisse sich aus den Erkenntnissen der vorliegenden Arbeit fiir die betriebswirtschaftliche Logistikkonzeption oder fiir die wertorientierte Untemehmensfiihrung ergeben. • Bezuglich der Weiterentwicklung des MessgroBenportfolios des Supply Chain Performance Managements sind vomehmlich prozessorientierte MessgroBen ins Auge zu fassen, welche sich entlang der Supply Chain zu untemehmensiibergreifenden Kennzahlen verkniipfen lassen. Neben einer rechnerisch-mathematischen Verkniipfiing sind dabei besonders die Kausalbeziehungen zwischen MessgroBen auf unterschiedlichen Wertschopfimgs-
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stufen naher zu untersuchen. Ein aktuelles Forschimgsfeld aus dem Konsumgiiterbereich besteht beispielsweise in der ganzheitlichen Steuening der Logistikperformance durch die horizontale Verknupfung prozessorientierter MessgroBen zwischen Herstelleruntemehmen, Zentrallager des Handels und Point of Sale. • Die IT-gestutzte Umsetzung des Supply Chain Performance Managements stellt ein bedeutsames zukiinftiges Forschungsfeld dar. Impulse sind hier insbesondere aus dem Gebiet der Wiitschaftsinformatik zu erwarten. Aus Sicht der vorliegenden Arbeit liegt die primare Herausforderung darin, die M5glichkeit der Selbststeuerung in Supply Chains mit der zentral-hierarchischen Planungslogik bestehender APS-Systeme zu vereinbaren. • Uber die erlSuterte sachbezogene Implementierung hinaus besteht erheblicher Forschungsbedarf beziiglich der verhaltensbezogenen Implementierung des Supply Chain Performance Managements. Zukiinftige Untersuchungen zu Anreizsystemen etwa mtissen sich der Frage widmen, wie sich eine personenbezogene Anreizgestaltung mit den komplexen Ursache-Wirkungsketten in einem untemehmenstibergreifenden Messsystem und den damit verbundenen Opportunismusspieh^umen vereinbaren iMsst. Hinsichtlich der institutionellen Verankerung des Supply Chain Performance Managements ist weitere Forschimg, etwa zum Eignungsprofil potenzieller TrSger des Performance Managements, notwendig. • Im Bereich der explorativen empirischen Forschung erscheint die Durchfuhrung weiterer Fallstudienanalysen sinnvoll. Insbesondere gilt es dabei, den Einsatz des Supply Chain Performance Managements unter unterschiedlichen Anforderungsprofilen und Einsatzbedingungen zu untersuchen. Da sich die eigene Erhebung hauptsachlich auf GroBuntemehmen erstreckt, erscheint zunSchst die Untersuchung des Status quo bzw. der Entwicklungsperspektiven
des
Performance
Managements
in
kleinen
imd
mittelstandischen
Untemehmen vielversprechend. Interessant wSre zudem eine Uberpriifung der Anwendungsmoglichkeiten des Supply Chain Performance Managements in Supply Chains auBerhalb der hier fokussierten Konsumguter- und Automobilbranche. Ein weitgehend offenes Forschungsfeld stellen beispielsweise intermodale Prozessketten dar. Eine unternehmensubergreifende Performancemessung in diesem Dienstleistungsbereich steht unter anderem auf Grund der Heterogenitat der beteiligten Akteure sowie der Inmiaterialitat der erstellten Leistungen vor groBen Herausforderungen. • Eine groBzahlige, kausalanalytische empirische Untersuchung eignet sich insbesondere zur Uberpriifung des Umsetzungsstandes des Supply Chain Performance Managements. Dabei gilt es, Beweise fur die - monetSren wie nicht-monetSren - Nutzeneffekte eines untemehmensubergreifenden Performance Managements vorzulegen sowie Chancen und Risiken systematisch zu analysieren. Eine quantitative Untersuchimg ist allerdings erst zu einem Zeitpunkt anzuraten, an dem eine groBere Anzahl von Implementierungserfahrungen vorliegt bzw. das Themenfeld aus Sicht der Praxis ein scharferes Profil aufweist.
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