Wertorientiertes Management
Nikolaus Schweickart Armin Töpfer Herausgeber
Wertorientiertes Management Werterhaltung – Wertsteuerung – Wertsteigerung ganzheitlich gestalten
Mit 202 Abbildungen und 12 Tabellen
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Dr. h. c. mult. Nikolaus Schweickart Vorstandsvorsitzender der ALTANA AG Herbert-Quandt-Haus Am Pilgerrain 15 31352 Bad Homburg v. d. Höhe E-mail:
[email protected] Professor Dr. Armin Töpfer Technische Universität Dresden Fakultät Wirtschaftswissenschaften Lehrstuhl für Marktorientierte Unternehmensführung Helmholtzstraße 10 01062 Dresden E-mail:
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ISBN-10 3-540-25868-X Springer Berlin Heidelberg New York ISBN-13 978-3-540-25868-1 Springer Berlin Heidelberg New York Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandgestaltung: Design & Production, Heidelberg Herstellung: Helmut Petri Druck: Strauss Offsetdruck SPIN 11425755
Gedruckt auf säurefreiem Papier – 42/3153 – 5 4 3 2 1 0
Geleitwort Der Shareholder Value-Gedanke ist in letzter Zeit in Misskredit geraten. Dabei ist die Verzinsung nicht nur des Fremdkapitals eines Unternehmens, sondern auch des eingesetzten Eigenkapitals unter Risikogesichtspunkten ein langjähriges Prinzip betriebswirtschaftlichen Handelns. Wie konnte es dazu kommen, dass das berechtigte Interesse eines jeden Aktionärs in der öffentlichen Wahrnehmung in eine Schieflage geraten ist? Mehrere Entwicklungen haben dazu beigetragen: So hat der Zusammenbruch der börsengetriebenen New-Economy-Illusionen manche Kleinaktionäre um ihre Ersparnisse gebracht. Darüber hinaus sorgten Meldungen über Bilanzfälschungen und hohe Managergehälter in der Öffentlichkeit für Misstrauen gegenüber Aktiengesellschaften und dem Kapitalismus insgesamt. Auch die politisch eingeleitete Debatte über so genannte „Heuschrecken-Unternehmen“ hat die öffentliche Stimmung angeheizt. Private-Equity-Gesellschaften und Hedge-Fonds als Investoren wurde dabei ausschließlich kurzfristiges Profitdenken unterstellt. Sicher, es gibt Fälle, in denen es zu Auswüchsen und Verwerfungen kommt. Das widerlegt aber nicht, dass sich jedes Unternehmen an der Wertsteigerung orientieren sollte. Genau hier setzt das vorliegende Buch zum wertorientierten Management an. Es behandelt die Thematik umfassend, also nicht nur unter dem Blickwinkel der Wertsteuerung, sondern vor allem mit dem Ziel der Werterhaltung und längerfristigen Wertsteigerung. Dabei werden alle wichtigen Stakeholder eines Unternehmens einbezogen, also insbesondere auch die Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten. Wertorientiertes Management schafft die Basis, die Wettbewerbsposition eines Unternehmens zu stärken und die Leistungsträger über Anreizsysteme am Mehrwert zu beteiligen. In dieser Form wird es zu einer wichtigen Handlungsmaxime in der Unternehmenspraxis. Denn hierdurch lässt sich zugleich die Eigenkapitalbasis deutscher Unternehmen stärken, die einem internationalen Vergleich zurzeit nicht standhalten kann. Außerdem können so Innovationen finanziert werden, die gerade für den deutschen Mittelstand als Exportmotor der deutschen Wirtschaft von zunehmender Bedeutung sind. Und eines ist klar: Nur durch erfolgreiche Innovationen kann Deutschland sein hohes Niveau an Wohlstand, Löhnen und sozialer Sicherung halten. Davon profitieren wiederum ganz besonders die Arbeitnehmer. In dem Sammelband von Schweickart und Töpfer werden in über 20 Beiträgen aus der Wissenschaft und der Unternehmenspraxis die Grundlinien des wertorientierten Managements aufgezeigt und vor allem auch konkrete Erfahrungsberichte von führenden deutschen Unternehmen gegeben. Ich wünsche mir, dass diese Inhalte eine weite Verbreitung finden und neue Ideen liefern für die zukünftige Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre sowie das Denken und Handeln von Managern. Jürgen R. Thumann Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie
Berlin, im August 2005
Vorwort Wertorientiertes Management ist nicht neu, aber gegenwärtig mit einem speziellen Blickwinkel in die Diskussion gekommen. Kapitalismuskritik und HeuschreckenUnternehmen, die Kapital mit dem Ziel einer hohen Rendite in anderen Ländern anlegen und dies oftmals nur kurzfristig und zu Lasten des Unternehmens, beherrschen die öffentliche Meinung. Wie ist dies zu werten? Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass es derartige Probleme in der Praxis vereinzelt gibt. Diese einseitige Sichtweise erschwert allerdings eine sachliche und objektive Diskussion des wertorientierten Managements. Dabei ist unbestritten, dass Wertorientierung im Management schon immer und nicht erst in Zeiten der Globalisierung das Ziel betriebswirtschaftlichen Handelns war und auch weiterhin Gültigkeit besitzen wird. Im Detail geht es darum, nicht nur die Verzinsung des Fremdkapitals, sondern auch des Eigenkapitals sicherzustellen und beim Eigenkapital eine Risikoprämie für die getätigte Investition zu erhalten. Hierbei ist jedoch die Balance zu halten zwischen den Interessen der Eigenkapitalgeber, also Shareholder, und den Interessen aller anderen Stakeholder. Dazu gehören insbesondere die Mitarbeiter, Führungskräfte, Gläubiger, Kunden und Lieferanten. Welche Bereiche sind für eine Wertorientierung im Unternehmen wichtig? Wertorientiertes Management hat alle die Faktoren frühzeitig mit einzubeziehen, die Wertorientierung im Unternehmen ermöglichen und Wert zu Stande bringen: Dies sind die Bereiche Lernen und Qualifizierung, Innovation und Technologie, Prozesse und Wertschöpfung sowie Kunden und Markterfolg. Sie schaffen erst im Wirkungsverbund die angestrebten finanziellen Ergebnisse. Auf diese Weise ist wertorientiertes Management nicht nur kurzfristig, sondern auch längerfristig ausgerichtet und wird damit zum wichtigsten Zukunftsfaktor eines Unternehmens. Reicht es aus, nur auf betriebswirtschaftlicher Ebene zu steuern und zu gestalten? Um Wertsteigerung auf Unternehmensebene zu erreichen, sind vor allem auch gesamtwirtschaftliche Voraussetzungen zu schaffen. Diese Rahmenbedingungen beziehen sich insbesondere auf die Sozial- und Bildungspolitik, die Wirtschaftspolitik sowie die Finanz- und Steuerpolitik. Wertorientierung darf sich also nicht nur auf der Unternehmensebene vollziehen, sondern sie muss ebenfalls die Maxime für volkwirtschaftliches Handeln sein. Damit die Wettbewerbsposition von Unternehmen und ihrer Volkswirtschaft gestärkt wird, sind Maßnahmen des wertorientierten Managements in Einklang und Abstimmung auf einzel- und gesamtwirtschaftlicher Ebene zu realisieren. Dies gilt insbesondere auch für die deutsche Wirtschaft. Diese betriebs- und volkswirtschaftlichen Wirkungsbeziehungen werden im Dresdner Modell des Wertorientierten Management DISCOVER (Dresden Integrated Score Card Of Value Excellence Relations) exemplarisch dargestellt. Es bildet den Schwerpunkt der entsprechenden Profillinie der Fakultät Wirtschaftswissenschaften an der TU Dresden. Was leistet dieses neue Buch? Das vorliegende Buch folgt der ganzheitlichen Sichtweise und liefert hierzu ein breites Spektrum von Beiträgen. Die Autoren aus
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Vorwort
Wirtschaft, Politik und Wissenschaft zeigen bei den einzelnen Themenbereichen aus einzel- und gesamtwirtschaftlicher Sicht die inhaltlichen Anforderungen sowie die Realisierungsmöglichkeiten und -erfolge der Konzepte des wertorientierten Managements auf. Unser besonderer Dank gilt an erster Stelle allen Autoren, die mit ihren gehaltvollen Beiträgen und unterschiedlichen Sichtweisen das breite inhaltliche Spektrum dieses Buches bewirkt haben. Es wird erreicht durch Grundsatzartikel, konzeptionelle Beiträge und konkrete Praxisbeispiele. Beim Zustandekommen dieses Buches haben uns über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren die Mitarbeiter des Lehrstuhls für Marktorientierte Unternehmensführung an der Technischen Universität Dresden unterstützt. Christian Duchmann hat alle Artikel der Autoren redigiert. Ramona Ullrich, Swen Günther und Steffen Silbermann haben bei einzelnen Artikeln intensiv zugearbeitet. Annette Etzold hat alle Abbildungen und das Layout des Buches angefertigt sowie die gesamte Projektsteuerung durchgeführt. Ihnen allen sei an dieser Stelle für ihre wertvolle Unterstützung sehr herzlich gedankt. Wir wollen mit diesem Werk die vorhandene Literatur zum wertorientierten Management ergänzen und bereichern sowie zugleich allen den Unternehmen, die eine konsequente Wertorientierung bisher nicht verfolgen, bewährtes Erfahrungswissen liefern und Impulse für eine stärkere Orientierung ihres Unternehmens in diese Richtung geben. Nikolaus Schweickart/ Armin Töpfer
Bad Homburg/ Dresden, im August 2005
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort........................................................................................................... V Vorwort ..............................................................................................................VII Teil 1 Ganzheitliche Konzeption des wertorientierten Managements Das Dresdner Modell des Wertorientierten Managements: Konzeption, Ziele und integrierte Sicht................................................................ 3 Armin Töpfer, Christian Duchmann Ursachen-Wirkungs-Beziehungen im Dresdner Modell des Wertorientierten Managements: Zielkomplementaritäten und Zielkonkurrenzen zwischen gesamtwirtschaftlicher und betrieblicher Wertsteigerung ....................................65 Armin Töpfer, Marcel Thum, Wolfgang Uhr Teil 2 Gesamtwirtschaftliche Anforderungen und Inhalte Was macht eine Volkswirtschaft wertvoll? Standortdiskussion unter wertorientierter Betrachtung ........................................87 Michael Hüther Neuorientierung des Steuersystems als Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Werterhaltung.................................................................................................... 107 Friedrich Merz Neuorientierung der Sozialen Systeme als Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Werterhaltung.................................................................................................... 125 Kurt H. Biedenkopf Innovation als Grundlage des Wachstums von Wirtschaft, Beschäftigung und Wohlstand.......................................................................................................... 139 Roland Berger Risikomanagement als Werttreiber: Volks- und betriebswirtschaftliche Perspektive ................................................ 157 Ulrich Blum, Werner Gleißner
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Inhaltsverzeichnis
Teil 3 Betriebswirtschaftliche Anforderungen und Inhalte A. Steuerung Wertorientierte Steuerung bei der DaimlerChrysler AG ................................... 181 Herbert Kauffmann, Gero Götzenberger Wertorientierte Unternehmensführung in der METRO Group .......................... 205 Hans-Joachim Körber Wertorientiertes Management für den Mittelstand ............................................ 215 Martin Schomaker, Thomas Günther B. Mitarbeiter Effizienzsteigerung durch flexible Beschäftigungsmuster................................. 241 Birgit Benkhoff Erneuerung aus der Mitte der Hierarchie: Beiträge mittlerer Manager zum organisatorischen Wandel.............................. 263 Frank Schirmer C. Prozesse Der Beitrag der Logistik zur wertorientierten Unternehmensführung ............... 279 Rainer Lasch, Arne Lemke, Tobias Schindler Sourcingentscheidungen entlang der Wertschöpfungsprozesse der Deutschen Bank................................................................................................................... 301 Hermann-Josef Lamberti Wertsteigerung durch methodenbasierte Modellierung ..................................... 317 Robert Braun, Werner Esswein Wertsteigerung durch Umweltleistung: Betriebliche Umweltökonomie – Quo vadis? .................................................... 339 Edeltraud Günther, Holger Hoppe, Susann Kaulich, Lilly Scheibe Werterhaltung und -steigerung durch Risiko- und Krisenmanagement............. 377 Armin Töpfer
Inhaltsverzeichnis
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D. Kunden Wertsteigerung durch Business Excellence und praktizierte Null-Fehler-Qualität ................................................................ 411 Armin Töpfer Kundenwert: Hintergrund, Konzeptualisierung und Messmethoden................. 449 Katja Gelbrich, Stefan Müller Wertsteigerung durch erfolgreiches Markenmanagement in der BMW Group. 489 Michael Ganal Wertsteigerung durch Multibrand-Management bei DaimlerChrysler.............. 509 Rüdiger Grube E. Finanzergebnisse zur Anreizgestaltung Wertorientierte Anreizgestaltung: Ihre Umsetzung in der Praxis...................... 535 Hermann Locarek-Junge, Kathrin Imberger Wertorientierte Management-Incentivesysteme auf Basis interner Wertkennzahlen und Bonusbanken ...................................... 561 Frank J. Plaschke Wertsteigerung durch strategisches Kommunikationsmanagement: Die Investor-Relations-Arbeit der ALTANA AG ............................................. 585 Thomas Gauly Teil 4 Ganzheitliche Anwendungen in Unternehmen Wertsteigerung durch das Konzernprogramm best bei ThyssenKrupp ............. 597 Olaf Berlien, Stefan Kirsten, Jochen Oelert, Robert Schutt Wertorientierte Unternehmensführung bei der SAP.......................................... 609 Werner Brandt, Peter Zencke Wertorientiertes Management bei der Stinnes AG ............................................ 637 Bernd Malmström Wertsteigerung durch Neuausrichtung der Heidelberger Druckmaschinen AG 649 Herbert Meyer
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Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis...................................................................................... 659 Autorenverzeichnis ............................................................................................ 661 Stichwortverzeichnis.......................................................................................... 669
Das Dresdner Modell des Wertorientierten Managements: Konzeption, Ziele und integrierte Sicht Armin Töpfer, Christian Duchmann Inhalt 1 1.1 1.2 1.3 2 2.1 2.2 2.3 2.4 3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.2 3.3 4 5
Wertorientierung als zentrales Ziel der Wirtschaftswissenschaften und der Unternehmenspraxis ............................................................................................... 3 Die Differenzierung des Mehrwerts........................................................................ 3 Verhandlungsmacht für den Mehrwert ................................................................... 8 Exkurs: Die Kapitalismus-Debatte..........................................................................11 Wertsteuerung zur Werterhaltung und -steigerung .................................................15 Die Herleitung des Shareholder Value....................................................................16 Externes Rechnungswesen: Kein Abbild des Unternehmenswertes .......................27 Wertorientierte Kennzahlen....................................................................................28 Unterschied zwischen Börsenwert und Unternehmenswert ....................................34 Die integrierte Sicht des wertorientierten Managements im Dresdner Modell .......40 Ursachen-Wirkungs-Beziehungen zwischen den Gestaltungs- und Steuerungsfeldern.................................................................40 Schaffen Wertgeneratoren Mehrwert? ....................................................................40 Werttreiber schaffen Mehrwert...............................................................................42 Betriebswirtschaftliche Werttreiber ........................................................................48 Volkswirtschaftliche Werttreiber............................................................................50 Ziel und Konzeption des Buches: Überblick und Einordnung der Beiträge............51 Literatur ..................................................................................................................60
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Wertorientierung als zentrales Ziel der Wirtschaftswissenschaften und der Unternehmenspraxis
1.1
Die Differenzierung des Mehrwerts
Die Frage, welche Werte ein Unternehmen anstrebt, welchen Wert es hat und welche Ziele mit ihm verfolgt werden sollen, ist für Anteilseigner (Shareholder) sowie für sämtliche Gruppen, die am Unternehmenswirken Interesse haben (Stakeholder) von zentraler Bedeutung. Deswegen wird die Diskussion, welche Unternehmensziele die Wirtschaftswissenschaft vorgeben und die Unternehmenspraxis zugrunde legen soll, seit langem geführt. Nach der kritisch-rationalen Konzeption von Wissenschaft können Werturteile, nämlich welche Ziele soziale Akteure, Share- und Stakeholder, priorisieren sollten, nur als Gegenstand von Zweck-Mit-
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Armin Töpfer, Christian Duchmann
tel-Relationen einer wissenschaftlichen Analyse unterzogen werden.1 Anfang der 70er-Jahre wurde intensiv innerhalb der deutschen Betriebswirtschaftslehre debattiert2, ob das Fach als „praktisch-normative“ Disziplin konzipiert werden soll. Dies bedeutete, dass die Betriebswirtschaftslehre die Ziele in gegenwärtig existierenden Unternehmen als Ausgangsposition akzeptiert und nur Aussagen darüber zugelassen werden, welche Mittel geeignet sind, diese vorgegebenen Ziele zu erreichen. Nach einer solchen Konzeption können also nur Aussagen darüber getroffen werden, ob mit bestimmten Mitteln die vorgegebenen Ziele erreicht werden (Effektivität) und inwiefern diese Ziele mit dem geringsten Mitteleinsatz erreicht werden (Output-Input-Relation = Effizienz)3. An dieser praktisch-normativen Konzeption der Betriebswirtschaftslehre wurde von Schanz zu Recht die Kritik vorgebracht, dass dadurch mögliche Alternativen zu den Zielen unterschlagen werden.4 Insofern ist es auch für die Wirtschaftswissenschaften unabdingbar und für die Unternehmenspraxis empfehlenswert, die Analyse- und Kritikfunktion von Wissenschaft anzunehmen und alternative Zielkonzeptionen/-systeme zu untersuchen. Neuere wissenschaftstheoretische Konzeptionen der Betriebswirtschaftslehre unterstützen diese Auffassung.5 In der volkswirtschaftlichen Finanzwissenschaft findet sich eine vergleichbare Diskussion im Hinblick auf die Unterscheidung von „positiver“ und „normativer“ Ökonomik.6 Die Diskussion, welche Ziele Unternehmen verfolgen sollen, kann außer in der Wissenschaft auch in den Unternehmen selbst geführt werden. Unternehmen, die ihre gegebenen Zielsysteme einer solchen Kritik unterziehen, vollziehen nach Argyris/ Schön ein Double-Loop-Lernen, also ein Lernen, das die Ziele („Handlungstheorie“) hinterfragt und verändert. Wenn Ziele verändert werden, kommt demnach auch ein neuer Inhalt zur Bestimmung der Effektivität zustande. Im Gegensatz hierzu steht das Single-Loop-Lernen. Denn bei diesem Lernen werden im Fall von Zielverfehlungen nur neue Mittel entworfen, an den Zielen wird aber festgehalten.7 Für die wissenschaftstheoretische Einordnung der Wertorientierung innerhalb der Wirtschaftswissenschaft ist vor allem relevant, ob es als neues Paradigma gelten kann. Ein Paradigma ist ein Erkenntnismuster, das – im Falle der Wirtschaftswissenschaft – neue aussagefähige Erklärungen wirtschaftlicher Phänomene und Entwicklungen zulässt.8 Die Frage ist demnach, ob die Wertorientierung ein neues Paradigma in diesem Sinne darstellt. Vom Ansatz und der grundsätzlichen Ausrichtung her, Wert im Unternehmen und in einer Volkswirtschaft zu 1 2 3 4 5 6 7 8
Vgl. z.B. Prim/ Tilmann 2000, S. 103-148. Vgl. im Folgenden Raffée 1974, S. 64-78. Vgl. zu den Begriffen bspw. Töpfer 2005, S. 73-77, und Scholz 1992. Vgl. Schanz 1990, S. 125-140. Vgl. Nienhüser 1989, S. 155-192. Vgl. Stiglitz/ Schönfelder 1989, S. 15-18. Vgl. Schreyögg/ Eberl 1998, S. 517. Vgl. zum wissenschaftstheoretischen Paradigma-Begriff Gethmann 1995. Für eine Anwendung auf die Betriebswirtschaftslehre vgl. Töpfer 1994, S. 230-234.
Das Dresdner Modell des Wertorientierten Managements
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schaffen und zu erhalten, ist dies kein neues Erkenntniskonzept; wohl aber in seiner heutigen inhaltlichen Tiefe und Durchdringung. Das heißt mit anderen Worten, dass die Konzepte methodisch-instrumentell verbessert und verfeinert werden und dass sie in steigendem Maße der Unternehmenssteuerung zugrunde gelegt werden. Bezogen auf die Zieldiskussion besteht die Schwierigkeit in Unternehmen vor allem darin, dass vielfältige Zielkonflikte auftreten. Personen oder Gruppen, die Unternehmen beeinflussen oder potenziell von ihnen betroffen sein können, also die Stakeholder, verfolgen eigene Ziele und stellen deswegen Ansprüche an ein Unternehmen, die mitunter mit denen anderer Personengruppen, z.B. maßgeblichen Investoren, in Konflikt geraten können.9 Einige Stakeholder sind jedoch für Unternehmen von vorrangiger Bedeutung (primary stakeholders), weil sie wettbewerbsentscheidende Ressourcen bereitstellen10, z.B. der Staat öffentliche Güter, Führungskräfte und Mitarbeiter Wissen als Expertise, Lieferanten Vorprodukte und Fremdkapitalgeber Kredite. Anteilseigner (Shareholder) bringen Eigenkapital ein und erhalten dadurch Anteile am Unternehmen, und zwar direkt als Eigenkapitalanteile oder indirekt über Aktien an der Börse. Neben diesen zentralen Stakeholdern existieren weitere, z.B. Verbände, Gewerkschaften und auch Wettbewerber. Da ein Unternehmen diese Ressourcen bündelt, also einen „Ressourcenpool“ darstellt11, besteht die grundlegende, für das Überleben des Unternehmens entscheidende Zielsetzung darin, mit diesen gebündelten Ressourcen einen Mehrwert (economic rent) zu schaffen. Dies läuft darauf hinaus, von Kunden für das mit diesen Ressourcen erstellte Produkt höhere Zahlungen zu erhalten als diejenigen, die für den Ressourcenerwerb angefallen sind.12 Dieses Strommodell ist in vereinfachter Form in Abb. 1 dargestellt. Um den Fortbestand des Unternehmens zu sichern, müssen über die Zeit die Zahlungen der Kunden in Höhe der Preise höher ausfallen als die Zahlungen des Unternehmens an seine Ressourcenlieferanten. Nur dann bewirkt das Unternehmen einen Mehrwert in Höhe der Wertschöpfung. Der gesamte erwirtschaftete Überschuss nach Zahlungen an alle Stakeholder außer den Anteilseignern ist der Mehrwert. Er kann als Brutto-Größe aufgefasst werden, weil von ihm die Zahlungen an die Eigenkapitalgeber (Anteilseigner) in Höhe der geforderten Verzinsung ihres Eigenkapitals noch nicht abgezogen sind. Der gesamte Mehrwert ist demnach der Mehrwert, der auch als „Residualerfolg“ bezeichnet wird und an dem die Anteilseigner eines Unternehmens partizipieren.13 Da Eigenkapitalgeber ihr Kapital nur dann einem Unternehmen überlassen, wenn sie im Gegenzug vom Unternehmen eine Verzinsung ihres Eigenkapitals in einer Höhe erhalten, die mindestens derjenigen von Konkurrenzangeboten gleich9
Vgl. Mitchell/ Agle/ Wood 1997. Vgl. Hillman/ Keim 2001. 11 Vgl. zum Begriff Kieser/ Kubicek 1992, S. 1. 12 Vgl. im folgenden Barney 1997, S. 31-33. Eine ausführliche Diskussion darüber, was „Mehrwert” aus Sicht des Staates darstellt, findet sich in Rosen 2002, S. 220-249. 13 Vgl. Ordelheide 1998, S. 488f. 10
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Armin Töpfer, Christian Duchmann
kommt, müssen die Zahlungen des Unternehmens an die Eigenkapitalgeber als Untergrenze mindestens diese Höhe erreichen. Wenn vom gesamten Mehrwert als Brutto-Größe diese Zahlungen in Höhe der Mindestverzinsung abgezogen werden, dann resultiert hieraus eine sogenannte Überverzinsung, ein Netto-Mehrwert, der durch die Wertschöpfung geschaffen wurde. Stakeholder
• Führungskräfte • Mitarbeiter • Lieferanten • Fremdkapitalgeber • Staat • Eigenkapitalgeber/Anteilseigner (Shareholder)
Unternehmen als Ressourcenpool Ressourcen
Produktion
Produkt • Kunden
Auszahlungen Auszahlungen
= Mindestverzinsung
Mehrwert
= Überverzinsung
Einzahlungen
Abb. 1: Zwei Bestandteile des Mehrwerts durch Unternehmen
Die entscheidende Frage ist jetzt, wem diese Überverzinsung, der Netto-Mehrwert, zusteht. Ermöglicht wurde dieser zum einen, weil Eigenkapitalgeber ihr Vermögen angelegt haben. Nach der reinen Lehre des „Shareholder Value“ sollte diese Überverzinsung im Interesse einer Maximierung der Eigenkapitalverzinsung deshalb einzig den Shareholdern zustehen.14 Aber diese Überverzinsung ist zum anderen auch dadurch geschaffen wurden, dass alle anderen Stakeholder, insbesondere Führungskräfte und Mitarbeiter, ihn mit ihrer Leistung zustande gebracht haben. Wie unsere Diskussion zeigen wird, können nicht nur die Shareholder im Sinne des Shareholder Value Ansprüche an dieser Überverzinsung geltend machen. Unternehmen, die Mehrwert schaffen, werden folgerichtig mit einer zentralen Frage konfrontiert (vgl. im Folgenden Abb. 2): An welche Stakeholder wird derjenige Mehrwert verteilt, der mit den von vielen Stakeholdern bereitgestellten Ressourcen geschaffen wird? Da Shareholder zu den Stakeholdern gehören, kann es theoretisch das Unternehmensziel sein, vorrangig den erwirtschafteten Mehr14
Vgl. für diese Ansicht z.B. Rappaport 1995, S. 1. Oder Coenenberg/ Salfeld 2003, S. 17. Diese Logik wird in der betrieblichen Finanzwirtschaft nicht hinterfragt. Vgl. zu dieser Einschätzung Sundaram/ Inkpen 2004, S. 350. Hier findet sich gleichfalls eine Aufarbeitung der historischen Entwicklung des „Shareholder Value“-Gedankens, auch innerhalb der Rechtswissenschaft.
Das Dresdner Modell des Wertorientierten Managements
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wert an die Anteilseigner zu verteilen. Dabei wäre es möglich, den gesamten Mehrwert an die Anteilseigner zu verteilen. Dadurch müssten die anderen Stakeholder hinnehmen, dass die Zahlungen an Shareholder maximiert werden. In letzter Konsequenz würde dies bedeuten, dass Auszahlungen an andere Ressourcengeber möglichst gering und Einzahlungen von Kunden möglichst hoch ausfallen sollten, damit die Auszahlungen zu Gunsten von Shareholdern möglichst hoch gehalten werden können. Stakeholder
• Führungskräfte • Mitarbeiter • Lieferanten • Fremdkapitalgeber • Staat • Eigenkapitalgeber/Anteilseigner (Shareholder)
Unternehmen als Ressourcenpool Ressourcen
Produktion
Produkt • Kunden
Auszahlungen = Mehrwert Auszahlungen
Einzahlungen
(Mindest- + Überverzinsung)
Gesamter Mehrwert an Shareholder verteilt?
Mehrwert zu Lasten anderer Stakeholder erhöht?
Abb. 2: Der Anteil der Shareholder am Shareholder Value
Die Ansicht, das Konzept des Shareholder Value drücke gerade diese Mehrwertmaximierung zu Lasten anderer Stakeholder aus und Unternehmen verfahren gegenwärtig nach diesem Konzept, dominiert offensichtlich die gegenwärtige öffentliche Meinung. Das folgende Zitat trifft diesen Sachverhalt: „Der Shareholder Value geriet nicht zuletzt dadurch in Verruf, dass nach der Ankündigung von Stellenstreichungen die Börsenkurse regelmäßig in die Höhe schossen. ... Jeder neue Bilanzskandal bestätigt die Kritiker in der Überzeugung, das Konzept sei nichts anderes gewesen als ein besonders schlaues Bereicherungsinstrument geldgieriger Kapitalisten.“15 Ähnliche Einschätzungen vertreten auch Vertreter der Wissenschaft und Beratungspraxis: „[Der Shareholder Value] wurde nicht falsch verstanden, er ist falsch ... Zu den unvermeidlichen und gefährlichen Folgen der Shareholder-Orientierung gehört auch ... Pro-forma Gewinne auszuweisen, wenn es keine echten mehr gibt; die Bilanzen zu schönen, wo immer es geht und sämtliche Reserven an die Börse auszuschütten“16. 15 16
Dunsch 2004. Malik 2004, S. 30f.
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Armin Töpfer, Christian Duchmann
1.2
Verhandlungsmacht für den Mehrwert
Unabhängig von der Klarstellung, dass das theoretische Konzept des Shareholder Value dies nicht ausdrückt – worauf wir in Kapitel 2 eingehen –, ist festzuhalten, dass es maßgeblich auf Machteinflüsse zurückzuführen ist, welche Stakeholder den Mehrwert erhalten. Coff hat zu der Frage, welche Stakeholder sich Mehrwert aneignen (rent appropriation) die Ergebnisse der Forschung zusammen getragen.17 Danach haben diejenigen Stakeholder Vorteile, die eine hohe Verhandlungsmacht aufweisen. Eine hohe Verhandlungsmacht eines Stakeholders ist wiederum von folgenden Faktoren abhängig: x Der Stakeholder verfügt über wichtige Ressourcen, die das Unternehmen nur schwer oder gar nicht substituieren kann. x Der Stakeholder kann glaubhaft mit einer Abwanderung hin zu einem anderen Unternehmen drohen. x Die Wechselkosten des Stakeholders hin zu einem anderen Unternehmen sind gering. x Der Stakeholder kennt die Höhe des verteilbaren tatsächlichen Mehrwerts. x Der Stakeholder hat Zugang zu Unternehmensentscheidern (insb. Vorstand und Aufsichtsrat). x Die Stakeholder-Gruppe lässt sich mit geringen Koordinationskosten organisieren. Und nicht zuletzt: x Innerhalb der Stakeholder-Gruppe sind die Interessen homogen. Konflikte um die Höhe von Unternehmenszahlungen sind Alltag; drei Beispiele sollen dies illustrieren. Ein regelmäßiger Konflikt besteht zwischen großen Einzelhandelsketten, die ihre Lieferanten zu immer neuen Preiszugeständnissen – in Gestalt von Listungsgebühren o.ä. – „bewegen“. Ein die Baubranche kennzeichnendes Problem besteht zwischen öffentlichen Auftraggebern und Baufirmen. Der Anbieter mit dem geringsten Preis erhält den Auftrag und versucht dann während und nach der Bauleistung, höhere Zahlungen des Auftraggebers auf dem Wege juristischer Maßnahmen herbeizuführen. Erst kürzlich wurde von einem Machtkampf zwischen Automobilherstellern und ihren Zulieferern berichtet. Die Automobilhersteller verlangen Einsparmaßnahmen als Kostensenkungen der Lieferanten und damit Preiszugeständnisse, obwohl deren Rohstoffkosten beträchtlich gestiegen sind. Nach dem Konzept von Coff liegt es nahe, zu überprüfen, ob es an der Verhandlungsmacht der Anteilseigner liegen kann, dass ihre Interessen – zumindest gemessen anhand der öffentlichen Meinung – an Gewicht gewonnen haben. Ohne auf alle Determinanten der Verhandlungsmacht einzugehen, sollen zumindest einige Punkte herausgestellt werden. Da im Zuge der Globalisierung der internationale Wettbewerb stark zugenommen hat, ergibt sich für Unternehmen immer häufiger die Notwenigkeit, selber in-
17
Vgl. Coff 1999.
Das Dresdner Modell des Wertorientierten Managements
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ternational aktiv zu werden.18 Internationale Aktivitäten erfordern jedoch eine hohe Finanzkraft. Unter diesem Gesichtspunkt sind Börsengänge unerlässlich, z.B. das IPO der Postbank. Außerdem ist es für Global Player vordringlich, auf den großen Kapitalmärkten präsent zu sein. Eine zentrale Funktion erfüllt hier die New York Stock Exchange, an der beispielsweise DaimlerChrysler und Bayer gelistet sind. Aufgrund des hohen Finanzierungsbedarfs international aktiver Unternehmen nimmt die Macht institutioneller Investoren, wie Pensions- und Investmentfonds, Banken und Versicherungen, die wichtige Ressourcen in Form von Finanzmitteln zur Verfügung stellen, zu19. Nach den Überlegungen von Coff gilt weiterhin, dass ein Zugang zu Unternehmensentscheidern die Verhandlungsmacht erhöht. Auch deswegen, weil diese Unternehmensentscheider Kenntnis über die Höhe des verteilbaren tatsächlichen Mehrwerts haben. Es ist Aufgabe der Corporate Governance, definiert als Organisation der Leitung und Kontrolle eines Unternehmens,20 diesen Zugang zu regeln. Maßgeblicher Aspekt der Corporate Governance ist hierbei, die Interessenkonflikte zwischen Stakeholdern, vor allem zwischen Anteilseignern und Management, zu minimieren.21 Sofern die Ausgestaltung der Corporate Governance bestimmten Stakeholdern mehr Verhandlungsmacht verleiht, weil es ihnen im Vergleich zu anderen Stakeholdern einen besseren Zugang zu Unternehmensentscheidern erlaubt, ist außerdem zu beachten, dass sich dieses von Land zu Land unterscheidet.22 Vor allem ist folgendes festzuhalten: In Bank-basierten Finanzsystemen, wie Deutschland, ist der Bankeneinfluss groß, da hier ein hohes Gewicht auf Fremdfinanzierung gelegt wird. Hier sind die Rechte von Großaktionären (blockholders), und das sind nicht selten Banken, gegenüber denen von Kleinaktionären stärker ausgeprägt. Umgekehrt ist der Einfluss der Kleinaktionäre mit ihren Rechten in Markt-basierten Systemen, wie den USA, höher, da hier die Finanzierung hauptsächlich über Börsen erfolgt. Weiterhin haben Arbeitnehmer in Deutschland aufgrund der Mitbestimmung einen besseren Zugang zu Unternehmensentscheidern als in den USA. Empirische Untersuchungen dokumentieren allerdings, dass sich das deutsche Finanzsystem dem amerikanischen annähert.23 Damit gewinnt das Börsengeschehen hierzulande an Einfluss. Es existieren also Hinweise darauf, dass die Verhandlungsmacht der Shareholder tatsächlich zugenommen hat. Bevor in Kapital 2 darauf eingegangen wird, dass die Verfolgung des Shareholder Value eben nicht bedeutet, die Zahlungen an einzelne Gruppen von Anteilseignern zu maximieren, sollen zunächst einige Argumente aufgezeigt werden, warum es für Anteilseigner vorteilhaft ist, die Interessen anderer Stakeholder in die Ansprüche, die sie an ein Unternehmen richten, einzubeziehen. Anders ausgedrückt: Selbst wenn die Verhandlungsmacht der
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Vgl. Müller/ Kornmeier 2002, S. 14-44. Vgl. Günther 1997, S. 59-61. 20 Vgl. Witt 2000, S. 159. 21 Vgl. Middelmann 2004, S. 105f. 22 Vgl. im Folgenden Aguilera/ Jackson 2003. 23 Vgl. Denis/ McConnell 2003, S. 26-29. 19
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Armin Töpfer, Christian Duchmann
Shareholder hoch ist, ist es für sie ratsam, die Interessen anderer Stakeholder ausreichend zu berücksichtigen. Zum einen kann folgende Überlegung entwickelt werden24: Je höher die Zahlungen an Anteilseigner ausfallen, desto weniger verbleibt für andere Stakeholder. Je weniger diese Stakeholder erhalten, desto mehr sinkt ihre Bereitschaft, weiterhin dem Unternehmen (hochwertige) Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Je weniger (hochwertige) Ressourcen Stakeholder in das Unternehmen investieren, desto geringer werden die Zahlungen an Anteilseigner in der Zukunft ausfallen. Dies ist beispielsweise die Begründung für eine Erfolgsbeteiligung der Mitarbeiter. Zum anderen ist folgende Ursachen-Wirkungs-Beziehung für Anteilseigner von Bedeutung: Je mehr an Anteilseigner ausgezahlt wird, desto weniger Zahlungsmittel verbleiben für die Selbstfinanzierung des Unternehmens aus dem erwirtschafteten Cash Flow, desto mehr muss ein Unternehmen auf die teuere alternative Finanzierung von Investitionen durch neues Eigen- und Fremdkapital zurückgreifen.25 Fremdkapital ist teuerer als Selbstfinanzierung, weil es ein höheres Unternehmensrisiko bewirkt sowie mit Zahlungen zu vereinbarten Zeitpunkten und in festgelegter Höhe verbunden ist: Je höher der Verschuldunggrad eines Unternehmens ist, desto mehr steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Unternehmen zukünftig die Zins- und Tilgungszahlungen für das Fremdkapital nicht bedienen kann, desto mehr steigt die Insolvenzwahrscheinlichkeit. Ab einem bestimmten Schwellenwert im Verschuldungsgrad verlangen erst Eigenkapitalgeber und dann Fremdkapitalgeber eine Risikoprämie, die sich in höheren Zinszahlungen des Unternehmens ausdrückt. Ab diesen Schwellenwerten erhöhen sich dann die Risikoprämien mit zunehmendem Verschuldungsgrad.26 Dass die Finanzierung durch Eigenkapital, also die Vergrößerung des Stamm- oder Grundkapitals, wiederum noch teuerer ist als die durch Selbstfinanzierung, also die Nichtausschüttung erwirtschafteter Gewinne, wird durch empirische Untersuchungen belegt. Sie zeigen, dass der Aktienkurs sinkt, wenn Aktienemissionen angekündigt werden. Hierfür wird folgende Erklärung angeführt: Anleger unterstellen, ein Unternehmen gibt nur dann neue Aktien aus, wenn es von einer Überbewertung des Unternehmens am Aktienmarkt ausgeht, d.h. wenn der Preis für die Aktien über den zukünftigen (abgezinsten) Zahlungen des Unternehmens an seine Aktionäre liegt. Wenn die neuen Aktien den überbewerteten Preis am Aktienmarkt übernehmen, nimmt das Unternehmen durch den Aktienverkauf folglich mehr ein, als es zukünftig auszahlen wird. Folglich versuchen Anleger, die in ihren Augen überbewertete Aktie zu verkaufen und zeichnen keine neue Aktien zu dem vom Unternehmen anvisierten Preis. Bei Unterbewertung werden getreu dieser Logik keine neuen Aktien ausgegeben, denn in diesem Fall würde das Unternehmen zukünftig mehr auszahlen, als es durch den Verkauf neuer Aktien einnimmt. 24
Vgl. für eine ähnliche Argumentation Rappaport 1995, S. 12f. Vgl. im folgenden Froot/ Scharfstein/ Stein 1994, S. 94, sowie Pritsch/ Hommel 1997, S. 681. 26 Vgl. zum „Leverage-Effekt“ und zur Theorie des „optimalen Verschuldungsgrades“ Töpfer 2005, S. 1036-1043. 25
Das Dresdner Modell des Wertorientierten Managements
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Schon aus diesen Überlegungen heraus wird folgendes ersichtlich: Mehrwert wird dann geschaffen, wenn die Zahlungen an die Stakeholder – inkl. Shareholder – untereinander ausbalanciert werden. Shareholder Value kann demnach vernünftigerweise nicht heißen, ausschließlich den gesamten Mehrwert zu Lasten anderer Stakeholder zu maximieren. Dass dies auch in der Berechnung der Shareholder Value-Kennzahl zum Ausdruck kommt, soll das Kapitel 2 verdeutlichen. Vorab wird jedoch noch einmal auf die gegenwärtige Kapitalismus-Debatte eingegangen. 1.3
Exkurs: Die Kapitalismus-Debatte
Die in Medien genannte „Kapitalismus-Debatte“27 entzündete sich an einer Rede des SPD-Parteivorsitzenden Müntefering am 13.04.2005. Diese Rede war verknüpft mit der Diskussion über das neu zu gestaltende Programm der Partei und erhielt so ein besonderes Gewicht. Markante und von den Medien aufgenommene Passagen waren insbesondere folgende: „Unsere Kritik gilt der international wachsenden Macht des Kapitals und der totalen Ökonomisierung eines kurzatmigen Profit-Handelns. Menschen und die Zukunftsfähigkeit ganzer Unternehmen und Regionen geraten aus dem Blick.“ Sowie: „Diese abstrakte Logik schlägt sich konkret im Handeln von bestimmten Finanzunternehmen nieder: Die international forcierten Profitmaximierungsstrategien gefährden auf Dauer unsere Demokratie.“ Und er fügte an, dass es noch sehr viele Unternehmer gebe, „die sich für ihr Unternehmen, für Ihre Arbeitnehmer und für den Standort mitverantwortlich fühlen und entsprechend handeln“. (FTD, 14.04.05, S. 10) Der SPD-Kanzler Schröder pflichtete Müntefering einige Zeit später bei. Er sprach von „berechtigter Kritik“ (FTD, 26.04.05, S. 9) und von dem Erhalt einer „deutschen Wirtschaftskultur“, die von Unternehmern mit großem Verantwortungsgefühl gestaltet werde. (FTD, 27.04.05, S. 12) Parteiübergreifender Konsens deutete sich an, als selbst der CDU-Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt Böhmer sich in ähnlicher Hinsicht äußerte: „Unsere nationalen Steuerungsmechanismen zur Sozialpflichtigkeit der Marktwirtschaft erreichen nur noch kleine Betriebe, nicht mehr die großen Konzerne.“ (FTD, 04.05.05, S. 12) Besondere Schärfe erhielt die Debatte durch die Heuschrecken-Metapher, die Müntefering im Anschluss an seine Rede benutzte. Er klagte, manche Finanzinvestoren fielen „wie Heuschreckenschwärme über Unternehmen her, grasen sie ab und ziehen weiter“. (FTD, 18.04.05, S. 31) Insbesondere an dieser Äußerung, aber auch an den anderen, zeigt sich die zugrunde liegende Vorstellung: Anteilseigner maximieren generell kurzfristig die Zahlungen an sich selber. Vor allem, indem sie Mitarbeiter entlassen, Investitionen kürzen, in Niedriglohnländer Produktion verlagern und für den operativen Wertschöpfungsprozess nicht benötigte Barmittel 27
Um das Literaturverzeichnis nicht über Gebühr zu beanspruchen, wird im folgenden grundsätzlich in Klammeren nur auf die Financial Times Deutschland verwiesen, und zwar mit der Angabe von Datum und Seitenangabe. Für eine Gesamtsicht über die Debatte empfehlen wir o.V. 2005a.
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aus dem Unternehmen abziehen. Anschließend lassen sie das Unternehmen „ausgeblutet“ zurück. Der Staat verliert in zweierlei Weise: Ihm entstehen Sozialkosten durch Entlassungen sowie Steuerminderungen durch die Abwanderung von Vermögen und Kapital. Dieses Vorstellungsbild ist in Abb. 3 wiedergegeben. Stakeholder
Höhere Sozialkosten durch Entlassungen Deutscher Staat Deutsche • Mitarbeiter • Lieferanten
Unternehmen Auszahlungen
Sinkende Steuereinnahmen
Auszahlungen Verlagerungen ins billigere Ausland
Ausländische • Mitarbeiter • Lieferanten
Auszahlungen
• (Ausländische) Shareholder
Auszahlungen
• Kunden
Einzahlungen
Kurzfristige Profitmaximierung der Shareholder
Abb. 3: Das Vorstellungsbild in der „Kapitalismus-Debatte“
Festzuhalten bleibt bereits an dieser Stelle, dass die in der Kapitalismus-Debatte unterstellten Verhaltensweisen und Mechanismen der Finanzinvestoren nicht völlig von der Hand zu weisen sind. Die typische Vorgehensweise sieht so aus, dass ein Finanzinvestor mit 30% Eigenkapital des gesamten Kaufpreises und 70% Fremdfinanzierung ein Zielunternehmen erwirbt. In ähnlicher Relation war in der Vergangenheit auch der Kauf des mittelständischen deutschen Unternehmens Grohe von BC Partners im Jahre 1999 abgelaufen. Nach dem erneuten Verkauf des Unternehmens 2004 an die Investoren Texas Pacific Group und Credit Suisse First Boston Private Equity für 1,5 Mrd. € wird das Eigenkapital von den neuen Eigentümern um 400 Mio. € auf ca. 30% des Gesamtkapitals aufgestockt. Es liegt damit deutlich über dem Durchschnitt der Eigenkapitalquote mittelständischer Unternehmen in Deutschland von 7,5%. Allerdings muss das gekaufte Unternehmen dann häufig zusätzlich die Zinsbelastung für die Fremdfinanzierung des eigenen Kaufpreises in voller Höhe tragen bzw. zurückverdienen. Zugleich werden die Renditeziele oftmals erhöht und die Investitionsbudgets nicht selten gekürzt. Es ist davon auszugehen, dass der Finanzinvestor nicht nur ein periodisch hohes Renditeniveau erzielen, sondern das Unternehmen nach einigen Jahren mit einem hohen Aufschlag verkaufen will. Zurück zur Chronologie der Ereignisse: Am 29.04.2005 veröffentlichte die Financial Times Deutschland eine repräsentative Telefonbefragung des Meinungs-
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forschungsinstituts Ipsos, die dokumentiert, wie weit die Kapitalismus-Skepsis inzwischen innerhalb der deutschen Bevölkerung verbreitet ist. Auf die Frage: „Wer hat mehr Einfluss auf die Verhältnisse in Deutschland – die Politik oder die Wirtschaft?“, antworteten 74% mit „Wirtschaft“, und 67% dieser Personen empfanden dies als „eher schlecht“. Zudem stimmten 73% der Aussage zu: „Die meisten Unternehmen in Deutschland nehmen mehr von der Gesellschaft, als sie geben.“ (FTD, 29.04.05, S. 1) Dieses Stimmungsbild in der deutschen Bevölkerung deckt sich mit anderen Befragungsergebnissen aus der Zeit zuvor (FTD, 20.04.05, S. 10). Somit konnte geschlussfolgert werden, dass in Deutschland generell eine Kapitalismus-ablehnende Stimmung herrscht, die von den politischen Repräsentanten nur artikuliert wird. Einige Unternehmensvertreter in Deutschland äußerten deutliches Unverständnis über die Debatte und mutmaßten, sie schade dem Standort Deutschland, da benötigtes ausländisches Kapital nicht mehr wie bisher zufließe. Andere Unternehmensvertreter ließen Verständnis für den Kern des Vorstellungsbildes durchblicken (FTD, 20.04.05, S. 9 und FTD, 29.04.05, S. 1). Auch der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie Thumann pflichtete teilweise bei: Im Laufe der Jahre habe sich vor allem in großen Kapitalgesellschaften „eine Kultur herausgebildet, die auch ich nicht verteidigen kann. Wir sind in der Verantwortung gegenüber unseren Belegschaften.“ Weiterhin: „Auch ich staune, wenn ich lese, dass ein DAX-Unternehmen sehr gute Umsatz- und Ergebniszuwächse hat, aber der Börsenkurs trotzdem zurückgeht – weil die Analysten enttäuscht sind, dass es nicht noch mehr geworden ist“. Er kritisierte jedoch unmissverständlich das Niveau der Debatte. (FTD, 25.04.05, S. 9) Der Beauftragte der Bundesregierung für Investitionen aus dem Ausland, und Lufthansa-Aufsichtsratvorsitzende Weber zeigt weniger Verständnis. Er drohte damit, sein Amt niederzulegen, weil die Debatte für das Image bei ausländischen Investoren schädlich sei und somit seine Aufgabe erschwere. Die Debatte fand gleichfalls nicht die Akzeptanz des Arbeitgeber-Präsidenten Hundt, der mit folgenden Worten in einem ZDF-Interview wiedergegeben wird: „Ich bin zutiefst enttäuscht, ich bin erbost, ich finde es zum Kotzen, was derzeit in der Republik abläuft.“ (FTD, 02.05.05, S. 13) Insofern kann es nicht überraschen, dass die Diskussion auch im Ausland Aufsehen erregte. Der Economist widmete dem Thema einen ausführlichen Beitrag.28 Als einige Zeit nach der Ausgangsrede von Müntefering ein internes Papier der SPD-Bundestagsfraktion unter dem Titel „Marktradikalismus statt sozialer Marktwirtschaft“ auftauchte, in dem Investoren und ihre Transaktionen in Deutschland namentlich genannt wurden (FTD, 02.05.05, S. 1), machte das Wort von der „Heuschrecken-Liste“ die Runde (FTD, 04.05.05, S. 1). In die Liste einbezogen wurden vor allem Private Equity-Investoren, also Investoren, die sich mit einem eingesammelten Fondsvermögen als Eigenkapital und zusätzlich aufgenommenem Fremdkapital in ein Unternehmen einkaufen. Die Diskussion ebbte jedoch ab, als Erfolgsgeschichten von Private Equity-Investoren genannt wurden, z.B. Wincor Nixdorf, wo neue Stellen geschaffen wurden. (FTD, 06.05.05, S. 32)
28
Vgl. o.V. 2005a.
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Wie eine Untersuchung von Bain & Company zeigt29, gibt es Gründe, die für Private Equtiy-Investoren sprechen. Herausgestellt wird ihre „medium-term“-Orientierung, sprich: 3-5 Jahre, welche die kurzfristige Ausrichtung an finanziellen Quartalsergebnissen ebenso meidet wie die Ausrichtung an vage verfassten langfristigen Strategien. Es wird in der Analyse allerdings nicht verschwiegen, dass die erfolgreichen Private Equity-Fonds „unsentimental“ vorgehen, also beispielsweise auch das Top-Management bei Bedarf austauschen. Mittlerweile konzentriert sich die Kritik auf Hedge-Fonds, dies sind Fonds, die insbesondere Derivat- und Arbitragegeschäfte verfolgen. Erhöhte Aufmerksamkeit erhielt in diesem Zusammenhang der Fall der Deutschen Börse. Diese startete im Dezember 2004 den Versuch, mit der Londoner Börse zu fusionieren. Auf Betreiben des Hedge-Fonds TCI, der 7,8% der Anteile an der Deutschen Börse hielt, wurde die Fusion mit Unterstützung weiterer Investoren zu Fall gebracht. Stattdessen erfolgten Auszahlungen von Sonderdividenden und Kapitalausschüttungen der Deutschen Börse an ihre Aktionäre, und zwar in Höhe von insgesamt 1,5 Mrd. €. Den Investoren geht es also um eine schnelle und hohe Verzinsung des eingesetzten Kapitals. Zudem musste der Vorstandsvorsitzende Seifert seinen Posten räumen, ebenso der Aufsichtsratvorsitzende Breuer. (FTD, 10.05.05, S. 2 und 11.05.05, S. 1) Kurz darauf gelangten Überlegungen der Bundesregierung an die Öffentlichkeit, Hedge-Fonds zur Offenlegung ihrer Anlagestrategie zu verpflichten, und zwar mit der Begründung aus Regierungskreisen, die auf den Konflikt Deutsche Börse gegen TCI folgendermaßen Bezug nimmt: „Unternehmen mit einer langfristigen Strategie werden von kurzfristigen Interessen konterkariert.“ (FTD, 17.05.05, S. 1) Breuer wird als Vertreter der Deutschen Bank vor allen Dingen vorgehalten, dass das Institut als Finanzier der Deutschen Börse von einer Fusion profitiert hätte, er im Aufsichtsrat somit nicht die Interessen aller Aktionäre vertreten habe.30 Aber auch hier sind Differenzierungen angebracht. Wie der Economist darlegt, können Hedge-Fonds zumindest langfristiger als Investmentfonds agieren, weil sie nicht verpflichtet sind, jederzeit ihren Anlegern ihre Anteile auszuzahlen. Hedge-Fonds können demzufolge ihre Investition über einen größeren Anlagehorizont – bis zu fünf Jahren – aufrecht erhalten.31 Die Frage der Langfristorientierung institutioneller Investoren – darunter fallen die genannten sowie vor allem Investment- und Pensionsfonds sowie Versicherungen – hat schon lange Eingang in die wissenschaftliche Literatur gefunden. Indikator der Langfristorientierung ist die Innovationstätigkeit eines Unternehmens. Wie eine Meta-Analyse der empirischen Untersuchungen zum Zusammenhang von institutionellen Anteilseignern und Innovationstätigkeit ergab32, sind insbesondere Pensionsfonds als Anteilseigner für Innovationen in einem Unternehmen förderlich, während Investmentbanken dem eher abträglich sind. Pensionsfonds stellen generell eine Investorengruppe dar, die wenig zu Eingriffen in die Corporate Governance eines Unternehmens („shareholder activism“) neigt. Viel29
Vgl. Rogers/ Holland/ Haas 2002. Vgl. o.V. 2005a, S. 66. 31 Vgl. o.V. 2005b. 32 Vgl. Petzold 2002. 30
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mehr sind sie diesbezüglich sehr zurückhaltend, weil ihnen der Entzug der betrieblichen Pensionsverwaltung droht, wenn sie gegen dieses Unternehmen opponieren.33
2
Wertsteuerung zur Werterhaltung und -steigerung
In diesem Kapital wird das Management des Unternehmenswertes unter drei Aspekten beleuchtet, nämlich bezogen auf die Messung, die Steuerung und die Verteilung. Für die Messung müssen aussagefähige Regeln und Instrumente entwickelt werden, um die Höhe des absoluten Wertbeitrags feststellen und ihn auf die eingesetzte Kapitalbasis beziehen zu können. Für die Steuerung ist insbesondere der Zeitbezug wesentlich, da in der Wertberechnung durch den zugrundegelegten Zinssatz der generelle Verzinsungsanspruch und zusätzlich die Risikojustierung der Kapitalanlage über die Zeit zum Ausdruck kommt. Bezogen auf die Verteilung des erwirtschafteten Wertes geht es um die Verfügbarkeit für bestimmte Stakeholder. Hierzu sind im vorangegangenen Kapitel bereits Aussagen im Hinblick auf die Regeln der Corporate Governance gemacht worden. Bei einer errechneten höheren Verzinsung von erforderlichen internen Investitionen in die zukünftige Entwicklung des Unternehmens wird der erwirtschaftete Wertzuwachs (Übergewinn) für diesen Zweck einbehalten und nicht an die Eigenkapitalgeber als Free Cash Flow ausgeschüttet. Unternehmensintern werden für Führungskräfte und Mitarbeiter wertorientierte Anreizkonzepte eingesetzt, um die Zielerreichung und Wertsteigerung auf hohem Niveau zu realisieren. Der Ursprung des Shareholder Value-Gedankens geht auf die M&A-Welle in den USA ab Mitte der 80-er Jahre zurück. Im Zuge dieser Welle wurde eine Kennzahl gesucht, die die Bewertung von alternativen Akquisitionsobjekten erleichtern und auf diesem Wege „Wertlücken“ von Unternehmens- zu Buchwert aufdecken sollte.34 Entsprechend ist der Shareholder Value (SV) als ganzheitlicher Ansatz angelegt, der ein Unternehmen vor allem unter Einbeziehung seiner Zukunftschancen bewerten soll. Im Unternehmenswert soll dieser ganzheitliche Wert in einer Zahl verdichtet werden. Eine Zahl, die den Wert des Unternehmens aus Sicht eines Anteilseigners ausdrücken soll. Wie wir noch ausführen werden, widerspricht das Ergebnis dieser Shareholder Value-Analyse eines Unternehmens nicht notwendigerweise der Bewertung anderer Stakeholder. Zunächst zeigen wir die Herleitung des Shareholder Value auf, um dann zu erläutern, warum die Daten des Rechnungswesens nur eingeschränkt die Erhebung des Shareholder Value erlauben. Aus diesem Grund sind die anschließend genannten Kennzahlen auch nicht unbedingt deckungsgleich mit dem Shareholder Value-Gedanken. Wie wir abschließend darlegen, ist auch der Börsenkurs kein adäquater Ersatz, weil sich die tatsächlichen Interessen der Anleger nicht an dem Shareholder Value orientieren. 33
Vgl. Prigge/ Steenbock 2002. Günther 1997, S. 5-41.
34 Vgl.
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2.1
Die Herleitung des Shareholder Value
Welchen Wert hat ein Unternehmen aus Sicht der Shareholder? Die folgenden Überlegungen, den am Shareholder Value orientierten Unternehmenswert auszuweisen, lehnen sich an Günther35 sowie Rappaport36 an, wobei lediglich die Kernbestandteile und grundsätzlichen Zusammenhänge wiedergegeben, Differenzierungen aber ausgelassen werden. Auf eine Differenzierung wie die Aufteilung des Wertbeitrags zwischen Zentrale und Geschäftsfeldern wird z.B. nicht eingegangen, weil sie maßgeblich für die Wertzurechnung und nicht für die Wertermittlung von Bedeutung ist. Ebenso wenig werden wir auf die Ermittlung des Residualwertes eines Unternehmens eingehen. Mit dem Residualwert soll ausgedrückt werden, ab welchem Zeitpunkt in der Zukunft ein konstanter Wert pro Periode angenommen werden soll. Eine Aussage hierüber erscheint uns zu unsicher, weswegen wir diese Diskussion unter Beachtung der Zielsetzung dieses Beitrags nicht verfolgen werden. Ebenso wenig unterscheiden wir zwischen Cash Flowund Einnahmen-Rechnung.37 Da wir uns auf die grundsätzlichen Zusammenhänge beschränken, sei für die Ermittlung des Shareholder Value anhand von Positionen des Rechnungswesens generell auf Günther verwiesen. Die Analyse des Shareholder Value erfolgt in mehreren Schritten. In diesen Schritten soll deutlich werden, was ein Eigenkapitalgeber und/ oder Anteilseigner als „Gegenleistung“ von seinem Anlageobjekt, einem Unternehmen, erwartet. Für den Eigenkapitalgeber ist jedenfalls entscheidend, wie viel er für seine Investition (Hingabe von Eigenkapital ins Unternehmen) wieder zurück erhält (z.B. in Form von Dividenden). Ausgangspunkt ist zunächst, sich am Zahlungsbegriff zu orientieren (vgl. im Folgenden Abb. 4). Denn Zahlungen stellen einen objektiv erfassbaren Indikator für die Wertschaffung eines Unternehmens dar.38 Damit rückt der Cash Flow (CF), definiert als Differenz zwischen Einzahlungen (Zahlungen ins Unternehmen) und Auszahlungen (Zahlungen aus dem Unternehmen heraus) als zentrale Größe in den Mittelpunkt der Betrachtung. Der CF kennzeichnet also den Finanzmittelflusssaldo. Im Gegensatz hierzu ist der Gewinn keine Cash FlowGröße; er basiert nicht nur auf pagatorischen, also zahlungswirksamen Größen, sondern berücksichtigt bei seiner Ermittlung zusätzlich kalkulatorische Faktoren, wie z.B. Abschreibungen und Unternehmerlohn, die nicht in vollem Maße liquiditätswirksam sind bzw. sein müssen. Sofern nicht von einer Insolvenz, sondern von der Fortführung des Unternehmens ausgegangen werden kann („going concern“-Annahme), sollten erwartete zukünftige Ein- und Auszahlungen im Unternehmenswert grundsätzlich Berücksichtigung finden. Liquidationswerte, die den Wert eines Unternehmens ausdrücken, wenn es zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgelöst wird und seine Ressourcen verkauft werden, sind deswegen – jedenfalls aus Sicht des Shareholder Value35 Vgl.
Günther 1997, S. 76-201. Rappaport 1995, S. 19-80. 37 Vgl. Günther 1997, S. 80 und 96. 38 Vgl. Ewert/ Wagenhofer 2000, S. 8. 36 Vgl.
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Gedankens – ungeeignete Werte.39 Damit gleicht der Unternehmenswert einem Zukunftserfolgswert des (fortbestehenden) Unternehmens. Mit anderen Worten: Der Shareholder Value bezieht ein, dass Unternehmen für einen längeren Zeitraum angelegt sind und in der Zukunft Einzahlungen und/ oder Auszahlungen verursachen. Anteilseigner wollen an dem zukünftigen Zahlungsüberschuss teilhaben, genauer: am Mehrwert. Einzahlungen von Stakeholdern (z.B. Kunden) Cash Flow (CF) =
Zukunftserfolgswert = Erfassung zukünftiger Zahlungsüberschüsse (von Zeit t0 bis t4)
t4 t3 t2 t1 t0
plus
Auszahlungen an Stakeholder (z.B. Lieferanten, Mitarbeiter) Unternehmen
CF3-4 CF2-3 CF1-2 CF0-1 Zahlungsmittel CF
Prinzipiell an Shareholder auszahlbarer Cash Flow (CF) = Einzahlungen – Auszahlungen an sämtliche andere Stakeholder = Gesamter Mehrwert vor Zahlungen an Shareholder
Abb. 4: Cash Flow vor Zahlung an Shareholder
Aus diesem Grund fördert der Shareholder Value gleichfalls die Strategieorientierung des Unternehmens: Ein Unternehmen kann durch die Einbeziehung zukünftiger Zahlungen ermitteln, inwiefern es sich für Eigenkapitalgeber lohnen wird, in das Unternehmen zu investieren, wenn dadurch langfristig wirkende Erfolgspotenziale aktiviert werden. Denn es werden auch zeitlich weit entfernte Einzahlungen, die aus diesen Investitionen resultieren, erfasst. Zentrales Kriterium ist dies beispielsweise für die Pharmabranche, die bei der Entwicklung eines marktfähigen Medikaments üblicherweise 12 Jahre überbrücken und auf diesem Wege ca. 500 Mio. € einbringen muss. Unternehmen, die in langfristige Erfolgspotenziale investieren wollen, wie zum Beispiel in eine Six Sigma-Qualität, um eine höhere Preisbereitschaft der Kunden zu erreichen sowie geringere Gewährleistungskosten veranschlagen zu müssen40, können mit dem Ausweis des damit verbunde-
39
Ebenso der Substanzwert, der aussagt, wie hoch der Unternehmenswert bei einer fiktiven Wiedererrichtung sein würde. 40 Vgl. die Beiträge von Töpfer in diesem Band.
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nen Zahlungsüberschusses Eigenkapitalgeber zur Einzahlung in das Unternehmen bewegen. Im Unternehmenswert sollte weiterhin – in Übereinstimmung mit der Investitionsrechnung – berücksichtigt werden, dass spätere Ein- und Auszahlungen – bezogen auf einen definierten Gegenwartszeitpunkt – einen geringeren Wertbeitrag bewirken und damit im Unternehmenswert weniger berücksichtigt werden als frühere (vgl. im folgenden Abb. 5). Denn einerseits gilt grundsätzlich: Je früher eine Einzahlung ins Unternehmen erfolgt, desto früher kann das Unternehmen das damit verbundene Geld wieder investieren, woraus sich Einzahlungspotenziale ergeben, die den Wert erhöhen. Je später wiederum eine Einzahlung erfolgt, desto weniger Investitionsmöglichkeiten können wahrgenommen werden, desto geringer ist der Wert der Zahlung. Andererseits gilt: Je früher die Auszahlung aus dem Unternehmen erfolgt, desto weniger Geld steht für Investitionen zur Verfügung, desto weniger Einzahlungspotenziale können wahrgenommen werden, desto mehr Wert geht verloren. Je später die Auszahlungen hingegen erfolgen, desto länger kann das dafür benötigte Geld angelegt werden, desto weniger Wert geht hierdurch verloren. Wie durch die gezielte Gestaltung der Zahlungszeitpunkte Wert geschaffen werden kann, dafür liefert der Computerhersteller Dell ein einschlägiges Beispiel: Das Unternehmen nimmt grundsätzlich Geld von einem Besteller ein (= Einzahlungen), bevor es Lieferungen seiner Lieferanten für diese Bestellung bezahlt (= Auszahlungen).41 Im Durchschnitt sind 80% der Leistungen vom Kunden bereits bezahlt, bevor Lieferanten bezahlt werden. Dell erhält die Einzahlung durchschnittlich 30 Tage vor Zahlung an die Lieferanten.42 Um diesen Zeitwert von Ein- und Auszahlungen zu berücksichtigen, enthält der Shareholder Value zwangsläufig einen Abzinsungsfaktor. Zukünftige Zahlungen werden um so stärker abgezinst, je später sie erfolgen. Daraus ergibt sich ein Discounted Cash Flow (DCF). Entscheidend für das weitere Vorgehen ist dann, wie hoch dieser Abzinsungsfaktor angesetzt werden soll. Unternehmen sind aus Sicht der Eigenkapitalgeber, wie erwähnt, Investitionsobjekte. Die Investitionen wiederum, die ein Unternehmen tätigt, um Mehrwert zu erwirtschaften, der dann an Eigenkapitalgeber auszahlbar ist, müssen finanziert werden. Eigenkapitalgeber stellen Finanzmittel aber nur dann zur Verfügung, wenn ihnen dies „angemessen“ vergütet wird – in Form von Dividenden- oder Kapitalrückzahlungen. Erwartungen über diese angemessene Vergütung drücken sich als Rendite- oder Mindestverzinsungserwartung aus. Abgeleitet wird diese aus einer alternativen Anlagemöglichkeit, der so genannten Referenzanlage, also der besten alternativen Anlage eines Eigenkapitalgebers. Aus der Sicht des Unternehmens stellt diese Mindestverzinsungserwartung wiederum Kapitalkosten dar, weil mit ihnen Auszahlungen an die Eigenkapitalgeber verbunden sind. Diese Mindestverzinsungserwartung wird als Abzinsungsfaktor angesetzt.
41 Vgl. 42
Curry/ Kenney 1999, S. 25-28. Vgl. Schädel 2003, S. 95.
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Abzinsung der CF Æ DCF
t4 t3 t2 t1 t0
Unternehmen CF3-4 CF2-3 CF1-2
t4
Unternehmen
t3 t2 t1
CF0-1 t0
DCF3-4 DCF2-3 DCF1-2 DCF0-1
CF - DCF = Höhe der Abzinsung Æ Berücksichtigt den Zeitwert des Geldes zu einem Gegenwartszeitpunkt Æ Frühere (spätere) Zahlungen sind mehr (weniger) wert
Abb. 5: Discounted Cash Flow (DCF)
Hier zunächst eine kurze Begründung für die Bedeutung veranschlagter Kosten für das Eigenkapital: Es ist für ein Unternehmen notwendig, Eigenkapitalkosten anzusetzen, weil die Weigerung, Zahlungen an Eigenkapitalgeber zu leisten, negative Konsequenzen haben kann. Wenn keine oder zumindest keine ausreichenden Zahlungen an Eigenkapitalgeber erfolgen, schwindet deren Vertrauen in das Unternehmen. Verkaufen als Folge dieses Vertrauensverlustes viele Anleger ihre Aktien, sinkt der Aktienkurs. Dadurch wird nicht nur die Neufinanzierung über den Aktienmarkt erschwert. Darüber hinaus hat der Aktienkurs Signalwirkungen auf weitere Stakeholder, deren Vertrauen in die Wertschaffung des Unternehmens in ähnlicher Weise schwindet.43 Als Konsequenz hieraus nimmt deren Bereitschaft ab, dem Unternehmen (hochwertige) Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Außerdem verfällt mit dem Aktienkurs gleichzeitig der Wert der Aktie als Akquisitionswährung. Zugleich sinkt auch der Wert gewährter Aktienoptionen an Führungskräfte und Mitarbeiter erheblich, was die Abwanderung von maßgeblichen Mitarbeitern des Unternehmens wahrscheinlicher macht.44 Könnte es für ein Unternehmen sinnvoll sei, deswegen weitesgehend auf Eigenkapital zu verzichten? Einbezogen werden muss, dass das Eigenkapital als Risikopuffer dient: Ein Unternehmen, das sich ausschließlich durch Fremdkapital finanziert, riskiert die Insolvenz, wenn es vereinbarte Zinszahlungen an die Fremdkapitalgeber nicht leisten kann, weil sich Einzahlungsströme verzögert haben oder eine Unterdeckung der Auszahlungen vorliegt. Hingegen kann ein Un43 Vgl. 44
hierzu das Bsp. SAP im Beitrag von Brandt/ Zencke in diesem Band Vgl. Coyne/ Witter 2002, S. 71.
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ternehmen, das sich ausschließlich durch Eigenkapital finanziert, selbst dann die Insolvenz vermeiden, wenn es keine Dividenden zahlt. Demzufolge erlaubt nur die Finanzierung durch Eigenkapital, Auszahlungen an Kapitalgeber zu unterlassen oder zumindest zu verzögern. Das Eigenkapital erhält dadurch seine Pufferfunktion, weil es ermöglicht, die Auszahlungen an Eigenkapitalgeber von den Einzahlungen in das Unternehmen und erwirtschafteten Überschüssen abhängig zu machen. Dies reduziert das Risiko einer Insolvenz, aber immer zu Lasten der Eigenkapitalgeber. Prägnant drückt dies Albach aus: „Zur Wettbewerbsfähigkeit muss .. in einer .. Wirtschaft die Risikofähigkeit hinzutreten. Darunter ist die Fähigkeit zu verstehen, Risiken einzugehen und die Verluste aus Fehlschlägen durchzustehen, ohne als Wettbewerber am Markt ausscheiden zu müssen. Diese Fähigkeit verleiht nicht das Fremdkapital, das laufend mit Zinsen und Rückzahlungen bedient werden muss, sondern nur das Eigenkapital, das auch einmal statt mit Cash mit Hoffnungen auf künftige Gewinne bedient werden kann und jedenfalls nicht getilgt werden muss. Wenn die Eigenkapitaldecke schrumpft, weil aus gegenwärtiger Produktion zu wenig verdient und ein zu großer Teil des Cash Flow zur Bedienung gegenwärtiger Schulden mit Zinsen und Tilgungszahlungen verwandt werden muss, dann sinkt auch die Fähigkeit der Unternehmen, riskante Investitionen zu tätigen.“45 Was folgt aus diesen generellen Ausführungen? Die Höhe der Mindestverzinsungserwartung, d.h. die aus Sicht der Eigenkapitalgeber erwartete „angemessene“ Vergütung orientiert sich demnach an ihren Alternativen (A1 oder A2). Dies ist in Abbildung 6 ausgeführt. Wenn sie vermuten, mit einer anderen Anlageoption als dem Erwerb des Unternehmensanteils mehr Verzinsung für ihr Geld erzielen zu können, werden sie dem Unternehmen kein Geld in der Form von Eigenkapital zur Verfügung stellen. Auf welcher Basis kann ein Eigenkapitalgeber entscheiden, ob er einem Unternehmen Eigenkapital zur Verfügung stellen oder ob er sein Kapital alternativ anlegen soll? Hierzu muss der Wert der Anlagealternative eines Unternehmens als Net Present Value (NPV) ermittelt werden. Er drückt den Gegenwartswert, auch gebräuchlich unter dem Begriff Kapital- oder Barwert, aus. Der NPV liefert einen Wert, mit dem Anlageoptionen verglichen werden können, selbst wenn sie sich in der Höhe sowie den Zeitpunkten der Einund Auszahlungen sowie im Risiko unterscheiden.46 Der Shareholder Value wird als NPV ausgedrückt und enthält den Abzinsungsfaktor in Höhe der Verzinsung der besten Alternativanlage, der Referenzanlage, im Nenner. Dieser Abzinsungsfaktor wird auch „hurdle rate“ genannt.47 Ist der diskontierte CF des Unternehmens höher als derjenige einer Referenzanlage, dann drückt der NPV dies in einer Zahl größer 0 aus. Die Anlage im Unternehmen ist für den Eigenkapitalgeber folgerichtig besser als die in die Referenzanlage, die einen NPV von 0 erwirtschaftet. 45
Albach 1983, S. 878. Vgl. zum investitionstheoretischen Verfahren beispielsweise Van Horne/ Wachowicz 2001, S. 39-43 und 337f. Vgl. zur Anwendung auf Unternehmen Barney 1997, S. 46-51. 47 Vgl. zum Begriff Van Horne/ Wachowicz 2001, S. 337. 46
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Mit dieser Formel für den Shareholder Value wird somit der Wert des CF der Investition im Unternehmen (A1) mit dem der alternativen Anlage (A2) vergleichbar gemacht. Bei der Berechnung in der Unternehmenspraxis ergeben sich mehrere Probleme: Die potenziellen Eigenkapitalgeber haben verschiedene Anlagemöglichkeiten, so dass ein einheitlicher Mindestverzinsungsfaktor für unterschiedliche Referenzanlagen kaum ableitbar ist. Die Datenverfügbarkeit und Prognosefähigkeit der Zahlenreihen für die einzelnen Investitionsobjekte ist in unterschiedlichem Maße gegeben, so dass die Datenqualität der möglichen Referenzanlagen stark variieren kann. Die Risikostrukturen einzelner Investitionsmöglichkeiten können in ihrer Höhe und zeitlichen Verteilung erheblich voneinander abweichen, so dass auch hierdurch die Vergleichbarkeit eingeschränkt wird. NPV erlaubt es, Anlagealternativen zu vergleichen Net Present Value (NPV) t4 t3 t2 t1 t0
T
=
A 1: Unternehmen DCF3-4 DCF2-3 DCF1-2 DCF0-1
6
t=0
CFt (1 + k)t
! t0 t5
A 2: Alternative Anlage DCF4-5
DCF
t4
Aus der alternativen Anlage (= beste alternative Anlage) wird eine Mindestverzinsungserwartung abgeleitet = Abzinsungsfaktor k, der die Höhe der Abzinsung bestimmt
t3 t2 t1 t0
DCF3-4 DCF2-3 DCF1-2 DCF0-1
Anleger kann zum Zeitpunkt t0 in Unternehmen (A 1) oder alternative Anlage (A 2) investieren
Abb. 6: Net Present Value (NPV)
Aus diesem Wert für eine einzelne Investition im Vergleich zu ihren Alternativen ist jetzt der Unternehmenswert, also der Shareholder Value für das gesamte Unternehmen zu berechnen. Denn ein solcher Wert bedient den Informationsbedarf der (potenziellen) Eigenkapitalgeber umfassend. Er drückt aus, ob der Zukunftserfolgswert des Unternehmens mit allen seinen Investitionsvorhaben, abgezinst auf einen Gegenwartszeitpunkt, positiv und damit erfolgversprechend ist. Der Unternehmenswert bemisst sich folgerichtig danach, inwieweit der DCF des Unternehmens über dem alternativer Kapitalanlagemöglichkeiten liegt und kann als „fundamentaler Wert“ bezeichnet werden.48 Erhöht sich dieser Wert, ergibt sich eine Wertsteigerung, bleibt der Wert bestehen, ist dies Werterhaltung, verringert sich dieser Wert, entsteht Wertvernichtung. Die Schwierigkeit jedoch, 48
Vgl. zum Begriff Aders/ Herbertinger/ Wiedemann 2003, S. 358.
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soviel sei im Vorgriff auf die weiteren Erörterungen vorausgeschickt, besteht darin, die Mindestverzinsungshöhe, d.h. die Opportunitätskosten der Alternativanlage, zu ermitteln. Es sei hier gleichfalls vorweggenommen, dass es verfehlt ist, die Mindestverzinsungserwartung aus dem Rechnungswesen, dem CAPM-Modell oder aus dem Börsenkurs abzuleiten. Weil Eigenkapitalgeber in der Regel über Anlagen-Alternativen verfügen, sollte ein Unternehmen den Teil des Cash Flows an die Anteilseigner auszahlen, mit dem diese in alternativen Anlagen mehr erzielen können, als wenn dieses Geld im Unternehmen verbleibt (vgl. im Einzelnen Abb. 7). Anders ausgedrückt: Können die Anteilseigner mehr erzielen, wenn sie den gesamten Mehrwert selber anlegen, als wenn das Unternehmen dieses Geld für sie investiert, sollte das Geld an die Anteilseigner ausgezahlt werden. Denn hortet das Unternehmen das Geld und zahlt es nicht an die Eigenkapitalgeber aus, gehen jene besseren Anlageoptionen verloren; dies schadet wiederum dem Vertrauen der Anteilseigner in das Unternehmen. Welche Dimensionen eine solche Zahlung an Anteilseigner annehmen kann, zeigte sich 2004 bei Microsoft. Das Unternehmen erklärte, statt Investitionsmöglichkeiten zu verfolgen, Auszahlungen von insgesamt 75 Mrd. US-$ vorzunehmen.49 Szenario 1
t3
DCFA 1 DCFA 2
t0 Szenario 2
t3
DCFA 2 DCFA 1
t0 Szenario 3
t3
6 DCFA 1 = NPVA 1 liegt über 6 DCFA 2 = NPVA 2 Æ Unternehmen schafft Überverzinsung Æ Unternehmen darf CFA 1 t0 im Unternehmen investieren und auf Auszahlung an Shareholder verzichten 6 DCFA 2 = NPVA 2 liegt über 6 DCFA 1 = NPVA 1 Æ Unternehmen liegt unter Mindestverzinsung Æ CFA 1 t0 ist an Shareholder auszuzahlen t3
Free Cash Flow = Der (Teil vom) CFA 1 t0, der an Shareholder auszuzahlen ist
Der Teil von CFA 1 t0, der in X fließt, schafft Mindestverzinsung, der in Y nicht Æ Unternehmen darf Betrag t0 t0 für A investieren, während UnternehmensUnternehmensBetrag für Y an Share+ CFA 1 t0 = investition X investition Y holder auszuzahlen ist CFA 1= CF des Unternehmens/ CFA 2 = CF der alternativen Anlage DCFA 1 DCFA 2
DCFA 2 DCFA 1
Abb. 7: Free Cash Flow (FCF)
Der Teil des Cash Flows, der nach Maßgabe dieser Überlegungen an die Anteilseigner ausgezahlt werden soll, wird als Free Cash Flow (FCF) bezeichnet.50 49 50
Vgl. o.V. 2004. Vgl. Van Horne/ Wachowicz 2001, S. 635. Dies entspricht der Konzeption des ökonomischen Gewinns. Vgl. Günther 1997, S. 22.
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In Abbildung 7 sind drei unterschiedliche Szenarien skizziert, die im Ergebnis zu einer jeweils anderen Entscheidung über die Investition aus Sicht der Shareholder führen. Im Szenario 1 liegt die Verzinsung im Unternehmen (A1) über der einer Referenzanlage (A2). Unter der Voraussetzung, dass die Investition für die zukünftige Entwicklung des Unternehmens wichtig ist, wird sie getätigt. Eine Auszahlung für die Shareholder findet nicht statt. Im Szenario 2 ist die alternative Investitionsmöglichkeit (A2) besser und der NPV liegt über dem einer Finanzanlage im Unternehmen. Der Cash Flow wird deshalb an die Shareholder als FCF ausgezahlt. Im Szenario 3 stehen zwei Investitionsprojekte X und Y im Unternehmen (A1) in Konkurrenz zu alternativen Anlagemöglichkeiten (A2). Die Investition X liegt dabei über der Mindestverzinsung, die Investition Y nicht. Folgerichtig ist der Betrag für Y als FCF an die Shareholder auszuzahlen. Eine Implikation des FCF soll abschließend noch herausgestellt werden. Denkt man die Stringenz der Entscheidungen auf der Basis des in Zukunft zu erwirtschaftenden Shareholder Value, ermittelt auf der Grundlage von DCF, zu Ende, dann hat dies im Hinblick auf den Fortbestand von Unternehmen weitreichende Konsequenzen. Ist nämlich der DCF einer Investition im Unternehmen geringer als der DCF in einer alternativen Finanzanlage, dann stellt der in der Vorperiode erwirtschaftete CF einen FCF dar und ist an die Shareholder auszuzahlen. Dies würde bedeuten, dass Unternehmen, die mit ihren Investitionen immer unter dem Mindestverzinsungsniveau alternativer Anlagen liegen, eigentlich aufzulösen sind. Erfolgt eine Investition dennoch, dann wird bei dieser zu geringen Verzinsung des Eigenkapitals permanent Wertvernichtung betrieben. Anders ausgedrückt: Wird – auf der Basis der Ausführungen in Abbildung 1 – die Höhe der Mindestverzinsung als (potenzielle) Auszahlung angesetzt, ergibt sich nach Abzug dieser Zahlung vom erwirtschafteten Mehrwert der anteilige Mehrwert einer Überverzinsung. Ist der gesamte Mehrwert aber geringer als die erwartete Zahlung in Höhe der Mindestverzinsung, der Überverzinsungs-Mehrwert ist also kleiner 0, dann schafft das Unternehmen keinen Mehrwert, sondern lebt von der Substanz. Ein solches Unternehmen würde nur auf Kosten der Shareholder, denen wertvollere Anlageoptionen entgehen, weiter existieren, obwohl es zumindest einen anteiligen Mehrwert schafft. Die anderen Stakeholder würden also Zahlungen erhalten zu Lasten der Shareholder. Insofern entfällt längerfristig konsequenterweise die Existenzberechtigung dieses Unternehmens. Genau hier setzt wertorientiertes Management an. Es schafft die Voraussetzung, diese nicht ausreichende finanzwirtschaftliche Situation zu erkennen. Und es fordert vom Management des gesamten Unternehmens Maßnahmen zur Erhöhung der Effizienz durch Kosteneinsparungen und anschließend Maßnahmen zur Steigerung der Effektivität durch zusätzliches Wachstum mit auskömmlichen Deckungsbeiträgen. Wenn man die Literatur zum Themenbereich Unternehmenswert und insbesondere Shareholder Value sichtet, dann fällt auf, dass eine Reihe von Begriffen nicht einheitlich verwendet wird. Dies gilt vor allem bezüglich der Definitionen für den FCF. Hieraus lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass noch keine Ein-
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Armin Töpfer, Christian Duchmann
heitlichkeit und damit Stringenz auf der definitorischen und klassifikatorischen Ebene beim Thema Unternehmenswert und Shareholder Value erreicht wurde. Dies gilt zusätzlich auch für Begriffsunterschiede im deutsch- und englischsprachigen Raum. So finden sich zum Beispiel in der englischsprachigen Literatur folgende Ausführungen zum FCF: x „Free cash flow is the cash flow in excess of that required to finance all projects that have positive net present values when discounted at appropriate required rates of return.“51 x „Free cash flow is .. the amount of cash a firm has to invest after all positive net-present-value investments in a firm’s ongoing businesses have been funded. ... One obvious alternative would be to give it to stockholders in the form of dividends.”52 Im deutschsprachigen Raum finden sich dagegen zum Beispiel diese Definitionen: x „Beim Shareholder Value-Ansatz wird der Wert des Unternehmens als Barwert derjenigen Zahlungsüberschüsse (Cash Flows) definiert, der nicht wieder für Investitionen in das Anlagevermögen oder das Netto-Umlaufvermögen (Working Capital) verwendet werden muss. Der verbleibende frei verwendbare Teil de[s] Cash Flows wird als Freier Cash Flow (Free Cash Flow) bezeichnet. Der Free Cash Flow stellt den an den Eigentümer potentiell ausschüttbaren Zahlungsüberschuss dar.“53 x „[Der FCF] ermittelt sich wie folgt: Cashflow aus laufender Geschäftstätigkeit [minus] Cashflow aus Investitionstätigkeit = Free Cashflow“.54 Das Ziel unternehmerischer Tätigkeit ist nicht, einen möglichst hohen FCF zu erwirtschaften. Vielmehr geht die Zielsetzung dahin, einen hohen DCF und damit einen positiven NPV im Vergleich zu der erwarteten Mindestverzinsung für eine Referenzanlage der Finanzmittel zu erreichen. Wertorientiertes Management besteht also, wie oben ausgeführt, aus strategischen und operativen Entscheidungen, um die Relation zwischen Einzahlungen und Auszahlungen zu verbessern und insgesamt profitables Wachstum zu ermöglichen. In den angeführten deutschsprachigen Beiträgen wird der Gegenwartswert der FCFs mit dem Unternehmenswert gleichgesetzt.55 Vor dem Hintergrund der referierten Darstellungen erscheint es zielführend, wenn der Unternehmenswert anhand des Mehrwerts in Höhe der Überverzinsung gemessen wird. Der FCF stellt im Rahmen dieser Messung nur einen Restwert dar, der nicht als generelle Zielgröße für ein Unternehmen geeignet ist. Allerdings steht außer Frage, dass ein wesentliches Ziel des Unternehmens darin besteht, eine ausreichend hohe Ausschüttung an die Shareholder als Kapitalverzinsung sicher zu stellen. 51
Van Horne/ Wachowicz 2001, S. 635. Barney 1997, S. 450. 53 Günther 1997, S. 3; siehe auch S. 95 f. 54 Coenenberg/ Salfeld 2003, S. 270; siehe auch S. 40. 55 Vgl. Günther 1997, S. 96. Sowie Coenenberg/ Salfeld 2003, S. 40. 52
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Wenn ein Unternehmen allerdings mit seinen Investitionsprojekten immer über der Mindestverzinsung von Referenzanlagen liegt, dann wirkt sich dies als Wertsteigerung auch auf den Aktienkurs aus. Wenn der ausgeschüttete FCF relativ gering oder gleich 0 ist, dann hat ein Shareholder immer noch die Möglichkeit, eine gute Verzinsung seines Investments durch den Verkauf der Anteile zu realisieren. Diese Ausführungen sollen an einem einfachen Beispiel noch einmal verdeutlicht werden (siehe Abb. 8). Es zeigt die unterschiedlichen Managemententscheidungen, wenn bei mehreren Investitionsprojekten die Mindestverzinsungshöhe erreicht und damit die hurdle rate genommen wird. In diesem Falle wird der Finanzbetrag in das Unternehmen investiert. Liegt die erzielbare Verzinsung unter der Mindestverzinsung, dann wird dieser Teil des CF zu FCF und kann also an Shareholder ausgezahlt werden. Beispiel 1: Investitionsprojekte A-D 13 12
11,5
Höhe der Verzinsung (in %)
Beispiel 2: Investitionsprojekte A-D 13 12
11,5
11,5
8
B
C
D
250 T
250 T
200 T
11% Mindestverzinsung A
B
C
D
250 T
250 T
250 T
200 T
A Investition
250 T
X
Verteilung des CF Überverzinsung 50 T = FCF
Cash Flow t0 = 1 Mio. €
Mindestverzinsung
250 T = FCF
Auszahlungen an Shareholder
Abb. 8: Hurdle rate und FCF: Ein Beispiel
Wenn ein Unternehmen in der Periode t0 einen positiven CF, hier im Beispiel 1 Mio. €, erwirtschaftet, dann ist hiervon generell die Verzinsung des eingesetzten Kapitals abzuziehen und zu zahlen. Wir gehen davon aus, dass die Verzinsung des Fremdkapitals, die in der Regel durch Verträge festgelegt ist und dann auch in dieser Höhe auf jeden Fall bezahlt werden muss, bereits erfolgt ist. Eine Ausschüttung als Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals hängt von mehreren Faktoren ab. In ihrer Höhe wird sie durch das mit dem Investment verbundene Risiko bestimmt. Ob und in welcher Höhe eine Ausschüttung erfolgt, resultiert zum einen aus den Liquiditätszielen der Shareholder in Abstimmung mit dem Unternehmen. Zum anderen sind hierfür, wie vorstehend erläutert die möglichen Investitionsobjekte und Referenzanlagen maßgeblich. Im letzteren Fall ist also allein die Qualität der unterschiedlichen Investitionsprojekte entscheidend. Wenn im Beispiel der Abbildung 8 die Mindestverzinsung
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Armin Töpfer, Christian Duchmann
für das Eigenkapital 11% beträgt, dann werden alle Investitionsprojekte präferiert, die diese hurdle rate übersteigen. Wenn, wie im Beispiel 1 alle vier Investitionen diese Hürde nehmen, dann würde der Betrag von 1 Mio. € Cash Flow in sie investiert werden. Investiert würden also 950.000 €, so dass die Restsumme von 50.000 € den an die Shareholder ausschüttbaren FCF darstellt. Wenn allerdings, wie im Beispiel 2, nur drei von den 4 Investitionsprojekten über der Mindestverzinsung des eingesetzten Eigenkapitals von 11% liegen, dann werden nur diese drei Investitionsprojekte realisiert. Von der 1 Mio. € Übergewinn werden also nur 750.000 € in neue ertragreiche Geschäfte investiert. Der Betrag von 250.000 €, der nicht bei einer zu erwartenden Verzinsung von 8% investiert wird, stellt dann wiederum den FCF dar, der an die Anteilseigner ausbezahlt werden kann. Zum Schluss dieses wichtigen Unterkapitals noch ein kurzes Fazit: Das Ziel, das im Shareholder Value implizit formuliert wird, lautet, dass die Zahlungen an die Eigenkapitalgeber über die Lebensdauer des Unternehmens mindestens so hoch sein sollen, dass deren Mindestverzinsungserwartungen erfüllt werden. Denn nur wenn das Unternehmen die Mindestverzinsungserwartungen erfüllt, hat es sich als die im Vergleich zu anderen Anlageoptionen überlegenere Alternative erwiesen. Allerdings drückt der Shareholder Value nach unserem Verständnis und unseren Ausführungen folgendes aus: x Die Auszahlungen an die Eigenkapitalgeber sind nicht in jeder Periode zu maximieren. Stattdessen ist es für das Unternehmen möglich, die Zahlungen an die Eigenkapitalgeber zu unterlassen, wenn eine solche Maßnahme zukünftige Zahlungen für eben diese Eigenkapitalgeber mindert, gerade weil die Anlageoptionen des Unternehmens besser sind als die der Eigenkapitalgeber. x Bestimmte Gruppen von Shareholdern mit konkreten Interessen, wie Anteilseignern mit großen Aktienpaketen („Blockholdern“) oder sogar unternehmenskontrollierenden Stimmrechten, wird der Mehrwert nicht vorrangig zugeteilt. x Es ist nicht erforderlich, den DCF zu maximieren, vielmehr ist es ausreichend, wenn der DCF der Anlage im Unternehmen mindestens so hoch ist wie der in einer alternativen Kapitalanlage. x Der DCF des Unternehmens, der über dem DCF einer alternativen Anlage liegt, ist nicht vollständig an die Shareholder auszuzahlen; vielmehr ist nach Maßgabe des SV ebenso vertretbar, den Mehrwert, der über der geforderten Mindestverzinsung liegt, an alle Stakeholder zu verteilen. Mit anderen Worten: Es ist nicht einsichtig, warum der Überverzinsungs-Mehrwert, der Mehrwert, welcher nach der Mindestverzinsungszahlung an Shareholder und den Zahlungen an die anderen Stakeholder verbleibt, vollständig allein den Shareholdern zugute kommen muss. In dem Fall, in dem ein Überverzinsungs-Mehrwert verbleibt, ist der SV dem Stakeholder Value gleichzusetzen. Stakeholder Value bedeutet für Unternehmen, einen Überverzinsungs-Mehrwert in einer Höhe zu schaffen, so dass alle Stakeholder daran partizipieren können. Kunden erhalten mit den Produkten einen
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Wert, für den sie bereit sind, ihre Einzahlungen in das Unternehmen zu erhöhen. Und zwar derart zu erhöhen, dass alle Stakeholder erhöhte Zahlungen erhalten.56 2.2
Externes Rechnungswesen: Kein Abbild des Unternehmenswertes
Grundsätzlich bilden die Daten des Externen Rechnungswesens die Wertschaffung im Sinne des Shareholder Value nicht ab. Weder aus der Bilanz noch aus der Gewinn- und Verlustrechnung ist der Wert – auch nicht mittels Bilanzinterpretation – ermittelbar.57 Die für das deutsche HGB geltenden Prinzipien58 stellen im Folgenden die Grundlage der Analyse dar. Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechung ergeben das Externe Rechnungswesen, dessen Daten auf Buchwerten basieren. Wegen des Realisationsprinzips wird das Vermögen des Unternehmens grundsätzlich zu (historischen) Herstellungs- oder Anschaffungspreisen bewertet. Wenn auf zukünftige Einzahlungen, die mit diesem Vermögen generiert werden können, kein rechtlicher Anspruch besteht, werden diese Einzahlungen als zu „unsicher“ beziehungsweise als mit zu hohen Bewertungsspielräumen behaftet eingeschätzt und folglich grundsätzlich nicht erfasst. Dagegen leitet sich aus dem Imparitätsprinzips ab, auch unsichere Auszahlungen zu erfassen, die zukünftig erwartet werden, wie z.B. Gewährleistungsrückstellungen. Der Shareholder Value legt jedoch nicht nur fest, zukünftige Ein- und Auszahlungen grundsätzlich zu erfassen, sondern auch, Ein- und Auszahlungen gleichwertig zu behandeln. Immaterielle Werte, z.B. Markenwerte, werden aufgrund der genannten Prinzipien zumindest unterbewertet, weil ihnen keine zukünftigen Einzahlungen mit hinreichender Sicherheit zugerechnet werden können. Deswegen können Patente nur zu Herstellkosten angesetzt (aktiviert) werden. Erst wenn sich für immaterielle Werte ein Marktpreis ermitteln lässt, z.B. wenn für ein Patent eine Lizenz vergeben wird, kann ein Wert, der über die Herstellkosten hinaus geht, angesetzt werden. Aus diesen Gründen ist ersichtlich, dass sich aus den Daten des Externen Rechnungswesen keine Zukunftserfolgswerte ableiten lassen. Überdies erlauben die Prinzipien nicht, die Mindestverzinsungserwartungen der Eigenkapitalgeber zu erfassen. Deswegen kann ein Unternehmen selbst dann Gewinn ausweisen, wenn nahezu keine Zahlungen an Eigenkapitalgeber erfolgen. Im Sinne des Shareholder Value reicht es aber noch nicht einmal aus, nur einen Gewinn zu erzielen: Wenn dieser von der Höhe her nicht ausreicht, die Ansprüche der Eigenkapitalgeber zu befriedigen, wird tatsächlich Wert vernichtet.59 Damit die Daten des Externen Rechnungswesens für eine Wertermittlung anhand des Shareholder Value genutzt werden können, wurden Verfahren entwi56
Vgl. für eine solche Sichtweise Freeman/ Wicks/ Parmar 2004. Für eine vertiefte Diskussion vgl. Smith 2003. 57 Vgl. Günther 1997, S. 21f. 58 Vgl. Töpfer 2005, S. 1061f. 59 Vgl. Günther 1997, S. 25.
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ckelt, um die Daten des Externen Rechnungswesen in wertorientierte Kennzahlen zu überführen. Angemerkt werden muss jedoch, dass IAS bzw. heute IFRS und US-GAAP sich für solche Verfahren mehr eignen als das HGB.60 2.3
Wertorientierte Kennzahlen
Grundsätzlich erfüllen Kennzahlen mehrere Funktionen: Sie sollen der Steuerung des Managements dienen, eine ex post Messung der Zielerreichung ermöglichen sowie die Basis für Zielvereinbarungen darstellen.61 Im Falle wertorientierter Kennzahlen soll der Shareholder Value als Richtschnur genommen werden. Der dadurch ermittelte Unternehmenswert stellt als Zahl eine messbare Zielgröße dar. Hieran wird erkennbar, ob die Ergebnisse der Unternehmenstätigkeit über oder unter der Messlatte einer wettbewerbsfähigen Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals liegen; damit wird die Frage beantwortet, ob den Interessen der Eigenkapitalgeber in ausreichendem Maße entsprochen wurde. Auf dieser Grundlage kann ermittelt werden, ob Wertsteigerung, Werterhaltung oder Wertvernichtung vorliegt. Wertorientierte Kennzahlen verbessern nicht nur die Kontrolle der Eigenkapitalgeber über das Management. Überdies erlauben sie auch eine Kontrolle durch andere Stakeholder. Arbeitnehmer können z.B. hieraus entnehmen, inwiefern die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zumindest erhalten wurde, was entsprechende Aussagen über die Sicherheit der Arbeitsplätze erlaubt. Werden aus wertorientierten Kennzahlen Zielvorgaben für den Wertbeitrag einzelner Unternehmensteile abgeleitet, können sie außerdem in einem MbO-Prozess (Management by Objectives) eingesetzt werden; hieran können Anreize für die Zielerreichung durch Mitarbeiter geknüpft werden. Grundsätzliche Vorgehensweise Bei der Ermittlung wertorientierter Kennzahlen wird angestrebt, Daten des Externen Rechnungswesens derart anzupassen, dass der Shareholder Value zumindest annähernd abgebildet wird. Die zentrale Anforderung, um als wertorientierte Kennzahl gelten zu können, ist hierbei, zumindest eine Mindestverzinsungserwartung der Anteilseigner in der Rechnung auszuweisen. In der Diskussion sind mehrere Alternativen. Ohne im Detail auf die Rechnungsgrößen einzugehen, die im Zuge der Wertermittlung einbezogen werden, sollen im Folgenden grundsätzliche Eigenschaften wertorientierter Kennzahlen aufgezeigt werden. Ausgangspunkt ist das Kapital, bestehend aus Eigen- und Fremdkapital (vgl. im Folgenden Abb. 9). Dies wird dafür genutzt, Vermögen, und zwar Anlage- und Netto-Umlaufvermögen (Working Capital), zu finanzieren. Abschreibungen auf das Vermögen stellen Aufwand dar, ebenso wie Steuer an den Staat, Lohn an die Mitarbeiter, Entgelt für Lieferanten und Zinsen an die Fremdkapitalgeber. Der 60 61
Vgl. Ewert/ Wagenhofer 2000, S. 19. Vgl. Ewert/ Wagenhofer 2000, S. 4.
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Aufwand wird dem Ertrag gegenüber gestellt, der aus dem Umsatz mit den Kunden resultiert. Der Gewinn ergibt sich aus der Differenz von Ertrag und Aufwand. In der Unternehmenspraxis wird als Kennzahl für den Gewinn häufig der Net Operating Profit After Taxes (NOPAT) verwendet. Da der Gewinn eine periodisierte Zahlungsgröße ist, resultiert hieraus nach Aufhebung der Periodisierung der Cash Flow. Diese grundlegenden Zusammenhänge werden – zumindest verdichtet – in wertorientierten Kennzahlen wiedergegeben. In der betrieblichen Praxis entstehen allerdings zunächst nicht-periodisierte Zahlungsströme im Rahmen der Finanzrechnung, die dann für die betriebliche Erfolgsrechung und das Externe Rechnungswesen periodisiert werden. Unternehmen Staat
Steuer
Aufhebung Periodisierung
Mitarbeiter Lohn
Lieferanten Entgelt Fremdkapitalgeber
Zins
Cash Flow Gewinn = Ertrag - Aufwand Ertrag
Bilanz-Aktivseite
Aufwand
z.B. NOPAT
Umsatz Kunden
Vermögen Anlage Anlagevermögen AbschreiUmlauf bungen
z.B. EVA Bilanz-Passivseite
Finanziert
Eigenkapitalgeber
z.B. CFROI
Kapital Fremdkapital
WACC
Eigenkapital
Abb. 9: Wertorientierte Kennzahlen
Charakteristische Eigenschaft wertorientierter Kennzahlen ist, wie erwähnt, die Mindestverzinsungserwartung der Anteilseigner – oder anders ausgedrückt die Eigenkapitalkosten – auszuweisen. Beim „Equity“-Ansatz werden – wie der Begriff sagt – die Eigenkapitalkosten unmittelbar zu Grunde gelegt. Beim „Entity“Ansatz werden als erweitertem Konzept die Eigenkapital- mit den Fremdkapitalkosten zusammengefasst. Hieraus ergeben sich die gewichteten durchschnittlichen Kapitalkosten („Weighted Average Cost of Capital“, WACC). Dabei liegen die Fremdkapitalkosten im Normalfall unter den Eigenkapitalkosten, in denen zusätzlich eine höhere Risikoprämie enthalten ist. Beide Ansätze sind dennoch als grundsätzlich gleichwertig anzusehen.62 Der Unterschied liegt vornehmlich im Berechnungsmodus. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die Verzinsung auf das
62
Vgl. Günther 1997, S. 106.
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Kapital (als gebundenes Kapital) zu beziehen oder auf das Vermögen (als investiertes Kapital). Diese zwei Alternativen werden gleichermaßen vertreten.63 Eine weitere grundsätzliche Anforderung an eine wertorientierte Kennzahl sollte sein, zukünftige Ein- und Auszahlungen abzuschätzen und diese mit der Mindestverzinsungserwartung beziehungsweise mit den Eigenkapitalkosten abzuzinsen. Die Prognose zukünftiger Zahlungen, vor allen Dingen über mehrere Jahre hinweg, ist jedoch mit zu großen Unsicherheiten behaftet und damit für Manipulationen anfällig. Es wird zwar dafür plädiert, DCF basierte Modelle zu verwenden, mit dem Argument, hierdurch werde das Management gezwungen, seine „Vision“ in nachprüfbaren Zahlen auszudrücken. Hierdurch könnten zumindest die Annahmen, die den prognostizierten Zahlungsströmen zugrunde liegen, diskutiert und damit expliziert und kontrolliert werden.64 Da jedoch keine Methoden existieren, mit denen auch weit entfernte Zahlungsströme hinreichend genau prognostiziert werden können, verbleiben nur Verfahren, mit denen die Wertveränderung in einer betrachteten Periode erfasst wird. Hierbei werden keine Aussagen darüber getroffen, inwieweit die Wertveränderung in der betrachteten Periode eine Wertveränderung in anderen, zukünftigen Perioden zur Folge hat. Es ist somit nicht ausgeschlossen, dass eine Wertsteigerung in einer Periode eine Wertminderung in nachfolgenden Perioden nach sich zieht.65 Unterschiedliche Kennzahlen-Konzepte Es gibt zwei grundsätzliche Einteilungen wertorientierter Kennzahlen.66 Die erste Einteilung ergibt sich daraus, ob Cash Flow- oder gewinnorientierte Größen verwendet werden. Entsprechend ist der Periodenerfolg einmal ein Cash Flow als Finanzmittelüberschuss, im anderen Fall ein Gewinn (vgl. Abb. 10). Cash FlowGrößen entsprechen – gemäß den obigen Ausführungen – wie oben ausgeführt, dem Shareholder Value-Verständnis. Da die Daten des externen Rechnungswesens jedoch, wie oben angesprochen, nicht den Anforderungen des Shareholder Value entsprechen, sind Anpassungen der Daten des Externen Rechnungswesens vonnöten, wenn Cash Flow-Größen der Berechnung zugrunde gelegt werden sollen. Wird hingegen der Gewinn als Ausgangsbasis genommen, können grundsätzlich die Daten aus dem Externen Rechnungswesens verwendet werden. Als Begründung für eine solche Vereinfachung wird das Lücke-Theorem angeführt. Nach diesem Theorem ist der Barwert der Gewinne gleich dem Barwert der Cash Flows. Denn Gewinne sind von Ertrag und Aufwand determiniert, die wiederum nichts anderes als periodisierte Einzahlungen und Auszahlungen als Vorstufen des Cash Flows darstellen. In den in der Praxis bekannten Konzepten finden sich jedoch Vermischungen zwischen Gewinn- und Cash Flow-Daten. Die zweite grundsätzliche Einteilung unterscheidet, ob die Kennzahl mit Wertbeiträgen operiert oder einen Rentabilitäts-Wert ausweist. Der Wertbeitrag stellt 63
Vgl. Günther 1997, S. 210, sowie Ewert/ Wagenhofer 2000, S. 9-18, und Deimel 2002. Vgl. Cornell 2003. 65 Vgl. Ewert/ Wagenhofer 2000, S. 17. 66 Vgl. im Folgenden Ewert/ Wagenhofer 2000, S. 7-33, siehe auch Deimel 2002. 64
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eine absolute Kennzahl dar, der den Wertbeitrag einer Periode berechnet. Eine positive Wertveränderung wird dann ausgewiesen, wenn die Differenz aus Periodenerfolg und Kapitalkosten über 0 liegt, also über die Mindestverzinsung hinaus ein Übergewinn beziehungsweise Überverzinsungs-Cash Flow erwirtschaftet wurde. Ziel Instrument
Wertorientiertes Management Wertorientierte Kennzahlen
Basis Bedingung Wertbeitrag Absolute Kennzahlen-Konzepte
Gewinn Cash Flow ./. Mindestverzinsung des eingesetzten (Gesamt-)Kapitals = Übergewinn = Überverzinsungs-Cash Flow Residualgewinnkonzepte: Residualstromgrößenkonzepte: EVA CVA EP SVA GWB
Bezugsgröße
Kapitaleinsatz = Investiertes bzw. gebundenes Kapital
Relative Kennzahlen- Konzepte
Gewinn-basierte Rentabilitätskennzahlen: ROI ROC RONA ROIC ROE ROCE
Wertsteigerung
Gewinn pro Kapitaleinheit über geforderter Mindestverzinsung dieser Kapitaleinheit
Cash Flow-basierte Rentabilitätskennzahlen: CFROI SVR
Abb. 10: Logik und Systematik der Klassifikationen wertorientierter Kennzahlen
Wird als Periodenerfolg der Gewinn verwendet, stellt dies ein Residualgewinnkonzept dar, weil vom Gewinn die Kapitalkosten, gemessen als Verzinsung des gebundenen (investierten) (Gesamt)Kapitals, abgezogen werden. Zu diesen Konzepten zählen: Economic Value Added (EVA), Economic Profit (EP), Geschäftwertbeitrag (GWB). Den stärksten Bezug zum zusätzlichen Cash Flow als Periodenerfolg weisen dagegen Cash Value Added (CVA) und der Shareholder Value Added (SVA) auf. In Analogie zum obigen Residualgewinnkonzept handelt es sich hierbei um ein Residualstromgrößenkonzept. Relative Kennzahlenkonzepte setzen die Kennzahlen in Bezug zum Kapitaleinsatz, also dem investierten bzw. gebundenen Kapital. Gewinnbasierte Rentabilitätskennzahlen stellen im Vergleich zum absoluten Wertbeitrag hingegen eine relative Kennzahl dar, in der ein Periodenerfolg zum Kapitaleinsatz in Beziehung gesetzt wird. Zu Rentabilitätskennzahlen, die Gewinngrößen verwenden, zählen Return on Investment (ROI), Return on Capital (ROC), Return on Net Assets (RONA), Return on Invested Capital (ROIC), der Return on Equity (ROE) sowie der Return on Capital Employed (ROCE) der nur das betriebliche Ergebnis einbezieht und auf das betriebsnotwendige Kapital bezieht, das finanzielle Ergebnis wird jedoch nicht in der Berechnung berücksichtigt.
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Armin Töpfer, Christian Duchmann
Entsprechend dem Lücke-Theorem wird auch der Überverzinsungs-Cash Flow als relative Kennzahl auf den Kapitaleinsatz bezogen. Mit anderen Worten liegt der Unterschied zu den gewinnbasierten Rentabilitätskennzahlen darin, dass jetzt Stromgrößen verwendet werden. Wir nennen sie deshalb Cash Flow-basierte Rentabilitätskennzahlen. Hierzu zählen der Cash Flow Return on Investment (CFROI) sowie der Shareholder Value Return (SVR). Die unterschiedliche Berechnung der auf einem Wertbeitrag basierten absoluten Kennzahlen-Konzepte und der auf einen Kapitaleinsatz bezogenen relativen Kennzahlen-Konzepte als Rentabilitäts-Kennzahlen wird in Abbildung 9 bezogen auf die Ableitung von EVA und CFROI einfach nachvollziehbar. Beide Kennzahlen sind hierbei auf das Vermögen und nicht auf das Kapital bezogen. Entscheidend ist bei den relativen Kennzahlen-Konzepten ebenfalls, unter welcher Bedingung eine Wertsteigerung zustande kommt. Entsprechend unseren vorstehenden Ausführungen ist dies der Fall, wenn die Verzinsung des eingesetzten (Gesamt)Kapitals über der geforderten Mindestverzinsung dieses Kapitals liegt. Konkret bedeutet dies bezogen auf relative Kennzahlen-Konzepte, dass der Gewinn pro Kapitaleinheit über der geforderten Mindestverzinsung dieser Kapitaleinheit liegt. Eine positive Wertveränderung ergibt sich dann, wenn die Rentabilitätsspanne, beispielsweise ausgedrückt als Differenz zwischen dem ROC und dem Zinssatz des WACC (in Prozent), über 0 liegt. Ein deutlich höheres Niveau an Komplexität kommt dann zustande, wenn die relativen Kennzahlen nicht nur für eine, sondern für mehrere Perioden ermittelt werden, also nicht nur statisch, sondern dynamisch sind. Denn bei diesen mehrperiodischen und damit diskontierten Kennzahlen wie zum Beispiel dem Discounted Cash Flow Return On Investment (DCFROI) kommt die an frühere Stelle angesprochene Prognose-Problematik in vollem Maße zum Tragen. Das Problem liegt dabei nicht nur in der Vorhersage der Zahlungsströme pro Periode, sondern auch des jeweiligen Kapitaleinsatzes, also der Bruttoinvestitionsbasis (BIB). Nur auf dieser Basis können aussagefähige Gewinn- oder Cash Flow-basierte Rentabilitätskennzahlen für mehrere Perioden ermittelt werden, die dann auch zu Barwerten führen, die fundierten Investitionsentscheidungen zugrunde gelegt werden können. In den einzelnen Beiträgen dieses Buches werden unterschiedliche Konzepte des wertorientierten Managements vorgestellt, im Detail erläutert und an Beispielen demonstriert. Deshalb wird an dieser Stelle auf eine ausführliche Beschreibung einzelner Konzepte und Kennzahlen verzichtet. Der Schwerpunkt wird hier auf die grundsätzliche Logik und Systematik der Klassifikationen gelegt, wie sie in Abbildung 10 verdeutlicht wurden. Defizite in der Informationsbasis Trotz etablierter Wertermittlungsverfahren deutet sich an, dass die Unternehmenspraxis vielfach von ihnen abweicht. Auch Residualgewinnkonzepte erfordern Anpassungen der Zahlen des externen Rechnungswesens. Sie werden jedoch von
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Unternehmen nicht konsequent umgesetzt.67 Dieser Befund deckt sich mit weiteren Untersuchungen, die ergaben, dass Unternehmen ihre Kennzahlen häufig inkonsistent verwenden.68 Insofern ist das Untersuchungsergebnis nicht verwunderlich, dass in vielen Unternehmen „traditionelle“ Kennzahlen wertorientierten Kennzahlen noch vorgezogen werden.69 Neben den bestehenden Prognoseproblemen ist allen Verfahren zur Ermittlung wertorientierter Kennzahlen die Problematik gemeinsam, wie die Mindestverzinsungserwartung beziehungsweise die Kapitalkosten ermittelt werden. Beim Ansatz von Fremdkapitalkosten kann der vereinbarte Zins zugrunde gelegt werden oder bei marktfähigen Anleihen zum Beispiel die Rendite dieser Anleihen am Markt. Beide Alternativen sind eher unproblematisch und können damit als Grundlage der Ermittlung von Fremdkapitalkosten dienen.70 Schwieriger erweist sich der Ansatz der Eigenkapitalkosten, denn Eigenkapitalgeber haben nur Anspruch auf den Residualerfolg eines Unternehmens. Folgerichtig vereinbart das Unternehmen keine Zinszahlungen mit Eigenkapitalgebern. Herkömmlicherweise werden die Eigenkapitalkosten von Aktien durch das „Capital Asset Pricing-Modell“ (CAPM) ermittelt71: Zentrale Überlegung ist hierbei72, dass die Höhe des erwarteten Zinssatzes von dem Risiko abhängt, welches der Anleger mit der Aktie verbindet. Je höher das Unternehmensrisiko eingeschätzt wird, desto höher die erwartete Risikoprämie, die Anleger verlangen. Desto höher sind dann aber auch die Zahlungen, die ein Unternehmen leisten muss, wenn es Eigenkapital erhalten will.73 Dies lässt die Schlussfolgerung zu: Je risikoreicher eine Investition ist, desto höher muss die mit ihr zu erwirtschaftende Verzinsung ausfallen, um die erhöhte Risikoprämie bezahlen zu können. Nach dem CAPM setzt sich die Mindestverzinsungserwartung aus drei Bestandteilen zusammen: Zinsen für eine risikofreie Anlage plus der Risikoprämie für das allgemeine Risiko am Aktienmarkt („systematisches Risiko“) plus der Risikoprämie für ein bestimmtes Unternehmen („unsystematisches Risiko“). Das Risiko wiederum wird in diesem Modell an der Volatilität des Aktienkurses in der Vergangenheit festgemacht. Diese vergangene Volatilität gibt jedoch keine Auskunft über das Risiko in der Zukunft, und gerade an letzterem orientieren sich die Anleger. Wie Lubatkin et al. demonstrieren, liefert das CAPM Anlegern somit falsche Entscheidungsdaten.74 Doch nicht nur die Ermittlung der Risikoprämie unterliegt Fehleinschätzungen. Anleger haben unterschiedliche Anlageoptionen und weisen unterschiedliche Ri67
Vgl. Aders/ Herbertinger/ Wiedemann 2003, S. 360. Vgl. Ewert/ Wagenhofer 2000, S. 6. 69 Vgl. Ewert/ Wagenhofer 2000, S. 5f. 70 Vgl. weitergehend Rappaport 1995, S. 59. 71 So auch in einer wertorientierten Evaluierung von Europas 500 größten Börsengesellschaften durch Arthur Andersen für das Manager Magazin. Vgl. o.V. 2003a. 72 Vgl. z.B. Lubatkin/ Schulze/ McNulty/ Yeh 2003, S. 82f. 73 Vgl. Coenenberg/ Salfeld 2003, S. 185. 74 Vgl. Lubatkin/ Schulze/ McNulty/ Yeh 2003. Dort finden sich weitere Einwände gegen CAPM. 68
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sikopräferenzen auf. Infolgedessen setzen sie unterschiedliche Risikoprämien an, was wiederum bewirkt, dass Anleger nicht unbedingt die gleiche Mindestverzinsungserwartung haben.75 2.4
Unterschied zwischen Börsenwert und Unternehmenswert
In der Diskussion um wertorientierte Kennzahlen werden regelmäßig Konzepte angeführt, die den Marktwert von Eigen- und Fremdkapital als Grundlage nehmen.76 Der Marktwert von Aktien zeigt sich beispielsweise an der Börsennotierung. Allgemein setzt sich der Marktwert eines Unternehmens hierbei aus der Summe der Marktwerte von Eigen- und Fremdkapital sowie Aktienoptionen zusammen. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang der Market Value Added-Ansatz sowie Marktwert/Buchwert-Relationen. Der Market Value Added (MVA) ist definiert als Differenz zwischen dem Marktwert und dem (investierten/gebundenen) Kapital, d.h. den Zahlungen von Eigen- und Fremdkapitalgebern. Marktwert/Buchwert-Relationen setzen den Marktwert zu Angaben des Externen Rechnungswesens in Beziehung. Da immaterielle Vermögenswerte, wie oben ausgeführt, nur sehr eingeschränkt im Externen Rechnungswesen angesetzt werden und da Eigen- und Fremdkapitalgeber diese grundsätzlich mit den auf ihnen basierenden Ein- und Auszahlungen in ihre Erwartung der Unternehmenswertentwicklung einfließen lassen, bieten sie eine Erklärung für die Höhe der Differenz zwischen Markt- und Buchwert.77 Zu diesen immateriellen Vermögenswerten zählen z.B. bestimmte Know-how-Leistungen des Unternehmens respektive der Mitarbeiter, Patente oder der Markenwert. In Abbildung 11 sind die führenden Unternehmen in Europa bezogen auf den MVA aufgelistet. Die Frage ist jedoch, ob Aktionäre ihre Anlageentscheidungen überhaupt am Shareholder Value eines Unternehmens ausrichten und ob sie zukünftigen Auszahlungen an die Aktionäre, in Form von Dividenden und Kapitalrückzahlungen, hinlänglich genau erfassen können bzw. wollen. Denn nur dann ist der Börsenkurs in einer kausalen Beziehung hierzu und kann als Indikator der Wertschaffung verwendet werden. Der Shareholder Value bleibt jedoch von den Anlegern am Kapitalmarkt unbeachtet. In einer Befragung von Price Waterhouse wurde festgestellt, dass Anleger herkömmliche Kennzahlen, wie z.B. Umsatzrendite, wesentlich mehr beachten als wertorientierte Kennzahlen.78 Zudem verfügen Anleger und Management nicht über den selben Informationsstand hinsichtlich der Einflussfaktoren auf den SV.79 Das Management besitzt einen Informationsvorsprung und ist deswegen eher in der Lage, einen DCF-basierten Zukunftserfolgswert zu er-
75
Vgl. Aders/ Herbertinger/ Wiedemann 2003, S. 357. Vgl. zu den Konzepten beispielsweise Günther 1997, S. 221-233 oder Neville 2004, S. 22. 77 Vgl. Töpfer/ Lau 2000, S. 50-52. 78 Vgl. Ewert/ Wagenhofer 2000, S. 6. 79 Vgl. Aders/ Herbertinger/ Wiedemann 2003, S. 357. 76
Das Dresdner Modell des Wertorientierten Managements
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mitteln.80 Deshalb kann nicht verwundern, wenn Anteilseigner durch ihr Informationsdefizit die Daten, die für die Ermittlung des tatsächlichen Unternehmenswertes ausschlaggebend sind, nicht kennen. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25
Company Name Shell combined GSK BP PLC Novartis Nokia OYJ Nestle SA Total SA Roche Holding ENI SPA Unilever Group Carrefour SA Orange SA Siemens AG Philips Electronics France Telecom ENEL SPA BASF AG Tesco PLC E. ON AG Telefonica SA DaimlerChrysler AG Deutsche Telekom AG Telecom Italia S Vivendi Universal SA Vodafone Group
Industry Oil Comp - Integrated Medical - Drugs Oil Comp - Integrated Medical - Drugs Telecoms Equipment Food-Misc Oil Comp - Integrated Medical - Drugs Oil Comp - Integrated Food-Misc Food-Retail Cellular Telecom Diversified Electonic Compo Telephone - Integrated Electric - Integrated Chemicals Food-Retail Electric - Integrated Telephone - Integrated Autocars/Light Trucks Telephone - Integrated Telephone - Integrated Media Cellular Telecom
MVA 93,946 86,968 69,006 59,662 56,686 52,254 51,952 43,661 28,990 27,541 21,978 16,757 11,999 11,548 11,360 9,877 8,556 8,143 5,132 4,834 248 (2,005) (17,723) (37,963) (143,865)
Market Value 195,314 121,994 192,160 96,985 73,530 103,950 114,630 89,207 84,195 62,008 44,808 39,844 52,082 31,170 113,852 63,308 32,077 26,609 99,743 83,745 139,642 125,748 65,550 50,621 150,541
Capital 90,772 37,503 112,251 37,260 16,671 51,136 65,399 42,126 53,111 33,839 21,947 22,676 39,542 19,443 92,711 53,360 23,125 18,404 88,101 73,398 138,962 123,764 74,288 83,087 295,675
EVA 6,125 6,347 144 2,743 2,429 3,953 1,798 (1,203) 1,471 1,494 621 (6,049) (1,031) (4,925) (29,954) (1,289) 249 305 (5,408) (6,053) (9,128) (20,258) (4,638) (10,413) (11,676)
NOPAT 12,416 9,107 8,786 5,252 3,852 7,082 6,703 1,742 5,729 4,292 2,435 (3,819) 2,244 (2,907) (18,476) 2,694 2,043 1,776 789 996 5,521 (7,559) 3,557 (1,938) 11,130
ROCE 15.9% 25.7% 8.0% 13.8% 24.6% 13.6% 11.3% 4.0% 11.0% 11.5% 10.5% -15.4% 5.4% -13.2% -18.0% 5.2% 8.9% 10.1% 1.0% 1.3% 3.8% -5.6% 4.5% -1.9% 4.1%
Market value as of 31 December 2002 Capital as of 31 December 2002, year- and operating capital Exchange rate as of 31 December 2002, in Mill. Euro per USD 0,9531, source Bloomberg Excludes banks, insurance and other financial institurions
Abb. 11: Top 25 in Europa (nach Market Value Added) (Quelle: Corporate Finance 03/ 2004, S. 24)
Diese Aussage wird von anderen Untersuchungen gestützt. Wie eine Studie von McKinsey ergab81, beurteilen Anleger üblicherweise nur Teile des Unternehmens. Mit dieser selektiven Bewertung bilden sie ihre Erwartungen über die Unternehmensentwicklung nur aufgrund der Analyse einiger bestimmter Unternehmensvariablen, zum Beispiel aufgrund der Humanressourcen oder der Strategie oder der Finanzwerte des Unternehmens. Zudem legen bestimmte Klassen von Investoren ihren Anlageentscheidungen unterschiedliche Zeithorizonte zugrunde, von kurzfristig bis langfristig. Erschwerend hinzu kommen Defizite institutioneller Anleger hinsichtlich der Analyse von betrieblichen Strategieprozessen.82 Es gibt empirische Hinweise darauf, dass institutionelle Anleger, wie Pensionskassen, Versicherungen, Investmentfonds, auf ein Planungsmodell zurückgreifen, wenn sie Unternehmen analysieren. Dieses Planungsmodell lautet annähernd so: Der Vorstand eines Unternehmens plant, der Plan wird durch die Organisation umgesetzt. Wird das Ziel nicht erreicht, liegt dies vor allem am Vorstand. Dieses Strategieverständnis wird jedoch von Strategie- und Organisationsforschern wie Mintzberg als wenig realistisch eingeschätzt, vor allem, weil es die dezentrale Wissensentstehung und Strategieentwicklung nicht in Rechnung stellt. Auf Basis dieser fehlerhaften Unter80
Vgl. Cornell 2003, S. 74. Vgl. Coyne/ Witter 2002, S. 73-75. 82 Vgl. im Folgenden Nicolai/ Thomas 2004, insb. S. 463. 81
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Armin Töpfer, Christian Duchmann
nehmensanalyse besteht die Gefahr, dass institutionelle Investoren ihre Anlageentscheidungen eben nicht im Sinne des Shareholder Value fällen. Irrationalität von Börsenkursentwicklungen Doch es gibt noch weitere Gründe, warum der Shareholder Value nicht die Grundlage der Anlageentscheidungen von Aktionären bildet. Verschiedene Ergebnisse der Börsenpsychologie (als Bestandteil der Behavioral Finance) belegen die verzerrte Informationsverarbeitung von Aktionären.83 Eine gewichtige Rolle spielen Ankerpreise, die in der Prospect-Theorie ausführlich untersucht werden: Je nachdem, welcher Aktienkurs als Referenzwert verankert ist, empfindet der Aktionär „Gewinn“ (über Referenzwert) oder „Verlust“ (unter Referenzwert). Aktien mit Kursen unterhalb des Referenzwertes werden zu lange gehalten, Aktien mit Kursen oberhalb des Referenzwertes werden zu früh verkauft, weil die „Regret“Vermeidung, also das Bedauern, den besten Zeitpunkt verpasst zu haben, die Motivlage dominiert. Außerdem weisen empirische Ergebnisse darauf hin, dass populäre „glamour stocks“ von Anlegern bevorzugt werden, obwohl sie regelmäßig von unauffälligen „value stocks“ in der Wertentwicklung überboten werden. Intensiv untersucht wurden außerdem Börsenblasen („bubbles“), die durch Aktienkurse gekennzeichnet sind, die nicht mehr durch die Fundamentalwerte gedeckt sind. Zur Erklärung wird angeführt84, ein Aufschwung in den Börsenpreisen verleitet neue Anleger dazu, es den nun reich gewordenen Aktienbesitzern gleich zu tun. Sie erwerben Aktien des Unternehmens, was wiederum deren Marktpreis erhöht, so dass weitere Anleger neu einsteigen usw. Die Spirale der Börsenpreise dreht sich nach oben („Feedback-Modell“). Shiller85 beschreibt außerdem den Börsengang von Palm, bei dem – in seinen Worten – „Fanatiker“ („zealots“) den Börsenkurs zu einer exzessiven Überbewertung getrieben haben. Weil so viele „Fanatiker“ die Aktie hielten, war es für die vernünftigen Anleger („smart money“) nicht möglich, durch Derivategeschäfte den Aktienkurs hin zum Fundamentalwert zu korrigieren. Dadurch, dass Anleger mitunter den zukünftigen Wiederverkaufswert ihrer Aktien einbeziehen, wenn sie ihr Einstiegsangebot für eine Aktie formulieren, ergeben sich bisweilen Spekulationsprämien, wenn der Aktienkauf vornehmlich vom mutmaßlichen Wiederverkaufswert getrieben wird, sowie ein Vertrauensabschlag, wenn sich eine allgemeine Vertrauenskrise auf das Aktionärsverhalten auswirkt.86 Ein spekulationsgetriebener Kursauftrieb entspricht der typischen „winner’s curse“-Situation87: Derjenige erwirbt eine Ressource, der am optimistischsten ist und deswegen das höchste Kaufgebot abgibt. Im Falle von Aktienkäufen ist das derjenige, der beim Höchstkurs kauft. Weil er aber am meisten zahlt, 83
Vgl. im Folgenden Baker/ Nofsinger 2002. In diesem Beitrag sind auch weitere Befunde dargestellt. 84 Vgl. Shiller 2003, S. 91-96. 85 Vgl. Shiller 2003, S. 96-99. 86 Vgl. Aders/ Herbertinger/ Wiedemann 2003, S. 359 und 362. 87 Vgl. Zajac/ Bazerman 1991, S. 40-42.
Das Dresdner Modell des Wertorientierten Managements
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erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass die folgenden Auszahlungen des Unternehmens an ihn diesen Preis nicht decken. Welche Auswirkungen „Kursphantasien“ haben können, sei am Fall des „internet bubble“ in der Analyse von Porter ausgeführt: „Responding to investor enthusiasm over the Internet’s explosive growth, stock valuations became decoupled from business fundamentals… The executives of companies conducting business over the Internet have .. downplayed traditional measures of profitability … The internet has given rise to an array of new performance metrics that have only a loose relationship to economic value… The dubious connection between reported metrics and actual profitability has served only to amplify the confusing signals about what has been working in the marketplace.”88 Wie sich dies auf Aktienbewertungen einzelner Unternehmen niedergeschlagen hat, sei am Beispiel von Yahoo als Internet-Firma im Vergleich zu traditionellen Unternehmen verdeutlicht.89 Anfang 2000 hatte Yahoo einen Börsenwert von ca. 88 Mrd. € im Vergleich zum Börsenwert von ca. 87 Mrd. € für BASF, Lufthansa, Metro, VEBA und VW zusammen. Dem Umsatz von ca. 550 Mio. € und 50 Mio. € Gewinn, der mit 1200 Mitarbeitern bei Yahoo erreicht wurde, standen bei den 5 anderen Unternehmen ein Umsatz von ca. 163 Mrd. €, ein Gewinn von ca. 3,99 Mrd. € gegenüber, der von 563.000 Mitarbeitern erwirtschaftet wurde. Trotz deutlich besserer Umsatz- und Gewinnzahlen der „Old Economy“ bewirkte die Börsenpsychologie und -euphorie für Internetfirmen diese völlige Wertüberschätzung. Gespiegelt an den Kurswerten des Jahres 2005 wird das Versäumnis wertorientierter Kennzahlen in früheren Jahren besonders deutlich. Börsenkurs kein primäres Ziel des SV Abschließend ist, aus den zahlreichen genannten Gründen, festzuhalten, dass der Börsenkurs aufgrund klarer empirischer Tatsachen in keiner ursächlichen Beziehung zum Shareholder Value (SV) steht. Dennoch kommt dem Börsenwert aufgrund der internationalen Verflechtung der Kapitalmärkte immer noch eine ergänzende Bedeutung für Investorenentscheidung zu, wie Coenenberg und Salfeld argumentieren: „Angesichts dieser Gemengelage von Einfluss- und Inanspruchnahmen [durch Stakeholder] ist für börsennotierte Unternehmen die Orientierung an der Kapitalmarktperformance, d.h. an der jeweiligen Entwicklung des Börsenwerts, als maßgeblichem Indikator und bedeutendster Zielgröße unternehmerischen Handelns, unabdingbar. Gerade unter den Bedingungen weltweit integrierter, zunehmend effizienter Kapitalmärkte vermittelt der Aktienkurs zumindest langfristig das sicherlich transparenteste Bild der Geschäftsentwicklung eines Unternehmens, aber auch der vom Markt wahrgenommenen künftigen Chancen und Risiken.“90 Aus den oben dargelegten Gründen ist allerdings abzulehnen, aus dem Börsenkurs die Mindestverzinsungserwartung der Eigenkapitalgeber abzulesen, wie 88
Porter 2001, S. 65. Vgl. o.V. 2000. 90 Coenenberg/ Salfeld 2003, S. 36. 89
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Armin Töpfer, Christian Duchmann
von Rappaport vorschlagen.91 Bei diesem Ansatz wird unterstellt, der Aktienpreis drücke aus, welche Auszahlungshöhe die Aktionäre an sich zukünftig erwarten. Die Frage ist dann, wie in dem Fall zu verfahren ist, wenn die Mindestverzinsungserwartungen, die der Börsenkurs widerspiegeln soll, überzogen sind. Wenn Aktionäre zum Beispiel auf eine Spekulationsprämie für sich setzen und deswegen weniger den DCF als SV-Indikator des Unternehmens im Auge haben, sondern mehr den Wiederverkaufswert ihrer Aktien aufgrund der Nachfrage und Zahlungsbereitschaft anderer Anleger. Dann kann der Börsenkurs kein verlässlicher Maßstab sein. Hier bietet es sich an, nicht überzogene Mindestverzinsungserwartungen der Aktionäre als Kapitalkosten anzusetzen, sondern realistischere niedrigere Werte als Mindestverzinsungsansprüche zugrunde zu legen. Dies sind Ansprüche, die ein Aktionär an ein Unternehmen stellen darf, weil er realistischerweise für seine Kapitalanlage in eine andere vergleichbare Kapitalanlage nicht mehr erhalten kann. Auch im amerikanischen Raum werden inzwischen deutlich artikulierte Einwände – wie im Wall Street Journal und in der Financial Times – vorgebracht gegen die Vorstellung, aus dem Börsenkurs Mindestverzinsungserwartungen abzuleiten und als Unternehmensziel zu verankern.92 Anderenfalls würde dies für das Management eines Unternehmens zur Folge haben, in risikoreichere Projekte mit einer höheren möglichen Kapitalverzinsung investieren zu müssen. Dies kann im Misserfolgsfall aber zu einer Wertvernichtung führen, so dass dann die gesamte Kapitalverzinsung gefährdet wäre. Konsequenterweise kann deshalb auch die Kurssteigerung kein primäres Ziel beim Shareholder Value darstellen. Rappaport postuliert zwar: „Geschäftsstrategien sollten nach Maßgabe der ökonomischen Renditen beurteilt werden, die sie für die Anteilseigner schaffen und die im Falle einer börsengehandelten Kapitalgesellschaft mittels Dividendenzahlungen und Kurswertsteigerungen der Aktien gemessen werden.“93 Diese Zielkonzeption entspricht dem Total Shareholder Return beziehungsweise Total Business Return94, der aus den dargestellten Gründen nur in einem partiellen Zusammenhang zum SV steht. Anderenfalls kann eine zu starke kapitalmarktorientierte Steuerung des Unternehmens zu einer Fehlentwicklung führen. In dieser Hinsicht ist Aders, Herbertinger und Wiedemann zu folgen, dass „die alleinige Ausrichtung der Unternehmensführung an den Erwartungen des Kapitalmarkts mit der Zielsetzung der (oftmals kurzfristigen) Maximierung des Aktienkurses letztlich zu Wertvernichtung führen kann.“95 Diese Ansicht drückt auch Dunsch aus: „Nicht das Prinzip [des SV] war fehlerhaft, sondern die Verbiegung zur Ideologie und zur engstirnigen Ausrichtung am Börsenwert.“96 Generell war die ursprüngliche SV-Theorie nicht auf die Börsenkursentwicklung ausgerichtet, sondern vielmehr auf die Aus91
Vgl. Rappaport 1995, S. 162f. und 172f. Vgl. Fuller/ Jensen 2002. 93 Rappaport 1995, S. 12f. 94 Vgl. Plaschke 2003, S. 115-119. 95 Aders/ Herbertinger/ Wiedemann 2003, S. 356. 96 Dunsch 2004. 92
Das Dresdner Modell des Wertorientierten Managements
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zahlungen in Form von Dividenden. Der Fokus auf die Börse trat erst später in den Vordergrund.97 Fehlsteuerung durch nur börsenorientierte Anreizsysteme Aus den angeführten Gründen sind auch Anreizsysteme abzulehnen, welche die Managementvergütung zu stark an den Börsenkurs koppeln, wie unspezifizierte Aktienoptionen. Das Problem stellen zum einen „windfall profits“ dar, bei denen Kurssteigerungen nur aufgrund des allgemeinen Börsentrends entstehen. Deswegen sollten Boni für die Börsenentwicklung zumindest im Vergleich zu BranchenBenchmarks erfolgen.98 Wenn, wie in einigen Unternehmensskandalen der jüngsten Zeit, die Unternehmenszahlen manipuliert wurden, um den Börsenwert steigen zu lassen, dann konnten in dieser Situation die Mitarbeiter zugleich Aktienoptionen mit hoher Wertsteigerung einstreichen.99 Dies führt also zu einem doppelten Schaden für das Unternehmen: Neben dem Wertverlust durch die Manipulation entsteht noch ein Wertverlust für die Aktionäre durch eigentlich unberechtigt eingelöste Aktienoptionen. Die folgende Aussage verdeutlicht das Ausmaß der Wertvernichtung durch Aktienoptionen: „Even in 2001, after the stock-market bubble had burst, the value of stock options granted to the CEOs of S&P 500 companies, America’s largest, rose by 43,6% in a year when the total returns from those companies fell by almost 12%.“100 Hieraus kann konstatiert werden, dass derartig gestaltete Aktienoptionen das Verhalten des Managements eben nicht am Shareholder Value ausrichten: Der Aktienkurs eignet sich nicht zur Kontrolle des Managements, wertorientierte Kennzahlen erfüllen diese Funktion in einem besseren Ausmaß. Deswegen erscheinen ergänzende bzw. alternative Anreizsysteme, wie Bonusbanken, besser dem Gedanken des Shareholder Value zu entsprechen. Zielsetzung einer wertorientierten Unternehmensführung sollte es allerdings auch sein, die Erwartungen der Shareholder mit dem Fundamentalwert DCF in Einklang zu bringen. Der Ausweis einer wertorientierten Kennzahl erleichtert die Kommunikation der Wertschaffung vor allem auch gegenüber dem Kapitalmarkt. Mit dem Konzept des Value Reporting wird diese Zielsetzung verfolgt.101 Der Ausweis wertrelevanter Firmendaten soll die Informationsasymmetrien zwischen Management und Investoren in Bezug auf die Wertentwicklung abbauen. Aufgrund solcher Informationen können Eigenkapitalgeber eine bessere Anlageentscheidung fällen („decision usefulness“), was ein maßgebliches Ziel des Shareholder Value-Ansatzes repräsentiert. In einer Untersuchung der Geschäftsberichte der im DAX 100 notierten Unternehmen aus dem Jahr 2000 zeigte sich, dass viele Unternehmen noch längst nicht alle wertrelevanten Informationen veröffentlichen. So weisen z.B. nur 24% Planwerte für die Steuerungskennzahlen aus und sogar nur 17% nennen die Höhe ihrer Kapitalkosten. 97
Vgl. Smith 2003, S. 89. Vgl. Coenenberg/ Salfeld 2003, S. 234-240. 99 Vgl. Neville 2004, S. 27, sowie O.V. 2003b, S. 74. 100 Vgl. o.V. 2003b, S. 74. 101 Vgl. im Folgenden Ruhwedel/ Schultze 2002. 98
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Armin Töpfer, Christian Duchmann
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Die integrierte Sicht des wertorientierten Managements im Dresdner Modell
3.1 Ursachen-Wirkungs-Beziehungen zwischen den Gestaltungsund Steuerungsfeldern Shareholder Value und Stakeholder Value sind, das zeigt unsere vorangegangene Argumentation, deckungsgleich, sofern die Überverzinsung als Teil des erwirtschafteten Mehrwerts betroffen ist. Statt um die Frage, ob der Mehrwert eines Unternehmens zu Gunsten der Shareholder und zu Lasten der anderen Stakeholder verteilt werden soll, geht es vielmehr darum, wie Mehrwert im Sinne des Stakeholder Value für sämtliche Stakeholder geschaffen werden kann. Oder wenigstens ein Mehrwert, der die Mindestverzinsungserwartung der Shareholder bedient, ohne die Zahlungen an andere Stakeholder zu vermindern. Das Schaffen und Steigern des Unternehmenswerts ist der primäre Fokus des wertorientierten Managements bzw. des Value Based Management.102 Die Frage der Verteilung an die unterschiedlichen Stakeholder ist dann, wie erwähnt, durch eine geeignete Ausgestaltung der Corporate Governance zu regeln. 3.1.1
Schaffen Wertgeneratoren Mehrwert?
Durch das Einbeziehen der wertorientierten Kennzahlen und der entsprechenden Daten aus dem Rechnungswesen lassen sich bei den Einflussgrößen auf den Unternehmenswert Wertgeneratoren103 ableiten. Sie sind in Abbildung 12 wiedergegeben. Es handelt sich hierbei um sieben finanzwirtschaftliche Werttreiber, die durch betriebswirtschaftliche interne Werttreiber „gespeist“ werden. Es gibt eine Reihe von Auflistungen dieser Wertgeneratoren.104 Wir binden die gebräuchlichen Faktoren in unser Variablensystem, basierend auf Abbildung 9, ein: Die Höhe der Shareholder Value-Kennzahl wird durch folgende Wertgeneratoren gesteigert: x Umsatzwachstum als Ertragssteigerung (1) x Erhöhung der Umsatzrendite als Verhältnis von Ertrag zu Aufwand (2) 102
103
104
Für empirische Untersuchungen über die Implementierung wertorientierten Manage ments sei verwiesen auf: Haspeslagh/ Noda/ Boulos 2001; Ryan/ Trahan 1999; Bühner/ Stiller/ Tuschke (2004). Vgl. Rappaport 1995, S. 56. In der deutschen Übersetzung werden Wertgeneratoren „Werttreiber“ genannt. Günther verwendet jedoch den Begriff „Wertgenerator“. Vgl. Günther 1997, S. 296. Zur Abgrenzung von Werttreibern von Wertgeneratoren vgl. Töpfer 2000, S. 35. Vgl. z.B. das „Shareholder Value“-Netzwerk bei Rappaport 1995, S. 79; sowie Aders/ Herbertinger/ Wiedemann 2003, S. 363-365. Für umsatzbezogene Wertgeneratoren sei auf Bauer/ Hammerschmidt 2005 verwiesen.
Das Dresdner Modell des Wertorientierten Managements
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x Vergrößerung des Vermögens durch Erweiterungsinvestitionen in das Anlageund/oder (Netto-)Umlaufvermögen (Working Capital) (3) x Kostensenkung als Verminderung des Aufwands (4) x Verbesserung des Verhältnisses von Zinslast zu Vermögen, z.B. durch eine Beschränkung auf das betriebsnotwendige Kapital, welches wiederum durch die Finanzstruktur an Eigen- und Fremdkapital bedingt ist, die Zinslast reduzieren (5) x Cash Flow-Timing, dadurch dass Erträge zeitlich vorgezogen bzw. beschleunigt und Aufwendungen zeitlich verzögert werden, was zugleich die Zinslast senkt (6) x Steuerpolitik des Unternehmens durch Ausnutzung gesetzlicher Spielräume der Finanzierungs-, Bilanzierungs- und Standortentscheidungen (7). Die Erweiterungsinvestitonsrate (3) weist darauf hin, inwieweit sich das Vermögen des Unternehmens erhöht hat. Diese Angabe ist deswegen für die Werterfassung wichtig, weil ein Vermögenszuwachs andeutet, dass im Sinne der „prospektiv-pagatorischen Bilanzdeutung“ eine Erhöhung des Mehrwertpotenzials im Sinne zukünftiger Einzahlungen eingetreten ist.105 Dabei ist es möglich, dass ein Vermögenszuwachs im Periodenvergleich eintritt, auch wenn die volle Höhe der geforderten Mindestverzinsung des Eigenkapitals nicht erreicht wurde.
Staat
Unternehmen Steuer
7 Aktive Steuerpolitik
Mitarbeiter Lohn
4
Aufwand vermindern
Cash Flow
6
Gewinn = Ertrag - Aufwand Ertrag
Umsatz
Aufwand Lieferanten Entgelt Fremdkapitalgeber
Zins
Vermögen Anlage Anlagevermögen Abschreibungen Umlauf
3 Vermögen Eigenkapitalgeber
vergrößern (Erweiterungsinvestitionen)
Verhältnis 2 Ertrag/Aufwand erhöhen Kapital Fremdkapital Eigenkapital
Erträge zeitlich vorziehen, Aufwendungen verzögern Kunden Umsatz-
1 wachstum
5 Verhältnis
Zinslast/ Vermögen verbessern
Abb. 12: Wertgeneratoren
Solche und ähnliche Wertgeneratoren-Aufgliederungen kennzeichnen, an welchen Größen des Shareholder Value zur Steuerung angesetzt werden kann. Damit können Maßnahmen begründet werden, welche die entsprechenden Größen beein105
Vgl. Ordelheide 1998, S. 500.
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Armin Töpfer, Christian Duchmann
flussen. Jedoch erlauben sie keine Aussage darüber, ob hierdurch generell Mehrwert geschaffen wird. Um nicht nur kurzfristige Effekte, sondern einen längerfristigen Wettbewerbsvorteil zu erreichen, ist es erforderlich, dass ein Wettbewerber nicht die Möglichkeit hat, den Wertgenerator in gleichem Maße zu beeinflussen bzw. zu aktivieren. Wenn ein Unternehmen z.B. seine Kosten senkt, um seine Preise im selben Maße herabsetzen zu können mit dem Ziel, seinen Umsatz zu erhöhen, könnte ein Wettbewerber in gleicher Weise nachziehen, was die Umsatzerhöhung als Basis für eine Wertsteigerung vereitelt. Zudem lassen sich aus solchen Auflistungen von Wertgeneratoren nicht unmittelbar konkrete Maßnahmen ableiten. 3.1.2
Werttreiber schaffen Mehrwert
Um einen Mehrwert durch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten zu generieren und diesen möglichst langfristig zu bewahren, sind bestimmte Anforderungen zu erfüllen. Nach dem Ressourcenorientierten Ansatz, der nach seinen Einflussgrößen auch mit dem Akronym VRIO-Ansatz bezeichnet wird106, erzielt dasjenige Unternehmen einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil, welches folgende Bedingungen erfüllt: x Das Unternehmen verfügt über wertvolle, mehrwertschaffende Ressourcen, d.h. Ressourcen, die nachhaltigen Kundennutzen stiften (Valuable). x Diese wertvollen Ressourcen sind nur selten bei Wettbewerbern vorhanden (Rareness). x Diese wertvollen und raren Ressourcen sind von Wettbewerbern nicht schnell und ohne weiteres imitierbar (Imitable). x Diese wertvollen, raren und nicht imitierbaren Ressourcen werden vom Unternehmen in der Organisation Mehrwert schaffend eingesetzt (Organisation). Eine weitere zentrale Anforderung, um einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen, ist die Marktorientierung des Unternehmens. Entsprechend dem Marktorientieren Ansatz kann das Unternehmen nur durch eine hohe Marktorientierung Produkte und Prozesse fokussiert und erfolgsorientiert auf die Kundenbedürfnisse zuschneiden und damit Wettbewerbern überlegen sein.107 Marktorientierung wird innerhalb des Ressourcenorientierten Ansatzes als Fähigkeit (capability) konzipiert.108 Diese Fähigkeit besteht im Einzelnen aus drei Faktoren: Erster Faktor ist die Werthaltung, Kundenbedürfnissen im Unternehmenshandeln oberste Priorität einzuräumen. Zweiter Faktor ist die Fähigkeit, über überlegene Informationen hinsichtlich Kunden und Wettbewerber zu verfügen. Der dritte Faktor bezieht sich darauf, funktionsübergreifende Ressourcen im Unternehmen so zu koordinieren, dass diese einen überlegenen Kundennutzen stiften.
106
Vgl. im Folgenden Barney 1997, S. 145-162. Eine Diskussion neuerer Entwicklungen des Ressourcenorientierten Ansatzes findet sich in Hoopes/ Madsen/ Walker 2003. 107 Vgl. Töpfer 1994. 108 Vgl. Day 1994.
Das Dresdner Modell des Wertorientierten Managements
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Sofern Wettbewerbsvorteile auf den bisherigen Entwicklungspfad eines Unternehmens zurückgehen, den Wettbewerber nicht oder nur unter prohibitiv hohen Kosten nachvollziehen können,109 erhöht sich die Nachhaltigkeit eines Wettbewerbsvorteils, und zwar um so mehr, je früher eine Investition in diesen Entwicklungspfad im Vergleich zu Wettbewerbern erfolgt. Um einen Entwicklungspfad zu durchlaufen, den Wettbewerber sich nicht ohne weiteres erschließen können, ist organisationales Lernen des gesamten Unternehmens und nicht nur einzelner Mitarbeiter erforderlich. Dies ist der Grund dafür, warum im Strategischen Management Wissen und damit Lernen als entscheidende Basis für Wettbewerbsvorteile angesehen wird.110 Das Beispiel Toyota belegt dies. Das Unternehmen ist nicht nur für die Wettbewerber in der Automobilbranche Benchmark, sondern gilt generell für ein schlankes und effizientes Produktionssystem sowie für eine KaizenKultur mit einem hohen Mitarbeiter-Empowerment als Vorbild. Jenseits der Diskussion, ob Strategien, die Entwicklungspfade erschließen, tatsächlich planbar sind oder sich vielmehr aus dem dezentralen, nicht planbaren Zusammenwirken von Unternehmensteilen ergeben („emergente“ Strategien),111 gehen wir nachstehend davon aus, dass der ursächliche Hebel eines Unternehmens, um Wettbewerbsvorteile zu generieren, am organisationalen Lernen anzusetzen hat. Deswegen ist Lernen der Ausgangspunkt112 des im Folgenden dargestellten Dresdner Modells des Wertorientierten Managements. Wir haben für das Modell das Akronym DISCOVER gewählt, was für Dresden Integrated Score Card Of Value Excellence Relations steht. Das Modell entspricht der dargestellten Zielsetzung, durch fehlerfreie, effiziente und werthaltige Prozesse auf ExcellenceNiveau, also unter hoher Erfüllung der Zielgruppenanforderungen, eine Wertsteigerung im Unternehmen und des Unternehmens zu erreichen. Integriert ist dieses Modells: Zum einen, weil es die Wertorientierung im Unternehmen ganzheitlich realisiert, und zum anderen, weil es aus einem gesamt- und betriebswirtschaftlichen Ansatz eine synoptische Wertsteigerung anstrebt. Das Modell basiert zugleich auf der Konzeption der Balanced Score Card (BSC), die von Kaplan und Norton entwickelt wurde.113 Die BSC eignet sich als Denkraster und Grundlage für wertorientiertes Management insofern gut, als durch die vier Perspektiven beziehungsweise Ebenen der mehrstufige UrsachenWirkungs-Prozess aller wesentlichen Gestaltungs- und Aktivitätsfelder abgebildet wird, die für die Wertschöpfung und das Schaffen von Mehrwert maßgeblich sind. Zunächst sollen die grundlegenden Zusammenhänge als Kernbereiche des Dresdner Modells erläutert werden (vgl. im Folgenden Abb. 13). Sie stehen für die vier Perspektiven der Balanced Score Card: Mitarbeiter/ Lernen und Entwickeln, Prozesse/ Marktleistungen, Kunden/ Markt sowie Finanzergebnisse. Ausgangspunkt ist damit neben dem individuellen personenorientierten Lernen das 109
Vgl. Bresser 1998a, S. 306f. sowie Barney 1997, S. 152-154. Vgl. Bresser 1998a, S. 307f. Siehe hierzu vor allem Teece 2000 sowie Al-Laham 2003, S. 1-5. 111 Vgl. Bresser 1998b, S. 11-13. 112 Vgl. zur Argumentation Töpfer 2000b. 113 Vgl. Kaplan/ Norton 1997. 110
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Armin Töpfer, Christian Duchmann
organisationale Lernen, insbesondere in Gestalt von Forschung & Entwicklung. Aus dem Lernen ergeben sich die drei Arten von Innovationen, nämlich Produkt-, Prozess- und Sozialinnovationen.114 Sozialinnovationen beziehen sich auf die Mitarbeiter und dabei insbesondere auf die Weiterentwicklung der Prozesse und Strukturen für eine bessere Zusammenarbeit im Unternehmen. Die Mitarbeiter steuern Wertschöpfungsprozesse und vermarkten das Produkt in Richtung Kunden. Produktinnovationen verbessern die Leistungsfähigkeit und den Kundennutzen des Endprodukts. Prozessinnovationen steigern die Effizienz der Leistungserstellung. Prozess- und Produktinnovationen erstrecken sich auf die gesamte Supply Chain und damit auch auf alle Lieferanten. Inwieweit das Produkt einen Markterfolg und dadurch Wert schafft, hängt davon ab, ob die Prozess- und Produktinnovationen im Vergleich zum Wettbewerb auf dem Markt eine höhere Effizienz als Preis-Leistungs-Relation und höhere Effektivität als Kundennutzen aufweisen. Wenn das Unternehmen durch schlanke Wertschöpfungsprozesse eine günstige Kostenposition realisiert, die an den Kunden durch attraktive Preise weitergegeben wird, dann lassen sich über diese Umsatz-Kosten-Relation vorteilhafte Finanzergebnisse erreichen. Auszahlung an Shareholder/ Fremdkapitalgeber Investition ins Unternehmen
Kosten
Lieferant
Finanzergebnisse
Umsatz
Markt (Wettbewerb)
EndVorProduktion produkt produkt Prozesse (Supply Chain)
Produkt- und Prozessinnovationen
Steuern
Kunde
Vermarkten
Mitarbeiter
Anreizsystem: Bonus an Mitarbeiter
Sozialinnovationen
Lernen und Entwickeln
Finanzierung: Eigen-/ Fremdkapital
Abb. 13: Beziehungen in der Wertschöpfungskette
Finanzergebnis aus Sicht des Shareholder Value ist der Cash Flow. An die Mitarbeiter erfolgen Auszahlungen von diesem Finanzergebnis als Erfolgsprämie im Rahmen eines Bonus- und Anreizsystems. Wie bereits dargestellt, wird nach der Verzinsung des eingesetzten Fremdkapitals und nach der Zinszahlung an die 114
Vgl. zu den Innovationsarten Gerpott 1999, S. 39f.
Das Dresdner Modell des Wertorientierten Managements
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Eigenkapitalgeber, zum Beispiel in Form einer Dividende, der verbleibende Teil des Cash Flows für ertragreiche Investitionen im Unternehmen verwendet. Dies stellt den vorteilhaften Fall einer Selbstfinanzierung dar. Wenn ein Unternehmen in das wettbewerbsentscheidende Lernen investiert, entsteht zunächst ein Ungleichgewicht von Einzahlungs- und Auszahlungsströmen. Denn die Auszahlungen erfolgen früher als die Einzahlungen. Mit anderen Worten verursachen Lernen und der Ressourcenaufbau für den Wertschöpfungsprozess Auszahlungen, denen erst später Einzahlungen in Form von Umsatz gegenüber stehen. Deswegen ist eine Vorfinanzierung des Lernens erforderlich, und zwar entweder durch Selbstfinanzierung oder durch zusätzliches Eigen- oder Fremdkapital. Eigen- sowie Fremdkapitalgeber werden aber nur dann zu einer Vorfinanzierung bereit sein, wenn sie eine angemessene Verzinsung ihres Kapitals durch die erwirtschafteten Finanzergebnisse erwarten können. Aus den Mindestverzinsungserwartungen der Kapitalgeber, also der vertraglich vereinbarten Zinshöhe für Fremdkapitalgeber und den Ansprüchen an eine Verzinsung im Vergleich zu Alternativanlagen für die Eigenkapitalgeber, ergeben sich die Kapitalkosten für das Unternehmen, die über den Umsatz als ausreichend hoher Überschuss erwirtschaftet werden müssen. Das zentrale Anliegen einer Balanced Score Card liegt darin, auch qualitative Größen zu erfassen, und damit solche Faktoren, die zwar die finanziellen Ergebnisse beeinflussen, denen aber nicht immer ein Wert mit hinreichender Genauigkeit zugewiesen werden kann. Mitarbeiterlernen hat einen hohen Einfluss auf den Unternehmenswert, es ist aber schwierig, seine quantitative Wirkung auf den Shareholder Value zu beziffern.115 Deswegen werden in einer Balanced Score Card Größen aufgelistet, die zumindest über Indikatoren, wenn auch nicht immer in monetären Größen messbar sind. Mitarbeiterlernen kann beispielsweise annäherungsweise mit dem Indikator Patentanmeldungen abgebildet werden. Auf diese Weise ergeben sich Vorsteuerungsgrößen, d.h. Größen, die erst längerfristig den Unternehmenswert in nennenswerter Weise beeinflussen und dem Unternehmen einen frühzeitigen Steuerungsansatz eröffnen. Ein wertorientiertes Controlling, das sich allein darauf beschränkt, monetäre Größen zu erfassen, greift deutlich zu kurz. Es ist im übrigen nicht unbedingt notwendig, den Wert einer Maßnahme quantitativ exakt beziffern zu können. In diesem Fall reicht es im Allgemeinen aus, die Kosten zu ermitteln und dann zu entscheiden, ob der vermutete Nutzen aus dieser Maßnahme die Kosten übersteigt.116 An einem Beispiel illustriert, würde dies bedeuten: Den Kosten für Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität und Reputation als Arbeitgeber durch die Teilnahme und Präsentation des Unternehmens auf Veranstaltungen für Mitarbeiterrekrutierung/ Personalmarketing ist gegenüber zu stellen, ob sich dies positiv darauf auswirkt, dass sich die Spitzengruppe qualifizierter Bewerber beim Unternehmen bewirbt. In einer Balanced Score Card werden also alle diejenigen Größen aufgenommen, die von maßgeblicher Relevanz für den zukünftigen Unternehmenswert sind.
115 116
Ansätze finden sich bei Scholz/ Stein/ Bechtel 2004. Vgl. zu diesen Überlegungen Rosen 2002, S. 237.
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Armin Töpfer, Christian Duchmann
Sie werden als Werttreiber bezeichnet.117 Alle diese Überlegungen und Ausführungen bilden die Basis des Dresdner Modells. Hinzugefügt wurde zusätzlich ein Cash Flow-Pfeil, der den für den Unternehmenswert zentralen Ein- und Auszahlungszusammenhang verdeutlichen soll. In Abbildung 14 ist das Dresdner Modell des Wertorientierten Managements in seiner Grundstruktur wiedergegeben. Der Unternehmenswert im Sinne des Shareholder Value ist für ein Unternehmen das wichtigste Ziel. Deswegen befindet er sich im Zentrum des Modells. Aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive entspricht dies dem Ziel der gesamtwirtschaftlichen Prosperität, also der Wertsteigerung einer Volkswirtschaft, beispielsweise ausgedrückt durch die Zunahme und Höhe des Bruttosozialprodukt/Kopf oder des Wachstums. Bestandteile sind aus betriebswirtschaftlicher Sicht – dies ist der erste Ring um das Zentrum – die vier ausgeführten Ebenen/ Perspektiven der Balanced Score Card. Ausgangspunkt ist die Ebene Lernen und Entwickeln, das durch Mitarbeiter getragen und vollzogen wird. Dann folgen im Uhrzeigersinn – entsprechend der dargestellten Zusammenhänge – die weiteren Ebenen der Balanced Score Card: Prozesse/Marktleistungen, Kunden/Markt und Finanzergebnisse. Korrespondierend zu diesen vier Ebenen wurden aus gesamtwirtschaftlicher Sicht – dies entspricht dem zweiten Ring um das Zentrum – vier gesamtwirtschaftliche Tätigkeitsfelder definiert. Die Sozial-/Bildungspolitik nimmt dabei Einfluss auf den Wissensstand und damit die Lernfähigkeit von Menschen, also auch von Mitarbeitern eines Unternehmens. Die Industrie-/Wachstumspolitik gestaltet in einer Volkswirtschaft insbesondere die Versorgung mit Infrastruktur; sie nimmt dadurch Einfluss auf die gesamte, für Unternehmen wesentliche Supply Chain. Die Wirtschaftspolitik legt beispielsweise im Rahmen der Wettbewerbspolitik die Bedingungen für das Marktgeschehen fest. Von der Finanz-/ Steuerpolitik gehen zum Beispiel über Ertragssteuern Auswirkungen auf die Finanzergebnisse eines Unternehmens aus, welche die Vorteilhaftigkeit von Eigen- gegenüber Fremdkapital beeinflussen. Für die betriebswirtschaftliche und gesamtwirtschaftliche Sicht gemeinsam gilt der Cash Flow-Pfeil, der den äußersten Ring des Modells bildet. Er zeigt die Finanzströme an. Basierend auf einer gesicherten Finanzierung werden Investitionen als Ausgaben im betriebs- oder gesamtwirtschaftlichen Kontext getätigt. Sie sollen zu Einnahmen führen, die zugleich die Basis schaffen für Zinszahlungen an die Kapitalgeber. Mit dem erwirtschafteten Mehrwert eröffnet sich durch die Selbstfinanzierung ein zusätzlicher Handlungsspielraum. Um diese Wirkungen zu erreichen, ist von entscheidender Bedeutung, welche Ziele im Rahmen des wertorientierten Managements verfolgt werden. Das Basisziel ist die Wertsteuerung. Hier geht es darum, mit Hilfe aussagefähiger Wertgrößen/ -kennzahlen die Unternehmenspolitik und/ oder die gesamtwirtschaftliche Politik so zu gestalten, dass ein Mehrwert entsteht. Das Steuern konzentriert sich – wie im ersten Kapitel bereits angesprochen wurde – zum einen darauf, durch geeignete Maßnahmen gegebene Ziele zu erreichen. Im Gegensatz zu diesem Single Loop bedeutet ein Double Loop, dass auf Grund von Lerneffekten auch die Ziele 117
Vgl. zum Begriff Töpfer 2000, S. 35.
Wertsteuerung
Betriebswirtschaftliche Anforderungen + Inhalte
Gesamtwirtschaftliche Anforderungen + Inhalte
Investitionen/ Ausgaben
Finanzierung
Sozial-/ Bildungspolitik
Gesamtwirtschaftliche Prosperität
Finanz-/ Steuerpolitik
Finanzergebnisse
Kunden/ Markt
Wirtschaftspolitik
Selbstfinanzierung
Unternehmenswert Mitarbeiter/ Lernen und Entwickeln
Prozesse/ Marktleistungen
Industrie-/ Wachstumspolitik
Finanzströme
Wertsteigerung
Zinszahlung
Einnahmen
Werterhaltung/ Vermeidung der Wertvernichtung
Das Dresdner Modell des Wertorientierten Managements 47
selbst in ihrer Art und Höhe aktiv festgelegt respektive verändert werden. Wertsteuerung bezieht sich dann zum anderen also auch auf den Inhalt und das Ausmaß der verfolgten Werte; dies kann über Gestaltungsprozesse zu einer Veränderung existierender Systeme führen.
Abb. 14: Grundstruktur des Dresdner Modells des Wertorientierten Managements (DISCOVER – Dresden Integrated Score Card Of Value Excellence Relations)
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Armin Töpfer, Christian Duchmann
Das eigentliche inhaltliche Ziel des wertorientierten Management ist demnach eine Wertsteigerung, und zwar im Idealfall für alle Stakeholder eines Unternehmens bzw. Bürger eines Staates. Da Wirtschaften das Einsetzen von knappen Gütern zum Gegenstand hat, lässt sich dieses Ziel nicht immer realisieren. Wenn der Handlungs- und Gestaltungsspielraum sehr eng ist, beispielsweise aufgrund konjunktureller, übernationaler oder globaler (negativer) Einflüsse, dann besteht das Ziel darin, zumindest die Werterhaltung und damit die Vermeidung der Wertvernichtung sicherzustellen. In der Realität kann es für staatliche Akteure wichtig sein, sich unmittelbar an der Wertschaffung für Unternehmen auszurichten, um das wertorientierte Management von Unternehmen durch geeignete gesamtwirtschaftliche Maßnahmen indirekt zu fördern. Wenn z.B. durch im internationalen Vergleich wettbewerbsfähige Unternehmenssteuern Industrieansiedlungen gefördert und damit Produktionsverlagerungen in andere Länder vermieden werden, dann verbessert dies einerseits die Ertragssituation von Unternehmen. Andererseits ist hiermit eine Erhöhung der Steuereinnahmen des Staates beabsichtigt, die zugleich den Handlungsspielraum in der Wirtschafts- und Sozialpolitik vergrößert, damit also den Stakeholdern von Unternehmen sowie den Bürgern des Staates zu Gute kommt. Wesentlich ist hierbei, auch indirekte Wechselwirkungen zu berücksichtigen. Sie können in dem obigen Beispiel darin gegeben sein, dass den direkten Effekten auch der Sachverhalt gegenübergestellt werden muss, wenn bei einer Produktionsverlagerung ins Ausland die Mitarbeiter dieser Unternehmen arbeitslos werden und dann die Sozialsysteme des Staates zusätzlich belastet werden. Im Folgenden wird kurz auf die einzelnen Faktoren beziehungsweise Bestandteile der vier Perspektiven aus betriebs- und gesamtwirtschaftlicher Sicht eingegangen. Sie werden jeweils in einer Abbildung dargestellt, um das Spektrum der Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen der Wertsteuerung aufzuzeigen. Wesentliche inhaltliche Vernetzungen im Sinne von Ursachen-WirkungsBeziehungen werden im nachfolgenden Artikel beispielhaft ausgeführt. Die Inhalte der einzelnen Beiträge zu speziellen Themenstellungen und zur Umsetzung in der Praxis lassen sich ebenfalls auf die jeweilige Sicht des Dresdner Modells des Wertorientierten Managements rückbeziehen. Die Information über die inhaltlichen Schwerpunkte der Beiträge dieses Buches liefert die Synopse in Abbildung 17 anhand der aus Abbildung 15 und 16 abgeleiteten Kriterien. 3.2
Betriebswirtschaftliche Werttreiber
Im betriebswirtschaftlichen Teil des Dresdner Modells (vgl. Abb. 15) beziehen sich die Inhalte der Perspektive Mitarbeiter/ Lernen und Entwickeln zum einen auf wichtige Fragen im Rahmen des Human-Ressourcen-Managements, zum anderen auf Fragen der Unternehmensgründung und Börsengang/ Initial Public Offering (IPO), der Intellectual Properties und des Wissensmanagements generell. Zusammen mit dem KVP-Prozess bilden letztere den Übergang zur zweiten Perspektive der Prozesse/ Marktleistungen. Hierzu gehören Themen wie Innovation, Outsourcing, Risiko- und Qualitätsmanagement.
Das Dresdner Modell des Wertorientierten Managements
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Supply Chain Management symbolisiert den Übergang von lieferantengestützten Wertschöpfungsprozessen zu markt- und kundenorientierten Ergebnissen. Auf der dritten Perspektive stehen Themen wie Customer Relationship Management (CRM) sowie Kunden- und Markenwert im Vordergrund. Alle Aktivitäten schlagen sich in den Finanzergebnissen nieder. Neben der Steuerpolitik sind insbesondere die erwirtschaftete Kapitalrendite sowie die Dividendenpolitik von Bedeutung. Im Rahmen der wertorientierten Steuerungskonzepte kommt neben Anreizsystemen und Investor Relations insbesondere auch der Corporate Governance ein hoher Stellenwert zur Steuerung des Cash Flow-Zyklus zu. Einzelne Aspekte werden in den betriebswirtschaftlichen Beiträgen dieses Buches ausführlicher diskutiert.
Cash Flow Umweltmanagement Auslandsverlagerung
Investitionen/ Ausgaben
Prozesse/ Marktleistungen Risikomanagement
M&A Outsourcing/ Netzwerk
Qualitätsmanagement
Qualität Marke CRM
Technologie Supply Chain Management
Reengineering Wissensmanagement/ IT KVP
BPM
Kundenwert
Preispolitik Kunden/ Markt
Marktforschung
Innovation
Beschwerdemanagement
Umsatz/ Einnahmen
CrossSelling Markenwert
Unternehmenswert SteuerWertorient. Intellectual politik SteuerungsMA-Wert Properties konzepte Debitoren-/ KapitalKreditorenWertorienrendite Gehaltspolitik Leadership tierte Anreizmanagement systeme AktienMitarbeiter/ Finanzerrückkauf Investor Lernen und Mission/ gebnisse Vision Relations Entwickeln DividendenBörsenCorporate Lobbying politik gang Governance DiviEntrepredenden neurship
Finanzierung (Eigen-/ Fremdkapital)
Zinszahlung
Selbstfinanzierung
Abb. 15: Betriebswirtschaftliche Anforderungen und Inhalte des Dresdner Modells des Wertorientierten Managements (DISCOVER)
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3.3
Armin Töpfer, Christian Duchmann
Volkswirtschaftliche Werttreiber
Im gesamtwirtschaftlichen Teil des Dresdner Modells (vgl. Abb. 16) werden zunächst einige kurze Ausführungen zum staatlichen Geldstrom gemacht. Die Geldmenge ist der Ausgangspunkt, sie legt maßgeblich fest, in welchem Ausmaß Finanzierungskapital zur Verfügung steht. Mit diesem Finanzierungskapital operieren sowohl Unternehmen als auch staatliche Institutionen. Der Staat kann zusätzlich durch Fördermaßnahmen/ Subventionen zur Unternehmensfinanzierung beitragen, wodurch generell die Wettbewerbsintensität beeinflusst wird. Aus Sicht des Staates stellt die Finanzierung von Bildungsinitiativen und Infrastruktur Investitionen in öffentliche Güter dar. Regulatorische Eingriffe durch Gesetze beispielsweise zum Umweltschutz oder zur Corporate Governance bedeuten für den Staat grundsätzlich nur wenig Aufwand und Ausgaben. Für die Unternehmen, die daraufhin ihr gesamtes Handeln und Verhalten in einzelnen Bereichen neu ausrichten und gestalten müssen, können hierdurch erhebliche Ausgaben und Folgekosten entstehen. In umgekehrter Sichtweise bedeuten zum Beispiel fehlende Fördermaßnahmen des Staates ebenfalls regulierende Eingriffe in das Wirtschaftsgeschehen, allerdings in der Weise, dass beispielsweise in der Umweltpolitik bestimmte Technologiekonzepte in ihrer Umsetzung und Anwendung nicht vorangetrieben werden. Sie fördern dadurch weder die Wettbewerbsposition von Unternehmen noch der gesamten Volkswirtschaft. Generelles Ziel ist, dass staatlichen Ausgaben Einzahlungen in Form von Steuereinnahmen gegenüber stehen. Eine Kreditfinanzierung der Maßnahmen des Staates würde dann in geringerem Maße erforderlich sein, als dies heute der Fall ist. Die Finanzierung erfolgt einerseits durch Verbrauchssteuern (z.B. Mehrwertsteuer) und Verkehrssteuern, die begleitend zur Supply Chain anfallen und im Endeffekt vom Konsumenten getragen werden; andererseits durch Gewinn- bzw. Ertragssteuern, die z.B. als Körperschaft- und Einkommensteuer bei Unternehmensgewinnen oder Aktionärsdividenden zum Tragen kommen. Von diesen Steuereinnahmen muss der Staat auch seine Finanzierungskosten begleichen, die bei einer staatlichen Kreditaufnahme fällig werden. Nur der Rest des staatlichen Geldstroms verbleibt für die Selbstfinanzierung durch Steuern. Eine hohe Kreditfinanzierung der Staatsausgaben zieht damit eine hohe finanzielle Belastung im Rahmen des Schuldendienstes nach sich, so dass der Handlungsspielraum für eine aktive staatliche Wirtschafts- und Sozialpolitik deutlich eingeschränkt wird. Zukunftsgerichtetes wertorientiertes Management mit dem Ziel einer Wertsteigerung auf nationaler Ebene ist dann nur noch in begrenztem Maße durchführbar. Die Steuerungsmöglichkeit des Staates reduziert sich mit zunehmender Kreditfinanzierung in dem dann noch realisierbaren Maße auf eine Werterhaltung, also auf die Vermeidung von Wertvernichtung. Sozialtransfers, insbesondere an Arbeitslose, verteilen Einkommen in einem bestimmten Maße um. Dadurch können Marktgegebenheiten beeinflusst werden, obwohl dies vornehmlich der Sicherung des Existenzniveaus dient. Aktive Wirtschaftspolitik auf nationaler Ebene lässt sich hierdurch nicht bewerkstelligen. In den einzelnen Beiträgen dieses Buches wird hierauf vertieft eingegangen.
Das Dresdner Modell des Wertorientierten Managements
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Staatlicher Geldstrom Wechselkurs-/ Währungspolitik UmweltIndustrie-/ politik Wachstumspolitik KonTraG Investitionen (in öffentliche Güter)/ Ausgaben
Außenhandelspolitik
Verbrauchssteuern
Internationale Wirtschaftsbeziehungen Infrastruktur
Kunden/ Markt Staatlicher Konsum
Gesamtwirtschaftliche Prosperität
Ertragssteuern
Arbeitsregulierung Sozial-/ Bildungspolitik
Mitarbeiter/ Lernen und Entwickeln
Duale Berufsausbildung Forschungsförderung Subventionen Staatliche Kreditnahme Finanzierung
Sozialtransfer
Umverteilung
Prozesse/ Marktleistungen
Intellectual Property Rights
Wettbewerbspolitik Wirtschaftspolitik
Finanz-/ Steuerpolitik
Finanzergebnisse
Risikomanagementvorschriften
Steuereinnahmen
Finanzmarktförderung
Zinszahlung
Geld-/ Zinspolitik
(Geldmenge)
(Selbst-) Finanzierung aus Steuern
Abb. 16: Gesamtwirtschaftliche Anforderungen und Inhalte des Dresdner Modells des Wertorientierten Managements (DISCOVER)
4
Ziel und Konzeption des Buches: Überblick und Einordnung der Beiträge
Ziel des Buches ist es, den gegenwärtigen Wissenstand des wertorientierten Managements in Wissenschaft und Praxis aufzuarbeiten. Auf der Basis des integrierten Modells der Wertorientierung (Dresdner Modell DISCOVER) sollen Vernetzungen der gesamt- und betriebswirtschaftlichen Wertorientierung aufgezeigt werden. Dabei wurde die Konzeption des Buches so zugeschnitten, dass sie sich
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Armin Töpfer, Christian Duchmann
nicht nur, wie der überwiegende Teil der bisherigen Publikationen, auf Wertsteuerung konzentriert, sondern eine ganzheitliche Sicht erweitert um Wertsteigerung und -erhaltung umfasst. Dies bedeutet, dass neben Wertgeneratoren der Schwerpunkt auf strategische und operative Werttreiber gelegt wird. Der Sammelband vereint bewusst eine Kombination von Artikeln aus Sicht der Wissenschaft und der Praxis, und zwar mit volkswirtschaftlicher und betriebswirtschaftlicher Ausrichtung. Auf diese Weise können einerseits grundsätzliche Anforderungen und Inhalte sowie andererseits konkrete Umsetzungen und Ausgestaltungen dokumentiert werden. Das vorliegende Buch richtet sich generell an Mitglieder von Unternehmensleitungen und bereichsverantwortliche Führungskräfte großer und mittelständischer Unternehmen sowie speziell an für die wertorientierte Unternehmensführung zuständige Experten. Zusätzlich wollen wir dem praxisorientierten Hochschulbereich und Mitgliedern von Unternehmensberatungen ein fundiertes Erfahrungsspektrum vermitteln. Um die Navigation bei den einzelnen Kapiteln und Beiträgen des Buches zu erleichtern, ist in den Abbildungen 17 Teil 1 und 17 Teil 2 eine Synopse aller Artikel wiedergegeben, die anhand eines einheitlichen Kriterienrasters die Beiträge inhaltlich einordnet und in Bezug auf die Behandlung einzelner Themen bewertet. Im Folgenden wird auf die Gliederungssystematik sowie auf die einzelnen Autorenbeiträge jeweils kurz eingegangen. Der zweite Beitrag im ersten Kapitel zur „Ganzheitlichen Konzeption des wertorientierten Managements“ von Töpfer, Thum und Uhr legt ebenfalls wie dieser Einführungsbeitrag das Dresdner Modell des Wertorientierten Managements (DISCOVER) zugrunde und arbeitet daran Ursachen-Wirkungs-Beziehungen zwischen einzelnen strategischen und operativen Aktivitäten im gesamt- und betriebswirtschaftlichen Wirkungsverbund auf. Auf dieser Basis sind Zielkomplementaritäten und Zielkonkurrenzen nachvollziehbar. Das zweite Kapitel mit „Gesamtwirtschaftlichen Anforderungen und Inhalten“ befasst sich mit volkswirtschaftlichen Konzepten und Systemen unterschiedlicher Art. Wertschaffende Unternehmen fördern nicht nur den Wohlstand ihrer Shareholder, sondern gleichfalls den ihrer Stakeholder insgesamt. Stakeholder sind Bürger, Gruppen oder Organisationen von Staaten. Hüther untersucht in seinem Beitrag, inwieweit ein Staat die Standortbedingungen bereit stellt, welche den Unternehmen die Wertschaffung erleichtern. Hiervon wird die Attraktivität einer Volkswirtschaft entscheidend beeinflusst. Er zeigt zusätzlich, warum die deutsche Volkswirtschaft in einer Vielzahl von Bereichen wertorientiertes Denken vermissen lässt. Das Steuersystem stellt für Unternehmen, die an der Wertschaffung interessiert sind, eine nur zum Teil beeinflussbare Rahmenbedingung dar. Maßgeblich sind hierbei die Höhe der Steuerbelastung und die Transparenz des Steuersystems. Im Vergleich hohe Steuern und Intransparenz binden Unternehmensressourcen. Unternehmen, denen diese Kosten zu hoch erscheinen, entziehen einem Staat Steuern durch Standortverlagerungen. Merz zeigt in seinem Beitrag auf, welches Ausmaß an Intransparenz das deutsche Steuersystem aufweist. Hierdurch gehen dem Staat erhebliche Steuermittel für Infrastruktur-Maßnahmen verloren. Abhilfe schafft nur
Das Dresdner Modell des Wertorientierten Managements
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ein stark verändertes Steuersystem mit einer höheren Leistungs- und Verteilungsgerechtigkeit.
Meyer: Neuausrichtung der Heidelberger Druckmaschinen AG
Malmström: Wertorientiertes Management bei der Stinnes AG
Brandt/Zencke: Wertorientierte Unternehmensführung bei der SAP
Gauly: Investor-Relations-Arbeit der ALTANA AG
Plaschke: Wertorientierte Management-Incentivesysteme
Locarek-Junge/Imberger: Wertorientierte Anreizgestaltung
Grube: Multibrand-Management bei DaimlerChrysler
Ganal: Markenmanagement in der BMW Group
Gelbrich/Müller: Kundenwert
Töpfer: Wertsteigerung durch Business Excellence
Töpfer: Risiko- und Krisenmanagement
Günther,E./Hoppe/Kaulich/Scheibe: Wertsteigerung durch Umweltleistung
Braun/Esswein: Wertsteigerung durch methodenbasierte Modellierung
Lamberti: Sourcingentscheidungen der Deutschen Bank
Lasch/Lemke/Schindler: Der Beitrag der Logistik
Schirmer: Beiträge mittlerer Manager zum organisatorischen Wandel
Benkhoff: Effizienzsteigerung durch flexible Beschäftigungsmuster
Schomaker/Günther, T.: Wertorientiertes Management für den Mittelstand
Körber: Wertorientierte Unternehmensführung in der METRO Group
Kauffmann/Götzenberger: Wertorientierte Steuerung bei DaimlerChrysler
Blum/Gleißner: Risikomanagement als Werttreiber
Berger: Innovation als Grundlage des Wachstums
Berlien/Kirsten/Oelert/Schutt: Konzernprogramm best bei ThyssenKrupp
Kap.4
Kap.3
Biedenkopf: Neuorientierung der Sozialsysteme
Merz: Neuorientierung des Steuersystems
Hüther: Was macht eine Volkswirtschaft wertvoll?
Töpfer/Thum/Uhr: Ursachen-Wirkungs-Beziehungen im Dresdner Modell
Töpfer/Duchmann: Dresdner Modell: Konzeption, Ziele und integrierte Sicht
Kap.1 Kap. 2
2. Gesamtwirtschaftliche Anforderungen und Inhalte 2.1 Sozial-/ Bildungspolitik Forschungsförderung Duale Berufsausbildung Arbeitsregulierung Intellectual Property Rights
z z z z z z
2.2 Industrie-/ Wachstumspolitik Infrastruktur KonTraG Umweltpolitik Verbrauchssteuern
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2.3 Wirtschaftspolitik Wechselkurs- /Währungspolitik Außenhandelspolitik Wettbewerbspolitik Umverteilung Staatlicher Konsum
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2.4 Finanz-/ Steuerpolitik Ertragssteuern Finanzmarktförderung Risikomanagementvorschriften (Basel II) Geld-/ Zinspolitik Staatliche Kreditnahme
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Abb. 17 Teil 1: Synopse der einzelnen Beiträge ( x = im Beitrag thematisiert)
Volkswirtschaftliche Wertvernichtung droht vor allem durch unkontrollierte Monopole oder Kartelle. In der Ordnungspolitik wurden, wie Biedenkopf ausführt, bewährte Instrumente entwickelt, die daraus resultierende Wettbewerbsbeschränkungen verhindern. In den sozialen Sicherungssystemen identifiziert er jedoch unkontrollierte Monopolstrukturen. Er plädiert deswegen für eine Rücknahme des Sozialstaats auf der Grundlage des Subsidiaritätsprinzips. Nach diesem Prinzip sollen die Bürger solche Lasten selbst tragen, die sie auch ohne soziale Absicherung bewältigen können. Ein Ansatz, um den Unternehmenswert zu steigern, sind Innovationen. Kundenorientierte Produktinnovationen erhöhen die Preisbereitschaft der Kunden, während die Kosten der Produkterstellung durch Prozessinnovationen gesenkt werden können. Darüber hinaus können Staaten durch Strukturinnovationen Ein-
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Armin Töpfer, Christian Duchmann
fluss auf Arbeitsteilung und Beschäftigungsstrukturen nehmen. Staaten, die in ihrer Innovationsförderung gegenüber anderen zurück bleiben, nehmen in Kauf, dass die dort ansässigen Unternehmen in der Zukunft weniger Wert erwirtschaften. Berger belegt durch reichhaltige makroökonomische statistische Analysen, dass der Standort Deutschland deutliche Defizite in dieser Hinsicht aufweist. Wachstumsschwäche und Arbeitsplatzverluste sind die Folgen. Die Risikoallokation in einer Volkswirtschaft ist ein wesentlicher Einflussfaktor auf den Unternehmenswert. Blum und Gleißner zeigen in ihrem Beitrag die Auswirkungen des KonTraG und von Basel II auf. Sie betten diese aktuellen Entwicklungen mit ihren Ausführungen zur Risikopolitik auf der Basis der Transaktionskosten-Theorie in einen mikroökonomischen Bezugsrahmen ein. Im dritten Kapitel „Betriebswirtschaftliche Anforderungen und Inhalte“ eröffnen drei Artikel die betriebswirtschaftliche Perspektive im Unterkapitel 3.A. „Steuerung“. Sie machen Ausführungen zum Instrumentarium und den Kennzahlen der wertorientierten Steuerung, und zwar aus Sicht von DaimlerChrysler sowohl für den weltweit aufgestellten Konzern als auch für einzelne Geschäftsfelder, aus Sicht der Metro Group als international stark expandierendes Unternehmen sowie aus Sicht mittelständischer Unternehmen. Der Wettbewerb global agierender Konzerne um Finanzmittel ebnet den Weg für den Shareholder Value-Gedanken in Unternehmen. Deswegen stellt es gleichfalls für DaimlerChrysler eine Notwendigkeit dar, wie Kauffmann und Götzenberger erläutern, sich am Unternehmenswert zu orientieren. Sie zeigen überdies unmissverständlich, warum Kennzahlen, die nicht den Unternehmenswert ausweisen, zu Fehlsteuerungen verleiten. Die Kennzahlen sind für den Konzern und die einzelnen Geschäftsfelder teilweise unterschiedlich ausgerichtet, und zwar in Abhängigkeit von der jeweiligen direkten Beeinflussbarkeit. Um den Unternehmenswert zu steigern, leitet DaimlerChrysler Zielvorgaben ab, von der Konzernebene bis zu den operativen Einheiten. Flankiert durch Anreizsysteme und Corporate Governance fördern diese Maßnahmen die Beziehungen zu den Investoren. Die von DaimlerChrysler eingesetzte Top-Kennzahl ist der Value Added, ergänzend hinzu kommen z.B. RONA und FCF. Wertorientiertes Denken im Unternehmen zu verankern, erfordert zuallererst, den Mitarbeitern Verständnis für entsprechende Kennzahlen zu vermitteln. Im Beitrag von Körber für die Metro Gruppe wird unmittelbar ersichtlich, welche Klarheit und Nachvollziehbarkeit das Unternehmen in dieser Hinsicht erreicht hat. Die Stärken wertorientierter Kennzahlen werden ebenso verdeutlicht wie die Schwächen herkömmlicher Kennzahlen. Die Bilanz fällt für das Unternehmen positiv aus: Können Mitarbeiter erkennen, wie sie in ihrem Arbeitsumfeld zu Wertsteigerungen beitragen und werden die Anreizsysteme auf diese Beiträge ausgerichtet, steigert dies den Unternehmenserfolg. Maßgebliche Kennzahl für das Unternehmen ist der EVA. In ihrer Eigenschaft als Leiter des Arbeitskreises „Wertorientierte Führung in mittelständischen Unternehmen” der Schmalenbach-Gesellschaft zeigen Schomaker und Günther, T., warum der Unternehmenswert selbst für diejenigen mittelständischen Unternehmen eine hervorragende Zielgröße darstellt, die nicht an der Börse platziert sind. Entscheidend für die maßgeblich personen- und persönlich-
Das Dresdner Modell des Wertorientierten Managements
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keitsgetriebenen Aktivitäten im Mittelstand ist es – wie die Verfasser es formulieren –, eine „wert(e)orientierte” Führung zu implementieren. Hierdurch wird der Shareholder Value zu einem Stakeholder Value, der trotzdem dem Unternehmenswert verpflichtet bleibt. Die Autoren demonstrieren, wie der Aufwand zur Ermittlung des Unternehmenswertes an die Bedürfnisse des Mittelstandes angepasst werden kann. Im Unterkapitel 3.B. „Mitarbeiter“ werden in zwei Beiträgen spezielle Aspekte der Wertorientierung von Humanressourcen behandelt. Gerade die „weichen”, nur schwer monetär bewertbaren Kriterien im Humanressourcen-Management entziehen sich häufig einer eindeutigen Bewertung. Benkhoff zeigt aktuelle Entwicklungen der Personalflexiblisierung, wie z.B. die zunehmende Befristung von Arbeitsverträgen. Sie will potenziellen Defiziten einer rein monetären Interpretation des Shareholder Value vorbeugen. Wie fundierte empirische Untersuchungen belegen, stützen sich nicht wenige Personalverantwortliche bei ihren Entscheidungen vornehmlich darauf, die Auswirkungen von Personalflexibilisierungsmaßnahmen auf die Personal(fix)kosten zu betrachten. Die Verfasserin führt jedoch aus, dass insbesondere auch Verluste an Mitarbeiter-Commitment und Wissenstransfer einzukalkulieren sind. Eine Beeinträchtigung der wettbewerbsentscheidenden Innovationsfähigkeit als wesentliche Grundlage für eine Wertsteigerung kann die Folge sein. Wertorientiertes Denken in einem Unternehmen bis in die operative Ebene hinein zu verankern, erfordert regelmäßig einen Kulturwandel. Entgegen der nicht selten vertretenen Ansicht, mittlere Manager glichen bei diesem Wandel eher „Rationalisierungsverhindern”, stellt Schirmer in seinem Beitrag vielmehr das Gegenteil fest: Mittlere Manager leisten wesentliche Beiträge zum Kulturwandel. Fundierte empirische Untersuchungen belegen, dass durch mittlere Manager „Koalitionen des Wandels” mitgestaltet und Innovationen sowie Strategieerneuerungen in maßgeblicher Weise gefördert werden. Das Unterkapitel 3.C. „Prozesse“ greift einen wesentlichen Baustein des wertorientierten Managements auf. In fünf unterschiedlich ausgerichteten Beiträgen wird er vertieft. Im zunehmenden Zeit- und Flexibilitätswettbewerb nimmt die logistische Funktion des Unternehmens eine Schlüsselrolle ein. Um diese Funktion den gestiegenen Herausforderungen anzupassen, wird es unabdingbar, eine übergreifende Güter- und Informations-Flussorientierung zu implementieren. Lasch, Lemke und Schindler erläutern die Flexibilität, Kundenorientierung und den Informationsaustausch als diejenigen Ansatzpunkte des Logistikmanagements, denen dabei nachweisbar die stärksten Auswirkungen auf die Erfolgsfaktoren und damit auf den Unternehmenswert zukommen. Unternehmen, die bestimmte Leistungserstellungen outsourcen, überführen auf diese Weise fixe in variable Kosten. Dies stellt einen Hebel dar, mit dem Unternehmen ihr gebundenes Kapital vermindern und gleichzeitig, durch die Variabilität der Kosten, ihre Zinsbelastung dem Geschäftsaufkommen anpassen können. Beides wirkt positiv auf den Unternehmenswert. Deswegen stellt sich für Unternehmen die Frage, welche Prozesse von einem Partnerunternehmen durchgeführt werden können, und zwar ohne dass Wettbewerbsvorteile gefährdet werden. Wie Lamberti ausführt, orientiert sich die Deutsche Bank bei solchen Entscheidungen
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Armin Töpfer, Christian Duchmann
an den etablierten Vorgehensweisen im Industriesektor. In seinem Beitrag wird zudem deutlich, warum eine veränderte Wettbewerbsposition, die einen Rollenwandel der Banken erfordert, das Institut zwingt, seine Wertschöpfungsprozesse neu zu gestalten. Der Einsatz von Informationstechnologie bietet viele Möglichkeiten, den Unternehmenswert zu steigern. Braun und Esswein führen aus, dass eine darauf gestützte Modellierung von Unternehmenseigenschaften werthaltige Innovationen wahrscheinlicher macht, weil sie den Wissensaustausch im Unternehmen fördert, Zusätzlich erlaubt die Modellierung, Prozesse mit einer höheren Effizienz zu konzipieren. Die Frage, welche Entscheidungskriterien das Konzept des „Shareholder Value” bevorzugt berücksichtigt, stellt sich mit aller Schärfe dann, wenn Umweltbelange zur Debatte stehen. Schaffen Unternehmen Wert, wenn sie sich umweltbewusst verhalten? Oder sollten Unternehmen sich selbst dann umweltbewusst verhalten, wenn sie Wert vernichten? Günther, E., Hoppe, Kaulich und Scheibe erläutern die Wechselwirkung von „Umweltleistung” sowie Wertschaffung und zeigen Werttreiber auf, die durch umweltbewusstes Management gestaltet werden können. Belegt werden die Zusammenhänge an Auswertungsergebnissen empirischer Untersuchungen. Die Verfasser demonstrieren darüber hinaus die Leistungsfähigkeit ihres Ansatzes anhand einiger Projekte mit der Unternehmenspraxis. Auf betrieblicher Ebene können eingetretene Risiken und Krisen schnell erhebliche Wertverluste durch Fehlerkosten in Folge gravierender Qualitätsmängel bewirken. Hierfür gibt es eine Reihe aktueller Beispiele aus der Unternehmenspraxis. Töpfer zeigt sie in seinem Beitrag auf und führt die Anforderungen, Inhaltsbereiche und erzielbaren Ergebnissen präventiver Maßnahmen des Risiko- und Krisenmanagements aus. Im Unterkapitel 3.D. „Kunden“ setzt Töpfer diese Analyse mit dem Blickwinkel einer Wertsteigerung durch Business Excellence und Null-Fehler-Qualität fort. Wie er empirisch belegt, ist ein herausragendes Qualitätsniveau bei den heutigen Marktsituationen aber kein Garant dafür, eine Wertsteigerung „automatisch“ zu realisieren. Hierfür bedarf es einer konsequenten und nachhaltigen Umsetzung einer Null-Fehler-Initiative und Kultur, z.B. durch Six Sigma, im gesamten Unternehmen. Dies erfordert die Definition von Qualität als strategische Investition, um so möglichst alle Fehlerkosten auszumerzen. In Marktwirtschaften entscheidet die Preisbereitschaft von Kunden über den Unternehmenserfolg. Denn nur so lässt sich ein ausreichend hoher Umsatz erzielen. Bezogen auf die Frage der Wertsteigerung ist allerdings nicht die einmalige Transaktion mit einem Kunden, der isolierte Einzelkauf, von Bedeutung. Vielmehr ist wie Gelbrich und Müller darlegen, die Preisbereitschaft über den gesamten Lebenszyklus eines Kunden mit dem Unternehmen maßgeblich. Folglich ist es für wertorientierte Entscheidungen notwendig, eine langfristige Kundenbeziehung aufzubauen und als Investition zu betrachten. Dabei fokussiert sich ein Unternehmen auf werthaltige Kunden. Die Verfasser bewerten die Bestandteile von Kundenwert-Modellen systematisch, insbesondere hinsichtlich der Quantifizierung nicht-monetärer Bestandteile.
Entrepreneurship Lobbying Börsengang Mission/ Vision Leadership Gehaltspolitik Intellectual Properties MA-Wert KVP
Wissensmanagement/ IT Reengineering Innovation Risikomanagement Outsourcing/ Netzwerk BPM Supply Chain Management Technologie Qualitätsmanagement Umweltmanagement M&A Auslandsverlagerung
Steuerpolitik Kapitalrendite Debitoren-/ Kreditorenmanagement Aktienrückkauf Dividendenpolitik
Wertorientierte Steuerungskonzepte Wertorientierte Anreizsysteme Investor Relations Corporate Governance z
Qualität Marke CRM Preispolitik Kundenwert Marktforschung Cross-Selling Markenwert Beschwerdemanagement
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Abb. 17 Teil 2: Synopse der einzelnen Beiträge ( x = im Beitrag thematisiert) z
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Meyer: Neuausrichtung der Heidelberger Druckmaschinen AG
Malmström: Wertorientiertes Management bei der Stinnes AG
Brandt/Zencke: Wertorientierte Unternehmensführung bei der SAP
Kap.3
Berlien/Kirsten/Oelert/Schutt: Konzernprogramm best bei ThyssenKrupp
Gauly: Investor-Relations-Arbeit der ALTANA AG
Plaschke: Wertorientierte Management-Incentivesysteme
Locarek-Junge/Imberger: Wertorientierte Anreizgestaltung
Grube: Multibrand-Management bei DaimlerChrysler
Ganal: Markenmanagement in der BMW Group
Gelbrich/Müller: Kundenwert
Töpfer: Wertsteigerung durch Business Excellence
Töpfer: Risiko- und Krisenmanagement
Günther,E./Hoppe/Kaulich/Scheibe: Wertsteigerung durch Umweltleistung
Braun/Esswein: Wertsteigerung durch methodenbasierte Modellierung
Lamberti: Sourcingentscheidungen der Deutschen Bank
Lasch/Lemke/Schindler: Der Beitrag der Logistik
Schirmer: Beiträge mittlerer Manager zum organisatorischen Wandel
Benkhoff: Effizienzsteigerung durch flexible Beschäftigungsmuster
Schomaker/Günther, T.: Wertorientiertes Management für den Mittelstand
Körber: Wertorientierte Unternehmensführung in der METRO Group
Kap.1 Kap. 2
Kauffmann/Götzenberger: Wertorientierte Steuerung bei DaimlerChrysler
Blum/Gleißner: Risikomanagement als Werttreiber
Berger: Innovation als Grundlage des Wachstums
Biedenkopf: Neuorientierung der Sozialsysteme
Merz: Neuorientierung des Steuersystems
Hüther: Was macht eine Volkswirtschaft wertvoll?
Töpfer/Thum/Uhr: Ursachen-Wirkungs-Beziehungen im Dresdner Modell
Töpfer/Duchmann: Dresdner Modell: Konzeption, Ziele und integrierte Sicht
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Kap.4
1. Betriebswirtschaftliche Anforderungen und Inhalte
1.1 Mitarbeiter/ Lernen und Entwickeln
zz
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z
z
1.2 Prozesse/ Marktleistungen
z z z z
z
z z
1.3 Kunden/ Markt z
z z z z z
z
z
1.4 Finanzergebnisse
z z
1.5 Steuerung & Gestaltung
z
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Armin Töpfer, Christian Duchmann
Marken haben in solchen Märkten eine hohe Bedeutung für den Unternehmenswert, in denen die Produktqualität der Anbieter kein ausreichendes Differenzierungspotenzial mehr in sich birgt. Wie Ganal darlegt, trifft dies für Automobilhersteller zu. Der Verfasser bietet darüber hinaus einen praxisnahen Einblick in das Markenmanagement von BMW. Er geht insbesondere auf das Branding einzelner BMW-Produkte ein sowie auf die Markenpositionierung. Dies ergibt die facettenreiche, emotionale Markenwelt von BMW. Wenn ein Unternehmen mehrere Marken im internationalen Wettbewerb führt, wird Multibrand-Management zu einem wichtigen Stellhebel, um eine Wertsteigerung zu erreichen und Wertvernichtung zu vermeiden. Wertvernichtung droht insbesondere dann, wenn die Markenprofile nicht klar genug getrennt und zu eigenständigen Erlebniswelten entwickelt werden. Wertsteigerung ist realisierbar, wenn nicht nur diese Probleme vermieden, sondern zugleich Synergievorteile durch Skalen-, Scope- und Experienceeffekte ausgeschöpft werden. Grube stellt in seinem Beitrag diese strategische Vorgehensweise für DaimlerChrysler dar und erläutert das Markenführungsinstrumentarium des Unternehmens. Das abschließende Unterkapitel 3.E. „Finanzergebnis zur Anreizgestaltung“ geht auf die wichtige Frage ein, inwieweit sich im wertorientierten Management monetäre Größen aussagefähig für die Incentive-Gestaltung für Führungskräfte und Mitarbeiter einsetzen lassen. In zwei Artikeln wird hierzu Stellung genommen. Um Mitarbeiter zum wertorientierten Handeln zu motivieren, sollten ihre Anreize mit ihren Beiträgen zum Unternehmenswert verknüpft werden. Maßgebliche Anforderung an jedes Anreizsystem ist deshalb, dass der Mitarbeiter erkennt, in welchem Maße seine Leistung die Höhe der Anreize beeinflusst und er diese Anreize nicht zu Ungunsten anderer Stakeholder vergrößern oder sogar manipulativ verändern kann. Locarek-Junge und Imberger verdeutlichen unter diesem Blickwinkel die Stärken und die Schwächen der verschiedenen Ansätze wertorientierter Anreizsysteme. Als verfehlt bewerten sie insbesondere die viel zu verbreitete Ansicht, Aktienoptionen allein können Gegenstand eines geeigneten Anreizsystems sein. Das Management eines Unternehmens richtet sich häufig nicht unmittelbar am Shareholder Value aus. Deshalb sind Anreizsysteme erforderlich, welche die Managemententlohnung an die Wertentwicklung koppeln. Unternehmen, die ihr Incentivesystem für Manager nicht an eine Börsennotierung anbinden, können – nach den Ausführungen von Plaschke – die Vergütung an interne Wertkennzahlen koppeln. Bonusbanken erlauben, Boni für eine Wertschaffung über mehrere Perioden hinweg zu verrechnen. Dies hat den Vorteil, dass Managemententscheidungen, die nur kurzfristig Wert schaffen, aber langfristig Wert vernichten, die Höhe der akkumulierten Boni mindern und damit Anreize setzen, solche Entscheidungen zu vermeiden. Der Verfasser zeigt die vielfältigen Variationsmöglichkeiten solcher Bonusbanken auf und erläutert, welche Anreizwirkungen jeweils von ihnen ausgehen. Der dritte Artikel dieses Unterkapitels beleuchtet einen anderen Aspekt der Anreizgestaltung durch Finanzergebnisse, nämlich die Kommunikation mit Investoren. Als Konsequenz der Globalisierung erhöht sich für Unternehmen die Notwendigkeit, auf mehreren nationalen Finanzplätzen Investoren für sich zu gewin-
Das Dresdner Modell des Wertorientierten Managements
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nen. Maßgebliches Instrument hierfür ist, wie Gauly anschaulich darstellt, eine mit der Unternehmensstrategie abgestimmte Investor-Relations-Kommunikation. Nur wenn diese konsequent als „One voice policy” ausgestaltet ist und nur wenn sich die Unternehmensentwicklung verlässlich abschätzen lässt, setzen Investoren Vertrauen in das Unternehmen. Und nur dann werden an der langfristigen Wertentwicklung orientierte Investoren gewonnen, die ALTANA gewinnen will statt nur „Sharehopper“. Das vierte Kapitel liefert abschließend vier Beispiele aus der Unternehmenspraxis für die ganzheitliche Anwendung des wertorientierten Managements. Zunächst stellen Berlin, Kirsten, Oelert und Schutt vor, welchen Weg ThyssenKrupp in dieser Hinsicht beschreitet, um durch das Konzernprogramm best eine Wertsteigerung zu erreichen. Das Programm ist stark auf Excellence-Tools und -instrumente abgestützt. Dabei setzt das Unternehmen einerseits auf einen internen Wettbewerb, denn diejenigen Einheiten werden ausgezeichnet, die sich in abgegrenzten Projekten am stärksten um Wertsteigerungen verdient gemacht haben. Ein dezentral zugängliches Reporting-System erlaubt jeder Einheit, ihren erreichten Wertbeitrag nachzuvollziehen. Zusätzlich besteht andererseits das Ziel einer konzernweiten Kooperation durch ein webbasiertes Wissensmanagementsystem. Hierdurch soll der Erfahrungsaustausch zwischen Mitarbeitern im Konzern über vergleichbare Wertsteigerungsmaßnahmen gefördert werden. Dieses Unternehmen steuert anhand des ROCE. Die wertorientierte Unternehmensführung bei SAP ist stark an die Unternehmens- und Positionierungsstrategie gekoppelt und ist teilweise anders ausgerichtet als einschlägige Shareholder Value-Konzepte. Einige Rahmenbedingungen stehen der Einführung wertorientierter Kennzahlen im Unternehmen entgegen. Aufgrund des hohen Anteils intangibler Ressourcen lehnt das Unternehmen Spitzenkennzahlen wie EVA ab. Stattdessen richtet sich die SAP, wie Brandt und Zencke darlegen, an den Erwartungen des Kapitalmarkts aus. Aufgabe der Investor Relations ist hierbei vor allem, Umsatzwachstum und den Marktanteil im Vergleich zu den Hauptwettbewerbern zu kommunizieren, die zukünftige Ertragspotenziale des Unternehmens kennzeichnen. Der Verkauf von Software-Lizenzen bestimmt die zukünftige Ertragslage. Sie schlägt sich in einem hohen Kurs-Gewinn-Verhältnis nieder. Diese positive Rückkopplung von Aktienkurs und Kundenakquise ist Gegenstand der kapitalmarktorientierten Steuerung. Kundenorientierung bedeutet für SAP den Unternehmenswert des Software-Kunden zu steigern, also seine Ertragspotenziale zu erhöhen und den „Total Cost of Ownership“ für die bezogene Software zu senken. Mitarbeiter werden nur dann in die Lage versetzt, ihr Handeln am Unternehmenswert auszurichten, wenn eine wertorientierte, abstrakte Spitzenkennzahl mit internen Werttreibern verknüpft wird, die wiederum auf operativer Ebene beeinflussbar sind. Die Stinnes AG bedient sich hierfür u.a. eines BSC-gestützten Ableitungsprozesses, wie Malmström anschaulich darstellt. Wertorientierte Kennzahlen sind auch dann einsetzbar, wenn unterschiedliche Geschäftsfelder der Gegenstand sind. Bei Stinnes sind es sowohl ausgeprägt kapitalintensive Speditionseinheiten als auch wenig kapitalintensive Logistikeinheiten. Die verwendete Kennzahl ist der CVA bzw. der CFROI.
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Der letzte Beitrag des Buches erläutert einen interessanten Aspekt: Wertmanagement ist nicht nur ein Programm für prosperierende Unternehmen. Unternehmen in „Turnaround“-Situationen sind mindestens ebenso sehr darauf angewiesen, das Vertrauen von Investoren (zurück) zu gewinnen. Wenn Geschäftsfelder, Prozesse und Kapazitäten auf den Prüfstand gestellt werden, bilden deshalb wertbasierte Kennzahlen eine nachvollziehbare Messlatte, an der sich das Controlling von Restrukturierungs-Projekten ausrichten kann. Meyer erläutert, welchem veränderten Wettbewerbsumfeld sich die Heidelberger Druckmaschinen AG gegenüber sah und welche wertsteigernden Maßnahmen sie daraufhin durchgeführt hat. Gesteuert wird anhand der Kennzahl EVA.
5
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Ursachen-Wirkungs-Beziehungen im Dresdner Modell des Wertorientierten Managements: Zielkomplementaritäten und Zielkonkurrenzen zwischen gesamtwirtschaftlicher und betrieblicher Wertsteigerung Armin Töpfer, Marcel Thum, Wolfgang Uhr Inhalt 1 2 2.1 2.2 3 3.1 3.2 4 5
1
Zielkomplementarität und Zielkonkurrenz .............................................................65 Exemplarische Zielkomplementaritäten zwischen gesamtwirtschaftlicher und betrieblicher Wertsteigerung.......................................68 Gemeinsame Wertsteigerungen durch Intellectual Property Rights........................68 Gemeinsamer Wertverlust durch Fehlregulierung ..................................................70 Exemplarische Zielkonkurrenzen zwischen gesamtwirtschaftlicher und betrieblicher Wertsteigerung.......................................74 Betriebliche Wertsteigerung und gesamtwirtschaftlicher Wertverlust durch Lobbying.......................................................................................................74 Betriebliche Wertsteigerung und gesamtwirtschaftlicher Wertverlust durch Steuerpolitik..................................................................................................75 Auslandsverlagerung: Betriebliche Wertsteigerung und Wertkonkurrenzen zwischen zwei Volkswirtschaften...........................................................................79 Literatur ..................................................................................................................82
Zielkomplementarität und Zielkonkurrenz
Die integrierte Konzeption des Dresdner Modells des Wertorientierten Managements (DISCOVER – Dresden Integrated Score Card Of Value Excellence Relations) erlaubt es, inhaltliche Vernetzungen zwischen den betriebs- und gesamtwirtschaftlichen Gestaltungsfeldern auf den vier Ebenen des Modells in Form von interdisziplinären Ursachen-Wirkungs-Beziehungen darzustellen. Da auch aus gesamtwirtschaftlicher Sicht wertorientiertes Management erhebliche Bedeutung hat, stellt sich die Frage, ob eine Wertorientierung in den Unternehmen mit dem Ziel der Wertsteigerung grundsätzlich auch gesamtwirtschaftlich zu einer Wertsteigerung führt und umgekehrt. Wann leistet also eine gesamtwirtschaftlich orientierte Politik zugleich auch einen Beitrag zur Wertsteigerung oder zumindest -erhaltung in den Unternehmen? In der Lehrbuchökonomie der perfekten Marktwirtschaft ist die erste Frage leicht zu beantworten. Die individuelle Wertorientierung der Unternehmen bringt
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Armin Töpfer, Marcel Thum, Wolfgang Uhr
auch gesamtwirtschaftlich Vorteile. Denn wenn ein Unternehmen wertorientiert agiert, wird es nur Transaktionen akzeptieren, die langfristig einen Preis garantieren, der mindestens die Kosten abdeckt. Dieses Kriterium stellt sicher, dass aus jeder Transaktion auch gesamtwirtschaftlich ein Vorteil erwächst. Denn auf der anderen Marktseite muss dieser Preis akzeptiert werden. Und er wird nur Akzeptanz finden, wenn die Wertschätzung für das Produkt durch den Käufer dem Preis entspricht oder noch besser ihn übersteigt. Damit ist gewährleistet, dass bei jeder Transaktion die Wertschätzung des Käufers über den Kosten des Verkäufers liegt. Aus dieser Differenz zwischen Kosten und Vorteilen entstehen die gesamtwirtschaftlich wertsteigernden Wohlfahrtsgewinne. Allerdings gibt es in realen Marktwirtschaften zahlreiche Gründe für Abweichungen von diesem Idealbild, das eine Interessenharmonie von betrieblicher und staatlicher Wertorientierung suggeriert. Durch Marktunvollkommenheiten und fehlerhafte Staatseingriffe sind individuelle Wertsteigerungen möglicherweise nicht mit gesellschaftlichen Wertschöpfungen gleichzusetzen. Daher sind grundsätzlich folgende vier Konstellation zwischen betrieblichen und gesamtwirtschaftlichen Wechselwirkungen in einer Volkswirtschaft möglich, wie sie in Abbildung 1 skizziert sind. Zum einen kann es als komplementäre Wirkungsbeziehung zwischen Unternehmen und Gesamtwirtschaft (WBW und WGW) zu einer gemeinsamen Wertsteigerung oder einem gemeinsamen Wertverlust kommen (linke Seite der Abb. 1). Zum anderen kann auf der betrieblichen Ebene eine Wertsteigerung entstehen bei gleichzeitigem Verlust auf der gesamtwirtschaftlichen Ebene und vice versa (rechte Seite der Abb. 1), so dass also Zielkonkurrenz vorliegt.1 WGW Gesamtwirtschaftlicher Wert
Gemeinsame Wertsteigerung
WGW Gesamtwirtschaftlicher Wert
Gemeinsamer Wertverlust
WBW Betriebswirtschaftlicher Wert
Zielkomplementarität
WBW / WGW
WBW / WGW WBW Betriebswirtschaftlicher Wert
Zielkonkurrenz
Abb. 1: Zielkomplementarität und Zielkonkurrenz in einer Volkswirtschaft 1
Vgl. zu den Zielbeziehungen Töpfer 2005, S. 453.
Ursachen-Wirkungs-Beziehungen im Dresdner Modell
67
Da insbesondere wertorientiertes Wirtschaften unter globalen Wettbewerbsbedingungen stattfindet, lassen sich häufig internationale Effekte, wie sie beispielsweise durch Unterschiede der Faktorkosten als Arbitragevorteile gegeben sind, nicht ausblenden. Unter diesem Blickwinkel sind dann also auch die Wirkungsbeziehungen zwischen zwei Volkswirtschaften durch Auslandsaktivitäten zu berücksichtigen. Wie in Abbildung 2 wiedergegeben, handelt es sich hierbei generell um Wettbewerbsbeziehungen durch Standortfaktoren. Wenn diese Standortfaktoren in zwei Ländern für ein Unternehmen in unterschiedlichen Maße günstig sind, dann wird das Unternehmen seinen Vorteil in Form einer Wertsteigerung suchen. Dies läuft daraus hinaus, dass es zwischen den Steuersystemen der beiden Volkswirtschaften zu einer Wertkonkurrenz kommen kann, also ein Land auf Kosten des anderen gewinnt (WGW1 zu WGW2). In diesem Sinne bestehen somit Zielkonkurrenzen. WGW1 WGW2 Gesamtwirtschaftlicher Wert Volkswirtschaft 1
nA me aft 1 neh ch ter wirts n U lks Vo
Volkswirtschaft 2 Un Vo terne lks hm wir tsc en A haf t2
WBW Betriebswirtschaftlicher Wert Unternehmen A
Abb. 2: Zielkonkurrenzen zwischen zwei Volkswirtschaften
Im folgenden werden einige Ursachen-Wirkungs-Beziehungen zwischen einzelnen Inhaltsbereichen der gesamt- und der betriebswirtschaftlichen Perspektive modellhaft und damit vereinfacht aufgezeigt. Damit wird nicht der Anspruch erhoben, alle Details und Ausprägungen, die in der Realität existieren, abzubilden.
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2
Exemplarische Zielkomplementaritäten zwischen gesamtwirtschaftlicher und betrieblicher Wertsteigerung
2.1 Gemeinsame Wertsteigerungen durch Intellectual Property Rights Die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft wird heute maßgeblich bestimmt durch die vorhandenden Intellectual Properties, also immateriellen Vermögenswerte. Dieses intellektuelle Kapital existiert auf betrieblicher und gesamtwirtschaftlicher Ebene beispielsweise in Form von Wissen und Expertise im Management, um ein Unternehmen sowie eine Volkswirtschaft erfolgreich zu steuern und zu gestalten (siehe Abb. 3). Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht bewirkt der Schutz dieser Intellectual Properties durch Patente und Marken, dass Wettbewerber Innovationen nicht unmittelbar imitieren dürfen.2 Durch diesen Schutz werden Unternehmen eher in Innovationen, und zwar in Produkt- und/oder Prozessinnovation investieren (1+). Dieser Prozess wird unterstützt, wenn der Staat Fördermittel für Forschung gewährt, also Anreize für Innovationen auf betrieblicher Ebene schafft. Erstrecken sie sich vor allem auf Zukunftstechnologien wie Photovoltaik und Windenergie als Sunrise Industries und nicht auf z.B. Steinkohleberg als Sunset Industries, dann gehen davon deutlich stärkere innovative Effekte aus. Hierdurch kann insbesondere auch das Entrepreneurverhalten in bestehenden Unternehmen beziehungsweise die Gründung von neuen innovativen Unternehmen vorangetrieben werden (2+). Diese Innovationen haben in der Regel eine positive Auswirkung auf die Gestaltung der kundenorientierten Qualität (3+). Dies gilt für Produkt- und Prozessinnovationen. Ebenfalls in beide Richtungen wirken Innovationen bei der Preispolitik (3+). Bezogen auf Produkte eröffnen Innovationen dem Unternehmen die Chance eines Skimming-Pricing, also die Abschöpfung eines monopolistischen Spielraums in der Preishöhe. Bezogen auf die Wertschöpfungsprozesse können Innovationen auch die Effizienz der Produktion erhöhen und damit Kosten senken. Hierdurch entsteht ein zusätzlicher Spielraum für die Preispolitik des Unternehmens.
2
Vgl. grundlegend zur Patentpolitik z.B. Viscusi/ Vernon/ Harrington 1995, S. 831-870.
Ursachen-Wirkungs-Beziehungen im Dresdner Modell
Gesamtwirtschaftliche Perspektive
Staatlicher Geldstrom
Industrie-/ Wachstumspolitik
Sozialtransfer
Wirtschaftspolitik
Investitionen (in öffentliche Güter)/ Ausgaben Intellectual Property Rights
Gesamtwirtschaftliche Prosperität
Steuereinnahmen
Finanz-/ Steuerpolitik
Sozial-/ Bildungspolitik
8
+ Forschungsförderung
Subventionen
+
Zinszahlung
9
7
Finanzierung
10
+
(Selbst-) Finanzierung aus Steuern
(Geldmenge)
Betriebswirtschaftliche Perspektive
+
Cash Flow
1
+
Qualität
3
Prozesse/ Marktleistungen
Investitionen/ Ausgaben
+
Preispolitik
+
4
+
Kunden/ Markt
+
3
4
Umsatz/ Einnahmen
Innovation
Unternehmenswert
2
2
+
+
6
Mitarbeiter/ Lernen und Entwickeln
+ 5
+
Finanzergebnisse
Entrepreneurship
Finanzierung (Eigen-/ Fremdkapital)
5
Zinszahlung
+
Dividenden
Selbstfinanzierung
Legende: + positive Wirkung - negative Wirkung
Abb. 3: Gemeinsame Wertsteigerungen durch Intellectual Property Rights
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70
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Diese Wettbewerbsvorteile in der Qualität und gegebenenfalls auch in einem attraktiveren Preis der Produkte steigert Einnahmen und Umsatz (4+). Hierdurch verbessert sich die Ertragssituation des Unternehmens, wodurch einerseits die Selbstfinanzierung verbessert werden kann und andererseits auch eine höhere Verzinsung für die Anteilseigner möglich ist (5+). Eine bessere Selbstfinanzierungsmöglichkeit wirkt sich wiederum positiv auf das Innovationsverhalten dieser Unternehmen aus (6+). Unternehmen, die höhere Umsätze erwirtschaften, zahlen höhere indirekte Steuern, z.B. Mehrwertsteuer, an den Staat (7+). Höhere Gewinne und höhere Dividenden führen über die Ertragssteuern ebenfalls zu gestiegenen direkten Steuereinnahmen (8+). Diese Steuereinnahmen steigern den Selbstfinanzierungsspielraum staatlicher Aktivitäten aus Steuern (9+). Hierzu kann dann wiederum eine gezielte Forschungsförderung gehören (10+), was den positiven Zyklus zwischen gesamt- und betriebswirtschaftlichen Aktivitäten erneut anstößt und verstärkt. Allerdings müssen diesem positiven Multiplikatoreffekt die Kosten der öffentlichen Mittel gegengerechnet werden. Von einer reinen Selbstfinanzierung öffentlicher Programme kann in der Regel nicht ausgegangen werden. Zusätzlich entstehen durch diesen Zyklus positive Externalitäten, da Wettbewerber und andere Unternehmen durch sofortigen Wissens-Spillover und spätere Imitation (nach dem Auslaufen der Patente) innovatives Wissen erhalten, das sie in ihren Wertschöpfungsprozessen erfolgssteigernd einsetzen können.3 Insgesamt resultiert daraus ein erhöhter Wissensstand in der gesamten Volkswirtschaft. 2.2
Gemeinsamer Wertverlust durch Fehlregulierung
Ein interessantes Beispiel für einen gemeinsamen Wertverlust auf gesamt- und betriebswirtschaftlicher Ebene durch eine Fehlregulierung ist die Einführung des Sarbanes-Oxley Act (SOX) als Risikomanagementvorschriften im Rahmen der Corporate Governance-Regelungen (siehe Abb. 4a).4 Angestrebt war allerdings genau das Gegenteil. Der SOX wurde im Jahre 2002 in den USA für börsennotierte Unternehmen eingeführt, nachdem einige Bilanzskandale, wie z.B. der von Enron und Worldcom, passiert waren. Bilanzfälschungen hatten dazu geführt, dass Anteilseigner erheblich geschädigt wurden. Der SOX sieht insbesondere folgende Regelungen vor: x Ein unabhängiges Kontroll- und Aufsichtsorgan (PCAOB), welches der amerikanischen Börsenaufsicht (SEC) unterstellt ist, wird eingerichtet und dient zur Überwachung und Konkretisierung von SOX. x Unternehmen müssen ein unabhängiges Audit Committee berufen. x Es gilt das Verbot, Unternehmenskredite an Manager zu vergeben. x Jahres- und Quartalsabschlüsse sind durch CEO und CFO zu beeidigen.
3 4
Vgl. Rosen 2002, S. 100f. Vgl. hierzu im folgenden o.V. 2005, S. 73-75; sowie Keller 2003, S. 323.
Ursachen-Wirkungs-Beziehungen im Dresdner Modell
Gesamtwirtschaftliche Perspektive
Staatlicher Geldstrom Sozialtransfer Industrie-/ Wachstumspolitik
Wirtschaftspolitik
Investitionen (in öffentliche Güter)/ Ausgaben
Steuereinnahmen
Gesamtwirtschaftliche Prosperität Finanz-/ Steuerpolitik
Sozial-/ Bildungspolitik Risikomanagementvorschriften
Subventionen
Zinszahlung
Finanzierung
(Geldmenge)
(Selbst-) Finanzierung aus Steuern
1
Betriebswirtschaftliche Perspektive
+
Cash Flow 8
-
6
Qualität
7 Investitionen/ Ausgaben
2
-
Prozesse/ Marktleistungen
Umsatz/ Einnahmen
Kunden/ Markt
Risikomanagement
5 Unternehmenswert
2 Mitarbeiter/ Lernen und Entwickeln Börsengang
4
3
-
Finanzergebnisse Corporate Governance Dividenden
-
Finanzierung (Eigen-/ Fremdkapital)
Selbstfinanzierung
Legende: + positive Wirkung - negative Wirkung
Abb. 4a: Gemeinsamer Wertverluste durch Fehlregulierung: Das Beispiel Sarbanes-Oxley Act
Zinszahlung
71
72
Armin Töpfer, Marcel Thum, Wolfgang Uhr
x Manager werden dafür verantwortlich gemacht, angemessene interne Kontrollstrukturen und eine entsprechende Finanz-Berichterstattung zu gewährleisten; die Abschlussprüfer haben dies zu attestieren und mögliche Schwachstellen aufzuzeigen. x Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ist es nahezu vollständig verboten, Beratungsleistungen für ihre Prüfungsklienten zu erbringen. Hierdurch soll die Unabhängigkeit der Wirtschaftsprüfer vom zu prüfenden Unternehmen gestärkt werden. x Bei Verstößen drohen bis zu 20 Jahren Haft. Auf der gesamtwirtschaftlichen Ebene war durch die RisikomanagementVorschriften ein besseres Risikomanagement und damit eine gute Einhaltung der Corporate Governance auf betrieblicher Ebene angestrebt (1+). Mit diesen Regelungen waren in der konkreten Umsetzung durch die betroffenen Unternehmen allerdings hohe Kosten verbunden, so dass zusätzliche Ausgaben/Investitionen erforderlich waren (2-). Sie resultierten insbesondere in folgenden Aktivitäten: x Hohe Ausgaben für Wirtschaftsprüfer, um die Einhaltung der Vorschriften zu gewährleisten. Nach einer Schätzung zahlten Unternehmen durchschnittlich $ 2,4 Mio. mehr an ihre Wirtschaftsprüfer für die ersten SOX-kompatiblen Prüfungen. x Eine genaue Analyse wesentlicher Geschäftsprozesse sowie notwendiger Prozessveränderungen, um im Rahmen des Risikomanagements die erkannten Risiken besser steuern und reduzieren zu können. In der Konsequenz haben eine Reihe von Unternehmen ein Delisting von der Börse erwogen, um nicht mehr unter diese Regelung zu fallen. Entsprechendes gilt für Unternehmen, die den Börsengang geplant haben (3-). Denn die neuen Regelungen gelten unabhängig von der Größe für alle SEC-registrierten Unternehmen. Hiervon wären Konsequenzen auf die Finanzierung von Unternehmen und damit die Ausstattung mit Eigen- und Fremdkapital zu erwarten (4-). Dies würde zugleich den Investitionsspielraum dieser Unternehmen verringern (5-). Im Wettbewerb erforderliche Verbesserungen der Qualität könnten dann beispielsweise nicht in ausreichenden Maße finanziert und durchgeführt werden (6-). Hiervon sind negative Auswirkungen auf Umsatz und Einnahmen zu erwarten (7-), was sich dann auch negativ auf die Einnahmen indirekter Steuern für den Staat auswirkt (8-). Ein anderes Beispiel für gesamtwirtschaftliche Fehlsteuerung bezieht sich auf die gesamtwirtschaftliche Regulierung der betrieblichen Ausbildung (siehe Abb. 4b). Wir beklagen heute – unabhängig von der schwierigen konjunkturellen Lage der Wirtschaft – einen Mangel an Ausbildungsplätzen und zugleich einen Mangel an gut ausgebildeten jungen Arbeitskräften. Für diese Entwicklung gibt es gute ökonomische Gründe. Während die Tariflöhne seit Mitte der 70er Jahre „nur“ um rund 156% gestiegen sind, wurde die Ausbildungsvergütung um mehr als 200%
Ursachen-Wirkungs-Beziehungen im Dresdner Modell
Gesamtwirtschaftliche Perspektive
73
Staatlicher Geldstrom Sozialtransfer Industrie-/ Wachstumspolitik
Wirtschaftspolitik
Investitionen (in öffentliche Güter)/ Ausgaben
Steuereinnahmen
Gesamtwirtschaftliche Prosperität
Arbeitsregulierung
Finanz-/ Steuerpolitik
1
Sozial-/ Bildungspolitik
-
Duale Berufsausbildung Subventionen
Zinszahlung
Finanzierung (Selbst-) Finanzierung aus Steuern
(Geldmenge)
Betriebswirtschaftliche Perspektive
Cash Flow
Qualität
-
2
3
Investitionen/ Ausgaben
Prozesse/ Marktleistungen
-
4
Umsatz/ Einnahmen
Kunden/ Markt
Unternehmenswert
-
MA-Wert
Mitarbeiter/ Lernen und Entwickeln
Finanzergebnisse
Zinszahlung
Dividenden
Finanzierung (Eigen-/ Fremdkapital)
Selbstfinanzierung
Legende: + positive Wirkung - negative Wirkung
Abb. 4b: Gemeinsamer Wertverluste durch Fehlregulierung: Das Beispiel der gesamtwirtschaftlichen Regulierung der betrieblichen Ausbildung
74
Armin Töpfer, Marcel Thum, Wolfgang Uhr
erhöht.5 Die Arbeitskraft der Lehrlinge ist also relativ teurer geworden, so dass die Unternehmen – aus individueller Sicht vernünftig – mehr und mehr auf ausgelernte Arbeitskräfte ausgewichen sind. Der Trend wurde noch verstärkt, weil parallel zur Steigerung der Arbeitskosten auch die Ausbildungszeiten im Betrieb reduziert wurden (1-). Technologien und Produktionsprozesse besitzen heute immer mehr Komplexität, so dass ein einzelner mittelständischer Betrieb oft gar nicht mehr umfassend ausbilden kann, da die Investitionen hierfür zu hoch erscheinen (2-). Hierdurch entsteht eine doppelte negative Wirkung: Zum einen bilden nicht alle Unternehmen auf technologisch hohem und fortschrittlichem Niveau aus, so dass der Wert der Mitarbeiter auf Grund dieser fehlenden Ausbildung sinkt (3-). Zum anderen kann mit diesen Mitarbeitern in Produktionsprozessen dann nicht die wettbewerbsfähige Qualität mit einem hohen Innovationspotenzial sichergestellt werden (4-). Hieraus resultieren die bereits an anderer Stelle ausgeführten negativen Konsequenzen für das Unternehmen und für den Staat. Im Interesse der betrieblichen Wertsteigerung ist es für den einzelnen Betrieb bei dieser Sachlage ökonomischer, qualifizierte Arbeitskräfte am Arbeitsmarkt anzuwerben, statt selbst auszubilden. Dass dies gesamtwirtschaftlich nicht funktionieren kann, ist offensichtlich. Auf mögliche volks- und betriebswirtschaftliche Wertsteigerung wird verzichtet, weil bezogen auf das Ausbildungssystem betriebliche und gesellschaftliche Rationalität auseinander fallen.
3
Exemplarische Zielkonkurrenzen zwischen gesamtwirtschaftlicher und betrieblicher Wertsteigerung
3.1
Betriebliche Wertsteigerung und gesamtwirtschaftlicher Wertverlust durch Lobbying
Dieser Sachverhalt sei an einem plastischen Beispiel illustriert, bei dem betriebliche Wertsteigerungen sich sogar in volkswirtschaftliche Wertminderungen umkehren. So kann der Wert eines Unternehmens steigen, weil es gute politische Kontakte pflegt und sich so durch Lobbying einen Vorteil gegenüber Mitbewerbern verschafft (siehe Abb. 5). Volkswirtschaftlich ist es keine Wertsteigerung, wenn ein Unternehmen durch seine politischen Verbindungen z.B. bei der staatliche Auftragsvergabe bevorzugt wird und dadurch die natürlichen Wettbewerbskräfte ausgehebelt werden. Den Zuschlag bekommt nicht das Unternehmen mit dem besten Angebot für den Staat, sondern das mit den besten Beziehungen. Der Staat bekommt also eine schlechtere Leistung und/oder diese zu einem höheren Preis. Dies bedeutet gesamtwirtschaft5
Wößmann 2004, S. 21-24.
Ursachen-Wirkungs-Beziehungen im Dresdner Modell
75
liche Wertvernichtung, bei der zugleich ein Unternehmen, das nicht in vollem Maße wettbewerbsfähig ist, eine betriebliche Wertsteigerung erreicht. Dies ist gesamt- und betriebswirtschaftlich mit Einzelsubventionen und damit höheren Staatsausgaben vergleichbar (1-). Schädlich ist diese Form des „Rent seeking“6, da die Lobbying-Tätigkeit und die Schaffung politischer Kontakte selbst Ressourcen verbraucht, die man anderweitig produktiv hätte einsetzen können.. Ein zusätzliches Problem besteht darin, dass das Unternehmen nicht gezwungen wird, seine Performance im Wettbewerb nachhaltig zu steigern. Die Wettbewerbspolitik wird verkehrt, denn das Unternehmen erfährt einen Schutz vor Wettbewerb (2-). Die höheren Umsätze des geschützten Unternehmens (3+) auf Grund dieser Situation bestärken das Management in seinem Verhalten. In der Literatur wird dies als X-Ineffizienzen aufgrund mangelnder Motivation des Managements und der Mitarbeiter bezeichnet7, die grundsätzlich nachteilige Situation des Unternehmens zu verändern. Hieraus resultiert eine im Vergleich zum Wettbewerb deutlich geringere Innovationsneigung (4-). Das Unternehmen kann aber trotz überdurchschnittlich hoher Kosten/Ausgaben, die durch die Ineffizienzen verursacht werden, überleben (5-). Hieraus resultiert ein weiterer gesamtwirtschaftlicher Wertverlust, da keine höheren (Ertrags-)Steuereinnahmen trotz hoher Umsätze bei diesem Unternehmen mit der schlechten Kostenposition gegeben sind. Mögliche zusätzliche Gewinne werden durch Ineffizienzen also aufgezehrt (6-). Dass es sich in der Realität hierbei nicht um „Peanuts“ handelt, kann an einem US-amerikanischen Beispiel eindrucksvoll verdeutlicht werden. Völlig überraschend starb am 1. September 1983 der demokratische US-Senator Henry M. Jackson; er war der Vorsitzende des einflussreichen Ausschusses für militärische Beschaffung. Sein Nachfolger wurde der Demokrat Sam Nunn aus Georgia. Die Aktien von Firmen, die in der Vergangenheit an Nunn gespendet hatten, stiegen in ihrem Kurswert; sie gewannen an diesem Tag 1,9% an Börsenwert.8 3.2
Betriebliche Wertsteigerung und gesamtwirtschaftlicher Wertverlust durch Steuerpolitik
Wenn z.B. aus Gründen der Standort-, Infrastruktur- und Industriepolitik auf betrieblicher Ebene durch die staatliche Steuerpolitik Vorteile gewährt werden, dann kann dies mit gesamtwirtschaftlichem Wertverlust verbunden sein. In diesem Falle liegen – im Gegensatz zum oben behandelten Lobbying – offizielle Subventionen vor, die als „Steuergeschenke“ vom Staat absichtlich gewährt werden.
6 7 8
Rosen 2002, S. 123-125. Vgl. Schmidt 1993, S. 85-87. Dabei wurde für andere Einflussfaktoren auf den Aktienkurs kontrolliert. Siehe Roberts 1990, S. 31-58.
76
Armin Töpfer, Marcel Thum, Wolfgang Uhr
Gesamtwirtschaftliche Perspektive
2
Staatlicher Geldstrom
-
Wettbewerbspolitik
Industrie-/ Wachstumspolitik
Sozialtransfer Wirtschaftspolitik
Investitionen (in öffentliche Güter)/ Ausgaben
Steuereinnahmen
Gesamtwirtschaftliche Prosperität Finanz-/ Steuerpolitik
Sozial-/ Bildungspolitik
Zinszahlung
Subventionen
Finanzierung
(Geldmenge)
Betriebswirtschaftliche Perspektive
(Selbst-) Finanzierung aus Steuern
Cash Flow
6
6
1
Investitionen/ Ausgaben
Prozesse/ Marktleistungen
5
3
-
+ Umsatz/ Einnahmen
Kunden/ Markt
4
-
Innovation
Unternehmenswert
Mitarbeiter/ Lernen und Entwickeln
Finanzergebnisse
Lobbying
Finanzierung (Eigen-/ Fremdkapital)
Zinszahlung
Dividenden
Selbstfinanzierung
Legende: + positive Wirkung - negative Wirkung
Abb. 5: Betriebliche Wertsteigerung und gesamtwirtschaftlicher Wertverlust durch Lobbying
Ursachen-Wirkungs-Beziehungen im Dresdner Modell
77
Grundsätzlich können Steuererleichterungen dann sinnvoll sein, wenn dadurch die Wirkung von Steuern gerade in den Bereichen gemindert werden kann, wo die Steuer besonders belastend oder verzerrend wirkt. So können z.B. junge Unternehmen, die besonders unter Kreditrationierung leiden, im Sinne einer Unterstützung oder Anschubfinanzierung entlastet werden, um rasch die Effizienz und Effektivität betrieblicher Einheiten zu steigern. Wenn beispielsweise Unternehmensgründern eine derartige „Inkubationsphase“ gewährt wird und sie sich anschließend im Wettbewerb behaupten können, wachsen und zusätzlich Arbeitsplätze schaffen, dann ist der Zweck erfüllt. Ähnliches gilt für international hoch mobile Firmen, die man nur mit moderaten Steuern für den Standort Deutschland interessieren kann; eine steuerliche Preisdiskriminierung, die mobile Firmen gegenüber immobilen begünstigt, ist sinnvoll und notwendig. Besonders augenfällig sind die negativen Konsequenzen (gut gemeinter) staatlicher Steuerbegünstigungen allerdings gerade bei Investitionsruinen in den Neuen Bundesländern (siehe Abb. 6). Denn die umfangreichen Leerstände in ostdeutschen Gewerbeimmobilien sind nicht primär auf unternehmerische Fehlentscheidungen zurückzuführen, sondern auf Fehlanreize durch staatliche Steuerpolitik. Das Gros der Investoren hat sich durchaus wertorientiert verhalten, als sie in Immobilien investierten (1+). Denn die Steuerpolitik bevorzugt Investitionen in Realinvestitionen gegenüber Finanzinvestitionen, so dass sich sogar Projekte lohnen, bei denen durch die Steuerersparnis die betriebswirtschaftlichen Kapitalkosten unter den üblichen Marktzins für die Kapitalkosten (volkswirtschaftliche Opportunitätskosten) gesenkt werden.9 Die Steuerpolitik macht es auf betrieblicher Ebene relativ lohnender, solche Immobilien-Objekte zu finanzieren, statt die Mittel am Kapitalmarkt anzulegen. Dadurch wird ein positiver Anreiz für Immobilieninvestitionen geschaffen. Auf betrieblicher Ebene eröffnet dies den Unternehmen einen Preisspielraum bezogen auf den Mietzins (2+). Da viele betriebswirtschaftliche Akteure den Steuer-Anreiz nutzten, wurden zahlreiche Immobilien gebaut. Dass diese Immobilien nun oft leer stehen, ist aus volkswirtschaftlicher Sicht misslich. Denn die Ressourcen, die zum Bau aufgewendet wurden, hätte man anderweitig sinnvoller einsetzen können. Um das Phänomen besser verstehen zu können, wollen wir ein einfaches Beispiel verwenden: Nehmen wir an, ohne staatliche Förderung wäre ein Immobilienprojekt für einen Investor gerade noch lukrativ, wenn er mit 20% Leerstand rechnet. Alle Investitionen, die unter diesen Bedingungen getätigt werden, wirken betriebswirtschaftlich wie volkswirtschaftlich wertsteigernd. Die Leerstände sind hier nur Ausdruck der normalen Fluktuation und der Suche des Marktes nach geeigneten Immobilienlösungen für die Nachfrager. Sie fallen uns bei Immobilienprodukten nur mehr ins Auge im Vergleich zu Flops bei Neuprodukten in Konsum- und Investitionsgüterbranchen.
9
Vgl. Sinn/ Scholten 1999, S. 14-18.
78
Armin Töpfer, Marcel Thum, Wolfgang Uhr
Gesamtwirtschaftliche Perspektive
Staatlicher Geldstrom
Industrie-/ Wachstumspolitik
Sozialtransfer
Wirtschaftspolitik
Investitionen (in öffentliche Güter)/ Ausgaben
Gesamtwirtschaftliche Prosperität
Steuereinnahmen
Finanz-/ Steuerpolitik
Sozial-/ Bildungspolitik
Zinszahlung
Subventionen
4
Finanzierung
(Geldmenge)
Betriebswirtschaftliche Perspektive
(Selbst-) Finanzierung aus Steuern
Cash Flow
1
+ 2 Investitionen/ Ausgaben
+
3
Preispolitik
Prozesse/ Marktleistungen
+ Umsatz/ Einnahmen
Kunden/ Markt
Unternehmenswert
Mitarbeiter/ Lernen und Entwickeln
Finanzergebnisse
Zinszahlung
Dividenden
Finanzierung (Eigen-/ Fremdkapital)
Selbstfinanzierung
Legende: + positive Wirkung - negative Wirkung
Abb. 6: Betriebliche Wertsteigerung und gesamtwirtschaftlicher Wertverlust durch steuerliche Anreize
Ursachen-Wirkungs-Beziehungen im Dresdner Modell
79
Nun kommt der Staat und bietet großzügige Abschreibungen – ein Vorteil für Realinvestitionen, den man bei Anlagen im Finanzmarkt nicht hat. Also sind Investoren nun auch bereit, in Projekte zu investieren, bei denen sie Leerstandsquoten von vielleicht 30% oder 40% erwarten. Aus ihrer Sicht lohnt sich die Investition – dank der großzügigen staatlichen Politik – immer noch. Der Staat hat aber volkswirtschaftlich wertmindernde Projekte erzeugt. Denn die höheren Verluste des Investors trägt der Steuerzahler. Durch ein Überangebot konnten nicht alle Immobilien vermietet werden und es kam zu einem Preiseinbruch. Jeder einzelne Investor hofft, durch den niedrigeren Mietzins seine Wettbewerbssituation zu verbessern und die Umsätze zu erhalten (3+). Problematisch wird die Situation allerdings für die betriebswirtschaftlichen Akteure, wenn die verfehlte Anreizpolitik durch Steuervorteile dazu führt, dass der Immobilienmarkt übersättigt ist und 20 oder mehr Prozent der Objekte sich gar nicht oder im Vergleich zur kalkulierten Rendite nur mit einem erheblich niedrigeren Mietzins vermieten lassen. In diesen Fällen kommt es auch zu einer betrieblichen Wertvernichtung (3-). Die Umsätze durch den Bau und die Vermietung der Immobilien führen zwar zu Steuereinnahmen, im Vergleich zu den gewährten Steuerentlastungen sind sie jedoch viel zu niedrig, um neben der gewollten Infrastrukturpolitik eine volkswirtschaftliche Wertorientierung sicherzustellen (4-). Die betriebswirtschaftliche Wertorientierung führt hier zu gesamtwirtschaftlicher Wertvernichtung. Maßgeblich hierfür ist falsche Politik und nicht die Wertorientierung der Akteure.
4
Auslandsverlagerung: Betriebliche Wertsteigerung und Wertkonkurrenzen zwischen zwei Volkswirtschaften
Ein gutes Beispiel dafür, dass betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Sicht der Wertorientierung meist in dieselbe Richtung gehen, aber dennoch nicht deckungsgleich sind, liefert die aktuelle Diskussion um die Globalisierung.10 International aufgestellte Unternehmen argumentieren, dass sie durch Verlagerung von Produktionsprozessen in das Ausland nur den Wert des Unternehmens ausbauen und letztendlich sogar Arbeitsplätze schaffen. Politiker sehen durch die Arbeitsplatzverlagerung volkswirtschaftliche Wertverluste. Ist das ein Widerspruch (siehe Abb. 7)? Die Verlagerung von Arbeitsplätzen in das Ausland verschafft dem Unternehmen Vorteile, denn es nutzt die niedrigeren Lohnkosten in anderen Ländern, um relativ arbeitsintensive Produktionsprozesse dort kostengünstiger zu erstellen. Die reduzierten Kosten eröffnen dem Unternehmen einen Spielraum in der Preispolitik, so dass es sich in einem härter werdenden internationalen Wettbewerb noch behaupten kann (1+). Dies sichert Umsätze und damit Einnahmen (2+). Zugleich 10
Siehe Sinn 2005.
80
Armin Töpfer, Marcel Thum, Wolfgang Uhr
verbessert es die Ertrags- und Gewinnsituation. Globalisierung erzwingt gleichsam wertorientiertes Management, wie in diesem Falle durch das Ausnutzen von Arbitragevorteilen. Der Staat, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat (Volkswirtschaft 1), profitiert hiervon durch Steuereinnahmen auf Umsätze, Gewinne und Arbeitsleistung (3+). Dabei können die Anteilseigner an dem Unternehmen in der Volkswirtschaft 1 oder in irgendeinem anderen Land angesiedelt sein. Allerdings führt die Auslandsverlagerung für die Volkswirtschaft 1 auch zu Wertverlusten. Sie sind dadurch gegeben, dass durch die Verlagerung von Wertschöpfung in das Ausland weniger Steuern anfallen (4-). Zugleich ist ein Teil der Arbeitsplätze weggefallen und an diese Arbeitnehmer müssen gegebenenfalls Sozialleistungen bezahlt werden (5-). Hierbei entsteht zusätzlich ein Ausfall von Steuereinnahmen bei der Lohnsteuer. In die Volkwirtschaft, in die verlagert wurde, werden Arbeitsplätze exportiert, Wertschöpfungsprozesse aufgebaut und Wissen im Sinne von Intellectual Properties verlagert. Hierdurch entstehen insgesamt neue Qualifikationsprofile mit erweiterten Fähigkeiten (6+), Zulieferbetriebe werden erheblich ausgebaut (7+) und die Volkwirtschaft 2 erhält zusätzliche Steuereinnahmen (8+). Unter volkswirtschaftlicher Wertorientierung sind diese Arbeitsplatzverlagerungen generell vorteilhaft, denn sie sind nur Ausdruck der komparativen Vorteile von Volkswirtschaften. Zugleich kennzeichnen sie gegebenenfalls auch einen erforderlichen Anpassungsbedarf auf gesamt- und betriebswirtschaftlicher Ebene. Die mit den Arbeitsplatzverlagerungen in das Ausland einhergehenden Kostensenkungen und Effizienzsteigerungen für Unternehmen sichern zugleich auch Arbeitsplätze im Inland. Denn ohne die teilweise Arbeitsplatzverlagerung wären viele Produkte kostenmäßig nicht mehr wettbewerbsfähig – und damit zusätzliche Arbeitsplätze im Inland gefährdet. Deutschland sollte sich auf seinen relativen Vorteil, die kapital- und wissensintensive Produktion, konzentrieren. Eine sinnvolle Verschiebung hin zu dieser Produktionsstruktur impliziert, dass Arbeitsplätze in arbeitsintensiven Sektoren abgebaut werden und die freigesetzten Arbeitskräfte in den wachsenden Sektoren unterkommen. Und genau hier liegt das Problem der deutschen Ökonomie in einer globalen Welt. Durch das Outsourcing und Offshoring werden zwar die Arbeitsplätze in den arbeitsintensiven Bereichen rasch abgebaut, aber der Aufbau der Beschäftigung in anderen Sektoren erfolgt nicht mit derselben Geschwindigkeit. Was sind die Ursachen? Die volkswirtschaftlichen Wertsteigerungen aus der internationalen Arbeitsteilung können nur dann realisiert werden, wenn man gleichzeitig Anpassungen in den Faktorpreisen zulässt – und genau das verhindern wir in Deutschland. Durch die internationale Spezialisierung entsteht ein Lohndruck nach unten für den Faktor, mit dem Deutschland relativ wenig ausgestattet ist: gering qualifizierte Arbeit. Aber dieser Lohndruck kann sich nicht entfalten. Denn unser Sozialsystem definiert einen impliziten Mindestlohn, unter dem kaum jemand bereit ist zu arbeiten. Und dieser Mindestlohn reagiert nicht auf die globalen Verschiebungen. Die Folge ist steigende Arbeitslosigkeit.
Ursachen-Wirkungs-Beziehungen im Dresdner Modell
81
Gesamtwirtschaftliche Perspektive 8 Staatlicher Geldstrom
7 5
Sozialtransfer Industrie-/ Wachstumspolitik
Volkswirtschaft 1 Sozial-/ Bildungspolitik
+
-
Sozialtransfer Industrie-/ Wachstumspolitik
Wirtschaftspolitik
Investitionen (in öffentlich e Güter)/ Ausgaben
10
9
Steuereinnahmen
4
Volkswirtschaft 2
-
Finanz-/ Steuerpolitik
-
-
Wirtschaftspolitik
Investitionen (in öffentlich e Güter)/ Ausgaben
-
Subventionen
+
Staatlicher Geldstrom
9
6
Steuereinnahmen
Finanz-/ Steuerpolitik
Sozial-/ Bildungspolitik
+
Zinszahlung
Zinszahlung
Subventionen
Finanzierung
Finanzierung
(Geldmenge)
(Selbst-) Finanzierung aus Steuern
(Geldmenge)
3
Betriebswirtschaftliche Perspektive
+
Cash Flow
Auslandsverlagerung
Investitionen/ Ausgaben
(Selbst-) Finanzierung aus Steuern
1
Prozesse/ Marktleistungen
+
Preispolitik
2
+ Umsatz/ Einnahmen
Kunden/ Markt
Unternehmenswert
Mitarbeiter/ Lernen und Entwickeln
Finanzergebnisse
Zinszahlung
Dividenden
Finanzierung (Eigen-/ Fremdkapital)
Selbstfinanzierung
Legende: + positive Wirkung - negative Wirkung
Abb. 7: Auslandsverlagerung: Betriebliche Wertsteigerung und Wertkonkurrenzen zwischen zwei Volkswirtschaften
82
Armin Töpfer, Marcel Thum, Wolfgang Uhr
Die zweite (langfristige) Gegenreaktion in Volkswirtschaft 1 könnte statt einer „Verbilligung“ des Faktors Arbeit eine Erhöhung der Qualität der Humanressourcen im Sinne eines höheren Qualifikationsniveaus sein. Die dritte Gegenreaktion könnte in einer Veränderung der Qualifizierung der Humanressourcen in neue Wachstumsmärkte sein. Alle drei Reaktionen erfordern ein bestimmtes Maß an Flexibilität sowohl von Seiten des Staates als auch auf Seiten der Arbeitnehmer. Für eine Verlagerung der Qualifizierung müssen vor allem entsprechende Wachstumsmärkte vorhanden oder entwickelbar sein. Und nicht zuletzt müssen derartige Veränderungen vor allem auf gesamtwirtschaftlicher Ebene auch finanzierbar sein. Hierin liegt das größte Dilemma: Je höher die Steuerverluste durch Auslandsverlagerung in der Volkswirtschaft 1 sind, desto weniger steht dem Staat noch für eine Bildungsfinanzierung zur Verfügung. Fehlende Steuereinnahmen und hohe Sozialleistungen (9-) reduzieren den Finanzierungsspielraum des Staates in der Bildungspolitik (10-).11 Durch die Verlagerung von Arbeitsplätzen in das Ausland findet also – bei rigiden Arbeitsmärkten – eine volkswirtschaftliche Wertvernichtung statt. Nur ist daran nicht die Wertorientierung der Unternehmen Schuld, sondern die vorhandenen staatlichen Rahmenbedingungen. Die Schlussfolgerung darf daher nicht sein, die betriebswirtschaftliche Wertorientierung aufzugeben – damit würde der Schrumpfungsprozess nicht gestoppt werden können. Die Konsequenz kann nur sein, die Rahmenbedingungen so anzupassen, dass durch globalisierte Märkte auch die heimische Volkswirtschaft Wertsteigerungen realisieren kann. Der oben erwähnte Punkt der Qualifizierung dürfte in Zukunft ein entscheidendes Feld der Werterhaltung werden. Denn der demographische Wandel lässt die Bevölkerung schrumpfen und damit insbesondere qualifizierte Arbeitsplätze knapp werden. Ostdeutschland ist dabei in einer besonderen Vorreiterrolle.12 Denn der demographische Wandel setzt hier lange vor den alten Bundesländern ein. Für die Unternehmen impliziert Werterhaltung eine rechtzeitige Weichenstellung, um durch eine vorausschauende Personalentwicklung die für das Unternehmen benötigten qualifizierten Arbeitskräfte langfristig zu sichern.
5
Literatur
Dittrich, M./ Gerstenberger, W./ Grundig, B./ Gunther, M./ Pohl, C./ Schmalholz, H./ Thum, M. (2004): Demographische Entwicklung im Freistaat Sachsen - Analyse und Strategien zum Bevölkerungsrückgang auf dem Arbeitsmarkt, Studie im Auftrag der Sächsischen Staatskanzlei, ifo dresden studie 36, München/Dresden 2004. Keller, G. (2003): Sarbanes-Oxley Act, in: Wirtschaftsstudium, 32. Jg. 2003, H. 3, S. 323. o.V. (2005): A price worth paying, in: Economist, 21.05.2005, S. 73-75. Roberts B. E. (1990): “A Dead Senator Tells No Lies: Seniority and the Distribution of Federal Benefits”, in: American Journal of Political Science 34, 31-58. 11
Vgl. für diese Überlegungen in der Entwicklungspolitik Van der Hoeven/ Taylor 2000, S. 57-65. 12 Vgl. Dittrich/ Gerstenberger/ Grundig/ Markwardt/ Pohl/Schmalholz/ Thum 2004.
Ursachen-Wirkungs-Beziehungen im Dresdner Modell
83
Rosen, H. S. (2002): Public Finance, 6. Aufl., Boston et al. 2002 (International Edition). Schmidt, I. (1993): Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, 4. Aufl., Stuttgart/Jena/New York 1993. Sinn, H. W. (2005): „Basar-Ökonomie Deutschland: Exportweltmeister oder Schlusslicht?“, in: ifo Schnelldienst 6/2005. Sinn, H. W./ Scholten, U. (1999): „Steuerreform, Kapitalkosten und Sozialprodukt“, in: ifo Schnelldienst 28, S. 14-18 Töpfer, A. (2005): Betriebswirtschaftslehre – Anwendungs- und prozessorientierte Grundlagen, Heidelberg 2005. Van der Hoeven, R./ Taylor, L. (2000): Introduction: Structural Adjustment, Labour Markets and Employment: Some Considerations for Sensible People, in: Journal of Development Studies, 36 Jg. 2000, H. 4; S. 57-65. Viscusi, W. K./Vernon, J. M./ Harrington Jr, J. E. (1995): Economics of Regulation and Antitrust, 2. Aufl., Cambridge (Ma.)/London 1995. Wößmann, L. (2004): Entwicklung betrieblicher Kosten und Nutzen der Berufsausbildung – Einige Anmerkungen zu den Ursachen des Ausbildungsplatzmangels“, in: ifo Schnelldienst 6/2004, S. 21-24.
Was macht eine Volkswirtschaft wertvoll? Standortdiskussion unter wertorientierter Betrachtung Michael Hüther Inhalt 1 2 2.1 2.2 3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 4 5
Wertorientiertes Management für die Gesamtwirtschaft?.......................................87 Der Wert einer Volkswirtschaft ..............................................................................89 Statische Betrachtung .............................................................................................90 Dynamische (wertorientierte) Betrachtung .............................................................91 Wertorientierte Standortfaktoren ............................................................................91 Die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft ...................................................92 Die „klassischen“ Standortfaktoren ........................................................................93 Standortfaktor institutionelle Rahmenbedingungen................................................95 Standortfaktor Wirtschaftspolitik............................................................................97 Wertorientierte Standortfaktoren? ........................................................................ 100 Wirtschaftspolitische Neuorientierungen: Wertorientiertes Management einer Volkswirtschaft............................................ 102 Literatur ................................................................................................................ 104
1 Wertorientiertes Management für die Gesamtwirtschaft? Zwischen Volkswirtschaften und Unternehmen werden immer wieder Analogien gezogen. Große Unternehmen werden mit kleinen Volkswirtschaften verglichen – insbesondere wenn sie sich eine dezentralere Organisationsstruktur mit einer stärkeren Betonung der Eigenverantwortung selbstständig handelnder Profit Center geben. Umgekehrt wird für eine Volkswirtschaft als Ganzes auch gerne das Bild eines Unternehmens bemüht – mit verschiedenen Produktionsstätten, Außenhandel, Management, Mitarbeitern und zahlreichen institutionellen Arrangements. Doch dieser Analogie sind enge Grenzen gesetzt. Volkswirtschaften sind keine Unternehmen, Wirtschaftssubjekte keine weisungsgebundenen Mitarbeiter und politische Entscheidungen sind weniger leicht durchzusetzen als Beschlüssen an der Unternehmensspitze.1 In der Zielsetzung von einzelnen Unternehmen und ganzen Volkswirtschaften gibt es jedoch – zumindest idealtypisch – gewisse Gemeinsamkeiten. Der angestrebte gesamtwirtschaftliche Wohlstand entspricht dem Gewinnstreben der Un1
Hierin ist sicher auch eine Ursache für die häufig auftretenden Schwierigkeiten von erfahrenen Managern, die ein politisches Amt übernehmen, zu sehen.
88
Michael Hüther
ternehmen, welches seinen Ausdruck in der Steigerung des Unternehmenswertes finden kann. Auch die Bürger lassen sich analytisch auf ihre Funktion als „Shareholder“ der Volkswirtschaft reduzieren, wenngleich sie in der Wahrnehmung ihrer bürgerlichen Freiheiten natürlich auch andere Rollen einnehmen. Insofern ist zu fragen, inwiefern das Rappaport-Konzept der Wertsteigerung einer Unternehmung zumindest in ihren Grundzügen auf eine Volkswirtschaft übertragen werden kann. Beim Wertorientierten Managementkonzept von Unternehmen (vgl. Copeland/ Koller/ Murrin 1998) bedeutet die Wertsteigerung diejenige Rendite, die ein Unternehmen mehr erwirtschaftet als eine risikolose Anlage am Kapitalmarkt. Andernfalls besteht kein Anreiz, in dieses Unternehmen zu investieren. Bei einer Volkswirtschaft könnte eine solche Opportunitätsrechnung lauten: Der Wert einer Volkswirtschaft bemisst sich daran, wie sehr es ihr gelingt, ein höheres Wachstum und höheren Wohlstand für ihre Bürger zu generieren als andere Länder. Andernfalls gibt es Anreize für die Einsatzfaktoren, also insbesondere die Bürger als Arbeitnehmer oder Selbstständige sowie das eingesetzte Kapital, zu wandern. Insofern bilden die neuen Möglichkeiten der internationalen Mobilität, vor allem auf den Kapitalmärkten, aber auch beim Faktor Arbeit, den gemeinsamen Hintergrund einer wertorientierten Betrachtung auf Unternehmensebene und auf volkswirtschaftlicher Ebene. Mit zunehmender Globalisierung stehen nicht nur Unternehmen, sondern auch Volkswirtschaften in einem internationalen Wettbewerb. Volkswirtschaften befinden sich dabei nicht in der Gefahr „übernommen“ oder „verkauft“ zu werden, wenn ihr Erfolg nicht dem der Wettbewerber entspricht, weil nur unzureichende Werte geschaffen werden konnten. Aber auch auf gesamtwirtschaftlicher Ebene sind die Folgen unzureichender Wertorientierung gravierend und äußern sich in der Abwanderung von Faktoren, in einer generellen Senkung des Lebensstandards, in den aus dieser Verschlechterung resultierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen sowie in einer erhöhten Abwahlgefahr für die amtierende und für die wirtschaftliche Situation verantwortliche Regierung. Ein weiterer Übertragungspunkt der wertorientierten Sichtweise von der Einzel- auf die Gesamtwirtschaft ist die dadurch institutionalisierte Langfristigkeit der Betrachtung. Wertorientiertes Management im Unternehmen bezieht sich auf eine Cash-Flow-Betrachtung, die weit in die Zukunft reicht und idealerweise auch noch Zahlungsströme in einer unendlichen Zeitperspektive erfasst. Damit verbunden sind entsprechend ausgestaltete Anreizsysteme innerhalb der Unternehmen, die Management wie Mitarbeiter zu einer Orientierung am Ziel der Wertschaffung anhalten sollen (vgl. Riegler 2000). Das langfristige Denken, welches auch in Unternehmen immer wieder angemahnt wird, ist in vielen Bereichen der volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen noch zu wenig ausgeprägt, wie beispielsweise die Diskussion um die Entwicklung der Sozialen Sicherungssysteme zeigt. Unter dem Begriff der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit werden hier zwar ebenfalls bereits Steuerungsansätze wie die Generationenbilanzierung diskutiert, die jedoch noch wenig Bedeutung besitzen. Mit Hilfe des Konzepts der Wertorientierten Unternehmensführung wird versucht, verschiedene Maßnahmen zur Verbesserung der Effizienz und damit der Rentabilität eines Unternehmens zu steuern (vgl. Knight 1998, S. 45). So sollen
Was macht eine Volkswirtschaft wertvoll?
89
der Planungs- und Budgetierungsprozess verbessert, klare Prioritäten gesetzt und die Ressourcenallokation optimiert werden. Ferner sollen mit Hilfe wertorientierter Maßstäbe eine angemessene Ausbalancierung von kurz- und langfristigen Erwägungen erfolgen und Veränderungen im Unternehmen angestoßen werden. Auch in der wirtschaftspolitischen Steuerung der volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen könnten derartige Verbesserungen effizienzsteigernd und damit wohlstandsfördernd wirken. Aber es gibt auch eindeutige Grenzen dieser Übertragbarkeit: Eine Volkswirtschaft hat keinen Business Plan, sie kann – und darf – nicht zentral gesteuert werden wie ein Unternehmen. Die Einflussmöglichkeiten der Wirtschaftspolitik auf „Geschäftsfelder“ und „Prozesse“ sind nicht mit denen eines Unternehmensmanagements zu vergleichen. Der Staat ist Rahmensetzer und agiert nur am Rande als wirtschaftlicher Akteur (idealtypisch nur bei wirklichen öffentlichen Gütern). Ein weiterer Unterschied ist: Die Ansprüche der Shareholder an eine Unternehmung sind hauptsächlich pekuniärer Art, es geht um die Rendite. Die Ansprüche der Bürger an den Staat sind jedoch breiter als sie sich in wirtschaftlichen Wachstumsgrößen abbilden lassen. Insofern müsste sich eine Bewertung einer Volkswirtschaft noch um ganz andere Faktoren bemühen als allein der Wert der zukünftigen Erträge aus dem Produktionsapparat. Ein Shareholder Value-Ansatz für die „Deutschland AG“ greift zu kurz.
2
Der Wert einer Volkswirtschaft
Zur umfassenden Bestimmung des Wertes einer Volkswirtschaft gibt es prinzipiell mehrere Ansätze. Grundsätzlich unterscheidet sich die betriebswirtschaftliche Sicht auf einen Wirtschaftsstandort von der volkswirtschaftlichen Betrachtungsweise darin, dass nach einem bestmöglichen Zusammentreffen der vorhandenen Standortfaktoren mit den spezifischen unternehmerischen Anforderungen an einen Produktions- oder Entwicklungsstandort oder auch an einen Absatzmarkt gesucht wird. Eine umfassende Bewertung der Fähigkeit einer Volkswirtschaft, Werte für die Bürger und Anleger zu schaffen, steht jedoch nicht im Fokus der traditionellen betriebswirtschaftlichen Elemente einer Standortauswahl. Porter geht in seinem „Diamanten“ auf folgende Bestimmungsfaktoren eines nationalen Wettbewerbsvorteils ein: 1. Faktorbedingungen, 2. Nachfragebedingungen, 3. Verwandte und unterstützende Branchen und 4. Unternehmensstrategie, Struktur und Konkurrenz (vgl. Porter 1991, S. 93 ff.). Staatliche Maßnahmen und zufällige Ereignisse werden als indirekt wirkende Einflüsse ebenfalls anerkannt. Aber auch wenn der Fokus der betriebswirtschaftlichen Konzepte ihrer Natur entsprechend auf einzelwirtschaftlichen Kalkülen liegt, können doch einzelne Elemente dieser Analyseverfahren auch für eine allgemeine Bewertung der Volkswirtschaft verwendet werden.
90
Michael Hüther
2.1
Statische Betrachtung
Die übliche Messung der volkswirtschaftlichen Aktivität erfolgt heute hauptsächlich statisch-rückwärtsgerichtet. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die volkswirtschaftliche Analyse zumeist auf gesicherten Daten der (amtlichen) Statistik basiert, die nicht vor dem beobachteten Zeitpunkt oder Zeitraum vorliegen können. Im Gegenteil: Auf verlässliche Zahlen müssen die Forscher in der Regel lange warten, da selbst die ersten gelieferten Zahlen häufig wieder (durchaus auch deutlich) revidiert werden müssen. Betrachtet werden vor allem Stromgrößen wie das Bruttoinlandsprodukt oder Einkommensströme sowie Bestandsgrößen wie das vorhandene Geldvermögen oder der Kapitalstock der Volkswirtschaft (siehe Abb. 1). Zukunftsgerichtete Größen haben hingegen ein deutlich geringeres Gewicht, obgleich beispielsweise Investitionen natürlich immer einen Zukunftsaspekt mit beinhalten. Trotz der umfangreichen und zahlreichen Konjunkturprognosen kann von einer systematischen Vorausschau oder einer Planung von künftigen Erträgen oder Einnahmen einer Volkswirtschaft nicht gesprochen werden, wie dies für die Anwendung der betriebswirtschaftlichen wertorientierten Steuergrößen notwendig wäre. Unter dem Gesichtspunkt der Wertorientierung können höchstens Potenzialbetrachtungen angestellt werden, die über die Möglichkeiten der wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes Auskunft geben, die jedoch nur wenig zur tatsächlichen Ausschöpfung der Obergrenze sagen können. 3,5 3 2,5 2 1,5 1 0,5 0 1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
Bruttoanlagevermögen in Preisen von 1995 Quelle: Statistisches Bundesamt
Abb. 1: Jährliche Veränderung des Kapitalstocks in vH (von Hundert)
2003
2004
Was macht eine Volkswirtschaft wertvoll?
2.2
91
Dynamische (wertorientierte) Betrachtung
Neben der statisch-rückwärtsorientierten Betrachtungsweise wird versucht, die Volkswirtschaft aus einer dynamischen und teilweise wertorientierten Perspektive zu beleuchten. Insbesondere gibt es verschiedene Versuche zu bestimmen, inwiefern die Entwicklung einer Volkswirtschaft dem Konzept der (vor allem wirtschaftlichen) Nachhaltigkeit entspricht. Beispiele hierfür sind die Untersuchung des Potenzialpfads als Maß für die mittelfristige Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft oder auch der Ansatz der Generationenbilanzierung zur Ermittlung künftiger Belastungen aus der gesamten staatlichen Aktivität (vgl. Feist/ Raffelhüschen 2000). Darüber hinaus wären bei einer umfassenderen Betrachtung des „Wertes“ einer Volkswirtschaft auch andere Dimensionen zu berücksichtigen als lediglich marktgehandelte Güter und Dienstleistungen mit ihren Mengen und Preisen. So sind beispielsweise die bisherigen Konzepte zur Bewertung von Humankapital noch in einem sehr rudimentären und wenig belastbaren Zustand. Die fehlende Ertragsbewertung von Rahmenbedingungen ist eine weitere wesentliche Lücke in der volkswirtschaftlichen Betrachtung. Insgesamt stellen sich vielfältige Bewertungsprobleme mit sogenannten „intangible assets“ wie beispielsweise technologisches Wissen oder Unternehmertum. Darüber hinaus müssten alle in die Nutzenfunktion der Menschen eingehenden Variablen berücksichtigt werden. Dies ist nicht realisierbar. Die Vorstellung einer allumfassenden, „objektiven“ Wertbestimmung in der Volkswirtschaftlehre ist abwegig. Die Bestimmung des Wertbegriffs ist selbst Ergebnis einer Auswahl. So bestimmt der Wirtschaftswissenschaftler durch die Definition der Nutzenfunktion, mit der er in seinen Modellvorstellungen arbeitet, was als „Wert“ zu gelten hat und was nicht. Die Messung des Wertes einer Volkswirtschaft ist noch viel schwieriger als die einer Unternehmung. Selbst die behelfsmäßige Orientierung am Potenzialpfad ist nicht ohne Schwierigkeiten, da es sich hierbei nicht um eine direkt beobachtbare Variable handelt. Die zahlreichen verwendeten Schätzverfahren kommen zu teilweise recht unterschiedlichen Ergebnissen für die Wachstumsrate des Produktionspotenzials. Dennoch deuten alle Zeichen auf eine langfristige Abschwächung von 2,0 vH bis Anfang der neunziger Jahre auf ein Potenzialwachstum von nur noch 1 bis 1,7 vH hin (vgl. Sachverständigenrat JG 2003/04, Zf. 734 ff.), wodurch die zukünftigen Erwartungen an die Fähigkeit des Standort Deutschlands, Wohlstand zu generieren, auf recht niedrigem Niveau begrenzt sind. Eine einfacher zu ermittelnde Größe ist das Pro-Kopf-Einkommen. Auch wenn dieser Wohlstandswert in Deutschland noch relativ hoch ist, zeigt doch die Entwicklung auch bei dieser Größe in den letzten Jahren nach unten.
3
Wertorientierte Standortfaktoren
Wertorientiertes Management soll in einem Unternehmen dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit auf den relevanten Märkten zu steigern, indem wertschaf-
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Michael Hüther
fende von wertvernichtenden Faktoren getrennt und entsprechende Veränderungsprozesse eingeleitet werden. Auch wenn es bisher keine umfassende Wertorientierung in der volkswirtschaftlichen Analyse gibt, steht doch die Wettbewerbsfähigkeit der im Inland angesiedelten Unternehmen beziehungsweise die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts im Kampf um mobile Produktionsfaktoren – insbesondere Kapital und qualifizierte Arbeit – im Mittelpunkt volkswirtschaftlicher und wirtschaftspolitischer Diskussionen. Dabei werden auch verschiedene Standortfaktoren identifiziert, die zu spezifischen Wettbewerbsvorteilen beitragen können. 3.1
Die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft
Wettbewerbsfähigkeit von Standorten ist heute nicht mehr eine Betrachtung von Absatzmöglichkeiten in anderen Gebieten („ability to sell“), sondern die Betrachtung der Bedingungen für wirtschaftliche Aktivität („ability to attract“). Insofern unterscheidet sich der Wettbewerb der Volkswirtschaften auch vom Wettbewerb der Unternehmen. Auch ist ein Standort nicht dann als wettbewerbsfähig anzusehen, wenn nur einzelne Unternehmen im Sinne von „nationalen Champions“ auf internationalen Märkten erfolgreich sind. Die Frage der Wettbewerbsfähigkeit geht weit über die Herausforderung hinaus, einzelne Unternehmen für eine Investition am heimischen Standort zu gewinnen. Wettbewerb zwischen Volkswirtschaften bedeutet heute auch Systemwettbewerb, bei dem die unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Konzepte sowie die vorherrschenden Ordnungsstrukturen getestet und von Investoren bewertet werden. Aus einem so verstandenen Systemwettbewerb entspringen wechselseitig motivierte Anstrengungen in den einzelnen Ländern, ihre Standortbedingungen zu optimieren und eine effizientere Produktion zu ermöglichen. Deshalb ist der Wettbewerb der Volkswirtschaften genau wie der unternehmerische Wettbewerb kein Nullsummenspiel, sondern für alle Seiten wohlstandsfördernd. Wenn also der Standortwettbewerb nicht als Kampf um den eigenen Vorteil zu Lasten der Handelspartner fehlinterpretiert wird, kann von einer Sinnlosigkeit der Diskussion über die Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften (vgl. Krugman 1996; Monopolkommission 2004, Zf. 6) keine Rede sein. In der üblichen Betrachtungsweise der Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften wird ausgehend von den traditionellen Maßen ökonomischer Wohlstandsmessung auf Mengengrößen oder Effizienzmaße abgestellt, wie Exportzahlen, Leistungsbilanzsalden, Kostengrößen oder Direktinvestitionen. Dabei finden alle diese Größen ihre Zusammenfassung im Bruttoinlandsprodukt pro Kopf. In diesen Wert münden letztendlich alle Standortfaktoren, die die Bedingungen für Ausmaß und Qualität der Produktion innerhalb einer Volkswirtschaft definieren. Es sind daher die hergebrachten angebotsseitigen Bedingungen der Wachstumspolitik, die auch im internationalen Vergleich heranzuziehen sind. Schafft es eine Volkswirtschaft, dauerhaft hohes Wachstum zu erzeugen? Ist ein Land in der Lage, seine Produktionsstrukturen schnell zu verändern? Ist hierbei insbesondere der Arbeitsmarkt geräumt, so dass keine hohe unfreiwillige Arbeitslosigkeit herrscht? Bringt
Was macht eine Volkswirtschaft wertvoll?
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ein Wirtschaftsgebiet viele Innovationen hervor, die dann auch in Marktprodukte umgesetzt werden? Herrschen ausreichend stabile monetäre Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Aktivität? Dies sind die Kriterien, nach denen internationale Wettbewerbsfähigkeit zu beurteilen ist. In der Betrachtung von Standortvorteilen hat sich in der Vergangenheit die Perspektive verschoben: Weg von „natürlichen“ Ausstattungsmerkmalen einer Volkswirtschaft (natürliche Ressourcen, Anzahl der Arbeitskräfte), hin zu „geschaffenen“ Ausstattungsmerkmalen (Kapital, Humankapital, Regulierungen). Letztere haben vor allem die Eigenschaft der internationalen Mobilität oder zumindest der Imitierbarkeit. Natürliche Standortfaktoren können einen dauerhaften Vorteil verschaffen, geschaffene bringen lediglich einen Wettbewerbsvorsprung auf Zeit, so dass in diesem Bereich immer weitere Anstrengungen notwendig sein werden. 3.2
Die „klassischen“ Standortfaktoren
Zu den natürlichen Standortfaktoren gehören in klassischer Abgrenzung Boden, Arbeit und Kapital. Der Faktor Boden ist – außer für die Hebung von Bodenschätzen – nur noch für die Land- und Forstwirtschaft sowie den Tourismus von besonderem Interesse. Da Deutschland nicht über relevante wettbewerbsfähige Bodenschätze verfügt, Land- und Forstwirtschaft keine nennenswerte Rolle in der Produktion von Gütern spielen und auch der Tourismus nicht auf besonderen Qualitäten des Bodens beruht, kann von diesem Produktionsfaktor – zumindest in Bezug auf Deutschland – im weiteren abstrahiert werden. Der Produktionsfaktor Arbeit ist in Erweiterung der klassischen Dreiteilung noch einmal zu differenzieren: Zum einen in Arbeit im engeren Sinne, zum anderen in das damit verbundene Humankapital. Der Faktor Arbeit wird in Deutschland durch mehrere Faktoren bestimmt. Zum einen ist dies die durch die niedrige Geburtenrate trotz prognostizierter Zuwanderung mittelfristig deutlich sinkende Bevölkerungszahl, aus der sich das Arbeitskräftereservoir rekrutiert. So ist damit zu rechnen, dass sich die Anzahl der potentiellen Erwerbspersonen von 41,9 Millionen (2000) auf 32,3 Millionen im Jahr 2040 und 29,6 Millionen im Jahr 2050 reduziert (vgl. Schäfer/ Seyda 2004, S. 99 f.). Dieser demographische Trend, der aufgrund verschiedener Mismatch-Probleme auch keine automatische Linderung der Arbeitslosigkeit mit sich bringen wird, ist selbst durch verstärkte Zuwanderung oder eine kurzfristige Erhöhung der Fertilität kaum noch aufzuhalten. Durch das abnehmende Arbeitskräftepotenzial ist deutlich, dass Deutschland im Bereich der zahlreich verfügbaren Arbeit gegenüber anderen Volkswirtschaften keinen Wettbewerbsvorteil gewinnen kann, sondern dass die gravierenden bestehenden Nachteile, die insbesondere auch durch die hohen Lohnkosten verursacht sind, an anderer Stelle ausgeglichen werden müssen. Doch auch wenn die demographische Entwicklung dem Arbeitskräftepotenzial gewisse Grenzen setzt, bestehen doch regulative Einflussfaktoren auf diese Größe. Dabei ist zunächst gar nicht an eine höchstens langfristig wirksame Familienpolitik gedacht. Vielmehr schränken lange Ausbildungszeiten und eine relativ frühe Verrentung die Anzahl der Jahrgänge im arbeitsfähigen Alter ein. Hier ist jedoch
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Michael Hüther
eine Lockerung zu erwarten. Auch durch eine Verlängerung der bisher relativ kurzen Jahresarbeitszeit kann die Abnahme des verfügbaren Arbeitsvolumens verlangsamt werden. Als eine wesentliche Stärke des Standorts Deutschland wird immer wieder die gute Ausbildung der Arbeitnehmer bezeichnet, auch wenn einzelne Ergebnisse von Schulvergleichen hieran Zweifel ausgelöst haben. Insbesondere die Duale Berufsausbildung, die praktisches Lernen mit theoretischen Kenntnissen verbindet, genießt zurecht internationale Anerkennung. Dadurch, dass sich die Ausbildung nicht nur auf die ganz konkrete betriebliche Aufgabe des Lehrberufes konzentriert, wächst bei den späteren Arbeitnehmern das Problemlösungspotenzial, mit dem Innovationen kreiert und neue Anforderungen gemeistert werden können. Neben der – schulischen, universitären und betrieblichen – Bildung kann auch die Bereitschaft zur Selbstständigkeit als Aspekt des Humanvermögens angesehen werden. Eine Kultur des Unternehmertums generiert wirtschaftliche Dynamik, indem immer wieder neue Prozesse der „schöpferischen Zerstörung“ initiiert werden. Hier hat Deutschland mit einer Mentalität zu kämpfen, die der Sicherheit besondere Stellung einräumt, so dass es alles andere als selbstverständlich ist, unternehmerisches Risiko einzugehen oder dies bei anderen zu honorieren. 18,0 16,0 14,0 12,0 10,0 8,0 6,0 4,0 2,0 0,0 -2,0
1992
1993
1994
1995
1996
Deutschland
1997 USA
1998
1999
2000
2001
2002
Niederlande
Quelle: OECD, Unctad, IWF
Abb. 2: FDI-Zuflüsse in vH des BIP
Der Produktionsfaktor Kapital unterscheidet sich von den bisher genannten Faktoren insbesondere durch seine kaum eingeschränkte Mobilität. Dies ist auch der Grund, warum sich der Wettbewerb der Volkswirtschaften vor allem um die
Was macht eine Volkswirtschaft wertvoll?
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Attrahierung von mobilem Kapital bemüht, damit daraus längerfristige Investitionen im Inland entstehen. Das so gebundene Kapital kann nicht mehr kostenfrei transferiert werden. Die mit ihm erwirtschaftete Rentabilität zeigt jedoch an, inwiefern zusätzliche Investitionen tatsächlich ausreichende Erträge abwerfen können. Ein wichtiger Indikator für die Attraktivität eines Standorts sind die Kapitalzu- oder -abflüsse. Hierin spiegelt sich die Bewertung des wirtschaftlichen Umfeldes und der Investitionsmöglichkeiten durch internationale Anleger wieder (siehe Abb. 2). 3.3
Standortfaktor institutionelle Rahmenbedingungen
Neben den traditionellen Standortfaktoren Boden, Arbeit und Kapital, spielen in der modernen volkswirtschaftlichen Betrachtung die institutionellen Rahmenbedingungen eine immer entscheidendere Rolle. Diese sind auch deshalb von besonderem Interesse, weil sich hieraus unmittelbar politische Handlungsempfehlungen ableiten lassen, obgleich natürlich auch Institutionen ihr spezifisches Beharrungsvermögen und ihren historischen Hintergrund haben, der beliebige und spontane Veränderungen oftmals unmöglich macht. Wie erheblich der Ordnungsrahmen für die Qualität einer Volkswirtschaft ist, zeigt der Blick auf unterentwickelte Länder. Während Arbeit im Überfluss vorhanden und selbst Humankapital leidlich verfügbar ist, wird mobiles Kapital durch die schlechten Rahmenbedingungen wie mangelnde Rechtssicherheit oder auch korrumpierte Staatsstrukturen, die häufig gerade in der Existenz reicher Bodenschätze begründet sind, abgeschreckt. Im Vergleich zu Entwicklungsländern ist die Qualität der institutionellen Rahmenbedingungen in Deutschland ohne Zweifel hervorragend, doch verbietet sich dieser Maßstab für ein entwickeltes Industrieland. Vergleicht man den vorhandenen Ordnungsrahmen hingegen mit dem der eigentlichen Konkurrenten im Standortwettbewerb, muss eine etwas differenziertere Betrachtung erfolgen. Grundlegende Institutionen, als Basis für jede marktwirtschaftliche Betätigung unentbehrlich, sind in Deutschland als zuverlässig und stabil zu bezeichnen: Rechtssicherheit wird gewährt, der Schutz des Eigentums gewährleistet, die soziale Marktwirtschaft als Wirtschaftsordnung und das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen als Grundlage einer marktwirtschaftlichen Wettbewerbspolitik werden weitgehend anerkannt (vgl. OECD 2004, S. 11 f.). In diesen Bereichen herrscht ein unbestritten hoher Standard, so dass einige der notwendigen Bedingungen für die Anziehung von Investitionen erfüllt sind. Auch ist ein hohes Niveau an politischer und sozialer Stabilität gegeben. Dies äußert sich in weitgehend stabilen Regierungen, relativ seltenen Regierungswechseln und einem weitgehenden Konsens zwischen den politischen Lagern in Grundsatzfragen der marktwirtschaftlichen Ordnung und des freiheitlichen Rechtsstaates. Jedoch wird gerade die hohe soziale Stabilität – wenig Streiks oder behindernde Demonstrationen, allgemeine Anerkennung der staatlich garantierten Ordnung, gemäßigte Konflikte zwischen den Bevölkerungsgruppen – teilweise teuer erkauft. Insbesondere muss das hohe Lohnniveau in Deutschland auch als Preis für die immer wieder ins Feld geführte relativ geringe Streikhäufigkeit angesehen werden. Eine Folge dieses
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Tauschgeschäftes ist die hohe Arbeitslosigkeit, die durch einen über dem markträumenden Preis liegenden Lohnsatz verursacht wird. Schließlich hat Deutschland beinahe die höchsten Lohnstückkosten auf der Welt (siehe Abb. 3). In den USA und den Niederlanden liegt dieser Wert rund 15 vH unter dem deutschen Niveau, in Japan und Kanada summiert sich dieser Wettbewerbsvorteil gegenüber Deutschland sogar auf 25 vH. 107
Norwegen 100
Deutschland
99
UK 88
Dänemark Italien
87
Belgien
87 85
USA
84
Niederlande
82
Frankreich Schweden Kanada Japan
78 75 75
Stand 2002 Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln
Abb. 3: Lohnstückkosten im Verarbeitenden Gewerbe
Aber auch die politische Stabilität zeigt lähmende Nebenerscheinungen. Die nahezu permanente faktische Große Koalition, die durch das Zusammenspiel von Bundestag und Bundesrat in fast allen relevanten Politikbereichen institutionalisiert ist, hat sich in den letzten Jahren zunehmend zu einem Instrument der Verhinderung von Veränderungen entwickelt. Der Standortvorteil der politischen Stabilität mutiert so zu einem Nachteil, weil notwendige Reformen, die die Wettbewerbsfähigkeit steigern sollen, nur unter größten politischen Schwierigkeiten durchgesetzt werden können. Eine klarere Trennung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern, die dieses Problem auflösen würde, konnte bisher jedoch nicht durchgesetzt werden. Zu den wesentlichen gestaltbaren Rahmenbedingungen, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und damit auch den Wert einer Volkswirtschaft determinieren, gehören Umfang und Qualität der staatlichen Regulierungstätigkeit sowie der damit verbundenen bürokratischen Lasten für die Wirtschaft. Immerhin wird die Staatsbürokratie von der Hälfte der Unternehmen in Deutschland als eines der
Was macht eine Volkswirtschaft wertvoll?
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wichtigsten Hindernisse für unternehmerischen Erfolg angesehen (vgl. Kroker/ Lichtblau/ Röhl 2004, S. 9 ff). Dies zeigt sich beispielsweise bei der Neugründung. Hierfür müssen in Deutschland im Durchschnitt 45 Tage aufgebracht werden – in den Niederlanden sind es 11, in den USA 4 und in Australien nur 2 (siehe Abb. 4). Auch im OECD-Regulierungsindex findet sich Deutschland sowohl im Bereich der Bürokratie als auch beim Arbeitsmarkt im unteren Drittel wieder. Ein ähnliches Bild zeichnet der Economic Freedom Index des Fraser Instituts (vgl. Gwartney/ Lawson 2003). Hier befindet sich Deutschland weit hinter den anderen Industrienationen wie den Vereinigten Staaten, Großbritannien oder den Niederlanden gemeinsam mit Chile und Mauritius auf Platz 20. Im Bereich der Arbeitsmarktregulierungen wurde Deutschland sogar nur auf Platz 80 verwiesen. Auch wenn derartige zusammenfassende Indizes, die eigentlich unmessbare Phänomene quantitativ fassen wollen, der Kritik unterzogen werden (vgl. Bellak/ Winklhofer 1997), lässt sich insgesamt eine deutliche Überregulierung der wirtschaftlichen Aktivität am Standort Deutschland feststellen, die einen selbst geschaffenen wesentlichen Nachteil im internationalen Standortwettbewerb darstellt.
Genehmigungsverfahren zur Gründung einer GmbH dauern ..... Tage Australien Neuseeland Kanada Dänemark USA Niederlande Irland Schweden UK Schweiz Italien
2 3 3 4 4 11 12 16 18 20 23
Norwegen Österreich Japan Finnland Deutschland Griechenland Frankreich Belgien Portugal Spanien
24 29 31 33 45 45 53 56 95 115
Stand 2003 Quelle: Weltbank, Institut der deutschen Wirtschaft Köln
Abb. 4: Bürokratie/ Existenzgründung
3.4
Standortfaktor Wirtschaftspolitik
Eng verwandt mit den institutionellen Rahmenbedingungen ist der Standortfaktor Wirtschaftspolitik, der zum einen Einfluss auf den Ordnungsrahmen ausübt und
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sich zum anderen in weiten Teilen innerhalb des selbst gesetzten Regelwerks bewegt. Bezogen auf die Wirtschaftspolitik sind vor allem vier staatliche Aufgabenbereiche zu nennen: Erstens müssen die monetären Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass Vertrauen in die Währung geschaffen und somit Wachstum ermöglicht wird. Zweitens besteht die staatliche Aufgabe, öffentliche Güter zu einem akzeptablen (Steuer-)Preis bereitzustellen. Drittens muss das Steuersystem einfach, effektiv und anreizorientiert gestaltet werden. Viertens hat die öffentliche Hand die Verpflichtung, den Wettbewerb zwischen den Marktpartnern zu sichern. Daneben ist darauf zu achten, dass staatliche Maßnahmen sowohl effizient als auch effektiv durchgeführt werden und nicht mir zu hohen bürokratischen Lasten für Bürger und Unternehmen verbunden sind. Ziel der Geldpolitik ist eine dauerhaft hohe und glaubwürdige Preisniveaustabilität zur Verstetigung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Die Sicherung des Geldwertes als Grundlage wirtschaftlichen Handelns liegt inzwischen in den Händen der Europäischen Zentralbank. Mit dem Prozess der Euro-Einführung wurde die langjährige erfolgreiche Tradition der Deutschen Bundesbank auf zahlreiche weitere Länder übertragen. Damit ist ein früherer Wettbewerbsvorteil Deutschlands gegenüber anderen EU-Mitgliedern verschwunden, die in der Vergangenheit keine derartige stabilitätsorientierte Tradition vorweisen konnten. Die faktische Aushebelung des Stabilitäts- und Wachstumspakts lässt jedoch steigenden Druck auf die Notenbank befürchten, das Ziel der Geldwertstabilität in Zukunft weniger konsequent zu verfolgen, was eine weitere Minderung der Chancen auf Prosperität in Deutschland bedeuten würde. Unterschiedlich ausgeprägt sind die Leistungen der Wirtschaftspolitik im Bereich der Versorgung mit öffentlichen Gütern zu adäquaten Preisen. So ist beispielsweise trotz einer im allgemeinen gut ausgebauten öffentlichen Infrastruktur teilweise erheblicher Nachholbedarf zu erkennen, beispielsweise bei Ausbau und Instandhaltung des Autobahnnetzes. Gleichzeitig hat sich in anderen Bereichen ein deutliches Überangebot an öffentlichen Gütern etabliert, beispielsweise durch überdimensionierte Kläranlagen oder zahlreiche Spaßbäder, die Anfang der neunziger Jahre in den neuen Bundesländern entstanden sind. Die bestehenden Probleme bei der Versorgung mit öffentlichen Gütern lässt sich neben der Fehllenkung von Mitteln auch damit erklären, dass die Konsolidierungsbemühungen der öffentlichen Haushalte in den vergangenen Jahren stets zu Lasten der Investitionen gegangen sind, während konsumptive Ausgaben und vor allem Sozialleistungen mehr oder weniger unangetastet geblieben sind. Die Auswirkungen von Steuererhebungen zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben machen sich mannigfaltig bemerkbar. Zum einen verursacht die Steuererhebung Verwaltungs- und Bearbeitungskosten, des weiteren führen Steuern zu Verzerrungen gesamtwirtschaftlicher Gleichgewichte und zuletzt können sie Substitutionseffekte bewirken. Steuererhebungskosten entstehen durch die Finanzverwaltung, aber auch Steuerberater, große Steuerabteilungen in den Unternehmen und Steuerrechtsprozesse tragen wesentlich dazu bei, dass nicht unerhebliche volkswirtschaftliche Ressourcen für diese Aktivitäten verbraucht werden. Ein einfaches Steuersystem, wie es von einigen Politikern gefordert wird, führt, neben einer größeren gesellschaftlichen Akzeptanz, zu geringeren volkswirtschaftlichen
Was macht eine Volkswirtschaft wertvoll?
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Kosten. Steuern bewirken zudem eine Verzerrung gesamtwirtschaftlicher Gleichgewichte.2 So verteuern Konsumsteuern die angebotenen Güter und verringern deren Absatzmenge, Lohnsteuern verringern die Einkommen und erhöhen die Arbeitskosten der Unternehmen, was sich in einer geringeren Arbeitsnachfrage und einem niedrigeren Arbeitsangebot bemerkbar macht. Diese vielschichtigen Steuerverzerrungen müssen vom Staat bei Entscheidungen berücksichtigt werden. Dabei dürfen gerade die gravierenden Auswirkungen zu hoher Steuern auf den Arbeitsmarkt nicht unterschätzt werden. Bei internationalen Standortentscheidungen wird von den Unternehmen meistens der tarifliche Steuersatz verwendet statt der schlechter ermittelbaren tatsächlichen Steuerbelastung. Lässt ein nationales Steuerrecht viele Ausnahmeregelungen zu, ist die Diskrepanz zwischen Tarifsteuersatz und Steuerbelastung besonders groß. Selbst wenn bei der Standortentscheidung die tatsächliche Steuerbelastung verwendet wird, bewirkt die Unsicherheit über deren wirkliche Höhe einen Risikoaufschlag. Ist der offizielle Steuersatz größer als die Steuerbelastung, führt das zu geringeren Investitionen und zu niedrigeren volkswirtschaftlichen Wachstumsraten als möglich. Ein Steuersystem, das nachhaltige Vorteile für eine Gesellschaft generieren soll, müsste die wirtschaftlichen Akteure dazu animieren, solche Aktivitäten zu tätigen, die allen zugute kommen. Investitionen und Bildungsanstrengungen, auf individueller, unternehmerischer wie gesamtwirtschaftlicher Ebene fördern die wirtschaftliche Prosperität, die Steuerpolitik sollte diese Ausgaben nicht verhindern oder vermindern. Das bedeutet für die Steuerpolitik: Da schon Steuern zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben erhoben werden müssen, sollen diese die Anreize so setzen, dass ein nachhaltiger Vorteil für unsere Gesellschaft entsteht. Ein einfaches Steuersystem, niedrige Steuersätze und die Beseitigung von negativen Anreizen durch das Steuersystem stehen auf der Agenda einer erfolgreichen und nachhaltigen Wirtschaftspolitik. Nachdem sich das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen jahrzehntelang als Grundgesetz der Ordnungspolitik bewährt hat, ist im Aufgabenfeld Wettbewerbspolitik heute auch europäische Kompetenz gefordert (vgl. OECD 2004, S. 25 ff.). Während Kartellverfahren je nach Größe in den Nationalstaaten oder in Brüssel entschieden werden, kamen die wichtigen Maßnahmen zur aktiven Stärkung des Wettbewerbs in den letzten Jahren zumeist von der EU. Die Liberalisierung der Telekommunikations-, Post- und Energiemärkte wäre ohne die gemeinschaftliche Wettbewerbspolitik unmöglich gewesen. Durch die Beihilfenkontrolle wurde auch der verbreiteten Subventionsmentalität der öffentlichen Hand ein wirkungsvoller Riegel vorgeschoben. Dennoch wäre es wünschenswert, dass auch im Bereich der sogenannten Daseinsfürsorge mehr Wettbewerb und damit mehr wirtschaftliche Dynamik Einzug halten würde. Bezüglich der Steigerung von Effizienz und Effektivität der staatlichen Aktivitäten gibt es zwar immer wieder neue Initiativen – beispielsweise die Programme „Schlanker Staat“ oder „Moderner Staat – Moderne Verwaltung“ sowie die „Initiative Bürokratieabbau“ (vgl. OECD 2004 S. 13). Dennoch gab es hierbei 2
Nur Pauschalsteuern führen zu keiner Verzerrung.
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höchstens punktuelle Fortschritte. Als Indikator für einen gelungenen Bürokratieabbau kann die Anzahl der aufgehobenen Bundesgesetze und Vorschriften angesehen werden, die sich jedoch seit Anfang der neunziger Jahre nicht wesentlich erhöht hat (siehe Abb. 5).
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
Primärgesetzgebung
29
15
48
15
12
21
34
14
12
40
Sekundärgesetzgebung
114
127
170
79
89
157
172
89
74
125
Insgesamt
143
142
218
94
101
178
206
103
86
165
Quelle: OECD
Abb. 5: Aufgehobene Bundesgesetze und untergesetzliche Vorschriften
3.5
Wertorientierte Standortfaktoren?
Auch mit einer wertorientierten Perspektive lassen sich gesamtwirtschaftlich relevante Standortfaktoren identifizieren, die sich jedoch in der Regel in die bestehenden Systematiken einordnen lassen. Wertorientierte Standortfaktoren sind ebenfalls „geschaffene“ Standortfaktoren. Hierzu gehören beispielsweise übergeordnete Einstellungen wie Leistungsorientierung und Eigenverantwortung, aber auch die Frage, wie sehr die wirtschaftlichen und politischen Akteure ihr Handeln auf die Zukunft ausrichten. Die vorhandenen Managementqualifikationen sowie die vorhandene Flexibilität und Innovationsfähigkeit sind ebenso als Bestandteil der wertorientierten Standortfaktoren anzusehen. Die Einstellung der deutschen Bevölkerung zur marktwirtschaftlichen Ordnung und damit zu einer Betonung der Eigenverantwortung und der Leistungsorientierung ist häufig eine eher kritische. Veränderungen werden zu oft als Bedrohung und nicht als Chance empfunden; eine Stärkung der Eigenverantwortlichkeit wird schnell als Zumutung gebrandmarkt; ein Rückzug des Staates wird zunächst als Abbau von Lebensqualität gesehen. Die Tradition der sozialen Marktwirtschaft wird zumeist als Grundlage des Sozialstaats interpretiert, der vor allem in den
Was macht eine Volkswirtschaft wertvoll?
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siebziger Jahren erheblich ausgebaut wurde. Paternalistischer Lenkung wird großes Vertrauen entgegengebracht, während die Funktionsfähigkeit oder gar Überlegenheit dezentraler Koordinationsmechanismen selten Anerkennung findet. Dementsprechend ist auch die Akzeptanz angelsächsisch geprägter Shareholder ValueModelle generell gering (vgl. Coenenberg/ Salfeld 2003, S. 3), ebenso eine konsequent marktwirtschaftlich orientierte und auf Effizienzsteigerung ausgerichtete Reform der bestehenden Wirtschaftsordnung. Auch der Blick in die Zukunft ist oftmals versperrt. Nicht nur, dass die mittel- und langfristigen Vorzüge marktwirtschaftlicher Reformen nur niedrig bewertet werden. Auch die finanziellen Schwerpunktsetzungen zeigen eine mangelnde Zukunftsorientierung. So ist der Anteil der Bruttoanlageinvestitionen am Bruttoinlandsprodukt inzwischen auf 20,3 vH gefallen, während die Sozialleistungen schon 32,5 vH des Bruttoinlandsprodukts ausmachen, was auf eine zu ausgeprägte Gegenwartsfixierung der Gesamtwirtschaft schließen lässt (siehe Abb. 6). 34,0 32,0 30,0 28,0 26,0 24,0 22,0 20,0 1960
1965
1970
1975
1980
Investitionsquote
1985
1990
1995
2000
Sozialleistungsquote
bis 1990 Westdeutschland ab 1991 Angaben auf der Basis revidierter VGR-Daten 2001 und 2002: vorläufig Quelle: Statistisches Bundesamt, Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, IW Köln
Abb. 6: „Todesschere“
Managementqualitäten sind wertorientierte Standortfaktoren, die sich in der traditionellen Einteilung als Bestandteil des Faktors Humankapital ansehen lassen. Hier ist das Ausbildungspotenzial in wirtschaftlichen Fächern bedeutsam. Dabei geht es nicht nur um universitäre Spitzenausbildung, sondern auch um die Schaffung eines breiten marktwirtschaftlichen Grundverständnisses in der Bevölkerung. Beides ist notwendig, um zum einen anerkannte wirtschaftliche Leitbilder, zum anderen aber auch eine entsprechende Führungskultur entstehen zu lassen, die eine effiziente Produktion von Gütern und Dienstleistungen ermöglichen. Teil ei-
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nes solchen Leitbildes in einer dynamischen und wertorientierten Wirtschaft müssen Innovationsbereitschaft und damit verbunden – vor allem geistige – Flexibilität sein. Nur immer neu entdeckte Produkte, Verfahren und Märkte können dauerhaften Wohlstand sichern. Entscheidend ist dabei aber die Fähigkeit, aus erfolgversprechenden Technologien auch erfolgreiche Marktprodukte zu machen. Sowohl der mit 2,5 vH international geringe F+E-Anteil am Bruttoinlandsprodukt (USA 2,8 vH, Japan 3,1 vH, Schweden 4,3 vH) als auch die als „brain drain“ bezeichnete Abwanderung von Wissenschaftlern aus Deutschland sind Symptome einer insgesamt mangelhaften Innovationsfähigkeit und Innovationsbereitschaft – mit entsprechenden zumindest mittelfristig negativen Auswirkungen auf die wirtschaftliche Dynamik (siehe Abb. 7).
F+E-Ausgaben pro Kopf (in KKP-Dollar) USA Schweden Finnland Japan Deutschland Dänemark Niederlande Frankreich Kanada Norwegen
1991
2000
UK Südkorea Italien 0
200
400
600
800
1000
1200
Quelle: OECD, IW Köln
Abb. 7: F+E-Ausgaben
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Wirtschaftspolitische Neuorientierungen: Wertorientiertes Management einer Volkswirtschaft
Aus den genannten Defiziten der verschiedenen Standortfaktoren in Deutschland lässt sich ein Fahrplan für eine wertorientierte Neuorientierung der Wirtschaftspolitik erstellen. Dabei geht es darum, der Volkswirtschaft ein Management zu ge-
Was macht eine Volkswirtschaft wertvoll?
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ben, welches sich an der dauerhaften Schaffung von Ordnungsstrukturen orientiert, die einem dezentralen dynamischen Wertschöpfungsprozess ideale Bedingungen liefern. Auch eine explizite Wertorientierung der Wirtschaftspolitik erfordert die Beachtung dessen, was in der deutschsprachigen Debatte seit einem halben Jahrhundert als Ordnungspolitik diskutiert wird und die Grundlage der sozialen Marktwirtschaft ist. Angesichts der demographischen Entwicklung ist einer der bedeutendsten Ansatzpunkte die Reform der sozialen Sicherungssysteme. Zukünftiger Wertverzehr muss schon heute berücksichtigt werden, damit die Versicherungen nicht eines Tages unbezahlbar sein werden. Dabei muss die Eigenverantwortung gestärkt werden. Teil eines marktwirtschaftlichen Umbaus ist die stärkere Betonung des Äquivalenzprinzips, also die Trennung zwischen Versicherungsfunktion und Umverteilungsfunktion, sowie damit einhergehend die Entkoppelung der Beiträge zu den Sozialsystemen vom Einkommen. Durch eine Verschiebung der Umverteilung ins Steuer- und Transfersystem kann zusätzlicher Wettbewerb im Versicherungsbereich eine effizientere Leistungserbringung ermöglichen und somit mehr Wohlstand generieren. x In der gesetzlichen Krankenversicherung müssen wir weg kommen von der Idee einer Einheitsversicherung. Statt dessen ist eine allgemeine Versicherungspflicht bei Kontrahierungszwang auf der anderen Seite geboten. Das Modell einer Gesundheitsprämie zeigt in die richtige Richtung. Die gewünschte Umverteilung ist im Steuer- und Transfersystem am sinnvollsten aufgehoben. Bei der Pflegeversicherung müssen die Fehler der neunziger Jahre korrigiert werden. Die umlagefinanzierte Pflegeversicherung hätte nie eingeführt werden dürfen (vgl. Sachverständigenrat Jg. 1991/92, Zf. 357 ff.). x Auch in der Rentenversicherung muss die private Vorsorge gestärkt werden. Die Diskussion um die Riester-Rente hat Problembewusstsein geschaffen. Durch die Überregulierung der Förderung sind die Riester-Produkte aber weitgehend unattraktiv geworden. Hier müssen Freiräume geschaffen werden, damit privates Sparen die Lücke der gesetzliche Rente füllen kann. Gleichzeitig muss auch Sozialrente den veränderten Gegebenheiten angepasst werden. Frühverrentung darf es nur noch mit risikogerechten Zuschlägen geben. Eine längere Lebensarbeitszeit erscheint unumgänglich. Die Einführung des demographischen Faktors ist hingegen zielführend, um die Finanzierungslage zu stabilisieren. x Für die Arbeitslosenversicherung gilt, dass hier zuförderst auf die Anreize zur Arbeitsaufnahme geachtet werden muss. Daher ist eine Kürzung des Anspruchszeitraums notwendig. Auch müssen die verschiedenen Leistungen degressiv gestaltet sein. Insgesamt müssen die verschiedenen Unterstützungsformen als Hilfe zur Selbsthilfe ausgestaltet werden. Lohnersatzleistungen, die bei Nicht-Arbeit fließen, müssen soweit möglich in Lohnergänzungsleistungen, die niedrige Gehälter aufstocken, ersetzt werden. Eine Zurücknahme staatlicher Tätigkeiten, also eine dezentralere Organisationsstruktur der „Deutschland AG“, muss ein Kern des Konzernumbaus werden. Dazu zählt zunächst eine klare Aufgabenkritik. Der Staat muss nicht alles machen,
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was auch im Wettbewerb erbracht werden kann. Privatisierung und Deregulierung stehen immer wieder auf der Tagesordnung. Vor allem aber gilt es, diejenigen Regeln zu verändern oder abzuschaffen, die Hemmnisse für die Flexibilität von Privatpersonen und Unternehmen darstellen. Mit einer solchen Verwaltungsvereinfachung und einer konsequenten Ausgabenkritik ergeben sich auch Spielräume für eine Senkung der Staatsausgaben und damit für eine Reduktion der Belastung mit Steuern und Abgaben. Nicht um einen Rückbau, aber um einen Umbau geht es in Bildung und Wissenschaft. Hier werden die Grundlagen für späteres Wirtschaftswachstum gelegt. Humanvermögen bleibt Deutschlands wichtigste Ressource, Innovationen schaffen die dynamischen Märkte von morgen. Dabei geht es aber nicht darum, einfach mehr staatliche Mittel zur Verfügung zu stellen. Entscheidend sind vielmehr die Anreizstrukturen, die Schüler, Studenten und Lehrer zu besseren Leistungen und hochkarätige Wissenschaftler zum Verbleib in Deutschland motivieren sollen. x In der Bildungspolitik geht es nicht einfach um mehr Geld, sondern um bessere Strukturen. Dazu zählen beispielsweise klar definierte Bildungsstandards und zentrale Prüfungen, die die Vergleichbarkeit der Schulen gewährleisten. Um Wettbewerb im Bildungssystem zu generieren, müssen den Schulen und Hochschulen mehr Freiräume eingeräumt werden. Ein wesentliches Hindernis stellt hier aber das öffentliche Dienstrecht dar, das beispielsweise leistungsbezogene Elemente der Vergütung nicht vorsieht. Unabdingbar für die wertorientierte Neuausrichtung der „Deutschland AG“ ist jedoch, dass die wesentlichen Konzernführungsstrukturen in der Lage sind, einen solchen Wandel zu gestalten. Hier stößt der deutsche Föderalismus an seine Grenzen. Im Zuge der Aufgabenkritik muss daher auch eine Neuzuordnung der Aufgaben erfolgen. Neben einer klaren Trennung der Verantwortlichkeiten müssen auch entsprechende Steuerhoheiten zugeordnet werden, damit Entscheidungen in Zukunft fallen können, ohne dass sich Bundestag und Bundesrat auf einen unbefriedigenden Kompromiss einigen müssen.
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Neuorientierung des Steuersystems als Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Werterhaltung Friedrich Merz Inhalt 1 2 3 4 5 6
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Einleitung ............................................................................................................. 107 Wertentscheidungen als Grundlagen für die Wirtschaftspolitik............................ 108 Werteverlust im Steuerrecht ................................................................................. 108 Steuerreformdiskussion ........................................................................................ 109 Reformkonzept Steuerrecht Zehn Leitsätze für ein modernes Einkommensteuerrecht ..................................... 111 Einpassen der Steuerreform in ein zukunftsfähiges Gesamtkonzept..................... 123
Einleitung
In der bisher längsten und stabilsten Wirtschaftsphase in Deutschland haben wir in den letzten 50 Jahren ein noch nicht gekanntes Maß an Wohlstand erreicht. Der allgemeine öffentliche und private Wohlstand im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn sowie das Wohlstandsgefälle zwischen Deutschland Ost und West begründete die Überlegenheit der Sozialen Marktwirtschaft so sehr, dass wir glaubten, die Fortsetzung dieses Weges der ständigen Mehrung unseres Wohlstandes für völlig selbstverständlich halten zu können. Die Wiederherstellung der staatlichen Einheit unseres Landes, die damit einher gehenden, völlig unterschätzten finanziellen und sozialen Herausforderungen und nicht zuletzt der ungeheure Wettbewerbsdruck durch die europäische Integration und die Globalisierung stellen uns heute jedoch vor Probleme, die wir zuvor nicht wahrgenommen haben oder nicht wahrnehmen wollten. Eine anhaltend hohe Arbeitslosigkeit in Ost und West, eine immer höher steigende Staatsverschuldung, der drohende Zusammenbruch der sozialen Sicherungssysteme und ein zur Unverständlichkeit und Untauglichkeit mutiertes Steuersystem bedrohen unsere Wirtschaftsordnung in bisher nicht gekanntem Umfang. Was ist los in Deutschland? Wie konnte es dazu kommen, dass dieses früher so erfolgreiche Land einen solchen Niedergang erlebt? Warum kommen wir aus der Krise trotz ständiger und zum Teil hektischer Gesetzgebungsarbeit nicht heraus? Wo bleibt die einst so gerühmte Leistungskraft und Kreativität unserer Gesellschaft?
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Wertentscheidungen als Grundlagen für die Wirtschaftspolitik
„Wir müssen wieder mehr der Kraft der Freiheit vertrauen" hat Horst Köhler am 23. Mai 2004 nach seiner Wahl zum Bundespräsidenten in seiner Rede im Deutschen Bundestag gefordert. Die Bedeutung von Vertrauen und Freiheit ist nach fast sechzig Jahren in Frieden und Wohlstand verloren gegangen. Dabei ist das Vertrauen nicht nur in die Freiheit, sondern damit auch das Vertrauen in die Werteordnung unserer Gesellschaft, das Vertrauen in die Verlässlichkeit des Wortes unverzichtbare Voraussetzung für ein gedeihliches Miteinander in Staat, Gesellschaft und Wirtschaft. Der Freiheit kommt dabei ein besonderer Stellenwert zu. Der Ausgleich von Freiheit und Gerechtigkeit darf nicht mehr im Sinne von Verteilungsgerechtigkeit missverstanden werden, sondern muss im Sinne von Chancen- und Leistungsgerechtigkeit verwirklicht werden. Solidarität darf nicht als Rechtfertigung für die Einbahnstrasse des umfassenden Wohlfahrtsstaates gebraucht werden. Wer Solidarität der Gesellschaft will, wird in Zukunft zuerst die Frage beantworten müssen, welche Leistungen er denn selbst erbringen kann und wie die Gegenleistung für die Solidarität der Gesellschaft aussehen könnte. Natürlich müssen sich diejenigen, die die Solidarität wirklich brauchen, auch in Zukunft auf den Sozialstaat verlassen können. Aber der Sozialstaat moderner Prägung setzt Eigenverantwortung vor die Absicherung durch den Staat, er setzt kleine Einheiten vor große Kollektive, er setzt die privatwirtschaftliche Organisation grundsätzlich vor die staatlichen Institutionen. Hinter den Grundwerten der Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität darf sich jedenfalls in Zukunft nicht mehr Bequemlichkeit, Leistungsverweigerung und die Verlagerung der Verantwortung auf den Staat verstecken. Es geht darum, die Verwerfungen, die Übertreibungen, die Exzesse unseres Sozialstaates auf ein vertretbares Maß zurückzuführen. So verstanden, werden auch die Grundwerte Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit wieder zur Grundlage unserer staatlichen, unserer sozialen und gesellschaftlichen Ordnung.
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Werteverlust im Steuerrecht
Was bedeutet dies für unser Steuerrecht? Das geltende deutsche Steuerrecht ist durch unaufhörliche Gesetzesänderungen und -ergänzungen zu einem Konglomerat undurchsichtiger Vorschriften, unklarer Regelungsgegenstände und widersprüchlicher Wertentscheidungen verkommen. Die Steuergesetzgebung mit den dazu gehörenden unzähligen Verordnungen, Richtlinien, Interpretationsschreiben und Anwendungserlassen sowie Nichtanwendungserlassen des Bundesministers der Finanzen und nachfolgender Behörden sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesfinanzhofes und der Finanzgerichte erschließt sich den Steuerpflichtigen,
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ihren Beratern und auch der Steuerverwaltung in der täglichen Anwendung nicht mehr. Das World Economic Forum hat zusammen mit der Harvard University im Frühjahr 2005 im Deutschland-Teil des World Competitiveness Report eine unter mehreren hundert international tätigen Unternehmen durchgeführte Umfrage über Effizienz und Transparenz der Steuersysteme veröffentlicht. Von den 104 Staaten, deren Steuersystem bewertet wurde, lag Deutschland auf dem letzten Platz. Auf Platz eins liegt Hongkong, auf Platz vier bereits Estland, Luxemburg rangiert auf Platz sieben. Wenn schließlich Staaten wie Gambia, Trinidad, Ghana, Haiti, Mali und Uganda um Längen vor uns liegen, alle übrigen EU-Mitgliedstaaten und die USA ohnehin, dann sollte niemand mehr behaupten, wir seien ein interessantes Land für ausländische Investitionen, denn nicht nur die Steuersätze, auch und gerade die Transparenz und Verständlichkeit eines Steuersystems entscheiden ganz maßgeblich darüber, wo große Kapitalgesellschaften ihr Geld und damit in Arbeitsplätze investieren. Die Wissenschaft spricht von einer „voranschreitenden Chaotisierung des deutschen Steuersystems“. Selbst die Lektüre der umfangreichen Sekundärliteratur und der zahlreichen Leitfäden und Erläuterungen kann den Lesern die vom Gesetzgeber gewollte Steuer nach Belastungsgrund und Belastungshöhe nicht mehr vermitteln. Schon einfachste Steuertatbestände lösen einen unverhältnismäßig hohen Beratungs- und Erklärungsaufwand aus. Die Berater selbst sind der ständigen Gefahr falscher Beratung und ihrer Folgen ausgesetzt. Neue Änderungen der Rechtsgrundlagen sind häufig schon wieder beschlossen, bevor noch die vorhergehende Änderung in derselben Sache im Gesetzblatt veröffentlicht wurde. Auch die Steuerverwaltung ist durch die permanente Veränderung überlastet und kann nur noch größere Steuerverfahren mit der gebotenen Sorgfalt bearbeiten. Steuervermeidungsstrategien und Steuerflucht werden als legitime Gegenwehr gegen einen Steuerstaat empfunden, der immer dreister in die Taschen der Bürger greift und trotzdem mit dem Geld nicht auskommt. Der „kleine“ Bürger, dem die Lohnsteuer schon vom Arbeitgeber einbehalten wird, fühlt sich gegenüber denjenigen, die sich umfangreiche und kostspielige Beratung leisten und damit die Steuerlast auf ein Minimum senken können, zu Recht benachteiligt. So leidet nicht nur die Rechtstreue der Bürger zu ihrem Staat; bei steigenden Steuersätzen erodiert die staatliche Steuerbasis immer weiter, die öffentlichen Haushalte stehen trotz oder gerade wegen ständig steigender Steuern vor dem Kollaps.
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Steuerreformdiskussion
Worum geht es in der gegenwärtigen Steuerreformdiskussion? Im Blickpunkt der Reformdiskussion steht das Ertragssteuerrecht, das mit seinem zentralen Bestandteil der Einkommensteuer in besonderer Weise durch das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit gekennzeichnet ist. Zugleich ist es damit auch das zentrale Instrument der Umverteilung und der Gerechtigkeit. Dies kommt einerseits durch den progressiven Tarifverlauf zum Tragen. Andererseits liegt dem
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Einkommensteuerrecht das Prinzip der synthetischen Besteuerung zu Grunde, das heißt, alle Einkünfte werden unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehen einem einheitlichen Tarif unterworfen. Diese dem deutschen Einkommensteuerrecht zugrunde liegenden Wertentscheidungen werden aufgrund der Gestaltungsanfälligkeit des bestehenden Systems mit hohen Tarifsätzen nur noch eingeschränkt verwirklicht. Hinzu kommt ein wachsender Wettbewerbsdruck auf das deutsche Steuerrecht und seine Belastungshöhe. Spätestens mit dem Beitritt der neuen EU-Mitgliedstaaten, deren Steuersätze weit unter dem deutschen Niveau liegen, und der wettbewerbsorientierten Steuerrechtsetzung und Steuerrechtsprechung der EU ist eine Reform unerlässlich. Ohne entsprechende Reaktionen durch den deutschen Gesetzgeber werden weitere Standortverlagerungen unter Verlust von Arbeitsplätzen und Kapitalinvestitionen in das Ausland, insbesondere nach Österreich und in die Schweiz erfolgen. Die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit wird dabei besonders im Zusammenhang mit der Besteuerung der Unternehmen weiter in den Vordergrund rücken. Gerade hier bietet eine Neuorientierung des Steuersystems die Chance, eine Harmonisierung des deutschen Steuerrechts mit internationalen Standards und der Rechtsentwicklung auf europäischer Ebene voranzutreiben und damit den Standort Deutschland für in- und ausländische Investitionen wieder attraktiv zu gestalten. Die bisher schon stark exportorientierte deutsche Wirtschaft muss von steuerlichen Behinderungen befreit werden, um ihre Geschäftstätigkeiten auch in Zukunft unbehindert grenzüberschreitend durchführen zu können. Die Märkte enden nicht an nationalen Grenzen. Eine Steuerreform, die in dieser Weise auch die Verbesserung des Standortes Deutschlands und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zum Ziel hat, ist ein wesentlicher Beitrag zur Unternehmenswert- und damit zur gesamtwirtschaftlichen Werterhaltung. Damit einhergehend ist es von besonderer Dringlichkeit, das deutsche Einkommens- und Unternehmenssteuerrecht an die Vorgaben des EG-Vertrages, der europäischen Rechtsetzung und Rechtsprechung anzupassen. Die hohe Zahl an europarechtswidrigen Vorschriften des deutschen Steuerrechts führen zu erheblichen Rechts- und Planungsunsicherheiten. In der aktuellen Steuerreformdiskussion, die nicht nur in Deutschland geführt wird, sondern auch in unseren Nachbarländern in der Europäischen Union, sind im Wesentlichen zwei Grundrichtungen zu erkennen. Einerseits verfolgen die Befürworter einer „flat tax“ das Ziel, mit einem niedrigen proportionalen Steuersatz, der für alle Einkünfte gleich gilt, ein einfaches und für alle gleiches System einzuführen. Auf diese Weise sollen im Besonderen die Wettbewerbsfähigkeit und die Gerechtigkeit gewährleistet werden. Demgegenüber stehen die skandinavischen Systeme, die eine so genannte duale Einkommensteuer eingeführt haben. Die duale Einkommensteuer zeichnet sich dadurch aus, dass Arbeitseinkommen, der Unternehmerlohn sowie Renten einer progressiven Regelbesteuerung unterliegen, wohingegen unternehmerische Einkünfte sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen einem niedrigen proportionalen Steuersatz unterliegen. Auf diese Weise soll der mobile Produktionsfaktor Kapital international wettbewerbsfähig besteuert werden.
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Beide Grundrichtungen weisen ihre spezifischen Probleme auf. Eine flat tax dürfte in Deutschland aus zwei Gründen kaum zu verwirklichen sein. Erstens müsste der Steuersatz, um international wettbewerbsfähig zu sein, unter 25% liegen. Damit dürfte aber das Steueraufkommen bei weitem nicht ausreichen, um auch nur annähernd die Staatsaufgaben zu finanzieren. Zweitens dürften gegen ein solches System erhebliche verteilungspolitische Bedenken bestehen. Dieser Einwand wird auch gegen eine duale Einkommensteuer vorgebracht, da die Steuersätze zwischen Arbeits- und Kapitaleinkommen deutlich voneinander abweichen. Hinzu kommt, dass die duale Einkommensteuer aufgrund eines notwendigerweise hohen Belastungsunterschieds zwischen relativ hoch besteuerten Arbeits- und niedrig besteuerten Kapitaleinkommen kaum überwindbare Gestaltungsanreize und Umgehungstatbestände auslöst. Erfolgreich wird daher allein ein Reformkonzept sein, das auf dem Grundsatz der synthetischen Besteuerung und einer moderaten Tarifbelastungsgleichheit beruht. Nur ein in sich stimmiges Gesamtkonzept, das die Ziele und Funktionen der Einkommensteuer in ihrer Auswirkung auf die Privathaushalte und auf die Unternehmen miteinander verbindet und zum Ausgleich bringt, kann erfolgreich sein.
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Reformkonzept Steuerrecht Zehn Leitsätze für ein modernes Einkommensteuerrecht
Notwendig ist ein klares, ordnungspolitisch fundiertes Sanierungskonzept, das die marktwirtschaftlichen Kräfte der Volkswirtschaft erneuert. Die deutsche Wirtschaft ist nach wie vor leistungsfähig - dies zeigen ihre Erfolge auf ausländischen Märkten. Die deutschen Arbeitnehmer sind nach wie vor leistungsbereit - dies zeigt ihr großes Engagement in der rasant wachsenden Schattenwirtschaft. Damit die deutsche Volkswirtschaft die ohne Zweifel vorhandenen Potentiale wieder gewinnbringend und gesellschaflicht sinnvoll nutzen kann, ist eine grundlegende Reform der Steuerstruktur ein wichtiges Reformelement. Das Steuersystem muss einfacher, gerechter und leistungsfreundlicher werden. Der steuerliche Zugriff auf jeden zusätzlich verdienten Euro muss gelockert werden. Im Gegenzug müssen Subventionen und Steuervergünstigungen weitgehend abgebaut werden. Steuern dienen zuerst und vor allem der Sicherung des allgemeinen Finanzbedarfs des Staates. Deshalb darf ein auf einem freiheitlichen Staatsverständnis beruhendes Steuersystem nicht länger zur staatlichen Verhaltenslenkung missbraucht werden: x Vorrangiges Ziel ist ein einfacheres Steuersystem. Der Steuerpflichtige muss wieder selbst erkennen können, warum und in welcher Höhe er Steuern zahlen muss. Deshalb steht im Zentrum eines einfacheren Steuersystems ein neu formuliertes Einkommensteuergesetz. Es muss mit deutlich weniger Vorschriften auskommen als bisher, in einer verständlichen Sprache verfasst sein und zur Wahrung der Rechtskontinuität die Systematik und Terminologie des bestehen-
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den Einkommensteuerrechts fortführen. Rechtsbrüche und daraus folgende Rechtsunsicherheiten werden so vermieden. x Der Abbau von Subventionen und Vergünstigungen macht unser Einkommensteuerrecht einfacher und gerechter. Es gilt, Einkünfte möglichst vollständig zu erfassen und Ausnahmetatbestände abzubauen. Dies erhöht die Transparenz der Besteuerung, reduziert die Gestaltungsmöglichkeiten sowie die Steuersparanreize und führt zu mehr Gerechtigkeit und Akzeptanz in der Bevölkerung. x Steuervereinfachung erfordert eine Senkung der Steuersätze. Die Beseitigung von Ausnahmetatbeständen und Lenkungsnormen bedeutet für die betroffenen Gruppen Steuererhöhungen. Deshalb ist eine Vereinfachung nur im Zusammenhang mit Steuertarifsenkungen durchführbar. Eine Reform, die nur vereinfacht, würde im Ergebnis zu flächendeckenden Steuererhöhungen führen. Auf dieser Grundlage habe ich für eine Neuorientierung des Einkommensteuerrechts die nachfolgend dargestellten Leitsätze und Erläuterungen für ein modernes Einkommensteuerrecht formuliert: Erster Leitsatz: Neufassung des Einkommensteuergesetzes Das gegenwärtige Einkommensteuergesetz ist nicht mehr reformfähig. Es wird deshalb aufgehoben und durch ein vollständig neu formuliertes Einkommensteuergesetz ersetzt, das den Fundamentalprinzipien der Verständlichkeit und der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit entspricht. Gegenstand der Besteuerung ist das Markteinkommen. Markteinkommen ist jedes realisierte, durch Betätigung am Markt erworbene Einkommen. Die Neufassung erfolgt in Fortführung der bekannten Systematik und Terminologie des Einkommensteuerrechtes und führt daher nicht nur zu einer Vereinfachung, sondern ist zugleich ein wesentlicher Beitrag zur Stabilisierung des materiellen Rechts. Das Einkommensteuergesetz hat die für die Anwendung durch Steuerpflichtige, Berater und Steuerbehörden erforderliche Verständlichkeit der Sprache verloren. Neben dem Verlust der sprachlichen Verständlichkeit leidet das Einkommensteuergesetz unter einer nicht mehr überschaubaren und systemwidrigen Fülle und Komplexität an Einzelvorschriften und Ausführungsbestimmungen. Das deutsche Steuerrecht besteht mittlerweile aus über 100 Steuerstammgesetzen. Die Zahl der Gesetze, die neben ihrem außersteuerlichen Inhalt auch Regelungen zur Besteuerung enthalten, ist nicht bekannt. Zu den Steuergesetzen bestehen ca. 5.000 BMFSchreiben. Insgesamt existieren ca. 96.000 Verwaltungsvorschriften. Allein in der 14. Wahlperiode des Deutschen Bundestages (1998 - 2002) erfolgten über 60 Gesetzesänderungen der Ertragsteuern und gab es 247 neue BMF-Schreiben. Im Rahmen der 34 Änderungen allein im Einkommensteuerrecht wurden ca. 100 Vorschriften des Einkommensteuergesetzes mehrfach geändert. Es gibt 185 Steuerformulare im engeren Sinn. Die absolute Anzahl aller Steuerformulare ist nicht bekannt.
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Eine Änderung oder Bearbeitung des bestehenden Gesetzestextes kann den Verlust der Verständlichkeit nicht mehr beseitigen. Daher ist eine vollständige Neufassung und Neuformulierung des Gesetzes erforderlich. Ziel einer Neufassung und Neuformulierung des Gesetzestextes ist es, den Steuerpflichtigen, den steuerberatenden Berufen und der Steuerverwaltung durch eine verständliche Sprache, durch eine Reduktion der Einzelfallregelungen auf Grundtatbestände und durch einen erkennbaren systematischen Aufbau zu ermöglichen, den Steuertatbestand und die Rechtsfolgen im Grundsatz zu erfassen und auf den nicht geregelten Einzelfall anzuwenden. Verständliche Sprache, Verkürzung der Normenanzahl sowie die klare Definition des Steuertatbestandes und seiner Rechtsfolgen sind Grundvoraussetzung für eine Reform. Klarheit der Steuertatbestände ist auch Voraussetzung für eine Strafbarkeit der Nichterfüllung steuerlicher Erklärungspflichten. Darüber hinaus leidet das Einkommensteuergesetz unter einer nicht mehr überschaubaren Änderungsflut durch den Steuergesetzgeber (allein im Jahr 2003 wurden wenigstens zehn wesentliche Gesetzesvorhaben zum Einkommensteuergesetz verhandelt). Stetigkeit ist das Gebot der Stunde. Eine umfassende Änderung ist daher zugleich die Chance, für einen längeren Zeitraum auf Änderungen verzichten zu können. Das Prinzip der Leistungsfähigkeit ist im bestehenden Recht der Willkür und der Beliebigkeit gewichen. Das Prinzip der Leistungsfähigkeit muss wieder als tragender Grundsatz der Ertragsbesteuerung für Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit freigelegt und erkennbar werden. Die Vermögenssubstanz ist nicht Gegenstand der Besteuerung, sondern allein der Vermögenszuwachs unabhängig von der Quelle, aus der heraus er entsteht. Einkommen als Maßstab der Leistungsfähigkeit besteht somit in der realisierten Mehrung eigenen Vermögens durch Tätigkeit und/oder Nutzung vorhandenen Vermögens. Mehrung bedeutet Einbeziehung aller realisierten Einnahmen, aber auch Abzug aller zugehörigen Ausgaben, ohne die die Einnahmen nicht erzielt werden können. Nichterfassung von Einnahmen bzw. deren partielle Freistellung und Nichtabziehbarkeit von Ausgaben verfälschen die Ermittlung des Einkommens und die gerechte Verteilung der Steuerlast. Alle Ausnahmen in dieser Hinsicht sind daher zu beseitigen. Allenfalls zur Verwaltungsvereinfachung können Typisierungen in geringem Umfang vorgenommen werden. Zweiter Leitsatz: Radikale Vereinfachung der Steuererklärung und der Steuerveranlagung Durch den konsequenten Ausbau und die Vereinheitlichung der elektronischen Datenübermittlung und Datenverarbeitung wird der Steuererklärungsund der Steuerveranlagungsaufwand drastisch gesenkt. Dazu erhält jeder Steuerpflichtige eine Einkommensteuer-Identifikationsnummer (SteuerPIN), die die anonymisierte Datenübertragung ermöglicht.
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Die Steuererhebung wird durch ein umfassendes Quellenabzugsverfahren ausgebaut. Das Lohnsteuer- und Kapitalertragsteuerverfahren wird so drastisch vereinfacht. Im Lohnsteuerverfahren wird die jährliche Einkommensteuererklärung des Steuerpflichtigen durch einen elektronischen Steuererklärungsentwurf des Finanzamtes unmittelbar nach Ablauf des Kalenderjahres auf der Grundlage der Daten des Lohnsteuerverfahrens und der Kapitalerträge ersetzt. Die bestehenden elektronischen und technischen Möglichkeiten der Datenerhebung und Datenverarbeitung werden nicht ausreichend genutzt. Noch immer wird die überwiegende Anzahl der Vorgänge in Papierform mit einem zu hohen Personal- und Zeitaufwand bearbeitet. Unser Ziel ist es, Steuererklärungen in Zukunft ganz überwiegend im elektronischen Verfahren abzuwickeln. In der Steuerveranlagung werden eine einheitliche Einkommensteuer-Identifikationsnummer (SteuerPIN) und einheitliche Datenverarbeitungssysteme eingeführt. Das Lohnsteuerverfahren wird wesentlich vereinfacht. Die Lohnsteuererklärung nach Formularen und die Lohnsteuerkarte in Papier werden durch elektronische Datenübermittlung und -verarbeitung bezogen auf den einzelnen Arbeitnehmer ersetzt. Im Lohnsteuerverfahren wird die jährliche Einkommensteuererklärung des Steuerpflichtigen in der Regel durch einen elektronischen Steuererklärungsentwurf des Finanzamtes unmittelbar nach Ablauf des Kalenderjahres auf der Grundlage der Daten des Lohnsteuerverfahrens und der gezahlten Quellensteuer auf Kapitalerträge ersetzt. Diesem Entwurf kann der Steuerpflichtige elektronisch zustimmen oder um weitere Einkünfte und Werbungskosten ergänzen. Für die Jahresveranlagung von Lohnsteuerpflichtigen, die die überwiegende Anzahl der Einkommensteuerveranlagungen ausmachen, wird dadurch eine erhebliche Vereinfachung für Erklärung und Veranlagung geschaffen. Das Rechtsverhältnis zwischen Finanzamt und steuerpflichtigem Bürger wird auf die EinkommensteuerIdentifikationsnummer (SteuerPIN) gestützt, die der Steuerpflichtige auch gegenüber allen Kapitalsammelstellen (Banken, Versicherungen pp.) angibt, die Vermögensbestandteile für ihn verwalten, und erleichtert so den Quellenabzug bei der Kapitalertragsbesteuerung. Dritter Leitsatz: Einkunftsarten und Einkunftsermittlung Die bestehenden Einkunftsarten werden zur Gleichmäßigkeit der Besteuerung in wenigen Grundtatbeständen und zu vier Einkunftsarten zusammengefasst. Die Gewinneinkünfte (Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus selbständiger Arbeit) werden unter Einbeziehung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu Einkünften aus unternehmerischer Tätigkeit zusammengefasst. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und aus Kapitalvermögen bleiben als selbständige Einkunftsarten erhalten.
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Die sonstigen Einkünfte bleiben erhalten und umfassen auch die Einkünfte aus der Altersversorgung. Dem Steuerpflichtigen wird bei den Einkünften aus unternehmerischer Tätigkeit unter Angleichung der Ermittlungsmethoden ein weitgehendes Wahlrecht zwischen Einnahmen-Überschuss-Rechnung und Steuerbilanzierung eingeräumt. Das Steuerbilanzrecht wird unter Lösung von der handelsrechtlichen Maßgeblichkeit verselbständigt und neu gefasst. Das bestehende System der sieben Einkunftsarten und der sich daraus ergebenden Abgrenzungsprobleme und vielfacher Sonderregelungen führen zu einer wesentlichen Ungleichbehandlung mit starken Belastungsunterschieden und erheblichem Missbrauch durch eine hohe Gestaltungsanfälligkeit. Jede vermeidbare steuerliche Differenzierung schafft Abgrenzungsprobleme und lädt zur steuersparenden Gestaltung ein. Eine Reduzierung und Vereinheitlichung der Einkunftsarten wird mit dem Ziel der Besteuerung nach gleichen Grundsätzen durchgeführt. Eine Differenzierung nach Einkunftsarten wird nur noch insoweit vorgenommen, als für die Einkunftsermittlung und für den Quellenabzug eine unterschiedliche Ausgestaltung erforderlich ist. Die Einkunftsermittlung nach dem Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz und der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung ist im bestehenden Recht nicht mehr in vollem Umfang gewährleistet. Die Steuerbilanz dominiert in weiten Bereichen auch die handelsrechtliche Bilanzierung. Der Übergang zu IAS erfordert weitere Anpassungen der steuerlichen Gewinnermittlung. Da Steuer- und Handelsbilanz unterschiedliche Aufgaben erfüllen, wird am Maßgeblichkeitsgrundsatz nicht länger festgehalten. Zur Reduzierung des Zeitund Kostenaufwandes für die Steuererklärung wird ein weitgehendes Wahlrecht bei den Einkünften aus unternehmerischer Tätigkeit zur Einnahmen-ÜberschussRechnung oder zur Bilanzierung eingeräumt. Zur Herstellung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung sind die Grundsätze der Einnahmen-Überschuss-Rechnung bei der Neufassung der Regelungen zur Ermittlung des steuerrechtlichen Gewinns zu berücksichtigen. Grundlegende Prinzipien der Steuerbilanz bleiben Netto-, Realisations- und Imparitätsprinzip unter Anlehnung der Gewinnermittlung an Zahlungsvorgänge. Das Wahlrecht, den Gewinn auch nach Überschussgrundsätzen zu ermitteln, trägt zur weiteren Vereinfachung des Steuerrechts bei, da die Periodenabgrenzung von Forderungen und Verbindlichkeiten erspart werden kann. Die Regelungen zur Abschreibung werden unter Berücksichtigung der tatsächlichen Nutzungsdauer eines Wirtschaftsgutes grundlegend vereinheitlicht und vereinfacht. Eine degressive Abschreibung wird nicht mehr zugelassen. Ein unbeschränkter Verlustvortrag ist Ausdruck der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und bleibt erhalten. Der Verlustrücktrag wird abgeschafft. Vierter Leitsatz: Vereinfachung der Besteuerungsgrundlagen und die Beseitigung von Steuervergünstigungen
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Die bestehenden Steuerbefreiungen, Freibeträge, Abzugsbeträge und Ermäßigungen werden aufgehoben. Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen werden in Form persönlicher Abzüge zusammengefasst und reduziert. Für steuerbegünstigte Zwecke bleibt ein Spendenabzug für mildtätige, kirchliche, religiöse, wissenschaftliche und gemeinnützige Zwecke grundsätzlich erhalten. Ein Spendenabzug zur Förderung der Freizeitgestaltung wird nicht mehr gewährt. Der Abbau von Steuervergünstigungen ist nicht nur zur Gegenfinanzierung einer Senkung der Tarifsätze erforderlich. Er bedeutet zugleich auch eine wesentliche Vereinfachung und eine Rückkehr zur Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Steuervergünstigungen sind bis auf Befreiungen zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen umfassend abzubauen. Dies betrifft unter anderem steuerfreie Abgeordnetenbezüge, Ausgaben der allgemeinen Lebensführung, Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge, Abfindungen, Übergangsgelder, Beihilfen, Geburtsund Heiratsbeihilfen, Bergmannsprämien, Auslandszulagen, Streikgelder, Trinkgelder u.v.a.m. Steuervergünstigungen dieser Art gibt es nicht mehr. Auf den Arbeitnehmer im Zuge einer Sozialreform übertragene Arbeitgeberbeiträge zu Sozialversicherungen werden ebenfalls steuerpflichtiges Einkommen. Die bestehenden Regelungen zum Sonderausgabenabzug und zur Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen sind lenkungsüberfrachtet und widersprechen dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Sie alle werden durch den Grundfreibetrag ersetzt. Im übrigen werden Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit und der Sicherung des Existenzminimums zusammengefasst und reduziert. Der Sonderausgabenabzug für Zinsen von Steuerforderungen, für Steuerberaterkosten, für Ausbildungskosten, für Schulgeld usw. sowie Steuervergünstigungen für die eigene Wohnung werden aufgehoben. Anerkannt bleiben nur solche Werbungskosten, die ausschließlich der Einkommenserzielung dienen. Dies ist beim häuslich genutzten Arbeitszimmer ebenso wenig der Fall wie bei Bewirtungskosten. Der bisherige Abzug von Vorsorgeaufwendungen entfällt mit der Steuerbefreiung der Vorsorgeaufwendungen für Alterseinkommen. Die Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen wird auf Aufwendungen infolge von Behinderungen und chronischen Krankheiten beschränkt. Die Kirchensteuer bleibt als Zuschlagsteuer erhalten und abzugsfähig. Der Spendenabzug für anerkannte gemeinnützige Einrichtungen einschließlich der politischen Parteien wird unter Vereinheitlichung und Vereinfachung beibehalten. Die steuerbegünstigte Finanzierung der Freizeitgestaltung wird ausgeschlossen. Fünfter Leitsatz: Entlastung durch einen einheitlichen Grundfreibetrag und durch eine Senkung der Steuertarife
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Jede Person erhält einen einheitlichen Grundfreibetrag von 8.000 €. Der Eingangssteuersatz wird auf 12% gesenkt. Der linear-progressive Tarif wird durch zwei weitere Steuerstufen von 24% ab einem Einkommen von 16.000 € und von 36% ab einem Einkommen von 40.000 € ersetzt. Dieser Steuerstufentarif wird zur Vermeidung der "kalten Progression" jedes zweite Jahr inflationsbereinigt. Hohe Steuersätze und eine ausgehöhlte Bemessungsgrundlage bei steigender Steuerlast durch das Hineinwachsen immer größerer Bevölkerungsgruppen in die Steuerprogression allein durch nominale Lohnzuwächse verletzen das Prinzip der Steuergerechtigkeit. Familien mit Kindern werden besteuert und erhalten gleichzeitig Kindergeld vom Staat: Der Steuerstaat nimmt und gibt zugleich. Bliebe das existenznotwendige Minimum von Anfang an steuerfrei, könnten viele Steuerpflichtige in Deutschland für sich selbst und ihre Familien sorgen, ohne die fürsorgliche Hilfe des Staates in Anspruch nehmen zu müssen. Es wird deshalb ein einheitlicher Grundfreibetrag von 8.000 € pro Person eingeführt, der innerhalb einer Familie, die in häuslicher Gemeinschaft lebt, frei übertragbar ist. Eine vierköpfige Familie verfügt damit im Jahr über ein steuerfreies Einkommen von 32.000 €. Der volle Grundfreibetrag steht Kindern vom ersten Lebenstag an zu und ersetzt den bisherigen Kinderfreibetrag. Damit wird gleichzeitig die Übertragung von Einkommensquellen auf die Kinder steuerlich uninteressant, da das bisher mögliche Nebeneinander von Kinderfreibetrag und zusätzlichem Grundfreibetrag für Kinder mit eigenem (in der Regel widerruflich von den Eltern übertragenem) Einkommen entfällt. Die Akzeptanz der Einkommensbesteuerung ist schließlich auch und vor allem durch die Höhe der Tarifsätze bestimmt. Niedrige Steuersätze und eine für alle gleiche Bemessungsgrundlage sind das wirksamste Mittel gegen steigenden Steuerwiderstand und Steuerhinterziehung. Der steuerpflichtige Bürger will auch ohne komplizierte Tarifformeln wissen, wie hoch seine Steuerschuld ist. Daher wird der nur in komplexen Tabellen darstellbare linear-progressive Formeltarif zugunsten eines einfachen und für jeden nachvollziehbaren Stufentarifs ersetzt. Oberhalb des Grundfreibetrages beträgt der Steuersatz für die nächsten 8.000 € des Einkommens 12%. Für Einkommen zwischen 16.000 € und 40.000 € beträgt der Steuersatz 24% und oberhalb dieses Einkommens beträgt der Steuersatz einheitlich 36%. Zur Vermeidung einer schleichenden Steuererhöhung durch die so genannte kalte Progression und zur Vermeidung der Besteuerung von Scheingewinnen, die durch nominale Wertzuwächse entstehen, werden der Grundfreibetrag und die Einkommensgrenzen für die Tarifstufen im Rhythmus von zwei Jahren nach Inkrafttreten der Reform an die Lohn- und Preisentwicklung angepasst. Sechster Leitsatz: Die steuerliche Behandlung der Ehe und der Familie Der im Grundgesetz verankerte Schutz von Ehe und Familie gebietet auch im Steuerrecht, die Ehe und die Familie gerecht zu besteuern. Die Herstellung der Gerechtigkeit und die Förderung von Ehe und Familie erfolgt durch die Fortgeltung des Ehegattensplittings und die Gewährung des
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einheitlichen Grundfreibetrages auch für Kinder vom ersten Tag an. Die zusätzliche Sicherung des Existenzminimums von Kindern erfolgt im Bedarfsfall durch eine zusätzliche Kindergeldleistung. Notwendige Aufwendungen zur Versorgung, Betreuung und Erziehung von Unterhaltsberechtigten sind steuerlich abzugsfähig. Der private Haushalt wird grundsätzlich als Arbeitgeber anerkannt. Die Familie ist und bleibt die wichtigste Einheit von Gesellschaft und Staat. Ohne Kinder haben unsere Gesellschaft und unser Staat keine Zukunft. Der besondere Schutz, den der Staat der Ehe und der Familie von Verfassungswegen zu gewähren hat, muss auch im Steuerrecht dauerhaft zum Ausdruck kommen. Zur Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen für Ehe und Familie erfolgt eine deutliche Ausweitung des Freibetrages zugunsten der Kinder, die in häuslicher Gemeinschaft mit den Eltern oder einem Elternteil leben. Sie erhalten von Geburt an ebenfalls den Grundfreibetrag in Höhe von 8.000 € im Jahr. Bis zur Volljährigkeit üben die Eltern die Rechte aus dem Grundfreibetrag für ihre Kinder aus. Während der Fortdauer der Unterhaltsverpflichtung (z.B. während der Ausbildung) haben Kinder und Eltern ein Ausübungswahlrecht. Der Grundfreibetrag ist an der zivilrechtlichen Unterhaltsverpflichtung ausgerichtet und wird alle zwei Jahre an die Lohn- und Preisentwicklung angepasst. Dieser Anpassungsmechanismus wird im neuen Einkommensteuergesetz gesetzlich festgelegt. Dort, wo die Berücksichtigung des Grundfreibetrages das Existenzminimum von Kindern nicht sichert, wird eine ergänzende Kindergeldleistung gezahlt. Der private Haushalt wird grundsätzlich als Arbeitgeber anerkannt. Alle Aufwendungen, insbesondere die für Kinderbetreuung, und alle sonstigen Beschäftigungsverhältnisse, die einkommensteuerpflichtig und sozialversicherungspflichtig sind, werden als Werbungskosten/Betriebsausgaben steuerlich anerkannt und sind abzugsfähig. Diese Regelung ist zugleich ein Beitrag für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Siebter Leitsatz: Die einheitliche Besteuerung der Kapitaleinkünfte Die Besteuerung der Kapitaleinkünfte wird vereinheitlicht und vereinfacht. Kapitaleinkünfte, die nicht Dividendenzahlungen sind, werden im Wege des Quellensteuerabzugs einheitlich mit 24% belastet. Die Kapitalertragsteuer hat Vorauszahlungscharakter und wird im Verfahren des Veranlagungsvorschlags berücksichtigt. Die bestehende hohe Tarifbelastung und die Vielzahl und Unübersichtlichkeit von Sonderregelungen zur Minderung der Besteuerung der Kapitalerträge im Einkommensteuerrecht führen dazu, dass die Gleichmäßigkeit der Besteuerung auch im Zusammenhang mit den Kapitaleinkünften nicht mehr gegeben ist. Die Besteuerung der Kapitalerträge, insbesondere der Zinsen, ist von der Allgemeinheit der Steuerpflichtigen nicht akzeptiert und kann in der Praxis nicht durchgesetzt werden. Ausweichgestaltungen und Kapitalflucht sind in einem besorgniserregenden Ausmaß angestiegen.
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Um das Übel an der Wurzel zu packen, werden die Einkommensteuersätze drastisch gesenkt. Damit wird die steuerliche Belastung der Kapitalerträge, die bislang zu Ausweichreaktionen geführt hat, deutlich reduziert. Zur Herstellung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung auf Kapitaleinkünfte, die nicht Dividendenzahlungen sind, wird eine Quellensteuer von einheitlich 24% eingeführt. Sie gilt beim Steuerinländer als Einkommensteuervorauszahlung und wird im Verfahren des Erklärungsvorschlags zur Lohn- und Einkommensteuer berücksichtigt. Das Problem der Besteuerung inflationsbedingter Scheingewinne, die gerade bei der Besteuerung von Kapitalerträgen besonders problematisch ist, wird auch in diesem Zusammenhang durch eine zweijährige Anpassung der Einkommensteuertarife an die Lohn- und Preisentwicklung beseitigt. Voraussetzung einer gleichmäßigen Erfassung der Kapitaleinkünfte ist zugleich eine umfassende Amnestieregelung zur Rückkehr des Fluchtkapitals. Die daraus erzielbaren Steuereinnahmen kommen durch die Tarifabsenkung auch denen zugute, die ihre Kapitaleinkünfte bisher gesetzestreu erklärt und versteuert haben. Achter Leitsatz: Die umfassende Besteuerung der Veräußerungsgewinne Die umfassende Besteuerung der Veräußerungsgewinne ist Bestandteil der Einkommensbesteuerung. Gewinne aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern, die der Einkünfteerzielung dienen (u.a. Grundstücke, vermietete Immobilien, Wertpapiere), unterliegen der Steuerpflicht. Gewinne aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern, die ausschließlich der Privatsphäre zuzuordnen sind (u.a. selbstgenutzte Immobilien), sind wie bisher nicht steuerpflichtig. Eine Übermaßbesteuerung und eine Besteuerung von Scheingewinnen durch rein nominale Wertsteigerungen werden durch die zweijährige Inflationsbereinigung des Steuertarifs vermieden. Die Besteuerung realisierter Wertsteigerungen des Erwerbsvermögens wird in einem Übergangszeitraum auf die ab Inkrafttreten des Gesetzes neu entstehenden Wertsteigerungen beschränkt. Die Besteuerung der betrieblichen und privaten Veräußerungsgewinne führt im geltenden Recht zu sachlich nicht angemessenen Belastungsunterschieden. Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung bei Veräußerungsgewinnen ist nicht mehr gewährleistet. Durch die Vereinheitlichung und Neufassung der Einkunftsarten unterliegen auch die Wirtschaftsgüter zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und zur Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen dem steuerlich verhafteten Erwerbs- oder Betriebsvermögen. Der Gewinn aus der Veräußerung solcher Vermögensbestandteile wird daher steuerpflichtig. Die Besteuerung realisierter Wertsteigerungen des Erwerbsvermögens wird in einem Übergangszeitraum auf die ab Inkrafttreten des Gesetzes neu entstehenden Wertsteigerungen beschränkt.
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Wirtschaftsgüter, die ausschließlich dem Privatvermögen dienen, wie selbst genutzte Immobilien, private Sammlungen u.ä., unterliegen der Besteuerung des Veräußerungsgewinns nicht. Diese Ausnahme trägt zum einen dem Umstand mangelnder Erfassbarkeit Rechnung und zum anderen, dass auch der Erwerb des selbst genutzten Wohneigentums steuerlich nicht berücksichtigt wurde und Wohneigentum gleichzeitig in hohem Umfang der Sicherung des Lebensunterhalts im Alter dient. Neunter Leitsatz: Die nachgelagerte Besteuerung der Alterseinkünfte Die Besteuerung der Altersbezüge erfolgt mit einer Übergangsregelung zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen nachgelagert und im Wege des Quellenabzugs. Vorsorgeaufwendungen für diese Altersbezüge sind abzugsfähig. Die Abzugsfähigkeit wird beschränkt auf solche Vorsorgesysteme, die ausschließlich der Alterssicherung dienen. Die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungswidrigkeit der bestehenden Besteuerungspraxis erfordert eine grundsätzliche Neugestaltung der Besteuerung der Altersbezüge spätestens zum 1. Januar 2005. Alle Formen der Alterseinkommen müssen ab diesem Zeitpunkt steuerlich gleich behandelt werden. Nur die steuerliche Freistellung der Aufwendungen für die Altersvorsorge und die Besteuerung der Auszahlungsleistungen (nachgelagerte Besteuerung) kann diesem Anspruch gerecht werden. Die Folgen des demografischen Wandels für die sozialen Sicherungssysteme verlangen in diesem Zusammenhang ebenfalls eine steuerliche Anerkennung der Vorsorgeaufwendungen über den Grundfreibetrag hinaus, denn die steuerliche Leistungsfähigkeit des steuerpflichtigen Bürgers wird um den Betrag gemindert, den er in Systeme der Altersvorsorge einzahlt und in der Regel als Pflichtversicherter einzahlen muss. Diese Pflicht muss ihre Anerkennung im Steuersystem finden. Die Auszahlungsleistungen, die auf der Grundlage zuvor steuerfreier Beiträge möglich werden, müssen nach dem System der Besteuerung jedes Markteinkommens dann aber auch - oberhalb des selbstverständlich auch dort zu gewährenden Grundfreibetrags - mit dem normalen Steuertarif belastet werden. In der notwendigen Übergangsphase muss eine Doppelbesteuerung der Rentner vermieden werden. Abzugsfähig sind alle später verrenteten Vorsorgeaufwendungen, die nicht veräußerbar, nicht übertrag- und vererbbar, nicht beleihbar und nicht kapitalisierbar sind. Abzugsfähige Vorsorgeleistungen werden durch ein Zertifizierungsgesetz festgelegt. Die Abzugsfähigkeit ist auf einen bestimmten Anteil des Einkommens (etwa das 1,5-fache der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung) begrenzt. Private Rentenversicherungen werden in dieses System integriert. Die Kapitallebensversicherung verliert ihr bisheriges Steuerprivileg; bestehende Verträge haben Bestandsschutz.
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Zehnter Leitsatz: Die Unternehmensbesteuerung Einkommensteuerrecht und Körperschaftsteuerrecht werden mit dem Ziel der Rechtsformneutralität aufeinander abgestimmt. Der Körperschaftsteuertarif beträgt einheitlich 36% auf ausgeschüttete und thesaurierte Gewinne und wird so dem Einkommensteuertarif angepasst. Dividenden werden bei natürlichen Personen als Anteilseigner grundsätzlich auf die Einkommensteuer im Wege eines vereinfachten Anrechnungsverfahrens angerechnet. Veräußerungsgewinne zwischen Kapitalgesellschaften unterliegen einem ermäßigten Steuersatz von 18%. Der Verlustausgleich bleibt als Verlustvortrag uneingeschränkt zulässig. Einkünfte aus unternehmerischer Tätigkeit in Personengesellschaften werden auch in Zukunft nach dem (neuen) Einkommensteuergesetz besteuert. Daneben bleibt für Kapitalgesellschaften das Körperschaftsteuergesetz erhalten. Eine vollständige Integration des Körperschaftsteuerrechts in ein neues Einkommensteuergesetz erscheint aus heutiger Sicht nicht möglich. Gerade das Körperschaftsteuerrecht ist sehr abhängig von europäischen und internationalen Schritten der Steuerharmonisierung. Diese Steuerharmonisierung wiederum beruht auf einer Steuerrechtsdogmatik, die nicht einseitig durch nationales Steuerrecht verändert werden kann. Dies gilt auch für die Verankerung des Körperschaftsteuerrechts in den zahlreichen Doppelbesteuerungsabkommen mit Drittstaaten. Die Anwendbarkeit der Doppelbesteuerungsabkommen darf durch eine Reform in Deutschland nicht in Frage gestellt werden. Trotzdem können Einkommensteuer und Körperschaftsteuer nach Belastungsgrund und Belastungshöhe wieder zu einer Einheit zusammengeführt werden. Insbesondere lässt sich der Grundsatz der Rechtsformneutralität durch die Angleichung der Gewinnermittlung und eine Vergleichbarkeit der Tarifsätze wiederherstellen. Die Gewinne der Körperschaften unterliegen daher nach dem Prinzip der Einmalbesteuerung im Rahmen eines Quellensteuerabzuges auf der Ebene der Körperschaft einer einheitlichen Körperschaftsteuer von 36% für thesaurierte und ausgeschüttete Gewinne. Eine gesonderte Gewerbesteuer wird nicht zusätzlich erhoben. Dividenden werden bei natürlichen Personen als Anteilseigner grundsätzlich auf die Einkommensteuer angerechnet. Gewinne aus der Veräußerung von Beteiligungen zwischen Kapitalgesellschaften werden mit dem halben Körperschaftsteuertarif von 18% besteuert. Die grundsätzliche Unbeschränktheit des Verlustausgleiches ist Ausdruck des Prinzips der Leistungsfähigkeit und bleibt als Verlustvortrag erhalten. Die große Einkommensteuerreform kann auf diese Weise mit einer „kleinen“ Unternehmensteuerreform verbunden werden. Sie wird insbesondere dem Mittelstand zugute kommen und stellt den Grundsatz der Neutralität des Steuerrechts bei der Unternehmensbesteuerung so weit wie möglich wieder her.
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Begleitende Reformschritte: Gewerbesteuer, Vermögensteuer, Grundsteuer und Erbschaftsteuer Gewerbesteuer Die heutige Gewerbesteuer ist eine Sondersteuer, begrenzt auf eine ökonomische Quelle und auf einige wenige Steuerpflichtige. Ihre hohe Gestaltungsanfälligkeit und ihre Konjunkturabhängigkeit widersprechen dem berechtigten Bedürfnis der Kommunen nach einer stetigen und ausreichenden Finanzierung ihrer Aufgaben. Die Probleme der kommunalen Haushalte liegen zudem und vor allem auf der Ausgabenseite. Diese Probleme können nicht durch eine systemwidrige und gleichheitswidrige Besteuerung auf der Einnahmenseite gelöst werden. Die vorgeschlagene große Einkommensteuerreform sieht deshalb eine gesonderte Gewerbesteuer nicht mehr vor. Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit als selbständige Einkunftsart gibt es nicht mehr. Die Gewerbesteuer passt auch nicht mehr in eine Neuordnung der Unternehmensbesteuerung, in dem ein einheitlicher Körperschaftsteuersatz aus steuersystematischen Gründen an den Spitzensteuersatz der Einkommensteuer angeglichen und ein vereinfachtes Anrechnungsverfahren wieder eingeführt wird. Gerade die Neuordnung der Körperschaftsteuer eröffnet aber die Chance, mit der Einkommensteuerreform auch eine Reform der kommunalen Finanzen zu verbinden, die den Kommunen eine stetige und verlässliche Einnahmenbasis verschafft und ihnen ihre Eigenständigkeit sichert. So können die Kommunen neben der heute bereits bestehenden Beteiligung an der Einkommensteuer auch an der Körperschaftsteuer beteiligt werden. In einem solchen Beteiligungsmodell müssen die kommunalen Anteile offen ausgewiesen und getrennt erhoben werden. Auf beide Anteile - den kommunalen Anteil an der Einkommensteuer und den kommunalen Anteil an der Körperschaftsteuer - können Hebesätze angelegt werden. Über die Hebesätze, die Zerlegungsmaßstäbe und einen kommunalen Finanzausgleich könnte ein gerechter interkommunaler Ausgleich geschaffen werden, der fairen Wettbewerb ermöglicht. Kommunale Selbstverwaltung fände dann auch wirklich wieder statt durch Einnahmen-, Ausgaben- und Aufgabenverantwortung in einer Hand. Eine auf diesen Grundsätzen aufgebaute Finanzierung der Kommunen wäre ein wesentlicher Beitrag zur Vereinfachung des Steuerrechts, zur Rechtsformneutralität der Besteuerung und zur Sicherung der Einnahmen der Kommunen durch Einbeziehung der Unternehmen und der Einwohner in die Finanzierung der kommunalen Aufgaben. Vermögensteuer Die Vermögensteuer wird seit 1997 nicht mehr erhoben, da sie durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts mit dem Gleichheitsgrundsatz für unvereinbar erklärt wurde. Im Zuge einer Vereinfachung und einem klaren Signal für eine moderne und gerechte Besteuerung nach dem Prinzip der Leistungsfähigkeit muss die Vermö-
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gensteuer durch Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages und des Bundesrates endgültig förmlich aufgehoben werden. Grundsteuer Mit dem Ersatz der Gewerbesteuer durch eine Beteiligung der Gemeinden an der Einkommen- und Körperschaftsteuer wird eine Reform und Vereinfachung der Grundsteuer verbunden. Eine reformierte Grundsteuer ist eine kommunale Steuer, die die Nutzung der Grundstücke auf kommunalem Gebiet und die Leistung der Kommune gegenüberstellt. Die Anerkennung der kommunalen Autonomie erfordert ein kommunales Hebesatzrecht und die Durchführung der Verwaltung der Grundsteuer durch die Kommunen. Die verfassungswidrige und verwaltungsaufwendige Einheitsbewertung, die nur noch für Zwecke der Grundsteuer erfolgt, wird durch einen Grundstückswert ersetzt. Der Grundstückswert berücksichtigt Grundstück und Nutzung. Erbschaftsteuer Auch die Erbschaftsteuer wird vor dem Hintergrund der Rechtsprechung in den nächsten Jahren geändert werden müssen. Dabei sollte eine Höherbelastung mit Erbschaftsteuer im Saldo vermieden werden und der Erbanfall darf, entsprechend dem Leistungsfähigkeitsprinzip, in der Person des Erben nur einmal und nicht zweifach einer Besteuerung unterliegen. Im Erbschaftsteuerrecht muss der besondere Schutz von Ehe und Familie berücksichtigt werden. Das Erbschaftsteuerrecht muss die Erbrechtsgarantie, mithin die Testierfreiheit und das Prinzip des Verwandtenerbrechts berücksichtigen. Die Fortführung von Betrieben darf durch Erbschaftsteuer nicht gefährdet werden. Differenzierungen zwischen Betriebsvermögen und Privatvermögen können auch in Stundungsregeln mit endgültigem Steuerverzicht nach einem bestimmten zeitlichen Ablauf des Verbleibs des ererbten Vermögens im Betriebsvermögen erreicht werden.
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Einpassen der Steuerreform in ein zukunftsfähiges Gesamtkonzept
Eine auf dieser Basis stehende Steuerstrukturreform mit den Zielen der Entlastung und Vereinfachung, der Wiederherstellung einer systematischen Konsistenz und der Harmonisierung mit der internationalen und europäischen Rechtsentwicklung ist Grundlage der gesamtwirtschaftlichen Werterhaltung. Ein modernes Einkommensteuerrecht auf der Grundlage dieser Leitsätze und Wertentscheidungen ist sicherlich ein wichtiger Baustein, um die deutsche Volkswirtschaft wieder zukunftsfähig zu machen und damit auch ein entscheidender Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Werterhaltung.
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Eine solche Steuerreform muss jedoch eingebettet werden in die ebenfalls notwendigen Reformen zur Flexibilisierung des Arbeitsrechts, zur Bewältigung der demographisch erforderlichen Anpassung der Sozialversicherungssysteme und zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte. In allen Fällen ist die Neuabgrenzung zwischen Eigenverantwortung und kollektiver Absicherung mit dem Ziel, mehr individuelle Freiheit zuzulassen, notwendig, um wirtschaftliches Wachstum anzuregen. Ohne diese Reformen wird die deutsche Volkswirtschaft keine Leistungs- und Investitionsanreize freilegen und so nicht auf einen höheren Wachstumspfad einschwenken und die Abwanderung von Unternehmen aus Deutschland – eine Vernichtung von Werten – nicht gestoppt. Deutschland muss wieder zu seiner Rolle als einer der Wirtschaftsmotoren des europäischen Marktes und der Weltwirtschaft zurückfinden. So lässt sich der Wohlstand in Deutschland auch für künftige Generationen sichern, besteht die Möglichkeit der gesamtwirtschaftlichen Werterhaltung.
Die Neuorientierung der Sozialen Systeme als Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Werterhaltung Kurt H. Biedenkopf Inhalt 1 2 3 4 5 6 7
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Kriterien für eine Neuorientierung........................................................................ 125 Die Rolle des Staates ............................................................................................ 126 Unterschiedliche Sichtweisen ............................................................................... 128 Gefahren der Sozialmacht..................................................................................... 132 Ordnungspolitische Grundsätze ............................................................................ 134 Kontrolle von Sozialmacht ................................................................................... 136 Anpassung sozialer Systeme................................................................................. 137
Kriterien für eine Neuorientierung
Jede Neuorientierung unserer sozialen Systeme muss sich an zwei Maßstäben messen lassen: An der Gerechtigkeit der gefundenen Ergebnisse und an den Auswirkungen der mit ihnen verbundenen Machtstrukturen. Betroffen sind die gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge und ihre Ordnung ebenso wie die Fähigkeit der Gesamtgesellschaft und des Staates, Veränderungen der wirtschaftlichen, sozialen, geistigen und kulturellen Wirklichkeiten wahrzunehmen und die eigenen Politiken, Institutionen und Strukturen mit Blick auf diese Veränderungen zu verändern und weiter zu entwickeln, kurz: zu reformieren. Die Fragen der Gerechtigkeit, insbesondere der sozialen Gerechtigkeit, werden seit eh und je ausgiebig und kontrovers diskutiert. Ein jüngstes Beispiel bieten die Diskussionen und Auseinandersetzungen um die Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Zwar herrscht inzwischen – unbeschadet aller Auseinandersetzungen um die Konkretisierung sozialer Maßnahmen – die allgemeine Überzeugung vor, Aufgabe der staatlich gestalteten Sozialpolitik sei es, diejenigen durch soziale Maßnahmen zu unterstützen und ihnen Hilfe zukommen zu lassen, die des Schutzes wirklich bedürftig sind. Ebenso stößt die Feststellung kaum noch auf Widerspruch, dass es sich bei sozialen Leistungen an die Schwächeren nicht um eine sozialpolitische Einbahnstraße, sondern um ein Wechselverhältnis gegenseitiger Verpflichtungen handele. Zudem setzt sich die Erkenntnis durch, dass die staatliche Leistungsfähigkeit im Bereich der Sozialpolitik längst an ihre Grenzen gestoßen ist. Ihre Beibehaltung auf gegenwärtigem Niveau ist im Begriff, neue Gerechtigkeitsprobleme aufzuwerfen, insbesondere Fragen der Generationengerechtigkeit. Weniger Aufmerksamkeit wird dagegen den ordnungspolitischen Fragen gewidmet, welche uns die Organisationen der Sozialpolitik aufgeben. Dabei geht es
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zum einen um Probleme der Kompatibilität dieser Organisationen mit den allgemeinen ordnungspolitischen Grundsätzen einer freien, sozial verpflichteten und primär durch Märkte gesteuerten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Zum anderen um die Ursachen für die enorme Veränderungs- und damit Reformresistenz, denen sich seit nunmehr fast einem viertel Jahrhundert notwendige und zunehmend offensichtlich unvermeidliche Reformen in Gestalt von Anpassungen, Strukturerneuerungen und Bewertungen gegenüber sehen. Sie verhindert nicht nur notwendige gesellschaftliche und soziale Entwicklungen. Sie erzeugt auch finanzielle, gesellschaftliche und politische Kosten. Diese belasten nicht nur die gegenwärtigen, sondern vor allem die nachfolgenden Generationen. Sie werfen neue Gerechtigkeitsfragen auf, die nur unzureichend behandelt werden und gefährden damit den gesellschaftlichen Konsens in wichtigen Fragen der Grundwerte. Geht man den Ursachen dieser Entwicklung auf den Grund, wird man erkennen, dass es sich dabei vor allem um ordnungspolitisch relevante Machtfragen handelt. Die jeweilige Ausgestaltung der staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung ist davon abhängig, wie sie entschieden werden. Bis in die sechziger Jahre ging es bei der Gestaltung der Wirtschaftsverfassung der Bundesrepublik vorrangig um die Vermachtung der Märkte durch privatrechtlich begründete Marktmacht. Sie geht von Monopolen, marktbeherrschenden Unternehmen und Kartellen und deren diskriminierenden Praktiken aus und bedroht die Marktfreiheit durch Behinderungen des Wettbewerbs. Unsere Wirtschaftsverfassung weist deshalb dem Staat die Aufgabe zu, privatrechtlich organisierte Marktmacht zu verhindern, zu begrenzen oder aufzulösen und so die Wirtschaftsfreiheit zu schützen. Mit dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen von 1957 und den Wettbewerbsregeln der EWG von 1957 setzte sich zugleich die Überzeugung durch, dass der Schutz der Freiheit im Markt durch Sicherung des Wettbewerbs nicht nur ökonomisch geboten sei. Die Wettbewerbsordnung ist vielmehr Voraussetzung einer freiheitlichen Wirtschaftsverfassung. Der Grundsatz lautet: Privatrechtlich begründete Marktmacht ist mit der freiheitlich demokratischen Ordnung unvereinbar.
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Die Rolle des Staates
Heute ist es zunehmend der Staat selbst, der die Entfaltung der Marktfreiheit, unternehmerischer Initiative und individueller Verantwortung durch eine ständig wachsende Zahl von Interventionen, Reglementierungen und Bevormundungen behindert. Gesetzgeber, Regierung und Verwaltung begründen dies mit der Notwendigkeit, die Bürger zu schützen. Tatsächlich hat sich jedoch die Zielrichtung dieses Schutzes in den letzten Jahrzehnten verändert. Es geht nicht mehr allein um den Schutz vor Gefahren von außen und vor Risiken, die der einzelne auch bei Anspannung aller Kräfte nicht allein oder im Verein mit anderen bewältigen kann. Zunehmend soll der Bürger auch gegen die Folgen und Risiken geschützt werden, die sich aus der Anwendung des Subsidiaritätsprinzips zugunsten des einzelnen
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oder seiner kleinen Lebenskreise, also aus der Wahrnehmung der bürgerlichen Freiheiten selbst ergeben könnten. Politisch legitimiert wird diese Erweiterung des staatlichen „Schutzes“ zu einer vormundschaftlichen Zuständigkeit für alle Lebensbereiche vor allem mit dem sozialen Auftrag des Staates. In seiner verfassungsrechtlichen Ausgestaltung durch die Sozialstaatsklausel der Verfassung ist dieser Auftrag geboten und Bestandteil unserer Wirtschafts- und Sozialverfassung. In praxi hat sich der Auftrag jedoch in den letzten rund fünfundzwanzig Jahren zunehmend aus der ganzheitlichen Ordnungsvorstellung unserer Wirtschafts- und Sozialverfassung, der Ordnung der Sozialen Marktwirtschaft, gelöst und in Gestalt des Sozialstaates verselbständigt. Mit seinen Institutionen, Strukturen und Bürokratien und seinem Anspruch auf inzwischen knapp 35% des Bruttoinlandproduktes ist ihm selbst ordnungspolitisch relevante Macht zugewachsen. Diese Sozialmacht ist geeignet, die Freiheit des einzelnen und der kleinen Lebenskreise zu bedrohen, statt sie zu entfalten und zu schützen. Sie gefährdet das Subsidiaritätsprinzip, das heißt: die Erstverantwortlichkeit des Menschen für sich und seine Familie und damit für die verantwortete Freiheit. Die von ihr bewirkten Beschränkungen der Freiheit sind inzwischen folgenreicher als die der Wirtschaftsmacht. Die Gefahr einer derartigen Entwicklung sahen bereits 1955 vier Professoren voraus – unter ihnen der spätere Kardinal Höffner, die Konrad Adenauer um eine Denkschrift zur Neuordnung der sozialen Leistungen gebeten hatte. In ihr stellten sie zur Rolle des Staates in der sozialen Ordnung fest: „Der Staat dient der sozialen Sicherung dadurch am meisten, dass er die persönliche Verantwortung seiner Bürger, das Sorgen und Vorsorgen der Familie und der anderen kleinen Lebenskreise sowie der genossenschaftlichen Selbsthilfe anerkennt und sich entfalten lässt. Sofern gewisse Notstände durch die verschiedenen Formen der Selbsthilfe nicht behoben werden können, wird die staatliche Sozialpolitik ihre vordringlichste Aufgabe in der Hilfe zur Selbsthilfe sehen müssen.“ „Es entspricht den Prinzipen der Solidarität und Subsidiarität, dass der Staat nach Mitteln und Wegen sucht, jene Bevölkerungsschichten (bei denen die Eigensicherung weithin durch die soziale Sicherung ergänzt beziehungsweise ersetzt werden muss) gegen die Risiken der „basic needs“ zu sichern. Gerade bei den Maßnahmen der staatlichen Sozialpolitik ist freilich darauf zu achten, dass Freiheit und Würde des Menschen nicht gefährdet werden. Die genaue Umschreibung der dem Staat auf Grund der Prinzipen der Solidarität und Subsidiarität im Bereich der sozialen Sicherung zukommenden Stellung ist deshalb so wichtig, weil heute hier irrige und in ihren Auswirkungen verderbliche Auffassungen herrschen.“ „Es darf freilich nicht verkannt werden, dass auch in der westlichen Welt die Tendenz festzustellen ist, die soziale Sicherung – unter Ausschaltung der Selbsthilfe und der Leistungskraft der kleineren Lebenskreise – unmittelbar dem Staat, der damit zum Versorgungsstaat wird, zu übertragen.“ Unter den Ursachen, die diese Entwicklung herbeigeführt oder begünstigt haben, nannten die Autoren unter anderem „die zur Durchführung der sozialen Sicherung in den letzten 70 Jahren geschaffenen Organisationen.“ Sie haben sich vielfach „kraft der Beharrungstendenz des Institutionellen zu gesellschaftlichen Machtgebilden verfestigt und damit
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das Umsichgreifen des breite Schichten der westlichen Welt erfüllenden Strebens nach sozialer Sicherheit begünstigt.“ „Der Lähmung der Eigenverantwortung bei vielen Einzelmenschen entspricht auf staatlicher Seite in manchen Ländern die Überbetonung des Versorgungsprinzips, kraft dessen der Staat aus Steuermitteln allen seinen Bürgern die soziale Sicherheit gewähren müsse. In totalitären Staaten pflegt hinter diesen Bestrebungen die Tendenz zu stehen, die Institutionen der sozialen Sicherheit zu einem Herrschaftsinstrument zu machen.“ Die Autoren stellen dazu fest, „dass der Plan, alle Menschen ohne Ausnahme, auch jene, die sich selbst helfen können, zwangsweise in eine staatlich angeordnete soziale Sicherung einzubeziehen, mit dem Subsidiaritätsprinzip unvereinbar ist. Auch gefährdet ein solches System den Staat, da es die Menschen dazu verleitet, dem Staat lediglich mit Forderungen gegenüber zu treten, wodurch die im Solidaritätsprinzip verankerte wechselseitige Bindung und Rückbindung zwischen Einzelnem und Staat gestört wird.“ Die Schlussfolgerungen der Autoren aus diesen Prinzipien haben die Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft wesentlich mit beeinflusst. Heute liefen sie Gefahr, als zynische Postulate des Turbo-Kapitalismus und der Ellenbogen-Gesellschaft und als Ausdruck wirtschaftlicher Kälte diffamiert zu werden. Wie weit wir uns tatsächlich von den damaligen Vorstellungen von Solidarität und Subsidiarität entfernt haben, machen zwei Vergleiche deutlich: Die damalige Kaufkraft eines Facharbeiterhaushaltes entspricht heute den Leistungen der Sozialhilfe. Der Anspruch des damaligen Sozialstaates an das BIP betrug 23%. Heute erreicht er fast 35% des BIP. In dieser Zeit ist das Bruttoinlandsprodukt jedoch real um das Fünffache gestiegen und damit auch die objektive Fähigkeit eines wesentlich größeren Teils der Bevölkerung, im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips Eigenverantwortung zu übernehmen.
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Unterschiedliche Sichtweisen
Wie kommt es, dass wir in unserem Land vor allem die Schwachen wahrnehmen und nicht die Starken? Dass wir dazu neigen, jeden Ausdruck von Selbständigkeit, Initiative und Wettbewerb skeptisch zu sehen. Dass wir uns nicht über unser Land und das Erreichte freuen, sondern ständig öffentlich über seine Mängel sprechen. Ja, dass uns, wiederum in der öffentlichen Wahrnehmung, Optimismus als Grundhaltung eher verdächtig erscheint, als Ausdruck unzureichender „Compassion“ für die Armen und Schwachen. Warum zählen wir die Schwachen und nicht die Starken, die Arbeitslosen und nicht diejenigen, die Arbeit haben, die Haushalte ohne Vermögen und nicht diejenigen, die Vermögen gebildet haben: kurz, diejenigen, die auf Hilfe angewiesen sind und nicht diejenigen, die sich selbst helfen könnten, wenn man sie nur ließe, und auf deren Kraft und Leistungsbereitschaft wir angewiesen sind, wenn es darum geht, den Schwächeren zu helfen? Wer kann daran interessiert sein, eine derartige Einstellung zu fördern? Es gibt durchaus ein politisches Interesse an einer derartigen Sicht der Dinge. Es ist das Interesse derer, die wollen, dass die große Mehrheit unserer Bevölke-
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rung als „kleine Leute“ gesehen werden, als Kinder des Vaters Staat, als Staatsmündel und damit als Menschen, die des öffentlichen Vormundes bedürfen. Als Bürger, denen man nur in Grenzen Verantwortung für sich selbst übertragen darf. Die als unfähig zu gelten haben, ihre vitalen Interessen selbst zu wahren. 1. Wer die Menschen in dieser Weise sieht, begründet damit auch politisch die Notwendigkeit, in allen Bereichen Verantwortung für sie zu übernehmen, in denen sie angeblich nicht selbstverantwortlich handeln können. Umgekehrt: Wer das politische Ziel verfolgt, eine große Mehrheit der Bevölkerung in vitalen Lebensbereichen zu bevormunden, muss daran interessiert sein, dass diese Mehrheit nicht nur als „kleine Leute“ gesehen wird. Die Mehrheit muss vielmehr selbst davon überzeugt sein, der staatlichen Vormundschaft zu bedürfen. Vormundschaft verleiht Macht über den Mündel. Wem es gelingt, eine Vormundschaft über wesentliche Teile der Bevölkerung zu begründen, dem wächst Macht zu. Er ist mächtig. Die DDR war ein vormundschaftlicher Staat. Niemand hat dies besser begründet als Rolf Henrich. Den Herrschenden war es mit Unterstützung der Sowjetunion gelungen, ein System umfassender Bevormundung und Kontrolle zu errichten. Originäre Freiheitsräume gab es praktisch nicht. Nischenräume wurden geduldet. Ihre Vernetzung dagegen wurde verhindert. Allenfalls im kirchlichen Raum waren deshalb Ansätze einer Vernetzung zu erkennen. Sie wurden sorgfältig und umfassend überwacht. Freiheitsräume, die wirtschaftlich begründet waren, wurden im Laufe der Entwicklung vollständig beseitigt. Mit ihnen wurde der Existenz und der Entwicklung eines freien Bürgertums die Grundlage entzogen. Bürgerliche Familien wurden diskriminiert. Versuche, junge Menschen zur Selbständigkeit und Eigenverantwortung zu erziehen, ihnen Wertvorstellungen zu vermitteln, die nicht denen der Herrschenden entsprachen, wurden entmutigt oder unterdrückt. Damit wurden diejenigen Bereiche der Gesellschaft beschädigt oder zerstört, aus denen sich die Bürgergesellschaft, die Civil Society, vorrangig rekrutiert. Sie ist es jedoch, von welcher der Widerstand gegen die Begründung vormundschaftlich legitimierter Macht vor allem ausgeht. Die freiheitliche und sozial verantwortliche Bürgergesellschaft ist ohne eine bürgerliche Mittelschicht und Menschen, ohne deren Leistungsträger und Eliten auf Dauer nicht lebensfähig. Sie lässt sich nicht mit dem „kleinen Mann“, mit „kleinen Leuten“ allein errichten. Deren Freiheit wiederum, die Freiheit der „kleinen Leute“, ist nachhaltig nur dann gewährleistet, wenn sie gemeinsam mit einer bürgerlichen Mittelschicht, das heißt durch die Bürgergesellschaft, gegen den immer vorhandenen Machtanspruch staatlicher oder kollektiver Vormundschaft verteidigt wird. Ohne diese Freiheit gibt es auch keinen wirtschaftlichen Wohlstand. Die Sicherheiten, die mit einer umfassenden staatlichen Vormundschaft verbunden sein können, sind nur um den Preis abnehmenden wirtschaftlichen Wohlstandes zu haben. 2. Das Streben, Macht durch Vormundschaft zu begründen, ist auch in der Demokratie vorhanden. Für den Bereich der Wirtschaft ist dies unbestritten. Unsere Wirtschaftsverfassung begegnet ihm durch verschiedene Vorkehrungen, denen
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wir zu Recht die materielle Bedeutung von Verfassungsgrundsätzen zusprechen. Zu ihnen gehören Koalitionsfreiheit, Tarifautonomie und Mitbestimmung ebenso wie das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Ihr Zusammenwirken zum Schutze der Freiheit und ihrer Ordnung zu gestalten ist Aufgabe der Ordnungspolitik. Ihr Ordnungsprinzip ist der Wettbewerb. Er dient vor allem als Instrument zur Verhinderung wirtschaftlicher Macht. Er schützt die wirtschaftliche Freiheit der Bürger vor der Herrschaft der Monopole oder marktbeherrschender Unternehmen. Ohne wirtschaftliche Freiheit der Bürger als Arbeitende und Konsumenten hat auf Dauer auch die politische Freiheit keine Chance. „Wes Brot ich ess', des Lied ich sing“ ist ein verlässlicher Erfahrungssatz jeder Machtausübung. Die Bindungen unternehmerischer Freiheit durch gewerkschaftliche Gegenmacht, Tarifautonomie, Streikrecht und Mitbestimmung sind das Ergebnis lang andauernder Kämpfe und Auseinandersetzungen um Freiheit und Gleichberechtigung der Arbeitnehmer. Sie haben letztlich zur Sozialpflichtigkeit des Eigentums als Bedingung seiner verfassungsrechtlichen Gewährleistung geführt. Unsere Wirtschaftsverfassung bindet seitdem das Eigentum an den Grundsatz seines gemeinwohlverträglichen Gebrauchs. Wer mit Hilfe des Privatrechts wirtschaftliche Macht anstrebt, verletzt diesen Grundsatz. Da er die Freiheit der Betroffenen gefährdet, verweigert das Recht ihm seinen Schutz. 3. Unser Sozialrecht und seine Institutionen sind neben dem Arbeitsrecht, aber in enger Beziehung zu ihm entstanden. Beide sollen Antworten geben auf die gesellschaftlichen und sozialen Folgen der Industrialisierung. Geprägt wurden sie bereits durch die ersten Bismarckschen/ Lasallschen Sozialgesetze. Der ersten soziale Sicherung einer Minderheit folgte der langsame Ausbau einer sozialen Absicherung wesentlicher Teile der Bevölkerung. Er wird in seinem historischen Verlauf durch die fortschreitende Industrialisierung, aber auch durch die Vermögensverluste als Folge zweier Weltkriege und damit der Zerstörung der Grundlagen wirtschaftlicher Unabhängigkeit wesentlicher Teile de Bürgertums wesentlich beeinflusst und befördert. Nach dem zweiten Weltkrieg beeinflussen die Grundlagen der marktwirtschaftlichen auch die Gestaltung der Sozialpolitik. Aber bereits gegen Ende der 40er Jahre wird deutlich, dass von ihr die Erfüllung weitergehende Ziele erwartet wird. So heißt es in einem Grundsatzdokument der neu entstandenen christlichdemokratischen Union von 1949, mit ihrer „fortschrittlichen Sozialpolitik“ wolle sie „der inneren Befriedung unseres Volkes dienen, das Vertrauen der breiten Schichten in die neue demokratische Ordnung stärken und den Willen zur Mitarbeit am Wiederaufbau unseres Staats- und Volkslebens fördern.“ Zwar wird als Grundlage einer derartigen Sozialpolitik die Existenz einer gesunde Wirtschaft beschworen. Die Zielvorgabe der fortschrittlichen Sozialpolitik geht jedoch weit über das hinaus, was sich als staatliche Sozialpolitik mit den Grundsätzen sozialer Gerechtigkeit begründen lässt. In diesen Ausgangsgedanken ist bereits der expansive Charakter der Sozialpolitik angelegt. Die enge Verbindung von Arbeits- und Sozialpolitik spiegelt sich auch in ihrer politischen Organisation. Die beiden an sich selbständigen Gebiete finden sich im Ministerium für Arbeits- und Sozialrecht verbunden. Im Gefolge der weite-
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ren Entwicklung wächst die Dominanz der sozialpolitischen gegenüber der arbeitsmarktpolitischen Ausrichtung des Ressorts. Aus dem wirtschaftlichen Sachverhalt Arbeit als Grundlage allen Wirtschaftens wird der sozialpolitische Sachverhalt Arbeit. Wirtschaft und Arbeit bleiben - ganz im Sinne des Gegensatzes von Kapital und Arbeit - getrennt. Der Inhalt des Begriffes Wirtschaft verengt sich auf den Bereich der Unternehmen. Die Wirtschaft: Das sind die Unternehmer und ihre Verbände. Ihnen steht die politisch verfasste Arbeit gegenüber: Gewerkschaften, Betriebsräte, die sozialen Systeme einschließlich der Sozialhilfe – der Nachfolge der früheren Armenhilfe. Die Einsicht, dass Arbeit die Grundlage allen Wirtschaftens ist, geht in dieser Struktur verloren. Die Arbeit wird, weit mehr als früher, zum Gegenstand der Sozialpolitik. 4. Das bleibt nicht ohne Auswirkung auf ihre politische Zuordnung. Diese wiederum prägt das politische Bild vom Arbeitnehmer, das unser politisches Denken und Handeln bestimmt. Dieses Bild hat wenig gemeinsam mit den Visionen, die Denken und Visionen der Arbeiterführer des ausgehenden 19. Jahrhunderts prägten. Es sieht den Arbeitnehmer in erster Linie als bedrohten und deshalb schutzbedürftigen Mitbürger. Treffend kam es in einem Wahlplakat der SPD vor der sächsischen Landtagswahl 1999 zum Ausdruck. Es zeigt den Spitzenkandidaten, der auf seinen Schultern einen kleinen Jungen trägt. Die Botschaft lautet: „Wir schultern die Probleme der kleinen Leute“. Eindrucksvoller lässt sich die Vorstellung vom Staatskind nicht ausdrücken. Von den „kleinen Leuten“ erhofft man sich eine Mehrheit. Die um ihre Stimme werben - Sozialdemokraten wie Christdemokraten - sind überzeugt: Die kleinen Leute machen die Mehrheit des Volkes aus. Von der Idee des Arbeiters als freiem Bürger ist kaum noch die Rede. Er bedarf, so die weitverbreitete und wirksam gepflegte Überzeugung, mehr denn je der sorgenden Hand des Vaters Staat und derer, die sich berufen fühlen, in seinem Namen zu handeln. Alle, die sich berufen fühlen, den „kleinen Mann“ zu schützen und zu betreuen, begründen ihre Legitimation mit ihrem sozialpolitischen Auftrag. Dessen Inhalt sehen sie darin: Die Arbeitnehmer und deren Angehörige, die Arbeitslosen und Empfänger von Sozialhilfe und alle Menschen zu schützen, die sich nicht selbst schützen können. Sie wollen ihnen allen Sicherheit vor Ausbeutung, vor der Unterdrückung durch die Starken, vor der Profitsucht der Wirtschaft und den Folgen der Ellenbogengesellschaft und vor allen Risiken gewähren, von denen sie überzeugt sind, dass Arbeitnehmer sie nicht selbst bewältigen können. Ihre fürsorgliche Betreuung durch die Einrichtungen und Strukturen der Sozialpolitik, durch den Sozialstaat, wird auch dann durch den Schutzauftrag gerechtfertigt, wenn sie sich zur sozialen Vormundschaft steigert. Die damit verbundene Abhängigkeit der Betreuten von ihren Betreuern wird von diesen nicht als Machtausübung verstanden. Sie wird als Folge der Wahrnehmung und Konkretisierung des sozialen Auftrages der Verfassung gesehen und verteidigt. Gleichwohl ist sie für die Betreuer mit Machtausübung verbunden. In der wohlfahrtsstaatlich verfassten Gesellschaft gibt es folglich nicht nur Wirtschaftsmacht, sondern auch Sozialmacht. Sie kann ähnliche Probleme der Freiheitsbeschränkung zur Folge haben wie Wirtschaftsmacht.
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5. Im Unterschied zur Wirtschaftsmacht und deren Kontrolle fehlt es im Bereich der Sozialmacht bisher an vergleichbaren ordnungspolitisch begründeten Formen der Machtkontrolle. Das hat seinen Grund vor allem in der historischen Abfolge der Entwicklung unserer Wirtschaftsordnung hin zur sozialen Marktwirtschaft. Die Sozialpolitik entwickelte sich als Antwort auf die Herausforderungen der Industrialisierung und der mit ihr entstandenen privatwirtschaftlich verfassten Macht von Unternehmern und Unternehmen. Der Schutz der Arbeitnehmer erforderte eine Gegenmacht. Sie wurde von Anfang nicht nur in den Gewerkschaften und deren politischer Organisation gesehen, sondern im Staat. Probleme der Macht, ihrer Existenz, Ausübung und Kontrolle, lassen sich in der Wirtschaftordnung ebenso wie in der Sozialordnung nur strukturell und institutionell erfassen. Es kommt, mit anderen Worten, nicht auf die Intentionen derjenigen an, die über Macht verfügen. Entscheidend ist, ob sich Machtchancen gebildet haben, über die zum Nachteil derer verfügt werden kann, die betroffen sind. Subjektive Betrachtungen würden den Zweck der Kontrolle verfehlen. Kartelle und Monopole wollten stets vor allem den Schutz und das Beste für ihre Kunden. Marktbeherrschende Unternehmen wollen Arbeitsplätze sichern. Beide beanspruchen damit jedoch zugleich das Recht zu entscheiden, was im konkreten Fall für diejenigen gut ist, deren Verhalten sie mit ihrer Macht beeinflussen können. Darin jedoch liegt das Wesen freiheitsbeschränkender Macht. Machtausübung ist immer ein Problem der Freiheit, unbeschadet der Motive des Mächtigen.
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Gefahren der Sozialmacht
Wenn Machtausübung somit nicht nur im Bereich der Wirtschaft, sondern auch im Bereich der Sozialpolitik anzutreffen ist, stellt sich auch hier die Frage nach angemessener Kontrolle und der Entwicklung freiheitsfördernder Strukturen und Institutionen. Um den mit Sozialmacht verbundenen Gefahren für Freiheit und Selbständigkeit der Bürger angemessen begegnen zu können, ist folgendes erforderlich und zu bedenken: 1. Es muss anerkannt werden dass es nicht nur Wirtschaftsmacht gibt, sondern auch Sozialmacht. Diese Feststellung diffamiert die guten Absichten derer, die in und durch sozialpolitischen Strukturen handeln eben sowenig, wie das Kartellrecht die guten Absichten wirtschaftlicher Strukturen diffamiert, die über Marktmacht verfügen. Sie besagt lediglich, dass die Freiheit und die personale Verantwortungsbereitschaft der Bürger nicht nur durch Wirtschaftsmacht, sondern auch durch Sozialmacht bedroht werden kann. 2. Die Gefahren, die von der Existenz von Wirtschaftsmacht ausgehen können, sind seit langem bekannt. Die Notwendigkeit, die Freiheit der Bürger und des Wettbewerbs vor ihnen zu schützen, ist unbestritten. Sie wurde allerdings in anderen Rechtsordnungen, wie der amerikanischen, weit eher anerkannt als in der deutschen. Erst mit der sozialen Marktwirtschaft wurde der Korporatismus
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überwunden, der die deutsche Wirtschaft bis zum zweiten Weltkrieg prägte und ihre planende Vormundschaft über Märkte und Kunden legitimierte. 3. Für den Sozialbereich wurden vergleichbare Gefahren für die Freiheit von den Akteuren bisher verneint. Die sozialen Ziele ihres Handelns wurden und werden so definiert, dass sie der Freiheit der Bürger dienen und deshalb nicht in Widerspruch zu ihrer Freiheit geraten können. Zudem wird jeder Verdacht eines möglichen Machtmissbrauchs mit Hinweis auf den solidarischen und altruistischen Charakter der Sozialpolitik zurückgewiesen. Der soziale Zweck heiligt gewissermaßen auch die sozialpolitische Machtausübung. Schließlich beruhen wesentliche Teile der sozialen Ordnung auf gesetzlichen Regelungen und direkten oder indirekten staatlichen Interventionen. Sie gelten deshalb bereits dadurch als legitimiert. Dass auch staatlich geregelte oder finanzierte Ordnungen Machtstrukturen hervorbringen können, welche die Freiheit der Bürger gefährden, wird zwar abstrakt anerkannt. Für die bestehende Ordnung und ihre Machtchancen wird es jedoch bestritten. 4. Im Bereich der Wirtschaft gelten Transparenz und Rechenschaftspflichten als wichtige Instrumente zur Erhaltung des Wettbewerbs und der Kontrolle von Marktmacht. Im Wirkungsbereich des Sozialstaates ist ihre Anwendung unterentwickelt. Entweder existieren überhaupt keine Rechenschaftspflichten. Oder nur in Gestalt von Kontrollen durch die Beteiligten, aber nicht durch die Betroffenen oder Dritte. Oder die Rechenschaftslegung erfolgt nur gegenüber der politischen Führung des Systems oder in einer Form, die für die allgemeine Öffentlichkeit unverständlich ist, das heißt verschleiert statt klärt. In keinem Fall gibt es Publizitäts- und Rechnungslegungspflichten, die denen des Aktien- und Konzernrechts auch nur annähernd vergleichbar wären. Dort hat man mit der großen Aktienrechtsreform zum Schutze der Aktionäre und der Allgemeinheit eine umfassende Publizität, Rechnungslegungspflichten und Auskunftsrechte gesetzlich vorgesehen. Wer eine Aktie erwirbt, erwirbt zugleich diese Rechte. An vergleichbaren Formen der Information und externen Kontrolle besteht durchaus ein öffentliches wie ein Interesse derer, welche die sozialen Systeme durch Beiträge finanzieren. Gleichwohl hat man sich bisher nicht entschließen können, zum Schutze der Beitragszahler, Mitglieder und der allgemeinen Öffentlichkeit vergleichbare Rechte und Pflichten vorzusehen. Im Gegenteil: Man beobachtet eher ein Interesse, die finanziellen Zusammenhänge der sozialen Systeme zu verschleiern. 5. Dieser Zustand ist ordnungspolitisch nicht ohne Probleme. Zwar ist der Sozialstaat in Gestalt seiner wichtigsten Einrichtungen, der gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflege- und Invalidenversicherungen und der Arbeitslosenversicherung, nicht privatrechtlich verfasst. Sein wesentliches Organisationsprinzip ist die Selbstverwaltung. Wie die Entwicklung der früheren Bundesanstalt für Arbeit zeigt, sind jedoch auch selbstverwaltete Organisationen nicht vor Fehlentwicklungen mit erheblichen gesamtwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen gefeit, von fehlerhafter Ausübung ihrer Macht ganz abgesehen. Schon aus diesem Grunde ist deshalb die Übertragung in anderen Bereichen bewährter Ordnungs- und Kontrollgrundsätze auf den Sozialstaat geboten.
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Die Ausgestaltung privatwirtschaftlicher und „sozialwirtschaftlicher“ Institutionen nach vergleichbaren Grundsätzen ist jedoch auch ordnungspolitisch unumgänglich. Gewährt die Gesamtordnung wesentlichen Teilbereichen des Gemeinwesens außerhalb des unmittelbaren staatlichen Handlungsbereichs ordnungspolitische Extraterritorialität, dann kann dies nicht ohne Auswirkungen auf die politische Legitimation von ordnungspolitisch gebotenen Bindungen in anderen Bereichen bleiben. Sie wird die ohnehin vorhandenen Bestrebungen fördern, auch im privatwirtschaftlichen Bereich Gründe zu entwickeln und Forderungen zu erheben, welche vergleichbare Ausnahmen von ordnungspolitischen Grundsätzen rechtfertigen könnten. Die sozial- oder arbeitsmarktpolitisch begründeten Subventionen notleidend gewordener Unternehmen bieten dafür reichlich Anschauung.
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Ordnungspolitische Grundsätze
Der Sozialstaat und seine Machtchancen lassen sich durchaus in den ordnungspolitischen Gesamtzusammenhang einbeziehen, ohne die ihm anvertrauten Funktionen zu gefährden. Wo eine Gefährdung behauptet wird, bieten allgemeine ordnungspolitische Grundsätze die Möglichkeit, zwischen sachnotwendigen und solchen Strukturen zu unterscheiden, deren Erhalt eher dem Wunsch nach vormundschaftlicher Betreuung als nach Gestaltungsformen entspringt, die dem einzelnen Gestaltungs- und Mitwirkungsrechte gewähren. Auch die sozialen Systeme und damit die Sozialverfassung können somit nach Grundsätzen gestaltet werden, die ordnungspolitisch jenen verwandt sind, mit deren Hilfe wir wirtschaftliche Macht rechtsstaatlich und wirtschaftsverfassungsrechtlich binden. 1. Mit sozialpolitischen Organisationen prinzipiell vereinbar sind unter anderem: (1) Publizität und Offenlegung der Zusammenhänge, analog der Konzernpublizität (2) Eine geordnete Rechnungslegung nach vorgegebenen Verfahren und in nachprüfbarer Form durch externe Kontrolle des Rechnungswesens (3) Controlling, das heißt Prüfung, ob vorgegebene Ziele erreicht und die dafür bereitgestellten Mittel optimal verwendet worden sind (4) Wettbewerb unter den Anbietern von Leistungen und die Sicherung von Strukturen, in denen Wettbewerb stattfinden kann, soweit dies mit den sozialen Zielen des Systems vereinbar ist (5) Die damit verbundenen Wahlmöglichkeiten der Abnehmer und (6) Dezentralisation und die Einrichtung von Regelkreisen im System. 2. Jeder dieser Grundsätze lässt sich bestimmten Aspekten des Sozialsystems zuordnen. Beispiele sind: (1) Transparenz der tatsächlichen Beitragslast der Arbeitnehmer durch Verzicht auf die Trennung von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen. Die Sorge, dies würde die Selbstverwaltung der sozialen Systeme zerstören, ist
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ohne Berechtigung. Ob die heutige Form der Selbstverwaltung dem ursprünglichen Anspruch dieser Idee noch gerecht wird, ist zudem fraglich. (2) Der Verzicht auf den illusorischen Charakter von Sozialwahlen. Die Selbstverwaltung der sozialen Systeme wird durch sie nicht im materiellen Sinne demokratisch legitimiert. Die Wahlen haben allenfalls symbolischen Charakter. Sie liefern die Legitimation für eine Herrschaft der Verbände. Diese hat ihre Wurzeln in der gleichen korporativen Tradition, die auch die Kartelle hervorgebracht hat. (3) Wahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen Produkten der Sozialversicherungen. So lassen sich in der Gesetzlichen Krankenversicherung neben den Wahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen Kassen Policen mit und ohne Selbstbeteiligung, mit verschiedener Gestaltung der versicherten Risiken etc. denken. Wahlmöglichkeiten gewähren die Chance, die Versicherung den eigenen Bedürfnissen und Gegebenheiten anzupassen. Sie tragen damit nicht nur zur größeren Wirtschaftlichkeit bei, sondern auch zu mehr Freiheit. 3. Die Umverteilungswirkungen der Systeme müssen offengelegt werden. Kritiker dieser Forderung behaupten, ihre Verwirklichung führe zur Entsolidarisierung und der Aufteilung in gute und schlechte Risiken zu Lasten der gesetzlichen Systeme. Wenn dies tatsächlich der Fall ist, müssen die Ursachen untersucht und Abhilfen gefunden werden, die nicht in einheitliche Kollektivsysteme ohne Wahlmöglichkeiten zurückführen. 4. Dezentralisation gehört im staatlichen Bereich zu den wichtigsten Vorkehrungen zum Schutz der Bürgerfreiheit. Deshalb genießen die bundesstaatliche Ordnung und die Gemeindeautonomie den Schutz der Verfassung. Für die sozialen Sicherungssysteme gilt nichts anderes. Hier geht es darum, in welchem Umfang sie sich regionalisieren und damit auch in ihren Leistungen differenzieren lassen. Wie lässt sich eine größere „Kundennähe“ realisieren und was kann man in diesem Zusammenhang aus den Erfahrungen mit dem neuen Arbeitslosengeld II lernen? Sind regionale und örtliche Regelkreise denkbar, welche die Leistungsfähigkeit der Systeme verbessern helfen und zu einer sachgerechteren und stärker mitbestimmten Steuerung führen? Wie lässt sich die Bereitschaft der Bürger zur Mitwirkung an Problemlösungen und zur Privatisierung von Teilrisiken erhöhen? Lassen sich Rechenschaftspflichten der Leistungsempfänger mit dem Rechtsanspruch auf Leistungen auch in anderen Bereichen als der Sozialhilfe begründen und mit welchen Wirkungen? Leistung und Gegenleistung als Ausdruck der Tatsache, dass Solidarität keine Einbahnstraße ist. 5. Öffentliche Debatten über zentrale Begriffe und Annahmen der Sozialpolitik sind dringend geboten. Den Trägern der Systeme darf nicht die alleinige Definitions-Hoheit über die Begriffe zustehen, die für das System und seine Legitimation relevant sind. Beispiele bieten der Armutsbegriff und damit die Definition der Armut als sozialpolitisch relevanter Tatbestand. Anders ausgedrückt: Wer mit öffentlichen Mitteln die Armut bekämpft, sollte nicht zuständig sein für die Definition des Armutsbegriffes.
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6. Die Grundsätze öffentlicher Rechenschaft, Transparenz, Verantwortung gegenüber Dritten oder externer Kontrolle sollten auch auf die Verbände der freien Wohlfahrtspflege Anwendung finden. Sie haben sich zu großen und mächtigen Organisationen entwickelt und überwiegend staatlich finanziert. Ihre Bedeutung und ihre Möglichkeiten lassen es geboten erscheinen, sie in Analogie zu Wirtschaftsunternehmen in die ordnungspolitischen Bindungen einzubeziehen.
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Kontrolle von Sozialmacht
Die beschriebenen Vorkehrungen dienen der Kontrolle von Sozialmacht. Sie führen zu mehr Klarheit und Wahrheit im Bereich der sozialen Systeme. Sie tragen bei zur Verbesserung ihrer Akzeptanz und der Bereitschaft, sie zu finanzieren. Sie verringern die Gefahr politischer Manipulation. Die gegenwärtigen Strukturen und ihre kartellartige Abgeschlossenheit und Organisation gefährden die Legitimationsbasis des sozialen Auftrages. Sie produzieren im Ergebnis die Zwei-Klassen-Gesellschaft, die sie zu bekämpfen vorgeben. Sie beeinträchtigen ihre wirtschaftlichen Grundlagen: Durch unzureichende innere Plausibilität und die bereits beschriebenen Mängel, aber auch durch Überforderung der Bereitschaft zur Solidarität. Ihre inhaltliche und organisatorische Reform an Haupt und Gliedern ist deshalb ebenso dringend wie unverzichtbar. Die strukturellen Reformen, um die es dabei geht, gefährden nicht den sozialen Auftrag unseres Gemeinwesens. Sie wenden sich gegen die unkontrollierte Existenz und Ausübung von sozialpolitisch begründeten Machtpositionen. Sozialmacht bedroht – wie Wirtschaftsmacht – die persönliche Freiheit der Bürger und die Entfaltung ihrer personalen Verantwortung. Ihre strukturelle Begünstigung ist deshalb mit der Freiheitsgarantie unserer Verfassung ebenso wenig vereinbar wie unkontrollierte Wirtschaftsmacht. Auch die soziale Ordnung unseres Gemeinwesens dient der Freiheit seiner Bürger. Vormundschaftliche Machtanmaßung ist mit dieser Freiheit nicht vereinbar. Eine soziale Ordnung, die diesem Grundsatz gehorcht, wird sich nicht an den „kleinen Mann“ oder die „kleinen Leute“, sondern an den freien und zur eigenen Verantwortung fähigen Bürger wenden. Ihren Auftrag sieht sie nicht in der vormundschaftlichen Betreuung durch „Vater Staat“. Ihr geht es um die Sicherung einer sozialen Grundlage (Grundsicherung) und der Bedingungen, unter denen sich die Vielfalt personaler Regelungen und Maßnahmen entfalten kann, welche die Frucht verantworteter Freiheit ist.
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Anpassung sozialer Systeme
Mit der fortschreitenden Integration der Europäischen Union werden sich die Fragen nach der ordnungspolitischen Einordnung des Sozialstaates mit größerer Dringlichkeit stellen. Zugleich wird die demographische Entwicklung neue Begrenzungen sozialpolitischer Leistungen erzwingen. Mit der Integration der Wirtschaft im einheitlichen europäischen Markt verschieb sich das Verhältnis zwischen Wirtschafts- und Sozialpolitik. Während die Unternehmen zunehmend nationale Grenzen überwinden, sich international verstehen und ihre Leistungen im europäischen Markt und den Weltmärkten optimieren, bleibt die Sozialpolitik nationale Politik. Dies nicht, weil man eine Internationalisierung ablehnt, sondern weil sie nicht möglich ist, ohne die bisherigen Vorstellungen vom sozialen Auftrag aufzugeben. Damit entsteht für die Sozialpolitik ein neues Problem, das nicht nur ihre Finanzierung, sondern ihre Aufgabenstellung grundsätzlich berührt. Der Wirtschaft erschließen sich neue Möglichkeiten, den mit der Finanzierung des Sozialstaates verbundenen Abgaben auszuweichen. Diesen Prozess kann der Nationalstaat weder verhindern, noch läge es in seinem Interesse und dem seiner wirtschaftlichen Entwicklung. Damit stellen sich nicht nur Fragen nach der zukünftigen Finanzierung des Sozialstaates. Wichtiger noch wird es sein, das Soziale neu zu denken. Praktisch politisch wird es darum gehen, den sozialen Auftrag des Sozialstaates auf diejenigen Aufgaben zu begrenzen die nur durch ihn erledigt werden können. Im übrigen werden sich die Bürger weit stärker als bisher an der eigenen sozialen Verantwortung beteiligen müssen. Das heißt aber: Das System muss sich zugunsten mehr verantworteter Freiheit des Einzelnen begrenzen. Diese Aufgabe der Begrenzung muss von den politischen Institutionen, Parlament und Regierung, also dem Staat und dem Sozialstaat geleistet werden. Angesichts der Größenordnung unserer sozialen Systeme ist die Bewältigung dieser Aufgabe durch den demokratischen Staat ungewöhnlich schwierig. Rund 90% der Bevölkerung sind mit den Systemen verbunden, in der einen oder anderen Weise auf ihre Leistungen angewiesen und damit von ihnen abhängig. Sie reagieren deshalb besonders empfindlich auf jede Veränderung im System und die Gefahr einer Verringerung der Leistungen. Für die Abgeordneten im Bundestag und den Landesparlamenten – und die von ihnen getragenen Regierungen – sind diese Reaktionen wiederum von erheblicher politischer Bedeutung. Ihre Neigung ist deshalb ausgeprägt, sich bei Veränderungen der sozialen Systeme im Rahmen gesicherter Mehrheiten zu bewegen und Risiken möglichst zu vermeiden. Die Bereitschaft, das Sozialsystem veränderten Wirklichkeiten anzupassen, war bisher entsprechend gering. Sie kann sich nur dann mit Aussicht auf Erfolg entwickeln, wenn es gelingt, den Zusammenhang zwischen den wirtschafts- und finanzpolitischen Aufgaben des Staates wieder zu beleben, die gegenseitigen Abhängigkeiten neu zu definieren und so zu einem Konsens über das zu finden, was in Zukunft als sozialer Auftrag die Solidarität der Stärkeren in Anspruch nehmen darf. Andernfalls werden die Anstrengungen des stärkeren Teils der Bevölkerung zunehmen, sich den Folgen einer Überforderung durch Steuer- und Abgabenlasten
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zu entziehen. Sie empfinden den Sozialstaat vielfach bereits heute als ausbeuterisch und verweigern ihm deshalb die Solidarität. Der Erfolg solcher Bemühungen wird durch die Europäisierung und Globalisierung der Wirtschaft begünstigt. Dagegen bleiben die sozial Schwachen auf die staatlichen Sozialsysteme angewiesen, deren wirtschaftliche Grundlagen der Sozialstaat durch die Einseitigkeit seiner politischen Ausrichtung gefährdet und letztlich zerstört. Der eigentliche soziale Auftrag der Zukunft ist folglich darauf gerichtet, die Voraussetzungen zu schaffen, die es uns auch in den kommenden Jahren ermöglichen, den sozialen Auftrag der Verfassung einzulösen. Er verlangt von uns, das Soziale unter grundlegend veränderten Bedingungen neu zu denken. Zwei Veränderungen stehen im Vordergrund: Die Europäisierung und Globalisierung der Wirtschaft und die demographische Entwicklung der kommenden Jahrzehnte. Was heute unsere eigentlichen sozialen Wertvorstellungen ausmacht, kann hinfort nur in neuen Strukturen und unter einer neuen Verteilung der Verantwortung zwischen Bürgern und dem sozialen System verwirklicht werden. Dieser Aufgabe können wir nicht durch eine Europäisierung der gegenwärtigen deutschen Sozialpolitik ausweichen. Einen dem deutschen vergleichbaren europäischen Sozialstaat wird es nicht geben. Die Zukunft für eine neue soziale Ordnung zu gewinnen, die nachhaltige Gerechtigkeit auf der Grundlage gesellschaftlicher Solidarität gewährleisten kann, bleibt unsere Aufgabe.
Innovation als Grundlage des Wachstums von Wirtschaft, Beschäftigung und Wohlstand Roland Berger Inhalt 1 2 3 4 4.1 4.2 4.3 5 6 7
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Einleitung ............................................................................................................. 139 Innovation – der Begriff und seine Bedeutung ..................................................... 140 Leistungsinnovation als Wohlstands- und Wachstumssicherung.......................... 142 Strukturinnovation als Herausforderung und Chance ........................................... 145 Schrittmacher Strukturinnovation......................................................................... 145 Strukturinnovation als Wohlstandsgarant ............................................................. 149 Zukunftsbranchen als Wachstumstreiber .............................................................. 150 Innovation bedarf der Investition.......................................................................... 151 Ansatzpunkte für Innovationsführerschaft Deutschlands...................................... 153 Literatur ................................................................................................................ 156
Einleitung
Seit Bundeskanzler Gerhard Schröder 2004 zum „Jahr der Innovation" ausgerufen hat, kursiert dieser Begriff mit einer schon beinahe als inflationär zu bezeichnenden Häufigkeit in der wirtschaftspolitischen Diskussion: Nicht weniger als 996.000 Treffer findet die Suchmaschine Google zum Stichwort „Innovation" auf deutschen Internetseiten; die Homepage des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit verzeichnet 290 Einträge; die Zahl der Publikationen zum Thema „Innovation" ist immens. Damit nimmt ein zentrales Zukunftsthema für Deutschland – endlich – den Platz auf der Agenda von Politik und Wirtschaft ein, der ihm gebührt. Als hoch entwickeltes, aber ressourcenarmes, als offenes und im globalen Wettbewerb stehendes, als stark alterndes und schrumpfendes Land ist Deutschland im Hinblick auf seine zukünftige wirtschaftliche Entwicklung von seiner Fähigkeit abhängig, Wissen und Ideen zu generieren und diese als Innovationen am Weltmarkt abzusetzen. Nur wenn Deutschland wieder einen Platz unter den innovativsten Volkswirtschaften der Welt einnimmt, können wir neues Wachstum und neue Beschäftigung generieren und damit letztlich unser hohes Wohlstandsniveau sichern und ausbauen. Begriffe, die in aller Munde sind, laufen stets Gefahr, zur Worthülse oder zum politischen Schlagwort zu degenerieren. Angesichts der Brisanz des Themas Innovation für die Zukunft des Standorts Deutschlands wäre das fatal. Dieser Beitrag setzt deshalb bewusst seinen Schwerpunkt auf die makroökonomischen Grundlagen von Innovation: Dargestellt wird der Zusammenhang zwischen Innovation
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auf der einen Seite und Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Wohlstandswachstum auf der anderen Seite. Denn nur die Kenntnis dieser Zusammenhänge sowie ihrer Ursache- und Wirkungsprinzipien eröffnet Handlungsfelder für eine nachhaltige Innovationspolitik.
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Innovation – der Begriff und seine Bedeutung
Häufig verwendete Termini verlieren oft an inhaltlicher Schärfe. Um diesem Risiko entgegenzusteuern, wird in diesem Abschnitt erläutert, welches Verständnis von Innovation diesem Beitrag zu Grunde liegt. Zunächst wird herausgearbeitet, auf welchen Faktoren wirtschaftliches Wachstum basiert und weshalb dem Faktor Innovation dabei eine überragende Bedeutung zukommt. Der amerikanische Ökonom Paul A. Samuelson hat dargelegt, welche Faktoren das Wirtschaftswachstum bestimmen. Er nennt erstens den ordnungspolitischen Rahmen, zweitens die Verfügbarkeit von natürlichen Ressourcen und drittens die Quantität und Qualität von Humankapital. Eine entscheidende Rolle für die Entwicklung des Wirtschaftswachstums spielen auch die sozialen Faktoren, nämlich das Wertesystem und das Leistungsparadigma einer Gesellschaft. Diese Einflussfaktoren haben Max Weber und in Anlehnung an ihn David McClelland analysiert. Der amerikanische Psychologe hat schon in den 1950er-Jahren in empirischen Forschungen die Beziehung zwischen leistungsorientierten Normen und Werten, hohem Leistungsstreben und unternehmerischer Tätigkeit belegt. Die genannten Faktoren müssen jedoch – nach Auffassung Samuelsons und anderer Ökonomen – um zwei weitere ergänzt werden: Technischer Fortschritt und Innovation zählen zu den entscheidenden Grundlagen des Wirtschaftswachstums. Dies verdeutlicht ein kurzer Blick auf die historische Entwicklung der Volkswirtschaften: Vor Beginn der Industrialisierung war das Bruttoinlandseinkommen pro Kopf und Jahr weltweit nahezu gleich. Vor allem Landbesitz entschied über die Macht eines Reiches. Erst mit der industriellen Revolution und der damit einsetzenden Beschleunigung des technischen Fortschritts, der Innovation und die darauf aufbauende Bildung von Produktivkapital begann die ökonomische Teilung der Welt in Arm und Reich. Auf der einen Seite entstanden die entwickelten Industrieländer, auf der anderen Seite die Entwicklungs- oder Schwellenländer. Heute ist das wohlhabendste Industrieland 140-mal so reich wie das ärmste Land der Welt – dies zeigt wiederum, dass Technologie und Innovation die entscheidenden Treiber von Wohlstand, Wirtschaftswachstum und Beschäftigung sind. Innovation bedeutet per definitionem die Erzeugung und die erfolgreiche wirtschaftliche Umsetzung von Neuerungen. Joseph Schumpeter hat in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als erster Theoretiker die Rolle der Innovation in modernen Wirtschaftssystemen analysiert. Er unterteilt den Innovationsprozess in drei Phasen, nämlich die Erfindung (Invention), erstmalige Nutzung und dann Verbreitung einer Neuerung (Diffusion). Dabei ist hervorzuheben, dass der österreichische Ökonom den Begriff der Innovation nicht gegenständlich auffasst und nicht auf die Dimension des technischen Fortschritts reduziert: Eine Innova-
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tion kann ein Produkt sein, ein neues Produktionsverfahren oder eine neue Form der Prozessorganisation. Bereits die Benennung der einzelnen Innovationsphasen zeigt deutlich, dass die Begriffe Invention und Innovation keinesfalls synonym zu gebrauchen sind. Für die weitere Erörterung des Innovationsthemas ist deshalb dringend eine trennscharfe Unterscheidung zwischen Invention und Innovation geboten: Invention bedeutet das Generieren von neuem Wissen oder das Kombinieren von bekanntem Wissen zu neuartigen Problemlösungen. Innovation hingegen ist die Invention plus deren erfolgreiche produktive Umsetzung und vor allem deren erfolgreiche Vermarktung als kommerziell verwertbare Problemlösung. Vereinfacht ausgedrückt: Innovationen machen Geld aus Inventionen. Die Stärken Europas bzw. Deutschlands liegen bislang vor allem im Bereich der Invention. Beispiele dafür sind der Computer, das Faxgerät, das Internet oder erst jüngst die MP3-Technologie. Diese Dinge wurden von Europäern erfunden, aber Amerikaner haben daraus ein florierendes Geschäft gemacht. Nach wie vor nimmt Deutschland mit seiner Inventionsleistung weltweit eine Spitzenposition ein. Entscheidende Wachstumsimpulse werden aber nur von einer nachhaltigen Steigerung der Innovationsleistung ausgehen. Diese Steigerung kann grundsätzlich auf drei Arten erfolgen: x Durch Leistungsinnovation: Hierbei handelt es sich um die Erfindung und Vermarktung neuer Produkte und Dienstleistungen. Alte Lösungen werden durch neue ersetzt – zum Beispiel die Kommunikation per Telefax durch das EMail, die Schallplatte durch die CD. Dies schafft neue Märkte, zusätzliches Wachstum und neue, hoch bezahlte Beschäftigungsmöglichkeiten. x Durch Strukturinnovation: Sie treibt die Veränderungen unserer Wertschöpfungsstrukturen, unserer Arbeitsteilung und damit auch unserer Beschäftigungsstrukturen voran. Historische Beispiele dafür sind beispielsweise der Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft oder der sich gegenwärtig vollziehende Wandel von der Industriegesellschaft klassischer Prägung zur wissensbasierten Informations- und Dienstleistungsgesellschaft. x Durch Prozessinnovation: Sie führt zu einer Zunahme der Produktivität – also zu einer Steigerung des Faktoroutputs bei einem relativ geringeren Faktorinput. Sie ermöglicht es, die Stückpreise zu senken und/oder die Arbeitseinkommen zu steigern. So trägt die Prozessinnovation dazu bei, den Wohlstand der Menschen zu erhöhen. Allerdings fällt bei gleich bleibendem Absatz ceteris paribus das Volumen an Erwerbsarbeit. Voraussetzung für Beschäftigungswachstum ist also, dass die Rationalisierungseffekte etwa durch Erschließung neuer Märkte und/oder eine erhöhte Arbeitskräftenachfrage in anderen Bereichen kompensiert werden. Ein Gleichgewicht zwischen Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand kann sich nur dann einstellen, wenn diese drei Innovationsarten gleichzeitig und ausgewogen greifen. In den nachfolgenden Abschnitten wird deshalb näher auf die Bedeutung und das Zusammenwirken der einzelnen Innovationsarten eingegangen.
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Leistungsinnovation als Wohlstands- und Wachstumssicherung
In der „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung" von Joseph Schumpeter spielen die „dynamischen Unternehmer" eine Schlüsselrolle für die Steigerung des Wirtschaftswachstums: Mit Einfallsreichtum und Risikobereitschaft führen sie Neuerungen ein; erweisen sich diese Innovationen als Gewinn bringend, werden sie von anderen Unternehmen imitiert. Solange noch keine Nachahmer auf den Markt drängen, halten die innovativen Unternehmen eine Monopolstellung und werden für ihren Mut zum Risiko belohnt, indem sie so genannte Pionierrenten erzielen. Deren Fluss versiegt allerdings, sobald sich Original und Imitationen nicht mehr unterscheiden lassen. Überträgt man Schumpeters Erkenntnis aus dem Kontext einer nationalen Volkswirtschaft auf die globale Ebene, wird die Bedeutung dieses Mechanismus gerade für Hochlohnländer wie Deutschland offensichtlich: Zu den Grundpfeilern unseres Wohlstands gehört die „Innovationsrente“. Wie andere Industrieländer ist Deutschland in der Lage, Produkte und Dienstleistungen herzustellen und zu vermarkten, die die Volkswirtschaften anderer Länder brauchen, aber nicht selbst herstellen können. Deshalb müssen sie dafür relativ hohe Preise und damit bessere Löhne zahlen – die als Innovationsrente in die Volkswirtschaft eines Hochlohnlandes fließen. Diese Innovationsrente ist also eine Conditio qua non, um das bisherige Niveau des Wohlstands beizubehalten. Mit anderen Worten: Wer nicht innoviert, sondern nur imitiert, kann immer weniger Produkte und Dienstleistungen zu immer geringeren Preisen am Markt absetzen. Dies zeigt das Preis-MengenDiagramm in Abbildung 1.
Abb. 1: Preis-Mengen-Diagramm
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Betrachtet man die wirtschaftliche Situation in Deutschland, stimmt allerdings die Entwicklung der Innovationsleistung im Vergleich zu internationalen Wettbewerbern bedenklich. Die Folgen dieses negativen Trends sind schon erkennbar, denn wir rutschen innerhalb der EU ab – beim Inlandsprodukt pro Einwohner in Kaufkraftparitäten gerechnet vom 4. Rang in 1994 auf den 11. Rang (vgl. Abb. 2). Wir sehen daran, dass auf Leistungen der Vergangenheit basierende Innovationsrenten keine sichere Einkommensquelle für die Zukunft mehr sind. Sie drohen zu versiegen, wenn ein Hochlohnland aus der Spitzengruppe der Innovatoren in das Mittelfeld absteigt. Um einen weiteren Abstieg zu verhindern, bedarf es einer nachhaltigen Steigerung der Innovationsleistung in Deutschland. Bleibt diese aus, wird das mangelnde Gleichgewicht zwischen Innovationsleistung und Arbeitskosten, d.h. Einkommen, den relativen Wohlstand in Deutschland sinken lassen.
Abb. 2: BIP-pro-Kopf-Entwicklung nach Kaufkraftparitäten 1994/ 2003
Hightech-Sektoren – wie zum Beispiel Informations- und Kommunikationstechnologie, Bio- und Gentechnologie, Automatisierungstechnik oder Mikroelektronik – spielen eine Schlüsselrolle für eine positive Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung: In Deutschland verzeichneten sie seit Mitte der 90er-Jahre ein jährliches Wachstum von fast 10%. Das Wachstum, das Branchen mit einem geringen Input an Forschung und Entwicklung im selben Zeitraum lieferten, liegt dagegen bei unter 2%. Die Zahlen illustrieren deutlich: Je mehr Leistungsinnovation eine Volkswirtschaft erbringt, je höher also der Anteil an innovativen Produkten und Wirtschaftszweigen ist, desto besser sind die Auswirkungen auf Wachstum und Wohlstand des betreffenden Landes. Abbildung 3 zeigt diesen Zusammenhang durch einen Vergleich der Wachstumsraten einzelner Volkswirtschaften.
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Abb. 3: Reales BIP-Wachstum und BIP-Wachstum pro Kopf in Abhängigkeit vom Hightech-Anteil am BIP
Abb. 4: Kapitalproduktivität EU/ USA
Ein weiterer Beleg für die Rolle der Hightech-Branchen als Treiber wirtschaftlichen Wachstums ist die Entwicklung in den USA. Unter anderem bedingt durch ein nachhaltiges Produktivitätswachstum (vgl. Abb. 4) insbesondere im Bereich
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der neuen Technologien, verzeichnen die Vereinigten Staaten ein weitaus höheres Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) als Deutschland und andere westeuropäische Industrienationen (vgl. Abb. 3). Dasselbe gilt für das Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts pro Kopf – also für den Wohlstandsindikator: Hier halten die USA seit Mitte der 90er Jahre die internationale Spitzenposition; Deutschland dagegen liegt nicht nur klar hinter den Vereinigten Staaten, sondern lag mit seinen niedrigen Wachstumsraten des BIP pro Kopf auch innerhalb der Europäischen Union weit zurück.
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Strukturinnovation als Herausforderung und Chance
Die Strukturinnovation – die im Folgenden synonym zu dem Begriff Strukturwandel verwendet werden soll – ist charakteristisch für wachsende Volkswirtschaften. Die Strukturinnovation ist dabei zugleich Voraussetzung und Folge des wirtschaftlichen Wachstumsprozesses. Schon seit einigen Jahren befinden wir uns in einer Phase eines tief greifenden Strukturwandels: Die Bedeutung des primären Sektors (Land- und Forstwirtschaft, Rohstoffgewinnung) und des sekundären Sektors (Industrie) geht immer weiter zurück, während die Bedeutung – und damit der Anteil an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung – des tertiären Sektors (Dienstleistung) zunimmt. Die Gewichte der ökonomischen Bedeutung verschieben sich dabei aber nicht nur zwischen den Sektoren (intersektoral), sondern auch innerhalb der einzelnen Sektoren (intrasektoral): So vollzieht sich beispielsweise innerhalb des industriellen Sektors ein Wandel hin zu wissensintensiven Produkten. Der Prozess der Tertiarisierung bringt den Wandel der Industriegesellschaft zur wissensbasierten Dienstleistungsgesellschaft mit sich. Darin werden materielle Produktionsfaktoren und manuelle Tätigkeiten gegenüber immateriellen Produktionsfaktoren und intellektuellen Tätigkeiten zunehmend an Bedeutung verlieren. Die Ressource Wissen spielt also eine Schlüsselrolle für das dynamische Wachstum einer Volkswirtschaft. Dies spiegelt auch der Begriff der „knowledge-based economy" wider, den die OECD 1996 geprägt hat. Die folgenden Abschnitte vertiefen die Argumentation, weshalb das Tempo der Strukturinnovation in Deutschland angesichts der Herausforderungen der Globalisierung forciert werden muss und welche Schwerpunkte dabei wünschenswert sind. 4.1
Schrittmacher Strukturinnovation
Die Geschwindigkeit der Strukturinnovation bestimmt das Entwicklungstempo einer Volkswirtschaft Das Tempo, mit dem sich die Strukturen einer Volkswirtschaft verändern und sich eine traditionelle Industriegesellschaft in eine wissensbasierte Dienstleistungsge-
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Roland Berger
sellschaft wandelt, bestimmt in hohem Maße, ob Wirtschaft, Beschäftigung und Wohlstand eines Landes wachsen. Ein Vergleich der Wirtschaftsstrukturen der USA und Deutschlands zeigt, dass die Vereinigten Staaten auf dem Weg zur wissensbasierten Dienstleistungsgesellschaft bereits weiter vorangekommen sind als Deutschland: Während hierzulande noch knapp 31% der Beschäftigten im industriellen Sektor arbeiten, sind dies in den USA schon unter 20%. In Deutschland sind gut 50% der Beschäftigten im privaten Dienstleistungssektor tätig, in den USA dagegen fast zwei Drittel aller Erwerbstätigen (vgl. Abb. 5).
Abb. 5: Beschäftigung nach Sektoren in Deutschland und den USA
Der Modernitätsgrad der Wirtschaftsstruktur – oder anders ausgedrückt: die Geschwindigkeit, in der sich die Strukturinnovation vollzieht – schlägt sich direkt im Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum einer Volkswirtschaft nieder. Die folgenden Zahlenbeispiele werden dies belegen. Der Anteil der Hochtechnologieindustrie an der industriellen Wertschöpfung liegt in Deutschland bei 9%. Im Durchschnitt der letzten zehn Jahre gingen damit ein Wirtschaftswachstum von 1,4% und ein Beschäftigungswachstum von 0,2% einher. Völlig andere Daten kennzeichnen die Situation in den USA: Mit einem Hightech-Anteil an der industriellen Wertschöpfung von fast 17% erzielten die Vereinigten Staaten im selben Zeitraum ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von real 3,4% pro Jahr sowie ein durchschnittliches Beschäftigungswachstum von 1,5% pro Jahr. Eine weitere Erklärung für das Gefälle der Wachstumsraten zwischen den beiden Ländern ist die Entwicklung der wissensintensiven Wertschöpfungsbranchen. Diese sind in Deutschland in den letzten zehn Jahren nur um 1,7% pro Jahr
Innovation als Grundlage des Wachstums
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gewachsen. Dagegen legten sie in Amerika jedes Jahr durchschnittlich um 5% zu (vgl. Abb. 6).
Abb. 6: Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum in Deutschland und den USA in Abhängigkeit vom Hightech-Anteil an der Wertschöpfung
Abb. 7: Sektorales Arbeitsvolumen in Deutschland 1991 und 2001
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Auch bei der Lösung des Beschäftigungsproblems kommt der Beschleunigung der Strukturinnovation erhebliche Bedeutung zu: Der Strukturwandel bedingt, dass sich der Bedarf an Arbeitskräften im schrumpfenden industriellen Sektor der Volkswirtschaft verringert. Um diese reduzierte Arbeitsnachfrage gesamtwirtschaftlich auszugleichen bzw. überzukompensieren, müssen andere Sektoren entsprechend wachsen. Dieser intersektorale Ausgleich des Angebots und der Nachfrage nach Arbeit hat sich bislang in Deutschland nicht eingestellt: Seit 40 Jahren ist in Deutschland und Kontinentaleuropa ein anhaltender Rückgang des Erwerbsarbeitsvolumens zu verzeichnen. Dieser Aspekt wird aber bei der Diskussion über die Arbeitslosigkeit häufig vernachlässigt. Allein in dem Jahrzehnt nach der Wiedervereinigung sank das jährliche Volumen an bezahlter Erwerbsarbeit in Deutschland von 60 Mrd. Stunden auf weniger als 57 Mrd. Stunden (vgl. Abb. 7). Wie in Abbildung 7 deutlich zu erkennen, ist das Arbeitsvolumen lediglich im Bereich der privaten Dienstleistungen gestiegen. Zurückgegangen ist es sowohl beim Staat (-8,4%) als auch im Handel (-1,2%). Besonders drastisch abgenommen hat das Arbeitsvolumen in der Industrie (-21,1%) und in der Landwirtschaft (-36,2%). Insbesondere in diesen Sektoren hat der Produktivitätsanstieg das Wachstum überkompensiert. Diese Entwicklungen belegen den oben ausgeführten Zusammenhang: Wenn sich die Strukturen einer Volkswirtschaft nicht schnell genug ändern, wenn der Dienstleistungssektor nicht wesentlich schneller und stärker wächst als der industrielle Sektor, lässt sich das Beschäftigungsproblem in Deutschland nicht lösen. Aufschlussreich ist in dieser Hinsicht ein Blick auf die Entwicklungen in den USA. Im Gegensatz zu Deutschland hat hier das Arbeitsvolumen nicht abgenommen, sondern im Zeitraum von 1991 bis 2001 um fast 23% zugelegt (vgl. Abb. 8).
Abb. 8: Sektorales Arbeitsvolumen in den USA 1991 und 2001
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Wo liegen die Gründe für diesen Anstieg des Arbeitsvolumens in den Vereinigten Staaten? Dort expandieren sowohl private Dienstleistungen als auch die Bereiche Handel und Verkehr enorm. Das rasante Wachstum in diesen Sektoren macht die Schrumpfungsprozesse in Industrie und Landwirtschaft mehr als wett. Lediglich beim Staat ist das Arbeitsvolumen seit 1991 um 21% zurückgegangen – allerdings ist dies ein durchaus erwünschter Effekt. Es zeigt sich also, dass die schnelle Innovation der Wirtschaftsstrukturen einen wesentlichen Faktor für das „Beschäftigungswunder“ in den USA darstellt. Jenseits des Atlantiks hat sich die klassische Industriegesellschaft in rasantem Tempo zu einer wissensbasierten Dienstleistungsgesellschaft entwickelt. 4.2
Strukturinnovation als Wohlstandsgarant
Im globalen Wettbewerb sichert die Strukturinnovation ein hohes Niveau von Wohlstand und Beschäftigung Die Globalisierung hat zu Beginn des 21. Jahrhunderts zu einer neuen Dynamik des Strukturwandels geführt. War die Produktion von Waren und Dienstleistungen in der Industriegesellschaft relativ eng an bestimmte Standorte gebunden, haben sich in der Wissensgesellschaft mit der zunehmenden Mobilität von Produktionsfaktoren die Optionen der Standortwahl vervielfältigt. Das heißt auch, dass sich die nationalen Arbeitsmärkte immer weniger vom Weltmarkt abschotten lassen. Ein französischer, deutscher oder spanischer Arbeitnehmer konkurriert indirekt mit seinem Kollegen in der Slowakei oder in China. Der Außenhandel und Direktinvestitionen ins Ausland – also der Export von Kapital, Technologie, Know-how und Arbeit – haben diesen Wettbewerb initiiert und definieren seine Spielregeln. Die Erweiterung der Europäischen Union im Mai 2004 hat einerseits Chancen eröffnet, da für die deutsche Exportwirtschaft Handelsschranken gefallen sind. Andererseits wird sich die Standort-Konkurrenz um Investitionen – und damit um Arbeitsplätze – vermutlich verschärfen: Nach dem Beitritt der zehn neuen Mitgliedsstaaten treffen innerhalb der EU Wirtschaftsstrukturen aufeinander, die sich erheblich unterscheiden. Vor allem die Faktorkosten – insbesondere die Löhne – liegen auf völlig verschiedenen Niveaus. Produkte und Dienstleistungen hingegen ähneln sich bereits heute und werden sich in Zukunft weiter angleichen. Wenn sich jedoch Produkte und Dienstleistungen verschiedener Anbieter nicht unterscheiden, wird der Preis zur entscheidenden Disziplin im europäischen und globalen Wettbewerb der Volkswirtschaften. Und in dieser Disziplin wird das Hochlohnland Deutschland nicht gewinnen. Chancen auf einen Spitzenplatz hat der Standort nur dann, wenn es gelingt, sich dem Preiswettbewerb durch Leistungsinnovation und durch rasche Strukturinnovation, vor allem in HightechBranchen, zu entziehen. Andernfalls wird das derzeitige Wohlstandsniveau nicht zu halten sein.
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4.3
Zukunftsbranchen als Wachstumstreiber
Innovationen in Zukunftsbranchen mit viel versprechenden Wachstumsperspektiven sind zu forcieren Deutschland schmückt sich gern mit dem Titel „Exportweltmeister“. Und bei Innovationen in vielen Mediumtech-Branchen wie Automobil-, Maschinen- und Anlagenbau gehört Deutschland zur Weltspitze, wie die Patentstatistiken belegen: Im Vergleich zu den USA liegt Deutschland in traditionellen Industriebranchen – wie etwa der Kraftfahrzeug- und Druckereitechnik – weit vorne. Aber es bestehen Gefahren: Zum einen ist Deutschland bei weitem nicht mehr „Wertschöpfungsmeister“, weil wir zunehmend Vorleistungen aus Niedriglohnländern importieren. Zum anderen verschleiert unsere Stärke in „mittleren“ Technologien die Innovationsschwäche der deutschen Wirtschaft in zukunftsrelevanten Sektoren. In den Hightech- und Highserve-Branchen sieht die Patentstatistik ganz anders aus: Die USA meldeten im Jahr 2001 ungefähr viermal so viele Patente in der Halbleiterund in der Biotechnik an wie Deutschland, rund dreimal so viele in der Kommunikations- und der Gentechnik und mehr als doppelt so viele in der Medizintechnik (vgl. Abb. 9). Wenn Deutschland seine Innovationsanstrengungen nicht stärker auf solche Sektoren konzentriert, droht es, in diesen wachstumsstarken Bereichen den Anschluss zu verpassen.
Abb. 9: Vergleich der Patentstatistik Deutschlands und der USA im Jahr 2001
In einem weiteren wesentlichen Innovationsparameter verfolgt Deutschland ein anderes „Geschäftsmodell“: Hierzulande wird ein Großteil der Forschung und
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Entwicklung in der privaten Wirtschaft von etablierten Industriekonzernen getragen. Kleine und mittlere Betriebe ziehen sich – so belegt eine Erhebung des Stifterverbands der Deutschen Wirtschaft – zunehmend aus der Forschung und Entwicklung zurück. Anders die Situation in den USA: Dort sind es kleine Startups und Unternehmerpersönlichkeiten, die mit ihren Innovationen der amerikanischen Wirtschaft entscheidende Impulse für neues Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand gegeben haben. Bill Gates von Microsoft, Steve Jobs von Apple oder Craig Venter von Celera Genomics – um nur einige Beispiele zu nennen – haben ihre bahnbrechenden Ideen in der Software-, IT- und Gentechnik in kleinen Startups entwickelt und vermarktet. So ist es den Amerikanern gelungen, technologisches Know-how mit Unternehmertum zu verbinden – eine ideale Kombination für die Entstehung von Innovationen. Diesbezüglich besteht in Deutschland erheblicher Nachholbedarf, denn: „Deutschlands Weg in die Wissensgesellschaft führt über junge und innovative Unternehmen.“ – Diese Feststellung des Deutschen Industrie- und Handelstags ist wohl unstrittig. Aber solche Unternehmen fehlen der deutschen Volkswirtschaft; dies zeigt der internationale Vergleich: Der Anteil der Erwerbsfähigen, die sich seit 1999 selbstständig gemacht haben oder an einer Unternehmensgründung beteiligt waren, liegt in Deutschland bei 5,2%, in den USA dagegen bei 10,5%. Besonders alarmierend ist, dass in Deutschland seit 1999 immer weniger Unternehmen in forschungs- und wissensintensiven Wirtschaftszweigen gegründet wurden. Die Ursachen für diesen bedenklichen Trend sind vielschichtig – angesprochen seien hier nur Mentalität und Finanzierung: Anders als in Deutschland besteht in den USA eine stark ausgeprägte Wagniskultur. Ein gescheiterter Unternehmensgründer ist dort nicht für den Rest seines Berufslebens als Bankrotteur und Versager stigmatisiert und hat eine zweite oder dritte Chance. Diese Haltung fördert die Risikobereitschaft potenzieller Gründer. Und diese Risikobereitschaft macht sich auch bei der Finanzierung von neuen Geschäftsideen bemerkbar, die in Deutschland noch häufig auf Grund der fehlenden Finanzierungsbereitschaft von Banken und Investoren nicht verwirklicht werden können bzw. scheitern. Solange innovativen Unternehmensgründern kein ausreichendes Risikokapital zur Verfügung steht, kommt die Innovationsdynamik nicht voll in Fahrt.
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Innovation bedarf der Investition
Eine Volkswirtschaft, die Innovationen fördern will, muss die dafür nötigen finanziellen Ressourcen einsetzen. Dies gilt sowohl auf der makroökonomischen als auch auf der mikroökonomischen Ebene. Es stimmt deshalb mehr als bedenklich, dass Deutschland zu wenig in Leistungs- und Strukturinvestition investiert und die Stärken in der Prozessinnovation dieses Manko nicht ausgleichen können. Der Standort Deutschland leistet sich den Luxus, Investitionen in die Grundlage von Innovation, nämlich in Wissen, zu vernachlässigen: Lediglich 4,3% des deutschen Bruttoinlandsprodukts fließen in die Bereiche Forschung und Entwicklung,
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Software und tertiäre Bildung (Fachhochschulen, Universitäten etc.). Zum Vergleich: Den USA sind diese Bereiche immerhin einen Anteil von 6,1% ihres Bruttoinlandsprodukts wert (vgl. Abb. 10).
Abb. 10: Anteil der Wissensausgaben am Bruttoinlandsprodukt
Abb. 11: Ausgaben für Forschung und Entwicklung in Deutschland in den Jahren 19811990 und 1991-2000
Die unzureichende Generierung von Wissen gilt als die wichtigste Ursache für die relativ schwache Leistungsinnovation in Deutschland. Dies wiederum zei-
Innovation als Grundlage des Wachstums
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tigt negative Konsequenzen für das Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Wohlstandswachstum. Dies zeigt der in Abbildung 11 dargestellte Vergleich zwischen den 1980er und 1990er Jahren. In den Achtziger Jahren stiegen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung noch durchschnittlich um 7,3% pro Jahr. Im darauf folgenden Jahrzehnt ist die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate jedoch drastisch auf 3,4% zurückgegangen. Anders als der Staat haben die Unternehmen ihre Ausgaben für Forschung und Entwicklung bis zum Jahr 2001 stetig gesteigert; dieser Trend hat sich allerdings nicht fortgesetzt. Beim Wirtschaftswachstum zeigt der Vergleich der beiden Dekaden ebenfalls eine eindeutig negative Tendenz: In den 1980er Jahren lag das jährliche Wirtschaftswachstum in Deutschland im Durchschnitt bei 2,5%, in den 1990er Jahren nur noch bei 1,5%. Während das Beschäftigungswachstum in den 80er Jahren durchschnittlich 0,7% pro Jahr betrug, sank dieser Wert im nächsten Jahrzehnt auf 0,2%. Ähnlich trist entwickelte sich das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf als Indikator für das Wohlstandswachstum: In den 1980-er Jahren nahm es jedes Jahr durchschnittlich 3,1% zu, in den 1990er Jahren nur noch 1,1%. Der Zusammenhang zwischen den Aufwendungen für die Generierung von Wissen – gemessen als Anteil der Ausgaben für diesen Sektor am Bruttoinlandsprodukt – auf der einen Seite sowie zwischen dem Wachstum von Wirtschaft, Beschäftigung und Wohlstand auf der anderen Seite ist also offensichtlich. Die unterlassenen Investitionen in die Generierung von Wissen kommen der deutschen Volkswirtschaft teuer zu stehen. Ein Beispiel dafür: Bis 1994 war Deutschlands Außenhandelsbilanz für Know-how – also für Patente, Lizenzen und F&ELeistungen – nahezu ausgeglichen. Inzwischen schließt sie mit einem Negativsaldo von über 2,8 Mrd. €. Wir bezahlen für die Innovationsschwäche also direkt mit Geld, das wir für den Import von Wissen ausgeben. Aber noch gravierender sind die indirekten Kosten der unzureichenden Leistungs- und Strukturinnovationen: Der Preis für die Innovationsschwäche ist ein geringeres Wirtschaftswachstum, höhere Arbeitslosigkeit und weniger Wohlstandswachstum.
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Ansatzpunkte für Innovationsführerschaft Deutschlands
Ein Blick auf den gesamten Staatshaushalt 2002 in Deutschland – Bund, Länder und Gemeinden sowie Sozialversicherung – zeigt, dass mehr als die Hälfte aller öffentlichen Ausgaben in den Bereich Soziales fließt. So bleibt kaum Spielraum für Zukunftsinvestitionen in Forschung und Entwicklung. Diese Allokation der Ressourcen ist äußerst fragwürdig. 1970 wurden in Deutschland etwa 25,5% des Bruttoinlandsprodukts für Soziales ausgegeben, und es zeigt sich, dass mit dem Anstieg der Sozialausgaben ein Rückgang der Investitionsausgaben einherging (vgl. Abb. 12). Die gegenwärtige Allokation der Ressourcen bedeutet, dass sie vor allem zur Wahrung des Status quo eingesetzt werden. Interessant ist auch hier ein Vergleich
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mit den USA: Dort liegt die Staatsquote bei rund 30%, während sie hier fast 50% erreicht. Die deutsche Sozialquote beträgt etwa ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts, die der Vereinigten Staaten lediglich ein Fünftel. Die Subventionsquote, die in Deutschland dem Erhalt des Status quo dient, beläuft sich auf knapp 2% des Bruttoinlandsprodukts gegenüber 0,4% in den USA. Während der Forschungsetat stagniert, werden allein die Subventionen für Steinkohle den deutschen Steuerzahlern bis 2016 fast 16 Mrd. € kosten.
Abb. 12: Entwicklung von Sozialleistungen und Investitionen in Deutschland von 1970 bis 2002
Die Investitionen in die Zukunft lassen dagegen zu wünschen übrig: Deutschland investiert insgesamt 5,3% des Bruttoinlandsprodukts in Bildung, die USA hingegen 7,0%. Bei uns fließen lediglich 2,5% des Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung gegenüber 2,8% in den Vereinigten Staaten. In absoluten Beträgen ausgedrückt, wird der Unterschied noch weit deutlicher: 2,8% Ausgaben für Forschung und Entwicklung ergeben für die amerikanische Volkswirtschaft mit einem Bruttoinlandsprodukt von knapp 10 Billionen € ein F&E-Budget von 270 Mrd. €; allein die F&E-Aufträge des Verteidigungsministeriums ergeben einen höheren Innovationsbetrag als das gesamte deutsche Innovationsvolumen. Bei uns fließen lediglich etwa 50 Mrd. € in Forschung und Entwicklung, das entspricht 2,5% unseres Inlandsprodukts. Angesichts dieser Zustandsbeschreibung ist offensichtlich, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Sicherlich gibt es keine Patentrezepte zur Lösung der deutschen Innovationsschwäche. Dennoch lassen sich wesentliche Punkte benennen, an denen bei der Schaffung innovationsfreundlicher Rahmenbedingungen zuerst angesetzt werden muss.
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Politik und Wirtschaft müssen den Mut haben, andere Schwerpunkte zu setzen. Dies bedeutet eine andere Verwendung der Ressourcen und zwar sowohl beim Produktionsfaktor Arbeit als auch beim Produktionsfaktor Kapital. Dringend geboten ist auch eine Verringerung des Staatsanteils: Die Staatsquote von derzeit knapp 50% sollte auf unter 40% zurückgeführt werden. Die Sozialquote sollte einen Anteil von 25% am Bruttoinlandsprodukt nicht überschreiten. Hier könnte sich Deutschland am europäischen Durchschnitt von 26% orientieren. Die amerikanische Sozialquote von nur 20% taugt als Orientierungsmarke nur bedingt, da das europäische Modell der Sozialen Marktwirtschaft grundsätzlich beibehalten werden sollte. Eine Rückführung der Subventionsquote auf unter 1% des Bruttoinlandsprodukts würde viele Milliarden Euro sparen. Diese Mittel würden auch dringend benötigt, um den Bildungsetat zu erhöhen: Er sollte auf mindestens 7,0% des Bruttoinlandsprodukts angehoben werden. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sind auf über 3,3% zu steigern und die Investitionsquote bei Ausrüstungsinvestitionen sollte mindestens 10% des Bruttoinlandsprodukts betragen (vgl. Abb. 13).
Abb. 13: Notwendige Reallokation von Ressourcen in Deutschland
Allerdings ist die finanzielle Förderung von Innovationen nur eine notwendige Bedingung, aber keine hinreichende. Ein innovationsfreundliches Klima in Deutschland kann sich nur dann entwickeln, wenn sich die alten wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Denk- und Aktionsmuster den Erfordernissen einer globalisierten Weltwirtschaft anpassen. Es muss gelingen, die skizzierten Maßnahmen schnell und umfassend umzusetzen. Es muss eine Innovationskultur entstehen, in der gute Ideen eine echte Chance erhalten und Risikobereitschaft Anerkennung und Belohnung erfährt. Nur so besteht in Deutschland eine Chance für mehr Wachstum von Wirtschaft, Beschäftigung und Wohlstand.
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Literatur
Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.), (2003): Zur technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands, Bonn/ Berlin 2003. Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.), (2004): Bundesbericht Forschung, Bonn/ Berlin 2004. McClelland, D.: Die Leistungsgesellschaft, Psychologische Analyse der Voraussetzungen wirtschaftlicher Entwicklung, Stuttgart u.a. 1966. Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD), (2003): Science, Technology and Industry Outlook, Paris 2003. Samuelson, P. A. (1998): Volkswirtschaftlehre, 15. Aufl., Wien 1998. Schumpeter, J. A. (1993): Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, Eine Untersuchung über Unternehmergewinn, Kapital, Kredit, Zins und den Konjunkturzyklus, 8. Aufl., München 1993. Weber, M.: Die protestantische Ethik, Hrsg. von Johannes Winckelmann, 2 Bde., Gütersloh 1982-1984.
Risikomanagement als Werttreiber: Volks- und betriebswirtschaftliche Perspektive Ulrich Blum, Werner Gleißner Inhalt 1 2 2.1 2.2 2.3 3 3.1 3.2 3.3 4 4.1 4.2 5 5.1 5.2 5.3 6 7
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Wenn Ungewissheit zu Risiko wird...................................................................... 157 Der veränderte institutionelle Rahmen.................................................................. 158 Die neue Perzeption: Risikogesellschaft............................................................... 158 Der formale Auslöser: Transaktionskostentheoretische Ansatz............................ 159 Inertia und Systembrüche ..................................................................................... 159 Risiko und Wohlstand........................................................................................... 160 Der Risikobegriff .................................................................................................. 160 Begründung von Wohlstand ................................................................................. 161 Risiko und das Unternehmen ................................................................................ 163 Der Unternehmenswert ......................................................................................... 165 Unternehmenswert (1): Vollkommene Märkte ..................................................... 165 Unternehmenswert (2): Unvollkommene Märkte ................................................. 168 Risikomanagement der Unternehmen................................................................... 170 Kernfragen eines strategischen Risikomanagements ............................................ 170 Risikoaggregation und die Berechnung von Eigenkapitalbedarf .......................... 171 Die Fundierung des Rating auf Basis von Risikoaggregationsergebnissen........... 173 Zusammenfassung und Ausblick .......................................................................... 176 Literatur ................................................................................................................ 177
Wenn Ungewissheit zu Risiko wird
Als am 11. September 2001 zwei Flugzeuge in kurzen zeitlichen Abständen in die Twin Towers des World Trade Centers in New York einschlugen und diese schließlich zum Einsturz brachten, liefen aus ökonomischer Sicht eine Vielzahl bemerkenswerter Vorgänge ab: x Bis zu diesem Zeitpunkt galt es als unvorstellbar, Wolkenkratzer könnten mit diesen Mitteln zum Einsturz gebracht werden. Eine derartige Singularität, von Knight (1921) als Ungewissheit, also eine Unterkategorie der Unsicherheit bezeichnet, wurde daher auch nicht entsprechend statistisch abgebildet. Nach dem Einschlag galten derartige Attacken als möglich und sogar „preiswert“ durchzuführen – man konnte ihnen mithin Wahrscheinlichkeiten zuordnen, sie wurden zu Risiko – der zweiten Dimension von Unsicherheit nach Knight. x Die Wahrnehmung eines dramatisch erhöhten Risikos schickte alle Börsen auf Talfahrt und läutete eine Rezession ein, die in ersten Ansätzen bereits im Sommer 2001 bevorstand. Denn ein erhöhtes Risiko lässt den Risikozins anwachsen und damit die Ertragswerte – bei gegebenen Cash Flows – sinken.
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Ulrich Blum, Werner Gleißner
x Damit ging eine Epoche zu Ende, die mit dem Fall des eisernen Vorhangs die globale Kriegsgefahr gesenkt und somit zu einer stetigen Verringerung fundamentaler Risken und parallel hierzu einem Anstieg der Vermögenswerte geführt hatte. x Betrachtet man heute, einige Jahre später, die Lage, dann fällt auf, dass die Erholung auf den Märkten offensichtlich eine sektorale Dimension besitzt im Sinne der Branchenempfindlichkeit gegenüber Volatilitäten, aber durchaus bei Unternehmen der gleichen Branche erhebliche Abweichungen zu finden sind (z.B. Siemens vs. GE). Offensichtlich existieren erhebliche Unterschiede im Umgang mit Risiko. Damit wird die Fragestellung dieses Beitrags deutlich: Worin unterscheiden sich erfolgreiche von weniger erfolgreichen „Bewältigern des Risikos“, und welche Techniken sind verfügbar, die den Umgang mit Risiko erleichtern. Im folgenden zweiten Kapitel wird daher zunächst der Frage nachgegangen, was sich institutionell geändert hat, weshalb (ökonomische) Risiken möglicherweise stärker als zu früheren Zeiten auf das Individuum bzw. das Unternehmen (insbesondere das KMU) durchschlagen. Die Antwort findet sich vor allem in Prozessen, die mit den Begriffen „Globalisierung“ und „Netzwerkökonomie“ verbunden sind. Sodann werden im dritten Kapitel ökonomische Aspekte des Risikos vertieft. Dabei wird auch der Frage nachgegangen, wodurch eigentlich Wohlstand entsteht, um schließlich zu prüfen, welche Wirkungsbeziehungen in Richtung auf den Unternehmenswert bestehen. Darauf aufbauend wird dann im vierten Kapitel eine Systematik des Risikomanagements vorgestellt und daran aufgezeigt, wie dieser „Wertreiber“ zur Unternehmensentwicklung beitragen kann. Hierbei wird zwischen vollkommenen und unvollkommenen Märkten unterschieden. Das fünfte Kapitel befasst sich sodann mit der Organisation des Risikomanagements im Unternehmen. Ein Ausblick zeigt auf, wie volkswirtschaftliche Institutionen weiterentwickelt werden können, um die Risikoallokation zu optimieren.
2
Der veränderte institutionelle Rahmen
2.1
Die neue Perzeption: Risikogesellschaft
In seinem bekannten Buch „Risikogesellschaft“ beschreibt Ulrich Beck (1986) das Problem der gesellschaftlichen Perzeption von Unsicherheit einerseits vor dem Hintergrund der Individualisierung und andererseits der neuen (Anonymität von) technologischen Großrisiken. Die Resonanz dieses Buch zeigte, dass hier ein Nerv der Zeit getroffen wurde, die sich als Ergebnis grundlegender Megatrends, nämlich der Entmystifizierung, der Individualisierung und der Globalisierung, identifizieren lassen. Entmystifizierung ist mit der Aufklärung, insbesondere der Philosophie Descartes (1641) verbunden. Globalisierung und Individualisierung sind wesentliche Ursachen für eine Offenheit heutiger Lebensplanungen. Damit steigt
Risikomanagement als Werttreiber: Volks- und betriebswirtschaftliche Perspektive
159
aber auch die Unsicherheit, mit vor allem verteilungspolitischen Folgen. Denn der Nationalstaat verliert seine Fähigkeit zum Abfedern der Risiken. 2.2
Der formale Auslöser: Transaktionskostentheoretische Ansatz
Kern der Transaktionskostentheorie ist die Erkenntnis, dass institutionelle Arrangements bedeutsam sind, sobald Transaktionskosten, also Kosten der Informationsbeschaffung, der Anbahnung, des Aushandelns und der Durchsetzung von Verträgen im Markt oder der Koordination in einer Hierarchie existieren (Coase 1937; Williamson 1975); Blum und Dudley (1999) machen deutlich, dass klare Beziehungen zwischen der Struktur der (Informations-)Transaktionskosten und den institutionellen Arrangements bestehen. Dabei spielen die externen Ökonomien der Ballung der Produktion in einer Organisation und das Erfordernis der Überwachung der Untergebenen durch die Vorgesetzten eine wichtige Rolle. Große Unternehmen benötigen schnelle Kommunikationskanäle, Überwachung wird einfacher, wenn ein eindeutiges Verifikationssystem existiert, was bedeutet, dass hinreichende Speichersysteme vorhanden sein müssen. In zunehmend komplexen Situationen ist Kontrolle kaum mehr zu leisten und Vorteile der Ballung werden geringer. Dann muss die Fähigkeit zu dezentralem Handeln gegeben sein, was es wiederum erforderlich macht, autonom Wissen aus Information zu generieren. Allgemein gilt dann: x Sinken die Informationstransportkosten relativ zu den Kosten der Informationsspeicherung und der Wissensgenerierung, dann ergibt sich eine Tendenz zu vertikalen (hierarchischen) Arrangements. Diese Entwicklung erklärt, weshalb Eisenbahn, Dampfschiff oder Telegraph so bedeutend für die staatliche und unternehmerische Expansion ab dem 18. Jahrhundert waren. x Sinken die Informationsspeicherkosten relativ zu den Kosten des Informationstransports und der Wissensgenerierung, dann ergibt sich eine Tendenz zu horizontalen (hierarchischen) Arrangements. Damit wird deutlich, weshalb sich auf staatlicher Ebene im 20. Jahrhundert föderative Systeme, auf unternehmerischer Ebene „lean management“ verbreiteten. x Sinken die Wissensgenerierungskosten relativ zu den Kosten des Informationstransports und der Informationsspeicherung, dann ergibt sich eine Tendenz zu atomistischen (marktlichen) Arrangements. Dies begünstigt heute den Markteintritt kleiner Gründer, die Großunternehmen herausfordern können. 2.3
Inertia und Systembrüche
Übergänge von einer zur anderen Organisationsstruktur vollziehen sich häufig in Brüchen und Sprüngen. Dies ist der Inertia im System geschuldet, die über zwei Prozesse erklärt wird: 1. Irreversibilitäten: Diese sind versunkenen Kosten, also Kosten, die kurzfristig nicht mehr aus dem Markt zurückgewonnen werden können, und damit (öko-
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Ulrich Blum, Werner Gleißner
nomische) Irreversibilitäten erzeugen. Die Unmöglichkeit, die Investition in ein Werk der Mikroelektronik rückgängig zu machen, impliziert, dass derartige Investitionen mit Vorsicht durchgeführt werden. Sind sie realisiert, stellen sie ein starkes Signal an alle Kunden dar, dass über längere Zeit produziert wird, und an alle möglichen Konkurrenten, dass diese nun vorsichtig sein sollten, ebenfalls in den Markt einzutreten, den man selbst nicht mehr kostenfrei verlassen kann. Neben vielen Anlagen bauen auch Markennamen oder die Reputation eines Rechtssystems auf dem Versenken von Kosten auf – man baut diese nur auf, wenn man glaubt, hinlänglich lange davon profitieren zu können. Für den zuerst Handelnden sinkt damit das Risiko nach der Entscheidung, einen Markt zu besetzen, weil er Selbstbindung über Irreversibilität erzeugt. 2. Netzwerkstrukturen: Es lässt sich zeigen, dass die Vorteilhaftigkeit verschiedener Netzwerke zunächst sehr tolerant gegenüber sich verändernden Rahmenbedingungen ist. In radialen bzw. zentralistischen Netzwerken versorgt ein Zentrum die Glieder; die zentrale Produktion wird vor allem von Skalenökonomien und Agglomerationsvorteilen und von niedrigen Transportkosten begünstigt. Dezentrale Netzwerke mit mehreren Zentren profitieren vor allen Dingen von der räumlichen Arbeitsteilung und benötigen daher niedrige Kosten der Organisation des Verteilungsprozesses. Hier spielt die Ergänzung der Standorte im Sinne komparativer Vorteile eine wichtige Rolle. Integrierte, polyzentrale Netze beruhen vor allem auf niedrigen Produktionskosten und auf positiven Netzwerkeffekten im Gesamtsystem, die effizienzsteigernd wirken. Verändern sich nun diese Kostenstrukturen, also der Mix aus Produktions-, Verteilungs- und Organisationskosten, dann kann die Ökonomie lange Zeit stabil bleiben, kennt doch die Netzwerkstruktur nur oben genannte drei diskrete Zustände – bis das System kippt und ein neues Netzarrangement erzwingt (Watts/ Strogatz 1998; Blum/ Dudley 2002).
3
Risiko und Wohlstand
3.1
Der Risikobegriff
Anfang des 18. Jahrhunderts wurde von Bernoulli (1738) das Risiko in Form der Schwankung von Auszahlungen in das ökonomische Entscheidungskalkül integriert. Von Neumann und Morgenstern (1947) lieferten eine axiomatische Fundierung, aber erst heute kann mit dem Kontroll- und Transparenzgesetz sowie dem novellierten Aktiengesetz von einer institutionellen Integration von Risiko auf der Unternehmensebene gesprochen werden. Als Risiko wird hier eine unerwartete (Ertrags-)Schwankung aufgrund (negativer) Impulse (beispielsweise ein Umsatzverlust oder Maschinenschaden verstanden), was bei Unternehmen z.B. mittels Value at Risk (VaR) gemessen wird (siehe Gleißner 2001). Die Risikoposition von Staaten hingegen wurde bereits mit dem Schaffen eines weltweiten Finanz-
Risikomanagement als Werttreiber: Volks- und betriebswirtschaftliche Perspektive
161
systems nach dem Zweiten Weltkrieg Gegenstand ökonomischer Betrachtung und später institutionellen Länderratings. 3.2
Begründung von Wohlstand
Ziel allen wirtschaftlichen Handelns ist es, Knappheit zu mindern. Dabei werden Werte erstellt, und hierfür sind grundsätzlich zwei Gründe maßgeblich: die Arbeitsteilung und externe Ökonomien, speziell durch technischen Fortschritt, aber zunehmend auch die optimale Risikoallokation. Adam Smith (1776) gibt den ersten Hinweis auf die Gründe für das Entstehen, die in der Arbeitsteilung zu finden sind – ob sie nun personell, räumlich, funktionell oder sektoral ist. Tausch wird damit als das zentrale Element identifiziert. Dieser wird motiviert durch 1. unterschiedliche Ausgangsausstattungen (im Sinne der Außenhandelstheorie: unterschiedliche Faktorverfügbarkeiten, vgl. Ricardo 1817), 2. unterschiedliche Produktivitäten, 3. unterschiedliche Präferenzen auf der Seite der Nachfrager, 4. die Differenzierung von Produkten auf der Seite der Anbieter. Während die beiden erstgenannten Gründe für Tausch (sog. interindustrielle Handel: Wein gegen Tuche, Maschinen gegen Getreide) und damit Wohlstand meist vergleichbar stabil sind, weil die komparativen Vorteile kurz- bis mittelfristig kaum zu ändern sind, müssen Tauschbeziehungen aufgrund von Unterschieden der Präferenzen und Produktdifferenzierung als erheblich volatiler angesehen werden, weil hier der Wandel sehr schnell passieren kann – sie sind damit risikobehaftet. Insbesondere der in den letzten Jahren dominant gewachsene intraindustrielle Handel (Polos gegen Unos) kann bei kleinen Geschmacks- oder Produktänderungen Güter in kurzer Zeit vom Markt eliminieren, weil ein schneller Substitutionsersatz vorhanden ist. Ein weiterer theoretischer Ansatz zur Begründung von Werten entstammt der Konzeption sogenannter „externer Ökonomien“. Diese besagen, dass die besondere Form eines institutionellen Arrangements dazu führen kann, dass der Wert der Gesamtheit wirtschaftlicher Aktivitäten über der Summe des Werts aller Einzelaktivitäten liegt. Besonderes Augenmerk verdienen dabei
1. Skalenökonomien (economies of scale), die vor allem als Massenproduktionsvorteile identifiziert werden,
2. Verbundvorteile (economies of scope), Technologischer Fortschritt, der allen zu gute kommt,
3. Netzwerkexternalitäten, die hauptsächlich im Umfeld von Kommunikationssystemen entstehen. Während neue Technologien die Skalenökonomien, insbesondere in Gestalt von Massenproduktionsvorteilen, abschmelzen lassen, beispielsweise in der Automobilproduktion, in der die erforderliche Fahrzeugzahl pro Band stetig sinkt, werden Verbundvorteile und Netzwerkökonomien zunehmend bedeutend. Von einem Netzwerkeffekt spricht man dann, wenn der Wert für einen Nutzer mit der Ge-
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samtzahl der Nutzer wächst. Sie hängen aber stark von einem komplexen Mix aus verfügbaren Technologien ab – beispielsweise als Verbundvorteile durch Softwarekomponenten, die einer integrierten Nutzung zugänglich sind (Tabellen- und Textverarbeitung mit Präsentationssystemen als Software mit erforderlichen Hardwarekomponenten), oder als Netzökonomie im Telekommunikationsbereich, in dem der Vorteil eines Telefons mit der Anzahl der Anschlüsse im Netz überproportional (nämlich quadratisch) steigt. Ihr Vorhandensein ist ein erstrangiger Bestimmungsgrund für Risiko, weil fehlende Komplementarität oder die Unmöglichkeit, eine kritische Schwelle der Marktdurchdringung zu durchbrechen, zum zentralen Misserfolgsfaktor werden kann. In manchen Branchen gewinnen Netzwerkeffekte strategische Bedeutung und bestimmen maßgeblich die Risikoposition der Unternehmen (vgl. Gleißner 2004, S. 164-166). Wenn mehrere Produkte mit Netzwerkeffekten konkurrieren, hat dies wesentliche Implikationen für die Strategie und Risikosituation. x Es gilt, in einer Branche mit Netzwerkeffekten möglichst als Pionier in den Markt einzutreten, um eine große Anzahl von Nutzern auf sich zu konzentrieren. Beispiele finden sich historisch in der strategischen Industriepolitik, die oft Unternehmen des eigenen Staates einen uneinholbaren Startvorsprung zu verschaffen versucht. x Um möglichst schnell viele Nutzer für das eigene Produkt zu gewinnen, sollten die Eintritts- bzw. Kaufhürden möglichst niedrig, die Wechselkosten aber relativ hoch sein. Zudem sollten Markteintrittshemmnisse für neue Anbieter ausgebaut werden. Die Marktmacht von Microsoft gründet sich hierauf. x Netzwerkeffekte führen dazu, dass das Produkt, das bereits die meisten Nutzer/ Käufer hat, seinen Vorsprung immer weiter ausbauen wird. Maßgeblich hierfür ist neben objektiven Nutzenvorteilen häufig auch die Weiterempfehlung und die Risikoaversion der Menschen: Menschen verhalten sich so, wie sie dies von anderen sehen oder erwarten. Gerade risikoscheue Menschen neigen zu diesem Verhalten, weil sie davon ausgehen, dass das Produkt, das die anderen kaufen, sich besonders bewährt hat. x Da Unternehmen, welche die kritische Masse nicht erreichen – und in manchen Märkten wird nur ein Unternehmen diese kritische Masse erreichen, einen Werteverzehr erleiden, gilt es Strategien zu entwickeln, die hier zu einem Erfolg führen. Relativ einfach und risikoarm ist in einer derartigen Situation die Herausforderung für den etablierten Marktführer; alle anderen sind erheblichen Risiken ausgesetzt. Auch hier finden sich die Wettbewerbsvorteile von Microsoft. So wie die Allokation anderer Produktionsfaktoren wird auch die Allokation von Risiko zu einem wohlstandsbestimmenden Faktor. Ein zu niedriges Risiko (Chance und/ oder Gefahr) führt zu schwach ausgeprägten Anreizen für ökonomische Aktivitäten zur Reduzierung der Güterknappheit. Auch gemessen an der individuellen Risikotragfähigkeit zu hohe (wahrgenommene) Risiken können volkswirtschaftlich erheblich negative Auswirkungen haben. Menschen, die durch eine mögliche wirtschaftliche Aktivität (z.B. eine Investition) ihr gesamtes Vermögen und ihren Lebensstandard in Gefahr sehen, werden solche Aktivitäten
Risikomanagement als Werttreiber: Volks- und betriebswirtschaftliche Perspektive
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vermutlich unterlassen. Der Umfang wirtschaftlicher Aktivitäten ist deshalb maßgeblich geprägt durch die Allokation von Risiken auf die einzelnen Wirtschaftsubjekte. Das Volkseinkommen ist damit abhängig von den Möglichkeiten, die institutionellen Arrangements in einer Volkswirtschaft einer bestimmten, optimalen Verteilung der Risiken anzupassen. Wirtschaftsobjekte mit hoher Risikotragfähigkeit können zusätzliche Risiken übernehmen, wenn die dafür erwarteten Renditen angemessen erscheinen. Auch die Höhe der vom Staat selbst direkt zu beeinflussenden Risiken ist für den Wohlstand von Bedeutung; man denke an Walter Euckens Forderung nach einer (risikomindernden) vorhersehbaren Wirtschaftspolitik und die umfangreiche Diskussion über eine regelgebunden Geldpolitik (Eucken 1952; vgl. Übersicht bei Gleißner 1999, S. 27-41). Volkswirtschaftlich noch relativ gut untersucht ist hier die Bedeutung von Risiken über den Transmissionsriemen des Zinses bzw. des Geldmarktes auf den Wohlstand. Unter der Annahme der Risikoaversion der Wirtschaftssubjekte ergibt sich durch die Berücksichtigung von Risken eine wesentliche Modifikation der Ergebnisse der neuklassischen Theorie bezüglich der realwirtschaftlichen Irrelevanz der Geldpolitik (vgl. Gleißner 1999). Auf einen monetären Ansatzpunkt für die Wachstumspolitik über die Risiken weist in diesem Zusammenhang Pohl (1988, S. 572) hin: „Wachstumspolitisch wäre ein generell sinkendes Realzinsniveau wünschenswert. Hierzu kann die Geld- und Währungspolitik beitragen: Indem sie eine Stabilisierung der Ertragsraten von Vermögensanlagen anstrebt, würde sie die Risiken der Vermögenshaltung mindern. Die Liquiditätspräferenz der Vermögensbesitzer würde sinken mit der Folge, daß auch der Realzins tendenziell niedriger wird.“ Durch die Beeinflussung der privatwirtschaftlichen Risiken ergeben sich demnach reale Wirkungen der Geldpolitik. In ähnlicher Weise zeigt Kissmer (1992), dass bei risikoscheuen Wirtschaftssubjekten, die folglich außer dem Niveau auch die Varianz entscheidungsrelevanter Variablen berücksichtigen, sich eine Endogenisierung des natürlichen Beschäftigungsniveaus ergibt: „Monetäre Maßnahmen zur Steuerung der Outputvarianz können dann aber auch das erwartete Produktionsniveau beeinflussen, wenn sie gleichzeitig zu Änderungen der Preisniveauvarianz führen.“ (Kissmer 1992, S. 141) 3.3
Risiko und das Unternehmen
Wie verändert sich die Position der Unternehmen in einer Welt von Risiken? Welche Zielgröße ist eigentlich für eine derartige Bewertung maßgeblich? Zwei Aspekte sollen hier vertieft werden, nämlich die Frage, wie Werte – auch Unternehmenswerte – geschaffen werden und welche Definition des Unternehmenswerts zur zentralen Zielgröße taugt. Der Wert eines Unternehmens kann sowohl durch eine Ertragssteigerung als auch durch eine Risikominderung, jeweils ceteris paribus, erhöht werden. Auch auf Seiten des Unternehmens lassen sich die Risiken entlang zweier Ebenen einteilen:
164
Ulrich Blum, Werner Gleißner
x Interne Risiken, also solche, die innerhalb der Unternehmung angesiedelt sind: In Bezug auf die Fundamentalgleichung des Risikos fallen hier das Leistungs-, das Kostenstruktur- und das Finanzstrukturrisiko (siehe Gleißner 2001). Insbesondere die modernen Informationssysteme spielen gleichermaßen als Risikoauslöser und auch als Hilfsmittel der systematischen Risikobewältigung eine wichtige Rolle. Die kritische Überprüfung der eigenen Wertschöpfungskette mit sämtlichen zugehörigen organisatorischen Regeln gewinnt hohes Gewicht. So soll man sich doch auf solche Abschnitte konzentrieren, die eine Überlegenheit im Vergleich zu den Wettbewerbern bieten. Im Sinne der ressourcenorientierten Ansätze sind hier vor allem die internen Grundlagen der Kernkompetenzen eines Unternehmens (Hamel und Prahalad 1995) als die seltenen und nachhaltig verfügbaren Fähigkeiten zu benennen, mit denen es dem Unternehmen gelingt, Wettbewerbsvorteile und interne Stärken (Kostenvorteile) aufzubauen. Unter Risikogesichtspunkten kann man dann von einer stabilen Kompetenzstruktur der Wertschöpfungskette ausgehen, wenn sie in möglichst mehr als einem Bereich erfolgsrelevante Kompetenzen aufweist, also beispielsweise sowohl im Bereich „Marketing und Vertrieb“ wie auch im Bereich „Forschung und Entwicklung“. Bei solchen „mehrgipfligen“ Kompetenzprofilen kann man davon ausgehen, dass gleichzeitige Bedrohungen mehrerer unterschiedlicher Kompetenzbereiche eher unwahrscheinlich sind (Gleißner 2004, S. 171). x Externe Risiken des Unternehmens, also Risiken, die im Umfeld anzusiedeln sind und die nur teilweise diversifiziert werden können: Insbesondere fallen hierunter Risiken der Fehlanpassung von interner Unternehmensstruktur und externem Umfeld, die vor allem dem Problem der Inertia geschuldet ist. Die Globalisierung mit ihrer Erhöhung der Wettbewerbsintensität – sowohl als tatsächlicher, als auch als potenzieller Wettbewerb – erfordert eine erhöhte Sorge um die Zukunftsorientierung der Unternehmen, die bisher als ungenügend einzuschätzen ist (Blum/ Gleißner 2001) und flexible Anpassung verlangt. Die externen Erfolgsfaktoren lassen sich dann, wenn normale Wettbewerbsvorteile schnell erodieren, nur über den steten Strom aus den Kernkompetenzen stabilisieren. Diese Einteilung ist in dem Sinne nicht statisch, als sich die Organisation des Unternehmens ändern kann. Zugleich können auf der externen Ebene zusätzliche Institutionen der Risikoabsorption angesiedelt sein, beispielsweise in Form des Staats, überstaatlicher Organisationen, Versicherungen usw., die die interne Ebene verändern. Mit zunehmender Verflachung der Hierarchie und Vermarktung der unternehmensinternen Prozesse können Risiken intern quasi marktlich werden – dann beginnen sich die Grenzen des Unternehmens aufzulösen (vgl. Abschnitt 6). Durch die effektivere Organisation der Unternehmen schlagen die Risiken heute oft stärker durch. Hatten die Unternehmen früher noch hinreichenden Slack, der in Krisenzeiten dann durchaus ausgenutzt werden konnte, so werden heute sogenannte Flexibilitätspotenziale bewusst in knappem Maße vorgehalten, was Risiken erhöhen kann – aber nicht zwingend erhöhen muss (Leibbrand 2003). Damit wird die Anpassungszeit, also Flexibilität an der richtigen Stelle, zu einem wichtigen strategischen Merkmal. Teilweise ist jedoch auch Bindung, d.h. eine redu-
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zierte Flexibilität gewünscht, weil auch Verlässlichkeit ein wichtiges Marktdatum ist. Diese Bindung führt freilich zu fragileren Systemen und erhöht oft die Risiken. Risiken eröffnen auch Chancen durch einen geschickteren Umgang als seitens konkurrierender Unternehmen (Blum und Leibbrand 2001). Vor allem der Unternehmer in der Tradition Schumpeters (1912) ist dadurch gekennzeichnet, dass er mit neuen Kombinationen den Markt reorganisiert, also Risiken aufnimmt und bewältigt.
4
Der Unternehmenswert
Die Fähigkeit der Unternehmen, mit den hier angesprochenen Risiken umzugehen, bestimmt maßgeblich ihren wirtschaftlichen Erfolg. Insbesondere benötigen die Unternehmen die Fähigkeit, erwartete Erträge und die mit ihnen verbundenen Risiken gegeneinander abzuwägen (z.B. bei Investitionen). Dies erfordert zunächst einen klaren Erfolgsmaßstab, der diese beiden Werttreiber – Rendite und Risiko – im Entscheidungskalkül miteinander verbindet. Der wichtigste Erfolgs- und Bewertungsmaßstab ist dabei der Unternehmenswert. 4.1
Unternehmenswert (1): Vollkommene Märkte
Betrachten wir zunächst den Unternehmenswert, also den Erfolgsmaßstab der Unternehmen, etwas näher, um die Bedeutung der Risiken als Werttreiber (Determinanten des Unternehmenswerts) aufzuzeigen: Für die Bewertung eines Unternehmens ist die (unsichere) zukünftig erwartete Ertragslage maßgeblich. Grundsätzlich wird also für die Berechnung des Unternehmenswerts (UW) eine Prognose aller zukünftigen freien Cash Flows und eine Quantifizierung der Risiken benötigt, um damit den Kapitalkostensatz (also die risikoabhängigen Mindestrenditeanforderungen) bestimmen zu können. Mit diesem Kapitalkostensatz (WACC) werden die erwarteten zukünftigen freien Cash Flows (fCF) risikoadäquat abgezinst, um deren Gegenwartswert (Kapitalwert) zu berechnen1. Der freie Cash Flow (fCF) ist dabei definiert als EBIT (Betriebsergebnis, also Gewinn vor Steuern und Zinsen) nach unternehmensbezogenen Steuern zuzüglich nichtzahlungswirksamer Aufwendungen (insbesondere Abschreibungen und Veränderungen bei langfristigen Rückstellungen) minus sämtliche Investitionen in (betriebsnotwendige) Sachanlagen und Working Capital. Die Definition des Unternehmenswerts (Equity Value) auf Basis der freien Cash Flows (Zahlungsströme) lautet damit wie folgt:
1
Vgl. z.B. Rappaport 1999; sowie Copeland/ Koller/ Murrin 1990; sowie Gleißner 2001.
166
Ulrich Blum, Werner Gleißner f
Unternehme nswert ( UW )
fCFt
¦ (1 WACC)
t
FK M
t 0
Das Unternehmen finanziert sein betriebsnotwendiges Vermögen mit Eigenund Fremdkapital. Die Kapitalkosten ergeben sich daher als Mittelwert der Fremdkapitalkosten kFK und der Eigenkapitalkosten kEK, wobei die steuerlichen Vorteile des Fremdkapitals (s) berücksichtigt werden müssen. Üblicherweise wird in der Literatur empfohlen, bei der Berechnung des Kapitalkostensatzes (WACC) die Gewichtung von Eigen- und Fremdkapital zu Marktpreisen vorzunehmen. WACC
kEK u
Fremdkapital Eigenkapital kFK u u (1 s) Gesamtkapital Gesamtkapital
Free Cash Flows
Schwankungsobergrenze der Cash Flows
Unternehmenswert als diskontierter Cash Flow
erwartete Cash Flows Schwankungsuntergrenze der Cash Flows Perioden
Hauptproblem: Diskontierungszins (WACC) – das Risikomaß – herleiten!
T
fCF
fCF
T+1 t UW UW ==t¦0 (1 WACC )t ( WACC g )(1 WACC) T - FK
Abb. 1: Unternehmenswert als diskontierter Cash Flow (Quelle: Future Value Group AG)
Die Eigenkapitalkosten werden dabei meist mittels des Capital-Asset-PricingModells (CAPM) berechnet:
k EK
ro ( rm ro ) ß ,
wobei r0 der risikolose Zinssatz, rm die erweiterte Marktrendite für risikobehaftetes Eigenkapital und ß das Maß für das relative systematische (also unternehmensübergreifende) Risiko eines Unternehmens darstellt.
Risikomanagement als Werttreiber: Volks- und betriebswirtschaftliche Perspektive
167
Rendite µ
EF2 EF1 µ1 µ2
µ*
Marktwert pro Werteinheit MW
MW2
MW1
į2
į1
Risiko (į)
Abb. 2: Erhöhung der Marktwerte durch sinkende Risiken
Wie wirkt sich nun eine Verringerung des Risikos in vollkommenen Märkten auf die Unternehmenswerte aus? Da bei konstanten Präferenzen und gegebenem Nutzenniveau ein sinkendes Risiko mit einer zurückgehenden Renditeforderung verknüpft ist, steigt bei gegebener Höhe der Dividendenzahlungen2 (oder SollCash Flows) der Unternehmen deren Unternehmenswert. Dies macht Abbildung 2 deutlich, die im rechten Quadranten ein Risiko-Rendite-Portfolio enthält. In dem Diagramm werden die Renditen, µ den Risiken, ı, gegenübergestellt. Einzelne Anlagen sind durch ihre Risiko-Rendite-Struktur beschrieben (gemessen durch den Mittelwert und die Standardabweichung des Ertrags). Kombiniert man diese einzelnen Anlagen in geeigneter Weise, so entsteht eine effiziente Front (EF), die alle anderen Anlagemöglichkeiten dominiert. So wird bei einem gegebenen Risiko ı die Anlage den maximalen Ertrag µ wählen. Eine Verringerung des Risikos (das schließt unternehmensspezifische und übergreifende Faktoren ein) impliziert eine Verlagerung der Front nach links (von EF1 nach EF2). Sei mit µ* (= r0) der risikolose Zins als Ursprung der Kapitalmarktlinie gegeben, so stellt das Tupel (ı 1, µ1) den Marktpunkt dar, der sich nun nach (ı2, µ2) verschiebt. Diesen Erträgen werden im linken Quadranten die Ertragswertfaktoren zugeordnet3. Sinkt nun das systematische Risiko, so steigen die Ertragswertfaktoren. Da der Ertragswertfaktor
2 3
O.B.d.A. werden diese aus Gründen der Vereinfachung als konstant angesetzt. Die Beziehung lautet EWF = 1/i, wobei EWF der Ertragswertfaktor und i der Zins ist. Bei einem Zins von 5% (d.h. i=0,05) bedeutet dies, dass der Ertragswertfaktor 20 beträgt.
168
Ulrich Blum, Werner Gleißner
auch als Marktwert einer Vermögenseinheit angesehen werden kann, wurde die linke waagrechte Achse als Marktwert ausgewiesen. Wenn durch I&K-Technologien das Informationssystem zugunsten allokativer Effizienz dramatisch verbessert wird (Hayek-Hypothese; Hayek 1945), dann sinkt das Risiko. Bei gegebenem Gewinn ist dann zu erwarten, dass die Unternehmenswerte steigen, nämlich von MW1 nach MW2. Damit wird die Qualität der Informationssignale zu einer entscheidenden Determinante der Bewertung des Kapitalstocks einer Volkswirtschaft und damit auch seiner effizienten Verwendung. Eine derartige Argumentation kann dann empirisch sinnvoll verwendet werden, wenn der normale Wert des Unternehmens (besser dessen „richtige“ Bewertung) bekannt wäre. Tobin (1969) hat vorgeschlagen, die Marktkapitalisierung ins Verhältnis zum Wiederbeschaffungswert der Unternehmen zu setzen; dieser Indikator wird auch als das Tobin-q bezeichnet. Ein Wert über eins bedeutet, dass der Marktwert über dem Wiederbeschaffungswert liegt – dann müssen sich Investitionen lohnen, und ein Investitionsboom wäre die Folge, um q durch Expansion des Nenners wieder auf eins zu bringen. Bei einem Wert unter eins entstünde eine Investitionsflaute. Liegt der Marktwert langanhaltend über eins, dann kann dies auch bedeuten, dass das Unternehmen durch immaterielle Anlagegüter, die in der Bilanzierung des Wiederbeschaffungswerts nicht auftauchen (obwohl sie dies ökonomisch betrachtet sollten), einen erhöhten Wert besitzt; typisch sind hierfür Reputation (durch Markennamen), selbst geschaffene und daher nicht aktivierte Patente und Know-how oder das Humankapital der Belegschaft. Smithers und Wright (2000) zeigen beispielsweise, dass auf Basis dieses Ansatzes Wall Streets q im Herbst 2000 bei einem Wert über zwei hätte liegen müssen und argumentieren, dass eine Anpassung eher über die Wertpapierkurse als über die Investitionen erfolge, es sei denn, erhebliche immaterielle Anlagewerte existierten – Intellektuelle Eigentumsrechte (intellectual property rights, IPR), die langfristige Wettbewerbsvorteile garantieren. Wie die Entwicklung seit dem Herbst 2000 zeigt, ist dies wohl nur begrenzt der Fall. Zugleich deutet dies auf Unvollkommenheiten des Marktes, deren Konsequenzen im folgenden betrachtet werden. 4.2
Unternehmenswert (2): Unvollkommene Märkte
Offensichtlich müssten die risikoabhängigen Kapitalkostensätze eines Unternehmens (WACC) vom tatsächlichen Risikoumfang eines Unternehmens abhängig sein. Genau diese Informationen muss das Risikomanagement bereitstellen (vgl. Abschnitt 5), wenn in ineffizienten Märkten außerhalb des Unternehmens nur unvollkommene Informationen bekannt sind. Der häufig im wertorientierten Management anzutreffende „Umweg“ bei der Bestimmung der Kapitalkostensätze, nämlich die ausschließliche Beschaffung von Kapitalmarktdaten, ist in unvollkommenen Märkten wenig überzeugend. Das CAP-Modell unterstellt vollkommene, effiziente Kapitalmärkte. Dies bedeutet vor allem, dass alle Kapitalmarktakteure die Risikosituation des Unternehmens genau so gut einschätzen können, wie die Unternehmensführung selbst. Diese Annahme ist sicherlich wenig haltbar. Es ist sinnvoller anzunehmen, dass das Unternehmen selbst seine Risikosituation
Risikomanagement als Werttreiber: Volks- und betriebswirtschaftliche Perspektive
169
besser einschätzen kann als der Kapitalmarkt, (vgl. Shleifer 2000, S. 34; Haugen 2002). Es besteht also eine Informationsasymmetrie. Diese besteht natürlich erst recht für die möglichen Veränderungen der Risikosituation durch geplante Maßnahmen der Unternehmensführung, die oft nicht öffentlich kommuniziert wurden. Auf Grund der bestehenden Informationsvorteile sollten Unternehmen daher die Kapitalkostensätze für ihre wertorientierten Steuerungssysteme auf Grundlagen der Erkenntnisse des Risikomanagements ableiten. Unternehmenswert (oder EVA) werden auf Grundlage von Kapitalkostensätzen berechnet, welche die tatsächliche Risikosituation des Unternehmens widerspiegeln, und die Erkenntnisse des Risikomanagements fließen über die Kapitalkostensätze unmittelbar in unternehmerische Entscheidungen ein. So wird ein wirkliches Abwägen von erwarteten Erträgen und den damit verbundenen Risiken bei wichtigen Entscheidungen erst ermöglicht. Für die schon vorgestellte Bestimmung eines geeigneten Kapitalkostensatzes bietet sich eine modifizierte Berechnung der WACC an. Hier wird unterstellt, dass nur risikotragendes Eigenkapital (Eigenkapitalbedarf) auch eine Risikoprämie verdient. Der Kapitalkostensatz berechnet sich nun in Anhängigkeit des risikoabhängigen Eigenkapitalbedarfs wie folgt (Gleißner 2002 und 2005):
WACC
k EK u
Eigenkapitalbedarf Gesamtkapital Eigenkapitalbedarf k FK u u (1 s) Gesamtkapital Gesamtkapital
Die Einzelrisiken bestimmen den aggregierten Gesamtrisikoumfang und damit über den Eigenkapitalbedarf4 den Kapitalkostensatz (WACC), der wiederum bei der Bestimmung des Unternehmenswertes benötigt wird. Je höher die Risiken des Unternehmens sind, desto mehr teures Eigenkapital wird als Risikodeckungspotenzial benötigt. In unvollkommenen Märkten wird der Eigenkapitalbedarf damit sowohl durch den Umfang des systematischen wie auch der unsystematischen Risiken bestimmt, was einen wesentlichen Unterschied zum Annahmesystem des CAP-Modells darstellt. Die Notwendigkeit der Berücksichtigung auch unsystematischer Risiken bei unternehmerischen Entscheidungen ergibt sich beispielsweise aus der Existenz von Konkurskosten und unvollkommen diversifizierter Portfolios, die damit zwangsläufig auch unsystematische Risiken aufweisen. Gerade bei einem mittelständischen Unternehmer, der den Großteil seines Vermögens im eigenen Betrieb gebunden hat, widerspricht die Annahme eines perfekt diversifizierten Portfolios offensichtlich der Realität. Insolvenzen können sowohl durch systematische als auch durch unsystematische Risiken ausgelöst werden. Die Höhe der erwarteten Konkurskosten ist damit (neben dem Anteil der versunkenen Kosten an den Gesamtinvestitionen) sowohl von der Höhe der systematischen wie auch der unsystematischen Risiken abhängig, die sich beide auch im Unternehmensrating widerspiegeln (vgl. Abschnitt 5.3). In unvollkommenen Märkten gelten die Modigliani-Miller-Thesen nicht und das Risikomanagement hat Einfluss 4
Zur Berechnung des Eigenkapitalbedarf vgl. Abschnitt 5.
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Ulrich Blum, Werner Gleißner
auf den Unternehmenswert, z.B. über die Reduzierung von Konkurskosten oder die Stabilisierung der Cash Flows, die die Investitionsmöglichkeiten eines Unternehmens maßgeblich bestimmen (vgl. Froot/ Scharfstein/ Stein 1994).
5
Risikomanagement der Unternehmen
5.1
Kernfragen eines strategischen Risikomanagements
Neben der volkswirtschaftlichen Verteilung der Risiken bestimmen die Fähigkeiten der Unternehmen, mit Risiken umzugehen, maßgeblich den Wohlstand. Die Fähigkeit, Risiken zu identifizieren, zu bewerten und diese Erkenntnisse z.B. bei Investitionsentscheidungen zu berücksichtigen, bestimmt die Kapitalallokation und die Zukunftsperspektiven jedes Unternehmens und der gesamten Volkswirtschaft. Umfang und Art der Investitionen bestimmen Wachstum, Rentabilität und Wert jedes Unternehmens – aber ebenso das Wachstum der gesamten Volkswirtschaft. Da die Fähigkeit der Unternehmen, mit Risiken umzugehen, wesentlich durch die Qualität des Risikomanagements bestimmt wird, wird dieses betriebswirtschaftliche System im folgenden aus der Perspektive eines Unternehmens etwas näher betrachtet werden. Beim Risikomanagement deutscher Unternehmen steht heute noch immer die Identifikation einzelner Risiken und deren kontinuierliche Überwachung im Mittelpunkt der Aktivitäten. Initiiert durch das Kontroll- und Transparenzgesetz (KonTraG) – zunehmend aber auch durch den Druck der Kreditinstitute infolge des sogenannten Basel II-Abkommens – zielt das Risikomanagement auf die organisatorische Gestaltung von Systemen, die Transparenz über die Risikosituation nachvollziehbar sicherstellen. Ein wesentliches Ergebnis der RisikomanagementAktivitäten von Unternehmen ist dabei das Risikoinventar, das die wichtigsten Risiken (z.B. nach Relevanz sortiert) zusammenfasst (vgl. Gleißner 2001). Für die nach dieser Einschätzung wichtigsten Risiken werden anschließend – möglichst gestützt auf Zeitreihen historischer Daten – Verteilungsfunktionen abgeschätzt, wobei häufig die Binomialverteilung (Annahme einer bestimmten „Schadenshöhe“ bei gegebener „Eintrittswahrscheinlichkeit“) oder aber die Normalverteilung angemessen sind. Tatsächlich ist mit einer Identifikation und kontinuierlichen Überwachung von Risiken ein wesentlicher Teil der primären Aufgaben des Risikomanagements noch lange nicht gelöst. Als Mindestanforderung sollte ein Risikomanagement, das einen Wertbeitrag bietet, folgende Kernfragen beantworten können (vgl. Gleißner 2000, S. 1625-1629): 1. Welche Faktoren bedrohen Erfolg und Erfolgspotenziale? Wenn bekannt ist, welche Faktoren für den Unternehmenserfolg maßgeblich sind, kann man in einem weiteren Schritt die „strategischen Risiken“ ermitteln,
Risikomanagement als Werttreiber: Volks- und betriebswirtschaftliche Perspektive
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die zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Erfolgspotenziale des Unternehmens führen können. 2. Welche Kernrisiken soll das Unternehmen selbst tragen? Ein konsequenter Transfer von „peripheren Risiken“, die nicht für den Erfolg des Unternehmens eingegangen werden müssen, bietet den Vorteil, dass mehr Risiken beim Aufbau von Erfolgspotenzialen akzeptiert werden können, ohne das Risikodeckungspotenzial des Unternehmens zu überfordern. 3. Welche Eigenkapital- und Liquiditätsausstattung ist als „Risikodeckungspotenzial“ nötig? Das Eigenkapital (und die Liquiditätsreserve) ist letztlich das Risikodeckungspotenzial eines Unternehmens, das die (aggregierten) Wirkungen aller Risiken zu tragen hat. 4. Welcher risikoabhängige Erfolgsmaßstab ist Zielgröße des Unternehmens? Damit eine Risikobewältigungsmaßnahme (z.B. Versicherung) oder eine Investition einen positiven Beitrag zum Unternehmenswert leistet, ist es erforderlich, dass die Rendite über dem risikoabhängigen Kapitalkostensatz liegt: Wertbeitrag = Kapitalbindung * (Gesamtkapitalrendite – Kapitalkostensatz). Der Wertbeitrag ist ein Beispiel für einen Erfolgsmaßstab, der Rendite und Risiko berücksichtigt. 5.2
Risikoaggregation und die Berechnung von Eigenkapitalbedarf
Die wesentlichste Aufgabe des Risikomanagements ist es zu beurteilen, ob der Gesamtumfang der Risiken durch die vorhandenen Risikodeckungspotenziale (Eigenkapital bzw. Liquiditätsreserven) gedeckt sind. Das Eigenkapital (und die Liquiditätsreserven) sind das Risikodeckungspotenzial eines Unternehmens, weil sie sämtliche risikobedingten Verluste zu tragen haben. Notwendig ist es dabei, die Einzelrisiken zu „aggregieren“. Eine derartige Risikoaggregation ist zwangsläufig notwendig, weil alle Risiken letztlich gemeinsam sich auf das Ergebnis, das Eigenkapital oder den Wert des Unternehmens auswirken. Mit Hilfe solcher Risikoaggregationsverfahren ist es möglich, auch die Angemessenheit der Ratingeinstufung durch die Hausbank gemäß Basel II, die letztlich auch auf einem Vergleich des Risikoumfangs und der Risikotragfähigkeit eines Unternehmens basiert, kritisch zu hinterfragen (vgl. zum Thema Rating Gleißner und Füser 2003; Blum und Leibbrand 2003). Risikoaggregationsverfahren basieren im Grundsatz auf einer Integration der identifizierten und quantitativ bewerteten Risiken im Kontext der Unternehmensplanung. Risiken werden dabei als Ursachen für mögliche Abweichungen von den geplanten bzw. erwarteten Werten aufgefasst, was Chancen (positive Abweichungen) ebenso einschließt wie negative Abweichungen (Gefahren). Für die Risikoaggregation wird die Monte-Carlo-Simulation genutzt. Bei diesem Verfahren werden die Wirkungen der wichtigsten Einzelrisiken – unter Beachtung von Korrelationen – in einem Planungsmodell des Unternehmens den entsprechenden Posten der GuV oder Bilanz zugeordnet. Solche Risikowirkungen werden durch Wahrscheinlichkeitsverteilungen beschrieben. In unabhängigen Simulationsläufen (S1 ...
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Sn) werden viele Tausend mögliche Zukunftsszenarien durchgespielt und dabei jeweils eine Ausprägung der GuV oder Bilanz berechnet. Damit erhält man in jedem Simulationslauf einen Wert für die betrachtete Zielgröße (z.B. Gewinn oder Cash Flow). Die Gesamtheit aller Simulationsläufe liefert eine „repräsentative Stichprobe“ der möglichen Risiko-Szenarien des Unternehmens, die zu aggregierten Wahrscheinlichkeitsverteilungen (Dichtefunktionen)5 der Zielgröße verdichtet werden können.
Plan-GuV 2005
Abb. 3: Risikoaggregation in die Unternehmensplanung (Quelle: RMCE RiskCon GmbH & Co. KG)
Ausgehend von der durch die Risikoaggregation ermittelten Verteilungsfunktion der Gewinne kann man unmittelbar auf den Eigenkapitalbedarf (RiskAdjusted-Capital, RAC) des Unternehmens schließen6. Zur Vermeidung einer Überschuldung benötigt man so viel Eigenkapital, wie (mit einer definierten Restwahrscheinlichkeit) Verluste auftreten können, die das Eigenkapital verzehren. In analoger Weise lässt sich der Bedarf an Liquiditätsreserven unter Nutzung der Verteilungsfunktion der Zahlungsflüsse (freier Cash Flows) ableiten. Bei dieser Betrachtung wird das einem Unternehmen insgesamt zur Verfügung stehende Eigenkapital gedanklich getrennt in einen risikotragenden Teil (RAC, Eigenkapitalbedarf) und einen Teil, der zur Abdeckung risikobedingter Verluste eigentlich nicht erforderlich ist, und somit keinen (kalkulatorischen) Kostenaufschlag gegenüber einer Fremdkapitalfinanzierung (mit identischer Ausfallwahrscheinlichkeit) rechtfertigt. 5
6
Die Monte-Carlo-Simulation kann durch Zusatzprogramme zu MS Excel (z.B. Crystal Ball oder @Risk) oder moderne Standardsoftware für Risikomanagement, Unternehmensplanung, Controlling und Rating unterstützt werden (z.B. „RISIKO-KOMPASS“ von RMCE und AXA oder die Risikomanagement-Software der MIS AG). Text teilweise in Anlehnung an Gleißner 2002b.
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Ökonomisches Risikokapital: VaR = Value at Risk RAC = Risk Adjusted Capital (= „Risikoumfang“)
Abb. 4: Eigenkapitalbedarf (Quelle: RMCE RiskCon GmbH & Co. KG)
5.3
Die Fundierung des Rating auf Basis von Risikoaggregationsergebnissen
Nach diesen grundsätzlichen Erläuterungen zur Bestimmung des Gesamtrisikoumfangs soll im folgenden noch etwas näher auf den Zusammenhang zwischen Risikoaggregationen, dem damit ermittelten Bedarf an Eigenkapital und den Ratings von Unternehmen eingegangen werden. Die heute üblichen Ratingansätze basieren noch immer auf dem (auf kurze Sicht sehr aussagefähigen) Finanzrating, das die für die Insolvenzprognose wichtigsten Kennzahlen einer Jahresabschlussanalyse bewertet. Dabei beurteilt das Finanzrating eigentlich nur die „Risikotragfähigkeit“ eines Unternehmens – über den Umfang der zu tragenden Risiken (z.B. durch Abhängigkeit von Kunden oder Rohstoffpreisschwankungen) findet man nämlich kaum nutzbare Informationen (vgl. Gleißner/ Berger/ Rinne/ Schmidt 2005), was auch eine Studie der RMCE RiskCon GmbH & Co KG zur Aussagefähigkeit der Risikoberichte börsenorientierter Unternehmen wieder einmal bestätigt hat. Das sogenannte Basel II-Abkommen der Banken, das zukünftig von den Banken mehr Eigenkapital für die Unterlegung risikoreicher Kreditengagements erfordert, zielt neben einem höheren Grad an Objektivität bei den Kreditvergabeentscheidungen insbesondere auch auf eine stärkere Berücksichtigung der Zukunftsperspektiven eines Unternehmens (Blum 2004). Daher werden neben den traditionellen Finanzratings zukünftig stärker mehr als bisher die für das langfristig zu
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erwartende Ertragsniveau wichtigen Erfolgspotenziale (Kernkompetenzen, Wettbewerbsvorteile und Interne Stärken) betrachten. Zusätzlich sind auch die Qualität der Bankbeziehungen, die Attraktivität der Branche und natürlich der Risikoumfang von entscheidender Bedeutung für das Rating. Alle diese „Teilratings“ sollten zu einem Gesamtrating verdichtet werden, wobei die Risiken eine besondere Bedeutung haben sollten. Die Risiken stellen eine bisher wenig betrachte, weitgehend orthogonale Information dar (vgl. Abb. 5). In der Zwischenzeit erkennen die Kreditinstitute aber auch, dass eine derartige „traditionelle“ Bestimmung des Ratings eines Unternehmens zu verbessern ist, wenn man ergänzend die Informationen der Unternehmensplanung berücksichtigen würde. Gerade in einer (glaubhaften und fundierten) Unternehmensplanung drücken sich nämlich genau die Zukunftserwartungen des Unternehmens aus, die offensichtlich die Risiken und damit auch die Insolvenzwahrscheinlichkeit eines Unternehmens maßgeblich mitbestimmen. Dabei muss man zunächst bedenken, dass das Rating eines Unternehmens letztlich nichts anderes darstellt als die vom Kreditinstitut erwartete Ausfallwahrscheinlichkeit eines Kredits (im wesentlichen also die Insolvenzwahrscheinlichkeit des Unternehmens). Die dem Rating zugrundeliegende Ausfallwahrscheinlichkeit (PD) – resultierend aus Überschuldung oder Illiquidität – ist insbesondere durch folgende Determinanten bestimmt, die zusammen wiederum auf eine Verteilungsfunktion von Eigenkapital und Liquidität verdichtet werden können (Gleißner 2002): 1. Das erwartete Ertragsniveau eines Unternehmens. 2. Das (Ertrags-)Risiko, also die Streuung (Standardabweichung) um das erwartete Ertragsniveau. 3. Die Finanzierungsstruktur, präziser insbesondere Kapitalumschlag (KU) und Eigenkapitalquote (EKQ), die den Zinsaufwand und das Risikodeckungspotenzial (zur Abdeckung möglicher Verluste) beschreiben. Mit Hilfe der Risikoaggregation im Kontext der Unternehmensplanung (die erwartetes Ertragsniveau, Risiken und Finanzierungsstruktur beschreibt) ist es möglich, unmittelbar auf die Insolvenzwahrscheinlichkeit und damit die angemessene Ratingeinstufung eines Unternehmens zu schließen. Möchte ein Unternehmen beispielsweise ein (gutes) Rating von BBB+ erreichen, so impliziert dies eine Ausfallwahrscheinlichkeit von ca. 4% bezogen auf 10 Jahre. Deshalb darf nur in 4% der Simulationsläufe bei der Monte-Carlo-Simlulation ein kompletter Verzehr des Eigenkapitals eintreten. So lässt sich auf Basis einer „stochastischen Unternehmensplanung“ – mit Nutzung von Information über Risiken – das Ratingurteil einer Rating-Agentur oder eines Kreditinstituts besser fundieren oder kritisch hinterfragen.
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Abb. 5. Gesamtrating: Zukunftspotenziale und Risiken verbinden Quelle: www.risiko-kompass.de)
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Zusammenfassung und Ausblick
Risiko ist ein maßgeblicher Werttreiber für die Unternehmen und zugleich maßgeblich für den Wohlstand einer Nation. Die Fähigkeiten der Unternehmen (und der einzelnen Privatpersonen), mit Risiken umzugehen, also die Qualität des Risikomanagements, bestimmt zusammen mit den volkswirtschaftlichen Arrangements, die eine optimale Allokation der Risiken auf die Wirtschaftsobjekte ermöglichen, den Erfolg von Unternehmen und Volkswirtschaften. Wie stellt sich zusammenfassend die Situation in Deutschland dar? Ingesamt ist festzuhalten, dass eine der wesentlichsten Herausforderungen des Risikomanagements in den deutschen Unternehmen bisher meist unbewältigt geblieben ist. Zwar wurden die einzelnen Risiken identifiziert und oft auch schon quantifiziert. Doch die für ein umfassendes Risikomanagement an sich erforderliche Aggregation der Risiken (im Kontext der Planung) wird bisher nur selten vorgenommen. Diese Risikoaggregation ist aber zwingend erforderlich, um die Angemessenheit der Eigenkapitalausstattung eines Unternehmens beurteilen zu können. Dies wiederum ist notwendig, um beispielsweise zu entscheiden, ob ein Unternehmen im Kontext seiner Risikopolitik eher chancenorientiert vorgehen kann, oder im Sinne einer Absicherung des Ratings besser den Gesamtrisikoumfang reduzieren sollte. Auch für wertorientierte Steuerungssysteme ist die Risikoaggregation unvermeidlich, weil durch sie der Bedarf des Unternehmens an teurem Eigenkapital zur Abdeckung möglicher risikobedingter Verluste ermittelt wird, der wiederum den Kapitalkostensatz (Mindestrenditeanforderung) und damit den Unternehmenswert maßgeblich beeinflusst. Die Risikoaggregation ist dabei die „Schlüsseltechnologie“, die eine Weiterentwicklung traditioneller Controllingsysteme hin zu einem chancen- und risikoorientierten Controlling überhaupt erst möglich macht. Sie erlaubt es, für jeden Planwert eines Unternehmens die risikobedingte Bandbreite möglicher Abweichungen anzugeben und damit die Planungssicherheit insgesamt zu beurteilen. Nicht zuletzt ist die Risikoaggregation unumgänglich, um bei wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen ein Abwägen der erwarteten Erträge mit dem Umfang der dabei eingegangenen (aggregierten) Risiken zu ermöglichen. Gerade dieses Abwägen von Chancen und Gefahren (Risiken) ist jedoch in Anbetracht der turbulenten Veränderungen des unternehmerischen Umfelds als eine Schlüsselkompetenz für eine nachhaltig erfolgreiche Unternehmensführung anzusehen, was auch die strategische Bedeutung der Risikoaggregation belegt. Auf volkswirtschaftlicher Ebene sind effiziente Märkte, die eine Bewertung und Verteilung von Risiken ermöglichen, der Schlüssel für den optimalen Umgang mit Risiken – letztlich mit dem Ziel, konstitutionelle Unwissenheit (Hayek 1945) systematisch zu verringern. Als Institutionen der Risikoallokation sind vor allem Versicherungen und Kapitalmarkt (Derivate, ART-Lösungen) zu nennen. Eine der wichtigsten Entwicklungen zur Optimierung der Risikoverteilung in der Vergangenheit war die Schaffung der Haftungsbeschränkung. Wie auch auf Ebene der Unternehmen sind auf volkswirtschaftlicher Ebene zukünftig im Hinblick auf ein „volkswirtschaftliches Risikomanagement“ neue Entwicklungen zu erwarten,
Risikomanagement als Werttreiber: Volks- und betriebswirtschaftliche Perspektive
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beispielsweise „Lebensstandardversicherungen“, Versicherungen zur Absicherung von Änderungen in Standortqualitäten oder auch Generationenversicherungen vor dem Hintergrund der Veränderung der Generationenstruktur (Shiller 2003). Voraussetzung für die Realisierung fast aller oben genannter Ideen für ein verbessertes volkswirtschaftliches Risikomanagement ist die Schaffung von neuen Märkten, über die Risiken gehandelt werden können, und die Weiterentwicklung von Risikobewusstsein und Methoden des Risikomanagement in den Unternehmen selbst. Dies sind zugleich die Ansatzpunkte, den Werttreiber „Risiko“ volks- und betriebswirtschaftlich zu nutzen.
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Wertsteigerung durch das Konzernprogramm best bei ThyssenKrupp Olaf Berlien, A. Stefan Kirsten, Jochen Oelert, Robert Schutt Inhalt 1 2 2.1 2.2 2.3 3 4 5 6
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Von der Wertorientierung zum Management der Wertsteigerung ........................ 597 Operative Wertsteigerung bei ThyssenKrupp durch das Programm best.............. 599 Zehn Initiativen als virtuelles Rückgrat von best.................................................. 600 Schwerpunkt Vertriebsinitiative ........................................................................... 601 TOP-Management-Attention für best-Projekte..................................................... 603 Monitoring der Wertsteigerung durch best plaza.................................................. 604 Know-how-Transfer durch die Bildung von Wissensnetzwerken......................... 605 Zukünftige Impulse zur Wertsteigerung und Wertorientierung bei ThyssenKrupp .................................... 606 Literatur ................................................................................................................ 608
Von der Wertorientierung zum Management der Wertsteigerung
Mit der Betonung des Shareholder Value Mitte der 80er Jahre rückte die Orientierung an den Renditeanforderungen der Kapitalgeber in den Fokus betriebswirtschaftlichen Denkens.1 Kerngedanke des Shareholder Value ist, dass erst dann Wert geschaffen wird, wenn die Ergebnisse die Kapitalkosten des Unternehmens übersteigen.2 Heute ist Wertorientierung integraler Bestandteil der Unternehmensführung.3 Viele deutsche DAX-100 Unternehmen haben wertorientierte Größen in ihr Kennzahlensystem aufgenommen und unternehmensspezifisch angepasst.4 ThyssenKrupp hat im Jahr 1998 ebenfalls ein umfassendes wertorientiertes Mana-
1
2
3
4
Ausgangspunkt hierfür war das Buch „Creating Shareholder Value“ von Rappaport. Vgl. Rappaport 1986 oder Baum/ Coenenberg/ Günther 1999, S. 261 ff. Prägend für die Kennzahlen zur Messung des Shareholder Value sind für die Orientierung am Gewinn das Konzept des Economic Value Added (EVA®), vgl. Stewart 1991 und Stern/ Shiely/ Ross 2002, und für die Orientierung am Cash Flow das Konzept des Cash Flow Return on Investment (CFROI), vgl. Lewis/ Lehmann 1992. Zu Konzepten und Umsetzung vgl. die Sammelbände von Macharzina/ Neubürger (Hrsg.) 2002 und Wagenhofer/ Hrebicek (Hrsg.) 2000. Dem erstgenannten Band ist auch ein weiterführender Beitrag zur wertorientierten Strategie des Vorstandsvorsitzenden der ThyssenKrupp AG zu entnehmen. Vgl. Schulz 2002 S. 13 ff. Vgl. Ewert/ Wagenhofer 2000, S. 5 und Ruhwedel/ Schultze 2002, S. S, 620 f.
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gementkonzept etabliert.5 Kennzahlen sind für die Kapitalrentabilität der Return on Capital Employed (ROCE) und für die Ermittlung des ökonomischen Gewinns – unter Berücksichtigung der Kapitalkosten – der sich daraus ergebende Wertbeitrag.6 Systematisch werden diese Kennzahlen auf jeder Berichtsebene des Konzerns vom Einzelunternehmen bis hin zum Gesamtkonzern ermittelt. Bei ThyssenKrupp sind damit geeignete Diagnose- und Analyseinstrumente für ein wertorientiertes Management vorhanden. Die Entwicklung der wertorientierten Kennzahlen ROCE und Wertbeitrag werden umfangreich im Vorstand und Aufsichtsrat berichtet. Für die Stakeholder wird im Geschäftsbericht transparent dargestellt, welchen Wert ThyssenKrupp für seine Aktionäre im abgelaufenen Geschäftsjahr geschaffen hat; ROCE und Wertbeitrag werden für den Gesamtkonzern und die Segmente detailliert erläutert. ThyssenKrupp-intern werden darüber hinaus auf der jährlichen Managementtagung ROCE und Wertbeitrag der einzelnen Business Units in einem Ranking verglichen. Es werden drei verschiedene Awards verliehen: für den „TOP performer“ (höchster Wertbeitrag des abgelaufenen Geschäftsjahres), für den „sustainable performer“ (höchster Wertbeitrag im Drei-Jahres-Durchschnitt) und für den „TOP climber“ (höchste positive Veränderung des Wertbeitrages innerhalb des abgelaufenen Geschäftsjahres). Neben der reinen Ermittlung und Kommunikation von wertorientierten Kennzahlen sind vor allem die damit verbundenen Konsequenzen für das Management wesentlich. Die Mindestanforderung an die einzelnen Unternehmen sowie den Gesamtkonzern ist die Erwirtschaftung der Kapitalkosten. Messlatte ist jedoch der deutlich höher festgelegte Ziel-ROCE, der bei ThyssenKrupp aus Benchmarks mit den relevanten Peer Groups abgeleitet wird. Eine sich eventuell ergebende Lücke zwischen der aktuellen Performance und den Zielvorgaben des Konzerns ist einerseits über die strategische Ausrichtung, andererseits über operative Effizienzsteigerungen zu schließen. Für die strategische Ausrichtung sind vor allem Investitions- und Portfolioentscheidungen von Bedeutung. Hierbei gilt es nach dem Motto „Doing the right things“, die wertorientierten Kennzahlen als Signal für den konsequenten Ausbau leistungsstarker Geschäftsfelder bzw. den rechtzeitigen Rückzug aus evtl. wertvernichtenden Geschäftsfeldern zu verstehen. Dementsprechend werden bei ThyssenKrupp der ROCE und der Wertbeitrag als Kriterien zur Vergabe von Investitionsmitteln, zur Beurteilung von Finanzinvestitionen und zur Identifizierung von Desinvestitionskandidaten in besonderer Weise berücksichtigt. Erfolgreiches Wertmanagement zeichnet sich aber insbesondere dadurch aus, dass Wertsteigerung im Rahmen des operativen Geschäftes im Sinne eines „Doing 5
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Insgesamt umfasst das wertorientierte Management bei ThyssenKrupp in seiner Gesamtkonzeption sieben Elemente: 1. Integriertes Controllingkonzept, 2. Zentrale Steuerungsgrößen, 3. Zielkriterien für die Geschäftsfelder, 4. Ressourcenlenkung, 5. Aktives Portfoliomanagement, 6. Leistungsbezogene Anreizsysteme und 7. Value Reporting. Vereinfachte Definition: ROCE = Ergebnis vor Steuern, Anteilen anderer Gesellschafter und vor Zinsen / Capital Employed; Wertbeitrag = (ROCE – Kapitalkostensatz) * Capital Employed.
Wertsteigerung durch das Konzernprogramm best bei ThyssenKrupp
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things right“ erfolgt. Um diese Bemühungen zu einer umfassende Effizienzsteigerung bei ThyssenKrupp konzernweit systematisch zu fördern, wurde das Programm ThyssenKrupp best ins Leben gerufen.7
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Operative Wertsteigerung bei ThyssenKrupp durch das Programm best
Bei ThyssenKrupp werden alle operativen Verbesserungsmaßnahmen – bis auf Restrukturierungen und Sanierungen – im Konzernprogramm ThyssenKrupp best zusammengefasst. Das Akronym best steht für “Business Excellence in Service and Technologies”. Begonnen wurde das Programm im Herbst 2001 mit einer konzernweiten Screening- und Benchmarking-Welle. Ergebnis dieses konzernweiten Prozesses waren über 400 operative Handlungsfelder zur Wertsteigerung von ThyssenKrupp. Mit Beginn des Jahres 2002 wurden auf Basis der identifizierten Handlungsfelder Projekte definiert und mit der Umsetzung von konkreten Maßnahmen in den Unternehmen begonnen. Inzwischen sind auch durch neue Screenings über 4.100 best-Projekte aufgesetzt worden (siehe Abb. 1).
Über 4.100 Projekte weltweit gestartet
ThyssenKrupp
best
Juli 2005
4.000 3.500 3.000 2.500 2.000 1.500 1.000 500 0
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GJ 2001/02
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GJ 2002/03
Anzahl Projekte
Abb. 1: Hochlauf Projektlandschaft
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Vgl. auch Berlien/ Biel 2003, S. 370 ff.
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A
S
0
N
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A
M
J
GJ 2003/04
in Konzept
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in Bearbeitung
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J akt
GJ 2004/05 Beendet
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2.1
Zehn Initiativen als virtuelles Rückgrat von best
Das virtuelle Rückgrat von best bilden zehn Initiativen, die systematisch an allen Stellhebeln zur Wertsteigerung ansetzen (siehe Abb. 2). Sechs Initiativen wirken unmittelbar auf Umsatz, Kosten, Anlagevermögen und Net Working Capital ein. Die übrigen vier Initiativen sind grundlegender Art. Ziel der Systematisierung durch die zehn Initiativen ist es, den Konzern und seine Einheiten im Rahmen von best auf Schwerpunktthemen zu konzentrieren. Außerdem wird durch die Initiativen ein gezielter Anstoß von Projekten und eine methodische Unterstützung der Projekte bei der Planung und Durchführung ermöglicht.
Anteil Projekte nach Initiativen
Umsatz EBIT Kosten ROCE Anlagevermögen Capital Employed Net Working Capital
Juli 2005 Wertsteigerungsinitativen Vertriebs10% initiative
ThyssenKrupp
best
Grundlegende Initiativen
Dienstleistungs3% orientierung
Einbindung Mitarbeiter/ Führungskräfte
4%
Leistungsqualität
7%
Wertmanagement
4%
Operative Effizienz
Organisation
2%
56%
Kapitalproduktivität
3%
6%
Wissens- und Innovationsmanagement
Einkaufsinitiative 5%
Abb. 2: Projekte setzen an allen Stellhebeln zur Wertsteigerung an
Die meisten best-Projekte sind Bestandteil der Initiative „Operative Effizienz“, die insbesondere an dem Hebel Kosten ansetzt. Gerade in der ersten Phase des Programms wurden durch die Fokussierung auf die „operative Effizienz“ schnell Kosteneinsparungen erzielt. Zurzeit sind rund 56% aller Projekte dieser Initiative zugeordnet. Ein wichtiges Tool für die Bearbeitung dieser Projekte ist bei ThyssenKrupp die Six-Sigma-Methodik. Das Six-Sigma-Tool beinhaltet statistische Analyseinstrumente und eine strikte Vorgehensweise zur Optimierung von Arbeitsprozessen. Der Name Six Sigma steht für einen statistischen Wert, der einen Anteil von 3,4 Fehlern auf eine Million Prozesse beschreibt. Mit Hilfe von Six Sigma werden bei ThyssenKrupp z.B. Anlagenverfügbarkeiten verbessert, Ausschussraten verringert oder Prozesse in den indirekten Bereichen verbessert. Insgesamt werden über 380 best-Projekte mit dieser Methodik bearbeitet.
Wertsteigerung durch das Konzernprogramm best bei ThyssenKrupp
601
ThyssenKrupp best setzt aber nicht nur beim Thema Kosten an. Die permanente Verbesserung der eigenen Kostenposition ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Wertsteigerung. Deshalb ist das Spektrum der best-Projekte wesentlich vielfältiger. Eine nachhaltige Wertsteigerung wird nur bei einer konsequenten Nutzung von Wachstumschancen in neuen Märkten z.B. über den Ausbau des Dienstleistungsgeschäftes oder durch die Ausschöpfung von Cross Selling-Potenzialen erzielt. Von elementarer Bedeutung ist hierbei die optimale Nutzung der vorhandenen immateriellen und materiellen Ressourcen, d.h. insbesondere des Humankapitals und des Anlagevermögens. Im Rahmen der Initiative „Einbindung der Mitarbeiter und Führungskräfte“ wird z.B. an Projekten zur Qualifizierung der Mitarbeiter, zur Verbesserung des betrieblichen Vorschlagswesens, aber auch zur Senkung des Krankenstandes gearbeitet. Im Fokus der Initiative „Kapitalproduktivität“ steht die Reduktion des Umlauf- und des Anlagevermögens sowie die Verbesserung des Mittelbindungscontrollings und -reportings. Die Initiative „Optimale Leistungsqualität“ befasst sich mit der Produkt- und Prozessqualität. Hier werden z.B. Projekte zur Einführung von Workflow-Lösungen im Reklamationsmanagement bearbeitet. Um die Wertorientierung in der Belegschaft weiter voranzutreiben, gibt es eine eigene Initiative „Wertmanagement“, die sich z.B. mit Projekten zum Werttreibermanagement befasst. 2.2
Schwerpunkt Vertriebsinitiative
Aufbauend auf der Initiative „Vertriebsführerschaft/ Maximierung des Kundenwertes“ wird systematisch daran gearbeitet, Projekte zum wertschaffenden Wachstum zu initiieren (Hebel: Umsatz). Branchenübergreifende Studien haben gezeigt, dass in der Regel im Vertrieb noch große Produktivitäts- und Professionalitätsreserven zu erschließen sind.8 Verbesserungspotenziale sind z.B. bei der konsequenten Konzentration und Durchdringung von potenzialstarken Kunden oder bei der Gestaltung von Konditionssystemen zu erschließen. Um die Projektarbeit im Rahmen der Vertriebsinitiative methodisch zu unterstützen, hat ThyssenKrupp spezifische Tools entwickelt (siehe Abb. 3): x Mit dem Tool „Kunde“ wird daran gearbeitet, die Kundendurchdringung zu verbessern. Auf Basis detaillierter Untersuchungen werden durch Bewertung der Lieferanteile bei wichtigen Kunden und deren individuellen Wechselbarrieren die wichtigsten Potenzialkunden identifiziert. Über gezieltes Cross-Selling und Ausweitung der angebotenen Dienstleitungen werden unbefriedigte Kundenbedürfnisse direkt angesprochen. Ziel ist die Verdrängung von Wettbewerbern und die Steigerung des eigenen Lieferanteils. Ein Beispiel ist neben dem OEM-Geschäft vor allem das Ersatzteilgeschäft mit Stoßdämpfern durch das Konzernunternehmen Bilstein im Segment Automotive auszubauen. 8
Siehe hierzu z.B. die branchenübergreifende Studie des Instituts für Marktorientierte Unternehmensführung, Homburg, Ch./ Schäfer, H./ Beutin, N. 2002.
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x Im Rahmen des Tools „Pricing“ wird die Preisgestaltung optimiert. Ausgangspunkt ist unter anderem die systematische Verbesserung der Preisdisziplin bei der Vergabe von Rabatten in Abhängigkeit vom Auftragsvolumen. Ziel ist es, die Aufträge bzw. Kunden zu identifizieren, die überproportional hohe Rabatte erhalten. Im Zusammenhang mit einer systematischen Kundensegmentierung wird die Preisdisziplin verbessert. ThyssenKrupp
Fokus Vertriebsinitiative
best
Beispiele für Tools der Vertriebsinitiative Tool: „Kunde“
Tool: „Pricing“ Rabatt
Marktanteil
Kunde 1
Ausweitung des Lieferanteils
Kunde 2 Kunde 3 Kunde 4
Verbesserung der Preisdisziplin
Kunde 5 Volumen
Kundendurchdringung
Tool: „Markt“ Hoch
?
Alte Logik: DB/Stück
Priorisierung der Märkte
Attraktivität
Niedrig
Tool: „Portfolio“
Wahrscheinlichkeit
Umstellung der Rechenlogik
Neu Logik: DB/Stunde am Engpass
Hoch
Abb. 3: Vier Tools zum wertschaffenden Wachstum
x Das Tool „Markt“ erschießt systematisch Wachstumsmärkte für ThyssenKrupp. Hierzu werden Szenarien über die Entwicklung wichtiger Schlüsselindustrien wie z.B. der Automobilindustrie in China erarbeitet. Auf der Grundlage mehrdimensionaler Bewertungsmatrizen ergeben sich für das jeweilige Unternehmen individuell die attraktivsten Wachstumsmärkte. Zusammen mit der Evaluation der Eintrittsbarrieren werden konkrete Markteinstrittsstrategien – vom Joint Venture bis zur Unternehmensgründung – entwickelt. Ein Beispiel ist die Entwicklung der Asienstrategie für den Automobilkarosseriebau beim Konzernunternehmen Nothelfer im Segment Technologies. x Mit dem vierten Tool „Portfolio“ wird der Produkt-Mix in Hinblick auf die Maschinenengpässe optimiert. Ziel ist es, den Vertrieb so zu steuern, dass er die Produkte verkauft, mit denen die Kapazitäten wertoptimal ausgelastet werden. Erfolgreich wird das Tool zurzeit im Segment Steel eingesetzt. Die einzelnen Tools bestehen aus standardisierten Vorgehensweisen, Analyseinstrumenten, Checklisten und einem Schulungsangebot. In einer ersten Phase wurden die Tools bei Pilotunternehmen erprobt. Auf der Basis der durchgeführten
Wertsteigerung durch das Konzernprogramm best bei ThyssenKrupp
603
Pilotprojekte wurden konkrete Fallbeispiele entwickelt. Gegenwärtig werden die Tools in über 90 Projekten konzernweit angewendet. Hierdurch wird ein wesentlicher Impuls zum wertschaffenden Wachstum gesetzt. Weitere Wellen werden folgen. 2.3
TOP-Management-Attention für best-Projekte
Ein wesentliches Element des Programms ist die TOP-Management-Attention auf allen Führungsebenen für best-Projekte. Dies zeigt sich z.B. darin, dass die Berichterstattung über best fester Bestandteil aller Vorstands- bzw. Geschäftsführungssitzungen ist. Viel wichtiger aber noch ist, dass die Vorstandsmitglieder des ThyssenKruppKonzerns regelmäßig Projektbesuche durchführen, sich vor Ort von den jeweiligen Projektleitern ihre best-Projekte vorstellen lassen und die Ergebnisse diskutieren. Allein der Vorstandsvorsitzende der ThyssenKrupp AG hat sich vor Ort über 100 Projekte in Europa und Amerika informiert. Organisatorisch wird das Programm durch eine eigene best-Organisation mit best-Verantwortlichen auf allen Ebenen unterstützt. Hierdurch wird sichergestellt, dass nicht nur gute Ideen generiert, sondern auch eventuelle Barrieren weggeräumt und die notwendigen Veränderungen umgesetzt werden. Für die Steuerung des Programms ist ein Lenkungskreis unter Leitung des Vorstandsvorsitzenden der ThyssenKrupp AG mit den Vorsitzenden aller Segmente sowie Arbeitnehmervertretern verantwortlich. Für den internationalen Austausch und den abgestimmten Programmablauf sorgt ein Koordinatorenkreis mit Vertretern aus allen Segmenten. Für die zielgerichtete Organisation der best-Aktivitäten vor Ort kümmert sich in jedem Unternehmen bzw. Standort ein best Verantwortlicher. Die jeweiligen Arbeitnehmervertretungen sind sowohl in die Steuerung des Programms z.B. über Lenkungskreissitzungen als auch bei vielen Projekten in die operative Arbeit eingebunden. Um die Mitarbeiter regelmäßig und umfangreich über den Fortschritt des Programms zu informieren, wird kontinuierlich in der Konzern-Mitarbeiterzeitung über best berichtet. Darüber hinaus werden vom Vorstand die drei erfolgreichsten Projekte bei der jährlichen Management-Tagung mit einem best-Award ausgezeichnet (siehe Abb. 4). Erfolgreiche Projekte werden vor der Belegschaft vorgestellt und den Teammitgliedern werden Urkunden verliehen (Celebrating Success). Neben der Auszeichnung der besten Projekte wird außerdem die Mitarbeit bei best-Projekten generell belohnt, um eine größtmögliche Mobilisierung des Konzerns zu erreichen. Unter den Team-Mitgliedern werden Preise verlost und besonders engagierte Mitarbeiter zu Events wie Pop-Konzerten eingeladen.
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Incentive-System fördert Engagement der Mitarbeiter
Auszeichnung erfolgreicher Projekte
Incentivierung der Mitarbeit bei best
ThyssenKrupp
best
best Award Auszeichnung der drei erfolgreichsten Projekte. Bereits dreimal auf dem ThyssenKrupp Management-Forum verliehen Celebrating Success Vorstellung der erfolgreichen best Projekte vor Belegschaft bzw. Unternehmensleitung und Auszeichnung mit Uhr und Urkunde best Events Einladung von besonders engagierten Mitarbeitern zu Events z.B. VIP-Karten für Konzerte Ideenwettbewerb Teilnahme aller best Teammitglieder am ThyssenKrupp Ideenwettbewerb mit Verlosung von Preisen
Sehen. Denken. Bessermachen.
Abb. 4: Auszeichnung best-Leistungen
3
Monitoring der Wertsteigerung durch best plaza
„What gets measured gets done“: Entsprechend wird der Fortschritt und der Erfolg der best-Projekte systematisch und konzernweit verfolgt. Dazu wird weltweit das web-basierte Tool ThyssenKrupp best plaza eingesetzt. Mit dem Programm-Management-Tool werden alle best-Projekte mit der gleichen Systematik strukturiert und mit terminierten Meilensteinen versehen. Die Einhaltung der Terminpläne wird kontinuierlich über Ampeln überprüft. Die Projektziele werden auf konfigurierbaren Scorecards in den drei Zieldimensionen „Ergebnisverbesserung“, „Reduzierung Capital Employed“ und „nicht monetäre Ziele“ (z.B. Key Performance Indicators) erfasst und von Beginn an bis zur nachhaltigen Zielerreichung verfolgt. Die Gliederung der Scorecards entspricht dem Wertmanagementsystem von ThyssenKrupp. In den Scorecards werden auch Informationen zur Ableitung der Potenziale und wesentliche Prämissen festgehalten. Durch die methodisch konsistente Ermittlung der Projektpotenziale kann damit jeder Projektleiter bzw. jedes Projektteam ablesen, mit welchem Anteil es zur Wertsteigerung von ThyssenKrupp beiträgt. Wichtig ist, dass der Projektleiter – bei ThyssenKrupp vielfach Ingenieure – in enger Abstimmung mit dem Controlling die Werte für die Scorecard ermittelt. Der Projektleiter trägt nicht nur die Verantwortung für die Umsetzung der Maßnah-
Wertsteigerung durch das Konzernprogramm best bei ThyssenKrupp
605
men, sondern auch für die Erreichung der Wertsteigerungspotenziale. Mit Projektampeln werden der Projektfortschritt sowie die Zielerreichung bzgl. „Ergebnisverbesserung“, „Reduzierung Capital Employed“ und „nicht-monetäre Ziele“ auf allen Berichtsebenen visualisiert (siehe Abb. 5). Auf Konzernebene und jeder relevanten Ebene darunter hat das Management mit best plaza jederzeit die volle Transparenz über den Status von best. Zurzeit werden mit best plaza über 4.100 Projekte mit mehr als 13.800 konkreten Maßnahmen und über 27.600 Einzelschritten verfolgt. Die Projekte werden weltweit vor Ort von den Projektleitern eingegeben. Damit wird sichergestellt, dass nur die Potenziale berichtet werden, zu denen sich die jeweiligen Projektleiter verpflichtet haben und die mit dem Controlling vor Ort abgestimmt sind. Die Potenziale für das Gesamtprogramm werden entsprechend bottom-up aus den einzelnen Projekten ermittelt. Durch den weltweiten Onlinezugriff wird eine größtmögliche Aktualität der Daten sichergestellt. Jede Aktualisierung von z.B. einzelnen Plan- oder Ist-Potenzialen ist sofort in best plaza zu erkennen. ThyssenKrupp
Online Übersicht über den Status von best
best
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Abb. 5: Programm-Management Tool best plaza
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Know-how-Transfer durch die Bildung von Wissensnetzwerken
Bei der Projektarbeit soll nicht jedes Mal alles neu entwickelt, sondern wo immer möglich auf das bereits im Konzern vorhandene Wissen zurückgegriffen werden. Hierfür ist es erforderlich, dass sich die best-Teams ein persönliches Netzwerk zu
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den „best practice“-Projekten bzw. Unternehmen im Konzern aufbauen können. Die Basis hierfür ist ThyssenKrupp best plaza. Mit best plaza haben die Mitarbeiter Zugriff auf alle Projekte weltweit. Neben den Kontaktdaten des Projektleiters findet sie im so genannten Projektsteckbrief zu jedem Projekt eine Kurzbeschreibung sowie die Darstellung der Projektziele und bei bereits beendeten Projekten die Projektergebnisse. Die ThyssenKrupp-Mitarbeiter in Großbritannien zum Beispiel können sich anzeigen lassen, welche Projekte zurzeit in ihrem Land laufen. Oder der Six-Sigma Verantwortliche des Segmentes Automotive kann sich über andere Six-Sigma Projekte im Konzern informieren. Ebenso können die Projekte nach Initiativen ausgewertet werden. Jeder Mitarbeiter hat somit die Möglichkeit zu sehen, welche Projekte im Rahmen der Vertriebsinitiative weltweit durchgeführt bzw. welche Tools eingesetzt werden. Den Projektbeteiligten wird so die Möglichkeit eröffnet, Mitarbeiter anderer ThyssenKrupp-Unternehmen zu finden, die an den gleichen bzw. ähnlichen Themenstellungen arbeiten. Ziel ist der intensive Austausch der Projektleiter untereinander und die Nutzung von Synergieeffekten. Ergänzt wird dieser dezentrale Know-how-Austausch durch regelmäßige Treffen der best-Koordinatoren und best-Projektleiter in den einzelnen Segmenten.
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Zukünftige Impulse zur Wertsteigerung und Wertorientierung bei ThyssenKrupp
Das Konzernprogramm best existiert seit dem Jahre 2001. Es ist ein wesentliches Element der Wertsteigerung von ThyssenKrupp, dient der Hebung der Potenziale im operativen Geschäft und ist fest im ThyssenKrupp-Konzern verankert. Das bisher Erreichte wird von allen Beteiligten und von unseren Stakeholder als Erfolg bewertet – ist aber auch Herausforderung für die Zukunft zugleich. Ein Erfolg ist es vor allem, weil das Management von ThyssenKrupp ein verlässliches Instrument zur Mobilisierung des Konzerns und seiner Mitarbeiter besitzt, das diese systematisch in die kontinuierliche Weiterentwicklung und Verbesserung des Konzerns einbindet. Darüber hinaus erlaubt das Programm über best plaza ein systematisches Reporting und Controlling der operativen Wertsteigerung des Konzerns. Der Mehrwert für jedes einzelne Konzernunternehmen liegt insbesondere in der methodischen Unterstützung der Projektarbeit und in dem konzernweiten „best practice sharing“. Letztlich beruht der Erfolg auf insgesamt fünf Säulen (siehe Abb. 6). Die Herausforderung im Zusammenhang mit dem Konzernprogramm besteht für die Zukunft im Wesentlichen darin, das Programm best nicht als definiert und statisch zu begreifen, sondern es kontinuierlich weiterzuentwickeln. Ein Bestandteil der Weiterentwicklung ist best plaza und damit die Projektsteuerung sowie -verfolgung. Vor allem aber sind immer wieder neue Impulse zur Performanceverbesserung zu setzen. Durch die in diesem Geschäftsjahr gestartete Einkaufsinitiative werden Beschaffungsvorgänge innerhalb des Konzerns verbessert.
Wertsteigerung durch das Konzernprogramm best bei ThyssenKrupp
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Durch eine Dienstleistungsinitiative werden Möglichkeiten der Ausweitung des Dienstleistungsanteils, insbesondere im After-Sales-Bereich eruiert. Mit der Initiative Kapitalproduktivität wird nicht-betriebsnotwendiges Anlagevermögen aufgedeckt sowie das Net Working Capital etwa durch den Abbau von Forderungen oder Vorräten reduziert. Die Impulse zur Wertsteigerung im Rahmen von best werden parallel durch neue Impulse zur weiteren Wertorientierung begleitet. Es wurde einleitend darauf hingewiesen, dass Wertorientierung ein integraler Bestandteil der Unternehmensführung geworden ist – auch und gerade bei ThyssenKrupp. Jedoch wird auch die Orientierung an Werten weiterentwickelt. Fünf Jahre nach Einführung des Wertmanagements bei ThyssenKrupp ist es zweckmäßig, eine Methodenprüfung durchzuführen und evtl. notwendige Anpassungen an aktuelle Gegebenheiten vorzunehmen. Dies betrifft die eigentliche Kennzahlendefinition, die Bestimmung des Kapitalkostensatzes (Veränderung der Kapitalstruktur und der Verzinsungssätze) sowie die Ziel-ROCEs (Änderung des Rentabilitätsniveaus einer Branche). Außerdem kann die Kapitalallokation für Sach- und Finanzinvestitionen noch stärker mit der vergangenen, aber auch mit der in Zukunft prognostizierten Wertschaffung der Segmente verknüpft werden. ThyssenKrupp
Die fünf Säulen von ThyssenKrupp best
best
ThyssenKrupp best = operative Projekte zur Wertsteigerung
Organisation & Commitment
Initiativen & Tools
Know-howTransfer & Schulungen
Reporting & Controlling
Einbindung Mitarbeiter & Kommunikation
Verbesserungspotenzial
Abb. 6: Die wesentlichen Elemente von best
Schließlich aber ist die wichtigste Aufgabe, die Wertorientierung des Unternehmens mit den individuellen Zielen und Interessen jeder einzelnen Führungsbzw. Führungsnachwuchskraft zu verknüpfen. Diesbezüglich ist bei ThyssenKrupp bereits über „best for best“ eine erfolgreiche Projektarbeit im Rahmen von best mit der Personalentwicklung verbunden. Eine systematische Verknüpfung der
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Olaf Berlien, A. Stefan Kirsten, Jochen Oelert, Robert Schutt
Wertsteigerung des jeweiligen Verantwortungsbereichs mit der Vergütung des Einzelnen steht als wesentlicher Impuls für die Wertorientierung und die Wertsteigerung des ThyssenKrupp-Konzerns insgesamt in Zukunft an.
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Wertorientierte Unternehmensführung bei der SAP Werner Brandt, Peter Zencke1 Inhalt 1 2 3 3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.3 3.4 4 5 6
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Einleitung ............................................................................................................. 609 Kurzportrait der SAP ............................................................................................ 610 Wertorientierte Unternehmensführung bei der SAP ............................................. 613 Wertorientierung bei der SAP............................................................................... 613 Die Handlungsfelder wertorientierter Unternehmensführung bei der SAP........... 616 Nachhaltiges Wachstum durch Innovationen........................................................ 616 Implementierung effizienter Prozesse................................................................... 620 Umfassende Kundenbetreuung durch die Vertriebs- und Service-Organisation... 621 Die Aufgabe des Controllings............................................................................... 623 Die Bedeutung der Kommunikation zum Kapitalmarkt........................................ 625 Wertorientierte Unternehmensführung bei der SAP am Beispiel CRM................ 626 Erkenntnisse und Ausblick ................................................................................... 634 Literatur ................................................................................................................ 635
Einleitung
Der wertorientierten Unternehmensführung kommt bei der SAP AG als börsennotiertem Unternehmen eine hohe Bedeutung zu. Bestehende und potenzielle Anteilseigner der SAP erwarten von ihrer Investition eine angemessene Rendite, welche sich neben der ausgeschütteten Dividende primär aus der Steigerung des Aktienkurses ergibt. Im vorliegenden Beitrag wird der von der SAP angewandte Ansatz der wertorientierten Unternehmensführung dargestellt. Dafür wird im zweiten Abschnitt zunächst die SAP skizziert. Nachfolgend werden die Zielsetzung und strategische Handlungsfelder wertorientierter Unternehmensführung bei der SAP vorgestellt sowie ein Überblick über die Ableitung und Umsetzung der wertorientierten Gesamtstrategie gegeben. Dabei werden auch Kernprozesse, organisatorische Rahmenbedingungen und die Überprüfung sowie Kommunikation der wertorientierten Strategie umrissen. Die Ausführungen werden anschließend anhand der Entstehung, Einführung und Weiterentwicklung des Produktes mySAP CRM2 verdeutlicht. Der letzte Abschnitt fasst schließlich die Ergebnisse der wertorien-
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Die Verfasser danken Herrn Dipl. Kfm. Timm Rehling für seine tatkräftige Unterstützung bei der Erstellung dieses Beitrags. Die Abkürzung CRM steht dabei für Customer Relationship Management.
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Werner Brandt, Peter Zencke
tierten Unternehmensführung der SAP zusammen und gewährt einen Ausblick vor dem Hintergrund aktueller Marktentwicklungen.
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Kurzportrait der SAP
Die SAP ist heute der weltweit führende Anbieter von Unternehmenssoftware. Mit Hilfe solcher Softwarelösungen lassen sich unternehmensspezifische Prozesse in Echtzeit integriert unterstützen und optimieren. Mit über 32.000 Mitarbeitern hat die SAP im Geschäftsjahr 2004 bei einem Umsatz von ca. 7,5 Mrd. € eine Umsatzrendite von ca. 18% erzielt. Neben generischen Lösungen, wie beispielsweise Software für das Enterprise Resource Planning (ERP), bietet die SAP auch integrierte und funktionsspezifische Anwendungen an. Dazu gehören zum Beispiel Lösungen für das Customer Relationship Management, das Supply Chain Management oder das Product Lifecycle Management. Weiterhin werden speziell auf das Segment der kleinen und mittelständischen Unternehmen zugeschnittene Softwarelösungen angeboten. Dieses Produktangebot wird durch ein umfassendes Spektrum an Wartungs-, Beratungs- und Trainingsleistungen abgerundet. In mehr als 27.000 Unternehmen in über 120 Ländern sind ca. 91.500 SAP-Installationen implementiert. Seit ihrer Gründung im Jahr 1972 ist die SAP hinsichtlich ihres Umsatzes und der Anzahl der Mitarbeiter stetig gewachsen, ihr Wert hat sich dabei vervielfacht.3 Zwischenzeitlich wurden tief greifende technologische Änderungen4 selbst eingeleitet oder diesen – ebenso wie Umbrüchen der Marktsituation – erfolgreich begegnet und das Unternehmen wiederholt neu ausgerichtet. Die SAP weist weltweit die dritthöchste Marktkapitalisierung aller Softwareunternehmen auf.5 Diese Bewertung lässt sich als Beweis des Vertrauens der Investoren in die Fähigkeiten und künftigen Erfolgsaussichten des Unternehmens interpretieren: Insbesondere bei Softwareunternehmen reflektiert der Aktienkurs die Beurteilung der Investoren im Hinblick auf die Unternehmensstrategie und die Zukunftsfähigkeit der Produkte. Ein angemessener Börsenwert und die damit verbundene positive Wahrnehmung des Unternehmens bei den bestehenden und potenziellen Kunden wirken sich auf deren Investitionsentscheidung aus und beeinflussen damit positiv das Softwaregeschäft des Anbieters. Die Marktbewertung dient den Marktteilnehmern als Indikator dafür, dass ihr Lieferant finanziell stabil aufgestellt ist und nachhaltig erfolgreich sein wird sowie die relativ hohen Um3
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Der aktuelle Kurs der SAP-Aktie entspricht dem ca. 66-fachen des Emissionskurses bei ihrem Börsengang im Jahr 1988 unter Berücksichtigung von Aktiensplits. (Stand: 30.12.2004, vgl. auch die diesbezügliche Informationen auf der Web-Site der SAP unter www.sap.de) Derartige Änderungen werden als „disruptive technologies“ bezeichnet: Neue Technologien bringen einen Umbruch der Branche und bestehender Geschäftsmodelle mit sich. Der Übergang von den Lochkarten zur Mainframe-Architektur bzw. der nachfolgende Übergang auf die Client/Server-Architektur sind Beispiele für disruptive technologies. Eine höhere Marktbewertung haben lediglich die Softwareanbieter Oracle Corp. und Microsoft Corp., Stand: 21.04.2005.
Wertorientierte Unternehmensführung bei der SAP
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stellungskosten eines – beim Untergang des Anbieters unvermeidlichen – vollständigen Systemwechsels unwahrscheinlich sind. Neben fundamentalen Daten enthalten Aktienkurse aber auch Irrationalismen6 und spekulative Elemente, beispielsweise in Form von starken Kursausschlägen unmittelbar nach der Verkündung kapitalmarktrelevanter Informationen (Ankündigungseffekte). Primär werden Börsenkurse jedoch von mittel- bis langfristigen Wachstumserwartungen der Marktteilnehmer bestimmt. Dies verdeutlicht die Analyse des Kurs-Gewinn-Verhältnisses (KGV) am Beispiel der SAP: Während das durchschnittliche KGV von DAX-30-Unternehmen bei 15,2 liegt, weist die SAP ein KGV von 26,8 auf.7 Die Marktteilnehmer schätzen offensichtlich die Wachstumsaussichten der SAP wesentlich besser ein als die eines durchschnittlichen DAX-30-Unternehmens.8 Die Marktbewertung der SAP weist zudem eine – für Technologieunternehmen typische – hohe Volatilität auf, was in ihrem Beta9 zum Ausdruck kommt. Die Marktteilnehmer reagieren kurzfristig relativ stark auf makroökonomische oder politische Informationen sowie auf Nachrichten aus dem Umfeld der SAP oder der IT-Branche. Das überaus dynamische Umfeld der SAP ist durch häufige, weit reichende technologische Umbrüche und eine Vielzahl neuer Technologien geprägt. Ausschlaggebend für aktuelle und künftige Erfolge ist dabei insbesondere die Expertise der Mitarbeiter. Der Produktionsfaktor „Humankapital“ steht klar im Vordergrund, anderen Produktionsfaktoren kommt lediglich eine untergeordnete Rolle zu. Eine Vielzahl von kleineren Softwarehäusern entwickelt und vertreibt Speziallösungen oder Nischenprodukte. Sie stellen punktuelle Lösungen für spezifische Probleme bereit. Demgegenüber stehen auch einige große Anbieter, die über eine umfangreiche Produktpalette verfügen oder Spezialanbieter innerhalb einer bestimmten Softwarekategorie mit starker Marktpositionierung sind.10 In unterschiedlichen Bereichen konkurrieren diese direkt mit der SAP: Im Hinblick auf ERP-Software sind dabei vor allem die US-amerikanischen Softwareanbieter Oracle Corp. und Microsoft Corp. zu nennen. Im Bereich CRM sind die US-amerikanischen Anbieter Siebel Systems Inc. sowie salesforce.com wichtige Konkurrenten. Das Marktumfeld der SAP wird momentan von unterschiedlichen Entwicklungen geprägt. So verändert sich die Qualität des Wettbewerbs im Marktsegment für
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Die Aktie der SAP verzeichnete am 7. März 2000 zu Zeiten des Internet-Hypes ihren Höchstkurs von 281€ (Schlusskurs an der Frankfurter Börse). 7 Quelle: Eigene Analyse per 31.12.2004, basierend auf dem Gewinn je Aktie für das Geschäftsjahr 2004. 8 Ca. 82% des Aktienkurses der SAP sind auf die mittel- bis langfristigen Wachstumserwartungen der Marktteilnehmer zurückzuführen, vgl. Coenenberg/ Salfeld 2003, S. 112. 9 Das auf wöchentlicher Basis über einen Dreijahreszeitraum gegenüber dem Referenzindex DAX erhobene Beta beläuft sich per 30.12.2004 auf 1,43. 10 Man spricht in diesem Zusammenhang von Best-of-Breed-Anbietern.
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Werner Brandt, Peter Zencke
Unternehmenssoftware erheblich durch die aktuelle Konsolidierungswelle.11 Darüber hinaus bewirken reduzierte IT-Budgets bestehender und potenzieller Kunden sämtlicher Branchen den tendenziellen Rückgang der durchschnittlichen Auftragsgröße: Vermehrt werden Softwareimplementierungen kleineren Umfangs durchgeführt, die klar abgegrenzte, spezifische Probleme lösen. Weiterhin gewinnt das Marktsegment der kleinen und mittelständischen Unternehmen zunehmend an Bedeutung für die SAP. Im Vergleich zu dem Segment der Großunternehmen bietet dieses Marktsegment aufgrund einer geringeren Marktsättigung attraktivere Wachstumsaussichten.12 Dem Marktsegment CRM kommt dabei innerhalb der SAP eine wichtige Bedeutung zu: Im Jahr 2004 entfielen 21% des erzielten Softwarelizenzumsatzes der SAP auf die CRM-Lösungen.13 CRM-Software dient dazu, die Zufriedenheit und Loyalität der Kunden sowie die Effizienz der Kundenbeziehung zu steigern. Die Kundennähe soll erhöht und die internen Prozesse sollen stärker auf die Kundenbedürfnisse ausgerichtet werden. Die Software umfasst Verfahren und Strategien für Marketing, Vertrieb und Service. Derart sollen neue Kunden gewonnen, bestehende Kundenbeziehungen über den gesamten Kundenlebenszyklus hinaus ausgebaut sowie die Wettbewerbsfähigkeit und der Unternehmenserfolg durch die Optimierung der Kundenbeziehungen verbessert werden.14 Die Software wird im direkten Kontakt mit dem Kunden eingesetzt, sie verbindet kundenspezifische Prozesse mit sämtlichen Aspekten der Unternehmensführung. Unterschiedliche Kommunikationskanäle, wie z.B. Call Center, Web, E-Mail und Direktvertrieb, werden durch CRM-Software miteinander verbunden und integriert verwaltet.15 Die Kommunikations- und Verkaufsbeziehungen mit Kunden werden so effektiver ausgestaltet und koordiniert, es resultieren schließlich Effizienzsteigerungen.
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Ende 2004 hat Oracle den Wettbewerber PeopleSoft Inc. übernommen, nachdem PeopleSoft zuvor im Sommer 2003 J.D. Edwards & Co. gekauft hatte. 12 So haben ca. 74% der weltweit 500 größten Unternehmen Lösungen der SAP installiert. 13 Wie in den Vorjahren befragte die SAP auch im Jahr 2003 ihre Kunden zur geplanten Verwendung der neu erworbenen Softwarelizenzen, woraus sich die Verteilung des Softwareumsatzes auf die verschiedenen Softwarelösungen ergibt. 14 „CRM in four words: treat different customers differently“, Don Peppers: “Customer Relationship Management: The importance of Competitive Strategy”, SAP Global Customer Advisory Board, 21. November 2002, Philadelphia, USA. 15 Vgl. ausführlich zu CRM-Software: Buck-Emden/ Zencke 2004.
Wertorientierte Unternehmensführung bei der SAP
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Wertorientierte Unternehmensführung bei der SAP
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Wertorientierung bei der SAP
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Wertorientierte Unternehmensführung bei der SAP ist langfristig darauf ausgerichtet den Free Cash Flow (FCF), der an die Kapitalgeber – bei der SAP überwiegend Eigenkapitalgeber – ausgeschüttet werden kann, zu erhöhen. Eine Erhöhung des FCF schlägt sich in den Bewertungsmethodiken zur Bestimmung des fundamentalen Unternehmenswertes, beziehungsweise dessen Änderung innerhalb eines Zeitintervalls, ceteris paribus in einem höheren Unternehmenswert nieder. Die dabei hauptsächlich verwendeten DCF-Methoden16 basieren auf den theoretischen Grundlagen von Modigliani/ Miller17 und dem CAPM18. Mittels Diskontieren zukünftig erwarteter Free Cash Flows mit risikoadjustierten Zinssätzen wird dabei der Unternehmenswert ermittelt. Der FCF kann u.a. dadurch erhöht werden, dass die Kapitalbindung verringert wird. Im Vordergrund bei der SAP steht dabei die Optimierung des Working Capitals. Bedeutendster Einflussfaktor ist die kontinuierliche Reduzierung der Days of Sales Outstanding (DSO). Die DSO beschreiben – gemessen in Tagen – wie lange Forderungen durchschnittlich ausstehen. Eine Reduzierung der DSO um einen Tag entspricht bei der SAP einer Erhöhung des Free Cash Flow um ca. 22 Mio. €.19 Besonders effektiv kann der Free Cash Flow jedoch über ein nachhaltiges Umsatzwachstum erhöht werden, sofern dieses nicht mit einer Verringerung der Profitabilität einhergeht. Ein derartiges profitables Wachstum setzt bei der SAP zunächst die Erhöhung des Softwarelizenz-Umsatzes voraus: Diesem kommt die Rolle des Umsatztreibers zu, von dem weitere Umsatzarten abhängen. Lizenzerlöse resultieren überwiegend aus dem einmaligen Verkauf von Lizenzen für die Nutzung von Softwareprodukten. Diese Lizenzen werden in der Regel zusammen mit Wartungsleistungen verkauft, die neben dem Kundensupport und der regelmäßigen Wartung der Software auch neue Software-Releases oder Updates umfassen und die nach Verkauf der Softwarelizenz jährlich anfallende Wartungsumsätze generieren. Lizenz- und Wartungserlöse werden unter Produkterlösen subsumiert. Diese Produktumsätze ziehen weitere Folgegeschäfte nach sich, die sich dann als Service-Umsatz niederschlagen. Dazu gehören Beratungs- und Schulungsleistungen. Eine wichtige Indikatorfunktion kommt im Zusammenhang mit den Lizenzerlösen der Verteilung der Marktanteile zu. Marktanteilsgewinne signalisieren, dass das Unternehmen stärker als der Markt wächst. In gesättigten oder schrump16
Vgl. dazu bspw. Hachmeister 2000 oder Wallmeier 1999. Vgl. Modigliani/ Miller 1958 sowie dies. 1963. 18 Vgl. zusammenfassend bspw. Nowak 2000 m.w.N. 19 Im Vergleich zum Geschäftsjahr 2001 konnte die SAP ihre DSO per Ende des Geschäftsjahres 2004 von 94 auf 71 Tage reduzieren. 17
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fenden Märkten können zusätzliche Marktanteile nur hinzugewonnen werden, indem sie den Wettbewerbern abgenommen werden. In wachsenden Marktsegmenten hingegen werden Marktanteilsgewinne nur realisiert, sofern das eigene Wachstum das des betrachteten Marktsegmentes übertrifft. Eigene Marktanteilsgewinne werden positiv von den Marktteilnehmern aufgenommen und stärken die Reputation des Unternehmens. Vor einer Investitionsentscheidung im Softwareumfeld stehende potenzielle Kunden entscheiden sich aufgrund der höheren Zukunftssicherheit der Produkte und der eigenen Investitionssicherheit tendenziell eher für den Marktführer. Bei der SAP werden Marktanteile, insbesondere im Vergleich zu der so genannten Peer Group20, basierend auf den weltweit getätigten Gesamtinvestitionen in Softwarelizenzen und den Wartungserlösen bestimmt. Die angestrebten Marktanteilsgewinne werden dann zusammen mit den erwarteten Softwareerlösen zur internen Steuerung genutzt. Zwischen Lizenzwachstum und Steigerung der Profitabilität liegt sowohl Zielkomplementarität als auch Zielkonkurrenz vor. Überdurchschnittliches Wachstum ist nicht um jeden Preis erstrebenswert, denn auf Kosten der Profitabilität schafft Wachstum zumindest langfristig keinen zusätzlichen Wert. Erst profitables Wachstum resultiert in signifikanten Wertzuwächsen. Zusätzlich zum Wachstum ist somit auch die Steigerung der operativen Marge erforderlich, was über die effektive und effiziente Ausgestaltung sämtlicher Leistungsprozesse erreicht werden kann. Für nachhaltigen Erfolg muss darüber hinaus trotz hoher Profitabilität hinreichend finanzieller Spielraum verbleiben, um zur Vorbereitung auf die nächste Wachstumsphase in die Innovationskraft des Unternehmens zu investieren.21 Die nachfolgende Abbildung 1 verdeutlicht das profitable Wachstum der SAP anhand ihrer Umsatz- und Gewinnentwicklung im Zeitablauf.22 Auch die Gesamtrendite für die Anteilseigner, der Total Return to Shareholders, hat sich in der Vergangenheit äußerst positiv entwickelt. Der Aktienkurs liegt per Jahresanfang 2005 auf einem 30fach höheren Niveau als per Jahresbeginn 1990. Die an die Aktionäre ausgeschüttete Dividendensumme ist in einem ähnlich starken Maße angestiegen: Die in 2005 ausgeschüttete Dividendensumme von ca. 340 Mio. € übersteigt die in 1990 ausgeschüttete Dividendensumme von ca. 9 Mio. € um das ca. 38fache.23 Die SAP hat seit 1990 insgesamt ungefähr 1,9 Mrd. € an ihre Aktionäre in Form von Dividenden ausgeschüttet. Der Total Return to Shareholders ist seit
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Die Peer Group umfasst dabei neben der SAP die Unternehmen Siebel Systems Inc. (SEBL), Oracle Corp. (Oracle incl. PeopleSoft), Microsoft Corp. (MSFT). 21 Die F&E-Quote, also der Anteil der Aufwendungen für Forschung und Entwicklung am Gesamtumsatz, dient dabei als Vorlaufindikator für die Fähigkeit eines Unternehmens, künftige Innovationen zu erbringen. 22 Quelle: interne Analyse der SAP. 23 Die im jeweiligen Geschäftsjahr ausgeschüttete Dividendensumme wird jeweils für das vorangegangene Geschäftsjahr ausgezahlt.
Wertorientierte Unternehmensführung bei der SAP
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1990 mit einer jährlichen durchschnittlichen Wachstumsrate von 26,4% gewachsen.24
Abb. 1: Die SAP in den letzten elf Jahren: Umsatz & Gewinn
Die Strategie, mit der die SAP künftiges profitables Wachstum anstrebt, basiert auf der Entwicklung und dem Vertrieb innovativer Software-Lösungen, die den Kunden strategische Wettbewerbsvorteile schaffen und/oder eine Reduzierung ihrer Total Cost of Ownership (TCO)25 erlauben, und zwar x über alle Branchen hinweg mit einem breiten Lösungsangebot und x für alle Kundensegmente mit einer umfassenden Go-To-Market-Strategie. Profitables Wachstum wird dabei jedoch nur dann erreicht, wenn die SAP von ihren Kunden als Trusted Advisor angesehen wird; nur so wird die SAP in die strategischen Überlegungen ihrer Kunden einbezogen und ist dadurch in der Lage, Entwicklungen und Anforderungen bei ihren Kunden frühzeitig zu erkennen und in die Entwicklung ihrer Software-Lösungen einfließen zu lassen. Der Kunde steht im Mittelpunkt der strategischen Überlegungen: In Zeiten, in denen Kostendruck und Kostenreduzierung zu den wichtigsten Themen des Ma24
Durchschnittliche Rendite pro Jahr in % für den Zeitraum 1.1.1990 bis 1.1.2005; Dividendenzahlungen und Splits wurden bei der Berechung berücksichtigt. 25 Die Total Cost of Ownership (TCO) beinhalten alle Kosten, die im Zusammenhang mit dem Kauf und dem Betreiben von Softwarelösungen entstehen (z.B. Kosten für Anschaffung, Implementierung, Betrieb, Wartung, Pflege, Updates).
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nagements zählen und nur selektiv investiert wird, ist die Reduktion der TCO Maßstab für Investitionsentscheidungen. Investitionen in neue oder zusätzliche SAP-Lösungen sowie neue Technologie werden nur dann getätigt, wenn aus der Investition ein messbarer Nutzen für den Kunden entsteht. Zur effizienten Umsetzung dieser Strategie festigt und erweitert die SAP ihr umfassendes „eco-system“, in das Beratungsunternehmen ebenso wie Hard- und Softwarehersteller eingebunden sind. Dieses Partnernetz hilft der SAP dabei, rasche Implementierungen durchzuführen, eine stabile Systemlandschaft aufzubauen sowie ihre Marktpräsenz und Marktpositionierung zu stärken. 26 Zur Realisierung des angestrebten profitablen Wachstums adressiert die SAP insbesondere die nachfolgend beschriebenen strategischen Handlungsfelder.27 3.2
3.2.1
Die Handlungsfelder wertorientierter Unternehmensführung bei der SAP
Nachhaltiges Wachstum durch Innovationen
Langfristig kann profitables Wachstum in der Softwarebranche überwiegend nur aus immateriellen Werten generiert werden28. Die SAP setzt dafür ihr Intangible Capital zielgerichtet ein und realisiert so ihr Innovationspotenzial. In dem dynamischen Technologieumfeld, in dem sich die SAP bewegt, gilt es aufgrund von Standardisierungs- und Nivellierungsprozessen fortlaufend neue Entwicklungen zu generieren und die Technologieführerschaft zu übernehmen bzw. zu verteidigen.29 Um sich langfristig erfolgreich am Markt behaupten zu kön26
Nur ca. 15% der Beratungsleistungen im Zusammenhang mit SAP-Software werden beispielsweise von SAP-eigenen Beratern erbracht. 27 Vgl. zu strategischen Handlungsfeldern und Wertsteigerungshebeln ausführlich Coenenberg/ Salfeld 2003. 28 Dies ist auch der Grund, warum bei der SAP Wertsteigerungskonzeptionen wie beispielsweise EVA nicht verwendet werden. EVA steht für Economic Value Added und ist ein eingetragenes Warenzeichen des Beratungsunternehmens Stern Stewart & Co. für ihre Ausgestaltung des Residualgewinnkonzeptes, vgl. G.B. Stewart, „The Quest for Value“, 1999. Derartige Messmethoden können nicht von Unternehmen genutzt werden, deren Wert primär durch immaterielle Wirtschaftsgüter determiniert wird. Die Zuordnung des geistigen Eigentums verschiedener Softwarekomponenten auf klar voneinander abzutrennende Geschäftseinheiten ist nicht sinnvoll. Weiterhin würden durch eine künstliche Aufteilung integrierter Einheiten Verbundeffekte nicht erfasst. Implizit wird durch zusätzliches Umsatzwachstum und die Steigerung der Profitabilität jedoch eine Erhöhung der Netto-Cash-Flows erzielt, wodurch sich die Rendite der Anteilseigner erhöht. 29 Technologieführer erarbeiten sich gegenüber ihren Wettbewerbern einen zeitlich befristeten Wettbewerbsvorteil, der Umsatz- und Renditesteigerungen ermöglicht. Dieser nimmt im Zeitablauf jedoch kontinuierlich ab – man spricht dabei von „Commoditizing“ –, da die Wettbewerber erfolgreiche Innovationen kopieren und in ihre Produkte implementieren. Die Technologieführerschaft kann dabei sowohl auf Produkt- als auch auf der
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nen, ist es notwendig, dauerhaft Innovationen zu erbringen und in für den Kunden Wert schaffende Produkte, Technologien oder Dienstleistungen umzusetzen.30 Eine verzögerte oder späte Reaktion auf neue technologische Erkenntnisse oder Entwicklungen werten die Marktteilnehmer als verpasste Absatzchance und damit als nicht erschlossenes Marktpotenzial. Erwartungen über Zukunftsaussichten verschlechtern sich und spiegeln sich direkt im Aktienkurs und damit in einer Verringerung der Marktbewertung wider. Wachstum muss demzufolge über unterschiedliche zeitliche Horizonte durch Innovationen generiert werden. Innovationen und Produkte durchlaufen dabei typischerweise die als Zukunftsgeschäft, Wachstumsgeschäft und Kerngeschäft bezeichneten Phasen.31 Kurzfristig werden Innovationen und Aktivitäten ausgerichtet, um das Kerngeschäft zu verteidigen und auszubauen. Dadurch werden insbesondere die Profitabilität sowie das Ergebniswachstum erhöht. Über Investitionen in das Wachstumsgeschäft werden Fähigkeiten erworben und ausgebaut, mittels derer mittelfristig neue Geschäftsfelder erschlossen werden. Diese Bereiche versprechen ein hohes Wachstums- und Ertragspotenzial und sollen zu künftigen Kerngeschäften werden. Vor einem langfristigen Horizont definieren Innovationen das Zukunftsgeschäft. Heutige Konzeptionen und Weiterentwicklungen sind dabei regelmäßig noch nicht produktspezifisch; vielmehr kristallisieren sich im Zeitablauf Geschäftsideen heraus, die schließlich konkretisiert werden. In der nachfolgenden Abbildung 2 sind ausgewählte Produkte und Innovationen der SAP zu unterschiedlichen Zeitpunkten in die Bereiche Kern-, Wachstums- und Zukunftsgeschäft eingeordnet. Beispielsweise ist dabei die in 1999 noch als Zukunftsgeschäft eingegliederte Business Suite im Jahre 2005 zum Kerngeschäft geworden.32
Abb. 2: Produkte und Innovationen der SAP im Zeitverlauf zugrunde liegenden Technologieebene erreicht werden. Beispielsweise hat die SAP als erster Anbieter von Standardsoftware den Wechsel von der Mainframe- auf die Client/ Server-Architektur vollzogen und damit einen großen Innovationsschwung ausgelöst. Mit spezifischen Branchen- und Funktionslösungen hat sie diese Position auch bezüglich der Applikationen eingenommen. 30 Dies bedingt und rechtfertigt auch die hohen F&E-Ausgaben in technologieorientierten Branchen. 31 Vgl. Coenenberg/ Salfeld 2003, S. 114 f. 32 Quelle: Interne Darstellung der SAP.
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Werner Brandt, Peter Zencke
Um das Produktportfolio an den Marktchancen auszurichten, kommt der Steuerung des Produkt- und Technologieportfolios eine wesentliche Rolle zu. Die Portfolioplanung und -ausrichtung hat zum Ziel, die Schwerpunkte der Produktentwicklung für einen definierten Zeitraum festzulegen und damit die Entwicklungsaktivitäten der SAP zu fokussieren sowie diese in den finanzwirtschaftlichen Planungsprozess zu integrieren. Im Zuge der Priorisierung von Entwicklungsvorhaben gilt es außerdem, vorhandene Ressourcen so einzusetzen, dass die Expertise der Mitarbeiter gezielt ausgerichtet und neu kombiniert wird. Die Gesamtkapazitäten des Entwicklungsbereiches sind auf eine Vielzahl unterschiedlicher Projekte aufzuteilen. Rund 10.650 Entwickler der SAP und ein entsprechendes Budget müssen ausgerichtet werden. Über eigene F&E-Anstrengungen hinaus tritt die SAP außerdem als VentureCapitalist in der IT-Branche auf. Die Venture Capital-Beteiligungen stellen Anlageobjekte mit Renditeerzielungsabsicht dar. Parallel ermöglicht die Vergabe von Risikokapital an innovative Unternehmen aber auch das aktive Beobachten neuer Entwicklungen und Branchentrends. Dies zusammen mit einem permanent den Markt beobachtenden Business Development hilft, neue Trends am Markt rechtzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren. So kann verhindert werden, dass Konkurrenten die Technologieführerschaft für einen spezifischen Bereich übernehmen und die SAP lediglich die Rolle des Fast Follower33 einnehmen kann. Im Rahmen ihrer Portfoliosteuerungsaktivitäten plant die SAP weder große Akquisitionen noch zielt sie darauf ab, Marktanteile oder Kunden zu erwerben. Vielmehr strebt sie mit der Akquisition kleinerer Unternehmen an, ihr Technologieportfolio gezielt zu ergänzen und dadurch ihre geografische Verfügbarkeit sowie das Angebot in bestimmten Industrien zu erweitern.34 Die Organisation der SAP ermöglicht und unterstützt die effektive Ausrichtung des Produktportfolios an den Marktchancen. Mit der Initiative SCORE (Strategic Cross-Organizational REalignment) hat die SAP im Jahr 2003 ihre Organisationsstruktur erneuert und verschlankt; vorhandene Stärken und die technologische Expertise wurden neu miteinander kombiniert. Der Fokus auf branchenspezifische Lösungen, Szenarien und die durchgängige Systemintegration wurde verschärft, die Organisation stärker auf Innovationen ausgerichtet.
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Aufgrund der Aktivitäten der Fast Follower reduziert sich der Vorteil des Technologieführers. Von den überdurchschnittlichen Erfolgen des Technologieführers angezogen, wird das Hauptdifferenzierungsmerkmal des Technologieführers kopiert und in eigene Produkte oder Dienstleistungen implementiert. Der Vorsprung des Technologieführers mindert sich dadurch, das „Commoditizing“ setzt ein. 34 Beispielsweise werden die Produkte und Technologien des im Juli 2004 erworbenen Unternehmens A2i Inc. unter anderem in die SAP NetWeaver-Plattform eingebunden, was eine weitere Reduzierung der Total Cost of Ownership für Kunden sowie die Stärkung der Marktposition der SAP ermöglicht.
Wertorientierte Unternehmensführung bei der SAP
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Die Entwicklungseinheiten35 der industriespezifischen und generischen Unternehmenslösungen der SAP wurden im Rahmen dieser Umorganisation zu den drei neuen Geschäftseinheiten „Fertigungsindustrie“, „Dienstleistungsbranche“ und „Finanzdienste und öffentlicher Dienst und Verwaltung“ zusammengelegt.36 Die Geschäftseinheiten haben die volle Geschäftsverantwortung für ihren Bereich und erhalten spezifische Zielvorgaben für Umsatz, Produktqualität und Kundenzufriedenheit. Dadurch werden unter anderem zielgerichtet die Interaktion zwischen Entwicklungsabteilungen und dem Vertrieb gestärkt sowie Synergien im Entwicklungsbereich gehoben. Die Anwendungskomponenten, die von allen funktions- und industriespezifischen Lösungen benötigt werden, werden generisch in der „Applikationsplattform & Architektur-Gruppe“ (AP&A) entwickelt. In einem weiteren Bereich wird die Technologieplattform SAP NetWeaver entwickelt. Sie ist das Rückgrat der neuen Enterprise Services Architecture (ESA), die zusammen mit der AP&A definiert wird und konzernweit in allen organisatorischen Einheiten und im gesamten Lösungsportfolio adaptiert wird. Die ESA ist die künftige Software-Architektur der SAP-Anwendungen, die einzelne Softwarebausteine auf Basis von Services miteinander verknüpft und integriert. Der Plattformfertigung innerhalb der Automobilindustrie ähnelnd, werden Softwarekomponenten modular aufgebaut und so voneinander abgegrenzt, dass sie zu unterschiedlichen Szenarien oder Services zusammengesetzt und wieder verwendet werden können. Mit der in 2005 eingeführten Initiative GOAL (Global Organizational ALignment) wurde der mit SCORE begonnene Prozess der Neuausrichtung der Organisation abgeschlossen. Im Rahmen von GOAL wurde die Organisationsstruktur entlang der „SAP-Wertschöpfungskette" aufgebaut. Die Vorstandsbereiche wurden dabei den einzelnen Abschnitten der Wertschöpfungskette zugeordnet, so dass jeder Vorstand für einen dieser Abschnitte verantwortlich ist. Die Wertschöpfungskette beginnt mit einer neuen Idee oder „Breakthrough Innovation". Danach kommt die Produktentwicklung, gefolgt von dem Produktionsprozess und der Qualitätssicherung. Anschließend folgen die Erstellung und Koordination von Services sowie die Bereitstellung des Supports und der Wartung der Lösungen der SAP. Am Ende der Wertschöpfungskette steht die CSO-Organisation, die für die Implementierung im Feld durch Marketing und Vertrieb, Training und Beratung zuständig ist. Diese einzelnen Wertschöpfungskettenabschnitte werden von den übergreifenden Funktionen Finance & Administration, Human Ressources & Processes sowie den Stabsabteilungen des CEOs unterstützt (siehe Abb. 3). Durch diese Organisationsform wird die Flexibilität der Organisation weiter erhöht, Verantwortlichkeiten sind klarer verteilt. Produkte können schneller im Markt platziert werden, die „Time-to-Market“ sinkt. Die SAP kann sich noch besser an neue Marktentwicklungen anpassen und externe Anforderungen an die Unternehmenssoftware schneller umsetzen. Die neue Organisationsstruktur treibt 35
Die SAP hat ihr Hauptentwicklungszentrum an ihrem Stammsitz in Walldorf, unterhält darüber hinaus u.a. Entwicklungslabore in Palo Alto, Tokio, Shanghai, Bangalore, Budapest und Sophia Antipolis. 36 Diese Geschäftseinheiten werden als Business Solution Groups (BSGs) bezeichnet.
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somit den Wandel voran und verteilt klar die Verantwortlichkeiten für die tägliche Umsetzung, um den langfristigen Erfolg der SAP zu sichern.
Abb. 3: SAP Corporate Structure
Die mit SCORE eingeführten Prinzipien werden auch unter der neuen Organisationsstruktur eingehalten, unter anderem durch die klare Abgrenzung zwischen Solution Management und Entwicklung, durch die Branchenausrichtung und den Vermarktungsansatz, die projekt-basierte Entwicklung sowie den gemeinsamen Portfolio Management-Prozess. 3.2.2
Implementierung effizienter Prozesse
Kurz- und langfristige Gewinnerwartungen und die eng damit verbundene Profitabilität des Unternehmens bilden eine wichtige Komponente des Unternehmenswertes. Die Maßnahmen zur Erreichung einer hohen Profitabilität bzw. deren Steigerung zielen primär ab auf effizient ausgestaltete Leistungsprozesse, die sich in einer ausgewogenen Kostenstruktur niederschlagen, sowie auf Produkte mit hohem Kundennutzen, die zusätzlichen Umsatz generieren. Derart definierte operative Exzellenz stellt einen klaren Wettbewerbsvorteil dar und ist als fortdauernde flankierende Aufgabe vom Management wahrzunehmen. Mittels effizient ausgestalteter Prozesse erhöht sich somit ceteris paribus die Profitabilität des Unternehmens, es resultiert schließlich eine Steigerung der Earnings Per Share (EPS). Vor allem die Kernprozesse eines Unternehmens müssen für die erfolgreiche Generierung profitablen Wachstums effizient ausgestaltet sein. Bei der SAP führen dazu zwei spezifische Lebenszyklus-Konzepte Expertise und Erfahrungen aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen zusammen: der Product Innovation Lifecycle (PIL) sowie der Customer Engagement Lifecycle (CEL). Mit dem PIL wurde ein Prozess institutionalisiert, der über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg vorgibt, wie Ideen verwirklicht und Produkte konzipiert,
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produziert und vermarktet werden. Dieser Prozess unterstützt das Portfolio- und das Lösungsmanagement, er involviert dabei fast alle Bereiche der SAP. Im Rahmen fortdauernder Verbesserungsanstrengungen werden Erfahrungen und zusätzliche Anforderungen der Kunden in der Weiterentwicklung von Produkten berücksichtigt. Dadurch wird eine kontinuierliche Verbesserung realisiert, gleichzeitig aber auch für den Kunden ein konkreter Mehrwert geschaffen. Entwicklung und Vertrieb werden systematisch aufeinander abgestimmt und richten sich auf ein konkretes Absatzpotenzial. Mit der Lebenszykluskonzeption CEL wurde die Best Practice erfolgreicher SAP-Kundenbeziehungen institutionalisiert, Kundenbedürfnisse und -anforderungen werden intensiver verstanden. Die beiden Lebenszykluskonzepte PIL und CEL unterstützen das Innovationsmanagement. Nicht das singuläre Durchlaufen dieser Zyklen, sondern deren fortdauernde Wiederholung ermöglicht hochqualitative Lösungen und eine starke Kundenzufriedenheit. Erst dann resultiert daraus eine nachhaltige beiderseitige Wertsteigerung. Weitere Prozessoptimierungen können auch durch das Outsourcing von Prozessen strategisch niedriger Relevanz erreicht werden. Vor diesem Hintergrund führt die SAP beispielsweise so genannte Shared Service Center ein, innerhalb derer Aufgaben aus den Bereichen Rechnungswesen oder Personal zusammengeführt werden. Die entsprechenden Prozesse werden so gestrafft und komplett aus regionalen Tochtergesellschaften ausgelagert, womit Kosteneinsparungen, gesteigerter Kundennutzen und eine erhöhte Flexibilität einhergehen. 3.2.3
Umfassende Kundenbetreuung durch die Vertriebs- und Service-Organisation
Um den Kunden als Trusted Advisor gegenüberzutreten und um frühzeitig auf Kundenbedürfnisse eingehen zu können, müssen die Vertriebs- und Serviceorganisationen entsprechend aufgebaut und ausgestaltet sein. Bei der SAP ist die gesamte Vertriebsorganisation in der organisatorischen Einheit Customer Solutions & Operations integriert. Auf diese Weise werden Vertriebsprozesse weltweit vereinheitlicht und die globalen Vertriebsaktivitäten koordiniert. Die Vertriebsorganisation untergliedert sich regional nach EMEA (Europa, Mittlerer Osten, Afrika), APA (Asiatisch-pazifischer Raum) und Amerika (Nord- und Südamerika) mit definierten Sub-Regionen, innerhalb derer die einzelnen Landesgesellschaften der SAP angesiedelt sind. Diese organisatorische Aufstellung ermöglicht globale Vorgaben für die erfolgreiche Marktbearbeitung, lässt darüber hinaus aber hinreichend Freiräume für eine landes- und kundenspezifische Ausgestaltung konkreter Maßnahmen. Die Vertriebsstrategie wird vor einem überwiegend kurzfristigen zeitlichen Horizont implementiert, um sie zeitnah an Änderungen der Marktsituation anpassen zu können. Auch die Service Organisation der SAP, der Bereich Service & Support, ist zu einer globalen Einheit zusammengefasst und wird zentral koordiniert. Diese Einheit ist so aufgestellt, dass die SAP ihren Kunden weltweit einen rund-um-die-
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Uhr-Service in gleich bleibend hoher Qualität bei niedrigen Reaktionszeiten bieten kann. Mit der bereits erwähnten Lebenszykluskonzeption CEL werden schließlich Expertise und Erfahrungen aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen zusammengeführt, wodurch die Zusammenarbeit mit den Kunden weiter verbessert wird. Der CEL beschreibt sämtliche Phasen der Beziehung eines Kunden oder Interessenten zur SAP sowie Aktivitäten, die unterschiedliche organisatorische Einheiten der SAP für eine optimale Betreuung ihrer Kunden und auch Partner und Lieferanten durchführen. Es gilt, Anforderungen und Bedürfnisse der Kunden zu erfüllen, eine hohe Kundenbindung und langfristigen, beiderseitigen Nutzen zu erzielen, indem gewonnene Erkenntnisse in Form verbesserter Produkte und Dienstleistungen an die Kunden zurückfließen. Mit Customer Satisfaction Surveys werden zusätzliche Rückschlüsse aus Kundenerfahrungen gezogen. Die mit diesen Kundenzufriedenheitsumfragen erhobenen Kundenerfahrungen werden umfassend analysiert und daraus Ansatzpunkte abgeleitet, um die Kundenzufriedenheit weiter zu erhöhen. Darüber hinaus haben sich bei der SAP strategische Initiativen als wirksames Maßnahmenbündel zur Positionierung und Umsetzung von Schwerpunktthemen bewährt. Mittels strategischer Initiativen werden bestimmte Marktsegmente oder Produkte für wenige Jahre in den Fokus der Aktivitäten gestellt und unterschiedliche Maßnahmen zum Erreichen profitablen Wachstums koordiniert. Nach außen gerichtet wird so ein bestimmter Geschäftsbereich gegenüber dem Markt und den Kunden in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Dies kann z.B. die Einführung und Verbreitung strategisch relevanter Produkte oder Technologien sein, um damit neue Wachstumsfelder zu betreten und zusätzlichen profitablen Umsatz zu generieren. Auch das zur Verfügung stehende Budget für Marketing- und Vertriebsaktivitäten wird dabei erhöht. Die konkret mit einer strategischen Initiative verbundenen Ziele werden je nach Zielerreichungsgrad neu ausgestaltet. Mit einer strategischen Initiative wird aber auch Change Management37 innerhalb der eigenen Organisation betrieben, um die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Übernahme des Produktes oder der Technologie in die Unternehmensphilosophie zu schaffen. Sobald eine bestimmte kritische Masse mit der strategischen Initiative erzielt oder selbst hochgesteckte Ziele erreicht wurden, geht der strategische Fokus auf andere Bereiche über; die strategische Initiative wird schließlich in das operative Geschäft überführt. Die wertorientierte Gesamtstrategie der SAP umfasst die drei beschriebenen Handlungsfelder, es werden gleichzeitig Produktportfolio, Kunden, Mitarbeiter, Vertriebs- und Marketingaktivitäten sowie Partnernetzwerke eingebunden und aufeinander abgestimmt. Dadurch werden langfristige Beziehungen eingegangen, in denen die SAP als vertrauensvoller, strategischer Partner auftritt. Erst die konsequente Ausrichtung des gesamten Unternehmens im Sinne der wertorientierten Unternehmensführung, also das konzertierte funktions- und be37
Das Unternehmen wird dabei gegebenenfalls anders ausgerichtet und dauerhaft für neuartige Anforderungen sensibilisiert. Siehe zum Change Management bspw. Doppler/ Lauterburg 2002.
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reichsübergreifende Adressieren dieser Wertsteigerungshebel, und die Verinnerlichung dieses Konzeptes durch alle Mitarbeiter, führen jedoch zu einer tatsächlichen Wertsteigerung.38 Die Flexibilität der verfolgten Gesamtstrategie ist dabei erfolgskritisch. Auf geänderte Marktanforderungen oder unvorhergesehene Branchenentwicklungen kann nur angemessen reagiert werden, wenn kurzfristig die Prioritäten adjustiert und die Unternehmensaktivitäten entsprechend ausgerichtet werden können.39 3.3
Die Aufgabe des Controllings
Dem Controlling obliegt bei SAP im Rahmen der wertorientierten Unternehmensführung die Aufgabe, die Planungs- und Kontrollprozesse zu koordinieren, die Informationsversorgung der Entscheidungsträger sicherzustellen und damit die Entscheidungsfindung zu unterstützen. Den Ausgangspunkt für das wertorientierte Controlling bildet die langfristige strategische Planung der SAP. Aus dieser wird eine Mehrjahresplanung abgeleitet: Auf einer stark verdichteten Ebene werden die Bereiche ermittelt, innerhalb derer profitables Wachstum erwartet wird. Gleichzeitig werden die Lösungen herausgestellt, in welche nachhaltig investiert werden soll. Um ihren Aufgaben gerecht zu werden, wird die Mehrjahresplanung für Entwicklungsbereiche sowie kundennahe und unterstützende Funktionen verfeinert und auf Produktgruppen sowie auf regionale Ebene herunter gebrochen. Über detaillierte Jahresplanungen wird das Budget festgelegt, das für die Erreichung der gesetzten Ziele zur Verfügung steht. Monatliche Forecast-Prozesse runden das Instrumentarium ab, mit dessen Hilfe der Zielerreichungsgrad der Strategieumsetzung quantifiziert und etwaige Planabweichungen identifiziert werden. Der Wert der SAP wird stark durch ihren Softwarelizenzumsatz determiniert. Werden die erwarteten Softwarelizenzerlöse nicht realisiert und die entsprechenden Planungen verfehlt, kann die Wertentwicklung der SAP negativ beeinträchtigt werden. Dieser Größe wird deshalb innerhalb des Planungs- und Kontrollprozesse große Aufmerksamkeit zugemessen: Zusätzlich zu dem genannten Instrumentarium setzt die SAP ihr CRM-System auch intern ein. Mit dessen Hilfe wird die „Kundenauftrags-Pipeline“ kontinuierlich beobachtet, um das Risiko etwaiger Planverfehlungen zu minimieren und gegebenenfalls mittels adäquater Maßnahmen gegensteuern zu können.
38
Problematisch sind „Versickerungseffekte“ zwischen Kommunikation und Umsetzung der Strategie, da die konzeptionellen Überlegungen von den Mitarbeitern nicht vollständig umgesetzt werden. 39 „Business strategy is less a function of grandiose predictions than it is a result of being able to respond rapidly to real changes as they occur. That’s why strategy has to be dynamic and anticipatory Welch, J./ Byrne, J. A. (2003): Jack, Straight from the Gut, New York, 2001.
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Der Erfolg der Strategieumsetzung wird mit standardisierten Kennzahlen wie Umsatz, Profitabilität in Form der Pro-forma-operativen Marge40 oder Gewinn je Aktie gemessen. Darüber hinaus werden weitere wertrelevante Indikatoren berücksichtigt, beispielsweise das Solution Reporting oder das Marktsegment-Reporting. Das Solution-Reporting untergliedert die Softwarelizenzerlöse der SAP nach einzelnen Softwarelösungen. Auf dieser Grundlage wird ein Vergleich von Mehrproduktunternehmen und Spezialanbietern ermöglicht und die Verteilung der Marktanteile in einzelnen Produktsegmenten verdeutlicht. Die SAP hat im Rahmen der CRM-Markteinführung ihre externe Berichterstattung geändert und informiert seit dem Geschäftsjahr 2001 auch über die Aufteilung ihres Softwareumsatzes nach Produktsegmenten. Als Grundlage dieser Untergliederung dient die Befragung von Kunden bei Vertragsabschluss, für welche Zwecke sie die erworbenen Lösungen voraussichtlich verwenden werden. Mit dem Solution-Reporting wird die Wettbewerbssituation innerhalb einzelner Lösungssegmente beobachtet. Der erfolgreiche Markteintritt der SAP im Marktsegment CRM wurde dadurch verdeutlicht: Ihr Marktanteil stieg zu Lasten des Konkurrenten Siebel Systems Inc. im Zeitablauf kontinuierlich an. Auch das Marktsegment-Reporting liefert detaillierte Informationen über die Wertbeiträge einzelner Segmente, hierbei wird jedoch nach der Größe der Kunden untergliedert, die die Softwarelösungen der SAP lizenzieren. Basierend auf dem Auftragseingang wird der Anteil der verkauften Softwarelizenzen nach Großkunden sowie nach kleinen und mittelständischen Kunden ermittelt. Diese Untergliederung gibt vor dem Hintergrund spezifischer Marktpotenzialanalysen Auskunft über den Grad der Marktdurchdringung oder über die relative Stärke innerhalb einzelner Segmente. Integrierte Informationssysteme verdeutlichen die Zusammenhänge: Sie bilden die eingerichteten Prozesse durchgängig ab. Weiterhin ermöglichen sie, über verschiedene Organisationseinheiten und unterschiedliche Informationssysteme hinweg aufschlussreiche Auswertungen vorzunehmen, welche die Entscheidungsfindung unterstützen. Beispielsweise können dadurch Profitabilitätsunterschiede zwischen Tochtergesellschaften genau analysiert oder die Auswirkung von Umsatzwachstum auf die Profitabilität untersucht werden. Die Abteilung Corporate Controlling arbeitet eng mit dem Vorstand, insbesondere dem Vorstandssprecher und dem Finanzvorstand, sowie der Abteilung Investor Relations zusammen. Das Aggregat aus internem Anspruchsniveau sowie externen Gegebenheiten und Erwartungen geht in den Planungsprozess ein und wird darüber hinaus in Form eines Ausblickes an die Kapitalmarktteilnehmer kommuniziert.
40
Operative Marge vor aktienorientierten Vergütungsprogrammen und akquisitionsbedingten Aufwendungen; siehe hierzu auch S. 55 f. des SAP Geschäftberichts 2004.
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3.4
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Die Bedeutung der Kommunikation zum Kapitalmarkt
Aufgrund der Adressierung der Wertsteigerungshebel Umsatzwachstum und Profitabilität resultiert zunächst jedoch keine direkte Änderung der Marktbewertung: Der Aktienkurs spiegelt nicht unbedingt und unmittelbar die Erfolgswirkung der implementierten wertorientierten Strategie wider. Der Abteilung Investor Relations obliegt die Aufgabe, erfolgreich umgesetzte Maßnahmen und erschlossene Potenziale adäquat an den Kapitalmarkt zu kommunizieren. Erst nachdem die Marktteilnehmer diese Informationen verarbeitet haben (nicht zuletzt vor dem Hintergrund des makroökonomischen Umfeldes und der Entwicklung der Branche sowie der Wettbewerber), ändert sich auch der externe Unternehmenswert.41 Die Erwartungen der Investoren sind in dem dynamischen Technologieumfeld, in dem sich die SAP bewegt, stark wachstumsbezogen. Das Wachstum des Softwareumsatzes und die Profitabilität stehen im Fokus der Kapitalmarktteilnehmer. Zu beiden Größen veröffentlicht die SAP mit einer so genannten Guidance klare Ziele für ein Geschäftsjahr. Die kommunizierten Parameter können dabei in Abhängigkeit vom ökonomischen Kontext variieren. In Zeiten großer Marktunsicherheit und schrumpfender Märkte hat die SAP beispielsweise nur die erwartete Pro-forma-Marge, nicht jedoch das erwartete Umsatzwachstum kommuniziert.42 Der Fokus der Unternehmensaktivitäten liegt in Zeiten eines unsicheren Marktumfeldes nicht primär auf der Steigerung der Umsätze. Vielmehr kann die Organisation mittels geschickt ausgestalteter Maßnahmenprogramme für nachfolgende Wachstumsphasen effizient ausgerichtet und die Marge erhöht werden. In Zeiten wachsender Märkte und tendenziell besserer Zukunftsaussichten rückt jedoch wieder das Primärziel des nachhaltigen Softwarelizenzumsatzwachstums in den Vordergrund, das von der angestrebten Umsatzrentabilität begleitet wird. Sowohl Analysten als auch Shareholder gleichen diese Guidance periodisch mit dem tatsächlich realisiertem Umsatz und der Profitabilität ab und messen daran den Erfolg des Managements und des Unternehmens. Begrenzt werden die positiven Zukunftsaussichten jedoch durch die zu erbringende Erfüllung der Erwartungen: Die Erwartungen der Marktteilnehmer müssen mit einem adäquaten Wachstumsprogramm regelmäßig realisiert oder sogar übertroffen werden, damit der Unternehmenswert dauerhaft ansteigt. Werden die Erwartungen hingegen nicht (vollständig) erfüllt, kann es zu kräftigen Kurseinbrüchen und damit zur Wertvernichtung kommen.43 Das kann sogar dann gelten, wenn eine Gesellschaft – wie die SAP AG im Januar 2005 – die selbst gesteckten 41
Für die Qualität ihrer Arbeit ist die Abteilung Investor Relations der SAP mehrfach national und international ausgezeichnet worden, bspw. mit dem Investor Relations Preis 2004 der Zeitschrift „Capital“ in der Kategorie „DAX-Unternehmen“ vom Juli 2004. 42 Vgl. Geschäftsbericht SAP AG 2002, S. 57. 43 Der Aktienkurs des finnischen Mobiltelefonherstellers Nokia Corp. ging nach der Veröffentlichung seiner vorläufigen Quartalszahlen für das erste Quartal 2004 um 16% zurück, vgl. bspw. Handelsblatt vom 07.04.2004, S.13: „Überraschender Umsatzeinbruch setzt Nokia massiv zu“.
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und am Kapitalmarkt klar kommunizierten Ziele erreicht, da der Kapitalmarkt höhere Erwartungen hatte. Neben der Guidance wird stets die Verteilung der Marktanteile kommuniziert. Diese drückt unabhängig von der allgemeinen Marktlage die relative Performance gegenüber den Wettbewerbern aus; ihr kommt damit eine wichtige Indikatorfunktion zu.
4
Wertorientierte Unternehmensführung bei der SAP am Beispiel CRM
Die SAP erweiterte ihre Aktivitäten ab Mitte der 90er Jahre in Marktsegmenten, die über ihr Kerngeschäft der ERP-Software hinausgingen. Sie entwickelte sich von einem reinen ERP-Anbieter zu einem Mehrproduktunternehmen weiter.44 Eines dieser Segmente entspricht dem heutigen CRM-Bereich,45 wobei unterschiedliche Beweggründe ausschlaggebend für das Engagement der SAP in diesem Segment waren. Die Nachfrage nach IT-gestützten Lösungen für das Kundenbeziehungsmanagement stieg zu dieser Zeit stark an. Es zeichnete sich ein sehr großes Marktpotenzial im entstehenden CRM-Markt ab, da das Management von Kundenbeziehungen für Unternehmen sämtlicher Größen und Branchen relevant ist.46 Dieser neue Bedarf ergab sich als Konsequenz der Internationalisierung und Globalisierung und des damit einhergehenden Wandels von lokalen Anbietermärkten zu globalen Käufermärkten. ERP-Systeme hatten in der Vergangenheit mehr die Effizienz der internen Kundenauftrags-Abwicklungsprozesse verbessert, hingegen wenig Unterstützung für die kundenorientierten Kommunikationsprozesse der Geschäftsanbahnung und Pflege geboten. Diese Prozesse erforderten den Einsatz neuer Technologien wie mobile Datenverarbeitung, integrierte Telekommunikation und schließlich des Internets. Die erwarteten Wachstumsaussichten dieses Marktsegmentes übertrafen die des ERP-Marktes bei weitem. Die Entwicklung des CRM-Marktes seinerseits war später eng verbunden mit dem Thema E-Business sowie dem Aufblähen und dann Zerplatzen der Internetblase. 44
Die Bestrebungen wurden unter der Bezeichnung „New-Dimension-Produkte“ zusammengefasst; neben der CRM-Lösung wurden auch Lösungen für Supply-Chain-Management und Business-Intelligence entwickelt, vgl. SAP Geschäftsbericht 1998, S.54. 45 Die ersten CRM-Lösungen wurden unter „Sales-Force-Automation“ oder „Computer Aided Selling“ vermarktet; sie unterstützten zunächst die Vertriebsmitarbeiter bei ihrer täglichen Arbeit. Erst nachfolgend wurde der CRM-Begriff geprägt, unter dem zusätzlich auch E-Sales-, Call-Center-, Field Service-, Market Place- und User Portal-Lösungen sowie Auswertungs- und Analysetools für kundenbeziehungsrelevante Daten subsumiert werden. 46 Beispielsweise schätzen die Branchenanalysten von AMR Research im Jahre 1998 die durchschnittliche jährliche Steigerung des Umsatzes des CRM-Marktes bis 2002 auf 58% p.a., vgl. AMR Research Pressemitteilung vom 14.12.1998: „AMR Research Predicts Customer Relationship Management (CRM) Market Will Top $11.5 Billion By 2002“.
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Viele Unternehmen maßen ihren Kundenbeziehungen zu dieser Zeit eine stärkere Aufmerksamkeit bei und forderten umfassende Informationen über ihre Kundenbasis. Die individuelle Ausgestaltung der Kundenbeziehungen und die Erfüllung spezifischer Kundenanforderungen wurden zunehmend als effektive Maßnahmen entdeckt, um den Geschäftserfolg in globalen Märkten zu verbessern. Über die systematische Erfassung aller Kundeninformationen sollten Kundenbeziehungen mit potenziell großer Profitabilität identifiziert und vertieft werden, um die eigenen Geschäftsabläufe auf diesen Kundenkreis auszurichten. Durch den Einsatz von Software für ihr Kundenbeziehungsmanagement versprachen sich die Interessenten und Anwender darüber hinaus über Up- und Cross-Selling-Möglichkeiten zusätzliche profitable Umsätze und damit ein großes Wertsteigerungspotenzial zu realisieren. Einige Anbieter kamen der großen Nachfrage in diesem Marktsegment bereits nach. Ihre Produkte waren dabei vornehmlich auf spezifische Aspekte des Kundenbeziehungsmanagements zugeschnitten. Vor allem der US-amerikanische Softwareanbieter Siebel Systems Inc. verzeichnete dabei mit einer aggressiven Marketing- und Vertriebsstrategie einen erheblichen Anstieg seiner Umsatz- und Ergebniszahlen sowie seiner Marktbewertung.47 Neu war auch, dass sich dieser Lösungsanbieter mit seinen Produkten direkt an die Linienverantwortlichen in Vertrieb und Marketing wandte. Die eigenen Vertriebserfolge als neuer Star im Anwendungsmarkt wurden zugleich als Beweis der Überlegenheit der Lösung selbst und ihrer Vertriebsmethodik dargestellt. Auch die SAP deckte mit dem Sales- und Distribution Modul innerhalb ihres ERP-Systems einige Aspekte des Kundenbeziehungsmanagements ab wie Kundenauftragsabwicklung, Opportunitätsmanagement, Preisbildung und Kundeninformationssysteme. Lange Zeit sah SAP Bereiche wie Sales Force Automation mehr als synergetische Ergänzungen des ERP durch Satellitensysteme an, die nicht unbedingt von SAP selbst angeboten werden müssten. Dies änderte sich mit dem Ansatz von Multichannel-Lösungen im CRM, der versuchte, alle physischen und technischen Vertriebskanäle in einer CRM-Suite abzudecken. Ein solcher Ansatz musste, wenn er erfolgreich sein wollte, in Konflikt mit den bestehenden ERP-Systemen geraten, indem bestehende ERP-Funktionen durch neue CRMFunktionen ersetzt wurden. In der Tat wurde immer mehr ein Gegensatz von Front-Office und Back-Office postuliert, der bis in die These ausartete, ERP sei tot.48 Umgekehrt war ein wirklich integrierter Ansatz, der die unterschiedlichen Funktionalitäten des CRM-Bereichs bündelte und diese mit anderen Applikationen – insbesondere ERP – zusammenführte, noch nicht im Markt vorhanden.49 Bestandskunden und weitere Marktteilnehmer erwarteten von der SAP eine ausgewogene Lösung in diesem Bereich. Sie erachteten die SAP als Unternehmen, das 47
Vgl. z.B. Forbes Magazine vom 21.01.2002: „Cover Story Siebel: The Man Who Sees Around Corners”. 48 Vgl. “ERP RIP?: Enterprise Ressource Planning is not dead, but it will have to live with the Internet” , The Economist, 26.06.1999. 49 Die Marktteilnehmer hatten teilweise mehrere Best-of-Breed-Lösungen gleichzeitig implementiert, um das Management ihrer Kundenbeziehungen verbessern.
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über die notwendige Expertise und Ressourcen verfügt, um die diesbezüglichen Anforderungen adäquat umzusetzen. Hauptsächlich aufgrund dieser Beweggründe engagierte sich die SAP in dem stark wachsenden CRM-Markt. Diese unternehmerische Entscheidung barg ein beträchtliches Risiko, da der späte Markteinstieg mit hohen Investitionen verbunden war. Darüber hinaus würden sich die vorhandenen Absatzpotenziale nur mit einem hervorragenden Produkt tatsächlich erschließen lassen. Die SAP wollte ihren Kunden über die Funktionalitäten bereits bestehender Produkte hinaus einen konkreten Zusatznutzen schaffen und eine durchgängig integrierte Lösung entwickeln. Sie setzte sich das Ziel, die unterschiedlichen Funktionalitäten der CRM-Bestrebungen zu vereinen sowie die nahtlose Anbindung an weitere Applikationen zu ermöglichen. Der Begriff „Connected CRM“ beschreibt die Zielvorstellung der SAP bezüglich einer integrierten mySAP CRM Lösung. Die Umsetzung des „Connected CRM“ ermöglicht die umfassende Ausrichtung der Geschäftsabläufe auf den Kunden, wobei die Integration mit den ERP und SCM-Systemen eine systemübergreifende einheitliche Informationsbasis schafft. Nicht unabhängige Insellösungen, sondern eine integrierte Business Suite wurde geschaffen, die eine gemeinsame Prozess- und Informationsintegration für eigenständig einsetzbare Lösungskomponenten anbietet. Die Schnittstellenproblematik der Best-of-Breed-Produkte und die damit verbundenen Kosten werden hierdurch überwunden. Die nachfolgende Abbildung 4 stellt das Connected CRM schematisch dar.
Abb. 4: Connected CRM
Das Ziel des Connected CRM konnte nicht durch die Erhöhung des Funktionsumfanges des Sales- und Distribution Moduls im ERP-System umgesetzt werden.
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Den zusätzlichen Anforderungen aus den Vertriebs-, Marketing und Service-Bereichen konnte nur mit dem grundlegenden Aufbau einer entsprechenden Systemund Plattformarchitektur begegnet werden. Die Anforderungen an diese Architektur sind sehr hoch: Sie muss sämtliche Kommunikationskanäle des CRM zusammenführen und einbinden können (multi-channel communication) und derart z.B. den Informationsaustausch zwischen mobilen Anwendungen der Außendienstmitarbeiter und dem unternehmensweiten CRM-System ermöglichen. Aber auch zusätzliche Funktionalitäten wie das Kampagnen- oder Opportunity-Management müssen von der Architektur unterstützt werden. Weiterhin müssen sämtliche unternehmensweit verstreuten Kundendaten zusammengeführt und entsprechende Analysefunktionen bereitgestellt werden, um einen umfassenden Blick auf den jeweiligen Kunden zu erlauben. Dieser Teil des zentralen Kundeninformationsmanagements, heute unter dem Namen Analytisches CRM bekannt, bildet den Kern der mySAP CRM Lösung und wurde technisch rund um die damals neue Business Intelligence Komponente der SAP (SAP BW) aufgebaut, die später Teil der Technologieplattform SAP NetWeaver wurde. Die komplexen und schwierigen Entwicklungsanforderungen, die mit der Umsetzung des Connected CRM und der anvisierten Marktpositionierung des CRMProduktes einhergingen, wurden nachfolgend konzertiert umgesetzt. Der Entwicklungsprozess wurde mit umfangreichen personellen und finanziellen Kapazitäten vorangetrieben, um schnell die gesteckten Ziele zu erreichen. Die anfänglichen eigenen Entwicklungen für dieses Marktsegment entsprachen jedoch über längere Zeit nicht den Anforderungen und Erwartungen der Marktteilnehmer. Konkurrenten hatten die Technologieführerschaft auf Produktebene bezüglich CRM-Software übernommen. Die SAP musste in diesem Marktsegment der Fast Follower werden. Schnell in diesem Wachstumsmarkt präsent zu werden und mit einer eigenen CRM-Lösung zusätzlichen Kundennutzen zu schaffen, hatte hohe Priorität. Die SAP musste weiterhin zunächst ihre Expertise und Reputation in diesem Marktsegment stärken, da sie zunächst nicht als ernsthafter Wettbewerber im CRM-Bereich wahrgenommen wurde.50 Dies ist darauf zurückzuführen, dass die SAP ihren strategischen Fokus erst relativ spät auf den CRM-Markt richtete und einige Wettbewerber einen höheren Share-of-Mind51 bei den Marktteilnehmern hatten. Potenzielle Kunden hielten sich noch mit dem Erwerb von CRM-SoftwareLizenzen der SAP zurück. Zusätzlich lagen auch noch keine Erfahrungen von Referenzkunden mit CRM-Lösungen der SAP vor. Ein wichtiger Schritt für den Aufbau der Marktpräsenz war der Erwerb des CRM-Spezialanbieters Kiefer+Veittinger im Jahr 1997, der seinen Hauptsitz in Die Platzierung spezifischer Produkte in den so genannten „Magic Quadrants®“ des Analystenhauses Gartner Inc. gibt Auskunft über die Bewertung derartiger Eigenschaften und ermöglicht den Vergleich zwischen verschiedenen Anbietern; es werden dabei Kriterien wie bspw. Marktpräsenz, Produkteffizienz und Zukunftsfähigkeit der Unternehmen und Produkte beurteilt. 51 Der Begriff Share-of-Mind kennzeichnet die Assoziationsstärke der Marktteilnehmer gegenüber einem bestimmten Anbieter in Hinblick auf ein bestimmtes Marktsegment. 50
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Deutschland hatte, darüber hinaus aber auch Entwicklungslabore in den USA, UK und Indien betrieb. Kiefer+Veittinger war zu diesem Zeitpunkt europäischer Marktführer auf dem Gebiet der Sales-Force-Automation, der IT-basierten Unterstützung der Vertriebsmitarbeiter im Außendienst und hatte eine stabile Lösung für den Datentransport zwischen verschiedenen Systemen sowie eine entsprechende Infrastruktur etabliert. Durch den Erwerb von Kiefer+Veittinger konnte die SAP auf die vorhandene Expertise zurückgreifen und die eigenen Entwicklungsbestrebungen unterstützen. Der Kundenstamm von Kiefer+Veittinger ging auf die SAP über. Die Kunden hatten bereits praktische Erfahrungen mit der CRM-Software gesammelt und konnten nun wertvollen Input für die Weiterentwicklung des Produktes liefern. Jedoch wurden die Lösungen von Kiefer+Veittinger selbst nicht weiter vermarktet, sondern alles Know-How wurde konsequent in die gemeinsame Neuentwicklung eingebracht. Die SAP forcierte ihre Aktivitäten im CRM-Segment zusätzlich mit einer strategischen Initiative, die den Erfolg von mySAP CRM zum übergreifenden Ziel der SAP durchsetzte und dafür alle Maßnahmen in Entwicklung, Marketing, Vertrieb und Service global koordinierte. Dazu standen zunächst die Umsetzung von Entwicklungsanforderungen und Implementierungen der Lösungen bei ersten Kunden im Vordergrund. So sollte eine wachsende Zahl von Referenzkunden gewonnen werden, die für ihr Kundenbeziehungsmanagement die CRM-Software der SAP aktiv nutzen und positive Erfahrungen mit der Software und unterschiedlichen Serviceleistungen der SAP gesammelt hatten. Die ersten CRM-Implementierungen nahmen einen hohen Stellenwert ein und wurden intensiv vorangetrieben. Zunächst erbrachten dabei fast ausschließlich SAP-eigene Berater und strategische Entwicklungspartner die entsprechenden Beratungsleistungen, da noch kein CRM-spezifisches SAP-Partnernetzwerk aufgebaut worden war. Die Weitergabe dieses Wissens an die Beratungspartner war aber ein paralleles Ziel, um für die wachsende Kundenbasis ein skalierendes Beratungsnetzwerk um die SAP herum entstehen zu lassen. Die Berater und Entwickler der SAP kooperierten in dieser Phase sehr eng miteinander, um die Anforderungen der Kunden zu identifizieren und umzusetzen und die vielfältigen Herausforderungen auf Produkt- und Technologieebene zu bewältigen (Feasibility Studies). Der Feedback-Kanal der Referenzkunden lieferte wertvolle Informationen über die Stärken und Schwächen des Produktes sowie über noch zu erbringende Funktionalitäten (Gap-Analyse). Durch die intensive Betreuung der Referenzkunden und durch Kundenzufriedenheitsumfragen ließen sich wichtige Rückschlüsse darüber ziehen, wie das Produkt abgerundet werden könnte, um zusätzlichen Wert für die Kunden zu schaffen. Die starke Ausrichtung der Aktivitäten der SAP an den Kundenbedürfnissen wird auch durch die vielfältigen industriespezifischen CRM-Entwicklungsprojekte deutlich: In Zusammenarbeit mit den Kunden entwickelte und implementierte die SAP dabei kundenindividuell Anforderungen bezüglich des Kundenbeziehungsmanagements, die jeweils zentrale Differenzierungsbedürfnisse dieser Kunden in ihrer Industrie darstellten. Dazu gehörte zum Beispiel Leasing für die Automobil-
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industrie, Trade Promotion Management für die Konsumgüterindustrie, Customer Service und Support für Versorgungsunternehmen und viele andere mehr. Diese industriespezifischen Prozesse wurden anschließend in die Standard-Software übernommen und bildeten das Fundament für die weitere industriespezifische Ausdifferenzierung der Lösung. Die Verbindung von industriespezifischen CRMFunktionen mit den jeweiligen industriespezifischen ERP-Ausprägungen der SAP entwickelte sich so zu einem weiteren Alleinstellungsmerkmal der mySAP CRM Lösung. In Folge der zusätzlichen Entwicklungsanforderungen wurden Entwickler unterschiedlicher Bereiche von ihren eigentlichen Aufgaben freigestellt, um aktiv an der CRM-Gestaltung mitzuwirken: In Spitzenzeiten arbeiteten über 1000 Entwickler an dieser Lösung. Als Zwischenergebnis dieser Aktivitäten resultierte eine starke Erweiterung der Produktfunktionalität und eine erhöhte Anwenderfreundlichkeit der CRM-Lösungen. Weiterhin wurden positive Erfahrungen von Referenzkunden verzeichnet, und die Akzeptanz bei den Marktteilnehmern stieg kontinuierlich an. Der Fokus der strategischen Initiative verschob sich nachfolgend von der Gewinnung einer breiten Referenzkundenbasis auf den Eintritt in die Wachstumsphase, in der Umsatzwachstum zum wichtigsten Erfolgsfaktor wurde. Aufgrund der verzeichneten ersten Erfolge gewann die SAP weitere Interessenten für die mySAP CRM Lösung. Das Produkt wurde funktional im Vergleich zur Konkurrenz immer mehr als gut genug angesehen, gleichzeitig aber auch wahrgenommen, dass SAP eine Umdefinition des CRM-Marktes erreicht hatte: Integrierte Kundenprozesse anstelle von isolierten Front-Office Funktionen wurden herausragendes Differenzierungsmerkmal eines ganzheitlichen mySAP CRM. In dieser Phase wurden die weltweiten Vertriebsmitarbeiter für die Besonderheiten des CRMMarktes geschult und teilweise wurde auch ihre Vergütung an konkrete mySAP CRM Umsatzziele gekoppelt. Die Vertriebsaktivitäten wurden mit dem Ende des Internet-Hypes angesichts eingefrorener oder sogar reduzierter IT-Budgets der Kunden angepasst, um über eine erhöhte Anzahl an Vertragsabschlüssen die niedrigere durchschnittliche Auftragsgröße auszugleichen. Die Kunden investierten besonnener und hinterfragten ihre IT-Investitionen genauer. Nicht mehr der reine Funktionsumfang war das primäre Entscheidungskriterium für eine Investition. Vielmehr rückten verstärkt wirtschaftliche Aspekte, wie z.B. niedrige TCO, schneller ROI und geringe Integrationskosten, in den Vordergrund. Diesen neuen Anforderungen kam die SAP mit einer konsequenten SzenarioOrientierung ihrer CRM-Lösung nach. Die Kundenanforderungen werden dabei in Szenarien, die sich aus mehreren Teilprozessen zusammensetzen, zusammengefasst, welche eine konkrete Wertschöpfung für den Kunden ermöglichen. Die Entwicklungsbereiche der SAP wurden darauf ausgerichtet, diese Szenarien abzubilden und den spezifischen Herausforderungen im Rahmen der Entwicklung, Integration und Implementierung nachzukommen. Die weltweit im CRM-Vertrieb gesammelten Erfahrungen und Maßnahmenkataloge wurden den lokalen Vertriebseinheiten zur Verfügung gestellt. Auf dieser Grundlage wurde die Go-To-Market-Strategie dann landesspezifisch ausgestaltet und umgesetzt.
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Die positiven Erfahrungen der Referenzkunden und entsprechende Berichte von Marktbeobachtern verbesserten das Vertriebsumfeld weiter. Die Akzeptanz bei den unabhängigen Marktbeobachtern ist für die erfolgreiche Marktdurchdringung zwingend erforderlich: Der Share-of-Mind bei den Marktteilnehmern ist eng mit dem Share-of-Wallet52 der nachfragenden Kunden verbunden. Die SAP konnte ihre Stellung im Marktsegment CRM stetig verbessern und baute ihren Marktanteil aus. Die Zielsetzung der strategischen Initiative wurde vor diesem Hintergrund erneut ausgeweitet: Die SAP visierte fortan das anspruchsvolle Ziel an, weltweit die Nummer 1 im CRM-Segment zu werden. Die Vertriebsaktivitäten wurden dafür noch enger mit dem Entwicklungsprozess verknüpft. Die SAP intensivierte den aus Feedback von Kunden unterschiedlicher Branchen, Entwicklung und Roll-Out bestehenden Kreislauf. Darüber ermittelte sie die Geschäftsprozesse innerhalb des CRM, die den Kunden den größten Nutzen bringen. Dieser bedarfsorientierte Ansatz vereint die Erfahrungen und Erwartungen der Kunden und Partner. Er ermöglicht den Anwendern Funktionen zu verwenden, die nicht ursprünglich für ihre spezifische Branche entwickelt worden sind. Die Kunden können dadurch spezifische Geschäftsszenarien auf ihre Bedürfnisse ausgestalten und auch die in anderen Branchen gesammelten Erfahrungen verwenden. Die Anwendungsmöglichkeiten der CRM-Software konnten dadurch ebenso wie die Kundenzufriedenheit erhöht werden. Mit diesen vielfältigen Aktivitäten wurde die CRM-Lösung, ebenso wie das Zusammenspiel zwischen Kunden, Vertrieb, Entwicklung und Beratung kontinuierlich verbessert. Das Release SAP CRM 4.0 beinhaltet als Folge dieser Anstrengungen den größten Entwicklungsaufwand sämtlicher Produktreleases der SAP und zeichnet sich durch eine besonders marktnahe Produktentwicklung aus. Die SAP erreichte ihr Ziel und ist heute der Marktführer im Bereich von CRMSoftware. Der Umsatz wurde innerhalb weniger Jahre vervielfacht und der Marktanteil verdoppelt. Die nachfolgende Abbildung 5 verdeutlicht die Entwicklung der Marktanteile im CRM-Segment innerhalb der Peergroup.53 Die technologisch besonders anspruchsvolle Umsetzung der CRM-Lösung hat die SAP vor vielfältige Herausforderungen gestellt, welche sie auf innovative Weise gelöst hat. Die positiven Erfahrungen, die während der Einführung und Weiterentwicklung der CRM-Lösung gesammelt wurden, sind heute fest im SAPUmfeld verankert. So war mySAP CRM die erste SAP-Lösung, die konsequent auf die parallel entstehende Technologieplattform NetWeaver gesetzt hat und ein vollständig portalbasiertes User-Interface angeboten hat. Der wichtige Bereich des analytischen CRM baut voll auf den Business Intelligence Tools von NetWeaver auf.
52
Der Begriff Share-of-Wallet kennzeichnet – bezogen auf Softwarelösungen – den Anteil des gesamten IT-Budgets der Investoren, der auf einen bestimmten Softwareanbieter entfällt. 53 Quelle: Interne Analyse der SAP, vgl. auch www.sap.com/investor.
Wertorientierte Unternehmensführung bei der SAP
633
Viele in der mySAP CRM Lösung bewährte Technologieansätze sind in die weitere Entwicklung der Anwendungs- und Integrationsplattform SAP NetWeaver eingeflossen, beispielsweise aus dem Bereich der Multichannel-Kommunikation. Auch die Entwicklungszentren, die im Rahmen des Erwerbs von Kiefer+Veittinger an die SAP übergegangen sind, spielen eine wichtige Rolle. Mit dem Entwicklungsstandort Bangalore in Indien beispielsweise hatte Kiefer+Veittinger bereits in den 90er Jahren eine verteilte Entwicklungsstrategie mit deutsch/amerikanischem Produktmanagement und indischen Implementierungsteams eingeführt. Der Entwicklungsstandort Bangalore wurde von der SAP strategisch ausgebaut und vollständig sowie gleichberechtigt in das globale Entwicklungsnetzwerk der SAP-Entwicklung integriert.
Abb. 5: CRM – Peer Group Shares
Die besonders starke Kundenorientierung, welche die SAP im Rahmen der Einführung und Entwicklung ihres CRM-Produktes betrieben hatte und die sich in der engen Zusammenarbeit zwischen Kunden, Vertrieb, Entwicklung und Beratung niedergeschlagen hatte, ist heute im PIL-Konzept fest verankert. Auch weitere Prozesse und Abläufe wurden im Rahmen der Einführung und Entwicklung von CRM pilotiert und werden heute unternehmensweit angewendet.
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Werner Brandt, Peter Zencke
Nicht zuletzt hat die strategische Initiative CRM zum großen Erfolg dieser Lösung beigetragen. Die strategische Initiative CRM war die erste, die die SAP durchgeführt hatte; das Konzept und die Maßnahmenbündel werden heute jedoch auch für die Umsetzung weiterer strategischer Schwerpunktthemen angewandt. Schließlich wird die CRM-Lösung der SAP auch im eigenen Unternehmen für das Kundenbeziehungsmanagement intensiv genutzt. Das CRM-System wird dazu eingesetzt, kundenindividuelle Lösungsvorschläge zu erarbeiten, darauf abgestimmte Service- und Support-Angebote abzugeben und den Wissenstransfer zwischen SAP und ihren Kunden zu sichern. In den Bereichen Sales, Marketing und Service werden mit Hilfe der CRM-Lösung alle Aktivitäten auf den CEL-Lebenszyklus ausgerichtet, über den bei SAP die Entwicklung vom ersten Kundenkontakt bis zum abgestimmten Engagement aller SAP-Organisationen bei der Gestaltung einer dauerhaften Kundenbeziehung ausgerichtet sind. Globale Marketing Aktivitäten und deren regionale Umsetzung werden darüber ebenso gesteuert wie das Account Management der Großkunden oder das Opportunity Management und die Umsatzplanung in der operationalen Vertriebssteuerung. In den unterschiedlichen Einsatzgebieten der internen CRM-Lösung konnte die Qualität der Kundendaten signifikant erhöht, zusätzliche Analysen und Auswertungen genutzt und schließlich die Kundenzufriedenheit durch zielgenauere Angebote erhöht werden.
5
Erkenntnisse und Ausblick
In den vorangegangenen Abschnitten wurde aufgezeigt, wie die wertorientierte Unternehmensführung bei der SAP AG ausgestaltet ist. Die Wertsteigerung wird dabei über die Umsetzung verschiedener Strategien zur Generierung von Umsatzwachstum bei gleichzeitiger Steigerung der Profitabilität angezielt. Mit Hilfe aufeinander abgestimmter Maßnahmen wird das Zielsystem realisiert und die Gesamtstrategie umgesetzt. Entscheidende Bedeutung kommt dabei dem Intangible Capital zu, da durch deren Kapitalisierung nachhaltiges Wachstum generiert werden kann. Neben der effizient ausgestalteten Organisation tragen die skizzierten Lebenszyklus-Konzeptionen dazu bei, unterschiedliche Funktions- und Unternehmensbereiche zu integrieren sowie zusätzlichen Kundennutzen zu generieren. Die Messung der Wertsteigerung findet vor allem über die Indikatorgrößen Softwarelizenzumsatz, (Pro-forma-) operative-Marge und (Pro-forma-) Gewinn je Aktie sowie die erreichten Marktanteile in unterschiedlichen Marktsegmenten statt. Weiterhin dient auch die Platzierung in den vergleichenden Positionierungen der Industrienanalysten und deren Änderung im Zeitablauf als Messinstrumentarium, dem in der Softwarebranche große Aufmerksamkeit entgegengebracht wird. Am Beispiel der Lösung mySAP CRM wurden diese Zusammenhänge verdeutlicht. Die SAP konnte diese Lösung trotz späten Markteintritts in diesem weiterhin wachsenden Marktsegment54 erfolgreich platzieren und zusätzlichen Kun54
Die Branchenanalysten von IDC erwarten von 2004 bis 2008 für das Marktsegment CRM bspw. ein durchschnittliches jährliches Wachstum von knapp 9% p.a., vgl. Presse-
Wertorientierte Unternehmensführung bei der SAP
635
dennutzen stiften. Als Resultat der vereinten Anstrengungen wurde der langjährige Marktführer Siebel Systems Inc. in dieser Position von der SAP abgelöst. Die unterschiedlichen Absatzmärkte der SAP bieten weiterhin ein attraktives Wachstumspotenzial sowie die Möglichkeit der Risikostreuung. Die SAP versucht dies mittels verschiedener Ansätze zu erschließen. Der Integrationsplattform SAP NetWeaver kommt dabei entscheidende Bedeutung zu: Sie bildet die architektonische Grundlage sämtlicher künftiger SAP-Applikationen. Weiterhin unterstützt sie alle offenen marktgängigen Standards und ermöglicht auch den Ausbau und die Anbindung von Nicht-SAP-Geschäftsanwendungen. Bestehende Prozesse können dadurch neu kombiniert werden, aber auch zusätzliche Szenarien lassen sich abbilden. Die Gesamtkosten einer IT-Installation, die Total Cost of Ownership, werden dadurch deutlich reduziert. Gleichzeitig steigen die Skalierbarkeit und die Ausbaumöglichkeiten der bestehenden IT-Struktur. Mit dem technologischen Wechsel auf SAP NetWeaver werden neue, zukunftsgerichtete Absatzmärkte und Umsatzpotenziale erschlossen. Die SAP hat in diesem Bereich die Technologieführerschaft übernommen. Aber auch vor dem Hintergrund reduzierter IT-Budgets bestehender und potenzieller Kunden ist die SAP im Markt gut aufgestellt. Die Vertriebsorganisation wurde auf das geänderte Anforderungsprofil umgestellt. Ebenso hat die SAP ihr Angebot um speziell auf die Klientel der klein- und mittelständischen Unternehmen zugeschnittene Lösungen ausgedehnt. Diese Lösungen werden durch ein weit gefächertes Partnernetzwerk vertrieben und speziell an die branchenspezifischen Anforderungen angepasst. Die SAP ist mit ihrem Produkt- und Technologieportfolio gut im Markt positioniert. Das umfassende Netz von Partnerbeziehungen und die ergriffene Vertriebsstrategie stellen den Kunden weiterhin klar in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten. So kann zusätzlicher Kundennutzen kreiert werden, der zukünftige Wertsteigerungen ermöglicht. Nicht zuletzt ist die SAP gerüstet, eine führende Funktion in dem bevorstehenden Wandel zu einer Services-basierten Anwendungsarchitektur zu übernehmen. Auch hier ist es Herausforderung und Verpflichtung, neue Architekturen und darauf basierende Innovation mit evolutionärem, fassbaren Kundennutzen und Investitionsschutz zu verbinden.
6
Literatur
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mitteilung von IDC vom 02.08.2004: „Worldwide Customer Relationship Management Applications Market Expected to Surpass $11 Billion by 2008, According to IDC“.
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Modigliani, F./ Miller, M. (1958): The cost of Capital, Corporation Finance and the Theory of Investment, in: American Economic Review, Vol. 48, 1958, S. 261-297. Modigliani, F./ Miller, M. (1963): Corporate Income Taxes and the Cost of Capital: A Correction, in: American Economic Review, Vol. 53, 1963. Nowak, K. (2000): Marktorientierte Unternehmensbewertung: Discounted Cash Flow, Realoption, Economic Value Added und der Direct Comparison Approach“, Wiesbaden 2000. Stewart, G. B. (1999): The Quest for Value, USA. Wallmeier, M. (1999): Kapitalkosten und Finanzierungsprämissen, in: ZfB, 69. Jg., 1999, S. 1474-1490.
Wertorientiertes Management bei der Stinnes AG Bernd Malmström Inhalt 1 2 2.1 2.2 3 3.1 3.2 4 4.1 4.2
1
Einleitung ............................................................................................................. 637 Geschäftsentwicklung der Stinnes AG ................................................................. 638 Kurzer chronologischer Überblick........................................................................ 638 Die neue Struktur der Stinnes AG......................................................................... 639 Wertorientierte Steuerung bei Stinnes .................................................................. 640 Cash Flow Return on Investment (CFROI) .......................................................... 641 Cash Value Added (CVA) .................................................................................... 642 Implementierung geschäftsspezifisch operativer Werttreiber ............................... 643 Werttreibersystem bei Schenker auf operativer Ebene ......................................... 644 Werttreibersystem bei Railion Deutschland.......................................................... 645
Einleitung
Das wertorientierte Steuerungskonzept der Stinnes AG bildet seit Anfang der neunziger Jahre die Grundlage einer wertorientierten Unternehmensführung. 1992 wurden erstmals auf Holdingebene Wertkennzahlen ermittelt und analysiert und in den Folgejahren auf die einzelnen Konzerngesellschaften ausgedehnt. Auch in der Zeit nach der Akquisition des Unternehmens durch die Deutsche Bahn AG im Jahr 2003 bilden Wertschaffungskonzepte in einzelnen Geschäftsbereichen wichtige Eckpfeiler der Unternehmenssteuerung. Das wertorientierte Management bei Stinnes in der neuen Struktur muss dabei neuen Herausforderungen gerecht werden. Durch die Zusammenführung des kapitalintensiven Schienengüterverkehrs einerseits und „asset-light“ Aktivitäten, wie zum Beispiel Luftund Seeverkehren zu einem Konzern mussten vielmehr aussagekräftige Kennzahlen eingesetzt werden, mit denen die Wertentwicklung dieser unterschiedlichen Geschäfte transparent abgebildet werden können. Darüber hinaus muss dieses Wertmanagement-System auch mit der Kennzahlensystematik des neuen Eigentümers, der Deutschen Bahn AG, korrespondieren. Um transparent darzustellen, dass es sich bei dem neuen Wertmanagementsystem um mehr als eine bloße Zusammenstellung von Kennzahlen handelt, wird zunächst die neue Struktur der Stinnes AG abgebildet. Die anschließende theoretische Darstellung des Gesamtkonzepts des wertorientierten Managements bei Stinnes umfasst auch eine kurze Darstellung der verwendeten Kennzahlen. Abschließend wird gezeigt, mit welchen operativen Treibern das Konzept der wertorientierten Unternehmensführung auf der Arbeitsebene in den unterschiedlichen Geschäftsfeldern verankert wird.
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Bernd Malmström
2
Geschäftsentwicklung der Stinnes AG
2.1
Kurzer chronologischer Überblick
1808 bis 2004: Die Erfolgsgeschichte von Stinnes Transport und Logistik standen am Beginn des Unternehmens, das 1808 in Mülheim an der Ruhr von Mathias Stinnes gegründet wurde. Schon um 1820 hat sich die Stinnes-Flotte auch auf dem Rhein mit Liniendiensten etabliert und umfasst über 60 Schiffe. 1844 nimmt Stinnes den ersten funktionstüchtigen Dampfschlepper auf dem Rhein in Betrieb. Bei seinem Tod ist er der größte Reeder zwischen Koblenz und Amsterdam. Darüber hinaus besitzt er vier Kohlenzechen und 36 Zechenbeteiligungen. 1892 macht sich Hugo Stinnes, Enkel des Unternehmensgründers, mit 22 Jahren selbstständig und baut unter seinem Namen neben den Stinnes-Betrieben ein eigenes Unternehmen für Kohlenhandel und Schifffahrt auf. Daneben ist er technischer Leiter der Stinnes Bergbaubetriebe, die zu der Zeit jährlich über eine Million Tonnen Kohle produzierten. Unter seiner Führung wird Stinnes mit mehr als 1600 Firmen zu einem der größten Konzerne Deutschlands. Nach dem frühen Tod von Hugo Stinnes kann sein Sohn Hugo Stinnes jr. das Unternehmen mit über 600.000 Mitarbeitern nicht zusammenhalten. Stinnes gerät 1924 in Liquiditätsprobleme. Teile des Unternehmens werden durch Banken veräußert. Hugo Stinnes jr. bringt große Teile des verbliebenen Vermögens in die neu gegründete Hugo Stinnes Corporation in New York ein. Mit dem Eintritt der USA in den II. Weltkrieg wird der Familienanteil am Vermögen der Hugo Stinnes Corporation als Feindvermögen beschlagnahmt. Nach dem Krieg werden die Vermögenswerte der Hugo Stinnes Corporation 1961 auf die neugegründete Hugo Stinnes AG übertragen und diese zu 95% von der damals bundeseigenen VEBA übernommen. In der Folge gibt Stinnes seine Zechen, seine Glasaktivitäten und seine Chemiebetriebe an die VEBA-Gesellschaft Hibernia ab. Die Hibernia wiederum überträgt ihre Schifffahrts- und Handelsaktivitäten auf Stinnes. Die Stinnes AG wird zum Handels- und Dienstleistungsunternehmen. 1992 erwirbt VEBA die restlichen 5% an Stinnes und nimmt das Unternehmen von der Börse. Stinnes erwirbt in mehreren Schritten von der Deutschen Bahn die Schenker AG und konzentriert sich zunehmend auf die Unternehmensbereiche Transport, Distribution und Logistik. Im Zuge der neuerlichen Vorbereitung auf einen Börsengang gibt Stinnes die unternehmerische Führung der Endverbraucheraktivitäten ab; darüber hinaus trennt sich Stinnes vom konventionellen Transportgeschäft für Massengüter und Recycling der Rhenus AG, von der Binnenschifffahrt und den Seehafenaktivitäten und beteiligt sich am schwedischen Transport- und Logistikunternehmen BTL, das mit Schenker zusammengeführt wird.
Wertorientiertes Management bei der Stinnes AG
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Am 14. Juni 1999 geht Stinnes an die Börse. Die bisherige Alleingesellschafterin VEBA AG (heute E.ON AG) gibt 34,5% ab und erklärt ihre Absicht, sich in zwei bis drei Schritten ganz von der Beteiligung an Stinnes zu trennen. Den Ausgabekurs von 14,50 Euro übertrifft die Aktie bis Jahresende um 45%. Nach drei Rekordjahren in Folge startet das Unternehmen gut in das neue Geschäftsjahr 2002. Im Mai loben rund 1300 Aktionäre und Gäste bei der Hauptversammlung den Erfolg der Stinnes AG. Sie ist mit den Gesellschaften Schenker, Brenntag und Interfer in rund 130 Ländern der Erde tätig und erwirtschaftet mit 43.000 Mitarbeitern einen Umsatz von rund 12 Mrd. Euro, davon 70% im Ausland. 3. Juli 2002: Der Aufsichtsrat der E.ON AG, Düsseldorf, stimmt der Abgabe der Stinnes-Beteiligung an die Deutsche Bahn AG zu. Nach dem Beschluss der außerordentlichen Hauptversammlung vom 17. Februar 2003 zur Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre an den Hauptaktionär, die DB Sechste Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH, ist die Deutsche Bahn zu 100% Eigentümer von Stinnes. Die Börsennotierung der Stinnes AG wird am 9. Mai 2003 eingestellt. Zum 1. September 2003 verlegt Stinnes nach 195 Jahren in Mülheim den Sitz der Gesellschaft nach Berlin. 2.2
Die neue Struktur der Stinnes AG
Mit einem Umsatz (2003) von circa 10,8 Milliarden Euro und 61.000 Mitarbeitern weltweit nimmt die Stinnes AG führende Marktpositionen in unterschiedlichen Geschäftsfeldern der Logistik ein. Mit der Flächenorganisation von Schenker ist das Unternehmen Marktführer im europäischen Landtransport sowie mit der Railion Gruppe im europäischen Schienengüterverkehr. Auch im weltweiten See- und Luftfrachtgeschäft ist Stinnes unter den „Top Ten“ sehr gut aufgestellt. Die Marktstellung als „Global Player“ im Logistikmarkt gründet auf eine bereits jetzt vorhandene fundierte Netzwerkkompetenz sowie einen konstanten Ausbau der Logistikfähigkeit. Anders ausgedrückt: Als „Vollsortimenter“ verknüpft Stinnes Netzmanagement-Kompetenzen mit gut entwickelten, aber weiter auszubauenden Leistungen im Supply Chain Management und in der Kontraktlogistik. Das Geschäftsfeldportfolio umfasst vier Geschäftsbereiche (siehe Abb. 1): x Freight Logistics erbringt umfassende Transportleistungen im Bereich Massengüter. Der Fokus liegt auf den Branchen Chemie, Montan, Baustoffen und Kaufmannsgüter. Zusätzlich zur Kernkompetenz Schiene bietet Freight Logistics verkehrsträgerüber-greifende Logistik- und Serviceleistungen. x Schenker, einer der führenden integrierten Logistikdienstleister weltweit, konzentriert sich auf den Transport und die Erbringung speditioneller und logistischer Leistungen im Segment verpackte Ware. Außerdem sind im Rahmen der Integration sämtliche Automotive Aktivitäten bei Schenker gebündelt worden. Das Unternehmen verfügt über ein international flächendeckendes Vertriebsnetz in über 100 Ländern mit 1.100 Standorten für Land-, Luft- und Seeverkehr.
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Bernd Malmström
x Intermodal vermarktet die gesamte Leistungstiefe des europäischen kombinierten Verkehrs an Operateure und Spediteure. Zusammen mit seinen Leistungspartnern bietet Intermodal ein europaweites Zugnetz an. Die Marktführerschaft in Europa wird durch eine aktivere Angebotsgestaltung weiter ausgebaut. x Die Railion-Gruppe ist schon heute der größte und leistungsstärkste europäische Railcarrier. Dank der Zusammenarbeit von Railion Deutschland, Railion Nederland, Railion Danmark sowie Beteiligungen und Kooperationen können hocheffiziente Transportleistungen in den Segmenten Ganzzüge, Einzelwagensystem und kombinierter Verkehr produziert werden – in vielen europäischen Ländern. Für externe Speditionen, die einen neutralen Zugang zur Schiene wünschen, verfügt Railion über einen sogenannten Carrier-Vertrieb, der unabhängig von den übrigen Stinnes-Einheiten arbeitet. Die Struktur von Stinnes ermöglicht eine branchen- und kundenorientierte Marktbearbeitung STINNES AG
Freight Logistics
Schenker
Intermodal
Railion
Schienenverkehr / Spedition / Logistik Fokus: Massengutsegment
Schienenverkehr / Spedition / Logistik Fokus: verpackte Ware
Kombinierter Verkehr für Operateure und Spediteure
Rail-Carrier für Stinnes-Verbund und Speditionskunden
europaweit
weltweit
europaweit
europaweit
Marktbereiche und Vertriebsgesellschaften
Schenker AG und Beteiligungsgesellschaften
Vertriebs- und Servicegesellschaften
Railion Deutschland Railion Danmark Railion Nederland und Beteiligungsgesellschaften
Abb. 1: Stinnes AG
3
Wertorientierte Steuerung bei Stinnes
Die wertorientierte Erfolgsmessung beruht auf dem Gedanken, dass „schwarze Zahlen“ kein Garant für einen steigenden Unternehmenswert sind. Eine wesentliche Kostenkomponente – nämlich die Kosten des Eigenkapitals – und ein bedeutender Kostentreiber dieser Eigenkapitalkosten – das Risiko eines Unternehmens – fließen in eine ergebnisorientierte Betrachtung nicht mit ein. Dabei wird ein zusätzlicher Wert erst dann geschaffen, wenn ein Unternehmen ein Ergebnis erwirt-
Wertorientiertes Management bei der Stinnes AG
641
schaftet, das über den risikospezifischen Kosten von Eigen- und Fremdkapital liegt. Wertorientierte und ergebnisorientierte Erfolgsrechnung weichen also im Hinblick auf die Berücksichtigung von Eigenkapitalkosten und Risikoeinschätzung voneinander ab. Denn erst wenn die Ansprüche der Eigentümer befriedigt worden sind und das Unternehmen die Eigenkapitalkosten verdient hat, wird zusätzlicher Wert geschaffen. Um diesen zusätzlichen Wert zu ermitteln, muss eine – näher zu bestimmende – Ergebnisgröße vor Fremdkapitalzinsen verwendet werden. Davon werden die Kapitalkosten, determiniert durch das investierte Kapital sowie den risikospezifischen Kapitalkostensatz (KK), abgezogen, um den Über- oder auch Residualgewinn zu erhalten. In einem größeren Unternehmen bedeutet die stringente Umsetzung des wertorientierten Managements aber auch, dass jeder einzelne Bereich geschäftsspezifische Renditen erwirtschaften muss, die über den Kosten des eingesetzten Kapitals liegen. Quersubventionierungen zwischen einzelnen Bereichen widersprechen dem Grundgedanken des Konzepts. Dementsprechend müssen den einzelnen Bereichen aber auch entsprechende Zielrenditen vorgegeben werden, die das geschäftsspezifische Risiko widerspiegeln. Je höher das geschäftsspezifische Risiko ist, desto höher sind die Ergebnisforderungen der Kapitalgeber bzw. die Messlatte für die Rendite eines Geschäftsfeldes bzw. einer Sparte. Um eine langfristig positiv-werthaltige Entwicklung eines Unternehmens zu sichern, muss letztlich bei jeder Maßnahme gefragt werden: Wird der Unternehmenswert gesteigert? Oder gibt es sinnvollere bzw. stärker wertsteigernde Maßnahmen? Um die nachhaltige Wertsteigerung des Unternehmens optimal abbilden zu können, empfiehlt sich die Wahl einer Kennzahl, die unabhängig von der Abschreibungs- oder Rückstellungspolitik des Unternehmens ist und nicht durch Inflationseinflüsse verzerrt wird. Eine Berücksichtigung der wirtschaftlichen Nutzungsdauer muss gleichwohl erfolgen. Die Kennzahl muss sowohl in der Mittelfristplanung als auch im Ist ermittelbar sein, um im Rahmen der Kennzahlen-Analyse auf die entsprechenden Budgetwerte zurückgreifen zu können. Es sollen andererseits aber auch Vergleiche zwischen unterschiedlichen Geschäftsfeldern möglich sein. Dies ist angesichts des heterogenen Geschäftsportfolio von Stinnes auch erforderlich: Schenker auf der einen Seite ist ein Unternehmen mit geringer Kapitalintensität. Railion auf der anderen Seite betreibt ein hoch kapitalintensives Geschäft. Vor diesem Hintergrund hat man sich bei Stinnes für den Cash Flow Return on Investement (CFROI) sowie den Cash Value Added (CVA) als Kennzahl für die wertorientierte Unternehmenssteuerung entschieden. 3.1
Cash Flow Return on Investment (CFROI)
Der CFROI ist unabhängig von der Kapitalintensität der Geschäfte eine Möglichkeit, um den Wertzuwachs effizient zu messen: Die Kennzahl ist frei von buchhalterischen Verzerrungen, da der Anschaffungszeitpunkt und die Abschreibungsmethode den Wert nicht beeinflussen.
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Bernd Malmström
CFROI = Betrieblicher Cash Flow / Bruttoinvestitionsbasis Der Betriebliche Cash Flow soll den nachhaltigen Zahlungsmittelzufluss darstellen, weshalb aperiodische „Ausreißer“, wie z.B. Buchgewinne und -verluste aus Desinvestitionen, nicht berücksichtigt werden. Zu diesem Zweck wird das buchhalterische Betriebsergebnis in den tatsächlichen Geldfluss ohne Berücksichtigung außerordentlicher Elemente transformiert. Betriebsergebnis + handelsrechtlicher Zinsaufwand + kalkulatorischer Zinsaufwand Pensionsrückstellungen + Abschreibungen auf immaterielle Vermögensgegenstände/ Sachanlagen/ Firmenwerte aus der Equity Betrachtung = Betrieblicher Cash Flow Da der CFROI eine Gesamtkapitalrendite ist, muss auch die Verzinsung des Fremdkapitals berücksichtigt werden. Der handelsrechtliche Zinsaufwand wird daher als Rückfluss auf die Finanzverbindlichkeiten zum Betriebsergebnis addiert. Die Abschreibungen ergeben sich aus der Verteilung der ursprünglichen Anschaffungskosten auf die tatsächliche Anlagen-Nutzungsdauer. Es ist jährlich genau derjenige Betrag verzinslich zurückzulegen, mit dem kumuliert die abzuschreibenden Anlagen ersetzt werden können. Entsprechend der Going Concern Annahme steht auf diese Weise ausreichend Kapital für Ersatzinvestitionen zur Verfügung. Die Bruttoinvestitionsbasis umfasst das gesamte in eine Gesellschaft investierte und zu verzinsende Kapital. Ausgangspunkt ist die Bilanzsumme, von der unverzinsliche Verbindlichkeiten abzuziehen sind. Zu jedem Anlagengegenstand werden die historischen Anschaffungskosten beziehungsweise Herstellkosten ermittelt. Da der CFROI eine statische Renditekennzahl ist, können Portfolioentscheidungen im Sinne von Aussagen über den Wertzuwachs eines Geschäfts nur über den Vergleich mehrerer Perioden erfolgen. 3.2
Cash Value Added (CVA)
Gerade bei „asset-light“ Aktivitäten sind häufig sehr hohe Kapitalrenditen anzutreffen. Wird das Management an diesen Renditen gemessen, wird häufig auf Investitionen verzichtet, da es mit diesen schwerlich möglich sein würde, die bisherigen hohen Renditen zu erreichen oder auch zu übertreffen. Um dieses Problem zu lösen, gibt es den CVA. Im Gegensatz zu Renditekennziffern, die Aussagen über die Entwicklung des operativen Geschäfts nur über mehrere Perioden erlauben, wird zur Messung des Geschäftserfolgs in einer Periode eine absolute Wertkennzahl herangezogen: Der CVA stellt einen Cash Flow-orientierten Indikator für den absoluten Wertbeitrag dar. Es handelt sich um einen Residualgewinn,
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643
der über die Kosten des gewichteten Gesamtkapitals hinaus verdient wird. Ein positiver Wertbeitrag wird erzielt, sobald der betriebliche Cash Flow größer ist als die absoluten Kapitalkosten. CVA = (CFROI - Gesamtkapitalkostensatz) x Bruttoinvestitionsbasis
4
Implementierung geschäftsspezifisch operativer Werttreiber
Bei der Einführung eines Wertmanagementsystems ist zu berücksichtigen, dass wertorientierte Performancekennzahlen wie der CVA bzw. CFROI nur Führungskräften auf höheren Hierarchieebenen mit entsprechender Entscheidungskompetenz und Ergebnis- wie auch Kapitalverantwortung Ansatzpunkte zu wertorientiertem Handeln liefern. Um auch Führungskräften und Mitarbeitern auf nachgelagerten Hierarchieebenen den Einfluss ihrer Entscheidungen auf die übergeordnete Zielgröße offenzulegen, sind auf Basis von Kennzahlensystemen aus der Spitzenkennzahl CVA und CFROI untergeordnete operative Werttreiber abzuleiten. Erst dadurch kann die Wirkung von Entscheidungen auf allen Hierarchieebenen auf die Wertkennzahl transparent gemacht und alle Aktivitäten auf die Steigerung des Unternehmenswerts ausgerichtet werden (siehe Abb. 2). Um von den Spitzenkennzahlen CVA bzw. CFROI zu den operativen Werttreibern zu gelangen, wird der CVA bzw. CFROI zunächst in seine Komponenten, den betrieblichen Cash Flow sowie die Bruttoinvestitionsbasis (BIB)zerlegt. Der betriebliche Cash Flow lässt sich wiederum in zahlungswirksame Erlöse und Aufwendungen aufgliedern. Man erhält dadurch finanzwirtschaftliche Werttreiber (Umsatz, Rohertrag, Kostenintensität) und damit Wertgeneratoren, die von vielen Führungskräften eher als Steuerungsinstrument begriffen werden, weil es sich dabei im Wesentlichen um dieselben Kenngrößen bzw. Stellhebel handelt, die bei der Maximierung des Betriebsergebnisses eine Rolle spielen. In einem dritten und letzten Schritt werden dann aus Erfahrungswerten operative Werttreiber abgeleitet. Es handelt sich dabei um solche Größen, die nachweisbar in einer sachlogischen Beziehung zu den finanzwirtschaftlichen Werttreibern stehen und diese beeinflussen. Bei der Zerlegung der finanzwirtschaftlichen in operative Werttreiber wurden die operativ verantwortlichen Mitarbeiter eingebunden. Ein weiterer Gegenstand der Analyse war, ob die erforderlichen Daten objektiv und ohne größeren Aufwand erhoben werden konnten. Die verbliebenen Kenngrößen, die in Simulationsrechnungen auf Basis von Erfahrungswerten einen deutlichen Zusammenhang zur Wertentwicklung versprachen, sind die operativen Werttreiber. Durch die Ableitung der operativen Werttreiber gemeinsam mit den verantwortlichen Mitarbeitern wurden unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern sowie lokalen Umfeldfaktoren Rechnung getragen. Daher können Personen in vergleichbaren Positionen durchaus über unterschiedliche Werttreiber gesteuert werden.
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Bernd Malmström
Wertkennzahlen
Finanzwirtschaftliche Werttreiber
Operative Werttreiber
Umsatz
BCF
CVA
Rohertrag
CFROI Kostenintensität
KK*BIB
Strecken-Volumina Rohertrags-Marge der größten Kunden Anteil konsolidierter Sendungen Anteil preferred carriers etc.. Abgefertigte Sendungen pro Mitarbeiterstunde Anteil korrekter Sendungen im Tracking & Tracing Anteil Fehlmengen, Beschädigungen, verspätete Zustellungen Personalfluktuation etc... Verzögerung Fakturierung Forderungslaufzeiten Lieferantenziel Veräußerung nicht betriebsnotwendigen Vermögens etc...
BIB KK
Zerlegung: 1.Schritt: Formel (3) und Formel (1)
Anzahl aktiver Kunden Anteil Neukundengeschäft Anzahl gewonnener Ausschreibungen Anzahl Sendungen und Tonnage etc..
2. Schritt: zahlungswirksame Erlöse und Aufwendungen
3. Schritt Erfahrung der operativ Verantwortlichen
Abb. 2: Operative Werttreiber bei Schenker
4.1
Werttreibersystem bei Schenker auf operativer Ebene
Wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei den operativen Werttreibern um solche Größen, die nachweisbar in einer sachlogischen Beziehung zu den finanzwirtschaftlichen Werttreibern bzw. Wertgeneratoren stehen und diese beeinflussen. Sie bieten dem operativen Management auf nachgelagerten Unternehmensebenen erst die Möglichkeiten ihr Tun an der Steigerung des Unternehmenswertes auszurichten. Um Umsatzwachstum zu generieren, ist das operative Schenker Management beispielsweise aufgefordert, Neukunden zu gewinnen und für eine breite Kundenbasis zu sorgen (auch um Abhängigkeiten von wenigen Key Accounts zu vermeiden). Ein weiteres Ziel ist, möglichst viele Ausschreibungen von Logistikprojekten und Tendern für sich zu entscheiden. Der Rohertrag und die Rohertragsmarge lassen sich in der Luft- und Seefracht vor allem dadurch erhöhen bzw. verbessern, dass Volumina gebündelt und mit ausgewählten Partnern („Preferred Carrier“), verschifft bzw. verladen werden. Auf diese Weise erhält man günstige Frachtraten und steigert gleichzeitig Servicequalität, Zuverlässigkeit und Termintreue. Ohnehin gilt für alle netzwerkgebundenen Logistikleistungen, also für Luft- und Seeverkehre und für den Landtransport, so weit wie möglich Fracht zu konsolidieren und zudem auf den jeweiligen Relationen hohe Volumina zu transportieren. Eine Steigerung der Volumina und in Verbindung damit gegebenenfalls eine Erhöhung des Marktanteils je Relation reduzieren im Regelfall den Fremdleistungsaufwand und
Wertorientiertes Management bei der Stinnes AG
645
zieren im Regelfall den Fremdleistungsaufwand und verbessern damit die Rohertragsmarge. Die Kostenseite lässt sich vor allem dadurch beeinflussen, dass Fehler (Fehlmengen, verspätete Zustellung, Verluste oder Beschädigungen) minimiert und Personalkosten möglichst gering gehalten werden. Beeinflussen lässt sich die Personalkostenquote – bei Logistikdienstleistern üblicherweise gemessen als Anteil der Personalkosten am Rohertrag – dadurch, dass die Fluktuation niedrig und die Mitarbeiterproduktivität (Anzahl abgefertigte Sendungen je Mitarbeiterstunde) (auch) durch den Einsatz entsprechender IT hoch gehalten wird. Da integrierte Logistikdienstleister wie Schenker üblicherweise in unterschiedlichen Sparten bzw. Geschäftsfeldern wie Luft- und Seeverkehre, Landverkehre und Logistik/ VAS tätig sind, besitzen einzelne operative Wertreiber oftmals nur geschäftsfeldspezifische Relevanz bzw. Gültigkeit. So ist der bereits erwähnte Preferred Carrier Anteil nur im Luft- und Seeverkehr von Bedeutung. Betrachtet man hingegen das Geschäftsfeld Logistik/ VAS, so spielen Werttreiber wie der Auslastungsgrad des Lagers, die Lagerdauer und Umschlaghäufigkeit der gelagerten Ware eine Rolle. Entsprechend müssen letzten Endes operative Werttreiber für jedes einzelne Unternehmen, angepasst an dessen Geschäftsmodell, in Zusammenarbeit mit dem verantwortlichen Management erarbeitet werden. Einfluss auf die Bruttoinvestitionsbasis (BIB) lässt sich vor allem nehmen, indem nicht betriebsnotwendiges Vermögen desinvestiert, Leistungen umgehend fakturiert sowie aktives Working Capital Management mit dem Ziel der Verkürzung der Forderungslaufzeiten und Erhöhung der Verbindlichkeitenlaufzeiten betrieben werden. Im Rahmen der Einführung operativer Werttreiber wurde darauf geachtet, für individuelle Mitarbeitergruppen aus einem Kennzahlen-Set die relevanten Größen auszuwählen. Es werden daher für die unterschiedlichen Gesellschaften nicht grundsätzlich alle, sondern nur relevante einzelne Kennzahlen erhoben. Um die allgemeine Wertorientierung auch leistungswirksam zu implementieren, wurde ein spürbarer Anteil der Vergütung an die Entwicklung der Kennzahlen gekoppelt. 4.2
Werttreibersystem bei Railion Deutschland
Auf der Schienenseite ist die BahnStrategieCard seit 1999/2000 ein zentrales Steuerungsinstrument bei der Railion Deutschland AG. Der große Erfolg der Balanced Score Card resultiert aus der großen Wirkungsbreite des Konzepts, da es sich zum einen um ein Kennzahlensystem, zum anderen um ein Managementsystem handelt, mit dem strategische Ziele in operatives Handeln vor Ort übertragen werden können. Gerade diese beiden Aspekte waren bei der Entwicklung der BahnStrategieCard bei der Railion Deutschland AG ein besonderes Anliegen. Herkömmliche Mess- und Steuerungsinstrumente zur Unternehmensführung betonen einseitig finanzielle Kennzahlen. Im Konzept der BahnStrategieCard werden neben den finanziellen Kennzahlen zusätzlich Kennzahlen zur Kundenzufriedenheit/Marktanteil, zum Engagement der Mitarbeiter und zur Qualität der Leistungs-
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Bernd Malmström
erstellung herangezogen, wobei es vielfältige Ursachen-Wirkungs-Beziehungen zwischen den Kennzahlen der einzelnen Dimensionen gibt (siehe Abb. 3).
Betriebsergebnis
Effizienz
Betriebsergebnis/ Gesamtleistung A
Produktivität (Rangierer, Tf, Wagen- 15 meister, Instandhaltung)
16 Verwaltungs- und Vertriebsanteil
B
Kunden
Leistung
13 Anzahl Schadwagen
6 C Fehlersummen- 7 wert TBA
Auslastung Rangierloks
14 Schadstand Lokomotiven Di-Fr 9
8 AbfahrtsPünktlichkeit
10 1000 MannQuote
12 11 Störungen je 100.000 km
4
Mitarbeiter
2 3 1 Gesundheitsstand
Fortbildung
D Örtliche Einweisung
Anzahl VV pro1000 M
5
Abb. 3: Wirkungszusammenhänge von Werttreibern bei Railion Deutschland
Zu Beginn der Einführung des BSC-Konzepts ermittelten die Niederlassungen mit den angeschlossenen Betriebsstellen und Werkstätten zunächst die Stellhebel und Kenngrößen für die operativen Geschäftsprozesse zur Steuerung in den Cargobahnhöfen, Instandhaltungssegmenten und den wesentlichen Kostenstellen. Anschließend wurden die identifizierten Größen validiert und konsolidiert, um im Rahmen eines dynamischen, aber standardisierten Kennzahlenkonzepts, eine gewisse Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Die ermittelten Kennzahlen werden in einem kontinuierlichen Prozess im Hinblick auf sich verändernde interne und externe Gegebenheiten auf ihren Steuerungscharakter überprüft und gegebenenfalls angepasst. Im Rahmen von jährlich stattfindenden Zielvereinbarungsgesprächen werden die strategischen Unternehmensziele kaskadenförmig auf Basis der Kennzahlen bis in die operativen Ebenen heruntergebrochen. Durch eine Verknüpfung der unternehmerischen Zielsetzungen mit den variablen Vergütungsanteilen wird eine unternehmensweite Fokussierung auf die positive Entwicklung der einzelnen Kennzahlen in den verschiedenen Bereichen erzielt und die BSC somit in das Führungssystem integriert. Die Zielerreichung der einzelnen Einheiten wird über einen monatlichen Soll-Ist-Vergleich dargestellt und mittels eines standardisierten Reportings dem Vorstand berichtet. Auf Basis der reporteten Ergebnisse finden gegebenenfalls unterjährig Review-Gespräche statt, um bei Abweichungen Gegensteuerungsmaßnahmen von den BSC-Verantwortlichen einzufordern. Auch die
Wertorientiertes Management bei der Stinnes AG
647
Mitarbeiter in den operativen Einheiten können sich über die Zielerreichung des jeweiligen Betriebsteiles informieren, da der Soll-Ist-Vergleich in Form einer grafischen Tacho-Darstellung im Intranet der Bahn sowie durch Aushänge zugänglich gemacht wird. Da z.B. die Steigerung der Pünktlichkeit ein wichtiges Unternehmensziel ist, finden sich in den BSCs der operativen Einheiten Kennzahlen, die dieses Ziel direkt oder indirekt unterstützen, wie z.B. x x x x x
Abfahrtspünktlichkeit der Qualitätszüge, Ankunftspünktlichkeit von Bedienungsfahrten zum Kundenanschluss, Anzahl der Rangierunfälle; Anzahl der Arbeitsunfälle, Störungsquoten der Lokomotiven, Kurzer Aufenthalt von Loks und Güterwagen in den Werkstätten.
In Workshops und in Arbeitsbesprechungen wird den Mitarbeitern wiederholt verdeutlicht, wie die verschiedenen Kennzahlen in einem Wirkungszusammenhang stehen und dass jeder Mitarbeiter, z.B. durch Qualifikation und Engagement, einen Beitrag zur Verbesserung der Zielerreichung leisten kann. Durch die Einbeziehung der Mitarbeiter in die BSC-Implementierung, die Weiterentwicklung der BSC an neue Organisations- und Prozessstrukturen sowie den Einsatz auf allen Unternehmensebenen wurden die Voraussetzungen für einen mittlerweile fünfjährigen erfolgreichen Einsatz der BSC als Managementinstrument bei Railion Deutschland geschaffen.
Wertsteigerung durch Neuausrichtung der Heidelberger Druckmaschinen AG Herbert Meyer Inhalt 1 2 3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 4 4.1 4.2 4.3 5
1
Ausgangslage........................................................................................................ 649 Strategische Neuausrichtung................................................................................. 650 Konkretes Programm zur Wertsteigerung............................................................. 651 Vorgehensweise und Berechnungsmethode.......................................................... 651 Bereinigung des Produkt-Portfolios...................................................................... 652 Programm zur Umsatzausweitung mit dem verbleibenden Produktportfolio ....... 652 Vereinfachung von Strukturen, Effizienzsteigerung und Abbau von Strukturkosten .................................................................................... 653 Asset-Reduktion ................................................................................................... 654 Restrukturierungskosten ....................................................................................... 654 Gesamtwirkung des Programms ........................................................................... 655 Umsetzung der Maßnahmen ................................................................................. 655 Anforderungen an die Umsetzung ........................................................................ 655 Projekt-Management............................................................................................. 655 Kommunikation .................................................................................................... 656 Fazit/ Ausblick...................................................................................................... 658
Ausgangslage
Die Heidelberg-Gruppe ist weltweit der Marktführer bei Bogenoffset-Druckmaschinen. Ihre Entwicklung wurde in den letzten drei Jahren von verschiedenen Faktoren geprägt: x Die Erwartungen im Geschäft mit Rollenoffset-Maschinen mussten durch einen massiven Einbruch kräftig nach unten korrigiert werden. Auf dem Markt der kommerziellen Rotationsmaschinen war der Einbruch der Werbeausgaben eine deutliche Bremse für die Investitionen. Auf dem Markt der Zeitungsrotationsmaschinen wirkte die Zeitungskrise als eine deutliche Bremse für Neu-Investitionen. x Das von vielen Experten erwartete Wachstum im Digitalmarkt stellte sich noch nicht ein (überhöhte Erwartungen, geänderte Kundenbedürfnisse, Krise in der grafischen Industrie). x Der kräftige konjunkturelle Rückgang führte zu überproportional starken Umsatzreduzierungen, wie Abbildung 1 verdeutlicht. Wegen der hohen Korrelation mit der Entwicklung der Werbeausgaben verringerte sich die Investitionsbereitschaft der Druckereien massiv. Damit kam es auch zu einem deutlichen Ein-
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Herbert Meyer
bruch des Marktes für Bogenoffset-Maschinen, unserem Stammgeschäft. Als Gegenmaßnahme hatten Wettbewerber – teilweise begünstigt durch Wechselkursentwicklungen – versucht, über Preisreduzierung Volumen zu halten bzw. Marktanteile zu gewinnen. Damit kamen Preise und Margen unter Druck. Zudem wirkte sich die zunehmende Aufwertung des Euro negativ aus.
6 5
Mrd. €
4 3 2 1 0 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004
Abb. 1: Umsatzentwicklung der Heidelberg-Gruppe
Geprägt durch diese schwierigen Randbedingungen musste Heidelberg handeln und die Verlust-Gebiete konsequent eliminieren sowie andererseits seine Ertragskraft im Stammgeschäft steigern. Eine solche Restrukturierung kann man jedoch nicht lostreten, ohne vorher die strategische Stoßrichtung des Unternehmens überprüft zu haben. Nur so kann verhindert werden, dass für die Zukunft notwendige Wachstums- und Ertragspotenziale durch falsche kurzfristige Maßnahmen unterschlagen werden.
2
Strategische Neuausrichtung
Die Überprüfung der bisherigen Strategie der Heidelberg-Gruppe führte zu folgendem Ergebnis: Verstärkte Konzentration auf die gesamte Wertschöpfungskette rund um das Stammgeschäft Bogenoffset-Maschinen – unserer Kernkompetenz. Aber wir wollen unseren Kunden nicht nur Druckmaschinen, sondern auch – wie bereits bisher – komplette Lösungen anbieten, einschließlich der Bereiche Druckvorstufe, Druckweiterverarbeitung und aller dazugehörigen Software-Pakete sowie Schulung und Serviceleistungen. Ausgangspunkt dieser strategischen Neuorientierung ist die langfristige Steigerung des Unternehmenswertes und die daraus abgeleiteten finanziellen Ziele: Wir
Wertsteigerung durch Neuausrichtung der Heidelberger Druckmaschinen AG
651
streben langfristig einen Wertbeitrag (Economic Value Added, EVA) in Höhe von 5 bis 6% (vom eingesetzten Kapital) an. Dieses Gruppenziel wird auf die einzelnen Elemente heruntergebrochen, um dann Ziele für die einzelnen Werttreiber der Kapitalrendite (Return On Capital Employed, ROCE) und für die einzelnen Units – ableitbar aus dem EVA/ ROCE-Baum lt. Abbildung 2 – zu vereinbaren.
Um satz Ergebnis Um satzrendite Kosten EVA
ROCE Um satz Kapital Kosten
Kapitalum schlag Betriebsnotwendiges Verm ögen
Abb. 2: EVA/ ROCE Baum
3
Konkretes Programm zur Wertsteigerung
3.1
Vorgehensweise und Berechnungsmethode
Nachdem die strategische Neuorientierung auf Basis klarer mittel- und langfristiger finanzieller Ziele festgelegt war, konnte das konkrete Programm zur Wertsteigerung ausgearbeitet und verabschiedet werden. Die wichtigsten Elemente dabei waren: x Bereinigung des Produkt-Portfolios x Umsatzausweitung mit dem verbleibenden Produkt-Portfolio x Vereinfachung von Strukturen, Effizienzsteigerung und Abbau von Strukturkosten x Asset Reduzierung.
652
Herbert Meyer
Der Wertbeitrag, der der Bewertung unserer Maßnahmen zugrunde liegt, wird anhand folgender Formel berechnet: EVA = EBIT – WACC x CE Das EBIT wird für die operativen Einheiten dem Betriebsergebnis gleichgestellt. Die WACC-Berechnung erfolgt für alle Einheiten der Heidelberg-Gruppe einheitlich. EVA kann entweder in Form eines absoluten monetären Beitrags oder in % des eingesetzten Kapitals (CE, capital employed) ausgedrückt werden. Im letzten Fall lautet die Formel: EVA (%) = ROCE – WACC 3.2
Bereinigung des Produkt-Portfolios
Zwei Geschäftsbereiche – die größten Verlustbringer der Gruppe - wurden verkauft. Der Bereich „Rollenoffset“, der wegen des Einbruchs der Werbeausgaben einerseits und der Zeitungskrise andererseits sehr unter Druck geraten war, wurde an einen amerikanischen Rotationsmaschinen-Hersteller verkauft. Der Bereich „Digitaldruck“, der aus dem eigenen Bereich „Schwarzweiss“ und dem 50%-igen Anteil an dem Joint-venture Nexpress bestand, wurde an unseren JV-Partner verkauft. Hinzu kamen kleinere Bereinigungen des Produktportfolios bei den verbleibenden Geschäftsbereichen (z.B. Einstellung der Aktivitäten für die Weiterverarbeitung im Bereich des digitalen Drucks). Durch diese Maßnahme allein konnte bereits eine Belastung unserer Erfolgsrechnung von rund 200 Mio. € p.a. beseitigt werden. 3.3
Programm zur Umsatzausweitung mit dem verbleibenden Produktportfolio
Durch die Fokussierung des Unternehmens auf die Produktionskette des Bogendrucks (inklusive Weiterverarbeitung) werden die existierenden Märkte intensiver bearbeitet. Dazu kommen die zahlreichen Innovationen, die wir auf der weltgrössten Messe für die Druckindustrie drupa vorgestellt haben. Mit erweiterten Lösungsangeboten in spezifischen Anwendungsgebieten, wie z. B. im Verpackungsbereich oder durch Ausweitung des Service-Geschäfts, werden Wachstumspotenziale systematisch ausgeschöpft. Darüber hinaus wird Heidelberg seine Aktivitäten in den Emerging Markets ausweiten, um am dortigen Wachstum überproportional teilzunehmen.
Wertsteigerung durch Neuausrichtung der Heidelberger Druckmaschinen AG
3.4
653
Vereinfachung von Strukturen, Effizienzsteigerung und Abbau von Strukturkosten
Die Kostenreduzierung war auch in den Vorjahren eine gelebte, permanente Aufgabe bei Heidelberg. Der kräftige Rückgang des Geschäftsvolumens aufgrund der Krise in der grafischen Industrie sowie eine verringerte Anzahl an Geschäftsbereichen erforderte und ermöglichte jedoch ein zusätzliches Programm zur Effizienzsteigerung und Strukturkostensenkung. Dazu zählten folgende Maßnahmen: x Standortoptimierungen durch Produktverlagerungen und die Zusammenlegung von Standorten sorgten für eine wirtschaftlich sinnvolle Auslastung der neu strukturierten Standorte und eine bessere Ausnutzung von Synergien. x Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen im Produktionsbereich, jedoch „atmen“ über Flexibilität der Arbeitszeit, z.B. durch den Aufbau von Vorholzeiten, die Durchführung von Kurzarbeit und Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung. Dadurch konnten teure Entlassungen im direkten Bereich vermieden werden. Zudem wurden - bei inzwischen wieder anziehender Konjunktur - Einstellungen mit hohen Anlernkosten vermieden, die bei Heidelberg wegen der sehr hohen Qualifikation der Mitarbeiter nicht unerheblich sind. x Alle Verwaltungsbereiche – wir zählen hierzu z.B. typische CorporateBereiche wie Unternehmensentwicklung, Controlling und Rechnungswesen, aber auch Marketing und Personalbereiche – wurden konsequent auf den Prüfstand gestellt und auf Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung abgeklopft. Insbesondere wurde darauf geachtet, dass nur absolut notwendige Projekte, die auch einen Beitrag zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens boten, durchgeführt wurden. Die Verschlankung der Heidelberg-Gruppe unterstützte diesen Prozess. Der Aufwand für die Unternehmenssteuerung – getragen durch eine funktionale Organisation – konnte dadurch deutlich reduziert werden. Aufgrund der eingeleiteten Prozessverbesserungen zur Optimierung dieser Bereiche konnten erhebliche Kosteneinsparungen erzielt werden. x Um sämtliche Möglichkeiten der Bereiche Vertrieb/ Service gewinnbringend ausschöpfen zu können, wurde in den umsatzabhängigen Bereichen von Vertrieb und Service keine Kapazitätsreduzierung durchgeführt. Allerdings wurden auch hier die Prozesse überprüft und optimiert. Dies hatte u.a. zur Folge, dass eine Neugestaltung und Bündelung der Vertriebswege auf die drei Regionen Europa, Amerika und Asien vorgenommen wurde, was eine bessere Abstimmung in den operativen Bereichen Vertrieb, Marketing und Logistik und Synergien in den administrativen Funktionen ermöglichte. x Der Forschungs- und Entwicklungsbereich leistet einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung und Steigerung des zukünftigen Ertragspotenzials. Kapazitätskürzungen in diesem Bereich wären nicht angebracht. Allerdings wurde hier ein Programm zur Effizienzsteigerung der Entwicklungsprozesse aufgesetzt, das bei gegebenem Output ebenfalls zu Kostenreduzierungen beiträgt. Dies alles war natürlich nicht ohne eine Reduzierung der Mitarbeiterzahl möglich, die überwiegend sozialverträglich vorgenommen wurde. Betrug die Mit-
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Herbert Meyer
arbeiterzahl der Heidelberg-Gruppe zum Ende des Geschäftsjahres 2001 noch 25.936 Mitarbeiter, so hatte die Gruppe zum Ende des Geschäftsjahres 2005 noch rd. 18.000 Mitarbeiter. Insgesamt entstand durch die geschilderten Strukturmaßnahmen ein beachtliches Einsparungspotenzial, das sich auf eine Größenordnung von über 20% Strukturkosteneinsparung jährlich beläuft und sich auch in den Folgejahren fortsetzen wird. Heidelberg kann dadurch in Zukunft wesentlich flexibler auf Marktschwankungen reagieren. 3.5
Asset-Reduktion
Ein weiterer Schwerpunkt von Restrukturierungsmaßnahmen bezog sich auf ein aktives Asset-Management zur Reduzierung der Assets. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette wurden die Abläufe analysiert und optimiert. Durch Durchleuchtung aller Prozesse vom Einkauf über die Fertigung bis zur Logistik der Vertriebsgesellschaften und letztendlich auch bis zum Kunden konnten die Bestände deutlich reduziert werden. Dies galt für die Neu-Maschinen, die mit über 80% Exportanteil weltweit verkauft werden. Dies galt aber auch für Ersatzteile, deren Bestände in den Regionen neu organisiert wurden. Selbst die Kette der Gebrauchtmaschinen-Verkäufe war hiervon nicht ausgenommen. Ein besseres Forderungsmanagement führte ebenfalls zur Reduzierung dieser Bestände, ohne bei den Kunden negativ aufzufallen. Nicht unbedingt benötigte Anlagen und Gebäude wurden veräußert. Soweit dies kurzfristig nicht möglich war, wurden diese freien Flächen vermietet. Auch die von Heidelberg genutzten Gebäude wurden auf den Prüfstand gestellt und sale-und-lease-back Lösungen angewandt. Systematische Make-or-Buy-Untersuchungen helfen, nicht nur die traditionell hohe Fertigungstiefe von Heidelberg zu reduzieren, sondern auch Prozesse zu vereinfachen und Waren günstiger von außen zu beziehen. Dies gilt insbesondere für Nicht Kern-Aktivitäten wie Catering und ausgewählte IT-Bereiche. 3.6
Restrukturierungskosten
Die Restrukturierung eines Unternehmens bzw. einzelner Geschäftsbereiche ist als Investition in die Zukunft zu betrachten. Jede Restrukturierung stellt damit auch wesentliche Einschnitte in die Prozesse des Unternehmens dar. Es gilt daher, die hierfür notwendigen Restrukturierungskosten so früh und so genau wie möglich zu bewerten, um über die Durchführung von Maßnahmen entscheiden zu können. Diese Bewertung erfolgte in enger Abstimmung zwischen den betroffenen Fachbereichen, dem Controlling sowie unter Einbeziehung der Personalabteilung für alle Personal-relevanten Themen (Abbau von Arbeitsplätzen, Verlagerung, Standort-Verschmelzung). Diese Kosten wurden dann in Abstimmung mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft auf ihre Rückstellungsfähigkeit geprüft.
Wertsteigerung durch Neuausrichtung der Heidelberger Druckmaschinen AG
3.7
655
Gesamtwirkung des Programms
Die Heidelberg-Gruppe kann aus diesem Programm eine erfolgreiche Bilanz ziehen, die aus den folgenden Bausteinen besteht: x Durch den Verkauf von Verlustbringern wurden 200 Mio. € p.a. Verlust eliminiert. x Weitere 280 Mio. € p.a. werden nach Abschluss der Maßnahmen zur Reduzierung der Strukturkosten gespart. x Das gesamte EVA-Potenzial dieses Programms beträgt somit ca. 300 Mio. € Wertbeitrag. Durch ungünstige Gegeneffekte (siehe z.B. die in der Einleitung erwähnten Preis- und Margenminderungen) wird sich aber dieses Potenzial nicht zu 100% in unserem Jahresabschluss niederschlagen.
4
Umsetzung der Maßnahmen
4.1
Anforderungen an die Umsetzung
Eine so tiefgreifende Neuausrichtung eines Unternehmens setzt einige Anforderungen voraus: x Ausgewogenheit: Eine Verschlankung der Strukturen muss auf allen Ebenen des Unternehmens stattfinden. Sie darf sich nicht nur auf die unteren Ebenen beziehen. Sie muss auch in den oberen Etagen ansetzen: So wurde z.B. bei Heidelberg die Anzahl der Vorstände von 5 auf 3 reduziert. x Klare Ziele und einfache Struktur des Programms x Volles Commitment aller Vorstandsmitglieder und Führungskräfte x Die Restrukturierungserfolge müssen über die Ist-GuV und Bilanz nachweisbar sein. x Eindeutige Projekt-Organisation mit straffem Programm-Management und effizientem, einfachen Controlling-Reporting. x Gute, begleitende Kommunikation intern und extern (Belegschaft, Financial Community, Fach- und Wirtschaftspresse). 4.2
Projekt-Management
Zur Umsetzung der Neustrukturierungsmaßnahmen der Heidelberg-Gruppe wurde ein straffes Projekt-Management eingesetzt (siehe Abbildung 3). Insbesondere muss ein so tiefgreifendes Projekt vom Controlling aktiv begleitet werden, das nicht nur einwandfreie Zahlen termingerecht zur Verfügung stellt, sondern diese noch partnerschaftlich mit den betroffenen Fachbereichen analysieren kann („unternehmerischer Controller“). Daraus werden Maßnahmen gemein-
656
Herbert Meyer
sam erarbeitet und verfolgt. Erst diese Mischung aus Kompetenzen und Verständnis für Zusammenarbeit macht die schnelle Zielerreichung möglich. Tracking / Reporting F/CO P r oj ect N am e
Entity
T ot al C N ( w o / G C I T) T ot al H FR T ot al H U E T ot al M C - AP
MC/MN
De v.
4 3, 4 5, 1
51, 3 6, 0
- 7, 9 - 0, 9
1,8 9,7
1, 8 9, 7
1, 8 6, 0
0, 0 3, 7
S av in gs FY 05 Tr a f i c FC D ev. F C0 4 Li ght 43 ,4 7 ,2
0 ,0 2 ,0
1 ,8 6 ,1
0 ,0 -3 ,6
4 ,3
-2 ,9
T ot al M C - BN
7,2
7, 2
7, 2
0, 0
3,1
3, 1
2, 4
0, 7
1 ,5
0 ,0
T ot al M C - EE
Consolidation HDM Group
S avi ngs F Y0 4 F C pm B ud get
4 3,4 5,1
T ot al M C - EA
0 ,0 -9 ,6
1,0
1, 0
0, 9
0, 1
1 ,0
1 5,5
1 5, 0
14, 9
0, 6
5 ,9
1 1,5
1 1, 5
11, 2
4 ,1
T ot al M C - NA
3 6,0
3 6, 9
42, 9
0, 4 - 7, 0
42 ,3
-7 5 , -3 ,7
T ot al M N T ot al S C- D
1 3,9 3 9,6
1 3, 9 3 9, 6
13, 9 43, 5
0, 0 - 3, 9
11 ,0 51 ,0
-2 ,9 11 ,4
T ot al S C- P T ot al S C- S
1 4,5 7 2,2
1 4, 5 7 2, 2
16, 0 68, 7
- 1, 5
20 ,1 76 ,2
5 ,5 4 ,0
T ot al M C - GS
HDM IntraNet
FC
T ot al M C - LA
T ot al S C- W T ot al H D -G r ou p
HDM Group
3, 5
2 8,7
2 8, 7
29, 0
- 0, 2
36 ,1
7 ,3
30 3,3
30 3, 7
3 15, 7
- 12, 5
311 ,9
8 ,7
Cockpit per Management Unit SC
Internet Internet Internet Expl Expl Explorer orer
SAP SEM / BW
Si ngle Project
Co rp.
Da ta In put Re porti ng
Abb. 3: Tracking und Reporting von Implementierung der Projekte und dem Erfolg der Maßnahmen
Der erste Schritt in diesem Prozess ist die Festlegung der Ziele auf Unternehmensebene, wie z.B. das Ziel „Reduzierung der Strukturkosten“. Anschließend wird dieses Ziel mit Projekten unterlegt, die die zu ergreifenden Maßnahmen und Prioritäten widerspiegeln. Eingebettet werden dann die festgelegten Projekte in eine Projekt-Organisation mit einem Lenkungskreis, Projekt-Verantwortlichen, einem IT-gestützten Reporting-Tool und regelmäßigen Projekt-Reviews. Nur so ist eine systematische Abarbeitung der Projekte mit Erfolgsgarantie möglich. Eine regelmäßige Auflistung der Projekte mit Ampelfunktion entsprechend Abbildung 4 zeigt auf einen Blick den Stand der Entwicklung und bringt die wichtigsten und dringendsten Punkte schnell zur Aufmerksamkeit des Lenkungskreises. 4.3
Kommunikation
Um die Durchführung eines solchen Programms so effizient wie möglich zu gestalten, ist eine gute Kommunikation von entscheidender Bedeutung. In der frühen Phase müssen alle an diesem Prozess teilnehmenden Parteien einbezogen werden:
Wertsteigerung durch Neuausrichtung der Heidelberger Druckmaschinen AG
Einsparungen FY04 Project Nam e
FC I FC II
Bud.
Dev.
Einsparungen FY05 FC
Dev. FCI
657
Traffic Light
Total Mar ket A Total Mar ket B Total Mar ket C Total Regi on AA Total Regi on BB Total Regi on CC Total Regi on DD Total Regi on EE Total Regi on FF Total Regi on GG Total Funktion Z Total Produktion HH Total Produktion JJ Total Produktion KK Total Produktion II Total HD-Group
Abb. 4: Projekt-Tracking Matrix
x Das Mittel-Management, das später die Umsetzung der Maßnahmen durchführen wird, muss auch bei deren Festlegung involviert sein, damit sichergestellt ist, dass keine „Traumtänzereien“ geplant werden und um die Akzeptanz der Maßnahmen zu sichern. x Die Mitarbeiter sollen unmittelbar durch Betriebsversammlungen, durch die Führungskräfte bzw. durch den Betriebsrat informiert werden, um eine reibungslose Durchführung zu ermöglichen. x Die Investoren werden selbstverständlich über die Planung und die Umsetzung der Maßnahmen informiert. Dies erfolgt in Aufsichtsratsitzungen, InvestorenKonferenzen und über die Hauptversammlung. Diese Kommunikation trägt zur Vertrauenshaltung der Financial Community bei, die wiederum notwendig für die Sicherstellung der Kapitalverfügbarkeit für das Unternehmen ist. x Zuletzt muss eine allgemeine Öffentlichkeitsarbeit geleistet werden, um die erweiterten Stakeholder ebenfalls zu informieren. Selbstverständlich erfolgt diese unterschiedlich geartete Kommunikation zu verschiedenen Zeitpunkten und hat differenzierte Schwerpunkte. Die Schwierigkeit besteht darin, sowohl die verschiedenen Termine als auch die Inhalte zu koordinieren und dabei die legitimen und teilweise gesetzlich festgelegten Informationsbedarfe zu befriedigen, ohne die notwendige Vertraulichkeit zu verletzen.
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5
Herbert Meyer
Fazit/ Ausblick
Das Fazit aus diesen einschneidenden und schwierigen Prozessen für Heidelberg lautet: x Eine klare Unternehmensstrategie, die sich in konkrete Handlungen für die Geschäftsbereiche umsetzen lässt, zeigt den erforderlichen Weg. x Klare Zielvorgaben sowohl für die Gruppe als auch für die operativen Einheiten und konsequentes Projekt-Controlling führen zum Erfolg der eingeleiteten Maßnahmen. x Projekt-Controlling darf nicht isoliert als eigenständige Veranstaltung verstanden werden, sondern muss integriert in den Planungs- und Reporting-Prozess und in die Geschäftsentwicklung (aktive Rückkopplung und schnelle Reaktion auf unerwartete Ereignisse) erfolgen. x Damit ist das Management permanent über die Wirksamkeit der Maßnahmen aussagefähig. x Aktive Kommunikation in Richtung aller Stakeholder sichert die Akzeptanz und somit die möglichst reibungslose Umsetzung. Heidelberg hat sich eine neue Strategie und die dazu notwendigen Mittel gegeben. Die systematische Umsetzung der Maßnahmen wird unseren Erfolg bestimmen. Die neue Flexibilität der Heidelberg-Gruppe wird es uns ermöglichen, noch schneller und besser auf unerwartete Ereignisse zu reagieren.
Abkürzungsverzeichnis ADR BE BIB BIP BMF CAPM CEO CF CFBIT CFO CFROI CLV CRM CTQ CVA DAX DCF DDR DISCOVER DPMO DSO EP EPS ERP EU EVA EWG FCF GWB HACCP HGB IAS IFRS IPO IR IT KGV KonTraG KVP M&A MbO MBNQA
American Depository Receipts Business Excellence Bruttoinvestitionsbasis Bruttoinlandsprodukt Bundesministerium für Finanzen Capital Asset Pricing Modell Chief Executive Officer Cash Flow Cash Flow Before Interest and Tax Chief Financial Officer Cash Flow Return on Investment Customer Lifetime Value Customer Relationship Management Critical to Quality Cash Value Added Deutscher Aktienindex Discounted Cash Flow Deutsche Demokratische Republik Dresden Integrated Score Card Of Value Excellence Relations Defects per Million Opportunities Days of Sales Outstanding Economic Profit Earnings per Share Enterprise Resource Planning Europäische Union Economic Value Added Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Free Cash Flow Geschäftswertbeitrag Hazard Analysis Critical Control Point Handelsgesetzbuch International Accounting Standards International Financial Reporting Standards Initial Public Offering Investor Relations Informationstechnologie Kurs-Gewinn-Verhältnis Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Kontinuierlicher Verbesserungsprozess Mergers & Acquisitions Management by Objectives Malcolm Baldrige National Quality Award
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Abkürzungsverzeichnis
MDAX MVA NEMAX NOPAT NPV QM REVA ROC ROCE ROE ROI ROIC RONA SDAX SOA SOP SOX SV SVA SVR TCO TQM TSR US-GAAP vH VOC WACC
Mid-cap Deutscher Aktienindex Market Value Added Neuer Markt Index Net Operating Profit after Taxes Net Present Value Qualitätsmanagement Refined Economic Value Added Return on Capital Return on Capital Employed Return on Equity Return on Investment Return on Invested Capital Return on Net Assets Small-cap Deutscher Aktienindex Sarbanes Oxley Act Stock Option Plan Sarbanes Oxley Act Shareholder Value Shareholder Value Added Shareholder Value Return Total Cost of Ownership Total Quality Management Total Shareholder Return United States Generally Accepted Accounting Principles von Hundert Voice of the Customer Weighted Average Cost of Capital
Autorenverzeichnis Birgit Benkhoff, Prof. Dr., ist seit 1998 Inhaberin des Lehrstuhls für BWL, insbesondere Personalwirtschaft, an der TU Dresden. Sie erhielt ihre Ausbildung an der London School of Economics; an derselben Hochschule war sie mehrere Jahre als Dozentin tätig. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Flexibilisierung. Sie untersucht sowohl vorübergehende Unternehmenszusammenschlüsse in Form von virtuellen Organisationen als auch die Bedingungen und Auswirkungen von flexiblen Beschäftigungsverhältnissen. Roland Berger, Prof. Dr. h.c., ist Chairman of the Supervisory Board von Roland Berger Strategy Consultants, heute die weltweit führende nicht-amerikanische Strategieberatung mit 34 Büros in 24 Ländern. Er studierte Betriebswirtschaftslehre in München und Hamburg. Er gehört verschiedenen Aufsichtsräten und Beraterkreisen an und ist Mitglied in zahlreichen Kommissionen, derzeit u.a. in der Initiative "Partner für Innovation" des Bundeskanzlers. Seit 2000 hat er eine Honorarprofessur für Betriebswirtschaft und Unternehmensberatung an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus. Olaf Berlien, Dr., ist seit dem 1. April 2002 Mitglied des Vorstands der ThyssenKrupp AG in Düsseldorf und war bis Februar 2004 verantwortlich für das Ressort Konzerncontrolling. Kurt H. Biedenkopf, Prof. Dr., ist Gründungspräsident der Dresden International University. Er studierte Rechtswissenschaften und Volkswirtschaftslehre und war als Dozent an den Universitäten Frankfurt und Tübingen tätig. 1964 wurde er als Ordinarius für Handels-, Wirtschafts- und Arbeitsrecht an die Ruhruniversität Bochum berufen. 1970 wechselte Kurt Biedenkopf als Mitglied der zentralen Geschäftsführung des Düsseldorfer Chemiekonzerns Henkel in die Wirtschaft. 1973 wurde er zum Generalsekretär der CDU gewählt. 1976 wurde Kurt Biedenkopf erstmals in den Deutschen Bundestag gewählt. Dort übernahm er das Amt des wirtschaftspolitischen Sprechers der CDU/CSU-Fraktion. 1990 zog er als Spitzenkandidat der sächsischen CDU in die Landtagswahl. Der Landtag des Freistaates Sachsen wählte ihn im selben Jahr zum ersten Ministerpräsidenten des Freistaates. 2002 schied Kurt Biedenkopf als sächsischer Ministerpräsident aus dem Amt. Ulrich Blum, Prof. Dr., ist Professor für Volkswirtschaftslehre und seit November 2004 Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle. Nach seiner Promotion (1982) und seiner Habilitation (1986) an der Universität Karlsruhe hat er ab 1986 jährliche Gastprofessuren an der Universität Montreal sowie von 1987 bis 1992 eine Professur für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bamberg inne. Seit 1991 war Ulrich Blum Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsforschung an der Technischen Universität Dresden und in der Zeit von 1992 bis 1994 Gründungsdekan der Fakultät Wirtschaftswissenschaften. Von
662
Autorenverzeichnis
2000 bis 2002 war er Vorsitzender der Kommission zur Evaluierung der Wirtschaftsintegrierenden Forschungsförderung beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie. Seit dem Frühjahr 2005 sitzt er dem Lenkungskreis „Deutsche Normungsstrategie vor. Werner Brandt, Dr., ist Mitglied des Vorstands der SAP AG und verantwortlich für Finanzen und Administration des Unternehmens. Vor seinem Eintritt in die SAP 2001 war er Finanzvorstand und Arbeitsdirektor der Fresenius Medical Care AG. Robert Braun, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, insb. Systementwicklung an der Technischen Universität Dresden. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der fachkonzeptuellen Referenzmodellierung, dem Zusammenspiel von Wissenschaftstheorie und Wirtschaftsinformatik sowie der Methodenentwicklung. Christian Duchmann, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Marktorientierte Unternehmensführung an der TU Dresden. Seine Forschungsschwerpunkte sind Strategisches Marketing, Internationale Unternehmensführung, Dienstleistungsmarketing, Führung, Wissenschaftstheorie und wertorientiertes Management. Werner Esswein, Prof. Dr., ist seit 1993 Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik, insb. Systementwicklung an der Technischen Universität Dresden. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf methodischen Fragen der Explikation von Unternehmenswissen, der Effizienzsteigerung durch systematisches Prozessmanagement sowie der Entwicklung von praxistauglichen Werkzeugen zur Umsetzung der Ergebnisse. Er berät als geschäftsführender Gesellschafter der semture GmbH schwerpunktmäßig Unternehmen des Automobilzulieferbereichs, des Gesundheitswesens und die öffentliche Verwaltung in Fragen der Prozesseffizienz und des Business Excellence Engineering. Michael Ganal, Dr., ist seit Oktober 2000 Mitglied des Vorstandes und zuständig für den Bereich Vertrieb und Marketing der BMW Group. Von 1993 bis 1996 war er Direktor Marketing/ Außenbeziehungen bei Daimler-Benz Aerospace. In den Jahren 1996 bis 1999 leitete er den Geschäftsbereich Motorrad BMW AG sowie das Werk in Berlin. 1999 bis 2000 war er Leiter der BMW Group Vertrieb Europa und Leiter Direktgeschäft Automobile weltweit. Thomas Gauly, Dr., ist seit 2001 Generalbevollmächtigter der ALTANA AG und Leiter Konzernkommunikation. In dieser Funktion ist er für die Bereiche Strategische Kommunikation, Corporate Image & Sponsoring, Media Relations & Publications sowie Investor Relations und Interne Kommunikation verantwortlich. Er ist in verschiedenen Institutionen für Kultur und Bildung vertreten, u.a. Mitglied des Vorstands der Herbert-Quandt-Stiftung und Mitglied des Präsidiums des Stiftungsrats des Frankfurt Institute of Advanced Studies.
Autorenverzeichnis
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Katja Gelbrich, Dr., ist externe Habilitandin und Lehrbeauftragte am Lehrstuhl für Investitionsgütermarketing und Beschaffungsmanagement der Universität Stuttgart, Lehrbeauftragte am Lehrstuhl für Marketing der Technischen Universität Dresden. Katja Gelbrich studierte Asienwissenschaften in Berlin und Betriebswirtschaftslehre in Dresden. Sie promovierte 2001 in Kooperation mit der DaimlerChrysler AG an der Universität Stuttgart. Werner Gleißner, Dr., ist Vorstand der FutureValue Group AG und Geschäftsführer der RMCE RiskCon GmbH & Co. KG, Leinfelden-Echterdingen und Nürnberg sowie Geschäftsführer der Wima Gesellschaft für angewandte Betriebswirtschaft mbH. Dr. Werner Gleißner hat Lehraufträge an der Technischen Universität Dresden (Entrepreneurship) an der European Business School (Risikomanagement) und ist in der Ausbildung „Rating Analyst“ der Universität Augsburg tätig. Gero Götzenberger ist Leiter des Bereichs Corporate Strategy der DaimlerChrysler Services AG. Sein Studium an der Universität Karlsruhe (TH) schloss Herr Götzenberger als Diplom-Wirtschaftsingenieur ab. Zusätzlich studierte er Betriebswirtschaft an der Simon Fraser University in Vancouver mit dem Abschluss Master of Business Administration. Er begann seine Laufbahn 1999 im DaimlerChrysler Konzern und durchlief dort Positionen im Finanz- und Strategiebereich. Rüdiger Grube, Dr., ist seit 2002 Vorstandsmitglied der DaimlerChrysler AG und in dieser Funktion verantwortlich für das Ressort Konzernentwicklung mit den Bereichen Konzernstrategie, Mergers & Acquisitions, Strategische Allianzen, Industrielle Beteiligungen sowie seit 2004 verantwortlich für alle China-Aktivitäten der DaimlerChrysler AG. Darüber hinaus ist er Mitglied des „Board of Directors“ der Mitsubishi Motors Corporation (MMC), der European Aeronautic Defence and Space Company (EADS N.V.) und Aufsichtsratsvorsitzender der MTU Friedrichshafen GmbH sowie der DaimlerChrysler-Off-Highway GmbH. Er sitzt außerdem im Board von McLaren sowie DaimlerChrysler Financial Services. Edeltraud Günther, Prof. Dr., leitet seit 1996 die Professur für Betriebliche Umweltökonomie an der TU Dresden mit dem Schwerpunkt auf Umweltmanagement und ökologieorientierten Informations- und Entscheidungsinstrumenten. In der Forschung spezialisierte sie sich auf die Bereiche Umweltleistungsmessung, umweltfreundliche Beschaffung, Wertrelevanz des Umweltmanagements von Unternehmen sowie Entschleunigung von Konsum- und Produktionsprozessen. Unter ihrer Leitung führte die TU Dresden ein Umweltmanagement nach EG-ÖkoAudit-Verordnung ein, das mittlerweile seit 2002 regelmäßig validiert wird. Sie ist darüber hinaus beim Normenausschuss Grundlagen des Umweltschutzes (NAGUS) des Deutschen Institut für Normung e.V. tätig. Thomas Günther, Prof. Dr., ist seit 1994 Inhaber des Lehrstuhls für Betriebliches Rechnungswesen/Controlling an der TU Dresden mit den Schwerpunkten Ausgestaltung von Steuerungs- und Controllingsystemen und Weiterentwicklung des Fi-
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Autorenverzeichnis
nanz- und Rechnungswesens sowie vor allem wertorientierter Steuerung von Unternehmen und Management von Immateriellen Ressourcen wie Marken, Kundenbeziehungen und Humankapital. Seit 2001 leitet Herr Günther zusammen mit Herrn Schomaker, den Schmalenbacharbeitskreis „Wertorientierte Führung in mittelständischen Unternehmen“ und ist Mitglied des Schmalenbacharbeitskreises „Immaterielle Werte im Rechnungswesen“. Holger Hoppe, studierte an der TU Dresden und Dublin City University Wirtschaftsingenieurwesen. Er arbeitet seit 2004 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Betriebswirtschaftslehre, insb. Betriebliche Umweltökonomie der TU Dresden. Michael Hüther, Prof. Dr., ist seit dem 1. Juli 2004 Direktor und Mitglied des Präsidiums des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln. Zuvor war er von 1995 bis 1999 Generalsekretär des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Von 1999 bis 2004 war er Chefvolkswirt und ab Oktober 2001 außerdem Bereichsleiter Volkswirtschaft und Kommunikation der DekaBank. Darüber hinaus ist er Honorarprofessor an der European Business School und Mitglied im Vorstand der Atlantik-Brücke. Kathrin Imberger, Dr., studierte an der Technischen Universität Dresden Wirtschaftsingenieurwesen und an der Universität Tübingen Betriebswirtschaftslehre. Von 1995 bis 1998 und 2000 bis 2002 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Finanzwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der TU Dresden und promovierte zum Thema Wertorientierte Anreizgestaltung. Seit Juli 2003 ist Frau Imberger in der Kanzlei Rechtsanwälte Derra, Meyer & Partner in Dresden tätig. Herbert Kauffmann ist seit 2001 Senior Vice President Corporate Controlling, Accounting & Taxes der DaimlerChrysler AG. Er studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim. Seit 1976 hat er mehrere Positionen in verschiedenen Geschäftsfeldern und Standorten durchlaufen. Bei Freightliner LLC in Portland, Oregon, war er Leiter Controlling und seit 1992 CFO. 1995 bis 1999 umfasste sein Aufgabenspektrum die Leitung der Unternehmensplanung und danach des Konzerncontrollings. Von 1999 bis 2001 war er Vorstand für Personal und Finanzen und stellvertretender Vorstandsvorsitzender beim Mobilfunkanbieter debitel. Susann Kaulich, studierte Betriebswirtschaftslehre an der Technischen Universität Dresden und ist seit 2001 an der Professur für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Betriebliche Umweltökonomie, wissenschaftliche Mitarbeiterin mit dem Schwerpunkt Environmental Performance Measurement als Instrument für nachhaltiges Wirtschaften. A. Stefan Kirsten, Dr., ist seit dem 1. August 2002 Mitglied des Vorstands der ThyssenKrupp AG und seit März 2004 unter anderem für das Konzercontrolling verantwortlich.
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Hans-Joachim Körber, Dr., ist Vorsitzender des Vorstands der METRO AG, Düsseldorf,mit ihren Vertriebslinien Metro Cash & Carry, Real, Extra, Media Markt und Saturn, Praktiker sowie Kaufhof AG. Er schloss seine Studiengänge in Brauereitechnologie und Betriebswirtschaft an der Technischen Universität in Berlin als Diplom-Braumeister und Diplom-Kaufmann mit Promotion ab. 1974 begann er als Senior-Controller für den Getränke-Bereich in der Oetker-Zentralverwaltung Bielefeld und wurde 1980 Mitglied der Geschäftsführung der Söhnlein-Rheingold KG. 1985 wechselte er in die Geschäftsführung der METRO SB-Großmärkte mit den Ressorts Finanz- und Rechnungswesen, Controlling, Logistik und Informatik. 1991 wurde er Mitglied der Generaldirektion der METRO International Management AG in Baar/Schweiz und 1996 Mitglied des Vorstandes der METRO AG. Seit 1999 ist er Sprecher, seit 2001 Vorsitzender des Vorstands der METRO AG. Hermann-Josef Lamberti, ist seit Oktober 1999 Mitglied des Vorstandes der Deutsche Bank AG. Als Chief Operating Officer ist er für das Kosten- und Infrastrukturmanagement, die Informationstechnologie und Operations, das Gebäude- und Flächenmanagement sowie den Einkauf der Deutschen Bank-Gruppe weltweit verantwortlich. Zuvor war er 14 Jahre für IBM tätig, zuletzt als Vorsitzender der Geschäftsführung der IBM Deutschland. Er hält Aufsichtsratsmandate bei Schering AG, Fiat S.p.A., Carl Zeiss AG, Euroclear plc and Euroclear S.A. Rainer Lasch, Prof. Dr., ist Inhaber des Lehrstuhls für BWL, insbes. Logistik an der Fakultät Wirtschaftswissenschaften der TU Dresden mit den Schwerpunkten Benchmarking in der Logistik, marktorientierte Prozessgestaltung, Lieferantenbewertung, Öko-Logistik, Telematik im Straßengüterverkehr und Supply Chain Management. Er ist außerdem wissenschaftlicher Leiter des Weiterbildungsstudiengangs MBA Logistik an der Fakultät Wirtschaftswissenschaften der TU Dresden sowie Koordinator des European Master of Science in Transport and Logistics, einem postgradualem Studiengang mit den Universitäten Le Havre, Gent, Lüttich und Santander. Arne Lemke, Dr., ist seit 1998 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für BWL, insbes. Logistik an der Fakultät Wirtschaftswissenschaften der TU Dresden. In seiner Forschungstätigkeit beschäftigt er sich mit Logistikplanung, Prozessmanagement und strategischem Logistikmanagement. Hermann Locarek-Junge, Prof. Dr., ist seit 1995 Inhaber des Lehrstuhls für Finanzwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der TU Dresden. Er ist seit 2001 Adjunct Professor der Pfeiffer University, Charlotte NC, USA. Er studierte Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Bank- und Finanzwirtschaft und war wissenschaftlicher Mitarbeiter und Akademischer Rat am Lehrstuhl für Statistik der Universität Augsburg und promovierte im Jahre 1987. Ab 1991 leitete er die Professur für Wirtschaftsinformatik, insbes. Betriebliche Kommunikationssysteme an der Universität Essen. Außerdem ist er Vorstand der Gesellschaft für Klassifikation (GfKl) sowie Mitglied in weiteren Fachgremien.
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Bernd Malmström, Dr., war von 2000 bis 2005 Vorstandsmitglied der Deutschen Bahn AG und in dieser Funktion verantwortlich für Transport und Logistik. Bis zur Reorganisation dieses Bereichs unter dem Dach der Stinnes AG war er gleichzeitig in Personalunion Vorstandsvorsitzender der DB Cargo AG und anschließend Vorstandsvorsitzender der Stinnes AG. In dieser Funktion war Dr. Malmström zuständig für die vier Stinnes-Geschäftsfelder Schenker, Freight Logistics, Intermodal und Railion. Bei der Schenker AG und der Railion Deutschland AG war er zusätzlich Vorsitzender des Aufsichtsrates. Seit März 2005 hat Dr. Malmström seine Mandate bei der Stinnes AG und der Deutschen Bahn AG nieder gelegt. Im Rahmen eines langfristigen Beratervertrags ist er der Deutschen Bahn weiterhin verbunden. Neben Aufsichtsratsmandaten bei der Kali & Salz AG und der HHLA Intermodal GmbH ist er u.a. Mitglied des Beirates der BLG Logistics Group AG & Co. KG, der DAL Deutsche Afrika-Linien-GmbH & Co. KG und der BVL Bundesvereinigung für Logistik e.V. sowie Beraterkreismitglied bei der Fraport AG. Friedrich Merz, ist nach mehrjähriger Mitgliedschaft im Europäischen Parlament seit Oktober 1994 Mitglied des Deutschen Bundestages. Während seiner Mitgliedschaft hat er als Fraktionsvorsitzender und Stellvertretender Fraktionsvorsitzender herausgehobene Funktionen in der CDU/CSU Bundestagsfraktion wahrgenommen. Fachlich hat er sich zunächst als Obmann für Finanzfragen und später als Funktionsträger der Fraktion intensiv mit Haushaltsfragen sowie wirtschafts- und finanzpolitischen Themen befasst. Im November 2003 hat er ein Konzept für eine radikale Vereinfachung des Einkommenssteuerrechts vorgelegt. Er ist seit 1986 Rechtsanwalt und hat diesen Beruf, mit Ausnahme seiner Zeit als Fraktionsvorsitzender, beständig ausgeübt; seit Januar 2005 in der Anwaltssozietät Mayer, Brown, Rowe und Maw LLP. Herbert Meyer, Dr., ist seit Dezember 1994 Finanzvorstand der Heidelberger Druckmaschinen AG. Er studierte Betriebswirtschaftslehre und promovierte 1976 zum Dr. rer. oec. 18 Jahre war er für die Robert Bosch GmbH tätig, unter anderem auch als kaufmännischer Werksleiter und als Mitglied der Geschäftsleitung der spanischen Tochtergesellschaft in Madrid. Außerhalb seiner beruflichen Tätigkeit hatte er über viele Jahre einen Lehrauftrag an der Universität Freiburg und ist seit 1984 Mitglied des Beirats Verlag für Europäische Lehrmittel (Haan-Gruiten). Stefan Müller, Prof. Dr., ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing an der Technischen Universität Dresden. Er ist DiplomPsychologe. Seit 1978 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Sonderforschungsbereich 24 der Universität Mannheim tätig. Nach der Promotion (1990) folgten Forschungsaufenthalte in Japan, Südafrika und den USA. Seine Forschungs- und Beratungsschwerpunkte sind Kundenzufriedenheit, Internationales und Interkulturelles Marketing, Dienstleistungsmarketing sowie Verbraucherverhalten. Jochen Oelert, Dr., ist Mitarbeiter im Konzerncontrolling der ThyssenKrupp AG.
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Frank J. Plaschke, Dr., promovierte bei Prof. Dr. Thomas Günther am Lehrstuhl für betriebliches Rechnungswesen/Controlling an der Technischen Universität Dresden. Er arbeitet als Manager bei The Boston Consulting Group (BCG) in München. Bei BCG ist er der deutsche Topic Leader für „Wertmanagement“. Seine Dissertation über „Wertorientierte Management-Incentivesysteme“ wurde im September 2002 mit dem Schmalenbach-Preis ausgezeichnet. Lilly Scheibe, studierte Betriebswirtschaftslehre an der Technischen Universität Dresden und ist seit 2001 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Betriebswirtschaftslehre, insb. Betriebliche Umweltökonomie. Ihre laufenden Projekte befassen sich mit der Identifikation, Bewertung und Handhabung von Hemmnissen umweltfreundlicher Beschaffung. Tobias Schindler, ist seit 2003 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für BWL, insbes. Logistik an der Fakultät Wirtschaftswissenschaften der TU Dresden. Seine Scjwerpunkte sind Leistungsmessungen in Logistikbeziehungen und logistischen Erfolgsfaktoren. Frank Schirmer, Prof. Dr., ist seit 2000 Professor für BWL, insbesondere Organisation an der TU Dresden. Er hat 1999 an der Universität Hannover für das Fach Betriebswirtschaftslehre habilitiert. Seine Lehr- und Forschungsschwerpunkte sind Change Management, Strategic Human Resource Management und Managerial Work sowie die Implementierung wertorientierter Steuerungssysteme im mittleren Management. Er ist unter anderem Mitglied in der Academy of Management (USA) und Herausgeberbeirat der „Managementforschung“. Martin Schomaker, ist seit 2002 Vorstandsvorsitzender der R. Stahl Aktiengesellschaft und in dieser Funktion verantwortlich für Finanzen, Controlling und Beteiligungen. Er studierte Betriebswirtschaftslehre an der Berufsakademie und war in verschiedenen Funktionen im Automobilausrüstungsbereich tätig. 1995 wurde er Finanzvorstand der R. Stahl Aktiengesellschaft. Robert Schutt, ist Mitarbeiter im Konzerncontrolling der ThyssenKrupp AG. Nikolaus Schweickart, Dr. h.c., ist seit 1990 Vorsitzender des Vorstandes der ALTANA AG. Seit 1977 ist er im Günther-Quandt-Haus in Bad Homburg tätig, zunächst als Leiter des Aufsichtsratsbüros der VARTA AG, dann als persönlicher Mitarbeiter von Dr. Herbert Quandt, danach als Direktor und Generalbevollmächtigter der ALTANA AG. Von 1983 bis 1986 leitete er eine Technologie-Holding und wurde 1987 zum Mitglied des Vorstandes der ALTANA AG. Er ist außerdem Vorsitzender des Vorstandes der Herbert-Quandt-Stiftung, Mitglied des Präsidiums des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft, Vorsitzender des Kuratoriums der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung, Koblenz, Mitglied des Kuratoriums der Technischen Universität Dresden, Mitglied des Universitätsrates und Ehrensenator der Universität Konstanz, stellvertretender Bundesvorsitzender des Wirtschaftsrates der CDU und Vorsitzender der Administrati-
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on des Städelschen Museumsvereins Frankfurt sowie Kuratoriumsmitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung Darmstadt. Er hat außerdem verschiedene Aufsichtsrats- und Beiratsmandate inne. Marcel Thum, Prof. Dr., ist seit 2001 Inhaber des Lehrstuhls für Finanzwissenschaft an der TU Dresden. Seit dem Jahre 2004 ist er Geschäftsführer des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung - Niederlassung Dresden und Mitglied im CESifo Forschungsnetzwerk sowie Vorsitzender der Expertenkommission zum Demographischen Wandel in Sachsen (2005-2006). Seine Forschungsgebiete sind u.a. Finanzwissenschaft, Politische Ökonomie, Migrationspolitik, Arbeitsmarktpolitik und Industrieökonomik. Armin Töpfer, Prof. Dr., leitet den Lehrstuhl für Marktorientierte Unternehmensführung an der Technischen Universität Dresden sowie die Forschungsgruppe Management + Marketing in Kassel. Vorherige Stationen waren an der Universität Freiburg, an der EAP Europäische Wirtschaftshochschule in Düsseldorf, mit weiteren Standorten in Paris, Oxford, Madrid und jetzt Berlin, sowie der Schwerpunkt Management an der Universität Kassel. Die Schwerpunkte seiner Lehre und Forschung sind Wertorientierte Unternehmensführung/ Balanced Score Card, Strategisches Marketing/ Customer Relationship Management/ Dienstleistungsmanagement, TQM/ Business Excellence, Geschäftsprozessoptimierung/ Six Sigma, Krankenhausmanagement und Human-Ressourcen-Management. Wesentliche Projekte in Kooperation mit der Praxis sind: Die Restrukturierung des DaimlerBenz Konzerns (1995-1997), Plötzliche Unternehmenskrisen/ Die Krise der AKlasse, Die Neuorganisation der Airbus Industrie, Die Post Merger Intergation von DaimlerChrysler. Er ist Mitglied in nationalen und internationalen Vereinigungen/ Jury zu Business Excellence und außerdem Vorsitzender und Mitglied in Beiräten von Industrie- und Dienstleistungsunternehmen. Wolfgang Uhr, Prof. Dr. Dr. h. c., ist seit 2000 Dekan der Fakultät Wirtschaftswissenschaften. Er leitet den Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, insbes. Informationssysteme in Industrie und Handel, an der Fakultät Wirtschaftswissenschaften der TU Dresden. Nach dem Studium der Ingenieurökonomie an der TU Dresden erfolgte 1970 die Promotion und 1971 die Berufung als Hochschuldozent für Operations Research an die TU Dresden, 1981 die Habilitation. Peter Zencke, Dr., trat der SAP 1984 als promovierter Mathematiker und Ökonom bei. Als Mitglied des Vorstands der SAP AG seit 1993 leitete er große Teile der Entwicklung von R/3, der mySAP Business Suite und der Industrielösungen. In den Jahren von 1999 bis 2003 hat unter seiner Verantwortung die SAP-Lösung zur Pflege von Kundenbeziehungen (mySAP Customer Relationship Management) eine führende Position im Markt erreicht. Zurzeit umfasst sein Verantwortungsbereich die Entwicklung der SAP Anwendungsarchitektur und -plattform sowie die Koordination der weltweiten Forschungsaktivitäten.
Stichwortverzeichnis A ABC-Analyse 473 Abzinsungsfaktor 18 Aktienkurs 10, 19, 37, 611 Aktienoptionen 39, 548 Aktionärsanalyse 593 Alterseinkünfte 120 Analystenveranstaltungen 592 Anreizsysteme 39, 536 Anspruchsgruppen 221, 282 (s. auch Stakeholder) Arbeitslosenversicherung 103 Arbeitsmarkt 92, 242 Arbeitsplatzverlagerung 79 Arbitragevorteil 80 Asset-Management 654 Auslandsverlagerung 80 Automobilindustrie 181, 434, 511 B Badge Engineering 513 Balanced Scorecard 43, 225, 421, 529, 645 Banken 301 Barwert 20 Barwertkompatibilität 185 Basel II 170, 389 Behavioral Finance 36 Beschwerdemanagement 412, 457 Betriebliche Ausbildung 72 Beziehungsmarketing 452 Bilanzskandal 7 Bildungssystem 104 Bonus 39, 209, 546, 548, 562 Bonusbank 209, 562 Bonusfaktor 566 Börsenblasen 36 Börsengang 9 Bruttoinlandsprodukt 90 Bruttoinvestitionsbasis 645 Buchwerte 27 Bürokratieabbau 100 Business Excellence 327, 412, 422, 599 C Capital Asset Pricing Model 33, 166, 189 Cash Flow 16, 30, 183, 192
Cash Flow Return on Investment 32, 563, 641 Cash Flow-basierte Rentabilitätskennzahlen. 32 Cash Value Added 31, 228, 564, 642 Change Management 622 Controllability-Prinzip 545 Corporate Governance 9, 49, 70, 72, 200 Country-of-Origin 516 Critcal to Quality Characteristics 411 Cross Selling 456, 601, 627 Customer Equity 411 Customer Lifetime Value 468 Customer Relationship Management 49, 612 Customer Value 411 D Data Envelopment Analysis 482 Deckungsbeitragsrechnung 467 Dienstleistungsbereich 453 Dienstleistungsgesellschaft 145 Differenzierung 283 Discounted Cash Flow 18, 228, 613 Discounted Cash Flow Return On Investment 32 DISCOVER 43, 65 Dresdner Ansatz zur ökonomischökologischen Optimierung 360 Duale Berufsausbildung 94 E Economic Profit 31 Economic Value Added 31, 206, 228, 284, 351, 386, 554, 564, 651 Effektivität 4 Effizienz 4 Ehe und Familie 118 Eigenkapital 10 Eigenkapital als Risikopuffer 19 Eigenkapitalbedarf 172 Eigenkapitalgeber 183 Eigenkapitalkosten 19, 33, 187, 640 Einkommensteuer 109, 121 Einnahmen-Rechnung 16 Entity-Ansatz 29 Equity Story 586 Equity-Ansatz 29
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Stichwortverzeichnis
Erbschaftsteuer 123 Erfolgsfaktoren 291, 424 Ertragssteuer 109 Ertragswert 342 Erweiterungsinvestitonsrate 41 Europäische Union 110 Externes Rechnungswesen 27 F Fachpromotor 266 Fehlerfolgekosten 417 Fehlerkosten 385, 417 Fehlerkostenanalyse 384 Fehlerkultur 397 Financial Community 590, 657 Finanzdienstleistungsmarkt 304 Finanzmittelflusssaldo 16 Finanzströme 46 Flat tax 110 Flexibilität 294 Flexible und Atypische Beschäftigungsverhältnisse 242 Fluktuation 244 Flussorientierung 296 Forschung und Entwicklung 151 Forschungsförderung 70 Freier Cash Flow (Free Cash Flow) 22, 165, 190, 538, 564, 613 Fremdkapitalkosten 33 Frühaufklärung 393 Fundamentaler Wert 21 G Geldpolitik 50, 98, 163 Gerechtigkeit 108, 125 Geschäftsergebnis 207 Geschäftsprozess 311 Geschäftsvermögen 207 Geschäftwertbeitrag 31 Gewinn 30 Gewinnbasierte Rentabilitätskennzahlen 31 Globalisierung 79, 88, 149, 588 „Going concern“-Annahme 16 Großaktionäre 9 Grundsteuer 123 H Hedge-Fonds 14 Heuschrecken-Metapher 11 Humankapital 93, 140, 611 Humanressourcen 243 Hurdle rate 20
I Imitation 70 Immaterielles Vermögen 27, 34, 322, 616 Imparitätsprinzip 27 Incentivesysteme 561 Indexierung 551 Informations- und Kommunikationstechnologien 295 Informationsmodelle 318 Innovation 44, 68, 139, 245, 412 Innovationsfähigkeit 102 Innovationskultur 155 Innovationsprozess 264 Innovationsrente 142 Institutionelle Anleger 35 Intangible Asset 91 Intellectual Property 68, 80, 514 Intellectual property rights 168 Intellektuelles Kapital 285 Invention 140 Investor Relations 200, 587, 625 Issuemanagement 377 K Kaizen-Philosophie 436 Kano-Modell 413 Kapitalertragssteuer 119 Kapitalismus-Debatte 11 Kapitalkosten 18, 33, 166, 208, 387, 598, 607, 641 Kapitalmarktkommunikation 587 Kapitalmarktorientierte Steuerung 38 Kapitalproduktivität 607 Kapitalwert 20 Kennzahlen 28, 197, 234, 477, 561, 637 Kennzahlenbaum 231 Kerngeschäft 617 Kernkompetenz 164, 312 Kleinaktionäre 9 Koalitionsbildungsprozess 268 Kontinuierlicher Verbesserungsprozess 440 KonTraG 170, 389, 549 Konzentrations- und Nischenstrategie 416 Körperschaftsteuer 121, 122 Kosten der Abweichung 401, 417 Kosten der Übereinstimmung 401, 417 Kosten- und Preisführerschaft 283, 416 Krankenversicherung 103 Kreativität 245
Stichwortverzeichnis Kreditfabrik 306 Krise 377 Krisenmanagement 378 Krisen-Steuerrad 398 Kundenakquisition 450 Kundenbindung 462 Kundenlebenszyklus 612 Kundenloyalität 462 Kundenorientierung 294, 451 Kundenprofitabilität 467 Kundenwert 451, 455 Kundenzufriedenheit 460, 622 Kurs-Gewinn-Verhältnis 611 L Langfristorientierung von Investoren 14 Lean Management 394 Leiharbeit 241 Leistungsinnovation 141 Leitbild 591 Lenkungskreis 603 Lernen 4, 43 Liquidationswert 16 Liquiditätsreserven 172 Lobbying 74 Logistik 280 Logistikkompetenz 280 Logistikkonzeption 280 Logistikkosten 292 Logistikleistungen 292 Lohnkosten 79, 96 Loyalität 245, 247 Lücke-Theorem 30 M Management by Objectives 28 Marke 68, 489 Markentreue 462 Markenwert 490 Market Value Added 34, 206 Marktanteil 613 Marktkapitalisierung 610 Marktorientieren Ansatz 42 Marktrendite 166 Marktsegmentierung 475, 499 Marktwachstums/ Marktanteils-Portfolio 476 Marktwert 34, 168, 206 Marktwert/Buchwert-Relationen 34 Mehrmarkenmanagement 509 Mehrwert 5 Meinungsführer 459 Mindestverzinsung 6
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Mindestverzinsungserwartung 20, 37 Mitarbeitereinstellung 258 Mitbestimmung 9 Mittelständische Unternehmen 216 Mittleres Management 263, 657 Modellierung 318 Modularisierung 305 Multibrand Management 509 Mund-zu-Mund-Propaganda 457 N Nachhaltigkeit 91 Net Asset 187 Net Operating Profit After Taxes 29 Net Present Value 20 Nettoliquidität 192 Netzwerk 246, 270, 605 Netzwerkeffekt 161 Netzwerkstrukturen 160 Null-Fehler-Qualität 414 Ö Öffentliche Güter 50, 98 Ökologischer Erfolg 349 Ökonomische Leistung 341 O Offshoring 80, 310 One Voice Policy 589 Online-Banking 314 Operating Profit 187, 191 Ordnungspolitik 125, 130 Ordnungsrahmen 95 Organisations-Champion 265 Organizational Citizenship Behaviour 247 Outpacingstrategie 416 Outsourcing 80, 295, 311, 394, 654 P Paradigma 4 Patent 68 Patente 150 Pflegeversicherung 103 Porters Diamant 89 Positive Externalität 70 Preispolitik 602 Prekäre oder kontingente Beschäftigung 242 Private Equity-Investoren 13 Produkt-Champion 265 Produktgarantien 385 Produkthaftung 391 Produktportfolio 618 Produktrückruf 380
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Stichwortverzeichnis
Produktvariantenstrategie 416 profitables Wachstum 613 Prospect-Theorie 36 Prozessinnovation 141 Prozesspromotor 266 Psychologischer Vertrag 246 Q Qualifizierung 82 Qualität 411 Qualitätsmanagement 426 Qualitätsmängel 379, 383 Quellensteuer 118 R Rating 173, 233 Realisationsprinzip 27 Rechtssicherheit 95 Referenzanlage 18 Referenzkunden 630 Referenzpotenzial 459 Refined Economic Value Added 555 Regulierungsindex 97 Relative Kennzahlenkonzepte 31 Rent appropriation 8 Rent seeking 75 Rentabilitätsspanne 32 Rentenversicherung 103 Reorganisationsprozess 264 Residualeinkommen 217 Residualerfolg 5 Residualgewinn 31, 184, 284 Residualstromgrößenkonzept 31 Residualwert 16 Ressourcenorientierten Ansatz 42 Retention rate 471 Return on Capital 31 Return on Capital Employed 31, 598, 651 Return on Equity 31 Return on Invested Capital 31 Return on Investment 31 Return on Net Assets 31 RFMR-Methode 478 Risiko 157 Risikoaggregation 171 Risikoallokation 161 Risiko-Balanced Score Card 393 Risikodeckungspotenzial 171 Risikogesellschaft 158 Risikokompass 396 Risikokompensation 394 Risikomanagement 72, 170, 195, 378
Risikoprämie 33, 386 Risiko-Rendite-Portfolio 167 Risikosteuerung 393 Risk Map 195 Roadshow 592 Rohertrag 644 RONA 189 Rückrufaktion 382 S Sarbanes-Oxley Act 70, 201 Scorecard 604 Scoring-Modelle 478 Selbstfinanzierung 10 Service Level Agreement 307 Shareholder 3, 5 Shareholder activism 14 Shareholder Value 6, 11, 15, 26, 34, 216, 342, 536, 591 Shareholder Value Added 31 Shareholder Value Return 32 Six Sigma 439, 600 Skimming 68 Sozialsystem 103, 127 Sozialtransfers 50 Spekulationsprämien 36 Staatsquote 154 Stakeholder 3, 5, 590 (s. auch Anspruchsgruppen) Standortfaktoren 89 Steuerbilanzrecht 115 Steuerflucht 109 Steuergesetzgebung 108 Steuerpolitik 75 Steuerreform 110 Steuersystem 50, 98, 108 Steuerungssystem 208 Steuervergünstigungen 116 Steuerverwaltung 109 Stock Options 549 Strategie 283 Strategieprozess 265 Strategische Allianz 296 Strukturinnovation 141 Subsidiarität 127 Subventionen 75, 111 Supply Chain Management 49, 285, 305 Systemwettbewerb 92 T Tantieme 546
Stichwortverzeichnis Technologie- und Qualitätsführerschaft 416, 616 Technologieportfolio 618 Time-to-Market 619 Tobin q 168 Total Cost of Ownership 615 Total Quality Management 414 Total Return to Shareholder 614 Total Shareholder Return 38 Trägheit des Managements 398 Transaktionskosten 159 Transparenz des Steuersystems 109 Ü Übergewinn 31, 184, 217, 564 Überverzinsung 6, 24 Überverzinsungs-Cash Flow 31 U Umsatzrendite 189 Umweltleistung 343 Umweltökonomie 340 Unternehmensbewertung 352 Unternehmenserfolg 281 Unternehmensgründer 77 Unternehmenskrise 398 Unternehmenswert 21, 205, 216, 342, 539 Unternehmertum 151 V Value Added 184, 527 Value Reporting 39 Venture Capital 618 Veräußerungsgewinne 119 Vergütungssystem 199, 209, 536, 646 Verhandlungsmacht 8 Vermögensteuer 122 Vertrauen 245 Voice of the Customer 411 Volatilität 33 W Wachstum 91 Weighted Average Cost of Capital“, WACC 29, 188, 231, 351, 652 Wertbeitrag 16, 30, 598, 642 Werterhaltung 21, 48, 377 Wertetreiber 223 Wertetreiber-Prozess-Matrix 223 Wertgeneratoren 40, 425, 542, 643 Werthaltung 42 Wertorientierung 342 Wertspiegelung 589 Wertsteigerung 21, 32, 48, 321
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Wertsteuerung 15, 46 Werttreiber 46, 196, 281, 326, 351, 425, 601, 643 Werturteil 3 Wertvernichtung 21, 378, 381 Wertverteilung 15 Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften 92 Wettbewerbspolitik 99 Wettbewerbsrecht 126 Wettbewerbsvorteil 42 Windfall Profits 552 Wirtschaftlichkeitsrechnung 193 Wissen 91, 267 Wissensaustausch 250, 294, 606 Wissensgesellschaft 149 Wissensmanagement 48, 323 Wissens-Spillover 70 Wissenstransfer 246 Wohlstand 88 X X-Ineffizienzen 75 Z Zahlungsverkehr 313 Zertifizierung 424 Zielkonkurrenz 66 Zielvereinbarung 198, 646 Zukunftserfolgswert 17