Florian W. Bartholomae Konsumentenheterogenität und Struktur des Außenhandels
GABLER RESEARCH
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Florian W. Bartholomae Konsumentenheterogenität und Struktur des Außenhandels
GABLER RESEARCH
Florian W. Bartholomae
Konsumentenheterogenität und Struktur des Außenhandels Eine Analyse im Kontext der Theorie des intra-industriellen Handels Mit einem Geleitwort von Univ.-Prof. Dr. Karl Morasch
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität der Bundeswehr München, Neubiberg 2011
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Marta Grabowski | Sabine Schöller Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-3273-0
Geleitwort Die Erkl¨ arung der Handelsstruktur ist eine der zentralen Fragestellungen der realen Außenhandelstheorie. Die traditionellen Theorieans¨atze versuchen diese Frage auf der Grundlage von Unterschieden zwischen den L¨andern zu beantworten. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Angebotsseite: Außenhandel wird entweder durch Technologieunterschiede (Ricardo-Modell) oder Unterschiede in den relativen Faktorausstattungen (HeckscherOhlin-Samuelson-Modell) erkl¨ art. Mit diesen Ans¨atzen kann man den inter-industriellen Handel erkl¨ aren, bei dem ein Land G¨ uter einer Branche exportiert, um in Gegenzug G¨ uter einer anderen Branche zu importieren. Die Zunahme des Außenhandels seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist jedoch durch einen starken Bedeutungszuwachs des Handels mit Industrieprodukten gekennzeichnet, wobei ein großer Teil des Handels zwischen den in Bezug auf Technologie und Faktorausstattung relativ ¨ahnlichen Indusandern erfolgt und dabei zudem von einem Land h¨aufig innerhalb einer triel¨ Branche ¨ ahnliche G¨ uter sowohl exportiert als importiert werden. Erkl¨aren l¨ asst sich dieser Handel insbesondere durch Modellans¨atze der neuen Au” ßenhandelstheorie“, bei denen auf der Nachfrageseite von einer Pr¨aferenz der Konsumenten f¨ ur differenzierte Produkte und auf der Angebotsseite von steigenden Skalenertr¨ agen ausgegangen wird. Die Arbeit von Florian W. Bartholomae liefert zun¨achst eine fundierte Analyse der Determinanten und der historischen Entwicklung des intra-industriellen Handels sowie der theoretischen Auseinandersetzung mit diesem Ph¨anomen. Dabei werden die Ans¨ atze zur Integration der traditionellen und neuen Außenhandelstheorie ebenso diskutiert wie die aktuellen Arbeiten der auf Firmenheterogenit¨ at basierenden neuen neuen Außenhandelstheorie“ ” und Beitr¨ age mit vertikaler Produktdifferenzierung (Qualit¨atsunterschiede). ¨ So erh¨ alt der Leser einen umfassenden Uberblick zum Stand der Forschung zur Außenhandelsstruktur. Darauf aufbauend entwickelt der Autor ein eigenes Modell, das die Idee heterogener Konsumenten in ein Modell mit inter- und intra-industriellem Handel integriert. Dies ist das innovative Herzst¨ uck der Arbeit, in dem durch eine realit¨ atsn¨ ahere Spezifikation der Nachfrage mit einkommensabh¨angigen Pr¨ aferenzen die neue neue Außenhandelstheorie“ mit heterogenen Firmen ” wirkungsvoll erg¨ anzt wird. Mit diesem Ansatz kann zum einen intra-industrieller Handel aufgrund horizontaler und vertikaler Produktdifferenzierung in einem einheitlichen Modellrahmen erkl¨ art werden und es kann zum anderen aufgezeigt werden, wie die Handelsstruktur vom durch die H¨ohe und
VI
Verteilung der Einkommen beschriebenen Entwicklungsstand der beteiligten L¨ ander abh¨ angt. Ein zentrales Ergebnis ist dabei, dass es nur zwischen relativ reichen L¨ andern zu intra-industriellem Handel kommt, was den in der Realit¨ at beobachtbaren ausgepr¨ agten Handel zwischen den Industriel¨andern zutreffend abbildet. Die Arbeit von Florian W. Bartholomae stellt somit sowohl in Bezug auf die Weiterentwicklung der Theorie als auch in Bezug auf die abgeleiteten empirisch nach-pr¨ ufbaren Aussagen einen bedeutsamen Beitrag zur Analyse der Außenhandelsstruktur dar. M¨ unchen, im August 2011
Karl Morasch
Vorwort Die vorliegende Dissertation wurde im Januar 2011 von der Fakult¨at f¨ ur Wirtschafts- und Organisationswissenschaften an der Universit¨at der Bundeswehr M¨ unchen angenommen, und das Promotionsverfahren im Juli 2011 erfolgreich abgeschlossen. Zuallererst m¨ ochte ich mich bei Prof. Dr. Karl Morasch bedanken, der mir als Doktorvater und Erstgutachter nicht nur die M¨oglichkeit gegeben hat, diese Arbeit zu erstellen, sondern auch an zahlreichen wissenschaftlichen Konferenzen teilzunehmen, um so Einblicke in die aktuellen Forschungsfragen und -ans¨ atze zu erhalten. Mein zweiter Dank gilt Prof. Dr. Stefan D. Josten, der freundlicherweise das Zweitgutachten u ¨bernommen hat. Ich ¨ m¨ ochte mich gleichfalls bei Prof. Dr. Friedrich L. Sell f¨ ur die Ubernahme des Vorsitzes des Promotionsausschusses bedanken ebenso wie bei den beiden weiteren Pr¨ ufern Prof. Dr. Thomas Hartung und Prof. Dr. Bernhard Hirsch. ur die Unterst¨ utzung zu Beginn Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Friedrich danke ich f¨ meiner Dissertation. Ein jeder Doktorand weiß, wie sehr das große Projekt“ das Leben w¨ah” rend der Zeit der Fertigstellung pr¨ agt. Dennoch gibt es nicht wenige Menschen, die mich w¨ ahrend dieser Zeit und der Arbeit an der Professur begleitet und unterst¨ utzt haben und die ich seitdem zu meinen besten Freunden z¨ahle: Alina M. Schoenberg, die mich zur Teilnahme an zahlreichen Konferenzen anregte und begleitete. Marcus Wiens und Silvio Kermer, die viele kleinere und gr¨ oßere Fehler vor und w¨ ahrend des Korrekturlesens aufgest¨obert haben. Nicht unerw¨ ahnt bleiben sollen auch meine direkten und indirekten, ehemaligen und derzeitigen Kolleginnen und Kollegen, insbesondere zu nennen sind Rita Orsolya T´ oth, Gergana H¨ ockmayr, Pamela Koch, Beate Sauer und Christian Oberpriller. Zu guter Letzt m¨ ochte ich mich nat¨ urlich auch bei allen meinen Freunden und besonders meiner Familie außerhalb“ der Universit¨at bedanken, die ” mich auf vielf¨ altige Art und Weise unterst¨ utzt haben und mir damit auch die Kraft und Motivation gegeben haben, das vorliegende Werk zu vollenden. M¨ unchen, im August 2011
Florian Bartholomae
Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 1.1 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 5
2 Handelsstrukturen: Auspr¨ agung und Entwicklung 2.1 Determinanten des Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Inter-industrieller Handel . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Idee des intra-industriellen Handels . . . . . . . . . . . ¨ 2.1.3 Okonomische Gr¨ oße und Geographie . . . . . . . . . . 2.2 Entwicklung der Handelsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Handel und Globalisierung vor 1950 . . . . . . . . . . 2.2.2 Die Globalisierung nach 1950 und ihre neuen Aspekte 2.3 Ursachen und Erkl¨ arungsans¨ atze des intra-industriellen Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Definition, statistische versus ¨ okonomische Abgrenzung von Branchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Konsumentensicht: Produktdifferenzierung . . . . . . . 2.3.2.1 Vertikale Produktdifferenzierung . . . . . . . 2.3.2.2 Horizontale Produktdifferenzierung . . . . . 2.3.3 Produzentensicht: Fragmentierung der Wertsch¨opfungskette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4 Weitere Erkl¨ arungsans¨ atze . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4.1 Handel an L¨ andergrenzen . . . . . . . . . . . 2.3.4.2 Zeitpunktbezogener Handel . . . . . . . . . . 2.3.4.3 Wiederausfuhrhandel . . . . . . . . . . . . . 2.3.4.4 Wettbewerb durch Handel . . . . . . . . . . 2.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9 10 11 14 21 27 28 33 39 40 48 49 55 57 59 60 63 64 65 67
X
Inhaltsverzeichnis
3 Theoretische Grundlagenmodelle 69 3.1 Inter-industrieller Handel (Heckscher-Ohlin-Samuelson) . . . 70 3.1.1 Annahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 3.1.2 Modellgrundlagen und Lerner-Diagramm . . . . . . . 73 3.1.3 Faktorinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 3.1.4 Produktionsstruktur und Handelsmuster im 2×2×2-Fall 85 3.1.5 Erweiterungen des 2×2×2-Modells . . . . . . . . . . . 89 3.1.5.1 Mehr als zwei L¨ ander . . . . . . . . . . . . . 90 3.1.5.2 Mehr als zwei G¨ uter . . . . . . . . . . . . . . 95 3.1.6 Formale Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 3.2 Intra-industrieller Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3.2.1 Horizontaler intra-industrieller Handel . . . . . . . . . 104 3.2.1.1 Neue Außenhandelstheorie . . . . . . . . . . 105 3.2.1.2 Handel bei nicht-homothetischen Pr¨aferenzen 111 3.2.1.3 Neue neue Außenhandelstheorie und Firmenheterogenit¨ at . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 3.2.1.4 Firmenheterogenit¨ at und komparativer Vorteil130 3.2.1.5 Firmenheterogenit¨ at und Marktgr¨oße . . . . 135 3.2.2 Vertikaler intra-industrieller Handel . . . . . . . . . . 143 3.2.2.1 Komparativer Vorteil in Qualit¨atssegmenten 144 3.2.2.2 Heckscher-Ohlin-Ricardo-Modell . . . . . . . 148 3.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur 159 4.1 Nachfrageseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 4.1.1 Spezifikation der Nutzenfunktion . . . . . . . . . . . . 160 4.1.2 Einkommen und Pr¨ aferenz f¨ ur Qualit¨at . . . . . . . . 165 4.1.3 Kapitalaufteilung und Konsumentengruppen . . . . . 169 4.2 Produktionsseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 4.3 Autarkie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 4.3.1 Gr¨ oße des Qualit¨ atsteilsektor . . . . . . . . . . . . . . 176 4.3.2 Bestimmung des Gleichgewichts . . . . . . . . . . . . . 177 ¨ 4.3.3 Auswirkungen einer Anderung der Faktorausstattung 179 4.4 Friktionsloser Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 4.4.1 Auswirkungen der Handelsaufnahme . . . . . . . . . . 188 4.4.2 Handelsaufnahme eines kapitalreichen Landes . . . . . 194 4.4.3 Handelsaufnahme eines arbeitsreichen Landes . . . . . 202 4.4.4 Intra-industrieller Handel . . . . . . . . . . . . . . . . 209
Inhaltsverzeichnis
4.5
Kostspieliger Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.1 Auswirkungen von Transportkosten auf die Preisstruktur und das Spezialisierungsmuster . . . . . . . . . . . 4.5.2 Separierung der Firmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.3 Spezialisierung und Handelsmuster . . . . . . . . . . . 4.5.4 Intra-industrieller Handel . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.5 Auswirkungen einer Handelsliberalisierung und politischer Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XI
217 219 223 225 231 238 242
5 Fazit 245 ¨ 5.1 Wesentliche Ergebnisse im Uberblick . . . . . . . . . . . . . . 245 5.2 Einordnung in die bestehende Literatur . . . . . . . . . . . . 249 5.3 Ausblick und Forschungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 A Anhang 253 A.1 Empirische Relevanz von Skalenertr¨ agen . . . . . . . . . . . . 253 A.2 Gleichgewichtspreise bei Autarkie . . . . . . . . . . . . . . . . 256 A.3 Nachfrage bei CES-Nutzenfunktionen . . . . . . . . . . . . . 258 A.4 Faktorausstattung, Einkommen, Kapitalausstattungsschwelle 260 A.4.1 Faktorausstattung und individuelles Einkommen . . . 260 A.4.2 Kapitalausstattungsschwelle und Kapitalreichlichkeit . 261 A.5 Einkommen bei Außenhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 A.5.1 Vergleich (kostspieliger) Handel mit Autarkie . . . . . 262 A.5.2 Vergleich Diversifikation mit Spezialisierung . . . . . . 266 A.6 Faktorinhalt im Qualit¨ atssektor . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 A.6.1 Faktorinhalt in Autarkie . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 A.6.2 Faktorinhalt von Produktion, Konsum, Export und Import . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 A.7 Handelskosten und Diversifikation . . . . . . . . . . . . . . . 268 A.8 Faktorinhalt Export und Import bei kostspieligem Handel . . 269 Literaturverzeichnis
271
Abbildungsverzeichnis 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8 3.9 3.10 3.11 3.12 3.13 3.14
Auswirkung der Handelsaufnahme auf eine einzelne Firma bei monopolistischer Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . Kategorisierung differenzierter Produkte innerhalb einer Branche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einkommen und nachgefragte Qualit¨ at . . . . . . . . . . . . . Anteile der drei Handelsarten am Intra-EU-Gesamthandel im Jahr 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Handel an L¨ andergrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lerner-Diagramm in seiner Grundform . . . . . . . . . . . . Anpassung aus Ungleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . Produktionsstruktur bei gegebener Faktorausstattung . . . Einkommen und Handelsvolumen innerhalb und außerhalb des Diversifikationskegels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Produktionsstruktur bei gegebener Faktorausstattung: Diversifizierung und Spezialisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . Produktionsstruktur und Handelsmuster zweier L¨ander in der Edgeworth-Box . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Drei-L¨ ander-Fall, Faktorinhalt und Produktion bei friktionslosem Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Drei G¨ uter und zwei Faktoren: Randl¨ osung und Sonderfall . Faktorreichlichkeit und Faktorknappheit . . . . . . . . . . . Auswirkungen einer Handelsaufnahme bei Krugman (1979) Zusammenf¨ uhrung von inter- und intra-industriellem Handel bei Helpman und Krugman (1985) . . . . . . . . . . . . . . Anteil des (horizontalen) intra-industriellen Handels in Abh¨ angigkeit von der relativen Kapitalverteilung bei Mitra und Trindade (2005) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitliche Struktur im Melitz-Modell bei Autarkie, friktionslosem und kostspieligem Handel . . . . . . . . . . . . . . . . Produktivit¨ ats- und Exportschwelle bei Autarkie, friktionslosem und kostspieligem Handel . . . . . . . . . . . . . . . .
18 47 51 53 62
. 74 . 76 . 79 . 84 . 86 . 88 . . . .
91 96 98 108
. 110 . 114 . 120 . 129
XIV
Abbildungsverzeichnis
3.15 Auswirkung der Handelsaufnahme auf Produktivit¨atsschwellen in beiden Branchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 3.16 Konsumentscheidung in Bezug auf die Qualit¨at in Abh¨angigkeit vom Einkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 3.17 Zusammenhang zwischen Preis und Hicks-neutralem Parameter150 3.18 Integriertes Gleichgewicht bei Davis (1995) . . . . . . . . . . 152 3.19 Anteil des (vertikalen) intra-industriellen Handels in Abh¨angigkeit von der relativen Kapitalausstattung bei Davis (1995) 154 Zusammenhang zwischen 𝐼𝑖 , 𝑘𝑖 und 𝜃 . . . . . . . . . . . . . . Kapitalreichlichkeit, Verteilung des Kapitals und Auswirkung auf die Pr¨ aferenzstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Auswirkungen einer Erh¨ ohung der Produktivit¨atsschwelle auf die kritische individuelle Kapitalausstattung und das relative Preisniveau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Einkommensvergleich zwischen Autarkie und friktionslosem Handel in Abh¨ angigkeit von der individuellen Kapitalausstattung bei Handelsaufnahme eines kapitalreichen Landes . . . . 4.5 Auswirkung der Handelsaufnahme eines kapitalreichen Landes auf die kritische individuelle Kapitalausstattung . . . . . 4.6 Einkommensvergleich zwischen Autarkie und friktionslosem Handel in Abh¨ angigkeit von der individuellen Kapitalausstattung bei Handelsaufnahme eines arbeitsreichen Landes . . . . 4.7 Auswirkung der Handelsaufnahme eines arbeitsreichen Landes auf die kritische individuelle Kapitalausstattung: Wachsender Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8 Auswirkung der Handelsaufnahme eines arbeitsreichen Landes auf die kritische individuelle Kapitalausstattung: Schrumpfender Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.9 Vertikaler und horizontaler intra-industrieller Handel bei friktionslosem Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.10 Lage des Diversifikationskegels in Abh¨angigkeit von der Kapitalausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.11 Einkommensvergleich zwischen Autarkie, friktionslosem und kostspieligem Handel in Abh¨ angigkeit von der individuellen Kapitalausstattung bei Handelsaufnahme eines arbeitsreichen Landes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1 4.2
167 170
186
198 199
205
206
207 213 221
228
Abbildungsverzeichnis
XV
4.12 Auswirkung der Handelsaufnahme eines arbeitsreichen Landes bei kostspieligem Handel auf die kritische individuelle Kapitalausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 4.13 Zusammenfassende Darstellung der Modellstruktur . . . . . . 243 A.1 Vergleichbarkeit der Faktorausstattung mittels Isoeinkommensgeraden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263
Tabellenverzeichnis 1.1
Bedeutung des Handels im Zeitablauf
. . . . . . . . . . . . .
2
2.1 2.2 2.3 2.4 2.5
Intra-industrieller Handel ausgew¨ ahlter L¨ander . . . . . . . . Zusammensetzung des US-Handels nach Warengruppen . . . H¨ ochste Aggregationsstufe der SITC . . . . . . . . . . . . . . Auszug der Untergliederung von SITC Teil 6 . . . . . . . . . Inter-industrieller, vertikaler und horizontaler intra-industrieller Handel Deutschlands mit ausgew¨ ahlten Handelspartnern
34 39 42 43
3.1
Zusammenfassung der vorgestellten Theorien . . . . . . . . . 158
4.1 4.2
Faktorallokation und -intensit¨ at im Gleichgewicht . . . . . . . 179 Produktions- und Handelsstruktur in Abh¨angigkeit von der Kapitalreichlichkeit des Landes . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
54
A.1 Empirischer Zusammenhang zwischen steigenden Skalenertr¨ agen und intra-industriellem Handel . . . . . . . . . . . . . 255
1 Einleitung Die besten Kunden der f¨ uhrenden Industriel¨ ander sind die anderen Indus” triel¨ ander. Wenn die Technik vervollkommnet wird und sich der Lebensstandard in einem Lande hebt, so neigt auch sein Bedarf an spezialisierten G¨ utern und Qualit¨ aten – und zwar sowohl von technischen Anwendungen als auch von Verbrauchsg¨ utern – dazu, zu steigen und hierdurch auch der Spielraum des inl¨ andischen internationalen Handels.“ (Ohlin, 1931, S. 179)
In der aktuellen Handelsliteratur findet sich kaum eine Betrachtung des Zusammenhangs zwischen den Einkommen und den Pr¨aferenzen der Konsumenten und dem internationalen G¨ uterhandel. Allerdings legt nicht nur das bereits 1931 ge¨ außerte Zitat von Ohlin einen derartigen Zusammenhang nahe, sondern es finden sich auch Hinweise f¨ ur eine solche Entwicklung in der Betrachtung der aktuellen und der vergangenen Handelsstrukturen. Dabei ist insbesondere die zunehmende Bedeutung des sogenannten intra-indus” triellen Handels“ hervorzuheben, der, wie kein anderes Handelsph¨anomen, auf dem Wunsch der Konsumenten nach differenzieren G¨ utern basiert. Dieses Kapitel soll im ersten Abschnitt dazu dienen, die Fragestellung der Arbeit zu erl¨ autern und zu motivieren. Im Anschluss daran wird ein kurzer ¨ Uberblick u ¨ber die Vorgehensweise und den Aufbau der Arbeit gegeben.
1.1 Motivation Es ist unbestritten, dass der Handel mit anderen L¨andern und die Integration in die Weltwirtschaft treibende Elemente der wirtschaftlichen Entwicklung sind. Dabei nimmt im Zuge der sogenannten Globalisierung“ die ” Bedeutung f¨ ur die meisten Volkswirtschaften stetig zu. Die große Bedeutung des Handels ist jedoch kein modernes Ph¨ anomen. Bereits in fr¨ uheren Epochen war der Stellenwert des Handels herausragend. So ist in Tabelle 1.1 zu erkennen, dass das reale Wachstum des weltweiten Handels bereits im Zeitraum von 1870 bis 1913 (der sogenannten ersten Globalisierungswelle“), ” das Bev¨ olkerungswachstum sowie den Zuwachs der weltweiten realen Wertsch¨opfung (BIP) deutlich u urlich auch die ¨berstieg. Zugleich beeinflusst nat¨ wirtschaftliche Entwicklung eines Landes Art und Umfang seines Handels. So legt die klassische Außenhandelstheorie“ einen Zusammenhang zwischen ” F. W. Bartholomae, Konsumentenheterogenität und Struktur des Außenhandels, DOI 10.1007/978-3-8349-7119-7_1, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
2
1 Einleitung
der Faktorausstattung eines Landes – die abh¨ angig von seinem Entwicklungsstand zu sehen ist – und seinen Im- und Exporten nahe. ¨ Tabelle 1.1: Bedeutung des Handels im Zeitablauf (Prozentuale Anderungen)
Welt
1870 bis 1913
Bev¨ olkerungswachstum 0,8 Reales BIP-Wachstum 2,1 Reales Wachstum des Handels 3,8a
1950 bis 2007
1950 bis 1973
1974 bis 2007
1,7 3,8 6,2
1,9 5,1 8,2
1,6 2,9 5,0
Anm.: Die Zeitr¨ aume 1870 bis 1913 und seit 1950 entsprechen der ersten und zweiten Welle der Globalisierung, vgl. Abschnitt 2.2. Die Zwischenperiode (1914 bis 1949) war durch starke protektionistische Bestrebungen gekennzeichnet und wurde daher explizit ausgeklammert. a Zeitraum 1850 bis 1913. Quelle: World Trade Organization, 2008, Table 1, S. 15.
Ein genauerer Blick auf die Entwicklung des Handels zeigt, dass nicht nur das Volumen deutlich angewachsen ist (vgl. Tabelle 1.1), sondern sich auch dessen Natur gewandelt hat. Lange Zeit zeichnete sich der Handel ausschließlich durch den Austausch von G¨ utern unterschiedlicher Branchen aus (der sogenannte inter-industrielle Handel“) wie etwa Agrarprodukte gegen ” Textilien – an dieser Stelle sei nur auf das ber¨ uhmte Beispiel von Ricardo (1817) verwiesen, das den Wein-Tuch-Handel zwischen England und Portugal schildert. Mit Beginn der sogenannten zweiten Globalisierungswelle“ ” ab 1950 gewinnt dann, wie etwa Krugman (1995) feststellt, der sogenannte intra-industrielle Handel“ zunehmend an Bedeutung. Dieser ist dadurch ” gekennzeichnet, dass L¨ ander G¨ uter ein und derselben Branche sowohl exportieren als auch importieren – so exportiert Deutschland beispielsweise BMWs und importiert zugleich Autos von Peugeot aus Frankreich. Der Stellenwert des intra-industriellen Handels hat erheblich zugenommen, wie am Beispiel von Deutschland zu erkennen ist. Lag dessen Anteil am Gesamthandelsvolumen mit den USA im Jahr 1988 noch bei 44,2 %, so machte er nur acht Jahre sp¨ ater bereits 64,3 % aus (Heitger et al., 1999, Tabelle 27, S. 107). Allerdings unterscheiden sich die Anteile je nach betrachteter Branche. So lag der Anteil im Jahr 2006 f¨ ur Deutschland in der Kategorie (Branche) D¨ ungemittel, roh, und mineralische Rohstoffe“ bei 98,5 % – das ” heißt, nahezu der gesamte Handel ist als Austausch ¨ahnlicher G¨ uter zu se¨ hen –, w¨ ahrend er bei Olsaaten und ¨ olhaltigen Fr¨ uchten“ nur bei 1,8 % lag ”
1.1 Motivation
3
(World Trade Organization, 2008, Table 3, S. 41) – das heißt, es findet fast ausschließlich inter-industrieller Handel statt. Die zunehmende Bedeutung des intra-industriellen Handels f¨ uhrt zu einer intensiven Auseinandersetzung in der einschl¨ agigen Literatur. Dabei stellte sich jedoch heraus, dass die klassische Außenhandelstheorie“ zwar gut ” geeignet war, Ursachen und Wirkungen des inter-industriellen Handels zu erkl¨aren, allerdings bei der Erkl¨ arung des intra-industriellen Handels scheiterte. Aus diesem Grund wurden im Zuge der neuen Außenhandelstheorie“ ” geeignetere Erkl¨ arungsans¨ atze gesucht. Beispiele daf¨ ur sind etwa Krugman ¨ (1979) – der nicht zuletzt deshalb 2008 mit dem Okonomie-Nobelpreis ausgezeichnet wurde – oder die Modellweiterentwicklung von Melitz (2003). Eine erste systematische Untersuchung nahmen bereits Grubel und Lloyd ¨ (1975) vor, aber auch fr¨ uhere Uberlegungen, wie etwa die von Linder (1961), fanden Erkl¨ arungsans¨ atze. In keinem dieser Ans¨ atzen wird allerdings die Frage gestellt, wie es zu intra-industriellem Handel kommt, das heißt, welche Voraussetzungen bei den L¨andern gegeben sein m¨ ussen. Es ist naheliegend, dass das Auftreten und das Ausmaß dieses Handelsph¨ anomens eng mit der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung einzelner Regionen und Gesellschaften verbunden ist. Hierzu kann die Betrachtung der ¨ okonomischen Entwicklung einer Gesellschaft Hinweise liefern. Nach Rostow (1990) k¨ onnen f¨ unf Stufen der Entwicklung unterschieden werden: Traditionelle Gesellschaft“, Voraussetzungen f¨ ur den wirtschaft” ” lichen Aufstieg“, wirtschaftlicher Aufstieg“, Entwicklung zur Reife“ und ” ” Zeitalter des Massenkonsums“ (Siebert und Lorz, 2006, S. 72). Die tra” ” ditionelle Gesellschaft“ ist dadurch gekennzeichnet, dass sie mit begrenzten M¨ oglichkeiten der Produktion auskommen muss und einen großen Anteil ihrer Ressourcen dem Agrarsektor zuwendet. In der zweiten Phase, in der die Voraussetzungen f¨ ur den wirtschaftlichen Aufstieg gelegt werden, kommt es zu einer Expansion der Weltm¨ arkte sowie verst¨ arktem internationalen Wettbewerb. Allerdings sind dabei die Produktionsm¨ oglichkeiten noch begrenzt. In der Stufe des wirtschaftlichen Aufstiegs wird Wachstum ein normaler Zustand. Es kommt zu einer rasanten technologischen Entwicklung ebenso wie zu hohen Kapitalimporten, wobei neue Industrien entstehen und das Einkommen der Bev¨ olkerung steigt. In der Entwicklung zur Reife“ u ¨bersteigt ” das Produktionswachstum das Bev¨ olkerungswachstum und [t]he economy ” finds its place in the international economy: goods formerly imported are produced at home; new import requirements develop, and new export commodities to match them.“ (Rostow, 1990, S. 9). Im Zeitalter des Massen”
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1 Einleitung
konsums“ ist das reale Einkommen schließlich ausreichend hoch, um mehr als die Sicherstellung der Grundversorgung zu erm¨oglichen. Damit gibt es eindeutige Hinweise daf¨ ur, dass der Entwicklungsstand eines Landes auch Auswirkungen auf die außenwirtschaftlichen Beziehungen eines Landes ausu oglichkeiten als auch die Einkom¨bt, indem er sowohl die Produktionsm¨ mensituation und damit den G¨ uterbedarf der Konsumenten vergr¨oßert. Die beiden letzten Stufen sind dabei erst in der j¨ ungeren Vergangenheit von den meisten entwickelten L¨ andern erreicht worden und somit zeitgleich zu der Phase, in welcher der intra-industrielle Handel enorm an Bedeutung gewonnen hat. Zwei Faktoren k¨ onnen bei dieser Entwicklung besonders hervorgehoben werden: Der technische Fortschritt (auf der Angebotsseite) und der Einkommenszuwachs der Bev¨ olkerung (auf der Nachfrageseite). Der Großteil der klassischen“ wie der neuen“ Handelsliteratur beschr¨ankt sich bei ihrer ” ” Analyse des Handels u ¨berwiegend auf die Angebotsseite. Die Nachfrageseite wird bewusst stark vereinfacht modelliert, da der Fokus auf der Analyse der – wie auch immer gearteten – komparativen Kostenvorteile liegt. Dies ist eine sinnvolle Einschr¨ ankung bei der Betrachtung des inter-industriellen Handels. Hingegen legen gerade f¨ ur den intra-industriellen Handel auch atze wie Linder (1961) nahe, dass Pr¨ aferenzunterschiede eine rele¨altere Ans¨ ¨ vante Einflussgr¨ oße darstellen k¨ onnen – eine Uberlegung, die in der Literatur bislang relativ wenig Ber¨ ucksichtigung fand. Eine ad¨ aquate Analyse des Zusammenhangs zwischen der Entwicklung beziehungsweise dem Entwicklungsstand eines Landes und dessen Handelsstruktur sollte daher die folgenden Aspekte integrieren: 1. Bestimmung der Ursachen von intra-industriellem Handel. Dabei zeigt sich, dass eine systematische Betrachtung dieses Handelsph¨anomens angebracht ist. Zu unterscheiden ist, ob er produktionsseitig verursacht wird, indem Zwischen- und Endprodukte (der gleichen Branche) ausgetauscht werden, oder die Ursachen auf der Nachfrageseite liegen. In letzterem Fall k¨ onnen wiederum zwei Motive unterschieden werden, die sich aus der Art der Produktdifferenzierung der ausgetauschten G¨ uter ergeben. So k¨ onnen zum einen G¨ uter unterschiedlicher Qualit¨at getauscht werden (intra-industrieller Handel vertikal differenzierter G¨ uter) oder G¨ uter der gleichen Qualit¨at, aber mit unterschiedlichen Charakteristika (intra-industrieller Handel horizontal differenzierter G¨ uter).
1.1 Motivation
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2. Explizite Ber¨ ucksichtigung des Entwicklungsstands des Landes. Der Entwicklungsstand eines Landes zeigt sich insbesondere an dessen Ausstattung mit Real- und Humankapital. Da sich die (inter¨ındustrielle) Handelsstruktur eines arbeitsreichen Landes erheblich von der eines Landes mit hoher Kapitalausstattung unterscheidet, wird folglich der Entwicklungsstand den (intra-industriellen) Handel maßgeblich beeinflussen. 3. Ber¨ ucksichtigung der Wechselbeziehung zwischen inter- und intra-industriellen Handel. Dieser Punkt h¨ angt eng mit 2. zusammen. So bestimmt die (relative) Faktorausstattung eines Landes dessen Produktions- und Handelsstruktur. Zugleich stellt das Faktoreinkommen aber auch das (einzige) Einkommen der Konsumenten dar. Sind die Pr¨a¨ ferenzen abh¨ angig vom Einkommen (was auch die Uberlegungen von Rostow (1990) nahe legen), dann besteht ein zus¨atzlicher Zusammenhang zu Art und Umfang des intra-industriellen Handels. Auf diesen Zusammenhang weist bereits Linder (1961) hin, der die Aussage trifft, dass erst ab einer gewissen Gr¨ oße des Heimatmarkts (gleichbedeutend mit einem ausreichend hohen Einkommen der Verbraucher), die Konsumenten den Wunsch nach Produktdifferenzierung entwickeln. Insbesondere die einschl¨ agige Literatur der neuen Außenhandelstheorie betrachtet diesen Wunsch als maßgeblich f¨ ur den intra-industriellen Handel. Unter der Pr¨ amisse, dass sich die Handelsstruktur eines Landes im Zeitablauf a ¨ndert und somit der Entwicklungsstand eines Landes die Handelsbeziehungen entscheidend beeinflusst, verfolgt die vorliegende Arbeit daher das Ziel, ein theoretisches Modell zu entwickeln, das in der Lage ist, den Einfluss der Faktorausstattung sowohl auf den inter- als auch auf den horizontalen und vertikalen intra-industriellen Handel abzubilden. Dabei soll insbesondere die Bedeutung der Nachfrageseite hervorgehoben werden, indem eine nicht-homothetische Pr¨ aferenzstruktur unterstellt wird, das heißt, die Pr¨ aferenzen h¨ angen vom individuellen Einkommen der Konsumenten ab.
6
1 Einleitung
1.2 Aufbau der Arbeit Der Hauptteil der Arbeit gliedert sich in insgesamt drei Kapitel. Im folgenden zweiten Kapitel wird die Handelsstruktur sowohl aus theoretischer als auch historischer Sicht n¨ aher betrachtet. Mit dem dritten Kapitel sollen die f¨ ur die Fragestellung relevanten theoretischen Modelle vorgestellt werden sowie die Grundlagen f¨ ur die im vierten Kapitel aufgezeigte theoretische Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur gelegt werden. Das letzte Kapitel fasst schließlich die Ergebnisse zusammen. Ausgehend von einer allgemeinen theoretischen wie empirischen Bestimmung wichtiger Einflussgr¨ oßen auf die Handelsstruktur der L¨ander, beschreibt das zweite Kapitel knapp die Entwicklung(en) und Ver¨anderung(en) des Handels, wie sie sich nicht nur in der aktuellen Globalisierungswelle, sondern auch in fr¨ uheren Epochen vollzogen hatten beziehungsweise haben. Dabei zeigt sich der erheblich Bedeutungszuwachs des intra-industriellen Handels, der infolgedessen genauer untersucht werden soll. F¨ ur eine genauere Analyse wird eine Begriffsabgrenzung vorgenommen, um die unterschiedlichen Ursachen dieses Handelsph¨ anomens besser ber¨ ucksichtigen zu k¨ onnen. Dabei wird deutlich, dass der f¨ ur diese Arbeit relevante Teil des intra-industriellen Handels aus der Produktdifferenzierung resultiert, die sowohl vertikal (unterschiedliche Produktqualit¨ aten) als auch horizontal (unterschiedliche Produkteigenschaften) ausgestaltet sein kann. Abschließend wird dargelegt, wie zumindest einzelne Aspekte des intra-industriellen Handels mit dem R¨ ustzeug der klassischen Außenhandelstheorie erkl¨art werden k¨onnen, wenngleich sich auch zeigt, dass f¨ ur einen Großteil dieses Handel auf die Erkl¨ arung der neuen Außenhandelstheorie zur¨ uckgegriffen werden muss. Das dritte Kapitel beginnt mit der klassischen Faktorproportionentheorie (Heckscher-Ohlin-Samuelson-Modell), die in der sp¨ateren Modellierung den inter-industriellen Handels abbilden wird. Dieser Modellrahmen erkl¨art den Handel aufgrund von Faktorausstattungsunterschieden und ist daher in der Lage, die Auswirkungen auf die Handelsstruktur aufzuzeigen, die ¨ sich infolge einer Anderung der Ausstattung etwa durch die ¨okonomische Entwicklung ergeben. Die theoretischen Grundlagen des intra-industriellen Handels werden anschließend getrennt nach der im zweiten Kapitel erl¨auterten Art der Produktdifferenzierung dargestellt. Dabei zeigt sich, dass bei beiden Arten intra-industrieller Handel sowohl bei homothetischen als auch bei vom Einkommen abh¨ angigen Pr¨ aferenzen auftreten kann. Im vierten Kapitel werden die Erkenntnisse des zweiten Kapitels zusam-
1.2 Aufbau der Arbeit
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men mit den theoretischen Grundlagen des dritten Kapitels zu einem umfassenden Ansatz zusammengef¨ uhrt. Die grundlegenden Modelle sind insbesondere Heckscher-Ohlin und die neue neue Außenhandelstheorie“ nach ” Melitz (2003). Die Grundannahmen folgen der Fragestellung: Es wird von differenzierten G¨ utern ausgegangen, die von, in Bezug auf ihre Produktivit¨ at, heterogenen Firmen angeboten werden (Kern der sogenannten neuen ” neuen Außenhandelstheorie“). Die Entscheidung der Konsumenten, inwieweit sie differenzierte G¨ uter nachfragen, ist von ihrem Einkommen abh¨angig (nicht-homothetische Pr¨ aferenzen), das sich aus der Faktorausstattung und ¨ -verteilung in der Okonomie ergibt. Damit herrscht in diesem Ansatz Heterogenit¨ at auf beiden Marktseiten: Auf der Angebotsseite liegt Firmenheterogenit¨ at vor, wie sie der neuen neuen Außenhandelstheorie“ zugrundeliegt, ” und auf der Nachfrageseite Konsumentenheterogenit¨at, die sich aus einer aßigen Kapitalverteilung ergibt. Letztere bewirkt dabei, dass es ungleichm¨ ¨ durch Anderungen der Faktorausstattung oder der Einkommensstruktur zu einer endogenen Markt¨ anderung im Teilsektor f¨ ur Qualit¨at kommen kann ¨ und dadurch auch zu einer Anderung der Handelsstruktur. Das individuelle Einkommen ebenso wie gesamtwirtschaftliche Einkommen werden damit zu bestimmenden Gr¨ oßen daf¨ ur, ob es zu intra-industriellem Handel kommt oder nicht.
2 Handelsstrukturen: Auspr¨ agung und Entwicklung Mit diesem Kapitel sollen drei Ziele verfolgt werden: Erstens soll ein einf¨ uh¨ render Uberblick u ur die ¨ber die grundlegenden Mechanismen und Motive f¨ Aufnahme von Handelsbeziehungen gegeben werden. Zweitens sollen dabei die f¨ ur die weitere Arbeit relevanten Definitionen und Abgrenzungen der wichtigsten Begriffe und Konzepte vermittelt werden. Drittens soll skizzenhaft die historische Entwicklung der Handelsstrukturen dargestellt werden, um aufzuzeigen, dass es sich bei Art und Umfang des Handels um dynamische Gr¨ oßen handelt, die sich im Zeitablauf gewandelt haben. Abschnitt 2.1 widmet sich zun¨ achst den zentralen Fragestellungen, die sich mit den Ursachen f¨ ur die Handelsbeziehungen der L¨ander besch¨aftigen. Diese Ursachen unterscheiden sich je nach Art des betrachteten Handels und scheinen sich dabei sogar zu widersprechen: So handeln L¨ander, weil sie unterschiedlich sind (Ursache des inter-industriellen Handels) oder weil sie gleich sind (Ursache des intra-industriellen Handels).1 Im anschließenden ¨ Abschnitt 2.2 wird anhand eines kurzen historischen Uberblicks aufgezeigt, dass intra-industrieller Handel ein relativ junges Ph¨anomen darstellt, das insbesondere in den Handelsbeziehungen entwickelter L¨ander zu beobachten ist und eng mit der derzeitigen Handelsintegration in Verbindung steht, wohingegen sich in fr¨ uheren Epochen keine Anhaltspunkte daf¨ ur finden. In Abschnitt 2.3 wird der intra-industrielle Handel schließlich genauer analysiert. Hier zeigt eine differenzierte Betrachtung, dass je nach Sichtweise (Konsumenten/Produzenten) diesem Handelsph¨ anomen unterschiedliche Motive zugrunde liegen. Aus Sicht der Konsumenten gibt es zwei Ursachen f¨ ur intra-industriellen Handel, die sich aus der Art der Produktdifferenzierung – ¨ Variation und Qualit¨ at – ergeben. Eine Anderung der Pr¨aferenzenstruktur der Konsumenten kann daher die Struktur des intra-industriellen Handels beeinflussen. Abschnitt 2.4 fasst die gewonnenen Erkenntnisse zusammen. 1 Die
Unterschiedlichkeit/Gleichheit bezieht sich auf ¨ okonomische Gr¨ oßen wie etwa auf die (relative) Faktorausstattung, die Technologie, die Einkommensverteilung etc. Es ist dabei aber nicht auszuschließen, dass beide Arten des Handels gleichzeitig zu beobachten sind.
F. W. Bartholomae, Konsumentenheterogenität und Struktur des Außenhandels, DOI 10.1007/978-3-8349-7119-7_2, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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2 Handelsstrukturen: Auspr¨ agung und Entwicklung
2.1 Determinanten des Handels Die elementare Aufgabenstellung aller Arbeiten auf dem Gebiet der Handelstheorie ist die Kl¨ arung der Frage, warum ein Land gerade in einem bestimmten Sektor beziehungsweise mit einem bestimmten Gut Handel treibt und warum das Land in dieser Handelsbeziehung gerade als Exporteur oder uber hinaus auch daran Importeur auftritt.2 Die vorliegende Arbeit ist dar¨ interessiert zu zeigen, wie sich die Handelsstrukturen entwickeln. Insgesamt lassen sich drei Hauptfragen identifizieren, die das Handelsmuster beziehungsweise die Handelsstruktur3 eines Landes charakterisieren und sich, wie sich zeigen zeigen wird, je nach Entwicklungsstand des Landes und seiner Handelspartner unterschiedlich beantworten lassen: (i) Worin sind die Ursachen f¨ ur die Handelsbeziehungen eines Landes zu sehen und was bestimmt, welche G¨ uter ein Land exportiert und welche G¨ uter es importiert? (ii) Was determiniert das Handelsvolumen eines Landes und damit auch den weltweiten Umfang der G¨ uterstr¨ ome? (iii) Welche Aspekte spielen bei der Wahl des Handelspartners eine Rolle? Letztendlich wird sich zeigen, dass die Antworten auf diese drei Fragen eng miteinander zusammen h¨ angen und teilweise auf die gleichen urs¨achlichen Faktoren zur¨ uckzuf¨ uhren sind. Insbesondere zur Beantwortung der ersten Frage gibt es viele Gr¨ unde, die jeweils auch eine Aussage u ¨ber den Umfang des Handels und die Wahl der Handelspartner zulassen. Um Antworten auf die gestellten Fragen – insbesondere Frage (i) – zu finden, werden im folgenden Abschnitt 2.1.1 zun¨achst die theoretischen Ans¨ atze zur Erkl¨ arung des inter-industriellen Handels vorgestellt und im darauf folgenden Abschnitt 2.1.2 die des intra-industriellen Handels. Die Notwendigkeit einer Untergliederung ist einerseits der chronologischen Entstehung 2 Eng
damit verbunden ist auch die Frage, ob dieser G¨ uteraustausch f¨ ur die beteiligten Handelspartner vorteilhaft ist (vgl. etwa Ricardo, 1817, Chap. VII). Da der Tausch im Allgemeinen freiwillig erfolgt, m¨ ussen bei einem unterstellten rationalen Verhalten der Konsumenten und Produzenten allen beteiligten Handelspartnern Vorteile entstehen, da sie sonst nicht dazu bereit w¨ aren, diese Transaktion(en) durchzuf¨ uhren. Dennoch kann es unter bestimmten Bedingungen auch dazu kommen, dass die Wohlfahrt reduziert wird, wie etwa Brander und Krugman (1983) zeigen. 3 Beide Begriffe werden synonym verwendet, vgl. hierzu folgende Definition: What goods ” and services a country trades, with whom, and in what direction. Explaining the trade pattern is one of the major purposes of trade theory, especially which goods a country will export and which it will import.“ (Deardorff, 2006, S. 276)
2.1 Determinanten des Handels
11
der Modelle wie der historischen Relevanz geschuldet und zudem sind andererseits beide Ph¨ anomene auf unterschiedliche Ursachen zur¨ uckzuf¨ uhren, die teilweise im Widerspruch zueinander stehen. Der dritte Abschnitt 2.1.3 ¨ verfolgt dann das Ziel, einen kurzen Uberblick dar¨ uber zu geben, wie mit Hilfe der real beobachteten Handelsstr¨ ome und weiteren ¨okonometrisch messbaren Gr¨ oßen, der Versuch unternommen werden kann, eine Antwort auf Frage (iii) zu finden.
2.1.1 Inter-industrieller Handel Die offensichtlichste Antwort auf die Frage, worin die Ursachen f¨ ur die Handelsbeziehungen eines Landes zu sehen sind und was bestimmt, welche G¨ uter ein Land exportiert und welche G¨ uter es importiert (Frage (i)), ist sicherlich, dass L¨ ander solche G¨ uter miteinander austauschen, die sie dauerhaft oder tempor¨ ar entweder u berhaupt nicht oder nur unter erschwerten Um¨ st¨anden selbst herstellen k¨ onnen. Dies kann darin begr¨ undet sein, dass zum einen die klimatischen Bedingungen zur Produktion ungeeignet sind beziehungsweise die ben¨ otigten Produktionsfaktoren nicht zur Verf¨ ugung stehen oder zum anderen die Produktionsfaktoren in anderen Bereichen dringender ben¨ otigt oder effizienter eingesetzt werden k¨onnen. Im letzten Punkt werden bereits die ur¨ okonomischen“ Prinzipien der Arbeitsteilung 4 und der ” 5 Spezialisierung als Ursachen des Handels zum Ausdruck gebracht. Der Großteil des Handels, der sich aus diesen Gr¨ unden einstellt, wird als inter -industrieller Handel bezeichnet und ist allgemein definiert als der Austausch von G¨ utern verschiedener Branchen/Sektoren.6 Treibende Kraft 4
The division of labour, however, so far as it can be introduced, occasions, in every art, ” a proportionable increase of the productive powers of labour. The separation of different trades and employments from one another, seems to have taken place, in consequence of this advantage.“ (Smith, 1776, S. 8) 5 Under a system of perfectly free commerce, each country naturally devotes its capital ” and labour to such employments as are most beneficial to each. This pursuit of individual advantage is admirably connected with the universal good of the whole.“ (Ricardo, 1817, S. 81) 6 An dieser Stelle soll auf die etwas irref¨ uhrende deutsche Bezeichnung der Industrie“ ” hingewiesen werden. Der englische Begriff industry bezeichnet hier nicht die Industrie im Sinne des (maschinell) verarbeitenden Gewerbes der Massenproduktion, sondern eine Branche beziehungsweise einen Wirtschaftssektor (vgl. hierzu auch Abschnitt 2.3.1). Siebert und Lorz (2006, S. 93) sprechen deshalb auch von inter- und intra-sektoralem Handel. Aufgrund der allgemein gebr¨ auchlicheren Verwendung wird in dieser Arbeit aber immer von inter- und intra-industriellem Handel die Rede sein, zumal auch der Begriff Sektor“ im Sinne der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung eine h¨ ohere Aggre” gationsstufe umfasst, als f¨ ur die Betrachtung dieses Handels erforderlich ist.
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2 Handelsstrukturen: Auspr¨ agung und Entwicklung
dahinter ist der komparative Kostenvorteil, der die L¨ander dazu veranlasst, sich auf einzelne Branchen zu spezialisieren (Ricardo, 1817, S. 82; Heckscher und Ohlin, 1991, S. 88; Helpman und Krugman, 1985, S. 261; Dear¨ dorff, 2006, S. 142). Uberspitzt ausgedr¨ uckt, findet inter-industrieller Handel statt, weil die L¨ ander unterschiedlich sind. Die Unterschiede k¨onnen dabei entweder in der verwendeten Technologie (wie etwa im klassischen Ricardooder im Dornbusch-Fischer-Samuelson-Modell) oder in der (relativen) Faktorausstattung (Heckscher-Ohlin-Samuelson-Modell) zu finden sein. Ferner kann dieser Handel nat¨ urlich auch auf Unterschieden in den Pr¨aferenzen basieren, von denen aber in den meisten Theorieans¨atze abstrahiert wird. Im Ein-Faktor-Ansatz des Ricardo-Modells kann bei einem technologischen Unterschied eine vollst¨ andige Spezialisierung7 eines Landes auf einen Sektor dazu f¨ uhren, dass die gesamte (weltweite) Produktion aller G¨ uter zunimmt und durch Handel schließlich in jedem Land mehr als bei Autarkie konsumiert werden kann – womit Frage (i) eindeutig zu beantworten ist. Die Spezialisierung erfolgt aber nicht willk¨ urlich, sondern jeder Handelspartner wird sich (ausschließlich) der Produktion der G¨ uter widmen, bei denen er einen komparativen Kostenvorteil hat. Der komparative Vorteil ergibt sich aus den Opportunit¨ atskosten der Produktion. So wird ein Land ausschließlich dasjenige Gut produzieren und exportieren, bei dem es im Vergleich zum Ausland die h¨ ohere relative Produktivit¨ at beziehungsweise die geringeren relativen Herstellungskosten aufweist (= komparativer Vorteil). Handel kann dabei als eine Art alternative“ Produktionstechnologie an” gesehen werden, da das Land durch den Import derjenigen G¨ uter, bei deren Produktion das Ausland einen komparativen Vorteil hat, und den im Gegenzug stattfinden Export der G¨ uter, die das Land selbst g¨ unstiger produzieren kann, das Importgut dann in gewisser Hinsicht billiger herstellen“ ” kann. Eine der grundlegenden Erkenntnisse, die sich daraus ableiten l¨asst ist, dass sich Handel auch f¨ ur ein Land lohnt, das in der Produktion aller G¨ uter absolut g¨ unstiger produziert als sein(e) Handelspartner, da durch die relativen Kostenunterschiede trotzdem immer die M¨oglichkeit f¨ ur eine Verbesserung gegeben ist. Sollten aber identische Technologien oder gleiche Opportunit¨ atskosten bei der Produktion der G¨ uter vorliegen, ergeben sich keine unmittelbaren Vorteile aus der Handelsaufnahme.8 ¨ Diese grundlegenden Uberlegungen sind erweiterbar, etwa wenn ein Kon7 Eine
vollst¨ andige Spezialisierung liegt dann vor, wenn eine ausschließliche Produktion in diesem Sektor stattfindet, sodass dort alle verf¨ ugbaren Produktionsfaktoren eingesetzt werden. 8 Sofern keine Transportkosten vorliegen stellen sich aber auch keine Nachteile ein.
2.1 Determinanten des Handels
13
tinuum an G¨ utern unterstellt wird. Im Ergebnis wird sich ein Land immer auf die Teilmenge des gesamten G¨ uterspektrums spezialisieren, bei dem es gegen¨ uber seinem Handelspartner einen komparativen Kostenvorteil aufweist (Dornbusch et al., 1977, S. 825f.).9 Unterscheiden sich die L¨ ander hingegen nicht in ihrer Produktionstechnologie, sondern in ihrer (relativen) Faktorausstattung, ist die Aufnahme von Handelsbeziehungen dann vorteilhaft, wenn in der Produktion derjenigen G¨ uter, mit denen Handel getrieben wird, die vorhandenen Faktoren unterschiedlich intensiv genutzt werden. In diesem Fall impliziert eine unterschiedliche Faktorausstattung (bei gleicher Produktionstechnologie und gleichen Pr¨ aferenzen der Konsumenten), dass die Faktoren, mit denen ein Land relativ besser als seine Handelspartner ausgestattet ist, in diesem Land relativ billiger sind. Damit kann auch die Produktion dieser G¨ uter, die mehr als alle anderen G¨ uter diesen Faktor f¨ ur ihre Herstellung nutzen, kosteng¨ unstiger erfolgen und dadurch den komparativen Vorteil des Landes bei diesen G¨ utern begr¨ unden. Folglich w¨ urden L¨ ander, die u ¨ber eine identische Faktorausstattung (und identische Produktionstechnologien) verf¨ ugen, keine interindustriellen Handelsbeziehungen unterhalten. Konkret wird bei Annahme von zwei Produktionsfaktoren, Kapital und Arbeit, dasjenige Land, das u ugt, absolut mehr ¨ber relativ mehr Arbeit verf¨ vom arbeitsintensiven Gut und das kapitalreichere Land absolut mehr vom kapitalintensiven Gut produzieren. Wenn beide L¨ander das gleiche Einkommen aufweisen und die Konsumenten identische Pr¨aferenzen haben, so werden in beiden L¨ andern die gleichen Mengen beider G¨ uter konsumiert. Somit kann Frage (i) dahingehend beantwortet werden, dass das kapitalreichere Land das kapitalintensive Gut (von dem es mehr produziert als es konsumiert) exportieren wird und das arbeitsreichere Land entsprechend das arbeitsintensive Gut. Damit ist ebenfalls eine eindeutige Aussage u ¨ber die gehandelten Menge m¨ oglich (Frage (ii)): L¨ ander werden in dem Umfang Handel treiben, bis sie die gleiche Konsumstruktur aufweisen.10 Helpman und Krugman (1985) fassen die Grundannahmen der Modelle zur Erkl¨ arung inter-industriellen Handels zusammen, betonen aber zugleich, dass ein Großteil des stattfindenden Handels dadurch nicht erkl¨art wird:
9 Das
Vorliegen von Transportkosten kann in diesem Kontext dann bei G¨ utern, in deren Produktion nur geringe Technologieunterschiede vorliegen, dazu f¨ uhren, dass diese nicht gehandelt werden (Dornbusch et al., 1977, S. 828f.). 10 Dieses Ergebnis ist allerdings nicht allgemeing¨ ultig wie Abschnitt 3.1 zeigen wird, ist ¨ aber f¨ ur die weiteren Uberlegungen in diesem Kapitel ausreichend.
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2 Handelsstrukturen: Auspr¨ agung und Entwicklung Conventional trade theory explains trade entirely by differences among ” countries, especially differences in their relative endowments of factors of production. This suggests an inverse relationship between similarity of countries and the volume of trade between them. In practice, however, nearly half of the world’s trade consists of trade between industrialised countries that are relatively similar in their factor endowments.“ (Helpman und Krugman, 1985, S. 2)
Nach Hufbauer und Chilas (1974, S. 3) sollte gem¨aß der neoklassischen Theorie, der Handel zwischen a ¨hnlichen Nationen eigentlich abnehmen. Die Ursache ist darin begr¨ undet, dass Handel bestehende Pr¨aferenz- und/oder Ausstattungsunterschiede ausgleicht, wodurch die L¨ ander ¨ahnlicher werden und weniger Bedarf an Handel besteht. Aber gerade zwischen den sehr ¨ahnlichen Industriel¨ andern ist der Handel am ausgepr¨ agtesten, wie bereits Ohlin im Jahr 1931 feststellte. Dies alles sind Hinweise, dass es neben diesen klas” sischen“ Ursachen weitere Begr¨ undungen f¨ ur Handel geben muss, die eben nicht in Unterschieden – sei es in der Faktorausstattung oder der Technologie – begr¨ undet sind. Der n¨ achste Abschnitt soll daher weitere Quellen f¨ ur Handel eruieren.
2.1.2 Idee des intra-industriellen Handels We frequently meet the phenomenon that countries with a relatively high ” proportion of international trade per head of population export and import what are apparently the same commodities.“ (Frankel, 1943, S. 195)
Knapp ausgedr¨ uckt wird unter intra-industriellem Handel11 der gegenseitige Handel ¨ ahnlicher Produkte verstanden (Bernhofen, 2002, S. 51). Pr¨aziser formuliert umfasst er den Handel differenzierter G¨ uter, die enge Substitute zueinander darstellen (Grubel und Lloyd, 1975, S. 1). Nach Rayment (1983, S. 5) ist intra-industrieller Handel als das (statistische) Vorhandensein von gleichzeitigen Ex- und Importen eines gegebenen Produkts in einer bestimmten Branche zu sehen. 11 Daneben
gibt es auch noch andere Bezeichnungen, welche die Charakteristika dieser Handelsart betonen. So bezeichnet Finger (1975, S. 582) das empirische Ph¨ anomen als u ¨berlappten Handel“ (overlapped trade) und Gray (1973) spricht von reziprokem ” ” Handel“ (two-way trade, vgl. auch Caves, 1981, S. 209, sowie Marvel und Ray, 1987, S. 1278), analog wird inter-industrieller Handel als one-way trade bezeichnet (Fukao et al., 2003, S. 473). Heitger et al. (1999, S. 44) verwenden intra-industriellen Handel als Oberbegriff f¨ ur vertikalen und horizontalen intra-industriellen Handel, da sie den (klassischen) horizontalen intra-industriellen Handel dadurch nur als Sonderfall abgebildet sehen.
2.1 Determinanten des Handels
15
Als Beispiel kann die Handelsstruktur zweier L¨ander A und B mit den beiden Branchen 𝑋 und 𝑌 betrachtet werden. Dabei exportiert Land A G¨ uter der Branche 𝑌 im Umfang von 2 nach Land B. In Branche 𝑋 findet hingegen Handel in beide Richtungen statt, das heißt, Land A exportiert G¨ uter im Umfang von 2 nach Land B und importiert zugleich Waren im Umfang von 1 aus Land B. Gem¨ aß der vorangegangenen Definition weist somit einzig Branche A intra-industriellen Handel auf. F¨ ur einen Vergleich mit Handelsmustern anderer L¨ ander ist es aber erforderlich, auch zu wissen, wie hoch der Anteil des intra-industriellen Handels in der jeweiligen Branche ¨ beziehungsweise hochgerechnet auf die gesamte Okonomie ausf¨allt. Zur Messung des intra-industriellen Handels wird zumeist der GrubelLloyd-Index verwendet, der den Anteil des intra-industriellen Handels am Gesamthandel wiedergibt. Grubel und Lloyd (1975, S. 21) definieren diesen ur eine Branche 𝑖 als Index f¨ (𝐸𝑋𝑖 + 𝐼𝑀𝑖 ) − ∣𝐸𝑋𝑖 − 𝐼𝑀𝑖 ∣ ⋅ 100 = (𝐸𝑋𝑖 + 𝐼𝑀𝑖 ) ) ( ∣𝐸𝑋𝑖 − 𝐼𝑀𝑖 ∣ ⋅ 100, = 1− 𝐸𝑋𝑖 + 𝐼𝑀𝑖
𝐺𝐿𝑖 =
(2.1)
wobei 𝐸𝑋𝑖 und 𝐼𝑀𝑖 die Exporte und Importe der Branche 𝑖 bezeichnen. Dieses Maß ist 0, wenn keine G¨ uter innerhalb dieser Branche gleichzeitig exund importiert werden. Ein solcher Wert w¨ are im betrachteten Beispiel f¨ ur Branche 𝑌 zu beobachten, deren G¨ uter nur importiert werden. Wenn der Wert der Exporte 𝐸𝑋𝑖 gleich dem Importwert 𝐼𝑀𝑖 entspricht, ist der gesamte in der Branche stattfindende Handel intra-industriell, und der Index nimmt den Maximalwert von 100 an. F¨ ur Branche 𝑋 w¨ urde sich beispielsweise ein Index von rund 67 % ergeben, da die Exporte doppelt so hoch wie die Importe ausfallen, mithin von den drei gehandelten Einheiten zwei gegeneinander getauscht werden. ¨ Der Grubel-Lloyd-Index f¨ ur die gesamte Okonomie berechnet sich, indem (2.1) u ¨ber alle vorhandenen Branchen 𝑖 = 1, . . . , 𝑛 aufsummiert wird: ∑𝑛 ) ( ∣𝐸𝑋𝑖 − 𝐼𝑀𝑖 ∣ ⋅ 100. (2.2) 𝐺𝐿 = 1 − ∑𝑛𝑖=1 𝑖=1 (𝐸𝑋𝑖 + 𝐼𝑀𝑖 ) Damit w¨ urde der Anteil des intra-industriellen Handels im betrachteten Beispiel bei 50 % liegen – von vier gehandelten Einheiten werden zwei gegeneinander getauscht. Der intra-industrielle Handel kann mit der klassischen Theorie, die in Abschnitt 2.1.1 vorgestellt wurde, nicht erkl¨ art werden (Lancaster, 1980,
16
2 Handelsstrukturen: Auspr¨ agung und Entwicklung
S. 151), wodurch keine Antworten auf die Fragen (i) bis (iii) gefunden werden k¨ onnen.12 Rayment (1983, S. 5) beschreibt das Problem so, dass nach dem klassischen Erkl¨ arungsmuster intra-industrieller Handel nur dann auftreten kann, wenn ein Land bei dem gleichen Produkt sowohl einen komparativen Vorteil als auch Nachteil aufweist. Ohne zus¨atzliche Modifikationen und/oder Annahmen ist dies kaum mit der klassischen Theorie zu vereinbaren. Im Hinblick auf diese Problematik wurden zahlreiche Versuche unternommen, geeignete Modifikationen anzubringen. Exemplarisch zeigt etwa Corden (1979, S. 4f.), dass durch eine weitere Differenzierung der Faktoren, insbesondere im Hinblick auf Humankapital, die traditionelle Faktorproportionentheorie angepasst werden kann (neo-factor-proportions theory), um intra-industriellen Handel zu erkl¨ aren. Demnach exportiert ein Land deshalb Mittelklasseautos, weil es reichlich mit den entsprechenden Facharbeitern ausgestattet ist und importiert gleichzeitig Kleinkraftfahrzeuge, da es knapp mit Experten oder Firmen ausgestattet ist, die in deren Produktion zum Einsatz kommen. Er kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass dieser Modellierungsversuch weithergeholt“13 erscheint und eigentlich nicht da” f¨ ur geeignet ist, den intra-industriellen Handel ad¨aquat abzubilden und zu erkl¨ aren. Nichtsdestotrotz k¨ onnen zumindest einzelne Erscheinungsformen mit der klassischen Theorie erkl¨ art werden (vgl. hierzu Abschnitt 2.3.4). Wesentlich plausiblere (und umfassendere) Ergebnisse liefern aber Ans¨atze, die Produktdifferenzierung betrachten. Diese wurde, wie Falvey (1981, S. 509f.) betont, in der klassischen Handelstheorie immer vernachl¨assigt. Frage (i) l¨ asst sich in diesem Kontext damit beantworten, dass vergleichbare L¨ ander ¨ ahnliche G¨ uter produzieren und miteinander handeln, da die Konsumenten aus der gr¨ oßeren Vielfalt einen Mehrnutzen ziehen. Dabei kann sich die Differenzierung etwa durch die Herstellungsfirmen oder den Produktionsort ergeben. Letzteres f¨ uhrt dazu, dass sogar homogene G¨ uter als unterscheidbar wahrgenommen werden k¨ onnen (die sogenannte ArmingtonAnnahme14 ). 12 Nicht
zuletzt auch deshalb, da die klassische Theorie dazu entwickelt wurde, den (historisch relevanteren) inter-industriellen Handel ad¨ aquat abzubilden, vgl. die Diskussion in Abschnitt 2.2. 13 It is stretching factor proportions theory to say that Switzerland exports watches ” because she is intensive in watchmakers or that the United States exports 747s because she is intensive in a firm or a set of engineers who know how to make 747s.“ (Corden, 1979, S. 5) Vgl. hierzu auch Posner (1961, S. 328). 14 Vgl. hierzu Armington (1969); diese Annahme wurde h¨ aufig in empirischen Untersuchung verwendet, vgl. etwa Feenstra et al. (2001).
2.1 Determinanten des Handels
17
Die modernen, auf Krugman (1979) und Helpman und Krugman (1985) basierenden Ans¨ atze ¨ andern die Erkl¨ arungsgrundlage von Handel: [T]rade ” is caused by economies of scale instead of differences in factor endowments or technology“ (Krugman, 1979, S. 469). Jede Firma wird demnach eine eigene Variante und damit jedes Land ein eigenes B¨ undel an Varianten produzieren (genaueres siehe Abschnitt 3.2.1.1). Der Handel aufgrund von Produktdifferenzierung h¨ angt somit eng mit dem Vorhandensein von Skalenertr¨agen (economies of scale)15 in der Produktion zusammen, wie sie im Modellrahmen der monopolistischen Konkurrenz16 gegeben sind. Bei konstanten Skalenertr¨ agen w¨ are es schließlich f¨ ur ein Land beziehungsweise ein Unternehmen problemlos m¨ oglich, den Konsumenten unendlich viele Varianten anzubieten. Liegen allerdings Skalenertr¨ age von, lohnt es sich nicht, alle Varianten zu produzieren, da hierdurch zu hohe Kosten f¨ ur die Unternehmen anfallen w¨ urden, die nicht durch die nur geringe Nachfrage nach den einzelnen Varianten gedeckt werden k¨ onnten. Daher werden die einzelnen Unternehmen jeweils nur eine Variante anbieten um dadurch von Gr¨oßendegressionseffekten zu profitieren. Dar¨ uber hinaus werden sie, um sich m¨oglichst stark von ihren Konkurrenten zu unterscheiden, versuchen, sich auf einer gegebenen Pr¨ aferenzskala m¨ oglichst weit entfernt von den bereits bestehenden Varianten/ihren Konkurrenten zu positionieren. Kommt es zur Handelsaufnahme wird dann jedes Land unterschiedliche Varianten anbieten, wobei sich die oglichen Varianten eines Landes in Abh¨anangebotene Teilmenge aller m¨ gigkeit von den Skalenertr¨ agen und der vorherrschenden Nachfrage ergeben kann (Grubel und Lloyd, 1975, S. 92). Als Modellrahmen, der sowohl die geforderten Eigenschaften aufweist als auch die Analyse in einem allgemeinen Gleichgewicht erlaubt, ist das 1933 von Edward Hastings Chamberlin entwickelte Modell der monopolistischen Konkurrenz am besten geeignet.17 Bei diesem Ansatz wird davon ausgegangen, dass jedes Unternehmen eine eigene, einzigartige Produktvariante 15 Economies
of scale werden in der einschl¨ agigen Literatur mit steigenden Skalenertr¨ agen (increasing retuns to scale) gleichgesetzt (Deardorff, 2006, S. 138). Diese Eigenschaft der Produktionstechnologie impliziert, dass eine Ver-𝑡-fachung der Inputfaktoren zu einem Anstieg der Produktion um mehr als das 𝑡-fache f¨ uhrt. Formal ausgedr¨ uckt, gilt 𝑓 (𝑡𝑞1 , . . . , 𝑡𝑞𝑛 ) > 𝑡𝑓 (𝑞1 , . . . , 𝑞𝑛 ), wobei 𝑓 (∙) die Produktionsfunktion, 𝑡 einen Multiplikator und 𝑞𝑖 den Produktionsfaktor 𝑖 = 1, . . . , 𝑛 bezeichnet (Varian, 2003, S. 329). 16 Nicht zuletzt dadurch ist die traditionelle Theorie nur schwer in der Lage, intra-industriellen Handel abzubilden, da, wie Lancaster (1980, S. 152) feststellt, die klassische Außenhandelstheorie eine Theorie des vollst¨ andigen Wettbewerbs in einem internationalen Rahmen darstellt. 17 Vgl. Chamberlin (1969). F¨ ur eine ausf¨ uhrlichere Diskussion und formal-theoretische Analyse vgl. Abschnitt 3.2.1.1.
18
2 Handelsstrukturen: Auspr¨ agung und Entwicklung
herstellt, weshalb es in der Lage ist, gegen¨ uber den Konsumenten als Monopolist aufzutreten und damit den entsprechenden Preissetzungsspielraum genießt, das heißt, es w¨ ahlt denjenigen (gewinnmaximierenden) Preis, der die Bedingung Grenzerl¨ os = Grenzkosten“ erf¨ ullt (vgl. Abbildung 2.1). Al” lerdings gibt es konkurrierende Firmen, die aus Sicht der Vielfalt liebenden Konsumenten nahe Substitute beziehungsweise Varianten dieses Gutes produzieren. Damit gibt die unternehmensindividuelle Nachfrage NFA 𝑗 , der sich der Monopolist gegen¨ ubersieht, nur einen Teil der Gesamtmarktnachfrage nach dieser G¨ uterkategorie (das heißt allen Varianten des betrachteten Gutes) wieder. Solange positive Gewinne zu erzielen sind, werden Unternehmen in den Markt eintreten und damit die Nachfrage nach den vorhandenen Varianten senken. Im Gleichgewicht wird jedes im Markt aktive Unternehmen trotz Monopolstellung Nullgewinne erwirtschaften (es gilt Monopolpreis = ” Durchschnittskosten“), und somit hat auch kein weiteres Unternehmen mehr einen Anreiz einzutreten (vgl. auch Krugman, 1979, S. 474f.). Abbildung 2.1: Auswirkung der Handelsaufnahme auf eine einzelne Firma bei monopolistischer Konkurrenz px 2j
GKj DKj
NFHj A
GE j
A
NFj
GEHj x 2j
Anm.: GK = Grenzkosten, DK = Durchschnittskosten, NF = Nachfrage, GE = Grenzerl¨ os, A = Autarkie, H = Handel. Quelle: Brakman et al. (2006, Fig. 4.7, S. 115) und Chamberlin (1969, FIGURE 15, S. 92).
Kommt es in diesem Rahmen zu einer Handelsaufnahme, vergr¨oßert sich zwar der Absatzmarkt f¨ ur jedes Unternehmen, gleichzeitig steigt aber auch
2.1 Determinanten des Handels
19
die Preiselastizit¨ at der individuellen Nachfrage, da die Konsumenten aus einer gr¨ oßeren Vielfalt w¨ ahlen k¨ onnen und somit mehr Substitutionsm¨oglichkeiten haben. In Abbildung 2.1 ist dies daran zu erkennen, dass bei der neuoßere Menge zu einem geringeren Preis abgesetzt en Nachfrage NFH 𝑗 eine gr¨ wird. Ist der gewinnmaximierende Preis unterhalb der Durchschnittskosten, entstehen dem Unternehmen Verluste und es wird den Markt verlassen. Dies erh¨ oht die individuelle Nachfrage nach den anderen Produktvarianten und die weiterhin aktiven Firmen werden von abnehmenden Durchschnittskosten profitieren. Die Anzahl der Firmen im Gleichgewicht (gleichbedeutend mit den verf¨ ugbaren Varianten) sowie das Preisniveau sind schließlich davon abh¨angig, wie hoch die Preiselastizit¨ at der individuellen Nachfrage ist. Reagiert die individuelle Nachfrage kaum auf Preis¨ anderungen wird die Anzahl der verur f¨ ugbaren G¨ utervarianten stark zunehmen,18 jedoch ohne Preis¨anderung f¨ die Konsumenten. Reagiert sie sehr stark, werden viele Firmen den Markt verlassen, aber die verbleibenden Unternehmen k¨onnen aufgrund der Skalenertr¨ age preiswerter anbieten. Abh¨ angig von der Preiselastizit¨ at der individuellen Nachfrage ist somit ein Trade-off zwischen der Anzahl der Produktvarianten und dem Preisniveau zu beobachten. Frage (i) l¨ asst sich damit zum Teil beantworten: L¨ander treiben Handel, weil die Konsumenten dadurch aus einer gr¨oßeren Vielfalt zu geringeren Preisen w¨ ahlen k¨ onnen. Allerdings ist unklar, mit welchen Varianten genau Handel getrieben wird, da (mit Ausnahme von Extremf¨allen) keine Aussage dar¨ uber m¨ oglich ist, in welchem Land welche Firmen den Markt verlassen. Somit ist auch Frage (ii) in dieser Partialanalyse nicht zu beantworten. Es kann jedoch nicht nur aufgrund unternehmensinterner Skalenertr¨age zu intra-industriellem Handel kommen, sondern auch in dynamischer Hinsicht durch externe Skalenertr¨ age. In vielen fr¨ uheren Ans¨atzen spielte insbesondere die Produktinnovation eine wichtige Rolle bei der Erkl¨arung intraindustriellen Handels. So kann ein Land durch Patentschutz und learning by doing einen komparativen Kostenvorteil in der Produktion einer (neuen) Variante eines Gutes erlangen, da es w¨ ahrend der Phase des Patentschutzes als einziges Land produziert und dadurch in der Lage ist, Produktionsprozesse zu verbessern und effizienter zu gestalten, sich folglich einen technologischen Vorsprung zu erarbeiten (Frage (i)). F¨ allt der Schutz schließlich weg, ist es meist so produktiv, dass es die G¨ utervariante weiter produzieren und sogar 18 Bei
vollkommen preisunelastischer individueller Nachfrage kommt es zu keinem Marktaustritt von Firmen weder im In- noch im Ausland.
20
2 Handelsstrukturen: Auspr¨ agung und Entwicklung
exportieren kann (Grubel und Lloyd, 1975, S. 106; eine modelltheoretische Fundierung findet sich bei Krugman, 1987, basierend auf Dornbusch et al., 1977). Aber auch der Produktlebenszyklus kann in Sektoren, in denen Innovationen einen wichtigen Teil des Wettbewerbs darstellen, zum Entstehen intra-industriellen Handels beitragen (Grubel und Lloyd, 1975, S. 111; Vernon, 1966; vgl. auch Abschnitt 3.2.2.1) – allerdings meist nur tempor¨ar. Hier tr¨ agt der Patentschutz dazu bei, dass ein Gut u ¨berhaupt erst produziert wird, wenn das Ausland durch Skalenertr¨age Vorteile in einem nahen Substitut genießt. Nach Wegfall des Patentschutzes werden ProduktzyklusG¨ uter aber wieder dort produziert, wo der komparative Vorteil liegt, w¨ahrend technologischer R¨ uckstand meist nicht mehr aufgeholt werden kann. Gibt es von Anfang an keinen Patentschutz, produziert das Land das Gut, bei dem es den komparativen Vorteil hat. agen f¨ ur den intra-industriellen Die generelle Bedeutung von Skalenertr¨ Handel wurde in zahlreichen empirischen Studien untersucht. Jedoch wird oftmals keine signifikante Korrelation zwischen intra-industriellem Handel und Skalenertr¨ agen gefunden. Dies ist darauf zur¨ uckzuf¨ uhren, dass etwa zu ausgepr¨ agte Skalenertr¨ age diesen Handel auch unterbinden k¨onnen, wie der Exkurs in Anhang A.1 zeigt. Zusammenfassend zeigt sich, dass zur Erkl¨ arung des intra-industriellen Handels nicht nur neue Modellans¨ atze neben Modifikationen der klassischen Theorie n¨ otig sind, sondern auch, dass eine Reihe von weiteren Ursachen und Erkl¨ arungsm¨oglichkeiten in Betracht gezogen werden m¨ ussen.19 Dennoch kann bereits gefolgert werden, dass Frage (i) generell dadurch zu beantworten ist, dass L¨ ander diejenigen G¨ uter exportieren, bei denen sie einen komparativen Vorteil haben, wie auch immer er ausgepr¨agt sein mag.20
19 In
Abschnitt 2.3.4 werden weitere Erkl¨ arungsans¨ atze vorgebracht, die insbesondere von Grubel und Lloyd (1975) in ihrer grundlegenden Arbeit vorgestellt wurden und zudem mit der klassischen Theorie kompatibel sind. 20 Neben den klassischen Quellen des komparativen Vorteils (Technologieunterschiede, Faktorausstattungsunterschiede, Pr¨ aferenzunterschiede, Handelsbarrieren), kommen durch die neueren Ans¨ atze des intra-industriellen Handels nun auch Skalenertr¨ age hinzu (Leamer, 1994, S. 68).
2.1 Determinanten des Handels
21
¨ 2.1.3 Okonomische Gr¨ oße und Geographie Bislang erfolgte keine dezidierte Auseinandersetzung mit der Beantwortung von Frage (iii), das heißt, warum findet Handel gerade zwischen Land 𝑖 und ¨ Land 𝑗 statt – nicht zuletzt deshalb, da die vorgestellten Uberlegungen de facto von nur zwei L¨ andern ausgehen. So wurde bisher dargelegt, warum Handel stattfindet und in welchem Umfang er stattfindet. Hingegen wurde nicht gekl¨ art, wie die Wahl des Handelspartners erfolgt. Es kann somit zwar erkl¨ art werden, warum das relativ reichlich mit Kapital ausgestattete Deutschland kapitalintensive G¨ uter exportieren wird, aber nicht, ob es im Gegenzug seinen Bedarf an arbeitsintensiven G¨ utern aus dem relativ arbeitsreichen China oder dem relativ arbeitsreichen Somalia bezieht (beziehungsweise in welchem Verh¨ altnis). Betrachtet man die statistisch erfassten Handelsstr¨ome eines bestimmten (homogenen) Gutes, so gibt es eine Reihe von L¨andern, die dieses anbieten oder nachfragen. Welches Land mit einer Importnachfrage von welcher Exportnation dieses Gut bezieht, erscheint zun¨achst recht willk¨ urlich. So argumentieren Leamer und Stern (1970, S. 158–160) anhand eines Wahrscheinlichkeitsmodells, dass Handelsstr¨ ome eigentlich unbestimmt sind, sofern keine Transportkosten vorliegen. ¨ Einfache formale Uberlegungen k¨ onnen dies leicht verdeutlichen: Das Exportangebot von Land 𝑖 sei bezeichnet mit 𝐹𝑖 und die Importnachfrage von Land 𝑗 mit 𝐹𝑗 . Das weltweite Handelsvolumen sei gegeben durch 𝑇𝑊 . Der Anteil 𝑓𝑖 = 𝐹𝑖 /𝑇𝑊 beziehungsweise 𝑓𝑗 = 𝐹𝑗 /𝑇𝑊 gibt dann die Wahrscheinlichkeit an, dass Land 𝑖 in einer beliebigen Handelsbeziehung der Exporteur ist beziehungsweise Land 𝑗 der Importeur. Die Wahrscheinlichkeit, einen Export des Gutes von Land 𝑖 nach Land 𝑗 zu beobachten, stellt sich als Produkt der beiden unabh¨ angigen Wahrscheinlichkeiten dar, Prob𝑖𝑗 = 𝑓𝑖 𝑓𝑗 .
(2.3)
Mit Hilfe dieser Wahrscheinlichkeit kann das erwartete Handelsvolumen 𝐸 (𝑇𝑖𝑗 ) zwischen Land 𝑖 und Land 𝑗 bestimmt werden, 𝐸 (𝑇𝑖𝑗 ) = 𝑇𝑊 𝑓𝑖 𝑓𝑗 =
𝐹𝑖 𝐹𝑗 . 𝑇𝑊
(2.4)
Dieses erwartete Volumen sollte nun auch empirisch beobachtet werden – was allerdings nicht zutrifft (Morasch und Bartholomae, 2011, S. 26). Es muss folglich noch weitere Ursachen geben, die Einfluss auf die Handelsbeziehungen aus¨ uben. So f¨ uhrt etwa die Abstraktion von Transportkosten
22
2 Handelsstrukturen: Auspr¨ agung und Entwicklung
offensichtlich zu einem erheblichen Verlust an Erkl¨arungsgehalt. Es erscheint plausibel, dass es mit zunehmender Entfernung immer unwahrscheinlicher wird, dass Handel zwischen zwei L¨ andern tats¨ achlich stattfindet – selbst wenn die Transportkosten pro Entfernungseinheit sehr niedrig sind. Um diesen Aspekt zu ber¨ ucksichtigen, werden die Gleichungen (2.3) und (2.4) mit der Funktion 𝑔 (𝑅𝑖𝑗 ) multipliziert, die als fallend in 𝑅𝑖𝑗 angenommen wird. Der Parameter 𝑅𝑖𝑗 bezeichnet einen Widerstandsfaktor, der von einer Vielzahl von Einflussgr¨ oßen abh¨ angig sein kann. So ist es plausibel anzunehmen, dass er mit zunehmender geographischer Distanz steigt, aber etwa auch mit kultureller Verschiedenheit. Je st¨ arker diese Widerst¨ande ausgepr¨ agt sind, desto h¨ oher sind die daraus resultierenden Kosten (Leamer und Stern, 1970, S. 160). Mit Hilfe der Erweiterung dieses sehr einfachen Modells lassen sich so bereits erste empirische Aussagen u ¨ber die Wahl des Handelspartners ableiten. Die ben¨ otigten Gr¨ oßen k¨ onnen dabei entweder direkt oder u ¨ber ProxyVariablen gemessen werden. Direkt bestimmbare Parameter sind die Exporte und Importe der Handelspartner ebenso wie das weltweite Handelsvolumen. Der physische Widerstand kann durch die Entfernung der Handelspartner wiedergegeben werden, w¨ ahrend f¨ ur den nicht-physische Widerstand Indikatoren und Dummy-Variablen herangezogen werden m¨ ussen. Allerdings werden die grundlegenden ¨ okonomischen Bestimmungsgr¨ unde, die Aufschluss dar¨ uber geben, wie hoch die Ex- und Importe eines Landes ausfallen, nicht ber¨ ucksichtigt (Fragen (i) und (ii)).21 Einen erheblichen Einfluss auf das Ausmaß des Handels wird neben der Entfernung beziehungsweise sonstigem Widerstand sicherlich auch das Einkommen der betrachteten L¨ander aus¨ uben.22 Diese Gr¨ oßen ber¨ ucksichtigt das Gravitationsmodell23 , das heute vielen empirischen Studien zugrunde liegt. In seiner Grundform umfasst es als wichtige Determinanten des Handelsvolumens die (¨okonomische) Gr¨oße der am Handel beteiligten L¨ ander gemessen an ihrem Bruttoinlandsprodukt (BIP) sowie ihre Entfernung zueinander. Formal ergibt sich die Gravita21 Auf
diese kann nat¨ urlich aus den, in den Abschnitten 2.1.1 und 2.1.2 vorgebrachten Erkl¨ arungen geschlossen werden. 22 Das hier vorgestellte Modell kann insbesondere das Volumen des intra-industriellen Handels gut erkl¨ aren. Wie aus Abschnitt 2.1.1 bekannt, wird zwischen identischen L¨ andern kein (inter-industrieller) Handel stattfinden auch wenn sie u ¨ber ein hohes Einkommen verf¨ ugen. 23 F¨ ur eine theoretische Ann¨ aherung vgl. Feenstra et al. (2001, Abschnitt 3 und 4) sowie Anderson und van Wincoop (2004, Abschnitt 3.2). Erstmalig wurde dieses Modell von Tinbergen (1962) analysiert.
2.1 Determinanten des Handels
23
tionsformel24 als −𝛾 𝑇𝑖𝑗 = 𝑘𝑌𝑖𝛼 𝑌𝑗𝛽 𝐷𝑖𝑗 ,
(2.5)
wobei 𝑇𝑖𝑗 das Handelsvolumen zwischen den L¨ andern 𝑖 und 𝑗, 𝑘 eine Konstante, 𝑌𝑖 und 𝑌𝑗 das jeweilige BIP und 𝐷𝑖𝑗 die physikalische Entfernung zwischen den beiden L¨ andern bezeichne (Krugman, 1995, S. 340). Die Parameter 𝛼, 𝛽 und 𝛾 stellen Gewichtungsfaktoren dar. Wie zu erkennen ist, spielt die (relative) ¨ okonomische Gr¨oße der L¨ander eine große Rolle, was beispielhaft an zwei extremen Auspr¨agungen verdeutlicht werden kann: Im ersten Fall sei das Welt-BIP25 sehr ungleich verteilt, Land 𝑖 hat einen Anteil von 95 % und demenentprechend verf¨ ugt Land 𝑗 u ¨ber die restlichen 5 %, wohingegen im zweiten Fall beide L¨ander jeweils einen Anteil von 50 % haben. Wird davon ausgegangen, dass die Ausgaben f¨ ur Produkte aus den beiden L¨ andern in dem prozentualen Umfang get¨ atigt werden, den sie an den Weltausgaben haben, werden die Bewohner beider L¨ ander im ersten Fall 95 % und im zweiten Fall 50 % ihres Einkommens f¨ ur G¨ uter aus Land 𝑖 aufwenden. Daraus ergibt sich f¨ ur Land 𝑖 eine Exportquote – die hier zugleich auch der Handelsquote26 entspricht – im ersten Fall von 5 % und im zweiten Fall von 50 %. werden die Exportquoten entsprechend des BIP-Anteils der L¨ ander gewichtet, werden im ersten Fall insgesamt 9,5 % und im zweiten Fall insgesamt 50 % des Welt-BIP gehandelt. Somit zeigt sich, dass es rein rechnerisch sehr wahrscheinlich ist, dass zwischen ¨ okonomisch gleich großen L¨ andern mehr Handel stattfinden wird als zwischen sehr unterschiedlich großen Nationen.27 Dieser Zusammenhang bleibt selbst dann erhalten, wenn die strikten Annahmen der gleichverteilten Konsumausgaben und des Fehlens jeglicher 24 Das
Gravitationsmodell ist vergleichbar zum Newtonschen Gravitationsgesetz beziehungsweise greift dessen Grundidee auf, wonach die Anziehungskraft 𝐹 zwischen zwei Massen 𝑖 und 𝑗 umso gr¨ oßer ist, je gr¨ oßer die beiden Massen 𝑚𝑖 und 𝑚𝑗 sind und je geringer die Entfernung der beiden K¨ orper 𝑟 zueinander ist, 𝐹 = −𝐺(𝑚𝑖 𝑚𝑗 )/𝑟 2 , wobei 𝐺 die Gravitationskonstante bezeichnet. In der ¨ okonomischen Anwendung werden die Massen der K¨ orper durch das Einkommen der L¨ ander ersetzt, wohingegen der Graviationskonstante keine besondere Rolle zukommt. 25 F¨ ur die folgende Analyse ist es wichtig zu beachten, dass das BIP definitionsgem¨ aß sowohl als Einkommen als auch als Ausgaben eines Landes interpretiert werden kann. 26 Die Exportquote gibt den relativen Anteil der Exporte an der Wertsch¨ ¨ opfung der Okonomie wieder. Die Handelsquote gibt den gemittelten, relativen Anteil von Exporten und Importe an der Wertsch¨ opfung wieder. 27 [W]hen countries become more similar in size, they import more product varieties ” from each other“ (Feenstra, 1998, S. 34). Vgl. auch Helpman (1987, S. 74).
24
2 Handelsstrukturen: Auspr¨ agung und Entwicklung
Transportkosten gelockert werden. Zudem spielt nicht nur die relative, sondern auch die absolute Gr¨ oße der Handelspartner eine wichtige Rolle, wodurch eine Antwort auf Frage (ii) gefunden werden kann: Zwei ¨ahnliche, aber sehr kleine L¨ ander werden ein (absolut) geringeres Handelsvolumen aufweisen als zwei ansonsten vergleichbare L¨ ander mit h¨oherem BIP (Markusen und Wigle, 1990, S. 1207). Die postulierte Aussage l¨ asst sich auch allgemeiner reproduzieren. Allerdings erfordern die unterstellten Annahmen eine n¨ahere Spezifizierung f¨ ur Gleichung (2.5). Zum einen wurde angenommen, dass es f¨ ur die Konsumenten keine Rolle spielt, aus welchem Land ein Gut bezogen wird, weshalb 𝛼 = 𝛽 = 1 gilt und zum anderen wird von Handelskosten abstrahiert (𝛾 = 0). Als Folge entsprechen die Ausgaben genau dem Anteil des jeweiligen BIP an den weltweiten Ausgaben. Wie aus dem vorigen Beispiel zu erkennen ist, betragen dann die Exporte von Land 𝑖 (Helpman und Krugman, 1985, S. 165ff.; Krugman, 1995, S. 340f.) 𝑇𝑖 = 𝑘 (1 − 𝑠𝑖 ) 𝑌𝑖 ,
(2.6)
wobei 𝑠𝑖 den Anteil am weltweiten Konsum beziehungsweise den Anteil am Welt-BIP, 𝑌𝑊 , bezeichnet und demzufolge (1 − 𝑠𝑖 ) die Exportquote. Je geringer der Anteil des Landes am Welt-BIP 𝑠𝑖 beziehungsweise je gr¨oßer die uckExportquote ist, desto gr¨ oßer ist seine Handelsquote 𝑇𝑖 /𝑌𝑖 . Unter Ber¨ sichtigung von 𝑌𝑖 = 𝑠𝑖 𝑌𝑊 ergibt sich dann das weltweite Handelsvolumen 𝑇𝑊 als28 ( ) 𝑛 ∑ 2 𝑇𝑊 = 𝑘 1 − 𝑠𝑖 𝑌𝑊 . (2.7) 𝑖
Je a ander in ihrer Gr¨ oße sind, desto gr¨oßer ist das weltweite ¨hnlicher die L¨ Handelsvolumen. Das Maximum wird folglich bei L¨andern identischer Gr¨oße erreicht. Des Weiteren ist die Anzahl der am Warenaustausch teilnehmenden L¨ander ebenso von Bedeutung. So ergibt sich bei 𝑛 symmetrischen L¨andern f¨ ur jedes Land ein Anteil von 𝑠𝑖 = 1/𝑛. Die Ableitung der Handelsquote nach der Anzahl der L¨ ander, 𝑘/𝑛2 , ist stets gr¨oßer als null, das heißt, mit zunehmender Anzahl symmetrischer L¨ ander nimmt das weltweite Handelsvolumen weiter zu.29 ∑𝑛 𝑖 𝑇𝑖 = ) (∑𝑛 gehandelten ∑𝑛 weltweite Handelsvolumen ist die Summe aller ∑𝑛 2 Mengen, 𝑖 𝑘 (1 − 𝑠𝑖 ) 𝑌𝑖 und vereinfacht sich zu 𝑇𝑊 = 𝑘 𝑖 𝑌𝑖 − 𝑖 𝑠𝑖 𝑌 𝑊 . 29 Wie die zweite Ableitung nahe legt, erfolgt der Anstieg aber unterproportional. 28 Das
2.1 Determinanten des Handels
25
Neben der ¨ okonomischen Gr¨ oße f¨ allt ebenfalls der Entfernung eine große Rolle bei der Bestimmung des Handelsvolumens zu, wie das anfangs vorgestellte Wahrscheinlichkeitsmodell andeutete. In der bisherigen Betrachtung wurde sie faktisch auf null gesetzt, in vielen (empirischen) Studien wird ihr großer Einfluss jedoch eindrucksvoll nachgewiesen.30 Die Kosten, die durch ¨ die Uberwindung (großer) Distanzen anfallen, betreffen dabei nicht nur den (physischen) Transport der G¨ uter, denn die gesamten Handelskosten umfassen weit mehr: Trade costs, broadly defined, include all costs incurred in getting a good ” to a final user other than the marginal cost of producing the good itself: transportation costs (both freight costs and time costs), policy barriers (tariffs and nontariff barriers), information costs, contract enforcement costs, costs associated with the use of different currencies, legal and regulatory costs, and local distribution costs (wholesale and retail).“ (Anderson und van Wincoop, 2004, S. 691f.)
Frankel (1997, S. 40–46) unterscheidet drei Arten von Kosten, die bei Transaktionen u ¨ber die Distanz auftreten: • Versandkosten (physical shipping costs), • zeitbezogene Kosten (time-related costs wie Zinsen, aber auch verminderte Just-in-time“-M¨ oglichkeiten) und ” • Kosten der (kulturellen) Unvertrautheit31 (costs of (cultural) unfamiliarity). Letztere sind hoch korreliert mit der geographischen N¨ahe, einer gemeinsamen Geschichte oder Sprache. So kann Rauch (1999, S. 33) etwa nachweisen, dass besonders starke Handelsbeziehungen zwischen L¨andern mit gleicher Sprache und/oder kolonialen Beziehungen bestehen. Auch ein einheitliches Rechtssystem und einheitliche Handelsgesetze beg¨ unstigen Handelspartnerschaften. Die rein geographische Entfernung ist nichtsdestotrotz ein sehr bedeutender Faktor. Nach Frankel (1997, S. 70f.) f¨ uhrt eine Zunahme der 30 So
zeigen Berthelon und Freund (2008) dass die Bedeutung der Entfernung f¨ ur den bilateralen Handel seit 1980 f¨ ur viele Branchen sogar zugenommen hat. Insbesondere ist dieser negative Effekt bei homogenen G¨ utern und G¨ utern mit hoher Substitutionselastizit¨ at ausgepr¨ agt. 31 Frankel (1997, S. 45) benennt hierzu einige anektdotische Begebenheiten als Beispiele f¨ ur die Problematik. So schildert er den Versuch, japanischen Konsumenten Haushaltsger¨ ate zu verkaufen, die viel zu groß f¨ ur die traditionell kleinen K¨ uchen waren. Es kam aber auch schon vor, dass die Produktion der Autos f¨ ur den lokalen Markt nicht angepasst wurde und Lenkr¨ ader bei Autos auf der falschen Seite angebracht wurden (Rechts-Lenker im Rechtsverkehr). Ein am¨ usantes Beispiel mag das von Anfang an zum Scheitern verurteilte Unterfangen gewesen sein, PKWs in Lateinamerika zu verkaufen, deren Name nova auf Spanisch so viel wie geht nicht“ bedeutet. ”
26
2 Handelsstrukturen: Auspr¨ agung und Entwicklung
Entfernung um 1 % zu einem R¨ uckgang des Handelsvolumens um 0,75 %. Eine gemeinsame Grenze kann den Effekt auf 0,5 % bis 0,7 % reduzieren ¨ und spielt auch im Ubrigen eine große Rolle. So handeln zwei L¨ander mit einer gemeinsamen Grenze 82 % mehr als zwei ansonsten vergleichbare L¨ander. Der Zugang zu Transportwegen ist ebenfalls sehr wichtig; hat ein Land etwa keinen Zugang zum Meer, verringert sich sein Handelsvolumen um 36 %. Inwiefern sich die einzelnen Aspekte der Entfernung verst¨arken, kann nur schwer festgestellt werden. Bikker (1987, S. 332) etwa macht sich als nat¨ urliches Experiment die Schließung des Suez-Kanals zwischen Juni 1967 und Juni 1975 als Folge des Sechstagekriegs zunutze, um anhand eines Gravitationsmodells die physischen von den nicht-physischen Effekten (wie etwa Information) der Entfernung zu trennen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass der Effekt der physikalischen Distanz nicht so stark ausf¨allt, wie man vermuten w¨ urde; Frankel (1999, S. 54) beziffert ihn in diesem Zusammenhang auf weniger als 20 %. Als kritische Annahme erweist sich ferner die Unterstellung, dass bei der Wahl der konsumierten G¨ uter das Ursprungsland keine Rolle spielt. So zeigt McCallum (1995) in einer viel zitierten empirischen Studie u ¨ber die Handelsbeziehungen zwischen kanadischen und US-amerikanischen Bundesstaaten, dass trotz vergleichbarer Entfernung und ¨ okonomischer Gr¨oße, Bundesstaaten innerhalb eines Landes weit mehr Handelsbeziehungen miteinander unterhalten als mit vergleichbaren Staaten der anderen Nation. Er folgert daraus, dass nationalen Grenzen (nach wie vor) eine hohe Bedeutung zukommt (McCallum, 1995, S. 622).32 Auf eine weitere Verzerrung weist auch Frankel (1997, S. 133) hin. Er sch¨ atzt ein Gravitationsmodell und kommt dabei zu dem Ergebnis, dass reiche L¨ ander mehr mit anderen reichen L¨anurften eng dern handeln als mit armen L¨ andern.33 Diese Effekte wiederum d¨ mit der kulturellen Unvertrautheit zusammenh¨ angen. Feenstra et al. (2001) zeigen in ihrer Studie, dass das Gravitationsmodell ¨ aus verschiedenen theoretischen Uberlegungen abgeleitet werden kann. Je nach Modellspezifikation ergeben sich jedoch andere Implikationen. Insbesondere zeigt sich, dass der Heimatmarkt des Exporteurs relativ zum Markt 32 Anderson
und van Wincoop (2003, S. 171) kommen in einer Folgestudie zwar zu dem gleichen Ergebnis, der Effekt ist aber deutlich schw¨ acher ausgepr¨ agt als bei McCallum (1995). Zwischen Industriel¨ ander beziffern sie den Effekt auf 29 %. 33 Er best¨ ¨ atigt dadurch die Uberlegungen von Linder (1961) (n¨ aheres hierzu in Abschnitt 2.3.2.1) und die Beobachtung von Ohlin (1931, S. 179). Auch die theoretische Analyse in Kapitel 4 impliziert einen derartigen Zusamnmenhang.
2.2 Entwicklung der Handelsstruktur
27
des Importeurs umso bedeutender f¨ ur das Exportvolumen wird, je gr¨oßer der Grad der Produktdifferenzierung ist.34 Allen untersuchten Modellen gemein ist, dass sie in der Lage sind intra-industriellen Handel abzubilden. ¨ Dieser kurze Uberblick zeigte, dass das Gravitationsmodell trotz vieler potentieller Erweiterungsm¨ oglichkeiten zwar erkl¨aren kann, mit wem und wie viel ein Land handelt (Fragen (ii) und (iii)), dabei aber nicht die Frage beantwortet, warum ein Land u uter gegen ¨berhaupt dazu bereit ist, eigene G¨ andere Waren einzutauschen (Frage (i)). Der Grund ist darin zu sehen, dass das Gravitationsmodell lediglich versucht, die beobachteten Handelsstr¨ome zu erkl¨ aren, ohne die Entscheidung u ¨ber Ex- beziehungsweise Importe zu ber¨ ucksichtigen. Die Beantwortung dieser Fragen bleibt damit den in den Abschnitten 2.1.1 und 2.1.2 vorgestellten theoretischen Modellen vorbehalten. In den n¨ achsten Abschnitten soll nun anhand der realen Entwicklung nachvollzogen werden, wie sich die Handelsstrukturen im Zeitablauf ¨anderten.
2.2 Entwicklung der Handelsstruktur ¨ Die bisherigen Uberlegungen haben bereits deutlich gezeigt, dass Handel von einer Vielzahl von Faktoren abh¨ angig ist. Diese Einflussgr¨oßen sind aber im Zeitablauf nicht statisch, sondern variieren in dem Maße, wie sich das einzelne Land und seine Handelspartner entwickeln. Es ist leicht nachvollziehbar, dass sich der inter-industrielle Handel umkehrt, das heißt, dass Export- zu Importg¨ utern werden, wenn das urspr¨ unglich arbeitsreiche In¨ land kapitalreicher als seine Handelspartner wird. Zugleich legen die Uberlegungen bez¨ uglich des intra-industriellen Handels nahe, dass dieser nur bei L¨andern mit einem gewissen Entwicklungsstand zu beobachten ist. So muss zum einen das technologische Wissen vorhanden sein, um Produkte differenzieren zu k¨ onnen35 und zum anderen muss aus Sicht der Verbraucher auch Bedarf an dieser Differenzierung gegeben sein. Es erscheint gleichermaßen plausibel, dass man bei den Handelsmotiven unterscheiden muss, ob es nur 34 Dieser
Heimatmarkteffekt“ wurde theoretisch von Krugman (1980) in einem Modell ” mit Skalenert¨ agen postuliert: [I]f two countries have the same composition of demand, ” the larger country will be a net exporter of the products whose production involves economies of scale.“ (Krugman, 1980, S. 958) 35 Dies ist insbesondere bei G¨ utern in Massenfertigung erforderlich. Auf die Schwierigkeit, Produktdifferenzierung mit industrieller Fertigung zu verbinden, weist Ford (2006, S. 83) nicht ganz ernst gemeint hin: Any customer can have a car painted any color ” that he wants so long as it is black.“
28
2 Handelsstrukturen: Auspr¨ agung und Entwicklung
darum geht, ein Gut zu importieren, dass selbst nicht produziert werden kann, oder, ob zus¨ atzliche Varianten eingef¨ uhrt werden, die dazu dienen, den Nutzen der Konsumenten weiter zu erh¨ ohen.36 ¨ Die folgenden Abschnitte sollen nun einen kurzen historischen Uberblick u ¨ber die Entwicklung des Handels geben und zum einen aufzeigen, welche Bedeutung ihm im Laufe der Zeit zugekommen ist und zum anderen, zu welchem Zeitpunkt welche Art des Handels vorherrschend war. Die folgenden Abschnitte erfolgen in chronologischen Abfolge und zeigen, dass der intraindustrielle Handel eher ein Ph¨ anomen der j¨ ungeren Vergangenheit darstellt ¨ und damit in Verbindung mit der fortgeschrittenen Entwicklung der Okonomien zu sehen ist. In Abschnitt 2.2.1 wird zun¨achst ausschnittsweise der Zeitraum vor 1950 mit dem Ziel beleuchtet, wichtige Einflussgr¨oßen auf den Handel festzustellen, wie etwa die Bedeutung von Transportkosten und komparativen Vorteilen. Im anschließenden Abschnitt 2.2.2, der den Zeitraum ab 1950 vor dem Hintergrund der von Krugman (1995) vorgebrachten Charakterisierung betrachtet, wird dann insbesondere auf das neue Ph¨anomen des intra-industriellen Handels eingegangen.
2.2.1 Handel und Globalisierung vor 1950 Seit jeher kommt und kam es zu Handelsbeziehungen zwischen den verschiedenen Nationen und Reichen (vgl. hierzu auch Irwin, 1996, S. 41) und immer kam diesen ein großer (wirtschaftlicher) Stellenwert zu. Die Motivation des Handels war haupts¨ achlich gepr¨ agt von den in Abschnitt 2.1.1 vorgestellten ¨ Uberlegungen. Dies ist nicht zuletzt darauf zur¨ uckzuf¨ uhren, dass die L¨ander beziehungsweise V¨ olker sehr unterschiedlich waren – vor allem in Bezug auf ihren Entwicklungsstand – und damit kaum Raum f¨ ur intra-industriellen Handel gegeben war. Zumeist gab es eine dominante Hochkultur, die von weniger entwickelten V¨ olkern umgeben war. Hingegen schien inter-industrieller Handel bereits in pr¨ ahistorischer Zeit rege in Europa stattgefunden zu haben (Kulischer, 1928a, S. 78). Die damaligen Handelswaren umfassten Metalle, Bernstein, Glasperlen, Schmuck aus Muscheln, Salz, Tongef¨aße und Elfenbeinwaren. Es wurden somit nicht nur nur G¨ uter des t¨aglichen Bedarfs, sondern zuallererst nat¨ urliche Ressourcen gehandelt, die geographisch weit verteilt anzufinden sind.37 Auch wurden nicht nur Luxusgegenst¨ande gehan36 Davon
abgesehen, dass der Handel nat¨ urlich auch zum Absinken des Preisniveaus f¨ uhren kann, vgl. Abschnitt 2.1.2. 37 Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass der Fund von Gegenst¨ anden abseits der urspr¨ unglichen Produktionsst¨ atte nicht notwendigerweise auf einen freiwilligen“ ”
2.2 Entwicklung der Handelsstruktur
29
delt wie die Aufz¨ ahlung nahe legt, sondern es fand etwa im Mittelmeerraum bereits w¨ ahrend der Eisenzeit auch reger Handel mit Massenprodukten wie Getreide oder Wein statt (Temin, 2006a). In den sp¨ ateren Hochkulturen, etwa den griechischen Stadtstaaten38 oder dem r¨ omischen Reich39 , war ebenfalls ein reger Warenaustausch zu beobachten. Dabei lag die haupts¨ achliche Motivation f¨ ur Handel in den Vorteilen der Arbeitsteilung: So nutzte Rom die komparativen Vorteile der Spezialisierung, um dadurch die Effizienz der Agrar- aber auch der Handwerkswirtschaft erheblich zu steigern. Es gibt sogar Hinweise, dass etwa bei ¨ der Produktion von Amphoren oder Ollampen Skalenertr¨age realisiert werden konnten (Temin, 2006b, S. 140). Im weiteren Zeitablauf schwankten die Handelsbeziehunge dann stark mit dem Entwicklungsstand der Nationen.40 Tausch, auf dem Handel stets basiert, hindeutet. In Frage kommen auch durch Zwang gepr¨ agte oder einseitige Handlungen wie Raub, Tribut oder friedliche Gesch¨ afte wie Schenkungen. Nach Polanyi (1977, S. 35f.) gibt es drei Prinzipien, wie die ¨ okonomische Funktion in eine menschliche Gesellschaft integriert werden kann: Reziprozit¨ at (reciprocity), Umverteilung (redistribution) und Tausch (exchange). Reziprozit¨ at versucht, ein ungef¨ ahres Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen herzustellen, basierend auf Traditionen und einem Wertesystem. Umverteilung erfolgt durch eine zentrale Autorit¨ at entsprechend gesetzlicher oder auch willk¨ urlicher Vorgaben. Tausch erfolgt schließlich freiwillig zwischen den Menschen, wobei sie entweder Waren und Dienstleistungen gegen andere G¨ uter tauschen (barter trading) oder gegen Geld. Pryor (1977, S. 31ff.) unterscheidet dabei Tausch der u arkte stattfindet und reziproken Tausch, der ¨ber M¨ ohne Geld stattfindet. 38 Polanyi (1977, S. 227f.) z¨ ahlt hierf¨ ur eine beachtliche Reihe an gehandelten G¨ utern auf: Schwerter und Tassen aus Chalkida; Bronze aus Korinth; Wollwaren, Kardamom und Bettgestelle aus Milet; Waffen aus Argos; Knoblauch aus Megara; Wild und Gefl¨ ugel aus B¨ ootien; K¨ ase und Schweinefleisch aus Syrakus; Datteln und Feigen aus Rhodos; Eicheln und Mandeln aus Paphlagonien; Mostrich aus Zypern; Zwiebeln aus Samothraki; Majoran aus Bozcaada; Trompeten aus Etrurien; Streitwagen aus Sizilien; opulente St¨ uhle aus Thessalien; Teppiche und Kissen aus Karthago; Weihrauch aus Syrien und Jagdhunde aus Epirus. 39 Die R¨ omer tauschten etwa mit den Germanen Wein und Edelmetalle gegen Pelze, ¨ Vogelfedern und Frauenhaar (Kulischer, 1928a, S. 79). Aus Sardinien, Sizilien, Agypten und Afrika bezog Rom Getreide und aus Spanien und Afrika Oliven¨ ol (Temin, 2006b, S. 137). Auch mit weit entfernten Gebieten wurden Handelsbeziehungen unterhalten, wie Indien oder China, aus dem Seide bezogen wurde; von den Beduinen aus der Sahara bezog man Datteln und aus Arabien Gew¨ urze, Edelsteine und Kamele, die allesamt entweder gegen Handwerkserzeugnisse oder Gold- und Silberm¨ unzen getauscht wurden (Rostowzew, 1931, S. 56f.). 40 So war im finsteren“ Mittelalter der Handel nicht mehr so bedeutsam wie w¨ ahrend der ” Herrschaft des westr¨ omischen Reiches (Kulischer, 1928a, S. 82). Erst im 12. Jahrhundert schlossen sich deutsche St¨ adte zur Koordination und Organisation des Außenhandels zur Deutschen Hanse zusammen (Heckscher, 1932, S. 305ff.), was mit eine Ursache daf¨ ur darstellt, dass der Außenhandel im 12. und 13. Jahrhundert einen H¨ ohepunkt erlebte
30
2 Handelsstrukturen: Auspr¨ agung und Entwicklung
Erst die rasante ¨ okonomische Entwicklung infolge der Industrialisierung trug schließlich zu einer Intensivierung der Handelsbeziehungen bei. Zwischen 1800 und 1913 fand dann ein enormes Wachstum des gesamten Außenhandels statt. Das Pro-Kopf-Handelsvolumen stieg um das 25-fache, w¨ahrend die Weltproduktion lediglich um das 2,2-fache wuchs (Kenwood und Lougheed, 1992, S. 78).41 Ab 1860 kam es zu einer Etappe von Handelsliberalisierungen sowie drastischen Fortschritten bei Transport- und Komuhrten, dass sich 1870 die USA und munikationstechnologien42 , die dazu f¨ West-Europa als die gr¨ oßten Wirtschaftsm¨ achte darstellten; die Integrationsphase endete jedoch abrupt in Folge exogener politischer und milit¨arischer Schocks.43 Die damaligen Entwicklungen bez¨ uglich der (inter-industriellen) Handelsstruktur und die damit einhergehenden Effekte der Handelsintegration k¨onnen anhand des Heckscher-Ohlin-Samuelson-Modells (vgl. Abschnitt 2.1.1) nachvollzogen werden. In diesem Modell wird ein unmittelbaren Zusammenhang zwischen den G¨ uterpreisen und den Faktorpreisen nahegelegt, da die G¨ uterpreise (in Verbindung mit der Gewinnmaximierung bei vollkommener Konkurrenz) die Allokation der Faktoren auf die Sektoren bestimmen und (North, 1988, S. 139). Allerdings wurde er in sp¨ ateren Phasen, vor allem im Zuge des Merkantilismus, starken Regulierungen unterworfen. 41 O’Rourke und Williamson (1999, S. 1) sprechen in diesem Zusammenhang von der ersten Globalisierungswelle in den Jahren 1840 mit 1914 und beschreiben eindrucksvoll, wie ¨ ahnlich die damalige Situation der aktuellen Entwicklung ist: By 1914, there was ” hardly a village or town anywhere on the globe whose prices where not influenced by distant foreign markets, whose infrastructure was not financed by foreign capital, whose engineering, manufacturing, and even business skills were not imported from abroad, or whose labor markets were not influenced by the absence of those who had emigrated or by the presence of strangers who had immigrated.“ (O’Rourke und Williamson, 1999, S. 2). Der Beginn der zweiten, derzeit andauernden Globalisierungswelle ist ab 1950 zu sehen, vgl. den vorigen Abschnitt 2.2.2. 42 Bairoch und Kozul-Wright (1996, S. 26) und O’Rourke und Williamson (1999, S. 29) betonen, dass die gesamte Integration der G¨ uterm¨ arkte der drastischen Reduzierung der Transportkosten zuzurechnen ist und nicht dem Abbau (politischer) Handelsbarrieren: Die Erfindung von Dampfschiffen erm¨ oglichte einen schnellen Transport zwischen den Kontinenten, der Bau von Kan¨ alen verk¨ urzte Reisen, die bislang Kontinente umschiffen mussten und Eisenbahnen zusammen mit dem entsprechenden Ausbau des Schienennetzes sorgten f¨ ur einen schnelleren Transport der G¨ uter auf dem Landweg. Krugman (1995, S. 338) benennt auch die Telegraphie als eine der Schl¨ usseltechnologien bei der Entstehung der globalen Wirtschaft. Kulischer (1928b, S. 524) zufolge f¨ uhrten diese Entwicklungen zu einer Verf¨ unffachung des Welthandels zwischen 1800 und 1860. Insgesamt betrachtet, erm¨ oglichten alle diese Innovationen, dass die Transportkosten zwischen 1870 und 1913 um insgesamt rund 45 % reduziert werden konnten (O’Rourke und Williamson, 1999, S. 36). 43 Eine kurze Beschreibung der Situation findet sich etwa bei Sachs und Warner (1995).
2.2 Entwicklung der Handelsstruktur
31
damit die Faktorpreise determinieren. In Folge implizieren gleiche (relative) G¨ uterpreise auch gleiche (relative) Faktorpreise (Faktorpreisausgleichstheouterm¨arkte beobachrem).44 Dies kann bei der damaligen Integration der G¨ tet werden, bei der es infolge des Transportkostenr¨ uckgangs zur Angleichung aherung der relativen Faktorpreider G¨ uterpreise45 ebenso wie zu einer Ann¨ se, ausgedr¨ uckt durch das Lohn-Zins-Verh¨ altnis, kam. Obwohl die Resultate und Effekte, die O’Rourke und Williamson (1999, S. 74f.) zwischen 1870 und 1910 finden, f¨ ur verschiedene L¨ ander aufgrund von (extremen) Faktorausstattungsunterschieden und Pr¨ aferenzen unterschiedlich stark ausfallen, sind die Ergebnisse aber insbesondere f¨ ur den Pachtzins eindeutig, der mangels sonstiger Verwendung von Land außerhalb des Agrarsektors stark von den Auswirkungen des vertieften Handels betroffen ist.46 Auch das Handelsmuster weist die zu erwartende Struktur auf: Die relativ reichlich mit Arbeit ausgestattete alte Welt“47 exportierte zu einem Groß” teil arbeitsintensive Industrieerzeugnisse, um im Gegenzug aus der reichlich mit Boden ausgestatteten, neuen Welt“48 bodenintensive Prim¨arerzeugnis” se zu importieren (Kenwood und Lougheed, 1992, S. 90). Verbunden damit, kam es zu einem R¨ uckgang des Lohn-Zins-Verh¨ altnisses in der neuen Welt (Williamson, 1998, S. 66), und einem Anstieg in der alten Welt (Williamson, 1998, S. 60). Dabei wurde der weltweite Handel von Europa dominiert. Insgesamt lag der Anteil des europ¨ aischen Handels (sowohl innereurop¨aisch wie ¨ zwischen Europa und seinen Uberseegebieten) am weltweiten Handel 1870 44 Dieser
Zusammenhang wurde verbal erstmals 1924 von Bertil Ohlin ge¨ außert (Heckscher und Ohlin, 1991, S. 91f.). Der beschriebene Faktorpreisausgleich findet sich sp¨ ater auch bei Ohlin (1933, Kap. 2) und Stolper und Samuelson (1941, S. 59). Williamson (1996, S. 285) weist jedoch ausdr¨ ucklich darauf hin, dass Heckscher und Ohlin lediglich eine Ann¨ aherung und nicht eine Angleichung prognostizierten (vgl. Heckscher und Ohlin, 1991, S. 92). 45 O’Rourke und Williamson (1994, Tabelle 2, S. 900) zeigen die Konvergenz der Preise f¨ ur verschiedene Produkte zwischen 1870 und 1913. So fiel die Preisspanne von Fleisch und tierischen Fetten zwischen London und Cincinnati von 92,5 % (1870) auf 17,9 % (1913) oder bei Wolle zwischen Boston und London von 59,1 % auf 27,9 %. 46 Mit ein Grund f¨ ur die Ann¨ aherung der Faktorpreise sind neben der Zunahme der Handelsbeziehungen, aber auch die großen Migrationsstr¨ ome, die diese Entwicklungen weiter forcierten. Die Ursachen fasst Ohlin (1931, S. 182) wie folgt zusammen: Da die ” u ahig ist, nach Europa zu kommen, haben sich Arbeit und Ka¨berseeische Natur“ unf¨ ” pital von diesem Teil der Welt nach den nat¨ urlichen Hilfsquellen hin bewegt. Diese Bewegung und der Handel mit Nahrungsmitteln gegen die Industrieprodukte war ein ¨ Ersatz f¨ ur die Ubertragung der Natur.“ 47 D¨ anemark, Deutschland, Belgien, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, die Niederlande, Norwegen, Schweden und Spanien. 48 Argentinien, Australien, Kanada und die USA.
32
2 Handelsstrukturen: Auspr¨ agung und Entwicklung
bei 66,9 % und sank leicht bis 1913 auf 62 % (Bairoch und Kozul-Wright, 1996, S. 9). Die damit einhergehende (industrielle) Verflechtung dieser L¨ander f¨ uhrte dazu, dass bereits 1899 der Handel mit Industrieerzeugnissen zwischen den Industriestaaten mit 54,0 % mehr als die H¨ alfte der weltweiten Exporte in Industriel¨ ander ausmachte (Bairoch und Kozul-Wright, 1996, S. 9). Da es sich hierbei um relativ ¨ ahnliche und relativ gleichermaßen entwickelte L¨ander handelt, liegt die Vermutung nahe, dass ein signifikanter Teil dieses Handels auch intra-industrieller Art sein k¨onnte, wie Rayment (1983, S. 22) vermutet. Es wurde hierzu bereits mehrfach angesprochen, dass eine Aussage u ¨ber Daten, die weit in der Vergangenheit erhoben wurden, als problematisch anzusehen ist, gleichwohl legen nach Rayment (1983) zumindest anekdotische Beispiele die Existenz von intra-industriellem Handel im vorare intra-industrieller Handel ein langer letzten Jahrhundert nahe. Damit w¨ und g¨ angiger Trend, der kein alleiniges Ph¨ anomen der j¨ ungeren Vergangenheit darstellt. Zweifellos hat er aber ab Mitte des 20. Jahrhunderts deutlich an Bedeutung gewonnen, wie der n¨ achste Abschnitt zeigt.49 Zusammenfassend zeigt sich, dass der Handel etwa in der Antike (ausschließlich) dazu gedient haben muss, Zugang zu G¨ utern und Ressourcen zu er¨ offnen, die vor Ort nicht verf¨ ugbar waren oder die effizienter in anderen Orten erstellt werden konnten, sei es aufgrund von Spezialisierungsvorteilen oder weil vor Ort das technologische Wissen noch nicht vorhanden war. Der Handel kann somit als rein inter-industriell charakterisiert werden. Zwar gibt es dann, wesentlich sp¨ ater zu Zeiten der ersten Globalisierungswelle (1840 bis 1914), Indizien f¨ ur intra-industriellen Handel, jedoch spielte dieser keine derart zentrale Rolle wie in der Entwicklung ab 1950 (Neary, 2009, S. 219). Die Indizien sprechen aber daf¨ ur, dass ein Zusammenhang zwischen dem Entwicklungsstand eines Landes und dem Auftreten von intra-industriellem Handel besteht, da in fr¨ uheren Perioden der Entwicklung kaum Hinweise f¨ ur diese Form des Handels gefunden werden k¨ onnen.
¨ in Abschnitt2.3 gegebene Uberblick u ¨ber die verschiedenen Ursachen, die intraindustriellen Handel bedingen, zeigt auf, dass viel Raum f¨ ur einen solchen Handel besteht, der in der Geschichte sicherlich oftmals auch gegeben war. Es ist allerdings fraglich, inwiefern ihm dabei eine bedeutende ¨ okonomische Rolle zugekommen ist.
49 Der
2.2 Entwicklung der Handelsstruktur
33
2.2.2 Die Globalisierung nach 1950 und ihre neuen Aspekte It is possible to identify at least four new aspects of modern world trade ” [...] These are the rise of intra-trade [...]; the ability of producers to slice up the value chain [...]; the resulting emergence of supertraders [... and] the emergence of large exports of manufactured goods from low-wage to high-wage nations.“ (Krugman, 1995, S. 332, Hervorhebungen im Original)
Der Zeitraum nach 1950 war gepr¨ agt von einer zunehmenden Tendenz zur weltweiten Integration der G¨ uter- und Faktorm¨arkte.Insbesondere seit den 1990ern wird in diesem Zusammenhang h¨ aufig von einer Globalisierung50 gesprochen (Deardorff, 2006, S. 119). So nahmen seit Ende des zweiten Weltkriegs die politischen Anstrengungen zu, bestehende Handelsbarrieren abzubauen. Aus diesem Grund wurde internationale Institutionen geschaffen, wie etwa das 1947 vereinbarte Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (General Agreement on Tariffs and Trade, GATT, vgl. hierzu auch Bagwell und Staiger, 2002, Kap. 3)51 , das 1995 in der Welthandelsorganisation (World uhrte dabei aber Trade Organization, WTO) aufging.52 Die Globalisierung f¨ nicht zu einer Konvergenz der Innenpolitik und der Institutionen, wie dies 50
The term “globalisation” has been widely used to describe the increasing internationa” lisation of financial markets and of markets for goods and services. Globalisation refers above all to a dynamic and multidimensional process of economic integration whereby national resources become more and more internationally mobile while national economies become increasingly interdependent“ (OECD, 2005, S. 11). In der weiteren Diskussion wird Globalisierung in erster Linie als die Intensivierung der Integration in die Weltwirtschaft verstanden. 51 Die im Rahmen des GATT stattgefundenen Verhandlungsrunden zeichnen sich durch (zum Teil erhebliche) Zollsenkungen der Industriel¨ ander f¨ ur Industrieerzeugnisse aus. So ergab die erste Verhandlungsrunde im Jahr 1947 (Genf) eine gewichtete Zollsenkung von −26 % (nur f¨ ur die USA) und auch die letzten drei Runden trugen zu erheblichen Zollsenkungen bei (Kennedy-Runde (1964 bis 1967): −38 %; Tokio-Runde (1973 bis 1979): −33 %; Uruguay-Runde (1986 bis 1994): −38 %; World Trade Organization, 2007, Tabelle 5, S. 207). Die aktuellen Importzolls¨ atze nach der Uruguay-Runde liegen in der EU 12 bei 3,6 %, in Japan bei 1,7 % und in den USA bei 3,5 % (World Trade Organization, 2007, Tabelle 8, S. 209). 52 Die Rolle von Handelsliberalisierungen, insbesondere der Abbau politischer Barrieren, wird als wesentliche Quelle der modernen Integration gesehen (Krugman, 1995, S. 338; Bordo et al., 1999, S. 17; O’Rourke und Williamson, 1999, S. 29). Feenstra (1998, S. 34) betont, dass f¨ ur die heutige Globalisierung Handelsliberalisierungen etwa doppelt so wichtig waren wie der Transportkostenr¨ uckgang, obwohl die gesamten Handelskosten im Vergleich zum Produktionswert der G¨ uter immer noch hoch sind: Nach Anderson und van Wincoop (2004, S. 692) kann das Steuer¨ aquivalent repr¨ asentativer“ Handels” kosten f¨ ur Industriel¨ ander mit 74 % angegeben werden (Morasch und Bartholomae, 2011, S. 29).
34
2 Handelsstrukturen: Auspr¨ agung und Entwicklung
etwa im Zuge der Kolonialisierung geschah, stattdessen f¨ordert(e) sie die weltweite Integration der G¨ uter- und Faktorm¨arkte (Bordo et al., 1999, S. 19). Das einleitende Zitat von Krugman (1995) stellt dabei vier wesentliche Aspekte heraus, welche die heutige Handelsintegration von fr¨ uheren Phasen der internationalen Arbeitsteilung unterscheidet53 – insbesondere den Bedeutungzuwachs des intra-industriellen Handels. Bordo et al. (1999) weisen jedoch auf einige Kritikpunkte an der Neuartigkeit dieser vier Ph¨anomene hin, weshalb nun die Aspekte n¨ aher vorgestellt und diskutiert werden sollen. Tabelle 2.1: Intra-industrieller Handel ausgew¨ ahlter L¨ ander (in Prozent) Land
1964
1967
1973
1979
1985
Australien Belgien/Luxemburg Deutschland Frankreich Italien Japan Kanada Niederlande UK USA
18 62 44 64 49 23 37 65 46 48
17 66 51 67 45 22 49 66 55 52
29 69 60 70 54 24 57 63 71 48
22 73 60 70 48 21 56 65 80 52
25 74 65 72 55 24 68 67 76 72
Durchschnitt
46
49
55
55
60
Anm.: Die Werte wurden auf Basis des Grubel-Llyod-Indexes (vgl. Abschnitt 2.1.2) auf Basis der dritten Ebene der SITC-Klassifikation (vgl. Abschnitt 2.3.1) berechnet und anschließend f¨ ur jedes Land und jedes Jahr gemittelt. Quelle: OECD, 1987, Table 7.3, S. 273.
Als erstes (und f¨ ur die vorliegende Arbeit besonders relevantes) Ph¨anomen wird die Zunahme des intra-industriellen Handels genannt. Dieser Anstieg kann nach Krugman (1995, S. 333) durch die Realisierung von Skalenertr¨ agen erkl¨ art werden (vgl. Abschnitt 2.1.2). Eine wesentliche Rolle spielen auch die zunehmende Produktkomplexit¨ at, die immer feiner werdende Produktdifferenzierung und die damit ben¨ otigte F¨ ulle an Zwischenprodukten. Diese Ph¨ anomene werden durch Handelsliberalisierungen weiter ver53 Vgl.
hierzu auch Abschnitt 2.2.1.
2.2 Entwicklung der Handelsstruktur
35
st¨ arkt und f¨ ordern auf diese Weise intra-industriellen Handel. Balassa (1966, S. 470) belegt, dass die im Rahmen der Gr¨ undung der Europ¨aischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) einhergehenden Zollsenkungen, die intra-industrielle Spezialisierung der Mitgliedsstaaten forcierte.54 Bordo et al. (1999, S. 13) berechnen zur Bestimmung des intra-industriellen Handels den Grubel-Lloyd-Index und stellen fest, dass dieser f¨ ur die USA zwischen 1909 und 1995 von 53 % auf 78 % angestiegen ist. Der Zuwachs um knapp 50 % f¨allt allerdings nicht so stark aus, wie allgemein angenommen und von Krugman (1995, S. 332f.) nahegelegt wird. Kritisch anzumerken ist aber, dass diese Berechnungen u uhrt wurden und da¨ber einen sehr langen Zeitraum durchgef¨ her als wenig aussagekr¨ aftig anzusehen sind, insbesondere wenn davon auszugehen ist, dass sich die Methoden der Datenerhebung sowie die Abgrenzungen der einzelnen Indikatoren voneinander zwischenzeitlich mehrfach geandert haben. Wesentlich aussagekr¨ aftiger ist der in Tabelle 2.1 untersuchte ¨ Zeitraum, der f¨ ur einige L¨ ander wie etwa Deutschland doch einen ausgepr¨ agten Bedeutungszuwachs des intra-industriellen Handels zeigt. W¨ahrend der intra-industrielle Handel f¨ ur geographisch relativ isolierte Industrienationen wie Japan oder Australien einen nur geringen Anteil von unter 30 % ausmacht, weisen kleine, zentral gelegene L¨ andern wie Belgien oder die Niederlande weitaus h¨ ohere Werte auf.55 Unter Verwendung der Ergebnisse, die aus dem Gravitationsmodell (Abschnitt 2.1.3) gewonnen wurden, k¨onnen diese (geographischen) Besonderheiten aber gerade die Disparit¨aten im intra-industriellen Handel erkl¨ aren. Sowohl Australien als auch Japan sind von L¨ andern umgeben, die ihnen in Bezug auf die (relative) Faktorausstattung nicht ¨ ahnlich sind, w¨ ahrend sie geographisch weit entfernt von L¨andern sind, die ihnen ¨ ahnlich sind und sich auf einem vergleichbaren Entwicklungsstand befinden. Da intra-industrieller Handel aber gerade zwischen ¨ahnlichen (und entwickelten) L¨ andern stattfindet, u ¨berrascht es wenig, dass er bei Australien und Japan nur gering ausf¨ allt, hingegen aber bei den europ¨aischen L¨ andern, die von a andern auf dem gleichen Entwicklungs¨hnlichen L¨ stand umgeben sind, sehr hoch. Insgesamt ist der durchschnittliche Anteil des intra-industriellen Handels am Gesamthandel der betrachteten Industriel¨ ander binnen zwanzig Jahren um knapp drei Viertel angestiegen und machte 1985 rund zwei Drittel des gesamten Handelsvolumens aus. 54 F¨ ur
eine ausf¨ uhrliche Analyse in Bezug auf die ¨ okonomischen Effekte des gemeinsamen Marktes vgl. auch Balassa (1967). 55 Der deutliche Zuwachs von 1979 auf 1985 in den USA und Kanada ist vermutlich mit dem Freihandelsabkommen im Automobilsektor zwischen beiden L¨ ander zu erkl¨ aren (Caves et al., 2002, S. 139).
36
2 Handelsstrukturen: Auspr¨ agung und Entwicklung
Das zweite angesprochene Ph¨ anomen, die Fragmentierung der Wertsch¨opfungskette56 , ist stark mit der diskutierten Zunahme des intra-industriellen Handels verkn¨ upft sowie mit dem Auftreten multinationaler Unternehmen.57 Unter Fragmentierung wird die geographische Verteilung der einzelnen Wertsch¨ opfungsprozesse58 verstanden, die vormals an einem Ort, meist sogar in nur einer Fabrik, geb¨ undelt waren.59 Dabei werden die einzelnen Produktionsphasen in diejenigen L¨ ander verlagert, die in der daf¨ ur ben¨otigten Qualifikation einen komparativen Vorteil haben, das heißt, einfache Fließbandarbeit wird in arbeitsreiche L¨ ander ausgelagert, w¨ahrend humankapitalintensive Forschung in den Industriel¨ andern mit einem hohen Bilunstiger und effidungsniveau verbleibt.60 Dadurch kann die Produktion g¨ zienter gestaltet werden, da die Spezialisierungsvorteile der am Wertsch¨opfungsprozess beteiligten L¨ ander genutzt werden k¨onnen. Der damit induzierte Handel stellt sich damit eigentlich als inter-industrieller Handel dar (vgl. Abschnitt 2.1.1). Da jedoch, je nach Aggregationsstufe in der statistischen Klassifizierung, oftmals Vor- und Endprodukte der gleichen Branche zugeordnet werden, wird dieser Handel als intra-industriell ausgewiesen.61 Beg¨ unstigt wurde die vertikale Disintegration nicht zuletzt durch die Entwicklung des Computers und moderner Kommunikationsm¨oglichkeiten, die eine im Vergleich zu fr¨ uheren Zeiten wesentlich schnellere Informations¨ ubermittlung gestatten (Bordo et al., 1999, S. 28f.) und dadurch die Koordination der einzelnen Wertsch¨ opfungsprozesse erst erm¨oglichen (Krugman, 1995, 56 Vgl.
hierzu auch Abschnitt 2.3.3; auch als vertikale Desintegration“ (Krugman, 1995, ” S. 336), Delokalisierung“ (Leamer, 1998, S. 146), vertikale Globalisierung“ (Sell, 2001, ” ” S. 517) oder intra-mediate trade“ (Antweiler und Trefler, 2002, S. 96) bezeichnet. ” 57 Multinationale Unternehmen sind Firmen, die einen signifikanten Anteil (mehr als 50 %) an einem anderen im Ausland befindlichen Unternehmen besitzen (Navaretti und Vena¨ bles, 2004, S. 2). Einen umfangreichen Uberblick der theoretischen Auseinandersetzung mit multinationalen Unternehmen bietet neben Navaretti und Venables (2004) auch Markusen (2004). Bereits Ende des 19. Jahrhunderts gab es multinationale Unternehmen, die aber die Ausnahme bildeten, wohingegen knapp 100 Jahre sp¨ ater, 1994, 36 % der Exporte und 43 % der Importe der USA intra-multinationale Transaktionen waren. Die Entstehung von multinationalen Unternehmen ist dabei auf gesunkene Kommunikationskosten zur¨ uckzuf¨ uhren, wenngleich sie selbst auch dazu beitragen, Barrieren des Informationsflusses abzubauen (Bordo et al., 1999, S. 10f.). 58 Wie etwa die Produktion der Vorprodukte, der Veredelung zu Zwischenprodukte, dem Zusammenbau und der Endmontage. 59 Sell (2001, S. 517f.) spricht in diesem Zusammenhang von einer Vertiefung des Welt” handels“ im Gegensatz zur Verbreiterung“ durch die allgemeine Zunahme des Nord” S¨ ud-Handels. 60 Brakman et al. (2006, Kap. 3.8) bilden diese Spezialisierung entlang der Wertsch¨ opfungskette in einer einfachen Heckscher-Ohlin-Samuelson-Analyse ab. 61 Eine Diskussion dieser Problematik erfolgt ausf¨ uhrlicher in Abschnitt 2.3.1.
2.2 Entwicklung der Handelsstruktur
37
S. 342). Neben Grubel und Lloyd (1975, S. 101) und Deardorff (2006, S. 289) stellt auch Feenstra (1998, S. 34) den Einfluss der Fragmentierung der Wertsch¨ opfungskette auf den intra-industriellen Handel fest.62 Die Spezialisierung der L¨ ander auf verschiedene Phasen der Wertsch¨opfungskette f¨ uhrt zwangsl¨ aufig dazu, dass die Wertsch¨opfungstiefe in den am Produktionsprozess beteiligten L¨ andern abnimmt63 , wodurch das dritte Ph¨ anomen zu erkl¨ aren ist, das Entstehen von sogenannten Supertraders. Dieser Begriff bezeichnet L¨ ander, deren Exportquote, das heißt der Anteil des Werts der Exporte am BIP, bei mindestens 50 % liegt. Nach Bordo et al. (1999, S. 14) ist das Auftreten von Supertraders jedoch keine Entwicklung der neueren Zeit. Bereits um 1900 waren chinesische, karibische und afrikanische H¨ afen offen f¨ ur den Handel und dienten als Warenumschlagspl¨atze der umliegenden Regionen. Im Mittelalter d¨ urfte dies vermutlich ebenfalls f¨ ur die St¨ adte der Deutschen Hanse gegolten haben. Ferner bezeichnen Bairoch und Kozul-Wright (1996, S. 5f.) Belgien, die Niederlande und die Schweiz f¨ ur den Zeitraum zwischen 1870 und 1913 als super-trading economies“. ” Moderne Supertraders befinden sich wiederum haupts¨achlich in Asien; und damit in L¨ andern, die im Vergleich zu den westlichen Industrienationen u ugen, sich durch niedrige L¨ohne auszeich¨ber viel (einfache) Arbeit verf¨ nen und sich daher besonders f¨ ur die Auslagerung arbeitsintensiver Phasen der Wertsch¨ opfungskette empfehlen. Entwickelte L¨ander k¨onnen ebenfalls zu Supertraders werden, wenn sie sich als Teil eines gr¨oßeren Wirtschaftsraumes in lokaler N¨ ahe zu anderen Wertsch¨ opfungsprozessen befinden (wie etwa Belgien oder die Niederlande); sie stellen aber nach Krugman (1995, S. 335) eher einen Spezialfall dar. Durch die Auslagerung von Wertsch¨ opfungsprozessen in Schwellenl¨ander mit einem geringeren Lohnniveau nimmt deren Handelsverflechtung mit den Industriel¨ andern zu und stellt damit die vierte Neuerung dar (Krugman, 1995, S. 336f.). Allerdings ist auch die Neuartigkeit dieser Integration nicht ganz unumstritten. Bordo et al. (1999, S. 13f.) argumentieren, dass ein Großteil des Handels der USA nach wie vor mit entwickelten L¨andern stattfindet. So betrug im Jahr 1909 der Anteil der US-Importe aus den In62 Exemplarisch
benennt er die Produktion der Barbie-Puppe, deren einzelne Wertsch¨ opfungsprozesse in den USA, Taiwan, Japan, Indonesien, Malaysia, China und Hong Kong stattfinden, und die Produkte des Turnschuh-Herstellers Nike, dessen Produktion ebenfalls in den USA und diversen L¨ andern Asiens erfolgt (Feenstra, 1998, S. 35f.). 63 Eine sehr uberspitzte Folgerung daraus zieht Sinn (2006, S. 1160f.), der dieses Ph¨ ano¨ men speziell f¨ ur Deutschland als Basareffekt“ umschreibt: Instead of ’Made in Ger” ” many’, ’Designed, assembled and sold in Germany’ would often be a more appropriate label, and even that may in part be an exaggeration.“
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2 Handelsstrukturen: Auspr¨ agung und Entwicklung
dustriel¨ andern Kanada und Europa 55,9 % und lag 1995 unver¨andert bei 56 % (inklusive Japan). Krugman (1995, S. 337) weist darauf hin, dass der Anteil der Exporte von Industrieerzeugnissen aus den Schwellenl¨andern gemessen an den gesamten OECD-Ausgaben mit deutlich unter 2 % nach wie vor zwar sehr gering ist, allerdings muss dabei ber¨ ucksichtigt werden, dass dieser Handel aus dem Nichts“ in Erscheinung getreten ist. Hinzu kommt, ” dass sich die Zusammensetzung des Handels ge¨andert hat, wie auch Bordo et al. (1999, S. 14) best¨ atigen k¨ onnen. Importierten die USA fr¨ uher zum Großteil Agrarprodukte aus den Niedrig-Lohn-L¨ andern Lateinamerikas und Asiens, so sind es heute eher Industrieerzeugnisse. In Tabelle 2.2 wird hier¨ zu ein Uberblick u ¨ber die Anteile der verschiedenen Sektoren am Handel ¨ gegeben. Eine Ursache der Anderung ist sicherlich die ge¨anderte Faktorausstattung der USA, die sich von einem bodenreichen zu einem kapitalreichen uckgang der ExLand weiterentwickelt haben, was sich insbesondere im R¨ porte der bodenintensiven Agrarerzeugnisse widerspiegelt.64 Zus¨atzlich hat sich die Exportstruktur zugunsten der Entwicklungsl¨ander ge¨andert. W¨ahrend 1909 lediglich 20 % der US-Exporte in Entwicklungsl¨ander ausgef¨ uhrt wurden, verdoppelte sich dieser Anteil bis 1995 auf knapp 43 % (Bordo et ¨ al., 1999, S. 14). Im Zuge der Offnung der M¨ arkte, der Zunahme der Handelsverflechtung und der Auslagerung von Produktionsabschnitten in die Schwellenl¨ ander, kam es in einigen asiatischen L¨andern zu einer Erh¨ohung des Wirtschaftswachstums (Krugman, 1995, S. 339). Dies f¨ uhrte schließlich zu einem R¨ uckgang des Einkommensunterschieds zwischen diesen L¨andern und dem Westen, was wiederum zu einer zus¨ atzlichen Stimulierung des Handels beitr¨ agt (Frankel, 1999, S. 53).65 In Bezug auf das einleitende Zitat von Krugman (1995) kann abschließend festgestellt werden, dass zwar einige der aufgez¨ahlten Ph¨anomene f¨ ur sich genommen nicht neu sind, aber die Kombination und Intensit¨at in der sie auftreten doch als charakterisierend f¨ ur die moderne Integration anzusehen sind. Letztendlich k¨ onnen alle vier Ph¨ anomene auf die herausragende Stellung des intra-industriellen Handels zur¨ uckgef¨ uhrt werden. Die ¨ gibt es aber auch weitere Ursachen f¨ ur die beobachtbare Anderung: So sind vormals nicht handelbare G¨ uter nun handelbar geworden sind. Es ist heute etwa m¨ oglich, lange Zeit nur lokal handelbare Waren wie Schnittblumen u ¨ber weite Distanzen zu transportieren, ohne dass ihre Qualit¨ at darunter leidet. Ebenso werden G¨ uter gehandelt, deren Tausch fr¨ uher aufgrund des (zu) geringen Wertes und der (zu) hohen Transportkosten ¨ okonomisch nicht sinnvoll war, wie etwa Eisenerz (Cooper, 1995, S. 363f.). 65 Diese Beobachtung kann als Best¨ atigung der Linder-Hypothese gesehen werden, vgl. hierzu Abschnitt 2.3.2.1 und auch Frankel, 1997, S. 133. 64 Selbstverst¨ andlich
2.3 Ursachen und Erkl¨ arungsans¨ atze des intra-industriellen Handels
39
Tabelle 2.2: Zusammensetzung des US-Handels nach Warengruppen (in Prozent) Kategorie
Jahr
Exporte
Importe
Agrarerzeugnisse
1890 1990
42,2 11,5
33,1 5,6
Rohstoffe
1890 1990
36,6 11,6
22,8 14,8
Industrieerzeugnisse
1890 1990
21,2 77
44,1 79,6
Quelle: Irwin, 1996, Tabelle 2, S. 43.
Fragmentierung der Wertsch¨ opfungskette, die auch durch die Auslagerung in arbeitsreiche Regionen und damit die Integration dieser L¨ander in den Welthandel mitgetragen wird und dabei zur Entstehung von Supertraders beitr¨ agt, stellt eine signifikante Quelle des intra-industriellen Handels dar. Wie im Laufe des folgenden Abschnitts angesprochen wird, ist intra-industrieller Handel in fr¨ uheren Zeiten nicht auszuschließen, allerdings soll an dieser Stelle bereits angef¨ uhrt werden, dass dies aufgrund der schlechten Datenlage nie eindeutig best¨ atigt (oder widerlegt) werden kann. Die große Bedeutung, die ihm heute zukommt, kann hingegen nicht bestritten werden.
2.3 Ursachen und Erkl¨ arungsans¨ atze des intra-industriellen Handels Die nun folgenden Abschnitte sollen dazu dienen, ein etwas tieferes Verst¨ andnis f¨ ur intra-industriellen Handel zu erhalten und dar¨ uber hinaus f¨ ur die damit verbundene Problematik der (empirisch) korrekten Erfassung zu sensibilisieren. Eine vertiefte Auseinandersetzung an dieser Stelle erscheint aus mehreren Gr¨ unden sinnvoll. So zeigt sich, dass erst ein breites und verfeinertes Produktspektrum, wie es entwickelte L¨ander aufweisen, intraindustriellen Handel in gr¨ oßerem Rahmen erm¨oglichen wird, wobei dieses Spektrum sowohl aus Produzenten- als auch aus Konsumentensicht n¨aher spezifiziert werden muss. Zugleich muss aber auch genauer dargelegt werden, was unter intra-industriellem Handel zu verstehen ist, nicht zuletzt deshalb, weil in der Literatur zwei verschiedene Sichtweisen vorherrschen. Dies f¨ uhrt
40
2 Handelsstrukturen: Auspr¨ agung und Entwicklung
dazu, dass eine weitere Unterscheidung im Hinblick auf die Motive f¨ ur intraindustriellen Handel zu treffen ist. Es wurde an mehreren Stellen im vorangegangenen Abschnitt betont, dass es schwierig ist, intra-industriellen Handel aufgrund der schlechten Datenlage u ¨ber einen langen Zeitraum korrekt zu messen und zu vergleichen. Trotz der relativ besseren Datenlage ist es aber auch heute noch problematisch den intra-industriellen Handel ad¨ aquat zu erfassen. Dies h¨angt damit zusammen, dass eine pr¨ azise Abgrenzung von Branchen essentiell f¨ ur die Messung ist und großen Einfluss darauf hat, wie hoch der intra-industrielle Handel ausgewiesen wird. In Abschnitt 2.3.1 wird dazu der Frage nachgegangen, wie diese Abgrenzung statistisch und ¨ okonomisch vorgenommen wrden kann und welche Probleme dabei zu beachten sind. Die Abschnitte 2.3.2 und 2.3.3 beleuchten dann Aspekte der Produktdifferenzierung und die Frage, ob intra-industrieller Handel aus Sicht der Konsumenten oder aus Sicht der Produzenten zu sehen ist. Dies ist wichtig, denn je nach Art des intra-industrielles Handels sind unterschiedliche Ursachen zu identifizieren und ist damit auch unterschiedlich zu bewerten. Der abschließende Abschnitt 2.3.4 ¨ gibt einen Uberblick dar¨ uber, dass spezielle Auspr¨agungen des intra-industriellen Handels auch ohne Produktdifferenzierung erkl¨art werden k¨onnen. ¨ Die darin angestellten Uberlegungen dienen dazu, eine umfassendere Sicht auf den intra-industriellen Handel zu erhalten und zeigen zugleich auf, welche Arten/Ursachen f¨ ur dieses Handelsph¨ anomen im weiteren Vorgehen (zumindest explizit) nicht weiter erfasst werden. Einige der darin vorgebrachten Motive legen auch nahe, dass dieser Handel auch bei weniger entwickelten L¨ andern auftreten kann.
2.3.1 Definition, statistische versus ¨ okonomische Abgrenzung von Branchen Bevor eine sinnvolle Auseinandersetzung mit der statistischen Klassifizie¨ rung und der Definition von Branchen in der Okonomie erfolgen kann, muss zun¨achst gekl¨ art werden, was unter einer Branche“ beziehungsweise syn” onym Industrie“ zu verstehen ist. Erschwert wird das Verst¨andnis insbe” sondere durch die sprachliche Mehrdeutigkeit des Begriffs Industrie“ be” ziehungsweise im Englischen industry“, was dazu f¨ uhrt, dass Unklarheiten ” dar¨ uber entstehen k¨ onnen, was alles unter intra-industriellen Handel fallen kann und was nicht. Nach Webster’s Dictionary bezeichnet der Begriff unter anderem eine group of productive or profit-making enterprises or organizations that have ”
2.3 Ursachen und Erkl¨ arungsans¨ atze des intra-industriellen Handels
41
a similar techological structure of production and that produce or supply technically substitutable goods, services, or sources of income“ (Gove, Hrsg., 1993, S. 1155f., Definition 3c).66 Allerdings ist dies nur eine unter mehreren m¨ oglichen Definitionen. Wie Cabral (2000, S. 3) betont, kann ebenso das verarbeitende Gewerbe als Ganzes darunter verstanden werden, das sich insbesondere durch eine klare Abgrenzung von der Landwirtschaft auszeichnet. Diese Ambivalenz in der Definition ist auch im Deutschen mit dem Begriff ucklich darauf hinIndustrie“ assoziiert.67 Daher soll an dieser Stelle ausdr¨ ” gewiesen werden, dass im Folgenden die Begriffe Industrie“, Branche“ und ” ” Sektor“68 synonym verwendet werden, und eine Gruppe von Unternehmen ” bezeichnen, die ¨ ahnliche G¨ uter produzieren, oder – noch genauer spezifiziert – Unternehmen, die Varianten eines Gutes produzieren. Zun¨achst muss daher gekl¨ art werden, was das eigentliche Gut ist, um dann in n¨achsten Schritt zu kl¨ aren, welche Arten der Differenzierung m¨ oglich sind.69 Bei der statistischen Festlegung einer Branche wird haupts¨achlich auf die Standard Industrial Trade Classification (SITC; Internationales Warenverzeichnis f¨ ur den Außenhandel) oder auch die Standard Industrial Classification zur¨ uckgegriffen, die jeweils einzelne G¨ uter verschiedenen Aggregationsstufen zuordnen. Insgesamt gibt es in der aktuellen vierten Revision f¨ unf Aggregationsstufen.70 Um die Bandbreite der volkswirtschaftlichen Sektoren zu verdeutlichen, aber auch, um auf die Gefahren zu starker Aggregation hinzuweisen, wird in Tabelle 2.3 die oberste Aggregationsstufe wiedergegeben, w¨ ahrend Tabelle 2.4 dann exemplarisch einen Auszug der Gliederungsebenen von Teil 6 des SITC auff¨ uhrt. An Tabelle 2.3 ist deutlich zu erkennen, dass die oberste Aggregationsstufe sehr breit gefasst ist und sicherlich Raum f¨ ur Diskussionen bieten, ob die einzelnen Teilsektoren derart zusammengefasst werden sollten.71 Je tiefer die Gliederungsebene voranschreitet (Tabelle 2.4), desto feiner werden 66 Da
die grundlegende Literatur des intra-industriellen Handels aus dem angels¨ achsischen Raum stammt, kommt der dortigen Auffassung des Begriffs nat¨ urlich eine herausragende Bedeutung zu. 67 Dudenredaktion, Hrsg. (2001, S. 827) weist allerdings darauf hin, dass die Definition als alleinige Bezeichnung des verarbeitenden Sektors nur selten gebraucht wird. 68 Da in der modelltheoretischen Analyse nur zwei Branchen (arbeits- und kapitalintensiv) betrachtet werden, sind diese mit den volkswirtschaftlichen Sektoren identisch. 69 Mehr hierzu auch in den Abschnitten 2.3.2.1 und 2.3.2.2. 70 Hierarchisch geordnet umfassen diese insgesamt 10 Teile, 67 Abschnitte, 262 Gruppen, 1023 Untergruppen und 2970 kleinste Gliederungseinheiten (Statistisches Bundesamt, Hrsg., 2006, S. II). 71 Zum Beispiel w¨ urde es plausibel erscheinen, Getr¨ anke und Nahrungsmittel zusammenzufassen, statt Getr¨ anke und Tabak (Teil 1) in einer Kategorie zu erfassen.
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2 Handelsstrukturen: Auspr¨ agung und Entwicklung Tabelle 2.3: H¨ ochste Aggregationsstufe der SITC
Teil 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Beschreibung Nahrungsmittel und lebende Tiere Getr¨ anke und Tabak Rohstoffe (ausgenommen Nahrungsmittel & mineralische Brennstoffe) Mineralische Brennstoffe, Schmiermittel und verwandte Erzeugnisse ¨ Tierische und pflanzliche Ole, Fette und Wachse Chemische Erzeugnisse, anderweitig nicht genannt Bearbeitete Waren, vorwiegend nach Beschaffenheit gegliedert Maschinenbauerzeugnisse und Fahrzeuge Verschiedene Fertigwaren Waren und Warenverkehrsvorg¨ ange, anderweitig in SITC nicht erfasst Quelle: Statistisches Bundesamt, Hrsg., 2006, S. IV–VI.
die Kategorisierungen, sodass auf der kleinsten Gliederungseinheit ein sehr spezifisches Produkt erfasst wird. Die Zusammenfassungen der gehandelten Warengruppen auf der zweiten und dritten Ebene entsprechen ungef¨ahr der volkswirtschaftlichen Definition einzelner Branchen (Grubel und Lloyd, 1975, S. 3), die u ur die statistische Messung des intra-industri¨blicherweise f¨ ellen Handels herangezogen werden.72 Das Vorhandensein verschiedener Aggregationsstufen legt nahe, dass bei der Interpretation realer Daten Vorsicht geboten ist, da es erheblich auf den Grad der (Dis-)Aggregation ankommt (OECD, 2005, S. 201). Liegen etwa die Daten in zu aggregierter Form vor, k¨ onnen sich in einer Branche in hohem Maße heterogene G¨ uter befinden, wodurch im Extremfall eine gesamte ¨ Okonomie als eine Branche betrachtet werden k¨ onnte und der gesamte Handel intra-industriell w¨ are.73 Erfolgt die Aggregation allerdings zu schwach, besteht die Gefahr, dass G¨ uter, die eigentlich der gleichen Branche zuzurechnen w¨ aren, unterschiedlichen Branchen zugeordnet werden. Der Extremfall w¨ are, dass jedes Unternehmen mit faktisch einmaligen Produkten als eigene Branche definiert w¨ urde, wodurch ausschließlich inter-industrieller Handel zustande k¨ ame.74 Es kann damit gefolgert werden, dass sich der Anteil des 72 Insbesondere
f¨ ur den in Abschnitt 2.1.2 vorgestellten Grubel-Lloyd-Index. Sinne der Produktdifferenzierung w¨ urde das etwa implizieren, dass ein Traktor eine Variante eines Teppichs darstellt. 74 Diese Problematik sprechen auch schon Grubel und Lloyd (1975, S. 23f.) an. 73 Im
2.3 Ursachen und Erkl¨ arungsans¨ atze des intra-industriellen Handels
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Tabelle 2.4: Auszug der Untergliederung von SITC Teil 6 Teil 6
Bearbeitete Waren, vorwiegend nach Beschaffenheit gegliedert
Abschnitt 65 651 651.4 .41 .42 .43 .44 651.6
.62
.63
.64 .69
Garne, Gewebe, fertiggestellte Spinnstofferzeugnisse, anderweitig nicht genannt, und verwandte Waren Garne N¨ ahgarne aus Chemiefasern, auch in Aufmachungen f¨ ur den Einzelverkauf aus synthetischen Filamenten unstlichen Filamenten aus k¨ aus synthetischen Spinnfasern aus k¨ unstlichen Spinnfasern andere Garne aus synthetischen Fliamenten (ausgenommen N¨ ahgarne), einschließlich Monofile von weniger als 67 dtex hochfeste Garne aus Nylon, aus anderen Polyamiden oder aus Polyester, nicht in Aufmachungen f¨ ur den Einzelverkauf andere Garne, ungezwirnt, ungedreht oder mit 50 Drehungen oder weniger je Meter, nicht in Aufmachungen f¨ ur den Einzelverkauf andere Garne, ungezwirnt, mit mehr als 50 Drehungen je Meter, nicht in Aufmachungen f¨ ur den Einzelverkauf andere Garne, gezwirnt, nicht in Aufmachungen f¨ ur den Einzelverkauf
Quelle: Statistisches Bundesamt, Hrsg., 2006, S. 77.
intra-industriellen Handels indirekt proportional zur, f¨ ur die Messung verwendeten Gliederungsebene verh¨ alt. Wie die Branchen statistisch korrekt abgegrenzt werden und welche Aggregationsstufe als Beschreibung einer Branche herangezogen werden sollte, f¨ uhrte in der Literatur zu einer heftigen Diskussion, die so weit f¨ uhrte, dass ¨ einige Okonomen die Bedeutung beziehungsweise Existenz von intra-industriellem Handel generell anzweifeln. W¨ ahrend die gem¨aßigtere Auffassung ihn lediglich als statistisches Artefakt“ betrachtet (Lipsey, 1976, S. 313f.; ” Pomfret, 1979, S. 120, 124; Chipman, 1992, S. 68; OECD, 2005, S. 201), geht etwa Finger (1975, S. 587) so weit, die ganze Theorie des intra-industriellen
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2 Handelsstrukturen: Auspr¨ agung und Entwicklung
Handels in Frage zu stellen.75 Er argumentiert, dass dieser sich bei entsprechender Betrachtung als inter-industrieller Handel herausstellt und somit durch die traditionelle Theorie erkl¨ arbar ist.76 Chipman (1992, S. 68ff.) kann diese Vermutung offenbar mit einer einfachen Regression untermauern. Als erkl¨ arende Variable verwendet er das SITC-Aggregationsniveau, 𝑆, und als abh¨ angige Variable den Anteil des australischen intra-industriellen Handels an Gesamthandel, 𝑃 , wobei er als Datengrundlage die Berechnungen von Grubel und Lloyd (1975, S. 50) heranzieht. Er sch¨atzt damit die reziproke Potenzfunktion 𝑃 = 1 − 𝑎𝑆 𝑏 .
(2.8)
Die Ergebnisse seiner Sch¨ atzung legen nahe, dass sp¨atestens ab der zehnten Disaggregationsstufe des SITC – sofern es diese geben w¨ urde – keinerlei intra-industrieller Handel mehr zu beobachten sein d¨ urfte. Allerdings kann diese Vorgehensweise stark kritisiert werden und ist kaum dazu geeignet, den intra-industriellen Handel in Frage zu stellen. Aus empirischer Sicht kann etwa angef¨ uhrt werden, dass die von ihm verwendeten Daten als wenig repr¨ asentativ anzusehen sind, da er pro Land lediglich f¨ unf Beobachtungen vorweisen kann. Fraglich ist auch, ob zwischen der Aggregationsstufe und dem intra-industriellen Handel ein linearer Trend vorliegt, wie durch die Wahl der Sch¨ atzmethode unterstellt wird. Die vorangegangene Diskussion ebenso wie ein Blick auf Tabelle 2.4 zeigen zudem, dass schon ab der f¨ unften Stufe sehr spezifische Produkte zu finden sind und demzufolge die zehnte Stufe (sofern die Daten derart spezifisch erhoben beziehungsweise disaggregiert werden k¨ onnen) nur noch ein einzelnes Gut umfasst. Dieses Beispiel verdeutlicht aber anschaulich, welche Probleme sich bei der Messung in der Praxis ergeben.77 75 Stern
(1975, S. 33) bemerkt hierzu, dass selbst wenn es keinen intra-industriellen Handel g¨ abe, die Besch¨ aftigung mit diesem Ph¨ anomen dennoch wichtig ist, da sie auf die schwierige Datenlage aufmerksam macht. Insofern kann der intra-industrielle Handel entweder als ein eigenst¨ andiges Ph¨ anomen gesehen werden oder er verweist zumindest auf die Problematik, dass es nahezu unm¨ oglich ist, alle Nuancen von Produktkategorien ad¨ aquat zu definieren und/oder zu erfassen. 76 Vgl. hierzu auch die vorgestellte Erweiterung des Heckscher-Ohlin-Samuelson-Modells von Corden (1979). 77 Selbst eine bessere Datenlage kann die Probleme nicht restlos beseitigen. So benennt Pomfret (1979, S. 120) zwei Aspekte, die dabei ebenfalls ber¨ ucksichtigt und gekl¨ art werden m¨ ussen. Erstens muss festgesetzt werden, welche Kriterien im Falle eines Kontinuums an Inputkoeffizienten angelegt werden sollen, um zu unterscheiden, ob es sich bei den betrachteten G¨ utern um G¨ uter verschiedener Branchen oder um differenzierte Pro-
2.3 Ursachen und Erkl¨ arungsans¨ atze des intra-industriellen Handels
45
Die Definition einer Branche in der ¨ okonomischen Theorie ist in der einfachsten Form bereits zu Beginn dieses Abschnitts wiedergegeben worden, als Bezeichnung von Firmen, die das gleiche Gut produzieren. Als erheblich schwieriger gestaltete es sich, diese Sichtweise mit der Realit¨at in Einklang zu bringen:78 An industry is any group of firms producing a single commodity. The ” correspondence of such an industry to the industries of the real world is not perhaps very close. But in some cases, where a commodity in the real world is bounded on all sides by a market gap between itself and its closest substitutes, the real-world firms producing this real-world commodity will conform to the definition of an industry sufficiently closely to make the discussion of industries in this technical sense of some interest.“ (Robinson, 1942, S. 17, Hervorhebung im Original)
Da es nur sehr wenige Firmen gibt, die ein identisches Gut produzieren, liegt es nahe, die Definition einer Branche auszuweiten, wie das Zitat andeutet. Der Vorschlag lautet dabei, so lange Substitute f¨ ur Substitute f¨ ur Substitute usw. eines Gutes zu suchen, bis eine signifikante Unterbrechung der Reihe zu beobachten ist. Diese G¨ uter sind dann als gleich anzusehen und einer Branche zuzuordnen. Eine andere M¨ oglichkeit besteht darin, die Kreuzpreiselastizit¨ at zu betrachten und G¨ uter einer Branche zuzuordnen, deren Preise auf etwaige Schocks korreliert reagieren, da dies ein Indiz daf¨ ur darstellt, dass sie ¨ ahnlichen Nachfrage- beziehungsweise Produktionsbedingungen unterworfen sind. Hierbei bemerkt Tirole (1988, S. 13) allerdings, dass dies lediglich eine notwendige Bedingung darstellt. Ungeachtet dessen, inwieweit die jeweilige theoretische Auffassung tats¨ achliche Branchen widerspiegelt, kommt es bei der konkreten Anwendung der Zuordnung von (verschiedenen) G¨ utern zu einer Branche – je nach Modellspezifikation der einzelnen Außenhandelstheorien – zu Unterschieden. So wird in der klassischen Außenhandelstheorie wie etwa im Ricardo- oder im Heckscher-Ohlin-Samuelson-Modell (Abschnitt 2.1.1) unter einer Branche beziehungsweise einem Sektor eine Agglomeration von Unternehmen verstanden, die alle ein perfekt homogenes Gut produzieren (Grubel und Lloyd, 1975, S. 2). Da sich sp¨ ater im Kontext der monopolistischen Konkurrenz (neue Außenhandelstheorie, Abschnitt 2.1.2) die G¨ uter innerhalb einer dukte der gleichen Branche handelt. Zweitens muss im Einzelfall aber zugleich gekl¨ art werden, wie sinnvoll es ist, die Betrachtung an diesem einen Kriterium festzumachen. Nur dann ist eine ad¨ aquate Bestimmung des intra-industriellen Handels gew¨ ahrleistet. 78 Grubel und Lloyd (1975, S. 101) folgern ebenfalls, dass [t]he difficulties with the con” cept of an industry [...] are due solely to practical application of the theoretical concept to the analysis of actual trade flows.“
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2 Handelsstrukturen: Auspr¨ agung und Entwicklung
Branche in einigen Spezifika voneinander unterscheiden, werden hier in einer Branche diejenigen G¨ uter zusammengefasst, die mit der gleichen Produktionsfunktion hergestellt werden (Helpman und Krugman, 1985, S. 131).79 Diese auf den ersten Blick verschiedenen Auffassungen k¨onnen aber dadurch zusammengefasst werden, dass alle G¨ uter in einer Branche, bei gegebenen G¨ uter- und Faktorpreisen, u ¨ber den gleichen Faktorinhalt80 – zur Produktion verwendeter Einsatz der Faktoren – verf¨ ugen.81 Die Abgrenzung einer Branche erfolgte bisher nur aus Sicht der Produktionsseite. Von gleicher Relevanz ist aber auch, welche G¨ uter aus Sicht der Konsumenten einer Branche zuzuordnen sind. Abbildung 2.2 verdeutlicht hierzu, dass es Situationen gibt, in denen beide Auffassungen nicht u ¨bereinstimmen. Insgesamt k¨ onnen G¨ uter, die – aus welcher Sicht auch immer – der gleichen Branche zuzurechnen sind, in drei Kategorien gruppiert werden, die sich hinsichtlich ihrer Substituierbarkeit im Konsum und in der Produktion unterscheiden (Grubel und Lloyd, 1975, S. 85–89; Corden, 1979, S. 6). Zur besseren Veranschaulichung sind in Abbildung 2.2 Beispiele f¨ ur die einzelnen Kategorien aufgef¨ uhrt. So erfordern G¨ uter der Kategorie C zwar in der Produktion den Einsatz ¨ ahnlicher Faktoren, k¨onnen aber nicht f¨ ur ahnliche Zwecke verwendet werden. G¨ uter der Kategorie B sind im Konsum ¨ gegeneinander austauschbar, unterscheiden sich aber (teilweise erheblich) im ben¨ otigten Faktoreinsatz, w¨ ahrend G¨ uter der Kategorie A sowohl im Konsum substituierbar sind als sie auch einen ¨ahnlichen Faktoreinsatz erfordern. G¨ uter, die sich sowohl im Konsum als auch in ihrer Produktion 79 Allerdings
zweifelt etwa Finger (1978, S. 475) an, ob in einer Branche wirklich die gleiche Produktionsfunktion unterstellt werden kann. Als Beispiel benennt er die Automobilbranche, in der die Herstellung kleiner und großer Autos aufgrund unterschiedlicher Produktionslaufzeiten bereits zu unterschiedlichen Faktorintensit¨ aten f¨ uhrt. Es muss hierbei aber angemerkt werden, dass bei einer zu extremen Auslegung einer Branche beziehungsweise einer Produktkategorie letztendlich nicht nur die Existenz intra-industriellen Handels angezweifelt wird, sondern auch die damit verbundene Produktdifferen¨ zierung an sich, da jede Anderung einzelner Produktspezifikationen in Realit¨ at immer ¨ zu einer, wenn auch nur marginalen, Anderung des Faktoreinsatzes f¨ uhrt. Im Endeffekt w¨ urde so jede G¨ utervariation eine neue Branche begr¨ unden. Dennoch weist die Kritik zurecht daraufhin, dass es auch theoretisch notwendig ist, Branchen hinsichtlich ihrer Spezifika angemessen voneinander abzugrenzen, um eine derartige Problematik zu vermeiden. 80 Dieses Konzept wird ausf¨ uhrlich in Abschnitt 3.1.3 behandelt. 81 Die Kausalit¨ at gilt aber nur in eine Richtung, das heißt, G¨ uter des gleichen Faktorinhalts m¨ ussen nicht notwendigerweise in der gleichen Branche sein. Eine degenerierte Modellspezifikation kann zwei Sektoren die gleichen Faktorintensit¨ aten zuordnen, wodurch zwar alle G¨ uter einer Branche den gleichen Faktorinhalt aufweisen, aber das einzelne Gut nicht direkt einer bestimmten Branche zugeordnet werden kann.
2.3 Ursachen und Erkl¨ arungsans¨ atze des intra-industriellen Handels
47
Abbildung 2.2: Kategorisierung differenzierter Produkte innerhalb einer Branche
Substituierbarkeit im Verbrauch
100%
0% 0%
Kategorie B
Kategorie A
Möbel (Holz vs. Stahl) Garn (Nylon vs. Wolle)
Autos (Renault vs. Volkswagen) Handys (Motorola vs. Nokia)
Heckscher-Ohlin Modell
Skalenerträge
Kategorie C
andere Branche
Erdölprodukte (Teer vs. Benzin) . tlw. Heckscher-Ohlin Modell Eisen, Stahl: Barren vs. Platten . Skalenerträge
Ähnlichkeit in den Faktorvoraussetzungen
100%
Anm.: In kursiv sind Beispiele f¨ ur die einzelnen Kategorien angegeben. Darunter finden sich die Modellstrukturen, die nach Grubel und Lloyd (1975) geeignet sind, den intra-industriellen Handel in der jeweiligen Kategorie abzubilden. Quelle: nach Grubel und Lloyd, 1975, Figure 6.1, S. 86.
unterscheiden, befinden sich hingegen definitiv nicht in der selben Branche (beziehungsweise im gleichen statistischen Aggregat). Grubel und Lloyd (1975) zeigen auf, dass die klassische Außenhandelstheorie dann in der Lage ist, intra-industriellen Handel zu erkl¨aren, wenn die Produzenten- und die Konsumentenauffassungen einer Branche auseinander fallen. So kann der intra-industrielle Handel mit G¨ utern der Kategorie B im Heckscher-Ohlin-Samuelson-Modellrahmen mit konstanten Skalenertr¨agen erkl¨ art werden, da hier produktionsseitig komparative Kostenvorteile eine dominante Rolle spielen. Ebenso kann dadurch der Handel mit G¨ utern zumindest eines Teils der Kategorie C dargestellt werden, wenn die Produktion
48
2 Handelsstrukturen: Auspr¨ agung und Entwicklung
bei G¨ utern wie etwa Teer und Benzin in festen Proportionen erfolgt. In diesem Fall wird es unter anderem dann zu Im- und Exporten kommen, wenn aufgrund unterschiedlicher Nachfragestrukturen in den L¨andern bei gegebenen Weltmarktpreisen, die Produktion der einzelnen Erd¨olprodukte die jeweilige Nachfrage u uckbleibt. Das Heckscher¨bertrifft oder hinter ihr zur¨ Ohlin-Samuelson-Modell versagt allerdings, wenn es sich bei den G¨ utern um Kuppelprodukte (joint products) handelt. Bei anderen Produkten der Kategorie C, die eine Reihe unterschiedlicher Derivate umfassen, wie etwa Eisenst¨ abe, Eisentr¨ ager, Platten oder Dr¨ ahte unterschiedlicher Gr¨oße und Qualit¨ at bei Stahlprodukten, kann es zu Skalenertr¨agen (economies of scale) kommen, die im Heckscher-Ohlin-Samuelson-Modellrahmen ebenfalls nicht abgebildet werden k¨ onnen. Der intra-industrielle Handel von Produkten der Kategorie A ist im traditionellen Heckscher-Ohlin-Samuelson-Modell definitiv nicht mehr zu erkl¨aren. Sowohl der in Abschnitt 2.1.2 vorgestellte Ansatz, die Modelle in Abschnitt 3.2, als auch das in Kapitel 4 entwickelte Modell analysieren G¨ uter der Kategorie A. Damit ist ein differenzierter Umgang mit einer divergierenden Branchenabgrenzung aus Konsumenten- und Produzentensicht nicht weiter erforderlich, allerdings kann f¨ ur die Erkl¨arung des hier zu beobachtenden Handels nicht auf die klassische Theorie zur¨ uckgegriffen werden.
2.3.2 Konsumentensicht: Produktdifferenzierung Im vorigen Abschnitt wurde eine Branche definiert als das Kollektiv aller Firmen, die Varianten ein und desselben Gutes produzieren. Der Fokus lag darauf, welche Eigenschaften diese G¨ uter aus Produzenten- und Konsumentensicht aufweisen. Es wurde allerdings nicht gekl¨art, wie eine derartige Produktdifferenzierung ausgestaltet sein kann. Diese Frage spielt aber eine wichtige Rolle bei der Entscheidung, welche Produkte noch Varianten eines Gutes darstellen und welche einer anderen G¨ uterkategorie/Branche zuzurechnen sind. Außerdem hat die Art der Differenzierung auch Auswirkungen auf die Motive f¨ ur intra-industriellen Handel. Die Frage nach der Art der Differenzierung ist insbesondere deshalb relevant, da sich die meisten aktuellen Ans¨ atze82 bei der Erkl¨arung des intraindustriellen Handels nur auf eine Art beziehen und damit nat¨ urlich auch nicht den kompletten Handel abbilden.83 82 Vgl.
etwa Krugman (1979, 1980); Helpman (1981); Helpman und Krugman (1985); Melitz (2003); Bernard et al. (2007); Melitz und Ottaviano (2008). 83 Vgl. hierzu die Vorstellung der Modelle in Abschnitt 3.2.
2.3 Ursachen und Erkl¨ arungsans¨ atze des intra-industriellen Handels
49
Grunds¨ atzlich ist zwischen vertikaler und horizontaler Produktdifferenzierung zu unterscheiden. So unterscheidet Chamberlin (1969, S. 113) hinsichtlich der Produktvarianten (horizontale Differenzierung) und der Produktklassen (vertikale Differenzierung). Grubel und Lloyd (1975, S. 95) unterscheiden Produkte hinsichtlich des Stils (horizontal) und der Qualit¨at (vertikal), wobei sich Stil-Produkte haupts¨ achlich in Bezug auf ihr Erscheinen unterscheiden und Qualit¨ ats-Produkte in Bezug auf messbare Leistungseigenschaften. Beide Bezeichnungen geben damit bereits einen ersten Eindruck, welche Unterscheidung in den Produktcharakteristika durch sie zum Ausdruck gebracht werden soll und zeigen zus¨ atzlich auf, dass diese Eigenschaften prim¨ ar aus Sicht der Konsumenten von Bedeutung sind. Die folgenden Abschnitte verfolgen den Zweck, zun¨achst die grundlegenden Definitionen und theoretischen Ans¨ atze zu vertikaler (Abschnitt 2.3.2.1) und horizontaler Produktdifferenzierung (Abschnitt 2.3.2.2) darzustellen sowie gleichzeitig die dadurch implizierte Motivation f¨ ur intra-industriellen Handel zu erl¨ autern. Dabei soll auch auf die generelle Bedeutung f¨ ur den Handel ausgew¨ ahlter L¨ ander eingegangen werden. 2.3.2.1 Vertikale Produktdifferenzierung Bei vertikaler Produktdifferenzierung sind die G¨ uter hinsichtlich ihrer Preislage und insbesondere ihrer Qualit¨ at zu unterscheiden (Lancaster, 1979, S. 28). Die qualitativen Unterschiede der einzelnen Spezifikationen84 nehmen dabei bei den Konsumenten den gleichen Stellenwert ein (Helpman und Krugman, 1985, S. 119; Nielsen und L¨ uthje, 2002, S. 588). Ein Gut ist demzufolge dann von h¨ oherer Qualit¨ at, wenn es gegen¨ uber einem anderen Gut mit allen Produktcharakteristika quantitativ absolut besser ausgestattet ist (Leland, 1977, S. 128; Lancaster, 1979, S. 28). Diese Art der Differenzierung ist grunds¨ atzlich dann relevant, wenn auf Seiten der Konsumenten eine ungleiche Einkommensverteilung gegeben ist, sodass reichere Individuen die h¨ oheren und ¨ armere Individuen die niedrigeren Qualit¨aten nachfragen (Lancaster, 1979, S. 221). Im Kontext des intra-industriellen Handels geht die theoretische Auseinandersetzung mit vertikal differenzierten G¨ utern insbesondere auf Linder (1961) zur¨ uck, dessen Kern¨ uberlegungen Nielsen und L¨ uthje (2002) wie folgt zusammenfassen: 84 Unter
Spezifikation wird diejenige Information verstanden, die n¨ otig ist, um ein Gut in einem gegebenen Kontext zu identifizieren (Lancaster, 1979, S. 27). Ferner wird davon ausgegangen, dass diese Eigenschaften auch quantitativ ausgedr¨ uckt werden k¨ onnen.
50
2 Handelsstrukturen: Auspr¨ agung und Entwicklung Linder assumed that the demand for quality inside a given product cate” gory is increasing with the income per capita, and that income per capita is determined by the capital intensity. Hence, consumers in countries with a high income per capita will to a larger extent demand higher quality product variants than consumers in countries with a low per capita income. Given an overlap of preferences, intra-industry trade in vertically differentiated products is made possible within the level of product qualities the preference overlap is covering.“ (Nielsen und L¨ uthje, 2002, S. 588)
Die zugrunde liegende Idee kann in Anlehnung an Grubel und Lloyd (1975, S. 98ff.) in einem einfachen Gedankenexperiment verdeutlicht werden. Zu diesem Zweck werden zwei L¨ ander betrachtet, die beide das Gut 𝑥1 und das qualitativ h¨ oherwertige Gut 𝑥2 produzieren, wobei aber beide Varianten dem gleichen Sektor zuzurechnen sind, das heißt, dass sie im Sinne von Abschnitt 2.3.1 u ugen; so kann es sich ¨ber den gleichen Faktorinhalt verf¨ etwa bei 𝑥1 um Massentextilware und bei 𝑥2 um hochwertige Markentextilien handeln. Das Gut 𝑥2 wird dann von Individuen mit einem Einkommen oberhalb einer kritischen Einkommensgrenze 𝐼 ∗ nachgefragt und 𝑥1 entsprechend von ¨ armeren Individuen. Die Einkommensverteilung im Inland und im Rest der Welt ist in Abbildung 2.3 dargestellt, das heißt, im Inland gibt es mehr Individuen, die Qualit¨ at nachfragen als im Rest der Welt. Kommt es in der Produktion der beiden G¨ uter zu Skalenertr¨agen, so wird die Preisanpassung infolge der Handels¨ offnung dazu f¨ uhren, dass sich das Inland auf 𝑥2 und der Rest der Welt auf 𝑥1 spezialisieren wird, da in den jeweiligen L¨ andern die entsprechenden Qualit¨ aten st¨ arker nachgefragt und damit kosteng¨ unstiger produziert werden k¨ onnen. F¨ ur das Inland bedeutet dies, dass es den Bedarf der reicheren Individuen selbst decken kann, f¨ ur den Bedarf seiner ¨ armeren Individuen aber auf Importe (im Austausch gegen 𝑥2 ) angewiesen ist. Auf dieser Basis wird schließlich vertikaler intra-industrieller Handel zu beobachten sein. Linder (1961) zufolge hat die Nachfragestruktur aber nicht nur eine große Bedeutung f¨ ur die Neigung der L¨ ander Handel zu treiben85 , sondern sie beeinflusst auch die im Inland angebotene Produktpalette:
85 Linder
(1961, S. 94) spricht hier von der Intensit¨ at des Handels, unter der er aber nicht das Handelsvolumen, sondern die Neigung versteht.
2.3 Ursachen und Erkl¨ arungsans¨ atze des intra-industriellen Handels
51
Abbildung 2.3: Einkommen und nachgefragte Qualit¨ at
Anzahl an Individuen Rest der Welt
Inland
I*
Einkommen
Quelle: nach Grubel und Lloyd, 1975, Fig. 6.3, S. 99. The more similar the demand structures of two countries, the more inten” sive, potentially, is the trade between these two countries. If two countries have exactly the same demand structures, all the exportables and importables of the one country are also the exportables and importables of the other country. [... In doing so] similarity of average income levels could be used as an index of similarity of demand structures.“ (Linder, 1961, S. 94, Hervorhebungen im Original)
Da die Nachfrage durch das Einkommen bedingt wird, impliziert ein gleiches durchschnittliches Pro-Kopf-Einkommen eine identische Nachfragestruktur und damit den gr¨ oßtm¨ oglichen Anreiz, dass zwischen zwei L¨andern Handel stattfindet. Wie bereits angesprochen, m¨ ussen bei vertikaler Differenzierung aber innerhalb der L¨ ander Einkommensungleichheit und daraus resultierend heterogene Pr¨ aferenzen vorherrschen, sodass es reichere Haushalte gibt, die eine teurere Produktvariante gegen¨ uber einer billigeren Variante mit weniger ausgepr¨ agten Spezifikationen vorziehen (Lancaster, 1979, S. 221; vgl. auch Abbildung 2.3). Schließlich w¨ urden bezogen auf das Einkommen identische Individuen die gleiche Qualit¨ at nachfragen. Dieser Zusammenhang impliziert f¨ ur die produzierenden Firmen, dass sie sich in erster Linie auf die Nachfrage ihres Heimatmarktes einstellen werden, dadurch aber sp¨ ater in der Lage sind, die Bed¨ urfnisse anderer L¨ander mit ¨ahnlicher Nachfragestruktur zu befriedigen (Frankel, 1943, S. 189; Mitra
52
2 Handelsstrukturen: Auspr¨ agung und Entwicklung
und Trindade, 2005, S. 1255). Dabei sieht Linder (1961, S. 101) die Implika¨ tion dieser Uberlegungen in gravierendem Widerspruch zu den Aussagen des Heckscher-Ohlin-Samuelson-Modells. Schließlich sind dort die Handelsbeziehungen gerade zwischen relativ unterschiedlichen L¨andern stark ausgepr¨agt, wodurch aber bei ungleichm¨ aßiger Verteilung der Produktionsfaktoren auf die Konsumenten unterschiedliche Pro-Kopf-Einkommen impliziert werden. Die Diskrepanz in den Aussagen in diesem Fall basiert jedoch darauf, dass im Heckscher-Ohlin-Samuelson-Modell die Pr¨ aferenzen exogen und unabh¨angig vom Einkommen gegeben sind sowie f¨ ur alle L¨ander ex ante identisch angenommen werden, hingegen sich bei Linder die Pr¨aferenzen aufgrund der Einkommensverteilung endogen ergeben. Ein weiterer Aspekt ist sicherlich auch, dass der Fokus der klassischen Theorie klar auf der Angebotsseite liegt; dies spiegelt sich etwa in der Modellierung des vertikalen intra-industriellen Handels von Falvey (1981) wider. In seinem Ansatz ist die Qualit¨ at der G¨ uter abh¨ angig von ihrer Kapitalintensit¨ at, das heißt, je mehr Kapital eingesetzt wird, desto h¨oher ist die G¨ uterqualit¨ at.86 Entsprechend des komparativen Vorteils wird eine Handelsaufnahme schließlich dazu f¨ uhren, dass sich L¨ ander mit hoher Kapitalreichlichkeit auf die Produktion hoher Qualit¨ at konzentrieren, w¨ahrend sich arbeitsreiche L¨ ander eher der Herstellung geringer Qualit¨ at widmen werden. Der dann stattfindende G¨ uteraustausch ist als vertikaler intra-industrieller Handel zu identifizieren. Diese angebotsseitige Sichtweise impliziert damit, dass vertikaler intra-industrieller Handel zwischen L¨ andern mit relativ unterschiedlicher Faktorausstattung beziehungsweise speziellen F¨ahigkeiten stattfindet oder auch bei hohen Fixkosten der Forschung und Entwicklung (OECD, 2005, S. 200). Falvey (1981, S. 498) weist allerdings selbst darauf hin, dass die Nachfrage in diesem Modellansatz als relativ unbestimmt angenommen wird, weshalb der von der Nachfrageseite stammende Impuls vernachl¨assigt wird, der aber im Fokus der Untersuchung von Linder (1961) steht. ¨ ¨ Die empirische Uberpr¨ ufung der Uberlegungen von Linder (1961) gestal¨ ten sich indes als schwierig. Linder (1961) selbst konnte seine Uberlegungen f¨ ur Schweden nachweisen. Grubel und Lloyd (1975, S. 100) merken aber an, dass weitere Studien f¨ ur andere L¨ ander keine empirische Evidenz finden konnten. Hingegen finden Balassa und Bauwens (1987, S. 932) in einer Studie mit 38 L¨ andern sehr wohl Hinweise f¨ ur den postulierten Zusammenhang. So beobachten sie eine positive Korrelation zwischen intra-industriellem Handel und dem Durchschnitts-Pro-Kopf-Einkommen sowie eine ne86 Insofern
fika.
ist hier der Kapitaleinsatz bestimmend f¨ ur die Auspr¨ agung der Produktspezi-
2.3 Ursachen und Erkl¨ arungsans¨ atze des intra-industriellen Handels
53
Abbildung 2.4: Anteile der drei Handelsarten am Intra-EU-Gesamthandel im Jahr 2000
inter-industrieller Handel
GR
PT DK NL IT IE ES UK DE BE & LU FR
horizontaler intraindustrieller Handel
vertikaler intraindustrieller Handel
Anm.: BE & LU – Belgien und Luxemburg, DE – Deutschland, DK – D¨ anemark, ES – Spanien, FR – Frankreich, GR – Griechenland, IE – Irland, IT – Italien, NL – Niederlande, PT – Portugal, UK – Vereinigtes K¨ onigreich; vgl. f¨ ur die entsprechenden Anteile im Jahr 1994 Fontagn´ e und Freudenberg, 1997, Graph 9, S. 46. Quelle: Fukao et al., 2003, Fig. 2.3, S. 479.
gative Korrelation zwischen diesem Handelsph¨ anomen und den Pro-KopfEinkommensunterschieden. Abschließend soll nun kurz die Bedeutung beider Arten des intra-industriellen Handels im Vergleich zum inter-industriellen Handel illustriert werden. Hierzu werden in Abbildung 2.4 exemplarisch die Strukturen des Intra-EU-Handels im Jahr 2000 aufgezeigt.87 Es zeigt sich, dass die gr¨oßten und am weitesten entwickelten L¨ ander wie Deutschland, Frankreich oder 87 Die
hierbei zur Unterscheidung zwischen vertikalem und horizontalem intra-industriellen Handel verwendete Methodik is based on the assumption that the gap between the ” unit value of imports and the unit value of exports for each commodity reveals the qualitative differences of the products exported and imported between the two economies.“ (Fukao et al., 2003, S. 473).
54
2 Handelsstrukturen: Auspr¨ agung und Entwicklung
das Vereinigte K¨ onigreich die h¨ ochsten Anteile vertikalen intra-industriellen Handels aufweisen, wohingegen der Handel weniger entwickelter L¨ander wie Griechenland oder Portugal haupts¨ achlich inter-industriell gepr¨agt ist.88 Tabelle 2.5 verdeutlicht schließlich speziell f¨ ur Deutschland die zunehmende Bedeutung des intra-industriellen Handels als Ganzes. Im betrachteten Zeitabschnitt hat dabei insbesondere der horizontale intra-industrielle Handel mit den USA um 187,50 % zugenommen. Ebenso hat er auch in den anderen Handelsbeziehungen an Bedeutung gewonnen, wobei aber dort der relative Anteil der beiden Arten am intra-industriellen Gesamhandel nahezu unver¨ andert geblieben ist. Tabelle 2.5: Inter-industrieller, vertikaler und horizontaler intra-industrieller Handel Deutschlands mit ausgew¨ ahlten Handelspartnern (in Prozent)
Inter-industrieller Handel Intra-industrieller Handel vertikal horizontal
EU 1988 1996
USA 1988 1996
Japan 1988 1996
36,7 63,3
32,9 67,1
55,8 44,2
35,7 64,3
64,8 35,3
57,6 42,4
43,2 19,7
45,4 21,3
37,9 5,6
47,6 16,1
32,3 2,4
38,9 2,9
Quelle: Heitger et al., 1999, Tabelle 27, S. 107.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es sich bei vertikaler Produktdifferenzierung um Varianten von G¨ utern handelt, deren Produktspezifika quantitativ unterschiedlich stark ausgepr¨agt sind. Dadurch kommt es zu aus Konsumentensicht unterschiedlichen Qualit¨atsstufen, die insbesondere dann eine Rolle spielen, wenn Einkommensungleichheit vorherrscht, sodass reichere Individuen h¨ ohere und ¨ armere Individuen niedrigere Qualit¨at nachfragen. Der sich dadurch einstellende Handel ist einerseits dann durch die Nachfrageseite bedingt, wenn die L¨ ander unterschiedliche Einkommensverteilungen haben, andererseits aber auch durch die Produktionsseite, wenn es komparative Vorteile bei der Produktion bestimmter Qualit¨aten gibt. 88 Ein
derartiger Zusammenhang zwischen Entwicklungsstand und intra-industriellem Handel konnte von Fukao et al. (2003, S. 478) bei der Untersuchung des ostasiatischen Raumes allerdings nicht festgestellt werden.
2.3 Ursachen und Erkl¨ arungsans¨ atze des intra-industriellen Handels
55
2.3.2.2 Horizontale Produktdifferenzierung Bei horizontaler Produktdifferenzierung variieren die G¨ uter sowohl hinsichtlich der (quantitativen) Auspr¨ agung als auch dem Vorhandensein einzelner Spezifikationen (Chamberlin, 1969, S. 56, insbesondere S. 72; Lancaster, 1979, S. 28).89 Dabei gestaltet sich die Unterscheidung zwischen horizontaler und vertikaler Differenzierung verschiedener G¨ uter in der Regel als sehr schwierig. Lancaster (1979, S. 28) vergleicht exemplarisch zwei G¨ uter, die ein gleiches Kontinuum an Eigenschaften aufweisen, sich jedoch in der Art der Auspr¨ agung unterscheiden. Im ersten Fall sind alle Eigenschaften eines bestimmten Gutes um 20 % st¨ arker ausgepr¨ agt als bei einem anderen, wodurch eindeutig von einer vertikalen Differenzierung ausgegangen werden kann. Weist das Gut aber nur bei einigen Charakteristika 20 % mehr auf, so handelt es sich um eine Mischung aus vertikaler und horizontaler Differenzierung. Ist jedoch zu beobachten, dass einige Eigenschaften 20 % st¨arker und andere 20 % schw¨ acher ausgepr¨ agt sind, kann zwar klar eine horizontale Differenzierung erkannt werden, aber es ist nicht eindeutig, ob auch eine vertikale Differenzierung vorliegt. Im weiteren Verlauf wird allerdings eine derartige Problematik ausgeschlossen, indem angenommen wird, dass alle als horizontal differenziert angesehenen Varianten die gleiche quantitative Auspr¨ agung der vorhandenen Spezifikationen aufweisen, sich daf¨ ur aber in dem sie bestimmenden Kontinuum an Eigenschaften (leicht) unterscheiden. W¨ ahrend es bei vertikaler Differenzierung als klar erscheinen mag, dass Individuen mit unterschiedlichem Einkommen auch unterschiedliche Qualit¨atsstufen eines Gutes nachfragen, stellt sich bei horizontaler Differenzierung die Frage warum es von einem Gut gleicher Qualit¨at verschiedene Varianten geben soll. Hierzu gibt es zwei Modellierungsans¨atze, die erkl¨aren, weshalb Konsumenten Varianten eines Produktes sch¨ atzen: • Idealvariante: Die Grundidee dieses Ansatzes besteht darin, dass jeder Konsument u ¨ber eine ideale Variante ( meist pr¨aferiertes Gut“, Lan” caster, 1980, S. 154) verf¨ ugt, die er gerne konsumieren m¨ochte, da sie u ugt, ¨ber die Eigenschaften (mit den jeweiligen Auspr¨agungen) verf¨ die er w¨ unscht. Ist diese allerdings nicht verf¨ ugbar, so wird er sich ugbare f¨ ur die, auf seinem Pr¨ aferenzspektrum90 n¨achstliegende, verf¨ 89 Wie
Lancaster (1966, S. 133) feststellt, stiftet nicht das Gut an sich dem Konsumenten einen Nutzen, sondern dessen Eigenschaften und Charakteristika: The chief technical ” novelty lies in breaking away from the traditional approach that goods are the direct objects of utility and, instead, supposing that it is the properties or characteristics of the goods from which utility is derived.“ 90 Dieses wird meist mit Hilfe des sogenannten Salop-Kreises abgebildet (basierend auf
56
2 Handelsstrukturen: Auspr¨ agung und Entwicklung
Variante entscheiden. Je weiter weg sich diese von der Idealvariante befindet, desto geringer ist dabei der Nutzen, den das Individuum oßere Produktvielfalt erh¨oht damit aus dem Konsum zieht.91 Eine gr¨ die Wahrscheinlichkeit, dass eine Produktvariante angeboten wird, die der Idealvariante des Konsumenten n¨ aher als die bisherigen kommt – wenn nicht sogar die Idealvariante selbst zus¨atzlich angeboten wird. Dieses Konzept wird im weiteren Verlauf der Analyse allerdings nicht weiter betrachtet. • Love of Variety: Hier wird angenommen, dass durch die Vielfalt an sich ein Nutzen f¨ ur den Konsumenten generiert wird (Spence, 1976; Dixit und Stiglitz, 1977). Er wird dabei von jeder verf¨ ugbaren Variante in Abh¨ angigkeit von seinem Budget, dem Preis der Variante und den Preisen aller anderen Produktvarianten eine bestimmte Menge ohere Produktvielfalt erh¨oht damit den Nutzen konsumieren.92 Eine h¨ der Individuen (Helpman und Krugman, 1985, S. 117). Aufgrund der leichteren Modellierbarkeit wird dieser Ansatz in den meisten Modelle des intra-industriellen Handels herangezogen. Auch der in Kapitel 3 vorgestellte Ansatz basiert auf dieser Idee. Unabh¨ angig davon, welches Konzept betrachtet wird, zeigt sich, dass Handel in jedem Fall dazu f¨ uhrt, dass die Produktvielfalt und damit der Nutzen der Konsumenten steigt, da die Konsumenten nun nicht mehr nur auf die inl¨ andischen Varianten beschr¨ ankt sind.93 Damit hat der horizontale intraindustrielle Handel zur Folge, dass sich L¨ ander mit vergleichbarer Faktorausstattung auf die Produktion von bestimmten Teilmengen eines Variantenspektrums beziehungsweise von Nischeng¨ utern spezialisieren und dort Skalenertr¨ age realisieren k¨ onnen (Grubel und Lloyd, 1975, S. 101; Nielsen und L¨ uthje, 2002, S. 588; OECD, 2005, S. 200). Dabei verhindert die Existenz von Skalenertr¨ agen, dass ein Land alle Varianten selbst produzieren kann. In diesem Kontext ist auch der im Zuge des Gravitationsmodells (Abschnitt 2.1.3) diskutierte Heimatmarkteffekt“ zu sehen, wonach L¨ander ” mit einem großen Inlandsmarkt differenzierte G¨ uter exportieren werden, in dem Circual-Market-Ansatz von Salop (1979)). muss Individuum auch kompensiert werden, was durch eine Kompensations” funktion“ zum Ausdruck gebracht wird, vgl. Lancaster (1975). 92 Vgl. hierzu auch die formale Bestimmung der Nachfrage in Anhang A.3. 93 Hierzu sei auf die in Abschnitt 2.1.2 vorgestellte Uberlegung ¨ verwiesen. In diesem Zusammenhang soll darauf hingewiesen werden, dass der Nutzen immer steigt, in Extremf¨ allen die Produktvielfalt aber unver¨ andert bleiben kann (aber dennoch nicht abnehmen wird). 91 Daher
2.3 Ursachen und Erkl¨ arungsans¨ atze des intra-industriellen Handels
57
deren Produktion Skalenertr¨ age auftreten (Krugman, 1980, S. 958). Hierbei f¨ uhren große Inlandsm¨ arkte dazu, dass sich – in der Begrifflichkeit von Grubel und Lloyd (1975) gesprochen – eigene Stile“ entwickeln, die dann ” exportiert werden, wohingegen kleinere L¨ ander mehr Produkte internationalen Geschmacks beziehungsweise Standards produzieren (Hufbauer, 1970, S. 176f.; Grubel und Lloyd, 1975, S. 96f.). Auch an dieser Stelle soll kurz auf die Bedeutung des horizontalen intraindustriellen Handels eingegangen werden. Wie in Abbildung 2.4 zu erkennen ist, ist der horizontale ebenso wie zuvor der vertikale intra-industriellen Handel bei den gr¨ oßten L¨ andern am bedeutsamsten. F¨ ur Deutschland (Tabelle 2.5) kommt ihm bezogen auf den gesamten stattfindenden intra-industriellen Handel die relativ gr¨ oßte Bedeutung in den Handelsbeziehungen mit der EU (31,3 ) und die geringste in Bezug auf Japan zu (6,9 %; Heitger et al., 1999, Tabelle 27, S. 107). Zusammenfassend unterscheiden sich horizontal differenzierte G¨ uter in ihren Produktspezifika sowohl quantitativ als auch in unterschiedlichen Kontinua an Eigenschaften. Die Konsumenten sch¨atzen die daraus resultierende potentielle Vielfalt, da sie entweder eine Variante erhalten, die ihre Wunscheigenschaften aufweist, oder weil sie generell eine (große) Vielzahl an Varianten konsumieren m¨ ochten.
2.3.3 Produzentensicht: Fragmentierung der Wertsch¨ opfungskette Im vorigen Abschnitt wurde gezeigt, wie intra-industrieller Handel aus Sicht der Konsumenten zu beobachten und zu erkl¨ aren ist. Es kommt aber bereits auf der vorgelagerten Ebene, das heißt w¨ ahrend des Produktionsprozesses, zu einem Austausch ¨ ahnlicher Produkte. Dieses Ph¨anomen wurde im Zuge der von Krugman (1995) angesprochenen Fragmentierung der Wertsch¨ opfungskette kurz in Abschnitt 2.2.2 diskutiert. In diesem Zusammenhang wird intra-industrieller Handel dann zu beobachten sein, wenn Teile und Zwischenprodukte der u ander vertikal disintegrierten ¨ber verschiedene L¨ Produktionsschritte der gleichen Produktkategorie beziehungsweise Branche zugeordnet sind. An dieser Stelle ist es sinnvoll, darauf hinzuweisen, dass in der Literatur unter vertikalem intra-industriellem Handel zum einen der Austausch von G¨ utern unterschiedlicher Verarbeitungsstufen verstanden wird (Grubel und Lloyd, 1975, S. 101; Hummels et al., 1998, insbesondere S. 81ff.; Dear-
58
2 Handelsstrukturen: Auspr¨ agung und Entwicklung
dorff, 2006, S. 289)94 , zum anderen allerdings auch der Austausch vertikal differenzierter G¨ uter (Abschnitt 2.3.2.1). Eine in jedem Falle korrekte Bezeichnung der in Abschnitt 2.3.2 diskutierten Handelsarten w¨are demnach horizontaler intra-industrieller Handel horizontal differenzierter G¨ uter“ und ” horizontaler intra-industrieller Handel vertikal differenzierter G¨ uter“. Zur ” besseren Lesbarkeit wird aber im Folgenden immer von horizontalem und vertikalem intra-industriellen Handel aus Konsumentensicht die Rede sein, da die Fragestellung der Fragmentierung in dieser Arbeit und insbesondere in Kapitel 4 nicht n¨ aher vertieft werden soll. In gr¨ oßerem Maße als der intra-industrielle Handel aus Konsumentensicht stellt dieser intra-industrielle Handel ein dem (statistischen) Klassifikationssystem geschuldetes Artefakt dar (Grubel und Lloyd, 1975, S. 115), wenngleich nat¨ urlich nicht alle Zwischenprodukte eines Produktionsprozesses immer der gleichen Branche zugerechnet werden (Jones et al., 2002, S. 69). Es dr¨ angt sich jedoch die Frage auf, warum es u ¨berhaupt zu einer solchen Handelsbeziehung kommt, wenn doch ein Gut auch an einem Standort in einem Land vollst¨ andig produziert werden kann. Die Vorteile der Fragmentierung betonen Jones et al. (2002): [T]he advantages of possible increasing returns stemming from the kind ” of division of labour stressed by Adam Smith, suggests that production might be separated into two or more production blocks, perhaps in different locales, or even different countries.“ (Jones et al., 2002, S. 70)
Diese Art des Handels kann aber nicht nur durch Realisierung von Skalenertr¨ agen erkl¨ art werden, sondern sie ist ebenso konsistent mit dem traditionellen Heckscher-Ohlin-Samuelson-Modell95 , da die einzelnen Vorprodukte so auf die L¨ ander aufgeteilt und anschließend getauscht werden k¨onnen, dass jedes Land entsprechend seines komparativen Kostenvorteils produziert.96 Im Zuge der vertikalen Disintegration muss die Firma jedoch auch eine Reihe von Faktoren ber¨ ucksichtigen, da die Aufsplittung der Wertsch¨opfungskette neben den Vorteilen der Spezialisierung auch Kosten (disintegration costs) mit sich bringt. Die hierbei zu treffenden Grund¨ uberlegungen zeigen Navaretti und Venables (2004, S. 80ff.) auf. Sie betrachten einen 94 Folgerichtig
wird horizontaler intra-industrieller Handel dann auf den Austausch von G¨ utern der gleichen Verarbeitungsstufe bezogen (Deardorff, 2006, S. 130). 95 Wenngleich auch oftmals modifizierte Versionen daf¨ ur herangezogen werden, wie sie sich etwa bei Sanyal und Jones (1982) und in gewissem Umfang auch Helpman und Krugman (1985, Kap. IV) finden. 96 Insbesondere dann, wenn auch erlaubt wird, dass Dienstleistungen in G¨ utern enthalten sein k¨ onnen (Grubel und Lloyd, 1975, S. 118).
2.3 Ursachen und Erkl¨ arungsans¨ atze des intra-industriellen Handels
59
zweistufigen Produktionsprozess – Produktion der Komponenten und deren Montage –, wobei auf beiden Stufen jeweils mit zwei Faktoren (Arbeit und Kapital) gefertigt wird. Es wird davon ausgegangen, dass die beiden Prozesse die Faktoren unterschiedlich intensiv einsetzen, sodass es sich anbietet, einen Prozess jeweils in demjenigen Land anzusiedeln, das auf der Fertigungsebene einen komparativen Vorteil aufweist. Allerdings fallen dann Handelskosten an, da Produktion und Montage in unterschiedlichen L¨andern erfolgen und/oder die Fertigung nicht in dem Land stattfindet, in dem das Gut abgesetzt werden soll. Ber¨ ucksichtigt werden m¨ ussen bei der vertikalen Disintegration jedoch entgangene Kosteneinsparungen durch Integration (loss of economies of integration) sowie Kosten, die dadurch entstehen, geographisch separierte Produktionsstandorte zu koordinieren (Navaretti und Venables, 2004, S. 27). Je nach der realisierten Kosteneinsparung in der Produktion einerseits und den durch die Aufteilung hervorgerufenen zus¨atzlichen Kosten des Handels und der Koordination andererseits, muss abgewogen werden, welche Bereiche ausgelagert und welche im Heimatland belassen werden sollten.97 In der Analyse in Kapitel 4 wird Fragmentierung und der dadurch induzierte intra-industriellen Handel nicht betrachtet, sondern nur der intraindustrielle Handel vertikal und horizontal differenzierter G¨ uter. Die Gr¨ unde daf¨ ur sind, dass zum einen der Fokus der Analyse klar auf die Nachfrageseite ¨ gerichtet ist beziehungsweise auf die Anderung der Pr¨aferenzsstruktur im ¨ ¨ Zuge der Entwicklung einer Okonomie analog zu den Uberlegungen von Linder (1961, Abschnitt 2.3.2.1). Zum anderen w¨ urden die zus¨atzlichen Effekte etwa auf die Lohnstruktur im Gastland, die zus¨atzliche Betrachtung von Skalenertr¨ agen in der Produktion der Zwischenprodukte sowie die Einf¨ uhrung von Koordinations- beziehungsweise Disintegrationskosten die Analyse verkomplizieren ohne dabei f¨ ur die Analyse relevante Einsichten zu erzielen.
2.3.4 Weitere Erkl¨ arungsans¨ atze ¨ Wie die Uberlegungen in Abschnitt 2.1.2 zeigten, ist intra-industrieller Handel bei homogenen G¨ utern eigentlich auszuschließen, weshalb auch die klassische Handelstheorie nicht in der Lage ist, ihn zu erkl¨aren. In Abschnitt 2.3.2 wurde dann gezeigt, dass bei Vorliegen von Produktdifferenzierung (einhergehend mit der daf¨ ur erforderlichen Einf¨ uhrung von Skalenertr¨agen) dieser 97 F¨ ur
eine Analyse der Effekte, die sich durch die Auslagerung arbeitsintensiver Produktionsschritte in arbeitsreiche L¨ ander f¨ ur das Gastland ergeben, vgl. Grossman und Rossi-Hansberg (2008).
60
2 Handelsstrukturen: Auspr¨ agung und Entwicklung
Handel abgebildet werden kann. Dies impliziert aber nicht, dass Produktdifferenzierung unbedingt erforderlich ist (abgesehen von Fragmentierung, Abschnitt 2.3.3), um intra-industriellen Handel zu erkl¨aren. Es gibt Modellans¨ atze, die erl¨ autern k¨ onnen, dass dieses Handelsph¨anomen auch bei homogenen G¨ utern auftreten kann. Eine M¨ oglichkeit besteht darin, dass nicht mehr absolut identische (houter in mogene) G¨ uter98 betrachtet werden, sondern sich die gehandelten G¨ mindestens einer relevanten Charakteristik voneinander unterscheiden. Homogene G¨ uter sind dadurch definiert, dass sie sich weder hinsichtlich ihrer Funktion(en), ihres (Produktions- und Konsum-)Ortes, dem Zeitpunkt ihrer Verwendung noch in ihrer Verpackung unterscheiden. Die drei letztgenannten Kriterien resultieren dabei aus den indirekten Annahmen, dass keine Kosten durch Transport, Lagerung, Verkauf, Information oder Einmischung des Staates entstehen (Grubel und Lloyd, 1975, S. 71f.). Damit er¨offnet aber der Unterschied in nur einer dieser Kategorien die M¨oglichkeit intra-industriellen Handels. Einzig die Annahme der funktionalen Identit¨at sollte beibehalten werden, da dies zuallererst die Zugeh¨origkeit zu einer Branche (zumindest aus Sicht der Konsumenten) ausmacht (vgl. Abbildung 2.2). ¨ Die folgenden Abschnitte geben nun einen kurzen Uberblick der auf die¨ sen Uberlegungen basierenden Modellans¨ atze. Dabei werden die einzelnen Anforderungen an homogene G¨ uter gelockert. Abschnitt 2.3.4.1 stellt die Situation dar, dass Produktionsort und Konsumort voneinander abweichen; Abschnitt 2.3.4.2 betrachtet den Fall, dass Konsum- und Produktionszeitpunkt auseinanderfallen beziehungsweise Pr¨ aferenzen u ¨ber die Zeit variieren (und tangiert damit auch die Fragestellung dieser Arbeit); Abschnitt 2.3.4.3 untersucht die Auswirkungen, wenn bestimmte L¨ander Vorteile bei der Vermarktung von G¨ utern genießen; Abschnitt 2.3.4.4 zeigt auf, dass der Konkurrenzkampf zwischen Unternehmen zum Austausch homogener G¨ uter f¨ uhren kann. 2.3.4.1 Handel an L¨ andergrenzen Im Zuge der Analyse des Gravitationsmodells in Abschnitt 2.1.3 wurde der erhebliche Einfluss von Transportkosten auf die Wahl des Handelspartners sowie auf das Handelsvolumen bereits diskutiert. Grubel (1967, S. 380ff.) und ausf¨ uhrlicher Grubel und Lloyd (1975, S. 73ff.) lockern daher die An¨ einen Uberblick u utern sei auch auf ¨ber intra-industriellen Handel bei homogenen G¨ Bernhofen (2002) verwiesen. Der erste Teil dieses Abschnitts orientiert sich dennoch an Grubel und Lloyd (1975).
98 F¨ ur
2.3 Ursachen und Erkl¨ arungsans¨ atze des intra-industriellen Handels
61
nahme des kostenlosen Transports und k¨ onnen darin eine m¨ogliche Ursache des intra-industriellen Handel identifizieren. Wie bereits angef¨ uhrt, m¨ ussen Transportkosten nicht notwendigerweise als direkter Preisaufschlag in Erscheinung treten. Gleichwohl k¨ onnen sie gerade bei relativ billigen G¨ utern einen erheblichen Teil der Beschaffungskosten darstellen, wodurch ein eventuell vorhandener Preisvorteil verloren geht; Sand oder Ziegel etwa sind ¨ G¨ uter, f¨ ur die diese Uberlegungen relevant sind. Sie k¨onnen aber auch eher indirekt wirken, indem sie nicht den Preis des Gutes verteuern, sondern dessen Wert verringern, da beispielsweise mit zunehmender Entfernung eine h¨ ohere Transportzeit verbunden ist und G¨ uter wie Nahrungsmittel somit Gefahr laufen, zu verderben. Kosten des Transport fallen nat¨ urlich nur dann an, wenn der Konsum- und Produktionsort nicht u ¨bereinstimmen. In Abbildung 2.5 wird exemplarisch gezeigt, wie (intra-industrieller) Handel entstehen kann, wenn es eine diskrete Anzahl an Produktionsorten, aber eine stetige Menge an Konsumorten gibt. Der jeweilige Produktionsstandort 𝑖 = 1, . . . , 4 wird durch 𝑃𝑖 bezeichnet, der jeweils den Mittelpunkt eines kreisf¨ ormigen Marktgebietes darstellt. Die Konsumenten sind identisch hinsichtlich ihrer Nachfrage und verteilen sich gleichm¨aßig u ¨ber die gesamte Ebene. Die Unternehmen sind identisch und produzieren das gleiche homogene Gut. Jedes Unternehmen wird dann seinen Ab-Werk-Preis99 festsetzen, indem es die gleiche Gewinnmarge auf die (identischen) Kosten erhebt. Ferner liegen positive, f¨ ur alle Anbieter und Konsumenten identische Transportkosten vor (Greenhut, 1952, S. 38). Der Lieferpreis (Summe aus Ab-Werk-Preis und Transportkosten) bestimmt die Gr¨oße der Marktgebiete.100 Die Konsumenten werden jeweils bei dem Anbieter kaufen, der aus ihrer Sicht den g¨ unstigsten Lieferpreis bietet. Verl¨ auft nun zuf¨ allig die nationale Grenze durch die Marktgebiete, werden einige inl¨ andische Konsumenten aufgrund des g¨ unstigeren Preises ihre G¨ uter aus dem Ausland beziehen und einige ausl¨andische Konsumenten ihre Nachfrage im Inland befriedigen, womit Im- und Exporte bei identischen G¨ utern zu beobachten sind. Diese Art des Handels an L¨ andergrenzen (border trade) ist damit rein durch Transportkosten bedingt. Somit nimmt nat¨ urlich dieser intra-industrielle Handel mit zunehmenden Transaktionskosten des grenz¨ uberschreitenden Warenverkehrs (wie etwa Umtauschgeb¨ uhren) sowie Handelskosten 99 Der
Preis der direkt am Produktionsstandort f¨ ur den Erwerb des Gutes erhoben wird. der Standorttheorie wird die Grenze zwischen zwei (Wirtschafts-)Zentren als Isostante bezeichnet. Sie stellt den (geometrischen) Ort gleicher Lieferpreise dar (vgl. hierzu etwa Schneider, 1935, S. 85f., und Greenhut, 1952, S. 39).
100 In
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2 Handelsstrukturen: Auspr¨ agung und Entwicklung
Abbildung 2.5: Handel an L¨ andergrenzen
Ausland Exporte
Inland
P4
Importe
P1
P2
P3
Grenze Quelle: nach Grubel und Lloyd, 1975, Figure 5.1, S. 74.
und -hemmnissen ab, unabh¨ angig davon, ob diese nun in der Geographie oder der Gesetzgebung begr¨ undet sind (Grubel und Lloyd, 1975, S. 57). Umgekehrt k¨ onnen (supra-)nationale Politikmaßnahmen wie Steuern oder Subventionen diesen Handel aber auch verst¨ arken.101 Generell zeigt sich an diesen Ph¨ anomenen auch die Bedeutung nationaler Grenzen f¨ ur den internationalen Warenverkehr, ob er nun intra- oder interindustrieller Natur ist. Krugman (1995, S. 337) weist darauf hin, dass es f¨ ur das Handelsvolumen zu einem großen Teil darauf ankommt, wie die nationalen Grenzen gezogen wurden.102 Bei einer gegebenen Weltproduktion ¨ ist zum Beispiel bei der deutschen Okosteuer auf Benzin zu beobachten. So f¨ uhrt diese dazu, dass viele an der Grenze wohnende Konsumenten im relativ billigeren (nahe gelegenen) Ausland tanken, w¨ ahrend viele ausl¨ andische Konsumenten aufgrund der zentralen Lage Deutschland, dieses als Transferland nutzen und hier gegebenenfalls auch tanken m¨ ussen. 102 Dies betont auch Linder (1961, S. 88): International trade is really nothing but an ” extension across national frontiers of a country’s own web of economic acitivity.“ (Hervorhebung im Original) 101 Dies
2.3 Ursachen und Erkl¨ arungsans¨ atze des intra-industriellen Handels
63
kommt es schließlich darauf an, welche Warenbewegungen als international und welche als national gesehen werden.103 Eine Ver¨anderung des Verlaufs nationaler Grenzen kann damit erhebliche Auswirkungen auf das Handelsvolumen nach sich ziehen. Auch finden empirische Untersuchungen einen positiven Zusammenhang zwischen dem Handel an L¨andergrenzen und intra-industriellem Handel (Balassa und Bauwens, 1987, S. 932) – wenngleich er nicht immer signifikant ist (Loertscher und Wolter, 1980, S. 286; Caves, 1981, S. 217, 221f.). Nach Grubel und Lloyd (1971, S. 507) und Grubel und Lloyd (1975, S. 77) spielt dieser spezielle intra-industrielle Handel aber insgesamt betrachtet, eine nur untergeordnete Rolle. 2.3.4.2 Zeitpunktbezogener Handel Nicht nur der Ort, sondern auch der Zeitpunkt der Produktion und des Konsums k¨ onnen voneinander abweichen und dadurch (intra-industriellen) Handel hervorrufen. Grubel und Lloyd (1975) unterscheiden hierbei zwei Varianten: zyklischen Handel (periodic trade, S. 78) und Handel mit konjunkturellen G¨ utern (cycle goods, S. 80). Viele G¨ uter, wie etwa saisonale Agrarprodukte in L¨andern verschiedener Breitengrade, werden zu unterschiedlichen Zeitpunkten hergestellt. So kann ¨ etwa Deutschland im Sommer Apfel exportieren, w¨ahrend es diese im Winter at, deren Nutzung tageszeitimportiert.104 Ein anderes Beispiel ist Elektrizit¨ lichen Schwankungen unterliegt, weswegen diese zu Spitzenzeiten importiert und zu Zeiten nur geringer Auslastung exportiert werden kann. Auch die in diesem Sektor im Zuge des Klimawandels immer bedeutender werdenden regenerativen Methoden der Energiegewinnung sind ebenfalls Fluktuationen unterworfen, insbesondere wenn sie abh¨ angig von nat¨ urlichen Einfl¨ ussen wie der Windst¨ arke oder der Sonneneinstrahlung sind. Dieser zyklische intra-industrielle Handel l¨ asst sich relativ leicht mit der klassischen Theorie vereinbaren, da sich lediglich die Produktionsm¨oglichkeiten, die einem Land zur Verf¨ ugung stehen, u ¨ber die Zeit ¨andern.105 Wich103 Vgl.
hierzu die steigende Handelsquote in Abh¨ angigkeit von der Anzahl der L¨ ander, Abschnitt 2.1.3. 104 Durch den technologischen Fortschritt ist es aber mittlerweile m¨ oglich geworden, einige Produkte das ganze Jahr u andischen ¨ber zu erzeugen, man denke etwa an die niederl¨ Treibhaustomaten. Auch besteht die M¨ oglichkeit saisonale G¨ uter einzufrieren oder zu gefriertrocknen (und damit zu lagern), um diese zu einem sp¨ ateren Zeitpunkt zu konsumieren. 105 In der Modellierung w¨ urde sich etwa die Ausstattung mit einem Faktor u ¨ber die Zeit andern oder die Produktionstechnologie stellt sich als Funktion der Zeit dar. ¨
64
2 Handelsstrukturen: Auspr¨ agung und Entwicklung
tige Einflussgr¨ oßen hierf¨ ur sind haupts¨ achlich in den naturgegebenen Bedingungen zu finden. So ist dieser Handel einerseits abh¨angig von der geographischen Gr¨ oße eines Landes, andererseits aber auch den klimatischen Bedingungen seiner Handelspartner. Zwischen klimatisch sehr ¨ahnlichen und geographisch nahen Regionen wird dieser Handel aber nur sehr gering ausgepr¨ agt sein (Grubel und Lloyd, 1975, S. 79). Es kann sich jedoch bei der Beobachtung von intra-industriellem Handel auch nur um ein einmaliges Ph¨ anomen handeln (im Gegensatz zu einem regelm¨ aßigen zyklischen Handel). So ist es m¨oglich, dass sich etwa aufgrund einer konjunkturellen Erholung die Nachfrage nach bestimmten G¨ utern derart a ¨ndert, dass es zu drastischen Auswirkungen auf die inl¨andische Produktions- und damit die Handelsstruktur des Landes kommt. Durch einen U-f¨ ormigen Verlauf der Durchschnittskosten kann eine ganze Branche durch eine zunehmende inl¨ andische Nachfrage ab einem gewissen Punkt in die Lage versetzt werden, zu niedrigeren Kosten als das Ausland zu produzieren, wodurch Importe verdr¨ angt werden und sich eventuell sogar die Situation einstellt, dass diese G¨ uter exportiert werden. Findet dieser Prozess w¨ahrend einer Berichtsperiode statt, lassen sich Im- und Exporte in der gleichen Branche beobachten. Insofern kann sich dieser Handel – je nach Wahl der Periodenl¨ ange – als ein Artefakt der statistischen Messung ergeben, weshalb er auch nur ¨ außerst selten zu beobachten sein sollte. 2.3.4.3 Wiederausfuhrhandel Bestimmte (insbesondere relativ kleine) L¨ ander treten als Intermedi¨are auf den Weltm¨ arkten auf, da sie Vorteile bei der Lagerung und/oder dem Vertrieb von spezifischen Produkten haben. Dabei gibt es eine Vielzahl an Faktoren, die eine solche Entwicklung beg¨ unstigen. Von Vorteil kann etwa sein, dass sich das Land geographisch nahe (wichtiger) Seehandelswege oder bedeutender Absatzm¨ arkte befindet. Zudem k¨ onnen durch die Intermediation Skalenertr¨ age realisiert werden, da Kosten, die bei der Gewinnung von Informationen u ¨ber Finanzierung, Versicherung und ¨ahnlichen Dienstleistungen anfallen (Grubel und Lloyd, 1975, S. 82), eingespart werden. Der dadurch entstehende Wiederausfuhrhandel (entrepot trade) beschr¨ankt sich dann lediglich darauf, die Waren zu ordnen, zu reinigen oder zu verpacken.106 Dadurch erfolgt wiederum keine statistische Reklassifikation und es kommt zu ¨ Evidenz f¨ ur diese Uberlegungen finden etwa Feenstra und Hanson (2004), welche die Bedeutung Hong Kongs als Warenumschlagplatz chinesischer Exporte betrachten.
106 Empirische
2.3 Ursachen und Erkl¨ arungsans¨ atze des intra-industriellen Handels
65
intra-industriellem Handel, letztlich sogar mit ein und denselben Produkten (Grubel und Lloyd, 1975, S. 81). Dieses Ph¨anomen wurde bereits in Abschnitt 2.2.2 im Zusammenhang mit dem Auftreten von Supertrades als neuem Globalisierungsph¨ anomen beschrieben. Die Gr¨ unde f¨ ur diesen Handel sind aber nicht immer nur durch den Markt bedingt, sondern k¨ onnen auch durch staatliche Eingriffe hervorgerufen werden. Zum einen kann es etwa aufgrund unterschiedlicher Interessenlagen verschiedene regionale F¨ orderungen innerhalb eines Landes geben oder es existieren unterschiedliche regionale Abkommen zwischen den L¨andern. Zum anderen k¨ onnen aber auch politisch (zumeist unbeabsichtigte) diffuse Regulierungen zum Entstehen von Wiederausfuhrhandel beitragen (Grubel und Lloyd, 1975, S. 82f). So f¨ uhren etwa bestimmte EU-Bestimmung dazu, dass Nutzvieh quer durch Europa zur Schlachtung transportiert wird, um dadurch Subventionen zu erhalten. 2.3.4.4 Wettbewerb durch Handel W¨ ahrend die bisherigen Erkl¨ arungsans¨ atze mit der klassischen Außenhandelstheorie und insbesondere dem Heckscher-Ohlin-Samuelson-Modell vereinbar waren (beziehungsweise ausdr¨ ucklich darauf ausgerichtet waren), gibt es aber auch außerhalb dieses Modellrahmens Erkl¨arungsans¨atze, die intraindustriellen Handel ohne die Notwendigkeit differenzierter G¨ uter erkl¨aren k¨onnen. Dies bedeutet, dass die Annahme perfekt homogener G¨ uter vollst¨andig beibehalten werden kann, w¨ ahrend stattdessen die (f¨ ur das Heckscher-Ohlin-Samuelson-Modell relevante) Annahme von perfektem Wettbewerb aufgegeben wird. Brander (1981) zeigt in einem Modell mit unvollst¨andigem Wettbewerb, dass bei Mengenwettbewerb in einem Cournot-Oligopol mit segmentierten M¨ arkten intra-industrieller Handel zu beobachten ist. Betrachtet werden zwei Unternehmen, die jeweils in zwei L¨ andern, ihrem Heimatland und dem Ausland, das gleiche homogene Gut anbieten k¨ onnen. Findet kein Handel statt, so haben beide Unternehmen in ihrem jeweiligen Heimatland eine Monopolstellung inne. Es besteht dann ein Anreiz, in den jeweils anderen Markt zu exportieren, wenn der Grenzerl¨ os, der dort durch ein zus¨atzlich abgesetzten Gutes erzielt werden kann, die Grenzkosten dieses Gutes u ¨bersteigt. Dabei muss allerdings ber¨ ucksichtigt werden, dass f¨ ur den Transport in das Ausland Eisberg-Transportkosten107 anfallen, das heißt, dass nur ein 107 Vgl.
hierzu Dornbusch et al. (1977, S. 829) basierend auf Samuelson (1954).
66
2 Handelsstrukturen: Auspr¨ agung und Entwicklung
Teil der exportierten Ware tats¨ achlich im Ausland ankommt. In diesem strategischen Spiel verh¨ alt sich jedes Unternehmen gewinnmaximierend, wobei es den Output des Konkurrenzunternehmens in jedem Markt als gegeben annimmt. Handel entsteht hier letztendlich aus der Rivalit¨at der Unternehmen (Brander und Krugman, 1983, S. 313) und durch das Kalk¨ ul der Preisarkten, da derartige M¨arkte keine diskriminierung108 auf segmentierten M¨ M¨ oglichkeit von Arbitragegesch¨ aften zulassen (Brander, 1981, S. 7).109 Im Gleichgewicht muss f¨ ur jedes Unternehmen auf allen M¨arkten gelten, dass der Grenzerl¨ os den Grenzkosten entspricht. Aufgrund unterschiedlicher Preiselastizit¨ aten im In- und Ausland kann es dazu kommen, dass ein Unternehmen beim gleichen Preis im Ausland einen h¨oheren Grenzerl¨os als im Inland erzielen kann – dabei kann allein die Existenz von Transportkosten dazu beitragen, dass der Marktanteil im Ausland geringer ist und dadurch dort der Grenzerl¨ os h¨ oher ist (Brander, 1981, S. 7; Brander und Krugman, 1983, S. 316). Da es sich um ein homogenes Gut handelt und die Unternehmen im Mengenwettbewerb stehen, wird der Preis oberhalb der Grenzkosten liegen und f¨ ur die G¨ uter beider Unternehmen gleich hoch sein. Allerdings ist somit der Ab-Werk-Preis des exportierenden Unternehmens niedriger – der Preis im Markt setzt sich schließlich aus dem Ab-Werk-Preis und den Transportkosten zusammen. Hierdurch kann es zum Vorwurf des Dumping kommen, obwohl der stattfindende intra-industrielle Handel nur auf dem Gewinnmaximierungsstreben der Unternehmen auf segmentierten M¨arkten beruht.110
108 Im
Kontext der Außenhandelstheorie wird hier auch von price-based dumping gesprochen. 109 Brander (1981, S. 13) bemerkt in seinem Aufsatz in Anlehnung an einen Gutachter, dass das gleiche Ergebnis auch ohne Handel zustande kommen kann, wenn die Unternehmen sowohl in ihrem Heimatmarkt als auch im Ausland (allerdings zu h¨ oheren Kosten) produzieren w¨ urden. 110 Brander und Krugman (1983, S. 318f.) untersuchen auch die Effekte auf die Wohlfahrt und identifizieren drei Kan¨ ale, u anderung auf die ¨ber die eine Transportkosten¨ Wohlfahrt einwirkt: Ein positiver Effekt entfaltet sich dadurch, dass die Kosten der Importe sinken und der (Gesamt-)Konsum zunimmt. Negativ hingegen wirkt der Ersatz einheimischer Produktion durch teurere Importe. Daher kommt es f¨ ur den Fall vernachl¨ assigbarer Transportkosten durch Handel zu einer Steigerung der Wohlfahrt. Liegen die Transportkosten allerdings knapp unterhalb des Prohibitivniveaus, so kann der negative Effekt u ¨berwiegen und die Wohlfahrt wird reduziert. Bei Annahme von freiem Marktzutritt f¨ uhrt Handel aber immer zu einer Erh¨ ohung der Wohlfahrt.
2.4 Zusammenfassung
67
2.4 Zusammenfassung Die Analyse in diesem Kapitel zeigte zum einen die unterschiedlichen Ursachen auf, weshalb zwischen L¨ andern sowohl inter- als auch intra-industrieller Handel zu beobachten ist. Zum anderen wurde gezeigt, dass beim intra-industriellen Handel eine weitere Differenzierung erforderlich ist, da anders als beim inter-industriellen Handel nicht der komparative Kostenvorteil der L¨ ander in bestimmten Branchen die treibende Kraft ist, sondern vielmehr der Wunsch der Konsumenten nach Produktdifferenzierung. Diese Differenzierung kann dabei auf zwei Arten erfolgen: Entweder die Konsumenten haben aufgrund ihrer unterschiedlichen Einkommenssituation unterschiedlichen Bedarf an verschiedenen Qualit¨ atsstufen eines Produktes oder sie ziehen einen Nutzen daraus, dass sie aus einer breiten Palette von G¨ utervarianten mit verschiedenen Charakteristika w¨ ahlen k¨onnen. Die Analyse verdeutlichte aber auch die Probleme des intra-industriellen Handels. Allen voran die Messung und damit der empirische Nachweis ist aufgrund der einerseits schwierigen Datenlage und andererseits nicht immer klaren Branchenabgrenzung problematisch, weshalb sich insbesondere historische Vergleich und l¨ angerfristige Entwicklungstendenzen als schwierig gestalten. Dies tr¨ agt auch dazu bei, dass die im Zuge der Fragmentierung stattfindenden Handelsstr¨ ome f¨ alschlicherweise dem intra-industriellen Handel zugewiesen werden, obwohl sich dieser Handel nicht von dem in der klassischen Außenhandelstheorie untersuchten inter-industriellen Handel unterscheidet, da er allein aufgrund komparativer Vorteile erfolgt. Der intra-industrielle Handel erfordert hingegen die Entwicklung neuer Modellans¨atze, die insbesondere Skalenertr¨ age in der Produktion ber¨ ucksichtigen und somit erkl¨ aren, warum nicht die Firmen eines Landes ihre Konsumenten mit allen gew¨ unschten Produktvarianten versorgen. Zwar ist es auch m¨oglich intra-industriellen Handel ohne Produktdifferenzierung beziehungsweise Vorliegen von Skalenertr¨ agen zu beobachten, allerdings sind diese Aspekte des Handels als eher vernachl¨ assigbar zu sehen und dienen eher der Begr¨ undung wie es zu intra-industriellem Handel als statistisches Artefakt kommen kann.
3 Theoretische Grundlagenmodelle In diesem Kapitel werden die theoretischen Grundlagen vorgestellt, auf denen die Analyse in Kapitel 4 aufbaut. Hierbei soll gezeigt werden, welchen Beitrag diese Ans¨ atze zur Erkl¨ arung der Entwicklung der Handelsstruktur leisten und an welcher Stelle Ansatzpunkte f¨ ur relevante Erweiterungen bestehen. Es zeigt sich dabei, dass die Pr¨ aferenzen fast immer als unvera angig von anderen exogenen Gr¨oßen wie etwa der ¨nderlich und als unabh¨ Faktorausstattung angenommen werden. Einzig die Modelle vertikalen intra-industriellen Handels gehen zumindest davon aus, dass sich die Pr¨aferenzen abh¨ angig vom Einkommen der Individuen ergeben, stellen jedoch keinen Zusammenhang mit der Faktorausstattung des Landes her. Das Heckscher-Ohlin-Samuelson-Modell als der grundlegende Ansatz zur Erkl¨ arung des inter-industriellen Handels wird in Abschnitt 3.1 n¨aher vorgestellt, wobei wichtige Annahmen und Konzepte, wie das des Faktorinhalts in Abschnitt 3.1.3, erl¨ autert werden. Ebenfalls erfolgt eine formale Aufarbeitung des Modells. Abschnitt 3.2 stellt dann verschiedene Modelle des intraindustriellen Handels vor und gliedert sich entsprechend der Kategorisierung bez¨ uglich horizontalem und vertikalem intra-industriellen Handels in zwei Unterabschnitte. Abschnitt 3.3 fasst schließlich die wichtigsten Ergebnisse der vorgestellten Modelle zusammen. ¨ Der in diesem Kapitel gegebene Uberblick u ¨ber einige Modelle erhebt keinen Anspruch auf Vollst¨ andigkeit, sondern stellt lediglich die Ans¨atze vor, die entweder maßgeblich in der Modellierung des in Kapitel 4 entwickelten Ansatzes einfließen und/oder daf¨ ur wichtige Impulse liefern werden. Die meisten Modelle untersuchen neben der Handelsstruktur auch die Wohlfahrtsimplikationen der Handelsaufnahme und die Auswirkungen von Handelspolitik. Da beide Aspekte in der sp¨ ateren Analyse nicht im Fokus stehen, wird in der Darstellung darauf verzichtet.
F. W. Bartholomae, Konsumentenheterogenität und Struktur des Außenhandels, DOI 10.1007/978-3-8349-7119-7_3, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
70
3 Theoretische Grundlagenmodelle
3.1 Inter-industrieller Handel (Heckscher-Ohlin-Samuelson) Wie in Abschnitt 2.1.1 angesprochen, basiert inter-industrieller Handel auf der Unterschiedlichkeit der handeltreibenden L¨ ander, sei es etwa in Bezug auf die Technologie oder auf die unterschiedliche Verf¨ ugbarkeit von Produk¨ tionsfaktoren. In den nun folgenden Abschnitten sollen diese Uberlegungen weiter vertieft und analysiert werden, insbesondere um auch die formalen Grundlagen zu erarbeiten. Die Gr¨ unde f¨ ur die Wahl des Heckscher-Ohlin-Samuelson-Modells (HOSModell) als Grundlage f¨ ur die Abbildung des inter-industriellen Handels in Kapitel 4 bestehen darin, dass zum einen im Unterschied zum RicardoModell, das Handel aufgrund unterschiedlicher Produktionstechnologien erkl¨ art, die Branchen klar durch die jeweiligen Faktorintensit¨aten abgegrenzt werden k¨ onnen (bei Ricardo ist dies aufgrund nur eines Produktionsfaktors nicht m¨ oglich) und zum anderen auch in der einschl¨agigen Literatur u ¨ber inter- und intra-industriellen Handel, das HOS-Modell zur Modellierung des inter-industriellen Handels herangezogen wird. Dies erm¨oglicht somit eine bessere Vergleichbarkeit etwa mit Helpman und Krugman (1985) und Bernard et al. (2007). In Abschnitt 3.1.1 werden zun¨ achst die grundlegenden Annahmen des HOS-Modells und ihre Auswirkungen auf die Modellstruktur angesprochen. Anhand der Analyse im sogenannten Lerner-Diagramm werden in Abschnitt ¨ 3.1.2 die grundlegenden Uberlegungen des HOS-Modells vorgestellt. Abschnitt 3.1.3 stellt dann das Konzept des Faktorinhalts vor, wodurch in der sp¨ ateren Analyse relevante Aussagen gewonnen werden k¨onnen. Dadurch k¨ onnen in Abschnitt 3.1.4 die m¨ oglichen Handelsmuster in einer ZweiL¨ ander-Welt in Abh¨ angigkeit von der relativen Faktorausstattung analysiert werden. Da das Modell in Kapitel 4 mehr G¨ uter und L¨ander als das Standard-HOS-Modell aufweist, diskutiert Abschnitt 3.1.5 die Auswirkungen dieser Erweiterungen im HOS-Modell. Die Ergebnisse der Analyse werden schließlich in Abschnitt 3.1.6 f¨ ur Cobb-Douglas-Produktionsfunktionen formal abgeleitet und bilden die Grundlage der Modellierung des inter-industriellen Handels in Kapitel 4.
3.1 Inter-industrieller Handel (Heckscher-Ohlin-Samuelson)
71
3.1.1 Annahmen Die grunds¨ atzliche Aussage des HOS-Modells1 fasst Ohlin (1931) knapp zusammen: Jedes Land ist klarerweise am besten zur Erzeugung derjenigen G¨ uter aus” gestattet, die große Mengen der Produktionsfaktoren brauchen, welche dort verh¨ altnism¨ aßig reichlich vorhanden sind.“ (Ohlin, 1931, S. 163)
Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, geben die Annahmen die Rahmenbedingungen f¨ ur das Modell derart vor, dass sich die L¨ander nur in Bezug auf ihre Faktorausstattung unterscheiden, w¨ ahrend alle anderen Parameter als identisch angenommen werden. Obwohl es sich bei dem grundlegenden HOS-Modell um kein allgemeines Gleichgewichtsmodell handelt, da die G¨ uterpreise nicht endogen bestimmt werden, sondern als exogen gegeben angenommen werden, m¨ ussen doch teilweise sehr strikte formale Annahmen getroffen werden, um dieses aussagekr¨ aftige Ergebnis zu erhalten (Lerner, 1952, S. 1; Grubel und Lloyd, 1975, S. 71; Siebert und Lorz, 2006, S. 37ff.). In seiner Grundform handelt es sich um ein 2×2×2-Modell, das heißt, es gibt zwei G¨ uter beziehungsweise Sektoren, zwei Faktoren und zwei L¨ander. ¨ Ublicherweise geht man bei diesen L¨ andern davon aus, dass eines das Inland und das andere das Ausland und damit eigentlich den Rest der Welt“ ” bezeichnet. Insofern konzentriert sich hier die Analyse stark auf die Effekte auf das Inland. Die beiden G¨ uter beziehungsweise Sektoren wiederum unterscheiden sich hinsichtlich ihres Faktoreinsatzes der vorhandenen zwei Faktoren. Faktormarkt. Die Produktionsfaktoren seien Kapital 𝐾 und Arbeit 𝐿, wobei 𝐿 im Allgemeinen ungelernte Arbeit bezeichnet und 𝐾 sowohl Sachals auch Humankapital umfasst. Diese Faktoren sind sowohl innerhalb als auch u andern homogen, womit es daher weder Produkti¨ber die einzelnen L¨ vit¨ats-, Qualit¨ ats- noch sonstige Unterschiede gibt. Das Faktorangebot wird als vollkommen unelastisch angenommen. Damit gibt es keine Auswirkun¨ gen von Anderungen der Faktorpreise auf das Faktorangebot, wodurch eine ¨ Handelsaufnahme nur zu Anderungen der Faktorallokation auf die Sektoren f¨ uhrt. Ferner sei angenommen, dass alle verf¨ ugbaren Faktoren vollbesch¨ aftigt sind, das heißt, es existiert keine Unterbesch¨aftigung, die ebenfalls Auswirkungen auf das gesamtwirtschaftliche Faktorangebot haben k¨onnte. ¨ Modell basiert auf den von Heckscher (1919) und Ohlin (1933) angestellten Uberlegungen, die von Samuelson (1948) weiter vertieft.
1 Dieses
72
3 Theoretische Grundlagenmodelle
Die L¨ ander lassen sich dann in Bezug auf ihre Faktorausstattung charakterisieren, denn sie m¨ ussen u ¨ber eine unterschiedliche relative Faktorausstattung verf¨ ugen, damit (inter-industrieller) Handel erkl¨arbar ist. Ebenfalls zur Vereinfachung wird angenommen, dass die Faktoren immobil zwischen den L¨ andern sind, das heißt, dass es zu keiner Faktorwanderung infolge von Faktorpreisunterschieden kommt; hingegen sind sie aber vollkommen mobil zwischen den Sektoren – die Faktoren k¨ onnen ohne Beschr¨ankungen in einem Sektor eingesetzt werden und diesen jederzeit wechseln. Sowohl auf den Faktor- als auch auf den G¨ uterm¨arkten herrscht vollst¨andiger Wettbewerb. Daher ist zum einen die Faktorentlohnung in allen Sektoren gleich und entspricht dem jeweiligen Wertgrenzprodukt und zum anderen erwirtschaften die Unternehmen (¨ okonomische) Nullgewinne. Diese Annahme impliziert auch, dass es freien Markteintritt und -austritt geben muss. Produktion. Die beiden Sektoren beziehungsweise homogenen G¨ uter2 seien mit 𝑋 und 𝑌 bezeichnet und unterscheiden sich hinsichtlich der eingesetzten Faktorintensit¨ at. So wird bei jedem gegebenen relativen Faktorpreisverh¨ altnis in der Produktion von 𝑋 immer eine h¨ohere Kapitalintensit¨ at (eingesetztes Kapital je Arbeit) als in der Produktion von 𝑌 eingesetzt. Eine Umkehrung der Faktorintensit¨ at ab einem bestimmten Preisverh¨altnis (sogenanntes factor intensity reversal, Deardorff, 2006, S. 102) wird ausgeschlossen. Die unterstellten Produktionsfunktionen sind substitutional und linear-homogen, das heißt, es wird mit konstanten Skalenertr¨agen produaten sind positiv, aber abnehmend ziert.3 Die jeweiligen Grenzproduktivit¨ im Faktoreinsatz. Im Unterschied zum Ricardo-Modell sind die Produktionsfunktionen und damit die Produktionstechnologien der beiden Sektoren in beiden L¨ andern identisch, womit die Quelle des komparativen Vorteils nicht durch die Technologie bedingt wird. Es gibt ebenso weder Kuppelprodukte bei der Produktion noch beim Konsum. Nachfrage. Die erstellten Endprodukte sind mobil zwischen den L¨andern, womit nicht-handelbare G¨ uter ausgeschlossen sind. Der Handel selbst erfolgt kostenlos, es gibt damit weder Transportkosten noch sonstige Han2 Die
Homogenit¨ at der G¨ uter ist in allen Dimensionen gegeben, das heißt in Bezug auf ihre funktionellen Eigenschaften, den Ort und Zeitpunkt ihrer Verwendung sowie ihrer Verpackung. Vgl. hierzu auch Abschnitt 2.3.4. 3 Eine andere Produktionstechnologie w¨ are mit der Annahme vollst¨ andigen Wettbewerbs auch nicht konsistent.
3.1 Inter-industrieller Handel (Heckscher-Ohlin-Samuelson)
73
delshemmnisse. Die Konsumenten in beiden L¨ andern verf¨ ugen u ¨ber exogen gegebene identische und homothetische Pr¨ aferenzen, das heißt, dass sie beide G¨ uter in gleichen Proportionen konsumieren. Der Konsumentscheidung ist somit abh¨ angig vom vorherrschenden Relativpreis, aber unabh¨angig vom Einkommen der Konsumenten.4 Durch diese Annahme kann Handel aufgrund von Pr¨ aferenzunterschieden ausgeschlossen werden. Die Individuen unterscheiden sich auch nicht bez¨ uglich ihres Einkommens.
3.1.2 Modellgrundlagen und Lerner-Diagramm Die grundlegenden Aussagen sollen im folgenden mit Hilfe des Lerner-Diagramms5 graphisch abgeleitet werden. Eine Besonderheit des Lerner-Diagramms ist, dass alle Variablen anhand ihrer (relativen) Faktoreinsatzmengen beziehungsweise ihres Faktorinhalts6 dargestellt werden, weshalb sich aus der Graphik zwar einige Zusammenh¨ ange nur indirekt erschließen, sich zugleich aber eine andere Sichtweise auf die Handelsbeziehungen erschließt, wonach der G¨ uteraustausch als Vehikel f¨ ur einen Faktoraustausch zu sehen ist. Diese Sicht wird im weiteren Verlauf der Arbeit beibehalten. Zun¨achst sollen daher die folgenden Erl¨ auterungen dazu dienen, aufzeigen, wie das in Abbildung 3.1 dargestellte Lerner-Diagramm konstruiert wurde, welche Informationen daraus abzulesen sind und welche ¨ okonomischen Mechanismen auterungen k¨ onnen zugleich die Grundaussagen wirken.7 Im Laufe dieser Erl¨ des HOS-Modells abgeleitet werden. Ausgegangen wird im ersten Schritt von den Einheitswertisoquanten der beiden G¨ uter 𝑋 und 𝑌 . Diese Kurven stellen den geometrischen Ort aller Faktorkombinationen dar, deren Produktionswert genau eins betr¨agt, 𝑝𝑋 𝑋 (𝐾𝑋 , 𝐿𝑋 ) = 1
(3.1)
𝑝𝑌 𝑌 (𝐾𝑌 , 𝐿𝑌 ) = 1,
(3.2)
4 Graphisch
bedeutet dies, dass die Steigungen aller Indifferenzkurven auf einem beliebigen Strahl durch den Ursprung den gleichen Wert aufweisen. 5 Nach Lerner (1952). Einen ahnlichen Ansatz entwickelte auch Pearce (1951). Im Un¨ terschied zu Lerner (1952) analysierte er die Auswirkungen anhand von Equi-ProduktIsoquanten (Pearce, 1951, S. 111). 6 Der Faktorinhalt eines Gutes ist definiert als diejenige Faktorkombination, welche zur Produktion dieses Gutes verwendet wird (Krugman, 2000, S. 66; Deardorff, 2006, S. 102). Eine n¨ ahere Auseinandersetzung mit diesem Konzept erfolgt im folgenden Abschnitt 3.1.3. 7 Die Erl¨ auterungen zur graphischen Konstruktion erfolgen u ¨berwiegend in Anlehnung an Morasch und Bartholomae (2008a,b).
74
3 Theoretische Grundlagenmodelle
wobei 𝐾𝑖 und 𝐿𝑖 die zur Produktion des Gutes 𝑖 = 𝑋, 𝑌 eingesetzten Faktoren Kapital, 𝐾, und Arbeit, 𝐿, 𝑋 (∙) beziehungsweise 𝑌 (∙) die Produkuterpreise bezeichnen. Es wird tionsfunktionen und 𝑝𝑖 die entsprechenden G¨ angenommen, dass Gut 𝑋 kapitalintensiver als 𝑌 produziert wird, das heißt, in der Produktion ist bei jedem Lohn-Zins-Verh¨altnis ein h¨oherer Kapitaleinsatz bei 𝑋 als bei 𝑌 zu beobachten und eine Umkehr der Faktorintensit¨ at ist ausgeschlossen. Daher befindet sich die Einheitswertisoquante von 𝑋 links beziehungsweise oberhalb derjenigen von Gut 𝑌 . Die genaue Lage der Einheitswertisoquante ist von zwei Gr¨ oßen abh¨angig: Zum einen vom (relativen) Preis des Gutes und zum anderen von der verwendeten Produktionstechnologie.8 Abbildung 3.1: Lerner-Diagramm in seiner Grundform K
kX Outputexpansionspfad
1/r x1
Einheitswertisoquante pX.X(KX, LX) = 1 pY.Y(KY, LY) = 1
wL + rK = 1 Einheitskostengerade
O
kY
y1
1/w
L
Im Gleichgewicht kann aus der Lage der beiden Einheitswertisoquanten die Einheitskostengerade 𝑟𝐾 + 𝑤𝐿 = 1
(3.3)
bestimmt werden, wobei 𝑤 die Faktorentlohnung (Lohnsatz) von Arbeit und 𝑟 die Faktorentlohnung (Zins) von Kapital bezeichnen. Damit definiert sich die Einheitskostengerade als geometrischer Ort aller Faktorkombinationen, die Kosten in H¨ ohe von eins verursachen. Um die Gerade einzeichnen zu 8 Die
Technologie wird zum einen durch die Substituierbarkeit der Faktoren und zum anderen durch einen (Hicks-neutralen) Technologie-Parameter zum Ausdruck gebracht.
3.1 Inter-industrieller Handel (Heckscher-Ohlin-Samuelson)
75
k¨ onnen, bietet es sich an, (3.3) nach 𝐾 aufzul¨ osen, 𝐾=
1 𝑤 − 𝐿. 𝑟 𝑟
(3.4)
Auf diese Weise l¨ asst sich eine f¨ ur die ¨ okonomische Interpretation wichtige Eigenschaft erkennen: Die Achsenabschnitte der Einheitskostengerade stellen die inversen Faktorentlohnungen des betreffenden Faktors dar. Der Schnittpunkt mit der 𝐾-Achse ist der inverse Zinssatz, 1/𝑟, und der Schnittpunkt mit der 𝐿-Achse der inverse Lohnsatz, 1/𝑤. Eine Erh¨ohung (Verringerung) des Wertes ist gleichbedeutend mit einem R¨ uckgang (Anstieg) der jeweiligen Faktorentlohnung. Alle Faktorkombinationen unterhalb der Geraden verursachen schließlich geringere Kosten als eins und entsprechend oberhalb Kosten von mehr als eins. Die Einheitskostengerade ist dadurch bestimmt, dass sie beide Einheitswertisoquanten gerade tangiert. Diese Bedingung resultiert zum einen aus der Annahme vollkommener Konkurrenz auf den G¨ uter- wie Faktorm¨arkten und zum anderen dem Gewinnmaximierungsstreben der einzelnen Firmen. Der dabei wirkende ¨ okonomische Mechanismus der zum Gleichgewicht f¨ uhrt, kann durch die Anpassungsprozesse veranschaulicht werden, die siche ergeben, wenn von einem Ungleichgewicht ausgegangen wird. In der ungleichgewichtigen Ausgangssituation tangiere die Einheitskostengerade nur die Einheitswertisoquante von 𝑋, womit in diesem Sektor Nullgewinne erwirtschaftet werden. Damit hat kein am Markt vorhandener Produzent von 𝑋 einen Anreiz, seine Produktion einzustellen und zudem wird kein neuer Anbieter in den Markt eintreten. Zugleich wird im Kostenminimum produziert, da der zu den gegebenen Faktorpreisen optimale Punkt auf der maximal erreichbaren Einheitswertisoquante gew¨ahlt wurde. Jeder andere Punkt auf der Einheitswertisoquante w¨ urde zwar auch einen Umsatz (Wert) von eins generieren, der daf¨ ur n¨otige Faktoreinsatz w¨ urde aber h¨ ohere Kosten verursachen. F¨ ur den 𝑌 -Sektor bestehen wie in Abbildung 3.2 dargestellt zwei M¨oglichkeiten: Entweder die Einheitskostengerade verl¨auft oberhalb der 𝑌 -Einheitswertisoquante (Fall a) oder unterhalb (Fall b). • Fall a: Verl¨auft die Einheitskostengerade u ¨ber der Einheitswertisoquante werden im 𝑌 -Sektor Gewinne realisiert. Dies ist daran zu erkennen, dass die eingesetzten Faktoren, die einen Produktionswert von eins erzeugen (𝑌 -Einheitswertisoquante ), weniger als eins kosten (Einheitskostengerade). Die Unternehmen haben daher einen Anreiz,
76
3 Theoretische Grundlagenmodelle
Abbildung 3.2: Anpassung aus Ungleichgewicht K r r pX.X = 1 (b)
(a) pY.Y = 1
O
w
w
L
in den 𝑌 -Sektor einzutreten beziehungsweise die Produktion aus dem ¨ uhrt zu einer Anderung der 𝑋- in den 𝑌 -Sektor zu verlagern.9 Dies f¨ Faktornachfrage und damit der Faktorpreise, da im 𝑌 -Sektor mehr Arbeit als Kapital ben¨ otigt wird, im 𝑋-Sektor aber mehr Kapital als Arbeit freigesetzt wird. Um eine R¨ aumung des Faktormarktes zu erreichen wird die Entlohnung des derzeit knappen Faktors Arbeit, 𝑤, steigen und die des reichlich vorhandenen Faktors Kapital, 𝑟, sinken.10 Jedoch ist dann die M¨ oglichkeit gegeben, dass sich die Faktorpreise so ung¨ unstig entwickeln, dass zwar der 𝑌 -Sektor im Gleichgewicht ist, aber die Einheitskostengerade unter der Einheitswertisoquante von 𝑋 verl¨ auft und somit in diesem Sektor Verluste erzielt werden. In diesem Fall werden Unternehmen aus dem 𝑋-Sektor austreten und die gesamtwirtschaftliche relative Nachfrage nach Kapital sinkt. Der Zinssatz verringert sich und die Einheitskostengerade dreht sich um den Angelpunkt 1/𝑤 nach oben. Dieser Anpassungsmechanismus wird sich solange fortsetzen, bis die Einheitskostengerade beide Einheitswertisoquanten gerade tangiert und sich damit beide Sektoren im Gleichgewicht befinden. Im Vergleich zum anf¨ anglichen Ungleichgewicht f¨allt der Lohnsatz im Gleichgewicht h¨ oher und der Zinssatz niedriger aus.
9 Letzteres
erfolgt unter der Annahme, dass alle Faktoren vollbesch¨ aftigt sind. ist das Wertgrenzprodukt von Arbeit im 𝑌 -Sektor h¨ oher als im 𝑋-Sektor.
10 Schließlich
3.1 Inter-industrieller Handel (Heckscher-Ohlin-Samuelson)
77
• Fall b: Im zweiten m¨ oglichen Ungleichgewicht verl¨auft die Einheitskostengerade unter der Einheitswertisoquante von 𝑌 . Die Anpassung ¨ in diesem Fall ist vollkommen analog zu den vorangegangenen Uberlegungen zu betrachten; in dem sich hier ergebenden Gleichgewicht wird allerdings ein niedrigerer Lohn und ein h¨ oherer Zinssatz herrschen. Generell kann damit die Aussage getroffen werden, dass ungeachtet des urspr¨ unglichen Zustands die Faktorpreise im Gleichgewicht eindeutig von den ¨ G¨ uterpreisen und der Technologie determiniert werden. Nur Anderungen dieser Parameter erm¨ oglichen eine andere (gleichgewichtige) Entlohnungsstruktur.11 Bislang wurde noch keine Aussage u ¨ber die tats¨achliche Produktion eines Landes getroffen. Da in der Produktion konstante Skalenertr¨agen vorliegen, k¨ onnen lineare Outputexpansionspfade konstruiert werden. Diese beginnen im Ursprung und verlaufen durch den jeweiligen Tangentialpunkt zwischen der Einheitswertisoquante und der Einheitskostengerade, 𝑥1 und 𝑦1 . Alle Punkte auf diesen Pfaden repr¨ asentieren technologisch m¨ogliche kostenminimal erzeugte Produktionsmengen. Wird von beiden Faktoren 𝑛-mal soviel eingesetzt wie im jeweiligen Tangentialpunkt, so erh¨alt man einen Produk¨ bei gegebener tionswert von 𝑛.12 Die Produktionsmenge einer Okonomie Faktorausstattung kann dann dadurch bestimmt werden, dass der Produktionswert durch den jeweiligen G¨ uterpreis geteilt wird. Da die Steigung der Outputexpansionspfade die Kapitalintensit¨ at (eingesetztes Kapital je Arbeit) der jeweiligen Produktion angibt, werden diese mit 𝑘𝑖 gekennzeichnet. In Abbildung 3.1 ist deutlich zu erkennen, dass die beiden Outputexpansionspfade 𝑘𝑋 und 𝑘𝑌 das Lerner-Diagramm in drei Teile gliedern, oberhalb (beziehungsweise links) von 𝑘𝑋 , zwischen 𝑘𝑋 und 𝑘𝑌 und unterhalb (beziehungsweise rechts) von 𝑘𝑌 . Viele Vorhersagen des HOS-Modells sind nur ultig. Dieser Bereich wird als cone of diversification zwischen 𝑘𝑋 und 𝑘𝑌 g¨ oder auch Diversifikationskegel“ bezeichnet (Deardorff, 2006, S. 72). ” Mit Kenntnis der relativen Faktorausstattung kann auf die relative Produktion geschlossen werden.13 Ist die Faktorausstattung genau bekannt, 11 Diese
Aussage ist nat¨ urlich nur g¨ ultig unter der Pr¨ amisse flexibler Faktor- und G¨ uterm¨ arkte. Krugman (1995, S. 349–355) untersuchte in diesem Zusammenhang beispielsweise die Auswirkungen einer rigiden Lohnstruktur. 12 In gleichem Umfang 𝑛 steigen auch die Kosten, das heißt, die Nullgewinnbedingung hat weiterhin G¨ ultigkeit. 13 So sind allgemeine Aussagen m¨ oglich, wie etwa, dass bei gegebenen Preisen ein Land mit relativ viel Kapital relativ mehr von 𝑋 produzieren wird als ein Land mit einer relativ hohen Arbeitsausstattung.
78
3 Theoretische Grundlagenmodelle
kann auch die Produktion exakt bestimmt werden. Abbildung 3.3 verdeutlicht, welche Produktionsstruktur ein Land mit der Faktorausstattung 𝐸1 im Gleichgewicht aufweisen wird. Unter der Annahme von Vollbesch¨aftigung gilt f¨ ur die Allokation der Produktionsfaktoren auf die Sektoren 𝐾 1 = 𝐾𝑋 + 𝐾𝑌
(3.5)
𝐿 1 = 𝐿𝑋 + 𝐿 𝑌 ,
(3.6)
¨ wobei 𝐾 1 und 𝐿1 die gesamte Faktorausstattung der Okonomie mit Kapital und Arbeit bezeichnen und die Koordinaten des Faktorausstattungspunkts 𝐸1 in Abbildung 3.3 darstellen. Die Bestimmung der Produktion ergibt sich durch eine Linearkombination der Ortsvektoren 𝑥#»1 und 𝑦#»1 14 , um #» onnen (3.5) und (3.6) auch den Ausstattungsvektor 𝐸1 zu bilden. Damit k¨ ausgedr¨ uckt werden als #» 𝑚𝑋 𝑥#»1 + 𝑚𝑌 𝑦#»1 = 𝐸1 ,
(3.7)
wobei 𝑚𝑖 den Produktionswert von 𝑖 = 𝑋, 𝑌 wiedergibt. Die Vektoren 𝑥#»1 und 𝑦#»1 wurden gerade so konstruiert, dass sie einen Produktionswert von eins generieren; im Folgenden werden sie daher auch als Einheitswertvek” toren“ bezeichnet.15 Durch geometrische Konstruktion eines Parallelogramms mit dem Ursprung 𝑂 und dem Faktorausstattungspunkt 𝐸1 als Ecke, l¨asst sich die Linearkombination graphisch konstruieren und erlaubt es, an den auf den Outputexpansionpfaden liegenden Ecken die Produktionswerte abzulesen, indem gemessen wird, wie oft der Betrag des jeweiligen Einheitswertvektors #» 𝑥#»1 beziehungsweise 𝑦#»1 n¨ otig ist, um den vorgegebenen Betrag 𝑓𝑋 bezie#» uter im Wert von hungsweise 𝑓𝑌 zu bilden. So werden in Abbildung 3.3 𝑋-G¨ 14 Ausf¨ uhrlicher
geschrieben handelt es sich hierbei um die durch die Punkte 𝑂, 𝑥1 und # » 𝑦1 beschriebenen Vektoren. Somit lauten die Ortsvektoren vollst¨ andig geschrieben 𝑂𝑥1 # » und 𝑂𝑦1 . Zur besseren Lesbarkeit wird aber auf den Ursprung verzichtet, ebenso wie im Folgenden lediglich von einem Vektor“ anstelle von einem Ortsvektor“ gesprochen ” ” wird. 15 Trivialerweise ist der Produktionswert beziehungsweise sind die produzierten Mengen null, falls das Land weder u ugt. Eine Aussage u ¨ber Arbeit noch Kapital verf¨ ¨ber die Produktionsstruktur des Landes ist im Falle linear-abh¨ angiger Vektoren, das heißt #» #» ¨ 𝜆𝑥# » ur Parameterwerte 𝜆2 + 𝜇2 > 0, nicht m¨ oglich. Okonomisch gese1 + 𝜇𝑦1 = 0 f¨ hen w¨ urden in diesem Falle beide G¨ uter die gleiche Produktionsfunktion aufweisen, was implizieren w¨ urde, dass beide der gleichen Branche zuzuordnen w¨ aren, vgl. Abschnitt 2.3.1.
3.1 Inter-industrieller Handel (Heckscher-Ohlin-Samuelson)
79
Abbildung 3.3: Produktionsstruktur bei gegebener Faktorausstattung K
kX Nur X
“Diversifikationskegel” X und Y E
K1
1
C fX
E2
kY
rte
po
x1
fY
rte
Ex
po
Nur Y
Im
y1 O
L1
L
insgesamt
# » / 𝑚𝑋 = 𝑓𝑋 ∣𝑥#»1 ∣
und 𝑌 -G¨ uter im Wert von # » / 𝑚𝑌 = 𝑓𝑌 ∣𝑦#»1 ∣
(3.8)
(3.9)
#» produziert, wobei der Vektor 𝑓𝑖 den∑gesamten Faktoreinsatz im Sektor 𝑖 = #» #» 𝑋, 𝑌 wiedergibt, das heißt, es gilt 𝑓𝑖 = 𝐸 analog zu (3.7). Die entsprechenden Mengen sind gegeben durch 𝑚𝑋 /𝑝𝑋 und 𝑚𝑌 /𝑝𝑌 . Es zeigt sich, dass die Produktionsstruktur der relativen Faktorausstattung folgt: Je kapitalreicher ein Land ist, das heißt, u ¨ber je mehr Kapital es im Vergleich zu Arbeit verf¨ ugt, desto mehr wird es – bei gegebenen G¨ uterpreisen – absolut wie relativ vom kapitalintensiven und desto weniger (absolut wie relativ) vom arbeitsintensiven Gut produzieren (vgl. die Ausstattungen 𝐸1 und 𝐸2 in Abbildung 3.3). Außerhalb des Diversifikationskegels ist die Produktionsstruktur dabei durch Spezialisierung gekennzeichnet: Alle Faktorausstatuhren zu einer Spezialisierung auf die Produktion tungen oberhalb von 𝑘𝑋 f¨ von 𝑋 und alle Ausstattungen unterhalb von 𝑘𝑌 zu einer Spezialisierung ur die Handelsstruktur impliziert dies, dass gerade das Gut exauf 𝑌 .16 F¨ portiert wird, auf welches das Land spezialisiert ist, um im Gegenzug das #» oglich ist, ist daran zu erkennen, dass keine Linearkombination von 𝑥# » 1 und 𝑦1 m¨ die nicht-negative Mengen implizieren w¨ urde.
16 Dies
80
3 Theoretische Grundlagenmodelle
jeweils andere Gut zu importieren. Schwieriger gestaltet sich eine Aussage u ur Faktorausstattungen innerhalb des Diversifika¨ber die Handelsstruktur f¨ tionskegels (zwischen 𝑘𝑋 und 𝑘𝑌 ). Da hier keine Spezialisierung auf ein Gut erfolgt, sondern nur eine Konzentration, kommt es darauf an, wie sich die Faktorausstattungen der Handelspartner relativ zueinander verhalten. Dies soll exemplarisch anhand zweier L¨ ander mit den Ausstattungen 𝐸1 und 𝐸2 verdeutlicht werden. Allgemein gilt f¨ ur die Handelsbeziehung zwischen zwei L¨andern, dass dasjenige Land, das u ugt, absolut mehr vom ¨ber relativ mehr Arbeit verf¨ arbeitsintensiven Gut und das kapitalreichere Land absolut mehr vom kapitalintensiven Gut produzieren wird. An dieser Stelle sei vereinfachend angenommen, dass die L¨ ander das gleiche Einkommen bei unterschiedlicher Faktorausstattung aufweisen und die Konsumenten in beiden L¨andern die gleichen Mengen beider G¨ uter konsumieren. Die konsumierten Mengen k¨onnen in (konsumierte) Faktoren umgerechnet werden und sind durch 𝐶 in der Abbildung beschrieben. Es ist zu erkennen, dass das arbeitsreiche Land 𝐸2 das arbeitsintensive Gut 𝑌 exportieren wird und das kapitalreiche Land 𝐸1 eben dieses Gut importieren wird.17
3.1.3 Faktorinhalt Der Faktorinhalt eines Gutes ist definiert als diejenige Faktorkombination, welche zur Produktion dieses Gutes verwendet wird (Krugman, 2000, S. 66; Deardorff, 2006, S. 102). Dieses Konzept erm¨oglicht es, den Außenhandel unter einem anderen Blickwinkel zu betrachten: Ein Land exportiert gewissermaßen nicht das Gut, sondern die darin implizit enthaltene Faktorleistung. Ein kapitalreiches Land exportiert in diesem Sinne damit nicht das kapitalintensive Gut, sondern das darin enthaltende Kapital (ebenso wie die in geringerem Umfang enthaltene Arbeit). Dadurch werden aber die annahmegem¨ aß international immobilen Faktoren in gewisser Hinsicht mobil und der Handel stellt sich folglich als (imperfektes) Substitut zur Faktorimmobilit¨ at dar. Ein stilisiertes Beispiel des Handels zwischen Deutschland und China kann helfen, den Zusammenhang zwischen Faktormobilit¨at und Außenhandel zu verdeutlichen und dabei das Konzept des Faktorinhalts zu veranschaulichen. 17 Dabei
ist ebenso zu erkennen, dass der Handel ausgeglichen ist, das heißt, dass der von Land 𝐸2 exportierte Wert dem von Land 𝐸1 importiertem Wert entspricht. Umgekehrt wird das kapitalreiche Land 𝐸1 das kapitalintensive Gut exportieren und Land 𝐸2 importieren (in der Abbildung nicht eingezeichnet).
3.1 Inter-industrieller Handel (Heckscher-Ohlin-Samuelson)
81
Ein Vergleich der Faktorausstattungen zwischen China und Deutschland zeigt, dass Deutschland u ¨ber relativ mehr Kapital und entsprechend China u ugt. Daher werden in Deutschland ¨ber relativ mehr (ungelernte) Arbeit verf¨ die Herstellungskosten von arbeitsintensiven G¨ utern (wie etwa Textilien) im Vergleich zu kapitalintensiven G¨ utern (zum Beispiel Maschinen) h¨oher sein als in China. Es gibt nun zwei M¨ oglichkeiten, wie durch die internationale Verflechtung ein f¨ ur beide L¨ ander vorteilhafterer Zustand erreicht werden kann, der durch eine h¨ ohere und kosteng¨ unstigere Produktion (und damit auch mehr Konsum) gekennzeichnet ist: Die erste M¨ oglichkeit w¨are, dass chinesischen Arbeitskr¨ afte nach Deutschland wandern, wodurch sich die relative Faktorausstattung ¨ andern w¨ urde und damit Textilien in Deutschland billiger herzustellen w¨ aren. Allerdings m¨ ussen hierbei viele H¨ urden u ¨berwunden werden, wie restriktive Einreisebestimmungen oder die erheblichen Sprachbarrieren. Gleichfalls k¨ onnte Kapital aus Deutschland nach China fließen, aber auch hierf¨ ur gibt es Barrieren, wie etwa eine mangelhafte Rechtssicherheit in Bezug auf geistiges Eigentum. Die zweite einfachere M¨oglichkeit besteht darin, dass Deutschland die billigeren Textilien aus China importiert und im Gegenzug daf¨ ur Maschinen exportiert. Aus Sicht des Faktorinhalts kann aber gleichermaßen davon gesprochen werden, dass indirekt u ¨ber die Einfuhr der G¨ uter, Deutschland die chinesische Arbeitskraft importiert, die in die Produktion des Gutes geflossen ist. Schließlich spielt es keine Rolle, ob der chinesische Arbeiter die Textilien in China oder in Deutschland fertigt. Sowohl die Migration als auch der Handel f¨ uhren dazu, dass sich die G¨ uterund Faktorpreise in Deutschland und China ann¨ahern werden.18 Wie das Beispiel nahelegt, kann der durch unterschiedliche Faktorausstattungen induzierte Außenhandel generell als Substitut f¨ ur die mangelnde internationale Mobilit¨ at der Faktoren dienen. W¨ aren die Faktoren vollst¨andig mobil, w¨ urden sie bei rationalem Verhalten dorthin str¨omen, wo sie die h¨ ohere Entlohnung erhalten w¨ urden.19 Arbeitskr¨afte aus arbeitsreichen L¨ andern w¨ urden demnach in kapitalreiche L¨ ander wandern, da sie dort aufgrund der Knappheit an Arbeitskr¨ aften ein h¨ oheres Wertgrenzprodukt als im Ursprungsland aufweisen und die Arbeitskr¨ afte somit einen h¨oheren rela18 Hier
wird bewusst nur von einer Ann¨ aherung gesprochen, da angesichts der immensen Unterschiede in der relativen Faktorausstattung zwischen China und Deutschland eine Angleichung als ausgeschlossen angesehen werden kann. 19 Dies gilt nur dann, wenn wie im Beispiel von Wanderungskosten abgesehen wird (was ¨ vollst¨ andige Mobilit¨ at ausdr¨ uckt). Okonomisch ist eine Wanderung dann sinnvoll, wenn der erwartete Gewinn (Lohn im Zielland abz¨ uglich der Wanderungskosten) gleich den Opportunit¨ atskosten (Lohn im Heimatland) ist.
82
3 Theoretische Grundlagenmodelle
tiven Lohn erhalten w¨ urden. Im Beispiel w¨ urden die Arbeitskr¨afte aus China nach Deutschland wandern. Analog verh¨ alt es sich f¨ ur Kapital, das aus kapitalreichen L¨ andern in arbeitsreiche L¨ ander fließen wird, also genau den entgegengesetzten Weg zur Arbeitskr¨ aftewanderung beschreitet. Das (langfristige) Gleichgewicht ist dann erreicht, wenn kein Faktor mehr einen Anreiz hat zu wandern, da die Faktoren in allen L¨ andern die gleiche Grenzproduktivit¨ at aufweisen. Auf diese Weise aber, wie sich u ¨berall die gleichen realen und relativen Entlohnungen einstellen, m¨ ussen bei identischer Technologie und identischen Pr¨ aferenzen in allen L¨ andern die gleiche relative Faktorausstattung anzutreffen sein und die gleichen G¨ uterpreise vorherrschen. Die sich einstellende relative Ausstattung im Wanderungsgleichgewicht kann bereits ex ante bestimmt werden: Sie entspricht genau der weltweiten relativen Faktorausstattung, also der u ander hinweg aggregierten relativen ¨ber alle L¨ 20 Faktorausstattung. Wird jedoch internationale Immobilit¨ at der Faktoren unterstellt, kann das gleiche Ergebnis u uterpreise durch friktionslosen ¨ber die Angleichung der G¨ Handel21 , und dem damit einhergehenden Faktorpreisausgleich – sofern bei Handel keine Spezialisierung vorliegt – erreicht werden. Es zeigt sich, dass in diesem Modellrahmen Migration und Handel (imperfekte) Substitute zueinuhren: Sie erm¨oglichen die, durch ander sind22 , die zum gleichen Resultat f¨ die willk¨ urliche“ Verteilung der Faktorausstattung auf die verschiedenen ” L¨ander hervorgerufenen, Verzerrungen“ auszugleichen und in allen L¨andern ” 20 Die
Faktoren wandern in das Land, in dem deren relative Entlohnung h¨ oher als im Ursprungsland ist. Durch die Zunahme der Ausstattung mit diesem Faktor sinkt aber dessen Wertgrenzprodukt und damit einhergehend dessen Entlohnung. Herrscht nun in allen L¨ andern das gleiche Wertgrenzprodukt (da u ¨berall die gleiche relative Faktorausstattung vorliegt) und wird in allen L¨ andern mit der gleichen Produktionstechnologie produziert, heißt das, dass das Grenzprodukt in allen L¨ andern gleich ist. Bei identischen Pr¨ aferenzen und identischer Technologie folgt daraus, dass die G¨ uterpreise in allen L¨ andern gleich sein m¨ ussen. Damit zeigt sich, dass die Faktorausstattung bei Autarkie die G¨ uterpreise determiniert und folglich bei gleicher relativer Faktorausstattung auch die gleichen relativen wie nominalen Faktor- und G¨ uterpreise herrschen werden. Es bestehen somit nur dann keine Wanderungsanreize aufgrund von Faktorpreisunterschieden mehr, wenn alle L¨ ander u ¨ber die gleiche relative Faktorausstattung wie die Welt verf¨ ugen. Jedes andere Verh¨ altnis kann unter diesen Bedingungen kein Gleichgewicht darstellen. 21 Friktionslos“ dr¨ uckt hierbei aus, dass keinerlei politische oder physische Handelshemm” nisse vorliegen, vgl. hierzu auch Abschnitt 4.4. 22 Die Substitutionsbeziehung ist angesichts der nur eingeschr¨ ankten Anwendbarkeit bei Handel nicht vollkommen perfekt, das heißt, bei Migration stellt sich das Ergebnis unter allgemeineren Bedingungen ein, wenngleich hier auch immer die Wanderungskosten ber¨ ucksichtigt werden m¨ ussen.
3.1 Inter-industrieller Handel (Heckscher-Ohlin-Samuelson)
83
vergleichbare Verh¨ altnisse herzustellen, wie sie durch die weltweite relative Faktorausstattung determiniert werden. Mit Hilfe des Faktorinhalts kann diese Substitutionsbeziehung noch besser dargestellt werden. Hierzu werden alle im Inland produzierten und konsumierten G¨ uter betrachtet. Produktion und Konsum sind beide determiniert durch den relativen Preis und fallen bei friktionslosem Handel und verschiedenen Faktorausstattungen nicht zusammen. Sowohl die im Inland produzierten als auch die konsumierten G¨ uter lassen sich in den Faktoreinsatz umrechnen, der zu ihrer Produktion ben¨ otigt wird. Stellt sich f¨ ur die G¨ uter 𝑛 und 𝑚, wobei 𝑛, 𝑚 = 𝑋, 𝑌 mit 𝑛 ∕= 𝑚, die Situation folgendermaßen dar, 𝑄𝑛 (𝐾𝑛 , 𝐿𝑛 ) − 𝐶𝑛 (𝐾𝑛 , 𝐿𝑛 ) > 0
(3.10)
𝑄𝑚 (𝐾𝑚 , 𝐿𝑚 ) − 𝐶𝑚 (𝐾𝑚 , 𝐿𝑚 ) < 0,
(3.11)
wobei 𝑄 die inl¨ andische Produktion und 𝐶 den inl¨andischen Konsum bezeichnen23 , ist offensichtlich, dass Gut 𝑛 exportiert und Gut 𝑚 importiert wird. Da aber die Produktionstechnologie und die G¨ uterpreise u ¨berall gleich sind, kann daraus der gehandelte Faktorinhalt berechnet werden. So kann der produzierte beziehungsweise konsumierte Wert mit den jeweiligen Einheitswertvektoren multipliziert werden, um analog zu (3.8) beziehungsweise (3.9) die daf¨ ur ben¨ otigten Faktoreinsatzmengen zu errechnen. Ist beispielsweise 𝑋 das Exportgut, impliziert (3.10), dass mehr Kapital in die Produktion von 𝑋 fließt als konsumiert wird und damit das restliche in der Produktion von 𝑋 verwendete Kapital f¨ ur den Export zur Verf¨ ugung steht. Ebenso wird allerdings auch – in wesentlich geringerem Umfang – Arbeit exportiert.24 Umgekehrt impliziert (3.11), dass Arbeit sowie etwas Kapital importiert werden. Insgesamt betrachtet wird damit aber netto Kapital exportiert und Arbeit importiert. Herrscht durch friktionslosem Handel u ¨berall der gleiche relative Preis, so wird auch in allen L¨ ander die gleiche Faktorkombination konsumiert“ ” beziehungsweise ist demnach auch der relative Konsum zweier L¨ander 𝑖 und 𝑗 gleich,25 𝑗 𝑖 𝐶𝑋 /𝐶𝑌𝑖 = 𝐶𝑋 /𝐶𝑌𝑗 . 23 Da
(3.12)
der Konsum abh¨ angig vom Einkommen ist und dieses wiederum aus der Faktorausstattung generiert wird, ist der Konsum ebenfalls eine Funktion der Faktorausstattung. 24 Insofern kann auch davon gesprochen werden, dass ein kapitalreiches Land nur deshalb das kapitalintensive Gut exportiert, weil nur durch dieses Gut mehr Kapital als Arbeit exportiert werden kann, bei dem Export des arbeitsintensiven Gutes w¨ urde es zu viel von seinem knappen Faktor verlieren“. ” 25 Dies basiert auf der Annahme weltweit identischer Pr¨ aferenzen.
84
3 Theoretische Grundlagenmodelle
Da gleiche relative Preise und Technologien implizieren, dass in der Produktion (und damit im Konsum) die Faktoren u ¨berall in gleichem Umfang eingesetzt werden, gilt ebenfalls, dass auch die gleichen relativen Faktoreinsatzmengen konsumiert werden. Werden alle diese Faktoren aggregiert, m¨ ussen die konsumierten“ relativen Faktoren im Gleichgewicht der rela” tiven Weltfaktorausstattung entsprechen.26 Ein Land, das bereits ex ante die gleiche relative Faktorausstattung wie die Welt (beziehungsweise sein Handelspartner) hat, wird sich folglich nicht am Welthandel beteiligen und seine Kapital- und Arbeitsimporte sowie -exporte w¨aren null. Je un¨ahnlicher ein Land gegen¨ uber seinem Handelspartner wird, desto mehr nimmt das Handelsvolumen zu, da mehr Faktoren ausgetauscht“ werden m¨ ussen, ” damit beide die gleiche relative Faktorausstattung erreichen. Diese Aussage gilt insofern nur eingeschr¨ ankt, als bei zu un¨ ahnlichen L¨andern das Problem der Spezialisierung auftauchen kann. Abbildung 3.4: Einkommen und Handelsvolumen innerhalb und außerhalb des Diversifikationskegels kX
K
k
K
W
kX
W
k
kY kY
O
L a. Isoeinkommenskurven
O
L b. Isohandelskurven
Quelle: Abbildung b in Anlehnung an Helpman und Krugman (1985, Figure 1.7, S. 24).
Den Zusammenhang zwischen der Lage des Faktorausstattungspunkts innerhalb oder außerhalb des Diversifikationskegels und dem (gesamtwirtschaftlichen) Einkommen beziehungsweise dem Handelsvolumen zeigen Abbildung 3.4a beziehungsweise Abbildung 3.4b. Die Isoeinkommenskurve – 26 Geometrisch
kann durch die Linearkombination aller Faktorkonsumvektoren der Weltfaktorausstattungsvektor ebenso gebildet werden, wie durch die Linearkombination aller Faktoreinsatzvektoren.
3.1 Inter-industrieller Handel (Heckscher-Ohlin-Samuelson)
85
der geometrische Ort aller Faktorkombinationen, die das gleiche Einkommen generieren – verl¨ auft innerhalb des Diversifikationskegels linear mit der Steigung −𝑤/𝑟 (entsprechend der Einheitskostengerade). Je weiter außen die Kurven verlaufen, desto h¨ oher ist das Einkommen. Außerhalb des Kegels muss zur Kompensation daf¨ ur, dass relativ wenig von dem relativ hoch entlohnten, knappen Faktor vorhanden ist, relativ viel von dem reichlichen Faktor, der entsprechend seines nur geringen Wertgrenzprodukts entlohnt wird, vorhanden sein, um ein bestimmtes Einkommensniveau zu garantieren. Daher biegt sich die Isoeinkommenskurve in Richtung der jeweiligen Achsen, da die Steigung −𝑤/𝑟 nicht l¨ anger konstant ist – je h¨oher die Ausstattung des reichlichen Faktors, desto geringer ist dessen relative Entlohnung. Die Isohandelskurven – die geometrischen Orte gleichen Handelsvolumens – verlaufen innerhalb des Kegels parallel zur relativen Weltfaktorausstattung. Je weiter entfernt sich die relative Faktorausstattung des Landes von der relativen Weltfaktorfaktorausstattung 𝑘 𝑊 befindet, desto gr¨oßer ist das Handelsvolumen.27 Um auch außerhalb des Kegels ein bestimmtes Niveau zu garantieren, muss, damit der Einkommensr¨ uckgang wie er in Abbildung 3.4a aufgezeigt wurde, kompensiert wird, ebenfalls eine h¨ohere Ausstattung mit dem relativ reichlichen Faktor gegeben sein.
3.1.4 Produktionsstruktur und Handelsmuster im 2×2×2-Fall Mit den bisherigen Ergebnissen kann nun abschließend f¨ ur den 2×2×2-Fall eine Gesamtschau erfolgen. Zur vollst¨ andigen Beschreibung der Produktionsstruktur muss die Analyse, wie sie in Abschnitt 3.1.2 erfolgte, allerdings erweitert werden, um auch die Bereiche außerhalb des Diversifikationskegels zu erfassen. Zu diesem Zweck stellt Abbildung 3.5 eine erweiterte Version der in Abbildung 3.3 dargestellten Situation dar. In Abbildung 3.5 wird als Referenzfall die Faktorausstattung 𝐸0 angenommen. Alle Ausstattungspunkte links davon haben die gleiche Kapital- aber eine geringere Arbeitsausstattung und weisen somit eine h¨ ohere Kapitalreichlichkeit auf. Alle Ausstattungspunkte unterhalb von 𝐸0 sind dementsprechend als arbeitsreicher anzusehen. Alle Faktorausstattungspunkte im Diversifikationskegel (Bereich zwischen 𝑘𝑋 und 𝑘𝑌 ) sind dadurch gekennzeichnet, dass sie eine Produktion beider G¨ uter in echt positiven Mengen erlauben. Hingegen wird bei einer # » Ausstattung von 𝐸𝑋 ausschließlich Gut 𝑋 im Wert von ∣𝐸𝑋 ∣/∣𝑥#»1 ∣ und bei 27 Die
Begr¨ undung erfolgt in der Diskussion zu Abbildung 3.6 im n¨ achsten Abschnitt.
86
3 Theoretische Grundlagenmodelle
# » 𝐸𝑌 ausschließlich Gut 𝑌 im Wert von ∣𝐸𝑌 ∣/∣𝑦#»1 ∣ hergestellt. Die optimale Produktionsmenge des anderen Gutes ist dabei gerade null. Abbildung 3.5: Produktionsstruktur bei gegebener Faktorausstattung: Diversifizierung und Spezialisierung K
kX E’X
EX
E0
E1
~X E’
E2
fX
kY
EY fY E’Y
O
L
Liegt der Faktorausstattungspunkt außerhalb des Diversifikationskegels, so spezialisiert sich das Land vollst¨ andig auf die Produktion des Gutes, in ¨ dessen Produktion der Faktor intensiv eingesetzt wird, mit dem die Oko¨ nomie im Uberfluss ausgestattet ist, und es kommt folglich zu einer Rand’ , w¨are die optimale l¨osung. Im Fall eines sehr kapitalreichen Landes, 𝐸𝑋 Produktionsmenge von 𝑌 im Optimum negativ: Bei den gegebenen Preisen und der Technologie w¨ urde das Land gerne Gut 𝑌 leerverkaufen“, um da” durch mehr Faktoren f¨ ur die Produktion von 𝑋 zu erhalten. Damit weiterhin Vollbesch¨ aftigung sichergestellt ist, werden sich die Faktorpreise ¨andern: Im konkreten Fall wird der Kapitalzins sinken und der Arbeitslohn steigen. Wie die eingezeichnete Wertisoquante von 𝑋 in der Abbildung verdeutlicht, kann eine deutlich geringere, aber in Bezug auf die Kapitalausstattung weniger ex˜𝑋 ’ den gleichen Output erzeugen. Zu beachten ist, dass treme Ausstattung 𝐸 ein Land in Autarkie, sofern die Konsumenten beide G¨ uter nachfragen, niemals ein solches Spezialisierungsmuster aufweisen wird. Die Nachfrage nach beiden G¨ utern w¨ urde schließlich den relativen Preis so ¨andern (und damit den durch die Lage der Einheitswertisoquanten bestimmten Diversifikationskegel), dass das Angebot an beiden G¨ utern gleich der Nachfrage nach beiden G¨ utern ist. Eine Spezialisierung kann also nur bei Handel auftreten
3.1 Inter-industrieller Handel (Heckscher-Ohlin-Samuelson)
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auftreten, wenn aus Sicht des Landes am Weltmarkt zu extreme“ Preise ” herrschen. Die bisherigen Betrachtungen erfolgten allesamt immer nur aus Sicht eines Landes; es wurde ausschließlich die (relative) Faktorausstattung dieses Landes betrachtet und aufgezeigt, wie die Produktionsstruktur ausgestaltet sein wird. Die Kombination zweier Lerner-Diagramme zu einer EdgeworthBox in Abbildung 3.6 l¨ asst hingegen eine gleichzeitige Aussage u ¨ber das Inland und das Ausland (Rest der Welt) zu.28 Der eingezeichnete Faktorausstattungspunkt 𝐸 dr¨ uckt hier simultan die Ausstattung beider L¨ander aus: Aus Sicht des Inlands H ist die Faktorausstattung durch (𝐾𝐻 , 𝐿𝐻 ) beschrieben, aus Sicht des Auslands F lautet sie (𝐾𝐹 , 𝐿𝐹 ), womit die weltweite Faktorausstattung insgesamt (𝐾𝐻 + 𝐾𝐹 , 𝐿𝐻 + 𝐿𝐹 ) betr¨agt. Damit lassen sich bei zwei L¨ andern, zwei G¨ utern und zwei Faktoren insgesamt sieben Produktionsstrukturkombinationen, drei Handelsmuster und zehn Produktionsstruktur-Handelsmuster-Kombinationen identifizieren.29 Die sieben m¨ oglichen Produktionsstrukturen sind dabei bezogen auf die Produktion des Inlands und des Auslands (angegeben in der Form Pro” duktionsstruktur Inland (Produktionsstruktur Ausland)“): 𝑋(𝑌 ), 𝑋(𝑋𝑌 ), 𝑋𝑌 (𝑌 ), 𝑋𝑌 (𝑋𝑌 ), 𝑌 (𝑋𝑌 ), 𝑋𝑌 (𝑋) und 𝑌 (𝑋). Als m¨ogliche Handelsmuster kann das Inland 𝑋 gegen 𝑌 und 𝑌 gegen 𝑋 tauschen oder aber auf Handel verzichten. Dies ist dann der Fall, wenn sich die relative Faktorausstattung auf der Diagonalen der Box befindet. Diese Diagonale repr¨asentiert die relative Faktorausstattung der Welt30 , womit ein Ausstattungspunkt auf der Diagonalen impliziert, dass beide L¨ander die gleiche relative Faktorausstattung besitzen und damit keinen Anreiz dazu haben, miteinander Handel zu treiben. Die m¨ oglichen Produktionsstruktur-HandelsmusterKombinationen sind alle (mit Ausnahme der kein Handel“-Kombination) ” in Abbildung 3.6 eingezeichnet. Das Gut in Klammern stellt dabei immer das Exportgut des jeweiligen Landes dar beziehungsweise analog das Importgut des anderen Landes. Die zehnte M¨ oglichkeit befindet sich genau auf der Diagonalen: Hier produzieren beide L¨ ander beide G¨ uter (𝑋𝑌 [𝑋𝑌 ]), es findet jedoch kein (inter-industrieller) Handel statt. ¨ Wie die Uberlegungen im vorigen Abschnitt zeigten, nimmt das Handelsvolumen innerhalb des (jeweiligen) Diversifikationskegels zu, je weiter die relative Faktorausstattung von der Diagonalen entfernt liegt (Helpman und 28 Diese
Darstellung erlaubt eine F¨ ulle an Aussagen. Eine ausf¨ uhrliche Analyse dieser Darstellung findet sich bei Helpman und Krugman (1985, Kap. I.1). 29 Vgl. hierzu auch Cheng et al. (2004). 30 Dies l¨ asst sich leicht an der Steigung der Geraden erkennen, (𝐾𝐻 + 𝐾𝐹 ) / (𝐿𝐻 + 𝐿𝐹 ).
88
3 Theoretische Grundlagenmodelle
Abbildung 3.6: Produktionsstruktur und Handelsmuster zweier L¨ ander in der Edgeworth-Box LF K
kX
F H: XY (X) F: Y (Y)
H: X (X) F: Y (Y)
H: XY (X) F: XY (Y)
kY H: X (X) F: XY (Y) E
H: XY (Y) F: XY (X)
H: XY (Y) F: X (X)
kY KF
KH H: Y (Y) F: XY (X) H
LH
H: Y (Y) F: X (X) kX
L
Anm.: Die Kennzeichnung ist wie folgt zu lesen: Land: Produktion (Exportgut)“. Lese” beispiel: F: 𝑋𝑌 (𝑌 )“ bedeutet, dass das Ausland (F) die beiden G¨ uter 𝑋 und 𝑌 ” produziert und das Gut 𝑌 exportiert. Die eingezeichnete Aufteilung der Weltfaktorausstattung auf die beiden L¨ ander 𝐸 impliziert damit, dass kein Land spezialisiert ist, das Inland H Gut 𝑋 exportiert und 𝑌 importiert.
Krugman, 1985, S. 22–24) und damit je unterschiedlicher die L¨ander sind. Dadurch lassen sich Orte gleich hohen Handelsvolumens als Parallelen zur Diagonalen bestimmen (vgl. auch Helpman und Krugman, 1985, Figure 1.7, S. 24 und Abbildung 3.4b). Das Handelsvolumen ist dabei unabh¨angig davon, u ¨ber wie viele Faktoren ein Land im Vergleich zum anderen Land verf¨ ugt – einzig auf der Diagonalen betr¨ agt das Handelsvolumen immer null. Sowohl innerhalb als auch außerhalb des Diversifikationskegels wird ein Land dasjenige Gut exportieren, das den Faktor relativ intensiv nutzt mit dem es relativ reichlich ausgestattet ist. Allerdings kann das Ergebnis der sogenannten integrierten Weltwirtschaft“31 ausschließlich in dem Bereich erzielt ” 31 Die
Bedeutung, die der Welt als Ganzes beziehungsweise der weltweiten Faktorausstattung zukommt, wird in der modernen Außenhandelstheorie unter dem Stichwort der integrierten Weltwirtschaft“ hervorgehoben. Davis (1995, S. 209) und Deardorff ”
3.1 Inter-industrieller Handel (Heckscher-Ohlin-Samuelson)
89
werden, in dem beide L¨ ander nicht spezialisiert sind. Hier gilt ein eineindeutiger Zusammenhang zwischen G¨ uterpreisen und Faktorpreisen (Vanek, 1968, S. 750), das heißt, hier kommt es zum Faktorpreisausgleich zwischen beiden L¨ andern. Daher wird dieser Bereich in der Literatur als FPE (factor price equalization) bezeichnet und ist letztlich die Schnittmenge beider Diversifikationskegel.
3.1.5 Erweiterungen des 2×2×2-Modells Nach der grundlegenden Darstellung des 2×2×2-Falls sollen die folgenden Erweiterungen dazu dienen, Modifikationen am HOS-Modell vorzustellen, ¨ um die notwendigen Voraussetzungen f¨ ur die Uberlegungen in Kapitel 4 zu schaffen. Dabei sollen insbesondere auch Probleme aufgezeigt werden, die in der modelltheoretischen Analyse umgangen werden k¨onnen. Zun¨achst stellt die Betrachtung mehrerer L¨ ander in Abschnitt 3.1.5.1 nochmals die Bedeutung des Konzepts des Faktorinhalts heraus und festigt damit auch die diesem Konzept zugedachte Relevanz in der weiteren Analyse. Der zweite Abschnitt 3.1.5.2 verdeutlicht schließlich, dass die Betrachtung zus¨atzlicher G¨ uter im allgemeinen Fall f¨ ur die Aussagekraft des HOS-Modells problematisch sein kann. (2006, S. 142) verstehen darunter diejenige Ressourcenallokation, die sich bei vollst¨ andiger Mobilit¨ at der G¨ uter und Faktoren einstellen w¨ urde. Der Begriff der vollst¨ andig integrierten Weltwirtschaft geht zur¨ uck auf Dixit und Norman (1982, S. 111): [J]edes ” Außenhandelsgleichgewicht, in dem die Faktoren immobil, aber die Faktorpreise zuf¨ allig ausgeglichen sind, [muss] ebenfalls ein Außenhandelsgleichgewicht sein, in dem die Faktoren wandern k¨ onnen.“ Dies ergibt sich aus den Bedingungen der Faktor- und G¨ u¨ termarktr¨ aumungen sowie der Nullgewinnbedingung. Erste Uberlegungen hierzu finden sich bereits bei Samuelson (1948, S. 176). Unter bestimmten Bedingungen, wie etwa der Abwesenheit von Transportkosten und weltweit identischen Konsumentenpr¨ aferenzen, kann durch Handel die gleiche Produktionsmenge realisiert werden, wie in der hypothetischen Situation, in der alle Produktionsfaktoren der Welt in nur einem Land geb¨ undelt sind. Allerdings sind nicht alle Faktorallokationen auf die einzelnen L¨ ander dazu geeig¨ net, diesen Zustand bei Faktorimmobilit¨ at zu replizieren. Wie die vorigen Uberlegungen zu Abbildung 3.5 nahe legen, ist eine wichtige Bedingung, dass kein Land vollkommen spezialisiert ist, da hierdurch keine weltweit optimale Allokation erreicht werden kann. Dies ist leicht nachzuvollziehen, da in einem spezialisierten Land alle Faktoren in einem Sektor gebunden sind und dadurch unter weltweiten Gesichtspunkten als ineffizient alloziiert angesehen werden. F¨ ur den Fall, dass kein Land spezialisiert ist, gilt f¨ ur alle L¨ ander das Faktorpreisausgleichstheorem (vgl. Abschnitt 3.1.2 und insbesondere den in Abbildung 3.1 erkennbaren Zusammenhang zwischen G¨ uter- und Faktorpreisen). Im Umkehrschluss gilt damit, dass, wenn in allen L¨ andern die gleichen absoluten Faktorpreise vorliegen, die integrierte Weltwirtschaft repliziert werden kann.
90
3 Theoretische Grundlagenmodelle
3.1.5.1 Mehr als zwei L¨ ander Das Lerner-Diagramm ist dazu geeignet die Handels- und Produktionsstruktur von mehr als zwei L¨ andern gleichzeitig zu analysieren und dabei auch die Welt als Ganzes darzustellen. In Abbildung 3.7a sind exemplarisch drei L¨ ander, repr¨ asentiert durch deren Faktorausstattungen, 𝐸1 , 𝐸2 und 𝐸3 , sowie die gesamte Weltfaktorausstattung 𝐸𝑊 eingezeichnet. Diese kann durch Addition der Faktorausstattungen der drei L¨ander errechnet werden beziehungsweise graphisch durch Linearkombination der drei Faktorausstattungsvektoren der L¨ ander gebildet werden. Sowohl Abbildung 3.7a als auch Abbildung 3.7b stellen eine Situation dar, in der sich alle L¨ ander beziehungsweise deren Faktorausstattungen in dem Diversifikationskegel befinden, der bereits die nach der Handelsaufnahme vorherrschenden relativen G¨ uterpreise repr¨asentiert. Damit ist kein Land vollkommen spezialisiert und alle Aussagen des HOS-Modells haben G¨ ultigkeit. Um eine Aussage u ¨ber das Handelsmuster treffen zu k¨onnen, werden zu#» #» #» n¨ achst alle Ausstattungsortsvektoren der L¨ ander 𝐸1 , 𝐸2 und 𝐸3 (nicht ein# » gezeichnet) mit demjenigen der Welt 𝐸𝑊 verglichen. Land 1 ist kapitalrei# » #» auft steiler“32 als 𝐸𝑊 ), Land 2 ist arbeitscher als die Welt (Vektor 𝐸1 verl¨ # » #» ” auft flacher“ als 𝐸𝑊 ) und Land 3 weist reicher als die Welt (Vektor 𝐸2 verl¨ #» ” die gleiche relative Faktorausstattung wie die Welt auf (Vektor 𝐸3 hat die # » gleiche Steigung“ wie 𝐸𝑊 ). ” Mit diesen Informationen kann das Heckscher-Ohlin-Theorem angewandt werden: Jedes Land wird dasjenige Gut exportieren beziehungsweise hat in demjenigen Gut einen komparativen Kostenvorteil, das jenen Faktor intensiv nutzt, mit dem es relativ reichlich ausgestattet ist. Demzufolge wird Land 1 das kapitalintensive Gut 𝑋 und Land 2 das arbeitsintensive Gut 𝑌 exportieren, w¨ ahrend sich Land 3 u ¨berhaupt nicht am internationalen (inter-industriellen) Handel beteiligen wird. Diese Aussagen lassen sich auch mit Hilfe des Faktorinhalts ableiten, der, wie Abbildung 3.7b verdeutlicht, relativ einfach aus dem Diagramm abgelesen werden kann. Nach (3.10) werden insgesamt Faktoren im Umfang von #» #» 𝑓𝑖 − 𝑐#»𝑖 exportiert und nach (3.11) im Umfang von 𝑐#»𝑗 − 𝑓𝑗 importiert, wo#» bei der Vektor 𝑓 die Faktoren angibt, die zur gleichgewichtigen Produktion 32 Ein
Vektor an sich weist keine Steigung, sondern lediglich eine Richtung auf. Jedoch kann in 𝑅2 im kartesischen Koordinatensystem durch einen beliebigen Punkt und den Vektor eine Gerade beschrieben werden, deren Steigung berechnet werden kann. Im Folgenden wird daher die Steigung“ eines Vektors als Kurzform f¨ ur die korrekte For” mulierung die Steigung einer durch den Vektor beschriebenen Geraden“ verwendet. ”
3.1 Inter-industrieller Handel (Heckscher-Ohlin-Samuelson)
91
verwendet werden und #» 𝑐 die Faktoren bezeichnet, die tats¨achlich im Land konsumiert werden. Um den Netto-Export zu errechnen, muss der Import vom Export subtrahiert werden, ) ( ( #» #») ( #» #») #» 𝑓𝑖 − 𝑐#»𝑖 − 𝑐#»𝑗 − 𝑓𝑗 = 𝑓𝑖 + 𝑓𝑗 − ( 𝑐#»𝑖 + 𝑐#»𝑗 ) = 𝐸 − 𝑠#𝐸»,
(3.13)
asentiert. Die gehandelten“ Fakwobei 𝑠#𝐸» die konsumierten Faktoren repr¨ ” toren stellen sich damit als Differenz zwischen der Faktorausstattung des Landes und den im Land konsumierten Faktoren dar. Abbildung 3.7: Drei-L¨ ander-Fall, Faktorinhalt und Produktion bei friktionslosem Handel K
kX
K
kX EW
EW
KW
E K1 K2 K3
E1
fX s2
E3 s1 s3
sE
kY
kY
cX
E2
cY fY
O
L3 L1
L2
LW
L
O
a. Drei-Länder-Fall
L b. Faktorinhalt
# » Die Steigung des Vektors 𝐸𝑠𝐸 wiederum kann mit 𝑤/𝑟 angegeben werden. Der Beweis l¨ asst sich unter Zuhilfenahme der Budgetrestriktion“ eines ” uhren. SchließLandes, die durch die Kostengerade gegeben ist33 , einfach f¨ lich bilden die Kosten“ der Faktoren, die Faktorentlohnungen, aus Sicht des ” jeweiligen Faktoreigners das zum Konsum (einzig) verf¨ ugbare Einkommen. ¨ Da die Okonomie aus lediglich zwei Faktoren besteht und die Unternehmen (¨ okonomische) Nullgewinne erwirtschaften, ist damit auch das Gesamteinkommen 𝐼 bestimmbar, 𝐼 = 𝑟𝐾 + 𝑤𝐿. 33 Vgl.
hierzu auch die Einheitskostengerade (3.4).
(3.14)
92
3 Theoretische Grundlagenmodelle
Annahmegem¨ aß wird von Sparen und Kreditaufnahmen abstrahiert, daher steht genau dieses Einkommen zum Konsum zur Verf¨ ugung. In Abbildung 3.7a h¨ atte Land 3 beispielsweise ein Einkommen von eins, schließlich liegt seine Faktorausstattung genau auf der Einheitskostengeraden. Prinzipiell kann ein Land jede Faktorkombination beziehungsweise das dadurch repr¨ asentierte, aufgrund der gegebenen Technologie und den (relativen) Preisen, eindeutig determinierte G¨ uterb¨ undel konsumieren, das (3.14) erf¨ ullt. Steht einem Land die M¨ oglichkeit offen mit anderen L¨andern Handel zu treiben, kann es folglich auch nur diejenigen Faktorkombinationen konsumieren, die es sich mit dem von seinen vorhandenen Faktoren erwirtschafteten Einkommen leisten kann. Aus diesem Grund muss im Gleichgewicht die Bedingung erf¨ ullt sein, dass 𝑟𝐾 + 𝑤𝐿 = 𝑟𝐾𝐶 + 𝑤𝐿𝐶 ,
(3.15)
wobei sich 𝑟 und 𝑤 aus dem allgemeinen Gleichgewicht ergeben und 𝐾𝐶 beziehungsweise 𝐿𝐶 die konsumierten“ Faktoren repr¨asentieren.34 ” Eine der Grundaussagen des HOS-Modells lautet, dass durch (friktionslosen) Handel immer der reichlich vorhandene Faktor eines Landes gewinnt, w¨ahrend der knappe Faktor verliert. Bezeichnen Δ𝑟 > 0 und Δ𝑤 < 0 die ¨ ¨ Anderungen der Faktorentlohnung bei einem Ubergang von Autarkie zu friktionslosem Handel, impliziert dies hier aber, dass solange Δ𝑟𝐾 + Δ𝑤𝐿 > 0 gilt, das Einkommen eines Landes durch Handelsaufnahme zunimmt. Dadurch kann sich das Land folglich mehr leisten als unter Autarkie, wodurch die Wohlfahrt steigen wird.35 Schließlich kann (3.15) umgestellt werden, wodurch sich die Steigung des Vektors ergibt, 𝐾 − 𝐾𝐶 𝑤 =− . 𝑟 𝐿 − 𝐿𝐶
(3.16)
Die linke Seite der Gleichung ist ein anderer Ausdruck f¨ ur die Steigung von # » 𝐸𝑠𝐸 .36 34 Im
Sinne der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung interpretiert, muss hier die Entstehungs- gleich der Verwendungsseite sein. Selbstverst¨ andlich fallen bei Autarkie die konsumierten und vorhandenen Faktoren zusammen. 35 Diese Aussage ist immer zutreffend, vgl. Anhang A.5. 36 Es gilt n¨ amlich: ( ) ( ) ) ( #» # » 𝐾 𝐾 − 𝐾𝐶 𝐾𝐶 = . − −𝐸𝑠𝐸 = 𝐸 − 𝑠#𝐸» = 𝐿 𝐿𝐶 𝐿 − 𝐿𝐶
3.1 Inter-industrieller Handel (Heckscher-Ohlin-Samuelson)
93
Aus (3.12) kann gefolgert werden, dass entsprechend der weltweiten relativen Faktorausstattung, das heißt 𝐾𝐶 /𝐿𝐶 = 𝐾𝑊 /𝐿𝑊 , wobei der Index 𝑊 Variablen der Welt kennzeichnet, in allen L¨ andern die gleichen relativen Mengen (und damit einhergehend auch der gleiche relative Faktoreinsatz) konsumiert werden. Dieses Resultat zusammen mit Gleichung (3.15) erm¨oglicht es, die in einem Land konsumierten Faktoren in Abh¨angigkeit von den Faktorentlohnungen und der weltweiten Faktorausstattung zu berechnen, ( ) 𝑟 + 𝑤 𝐿/𝐾 𝑟𝐾 + 𝑤𝐿 (3.17) =𝐾 𝐾𝐶 = 𝐾𝑊 𝑟𝐾𝑊 + 𝑤𝐿𝑊 𝑟 + 𝑤 (𝐿𝑊 /𝐾𝑊 ) ( ) 𝑟 𝐾/𝐿 + 𝑤 𝑟𝐾 + 𝑤𝐿 𝐿 𝐶 = 𝐿𝑊 . (3.18) =𝐿 𝑟𝐾𝑊 + 𝑤𝐿𝑊 𝑟 (𝐾𝑊 /𝐿𝑊 ) + 𝑤 Die jeweils erste Gleichung in (3.17) und (3.18) zeigt, dass ein Land einen Faktor in dem Anteil an der Weltausstattung konsumiert, mit dem es am weltweiten Faktoreinkommen beteiligt ist. Die jeweils zweite Gleichung erlaubt es wiederum, den Faktorimport und -export zu bestimmen. Ist etwa ein Land relativ reichlicher als die Welt mit Kapital ausgestattet, das heißt 𝐾/𝐿 > 𝐾𝑊 /𝐿𝑊 , zeigt sich, dass 𝐾𝐶 < 𝐾 und 𝐿𝐶 > 𝐿, es mithin Kapital exportiert und Arbeit importiert. Verf¨ ugt ein Land u ¨ber die gleiche relative Faktorausstattung wie die Welt, so ist zu erkennen, dass das Land keine Faktoren im- oder exportieren wird und damit nat¨ urlich auch keine G¨ uter ¨ mit dem Rest der Welt austauscht. Die Okonomie wird nur die im Land verf¨ ugbaren Faktoren konsumieren, 𝐾𝐶 = 𝐾 und 𝐿𝐶 = 𝐿. Aus diesem Grund wird sich in Abbildung 3.7a Land 3 nicht am Handel beteiligen. W¨ urde die Welt nur aus Land 1 und Land 3 oder Land 2 und Land 3 bestehen, w¨are die weltweite relative Faktorausstattung von derjenigen von Land 3 verschieden ¨ und diese Okonomie w¨ urde Außenhandel betreiben. Andererseits befindet sich Land 3 bereits bei Autarkie im Idealzustand“, schließlich herrschen die ” gleichen Bedingungen (die gleichen relativen G¨ uterpreise) wie sie auch bei friktionslosem Handel vorliegen. Damit kann zusammengefasst werden, dass der genaue Faktorkonsum (und damit einhergehend der G¨ uterkonsum) eines Landes abh¨angig ist von seiner relativen Faktorausstattung ebenso wie von der weltweiten relativen Faktorausstattung. In Folge dessen ist es m¨oglich, von den Faktorausstattungspunkten auf die Faktorkonsumpunkte zu schließen und daraus den Vektor der gehandelten Faktoren zu bestimmen, indem, ausgehend vom Ausstattungspunkt des Landes, eine Parallele zur Einheitskostengerade (Steigung −𝑤/𝑟) auf den Weltfaktorausstattungsvektor konstruiert wird.
94
3 Theoretische Grundlagenmodelle
# » Der Schnittpunkt mit diesem Vektor 𝐸𝑊 stellt dann den jeweiligen Konsumpunkt dar. In Abbildung 3.7a befindet sich der Faktorkonsumpunkt von ahrend er bei Land 3 mit dem FakLand 1 bei 𝑠1 und von Land 2 bei 𝑠2 , w¨ torausstattungspunkt zusammenf¨ allt. Diese Faktorkonsumpunkte erlauben es schließlich, weitere Aussagen u ¨ber den Außenhandel zu erm¨oglichen. Diese Punkte bestimmen jeweils einen Ortsvektor 𝑠#»1 beziehungsweise 𝑠#»2 , die den jeweiligen Anteil der L¨ ander am Welt-Einkommen wiedergeben, da # » #» #» #» sich 𝑠1 , 𝑠2 und 𝑠3 genau zum Weltvektor 𝐸𝑊 addieren und in allen L¨andern die gleichen Faktorentlohnungen wie in der Welt herrschen. Die Abbildung stellt eine Situation dar, in welcher der Lohn relativ h¨oher als der Zinssatz ausf¨ allt (daran zu erkennen, dass 1/𝑟 gr¨oßer als 1/𝑤 ist). Das bedeutet, dass das arbeitsreichere Land 2 einen gr¨oßeren Anteil am Welt-Einkommen hat, da es reichlich mit dem weltweit knappen Faktor ausgestattet ist. Diese Knappheit muss sich nicht durch eine tats¨achliche Knappheit des Faktors in dem Sinne ausdr¨ ucken, dass dieser relativ weniger vorhanden ist als der andere Faktor, sondern kann auch daraus resultieren, dass das arbeitsintensive Gut mehr von den Konsumenten pr¨aferiert wird als das kapitalintensive Gut. Welches Land reich“ oder arm“ ist, h¨ angt damit von den gleichen Fakto” ” ren ab, wie die Entlohnungen der Faktoren und zus¨atzlich nat¨ urlich auch von der Faktorausstattung des Landes. Der Anteil des kapitalreichen Landes 1 am Welt-Einkommen wird etwa mit steigendem Zinssatz zunehmen und ab ureinem kritischen Wert sogar den von Land 2 u ¨bersteigen.37 Dadurch w¨ de sich auch der gehandelte Faktorinhalt ¨ andern. Einzig f¨ ur Land 3 bleibt die Situation unver¨ andert, sowohl was den Anteil am Welt-Einkommen, als auch die Nichtbeteiligung am Handel betrifft. # » Ferner ist der Handel hier immer ausgeglichen: Der Vektor 𝐸1 𝑠1 bestimmt den Faktorinhalt, den Land 1 handelt, wobei die Richtung des Vektors einen Kapitalexport 𝐾𝐶 < 𝐾 und einen Arbeitsimport 𝐿𝐶 > 𝐿 impliziert, schließlich ist das Land relativ kapitalreicher als die Welt. Analog zeigt der Vektor # » 𝐸2 𝑠2 , dass Land 2 Arbeit exportiert und Kapital importiert. Da nur Land 1 und Land 2 handeln, weisen hier beide Vektoren den gleichen Betrag auf, verlaufen aber in die entgegengesetzte Richtung, das heißt, die Menge an Kapital, die Land 1 exportiert ist genau die Menge an Kapital, die Land 2 importiert und die Menge an Arbeit, die Land 1 importiert ist genau die Menge, die Land 2 exportiert. 37 Aus
der Graphik ist leicht zu erkennen, dass dies dann der Fall w¨ are, wenn die Steigung # » der Einheitskostengerade, 𝑤/𝑟, flacher ist als die Steigung des Vektors 𝐸1 𝐸2 .
3.1 Inter-industrieller Handel (Heckscher-Ohlin-Samuelson)
95
3.1.5.2 Mehr als zwei Gu ¨ ter Im n¨ achsten Schritt wird die Betrachtung auf drei produzierbare G¨ uter, 𝑋, 𝑌 und 𝑍 – bei gleichbleibend zwei Produktionsfaktoren – ausgeweitet. Die Kapitalintensit¨ at in der Produktion von Gut 𝑍 liege dabei zwischen derjenigen von Gut 𝑋 und Gut 𝑌 . Wie Feenstra (2004, S. 84) zeigt, ist in der Situation, in der die Anzahl der G¨ uter die Anzahl der Faktoren u ¨bersteigt, nicht mehr sichergestellt, dass ein Land (nach Handelsaufnahme) alle G¨ uter produziert.38 Im Normalfall wird ein Land genau so viele verschiedene G¨ uter produzieren, wie ihm unterschiedliche Faktoren zur Verf¨ ugung stehen, das heißt, es kann nur noch eine Randl¨ osung realisiert werden. Lediglich unter sehr speziellen Bedingungen wird ein Land alle drei G¨ uter produzieren, allerdings kann dann keine Aussage mehr dar¨ uber getroffen werden, wie die Faktoren auf die verschiedenen Sektoren alloziiert werden und damit, welche Mengen produziert werden (Melvin, 1968, S. 1262f.; Helpman und Krugman, 1985, S. 17). Abbildung 3.8a verdeutlicht zun¨ achst den Normalfall, in dem ein Land bei den herrschenden G¨ uterpreisen (maximal) zwei G¨ uter produzieren kann. Insgesamt k¨ onnen f¨ unf m¨ ogliche Produktionsstrukturen in Abh¨angigkeit von der relativen Kapitalausstattung eines Landes, 𝐾/𝐿 = 𝑘, unterschieden werden: (i.) (ii.) (iii.) (iv.) (v.)
𝑘 ≥ 𝑘𝑋 𝑋 𝑘𝑋 > 𝑘 > 𝑘𝑍 𝑋 𝑌 𝑘 𝑍 ≥ 𝑘 ≥ 𝑘𝑍 𝑌 𝑘𝑍 > 𝑘 > 𝑘𝑌 𝑘𝑌 ≥ 𝑘
: : : : :
Vollst¨ andige Spezialisierung auf Gut 𝑋 Produktion von Gut 𝑋 und Gut 𝑍 Vollst¨ andige Spezialisierung auf Gut 𝑍 Produktion von Gut 𝑍 und Gut 𝑌 Vollst¨ andige Spezialisierung auf Gut 𝑌
Die Produktionswerte lassen sich bei Kenntnis der Lage des Faktorausstattungspunktes genau bestimmen, schließlich sind die Einheitswertvektoren #»𝑌 #» 𝑧𝑋 angig von (𝑥#»1 , #» 1 sowie 𝑧 1 , 𝑦1 ) bekannt. Je nach Produktionsstruktur (abh¨ der Faktorausstattung) herrschen auch andere Faktorentlohnungen in der ¨ Okonomie – ein Faktorpreisausgleich ist nicht mehr sichergestellt. So wird ein kapitalreicheres Land (ii.) einen h¨ oheren Lohn 𝑤𝑋𝑍 und einen niedrigeren Zins 𝑟𝑋𝑍 aufweisen als ein arbeitsreicheres Land (iv.) mit 𝑤𝑍𝑌 und 𝑟𝑍𝑌 . Sehr arbeitsreiche L¨ ander (v.) werden den geringsten Lohn (und h¨ochsten 38 F¨ ur
eine ausf¨ uhrliche Diskussion des Zwei-Faktoren-Drei-G¨ uter-Falls vgl. Melvin (1968). Die hier durchgef¨ uhrte graphische Analyse findet sich auch bei Land (1959, S. 140–142).
96
3 Theoretische Grundlagenmodelle
Abbildung 3.8: Drei G¨ uter und zwei Faktoren: Randl¨ osung und Sonderfall K
kZ
Y
fX
kZY x1
fXZ
pX.X = 1 zX1 Y 1
z
O
E
kZX
1/rXZ
1/rZY
kX
K
kX
1/wXZ
fZ pZ.Z = 1 y1
kY
kY fY
p Y .Y = 1
1/wZY
L
a. Multiple Diversifikationskegel
O
L
b. Ambivalente Produktionsstruktur
Quelle: a in Anlehnung an Land (1959, Figure 5, S. 141).
Zins) aufweisen, w¨ ahrend in sehr kapitalreichen L¨andern (i.) der geringste Zins (und h¨ ochste Lohn) herrschen wird. Der Fall, dass ein Land alle drei G¨ uter produziert, kann in diesem Beispiel nicht eintreten, da in mindestens einem Sektor Verluste auftreten w¨ urden, das heißt, dass aus Sicht dieses Sektors die Produktionskosten zu hoch sind beziehungsweise der Preis zu gering ist (die Einheitswertisoquante liegt u ¨ber der Einheitskostengerade). ¨ Okonomisch betrachtet, erfordern die sich bei den herrschenden G¨ uterpreisen einstellenden Faktorpreise, dass die im Vergleich zu Gut 𝑌 kapitalintensiven G¨ uter 𝑋 und 𝑍 nur in einem Land produziert werden k¨onnen, das reichlich mit Kapital ausgestattet ist (wodurch dieser Faktor dort relativ billig ist), w¨ ahrend die im Vergleich zu 𝑋 arbeitsintensiven G¨ uter 𝑌 und 𝑍 nur in arbeitsreichen L¨ andern hergestellt werden k¨onnen. Zus¨atzlich gilt, das Gut 𝑍 – je nach Faktorreichlichkeit des Produktionsortes – entweder relativ kapitalintensiv oder relativ arbeitsintensiv hergestellt wird – je nachdem, welcher Faktor dort relativ billig ist. Die Spezialisierung auf maximal zwei G¨ uter ist dem Umstand geschuldet, 𝑋 𝑌 und 𝑘𝑍 𝑘𝑌 dass sich die beiden Zwei-G¨ uter-Diversifikationskegel“ 𝑘𝑋 𝑘𝑍 ”¨ nicht u ¨berlappen. Eine Anderung der Lage der beiden Kegel k¨onnte folglich dazu f¨ uhren, dass alle drei G¨ uter produziert werden k¨onnen. Da die Kegel durch die Einheiswertisoquanten bestimmt sind, k¨onnen sie ihre Lage nur dann ver¨ andern, wenn sich entweder die Produktionstechnologie ¨andert
3.1 Inter-industrieller Handel (Heckscher-Ohlin-Samuelson)
97
und/oder die G¨ uterpreise – da beide F¨ alle graphisch analog abgebildet werden k¨ onnen, wird im Folgenden von einer G¨ uterpreis¨anderung ausgegangen. So w¨ urde eine Erh¨ ohung von 𝑝𝑍 die Einheitswertisoquante von 𝑍 nach innen verschieben und h¨ atte damit zwei Effekte zur Folge: Zum einen wird der Bereich, in dem ein Land auf 𝑍 spezialisiert ist (iii.) gr¨oßer – es ist attraktiver geworden dieses Gut (ausschließlich) zu produzieren. Zum anderen aber werden die Bereiche in denen zwei G¨ uter produziert werden (ii. und iv.) kleiner und es werden zus¨ atzlich h¨ ohere Anforderungen an die Faktorreichlichkeit der L¨ ander gestellt, das heißt, nur noch L¨ander, die u ¨ber extrem viel von einem Faktor im Vergleich zum anderen Faktor verf¨ ugen, sind in der Lage, zwei G¨ uter zu produzieren. Gleichzeitig nimmt auch die Entlohnung des jeweils reichlichen Faktors ab und die des knappen zu. Eine Preiserh¨ ohung von Gut 𝑍 w¨ urde damit die Spezialisierung der L¨ander verst¨ arken. uhren, dass der BeDemzufolge w¨ urde eine Verringerung von 𝑝𝑍 dazu f¨ reich, in dem ein Land auf Gut 𝑍 spezialisiert ist, (iii.), kleiner wird und schließlich sogar ganz verschwindet. In Abbildung 3.8b ist die Situation dargestellt, in der die M¨ oglichkeit besteht, dass ein Land alle drei G¨ uter produziert. Das ist genau dann der Fall, wenn eine Einheitskostengerade existiert, die alle drei Einheitswertisoquanten tangiert beziehungsweise in allen drei Sektoren die Nullgewinnbedingung simultan erf¨ ullt werden kann. Im Unterschied zu den bisher betrachteten F¨ allen ist es nun allerdings nicht mehr m¨ oglich, eine Aussage u ¨ber die exakten Produktionsmengen zu machen. Es sind zwar die Einheitswertvektoren bekannt, aber es gibt unendlich viele Kombinationsm¨ oglichkeiten, wie die Faktoren auf die drei Sektoren alloziiert werden k¨ onnen.39 Dies soll exemplarisch an einem Land mit der Faktoraustattung 𝐸 verdeutlicht werden.40 Wie aus der Abbildung zu erkennen ist, kann es entweder die G¨ uterkombination 𝑋𝑍 oder 𝑋𝑌 herstellen oder eine Kombination aller drei G¨ uter 𝑋𝑌 𝑍. Die G¨ uterkombination 𝑍𝑌 steht ihm hingegen nicht zur Verf¨ ugung, da sich der Faktorausstattungspunkt 𝐸 außerhalb des durch 𝑘𝑍 und 𝑘𝑌 beschriebenen Diversifikationskegels befindet. Um die verf¨ ugbaren Produktionsstrukturen zu realisieren, k¨ onnen die Faktoren wie folgt auf die 𝑍 und 𝑓𝑍 FakSektoren alloziiert werden: Zur Produktion von 𝑋𝑍 werden 𝑓𝑋 39 Dies
ist eine Folge davon, dass das Problem unterbestimmt ist. sind in dieser Situation ebenfalls f¨ unf F¨ alle m¨ oglich (produzierbare G¨ uterkombinationen jeweils in Klammern): (i.) 𝑘 ≥ 𝑘𝑋 (𝑋), (ii.) 𝑘𝑋 > 𝑘 > 𝑘𝑍 (𝑋𝑍, 𝑋𝑌 , 𝑋𝑌 𝑍; wie im dargestellten Beispiel), (iii.) 𝑘 = 𝑘𝑍 (𝑍, 𝑋𝑌 𝑍), (iv.) 𝑘𝑍 ≥ 𝑘 ≥ 𝑘𝑌 (𝑌 𝑍, 𝑋𝑌 , 𝑋𝑌 𝑍) und (v.) 𝑘𝑌 ≥ 𝑘 (𝑌 ).
40 Insgesamt
98
3 Theoretische Grundlagenmodelle
𝑌 toren verwendet und zur Produktion von 𝑋𝑌 𝑓𝑋 und 𝑓𝑌 . Außerdem kann jede konvexe Kombination dieser Faktoreinsatzmengen realisiert werden um 𝑋𝑌 𝑍 zu produzieren, das heißt, zur Produktion von Gut 𝑋 k¨onnen zwi𝑍 𝑌 und 𝑓𝑋 , f¨ ur Gut 𝑌 zwischen 0 und 𝑓𝑌 sowie f¨ ur Gut 𝑍 zwischen schen 𝑓𝑋 0 und 𝑓𝑍 Faktoren eingesetzt werden. Als bindende Nebenbedingung ist selbstverst¨ andlich zu beachten, dass die gesamte Faktorausstattung 𝐸 be# » #» sch¨aftigt wird beziehungsweise sich die Faktoreinsatzvektoren 𝑓𝑋 , 𝑓𝑍 und #» #» 𝑓𝑌 zu 𝐸 addieren. Die Produktion eines Landes und das damit resultierende Handelsmuster bei drei G¨ utern und zwei Faktoren sind folglich nicht mehr eindeutig bestimmbar. Dies gilt jedoch nicht f¨ ur den gehandelten Faktorinhalt (Travis, 1964, S. 143; Melvin, 1968, S. 1264; Helpman und Krugman, 1985, S. 17ff.). Dieser bleibt nach wie vor ermittelbar als Differenz der Faktorausstattung und der konsumierten Faktoren, analog zu Abbildung 3.7b. Eine Aussage dar¨ uber trifft das von Vanek (1968, S. 751) erweiterte Heckscher-OhlinTheorem:
[E]in Land, das den Faktor 𝑗 im Verh¨ altnis zum Faktor 𝑖 reichlicher be” sitzt als die u an¨brige Welt (das heisst als das Partnerland in einem Zweil¨ dermodell) [wird] niemals G¨ uter oder Leistungen exportier[en], in die mehr Einheiten des knappen Faktors 𝑖 eingegangen sind als in seinen Importen enthalten sind.“ (Heckscher-Ohlin-Vanek-Theorem, Vanek, 1968, S. 755)
In Abbildung 3.9 sind die Kapitalintensit¨ aten der G¨ uter 𝑖 = 1, . . . , 𝑛 aufgef¨ uhrt sowie die relative Faktorausstattung des Landes. Gem¨aß dem Heckscher-Ohlin-Vanek-Theorem wird es alle G¨ uter links von 𝐾/𝐿 importieren und alle G¨ uter rechts davon exportieren. Dabei ist zwar eindeutig der gehandelte Faktorinhalt bestimmbar, nicht aber die gehandelten G¨ uter. Damit eine eindeutige Aussage u uter getroffen wer¨ber das Handelsvolumen der G¨ den kann, sind folglich strikte Annahmen erforderlich. Abbildung 3.9: Faktorreichlichkeit und Faktorknappheit
K1/L1 < . . . < Ki-1/Li-1 < Ki/Li < Ki+1/Li+1 < . . . < Kn/Ln K/L Import knapper Faktoren
Export reichlicher Faktoren
Quelle: Trefler, 1995, Figure 3, S. 1034.
3.1 Inter-industrieller Handel (Heckscher-Ohlin-Samuelson)
99
3.1.6 Formale Analyse Die formale Analyse des HOS-Modells in diesem Abschnitt dient als Grundlage der Modellierung in Kapitel 4. Um die Analyse so einfach wie m¨oglich zu halten, wird die Produktionsfunktionen in Cobb-Douglas-Form41 spezifiziert. Die Einheitswertisoquanten (3.1) und (3.2) stellen sich dann dar als 𝛼 1−𝛼 𝐿𝑋 = 1 und 𝑝𝑌 𝐴𝑌 𝐾𝑌𝛽 𝐿1−𝛽 = 1, 𝑝 𝑋 𝐴𝑋 𝐾 𝑋 𝑌
(3.19)
wobei 𝐴𝑖 ein Hicks-neutraler Technologie-Parameter42 sei und 0 < 𝛽 < 𝛼 < 1 gelte.43 Damit ist 𝑋 als das kapitalintensive Gut und 𝑌 als das arbeitsintensive Gut bestimmt. In Verbindung mit der Einheitskostengerade (3.4) ergeben sich die Bedingungen erster Ordnung, 1 − 𝛼 𝐾𝑋 𝑑𝐾𝑋 = 𝑑𝐿𝑋 𝛼 𝐿𝑋 𝑑𝐾𝑌 1 − 𝛽 𝐾𝑌 = 𝑑𝐿𝑌 𝛽 𝐿𝑌 𝑑𝐾 𝑤 = . 𝑑𝐿 𝑟
(3.20) (3.21) (3.22)
Im Gleichgewicht muss gelten, dass die Grenzraten der technischen Substitution (GRTS), (3.20) und (3.21), in beiden Sektoren gleich sind, das heißt, ¨ dass eine Anderung der Allokation der Faktoren auf die beiden Sektoren nicht zu einer Produktivit¨ atssteigerung der Faktoren beziehungsweise einer Outputsteigerung in beiden Sektoren f¨ uhren kann.44 Aus positiver Sicht betrachtet, entsprechen beide GRTS der relativen Faktorentlohnung und stellen dadurch das effiziente Gleichgewicht sicher. Die Faktorallokation auf die zwei Sektoren kann schließlich aus diesen Bedingungen und der Einheitskostengerade in Abh¨angigkeit von den Fak41 Diese
Produktionsfunktion wurde empirisch erstmals von Cobb und Douglas (1928) untersucht. 42 Eine Anderung ¨ dieses Parameters l¨ asst die Faktorintensit¨ at der Produktion unver¨ andert. 43 Dadurch, dass somit 𝛼+(1−𝛼) = 1 und 𝛽 +(1−𝛽) = 1 gilt, herrschen jeweils konstante Skalenertr¨ age in der Produktion. 44 Diese Bedingung ergibt sich auch aus Abbildung 3.1, da das Gleichgewicht, in dem sich Einheitswertisoquanten und Einheitskostengerade tangieren, erfordert, dass alle drei Funktionen die gleiche Steigung aufweisen m¨ ussen beziehungsweise die Bedingungen erster Ordnung gleich sind.
100
3 Theoretische Grundlagenmodelle
torentlohnungen bestimmt werden, 𝛼 𝑟 𝛽 𝐾𝑌 = 𝑟
𝐾𝑋 =
1−𝛼 𝑤 1−𝛽 und 𝐿𝑌 = . 𝑤
und 𝐿𝑋 =
(3.23) (3.24)
Diese Bedingungen erlauben es unter Verwendung von (3.19) die Faktorentlohnungen zun¨ achst in Abh¨ angigkeit voneinander und den G¨ uterpreisen zu errechnen, [ ( )1−𝛼 ]1/𝛼 )1−𝛽 ]1/𝛽 1−𝛽 = 𝛽 𝐴𝑌 𝑝𝑌 (3.25) 𝑟 = 𝛼 𝐴𝑋 𝑝𝑋 𝑤 [ ( )𝛽 ]1/(1−𝛽) ( 𝛼 )𝛼 ]1/(1−𝛼) [ 𝛽 = (1 − 𝛽) 𝐴𝑌 𝑝𝑌 . (3.26) 𝑤 = (1 − 𝛼) 𝐴𝑋 𝑝𝑋 𝑟 𝑟 [
(
1−𝛼 𝑤
Die Gleichungen zeigen, dass ceteris paribus ein Anstieg der Preise zu einer Erh¨ ohung der jeweiligen Entlohnung f¨ uhrt; einem Anstieg der Entlohnung des anderen Faktors folgt im Gleichgewicht hingegen ein R¨ uckgang der betrachteten Faktorentlohnung. Wechselseitiges Einsetzten erlaubt es nun, die Entlohnungen der beiden Faktoren allein in Abh¨angigkeit von den G¨ uterpreisen und der verwendeten Produktionstechnologie zu bestimmen, [ 𝑟= [
(𝐴𝑋 𝑝𝑋 ) (𝐴𝑌 𝑝𝑌 )
1−𝛽
1−𝛼 𝛼
𝛼𝛼(1−𝛽) 𝛽 𝛽(1−𝛼)
(
1−𝛼 1−𝛽
(𝐴𝑌 𝑝𝑌 ) (1 − 𝛽)𝛼(1−𝛽) 𝑤= 𝛽 (𝐴𝑋 𝑝𝑋 ) (1 − 𝛼)𝛽(1−𝛼)
1 )(1−𝛼)(1−𝛽) ] 𝛼−𝛽
1 ( )𝛼𝛽 ] 𝛼−𝛽 𝛽 . 𝛼
(3.27) (3.28)
Es ist leicht zu erkennen, dass (3.27) und (3.28) die Aussagen des Stolperatigen. Zu beachten ist, dass sowohl (3.27) als Samuelson-Theorems45 best¨ auch (3.28) die Faktorausstattung des Landes unber¨ ucksichtigt lassen. Diese Information befindet sich in einem allgemeinen Gleichgewicht in den Preisen, die sich aus den Pr¨ aferenzen der Konsumenten und der (relativen) Faktorausstattung des Landes ergeben. Bei Autarkie kann schließlich aus diesen Informationen der inl¨ andische Relativpreis errechnet werden, wohingegen ¨ Anderung der relativen, nominalen und realen Entlohnung eines Faktors weist in die gleiche Richtung wie die Preis¨ anderung des Gutes, das diesen Faktor intensiv nutzt und in die entgegengesetzte Richtung zur Preis¨ anderung des anderen Gutes.
45 Die
3.1 Inter-industrieller Handel (Heckscher-Ohlin-Samuelson)
101
er sich bei friktionslosem Handel aus der weltweiten Fraktorausstattung bestimmt. An (3.27) und (3.28) zeigt sich auch die Rolle des (sektorspezifischen) technischen Fortschritts, der die gleichen Effekte wie eine Preis¨anderung nach sich zieht, das heißt, ein Hicks-neutraler technologischer Fortschritt in einem Sektor f¨ uhrt zu einer Erh¨ ohung der Entlohnung desjenigen Faktors, der diesen intensiv nutzt, und zu einer Reduktion der Entlohnung des anderen Faktors (Krugman, 2000, S. 57f.). W¨ ahrend in einer geschlossenen ¨ Okonomie diese Aussage immer zutreffend ist, kommt es bei (friktionslosem) Handel zum einen wiederum auf die ¨ okonomische Gr¨oße des Landes an beziehungsweise darauf, wie sehr die Volkswirtschaft die Weltmarktpreise beeinflussen kann und zum anderen, ob dieser Fortschritt nur in diesem Land oder auch in allen anderen L¨ andern auftritt. • Tritt der Fortschritt in allen L¨ andern auf, wird bei einem kleinen Land, das die Preise nicht beeinflussen kann, der beschriebene Effekt vollst¨ andig eintreten, wohingegen bei gr¨ oßeren L¨andern der Preis eben jenes Gutes sinken und so dem Technologie-Effekt entgegenwirken wird. • Kommt es nur in einem Land zu diesem Fortschritt, so wird sich die dortige Produktionsstruktur ¨ andern – der Diversifikationskegel dreht sich hin zu demjenigen Faktor, der nicht intensiv im Sektor des technischen Fortschritts eingesetzt wird – wodurch es zu einer Spezialisierung des Landes kommen kann. Selbstverst¨ andlich treten die Effekte auch nur dann ein, wenn das Land beide G¨ uter produziert. Zu beachten ist ebenfalls, dass bei einem technologischen Fortschritt in nur einem Land die Annahmen des HOS-Modells nicht l¨anger erf¨ ullt sind, weil dadurch keine identischen Technologien in den am Handel partizipierenden L¨ andern mehr gegeben sind. Der in Abschnitt 3.1.3 vorgestellte Faktorinhalt kann mit Hilfe der Gleichungen (3.23) und (3.24), welche die optimale Allokation der Faktoren auf die Sektoren in einer (geschlossenen) Volkswirtschaft darstellen, formal bestimmen werden: Bei einem gegebenem Produktionswert lassen sich somit die f¨ ur die Produktion notwendigen Faktoren errechnen. Die in den Gleichungen explizit bestimmten Faktoren sind n¨ otig, um einen Produktionswert von eins zu erstellen. Die Annahme konstanter Skalenertr¨age erlaubt es hier, relativ einfach auf den n¨ otigen Faktoreinsatz f¨ ur h¨ohere Produktionswerte zu schließen. Hierzu m¨ ussen lediglich (3.23) und (3.24) mit dem gew¨ unschten produzierten (beziehungsweise konsumierten) Wert 𝑚𝑋 und 𝑚𝑌 multipliziert werden:
102
3 Theoretische Grundlagenmodelle
1 [ ( )𝛽(𝛼−1) ( )(𝛼−1)(1−𝛽) ] 𝛽−𝛼 𝑝1−𝛽 𝛽 1 − 𝛽 𝛼 𝑋 𝐾𝑋 = 𝑚𝑋 = 𝑚𝑋 1−𝛼 (3.29) 𝑟 𝛼 1−𝛼 𝑝𝑌 1 [ )𝛼(1−𝛽) ( )𝛼𝛽 ] 𝛽−𝛼 ( 𝑝−𝛽 1−𝛽 𝛽 1−𝛼 𝑋 = 𝑚𝑋 −𝛼 (3.30) 𝐿𝑋 = 𝑚𝑋 𝑤 1−𝛼 𝛼 𝑝𝑌 1 [ )(𝛼−1)(1−𝛽) ] 𝛽−𝛼 ( )𝛼(𝛽−1) ( 𝑝1−𝛽 𝛽 1−𝛽 𝛽 𝑋 (3.31) 𝐾𝑌 = 𝑚𝑌 = 𝑚𝑌 𝑟 𝛼 1−𝛼 𝑝1−𝛼 𝑌 1 [ )𝛽(1−𝛼) ( )𝛼𝛽 ] 𝛽−𝛼 ( 𝑝−𝛽 1 − 𝛽 𝛽 1−𝛽 𝑋 = 𝑚𝑌 (3.32) 𝐿𝑌 = 𝑚𝑌 𝑤 1−𝛼 𝛼 𝑝−𝛼 𝑌
Um den entsprechenden Faktorbedarf einer Mengeneinheiten an 𝑋 und 𝑌 zu bestimmen, m¨ ussen die vorangegangenen ersten Gleichungen mit dem jeweiligen Preis multipliziert werden, da f¨ ur die Menge in G¨ utereinheiten 𝑞𝑋 gilt, dass 𝑞𝑋 𝑝𝑋 = 𝑚𝑋 . Wie nicht anders zu erwarten war, ist der Faktoreinsatz zun¨ achst von der jeweiligen Entlohnungsh¨ ohe des jeweiligen Faktors abh¨angig. Da jedoch die Faktorverg¨ utungen letztendlich durch die G¨ uterpreise bestimmt sind, sind damit auch die Faktoreinsatzmengen lediglich abh¨angig von der Produktionstechnologie und den G¨ uterpreisen (und selbstverst¨ andlich auch vom Produktionswert beziehungsweise von der produzierten Menge). Das hier vorgestellte HOS-Modell wird als Grundlage der Modellierung des inter-industriellen Handels in Kapitel 4 dienen. Im weiteren Verlauf werden nun die grundlegenden Modelle des intra-industriellen Handels vorgestellt, die wichtige Ansatzpunkte f¨ ur die Modellierung dieses Handelsph¨anomens lieferten.
3.2 Intra-industrieller Handel
103
3.2 Intra-industrieller Handel Wie in Abschnitt 2.3.2 bereits dargelegt wurde, kann intra-industrieller Handel je nach der Art der Differenzierung der G¨ uter auf unterschiedliche Ursachen zur¨ uckgef¨ uhrt werden, weshalb zur Erkl¨ arung verschiedene modelltheoretische Ans¨ atze herangezogen werden m¨ ussen. So basiert die Analyse des vertikalen intra-industriellen Handels46 auf der klassischen Handelstheorie mit Fokus auf L¨ anderebene, w¨ ahrend bei horizontalem intra-industriellen Handel47 die Untersuchung der Entscheidung der einzelnen Firma im Mittelpunkt steht. Das letztgenannte Handelsph¨anomen erfordert dabei, dass Skalenertr¨ age in der Produktion realisiert werden, da diese, wie in Abschnitt 2.3.2.2 bereits angesprochen, verhindern, dass ein Land beziehungsweise die dort ans¨ assigen Firmen alle Varianten selbst produzieren.48 Diese Annahme ist jedoch im Kontext eines allgemeinen Gleichgewichtsmodells problematisch, da dabei konstante Skalenertr¨age gefordert werden. Nach dem Euler’schen Aussch¨ opfungstheorem reicht bei steigenden Skalenertr¨ agen der in der Volkswirtschaft produzierte Output nicht aus, um alle Faktoren entsprechend ihres Wertgrenzprodukts zu entlohnen.49 Um also Produktdifferenzierung und daraus resultierenden intra-industriellen Handel 46 Respektive
horizontaler intra-industrieller Handel in vertikal differenzierten G¨ utern. horizontaler intra-industrieller Handel in horizontal differenzierten G¨ utern. 48 Die Annahme steigender Skalenertr¨ age f¨ uhrt dazu, dass jede Firma nur eine G¨ utervari¨ ante herstellt und es somit in der Okonomie nur eine begrenzte Anzahl an differenzierten Produkten gibt (Caves, 1981, S. 208). Die Annahme ist insbesondere deshalb notwendig, da andernfalls jedes Unternehmen beliebig viele Varianten produzieren k¨ onnte und somit auch Handel nicht erforderlich w¨ are. Gray (1973) unternahm einen ersten Versuch, differenzierte Produkte und daraus resultierenden intra-industriellen Handel mit konstanten Skalenertr¨ agen abzubilden. Wie Davies (1977, S. 181) auff¨ uhrt sind hierzu allerdings relativ unrealistische (implizite) Annahmen n¨ otig, insbesondere dass die inl¨ andischen Unternehmen trotz Gewinnm¨ oglichkeiten die Heimatnachfrage nicht decken oder dass trotz des Kostenvorteils in einem Land weiterhin auch im anderen Land produziert wird. 49 Nach dem Euler’schen Aussch¨ opfungstheorem gilt f¨ ur eine Funktion 𝐹 (𝑥1 , . . . , 𝑥𝑛 ), die homogen vom Grade ℎ und differenzierbar ist, dass ∂𝐹 /∂𝑥1 𝑥1 + ⋅ ⋅ ⋅ + ∂𝐹 /∂𝑥𝑛 𝑥𝑛 = ℎ𝐹 (𝑥1 , . . . , 𝑥𝑛 ) (vgl. hierzu etwa Mas-Colell et al., 1995, S. 929). Angewendet auf eine Produktionsfunktion 𝑥 = 𝑓 (𝑞1 , . . . , 𝑞𝑛 ), wobei 𝑞𝑖 die Produktionsfaktoren 𝑖 = 1, . . . , 𝑛 bezeichnet, der Preis 𝑝𝑥 herrscht und die Technologie durch steigende Skalenertr¨ agen (ℎ > 1) gekennzeichnet ist, gilt bei Entlohnung nach dem Wertgrenzprodukt, das heißt 𝑤𝑖 = 𝑝𝑥 (∂𝑥/∂𝑞), dass 𝑤1 𝑞1 + . . . 𝑤𝑛 𝑞𝑛 > 𝑝𝑥 𝑥. Somit reicht der produzierte Wert bei steigenden Skalenertr¨ agen nicht aus, um alle Produktionsfaktoren entsprechend ihres Wertgrenzprodukts zu entlohnen. Entsprechend wird bei abnehmenden Skalenertr¨ agen (ℎ < 1) mehr produziert, als f¨ ur die Entlohnung der Faktoren notwendig ist, w¨ ahrend einzig bei konstanten Skalenertr¨ agen (ℎ = 1) der gesamte Output ohne Rest zur Entlohnung verwendet werden kann. 47 Respektive
104
3 Theoretische Grundlagenmodelle
in ein allgemeines Gleichgewichtsmodell zu integrieren, muss von konstanten Skalenertr¨ agen in der Produktion ausgegangen werden. Die von Helpman und Krugman (1985) vorgestellte neue Außenhandelstheorie“ l¨ost dieses ” Problem dadurch, dass zwar auf Firmenebene steigende Skalenertr¨age vorhanden sind, aber auf Branchenebene konstante Skalenertr¨age vorliegen. In Abschnitt 3.2.1 werden Modelle zur Erkl¨ arung des horizontalen intraindustriellen Handels vorgestellt, die als Grundlage der Modellierung in Kapitel 4 dienen. Der zweite Teil, Abschnitt 3.2.2, geht dann auf zwei Ans¨atze der (sehr knappen) modelltheoretischen Literatur u ¨ber vertikalen intra-industriellen Handel n¨ aher ein.
3.2.1 Horizontaler intra-industrieller Handel Unter horizontalem intra-industrieller Handel wird in Bezug auf die Verarbeitungsstufe horizontaler intra-industrieller Handel mit horizontal differenzierten G¨ utern verstanden. Wie in Abschnitt 2.3.2.2 dargelegt wurde, variieren bei horizontaler Produktdifferenzierung die G¨ uter sowohl hinsichtlich der (quantitativen) Auspr¨ agung als auch bez¨ uglich des Vorhandenseins einzelner Spezifikationen/Charakteristika. Alle vorgestellten Modelle basieren auf der Idee der monopolistischer Konkurrenz50 , da hierdurch eine Analyse im Allgemeinen Gleichgewichtsmodell m¨oglich wird. Die vorgestellten Modelle k¨ onnen dabei in zwei Modellfami” lien“ unterteilt werden: Die Ans¨ atze der neue Außenhandelstheorie“51 (Ab” schnitte 3.2.1.1 und 3.2.1.2) sowie die darauf basierenden und weiterentwickelten Ans¨ atze der neuen neuen Außenhandelstheorie“ (Abschnitte 3.2.1.3, ” 3.2.1.4 und 3.2.1.5).52 Der Unterschied zwischen den beiden Modellfamilien besteht darin, dass die neue Außenhandelstheorie von homogenen Firmen ausgeht, w¨ ahrend die neue neue Außenhandelstheorie Firmenheterogenit¨at in die Analyse miteinbezieht. Sie ist damit in der Lage, das schon lange empirisch beobachtbare Ph¨ anomen, dass nur die produktivsten Firmen exportieren, modellanalytisch abzubilden. Dabei dr¨ angt sich nat¨ urlich die Frage nach der Kausalit¨at auf, das heißt, ob die Exportt¨atigkeit dazu f¨ uhrt, dass 50 Heitger
et al. (1999, S. 35) weisen darauf hin, dass in allen Modelle mit horizontaler Produktdifferenzierung intra-industrieller Handel durch die Ausnutzung von Skalenertr¨ agen auf segmentierten M¨ arkten im Rahmen monopolistischen Wettbewerbs erkl¨ art wird. 51 Einen Uberblick ¨ u ¨ber die Grundlagen und die Entstehungsgeschichte dieser auf Krugman (1979) basierenden Theorie findet sich bei Neary (2009). 52 Einen Uberblick ¨ u ¨ber die vorgestellten Theorien und wichtige Eigenschaften findet sich bei Bernard et al. (2007b, Table 1, S. 107).
3.2 Intra-industrieller Handel
105
die Firmen produktiver werden, oder ob eine hohe Produktivit¨at der Firmen dazu f¨ uhrt, dass sie exportieren: The finding that exporters are systematically more productive than non” exporters raises the question of whether higher-productivity firms selfselect into export markets, or whether exporting causes productivity growth through some form of “learning by exporting.” Results from virtually every study across industries and countries[53] confirm that high productivity precedes entry into export markets.“ (Bernard et al., 2007b, S. 111)
In den folgenden Abschnitten werden die einzelnen Modelle n¨aher erl¨autert: Die Gewichtung erfolgte entsprechend der Einfl¨ usse f¨ ur das in Kapitel 4 entwickelte Modell, weshalb etwa das in Abschnitt 3.2.1.3 vorgestellten Modell von Melitz (2003) sehr ausf¨ uhrlich diskutiert wird, da es als Grundlage des horizontalen intra-industriellen Handels verwendet wird. 3.2.1.1 Neue Außenhandelstheorie Im Vergleich zur klassischen Handelstheorie, wie dem in Abschnitt 3.1 vorgestellten HOS-Modell, werden im Rahmen der neuen Außenhandelstheorie“ ” die Annahmen konstanter Skalenertr¨ age und Produktion homogener G¨ uteraufgegeben. Ebenso wird anstelle der L¨ ander, die Exportentscheidung der einzelnen Firmen betrachtet. Um die Annahme von (internen) Skalenertr¨ agen mit einer allgemeinen Gleichgewichtsanaylse zu verbinden, wird als Grundlage das in Abschnitt 2.1.2 bereits vorgestellte Chamberlin-Modell monopolistischer Konkurrenz herangezogen, das sich, wie Krugman (1979, S. 470) betont, insbesondere aufgrund der leichten (formalen) Handhabung empfiehlt.54 53 Etwa
Clerides et al. (1998, S. 941f.): We found that plants that begin exporting tend to ” have relatively low average variable cost, and plants that cease exporting are becoming increasingly high cost, as implied by the model. [...C]ost and productivity trajectories generally did not continue to change after entering foreign markets. That is, the patterns we found in the actual data resembled our no-learning-by-exporting scenario, under which the positive association between export status and productivity is due solely to the self-selection of relatively more efficient plants into foreign markets.“ 54 The reason that a Chamberlinian approach is useful here is that, in spite of imperfect ” competition, the equilibrium of the model is determinate in all essential respects because the special nature of demand rules out strategic interdependence among firms. Because firms can costlessly differentiate their products, and all products enter symmetrically into demand, two firms will never want to produce the same product; each good will be produced by only one firm. At the same time, if the number of goods produced is large, the effect of the price of any one good on the demand for any other will be negligible. The result is that each firm can ignore the effect of its actions on
106
3 Theoretische Grundlagenmodelle
Funktionsweise des Basismodells. Die Nachfragespezifikation stellt eine vereinfachte Version von Dixit und Stiglitz (1977) dar.55 Es wird angenommen, dass alle Konsumenten Vielfalt sch¨ atzen und sie die gleiche Nutzenfunktion 𝑈=
𝑛 ∑
𝑣 (𝑐𝑗 ),
(3.33)
𝑗=1
aufweisen, wobei 𝑗 = 1, . . . , 𝑛 die (sehr) große Anzahl an verf¨ ugbaren Varianten wiedergibt, die jeweils im Umfang von 𝑐𝑗 von den Konsumenten nachgefragt werden. Es wird hierbei ferner angenommen, dass die Substitutionselastizit¨ at 𝜌𝑗 (𝑐𝑗 ) zwischen den einzelnen Varianten im Konsum 𝑐𝑗 abnimmt56 , das heißt, je weniger Varianten es gibt, desto preisunelastischer reagiert die Nachfrage nach den einzelnen Varianten. Diese Annahme erscheint durchaus als plausibel, da mit zunehmender Variantenanzahl aus Sicht der Konsumenten nat¨ urlich auch die Anzahl und N¨ahe potentieller Substitute steigt. Die einzelne Variante 𝑥𝑗 wird entsprechend der Produktionsfunktion 𝑙 𝑗 = 𝑓𝑝 +
1 𝑥𝑗 𝜑
(3.34)
hergestellt. Hier bezeichnet 𝑓𝑝 die Fixkosten der Produktion und 𝜑 die Produktivit¨ at der eingesetzten Arbeit 𝑙𝑗 , das heißt, es liegen abnehmende Durchschnittskosten bei konstanten Grenzkosten in der Produktion von 𝑥𝑗 vor. In diesem Modell ist Arbeit der einzige Produktionsfaktor. Er befindet sich im Eigentum der Konsumenten, die daraus ihr komplettes Einkommen generieren, wobei jeder Haushalt genau eine Einheit an Arbeit besitzt. Im ∑ allgemeinen Gleichgewicht werden schließlich sowohl der Faktormarkt, utermarkt ger¨ aumt sein, 𝑥𝑖 = 𝑐𝑗 𝐿, wobei 𝐿 die 𝐿 = 𝑙𝑗 , als auch der G¨ ¨ gesamte Arbeitsausstattung der Okonomie (und damit auch die Anzahl an Konsumenten) bezeichnet. other firms’ behavior, eliminating the indeterminacies of oligopoly.“ (Krugman, 1980, S. 951) 55 Vgl. hierzu auch Abschnitt 2.3.2.2. 56 Krugman (1979, S. 476) rechtfertigt diese Annahme wie folgt: This assumption [...] ” seems plausible. In any case, it seems to be necessary if this model is to yield reasonable results, and I make the assumption without apology.“ Empirisch wurden allerdings Hinweise daf¨ ur gefunden, dass es etwa in Kanada infolge der Handelsliberalisierung mit den USA, zu einer Selektion der Firmen kam und nicht zur Realisierung von Skalenertr¨ agen (Trefler, 2004), was f¨ ur eine konstante Substitutionselastizit¨ at spricht (Feenstra, 2004, S. 143).
3.2 Intra-industrieller Handel
107
Da die einzelne Firma im Vergleich zum Gesamtmarkt sehr klein ist, muss sie die Auswirkungen ihrer Entscheidungen auf die anderen Firmen nicht ber¨ ucksichtigen und kann daher ihren Gewinn 𝜋𝑗 gem¨aß [ )] ( 1 max 𝜋𝑗 = max (𝑝𝑗 𝑥𝑗 − 𝑤𝑙𝑗 ) = max 𝑝𝑗 𝑥𝑗 − 𝑤 𝑓𝑝 + 𝑥𝑗 𝑥𝑗 𝑥𝑗 𝑥𝑗 𝜑
(3.35)
maximieren, wobei 𝑤 den Lohnsatz bezeichnet. Da die Nachfrage (und somit auch die Marktgr¨oße) nach den einzelnen G¨ utervarianten (3.33) gleich ist und alle Firmen die gleiche Produktionsfunktion (3.34) aufweisen, ist es plausibel, ein symmetrisches Gleichgewicht zu betrachten (Krugman, 1979, S. 471).57 Die Symmetrieeigenschaft erlaubt es, den Variantenindex zu ignorieren, da etwa der Pro-Kopf-Konsum aller Varianten gleich 𝑐 ist. Im Gewinnmaximum gilt schließlich die Gleichheit von Grenzerl¨ os und Grenzkosten. Unter Verwendung der Amoroso-Robinson-Relation folgt dann 𝑝=
𝜌(𝑐) 𝑤 , 𝜌(𝑐) − 1 𝜑
(3.36)
das heißt, der Preis ergibt sich durch einen von der Substitutionselastizit¨at 𝜌(𝑐) abh¨ angigen Aufschlag auf die Grenzkosten 𝑤/𝜑. Aufgrund der Beziehung zwischen Konsum und Elastizit¨ at f¨ allt der Preisaufschlag umso h¨oher aus je h¨ oher der Pro-Kopf-Konsum ist, schließlich haben die Konsumenten dann weniger Varianten zur Auswahl, mit denen die Variante substituiert werden k¨ onnte. Umgekehrt f¨ uhrt dann ein Anstieg der Variantenvielfalt beziehungsweise des Markteintritts zus¨ atzlicher Firmen (unter der Annahme des freien Ein- und Austritts in den Markt) dazu, dass der Absatz der einzelnen Firma bei gleichzeitig abnehmendem Preisaufschlag geringer wird und folglich die Gewinne abnehmen. Das Gleichgewicht ist dann erreicht, wenn der letzte Markteintreter gerade einen Gewinn von Null erwirtschaftet. Diese Gleichgewichtsbedingung 𝜋 = 0 (vgl. (3.35)) kann umgeformt werden zu 1 𝑓𝑝 1 𝑓𝑝 𝑝 = + = + . 𝑤 𝜑 𝑥 𝜑 𝑐𝐿
(3.37)
Im langfristigen Gleichgewicht sind beide Bedingungen (3.36) und (3.37) erf¨ ullt und der Pro-Kopf-Konsum kann als endogene Variable abgeleitet 57 Damit
wird (implizit) auch von identischen und homogenen Firmen ausgegangen.
108
3 Theoretische Grundlagenmodelle
werden. Unter Ber¨ ucksichtigung der Bedingung der Faktormarktr¨aumung ergibt sich die Anzahl der Firmen im Gleichgewicht als 𝑀=
𝐿 1 , = 𝑙𝑗 𝑓𝑝 /𝐿 + 𝑐/𝜑
(3.38)
wobei die letzte Umformung gem¨ aß (3.34) erfolgte. Die Anzahl der Firmen verh¨ alt sich demnach invers zum Pro-Kopf-Konsum. Abbildung 3.10: Auswirkungen einer Handelsaufnahme bei Krugman (1979) P
p/w
P(r)
(p/w)A (p/w)H
ZA ZH c’H
cH
cA
c
Quelle: Krugman (1979, Fig. 3, S. 475).
Auswirkungen der Handelsaufnahme. In Abbildung 3.10 sind beide Bedingungen in Abh¨ angigkeit des Pro-Kopf-Konsums dargestellt. Die Kurve P bezeichnet hier die Preissetzung aus (3.36) und Z die Nullgewinnbedingung aus (3.37). P verl¨ auft steigend, da ein h¨ oheres 𝑐 weniger konkurrierende Varianten impliziert und damit h¨ ohere Preise durchgesetzt werden k¨onnen. Z wiederum verl¨ auft fallend, da weniger Konkurrenz erm¨oglicht, dass mehr abgesetzt werden kann und daher ein geringer Preis bereits ausreichend ist, um einen Gewinn von Null zu generieren. ¨ In der Abbildung sind zwei Szenarien abgebildet: Zum einen der Ubergang von Autarkie zu friktionslosem Handel (ZA und ZH ) bei abnehmender ¨ Susbtitutionselastizit¨ at P (Szenario 1) und zum anderen der gleiche Uber58 gang bei konstanter Substitutionselastizit¨ at P(¯ 𝜌) (Szenario 2 ). 58 Diese
Annahme trifft Krugman (1980), der von der Nutzenfunktion 𝑈 =
∑
𝜁 𝑖 𝑐𝑖
ausgeht.
3.2 Intra-industrieller Handel
109
Wie Krugman (1979, S. 476) selbst betont, sind die Auswirkungen einer Handelsaufnahme in diesem Modell identisch mit denen einer Erh¨ohung der Faktorausstattung. Bei Aufnahme von friktionslosem Handel verschiebt sich die Autarkie-Kurve ZA nach innen zu ZH , da aus Sicht der Firmen nun nicht mehr nur der inl¨ andische, sondern zus¨atzlich auch der ausl¨andische Markt f¨ ur den Absatz ihrer Varianten offen steht. Es ist zu erkennen, dass in Szenario 1 der Relativpreis sinkt und die verf¨ ugbare Variantenanallt auf (𝑝/𝑤)𝐻 und 𝑐𝐴 sinkt auf 𝑐𝐻 (vgl. (3.38)) –, zahl steigt – (𝑝/𝑤)𝐴 f¨ w¨ ahrend in Szenario 2 der Relativpreis unver¨ andert bleibt. Letzteres liegt am Verlauf der Preissetzungskurve, die aufgrund der konstanten Substitutionselastizit¨ at und der daraus folgenden Unabh¨angigkeit vom Pro-KopfKonsum waagerecht verl¨ auft – daf¨ ur kommt es zu einem st¨arkeren Anstieg ’ ). der verf¨ ugbaren Variantenvielfalt (𝑐𝐴 sinkt auf 𝑐𝐻 Der Unterschied zwischen den Szenarien ist darauf zur¨ uckzuf¨ uhren, dass in Szenario 1 das zus¨ atzliche ausl¨ andische Variantenangebot den Wettbewerbsdruck erh¨ oht und damit einige Firmen den Markt verlassen werden, da sie aufgrund des geringeren Peissetzungsspielraums Verluste erzielen. Das intra-industrielle Handelsmuster ist in diesem Modell unbestimmt, das heißt, es ist keine Aussage dar¨ uber m¨ oglich, welche Variante in welchem Land produziert wird, hingegen ist die Anzahl der Firmen (und damit der Umfang des Handels) in jedem Land analog zu (3.38) bestimmbar. Helpman und Krugman (1985) erweitern diesen Ansatz und integrieren ihn in den HOS-Modellrahmen: [A] view of trade in which comparative advantage drives specializati” on at the aggregative, sectoral international level but economies of scale cause specialization at the level of individual products. [...W]e can have a Heckscher-Ohlin view of inter industry specialization but a scale economy view of intraindustry trade.“ (Helpman und Krugman, 1985, S. 131)
In Abbildung 3.11 wird das sich in diesem Modell einstellende Handelsmuster dargestellt und verkn¨ upft hierzu Aussagen von Abbildung 3.7b mit Abbildung 3.6, sodass die Konsum- und Produktionsstruktur der beiden L¨ander 𝐻 und 𝐹 zusammen ablesbar sind. Der Unterschied zum HOS-Modell besteht darin, dass im 𝑋-Sektor nicht mehr vollkommene, sondern mo¨ nopolistische Konkurrenz herrscht und entsprechend die Uberlegungen von Krugman (1979) G¨ ultigkeit haben. Der 𝑌 -Sektor wiederum ist identisch mit dem HOS-𝑌 -Sektor. Das Inland 𝐻 wird in diesem Beispiel Arbeit im# » und Kapitel exportieren (vgl. 𝐸𝑠𝐸 ). Die Anzahl der in- und ausl¨andischen
110
3 Theoretische Grundlagenmodelle
Abbildung 3.11: Zusammenf¨ uhrung von inter- und intra-industriellem Handel bei Helpman und Krugman (1985) K kX F
kY E fX
kY sE
cX
fY
cY
w/r kX
H
L
Quelle: Helpman und Krugman (1985, Figure 7.1, S. 140).
Firmen ist eindeutig bestimmbar durch 𝑀 𝐻 = 𝐻𝑓𝑋 /𝑥
und 𝑀 𝐹 = 𝑓𝑋 𝑄/𝑥,
(3.39)
wobei 𝑓𝑋 den inl¨andischen Produktionspunkt bezeichnet (Helpman und Krugman, 1985, S. 141). Das Inland exportiert demnach 𝑀 𝐻 Varianten und importiert daf¨ ur 𝑀 𝐹 Varianten, wobei zu erkennen ist, dass es mehr Varianten ex- als importiert und es daher in diesem Sektor zu einem Nettoexport kommt. Die gesamte Nachfrage 𝑁𝑋 nach Varianten im In- und Ausland ist vom relativen Einkommen der L¨ ander abh¨ angig, 𝐼𝐻 + 𝐼𝐹 𝐼𝐹 = 𝐻 𝐼 + 𝐼𝐹
𝐻 = 𝑁𝑋 𝐹 𝑁𝑋
𝐼𝐻
)
(
𝑀𝐻𝑥 + 𝑀𝐹 𝑥
(
𝐻
𝐹
)
und
(3.40)
𝑀 𝑥+𝑀 𝑥 ,
wobei 𝐼 das jeweilige Einkommen der L¨ ander 𝐻 und 𝐹 bezeichnet. Der Nettoexport des Inlands, 𝑐𝑥 𝑓𝑥 , ist dann gegeben durch 𝐼𝐹 𝑀 𝐻 𝑥 − 𝐼𝐻 𝑀 𝐹 𝑥 . 𝐼𝐻 + 𝐼𝐹
(3.41)
3.2 Intra-industrieller Handel
111
Im 𝑌 -Sektor wird hingegen eindeutig nur importiert (und damit fallen Brutto- und Nettoimport zusammen). Insgesamt betrachtet findet sowohl interindustrieller Handel (homogenes Gut 𝑌 gegen Varianten von 𝑋) als auch intra-industrieller Handel (Varianten von 𝑋 gegen Varianten von 𝑋) statt. Das inter-industrielle Handelsmuster ergibt sich dabei aufgrund der Unterschiede in der relativen Faktorausstattung und das intra-industrielle Handelsmuster aufgrund von Skalenertr¨ agen und dem Wunsch der Konsumenten nach Produktvielfalt (Helpman und Krugman, 1985, S. 142). Aussagen u ¨ber Handelsstrukturen außerhalb des FPE-Bereichs k¨onnen allerdings nicht abgeleitet werden.59 ¨ Wie die Analyse zeigte konzentrieren sich die Uberlegungen von Krugman (1979) und Helpman und Krugman (1985) stark auf die Angebotsseite. Die Ber¨ ucksichtigung der Pr¨ aferenzen erfolgt nur rudiment¨ar um die die Marktstruktur der monopolistischen Konkurrenz zu erm¨oglichen. Eine Einkommens¨ anderung hat hingegen keine Auswirkungen auf die Pr¨aferenzstruktur. Das im n¨ achsten Abschnitt diskutierte Modell von Mitra und Trindade (2005) bezieht nun erstmals homothetische Pr¨ aferenzen in die Analyse mit ein. 3.2.1.2 Handel bei nicht-homothetischen Pr¨ aferenzen Im Folgenden soll nun aufgezeigt werden, wie durch nicht-homothetische Pr¨ aferenzen Handel zwischen zwei L¨ andern entstehen kann. Eine fr¨ uhe Modellierung nicht-homothetischer Pr¨ aferenzen im Handelskontext wurde etwa in Markusen (1986) verwendet. In diesem Ansatz werden zwei Regionen betrachtet, der arbeitsreiche S¨ uden und der kapitalreiche Norden, wobei letzterer seinerseits aus zwei Regionen – Ost und West – besteht. In diesem Modell kann Markusen (1986) das im Vergleich zum Nord-S¨ ud-Handel (inter-industrieller Handel) h¨ ohere Ost-West-Handelsvolumen (intra-industrieller Handel) erkl¨ aren. Hierzu trifft er die Annahme, dass es zwei G¨ uter gibt, wobei das arbeitsintensive homogene Gut – im Unterschied zum horizontal differenzierten kapitalintensiven Gut – in einem gewissen Mindestum59 Diese
Einschr¨ ankung ist durchaus als kritisch zu sehen: The technical problem is that ” most analytical results in the literature have had to rely on restricting models to assumptions that generate factor-price equalization. This restricts the range of parameter values and, much more importantly, precludes the use of the [Helpman and Krugman (1985)] model in any context in which tariffs or trade costs are present.“ (Markusen und Venables, 2000, S. 210)
112
3 Theoretische Grundlagenmodelle
fang konsumiert werden muss60 und sich durch eine Einkommenselastizit¨at der Nachfrage von unter eins auszeichnet, w¨ ahrend die des kapitalintensiven Gutes entsprechend gr¨ oßer als eins ist. Wird unterstellt, dass der Norden kapitalreicher als der S¨ uden ist, wird dort ein gr¨oßerer Anteil f¨ ur das kapitalintensive Gut ausgegeben. Im Ergebnis ¨andern sich die Pr¨aferenzen entsprechend der relativen Faktorausstattung der L¨ander, wodurch die Konsumenten eines Landes letztendlich ihr jeweiliges Exportgut bevorzugen. Je gr¨ oßer dieser Effekt ausgepr¨ agt ist, desto h¨ oher f¨allt der intra-industrielle Handel im Vergleich zum inter-industriellen Handel aus. Ein aktueller Ansatz stellt Mitra und Trindade (2005) dar. Ihre Analyse besteht dabei aus zwei Teilen. Im ersten Teil wird zun¨achst das HOS-Modell um nicht-homothetische Pr¨ aferenzen erweitert. Ansonsten gelten die in Abschnitt 3.1.1 diskutierten Annahmen: Es werden zwei G¨ uter mit zwei Faktoren hergestellt, wobei das kapitalintensive Gut 𝑋 als Luxusgut und das arbeitsintensive Gut 𝑌 als Bedarfsgut angesehen werden. Es wird zudem angenommen, dass der f¨ ur das Luxusgut ausgegebene Einkommensanteil 𝜙 mit steigendem Einkommen zunimmt (und im Preis von 𝑋 abnimmt), 𝐶𝑌 = [1 − 𝜙(𝑝𝑋 , 𝐼)]𝐼
und 𝐶𝑋 = 𝜙(𝑝𝑋 , 𝐼)𝐼/𝑝𝑋 .
(3.42)
Es gibt zwei gleich große Bev¨ olkerungsgruppen, wobei das Kapital unterschiedlich auf beide verteilt ist, sodass die eine Gruppe, 𝒬, ein h¨oheres Einkommen als die andere, 𝒩 , erzielt,61 𝐼𝒬 = 𝜎𝑟𝐾 + 𝑤𝐿/2
und
𝐼𝒩 = (1 − 𝜎)𝑟𝐾 + 𝑤𝐿/2.
(3.43)
Der Parameter 𝜎 ∈ [0,5; 1[ gibt dabei den Anteil der Gruppe 𝒬 am Kapitalstock wieder. Zu beachten ist hier, dass beide Einkommensgruppen als exogen gegeben angenommen werden. Es kann sich somit der Anteil der beiden Gruppen am Gesamteinkommen unterscheiden, nicht aber die Anzahl der jeweils zu ihnen zugeh¨ origen Individuen.62 Die zwei betrachteten L¨ ander, der Westen und der Osten, unterscheiden sich in Bezug auf ihre Einkommensverteilung (Aufteilung des Kapitals auf 𝒬 60 Mitra
und Trindade (2005) und Dalgin et al. (2008) sprechen hier von einem Bedarfsgut (necessity) im Gegensatz zu dem kapitalintensiven Luxusgut (luxury). 61 Mitra und Trindade (2005) sprechen bezogen auf die Einkommensverteilung von den Rich und den Poor. Zur besseren Vergleichbarkeit mit der Analyse in Kapitel 4, in der die Gruppen ¨ ahnlich charakterisierbar sind, wurden die Gruppen hier entsprechend anders bezeichnet: In Kapitel 4 bezeichnet 𝒬 Konsumenten, die Qualit¨ at (hier: Luxus) sch¨ atzen, und 𝒩 Konsumenten, die das normale Gut nachfragen. 62 Im Gegensatz zu der Analyse von Flam und Helpman (1987), die in Abschnitt 3.2.2.1 vorgestellt wird.
3.2 Intra-industrieller Handel
113
und 𝒩 ). So ist die Einkommensungleichheit im Westen h¨oher als im Osten. Hingegen sich beide L¨ ander in Bezug auf ihre Faktorausstattung identisch, was bei einem unmodifizierten HOS-Modell Handel ausschließen w¨ urde. Die Einkommensungleichheit kann mit Hilfe des Anteils der Gruppe 𝒬 am Gesamteinkommen ausgedr¨ uckt beziehungsweise gemessen werden. Bei Autarkie wird aufgrund der unterschiedlichen Nachfragestruktur im Westen mehr vom kapitalintensiven Gut 𝑋 nachgefragt als im Osten. Als Folge wird der relative Preis von 𝑋 h¨ oher ausfallen und damit auch die Entlohnung von Kapital (Stolper-Samuelson-Theorem); entsprechend wird Arbeit niedriger entlohnt. Die Aufnahme von Außenhandel f¨ uhrt dann dazu, dass trotz identischer Faktorausstattung Handel zu beobachten ist, da der ungleiche“ Wes” ten das im Osten preiswertere kapitalintensive Gut (im Austausch gegen das arbeitsintensive Gut) nachfragt. Der Handel erfolgt damit einzig aufgrund der unterschiedlichen Einkommensverteilung und der dadurch induzierten unterschiedlichen Pr¨ aferenzstruktur in den beiden L¨andern. Der Außenhandel hat schließlich zur Folge, dass die Ungleichheit im Westen ab- und im Osten zunehmen wird, da im Westen der Preis des Luxusgutes sinkt und der Preis des Bedarfsgutes steigt. Dementsprechend wird Kapital geringer und Arbeit h¨ oher entlohnt. Handel f¨ uhrt in dieser HOSModifikation somit bei identischer Faktorausstattung zu einer Angleichung der Einkommensungleichheiten, das heißt, dass Handel wie im HOS-Modell dazu beitr¨ agt, die L¨ ander einander anzugleichen, indem Unterschiede abgebaut werden. Exogene Schocks, wie etwa eine politisch motivierte Umverteilung der Kapitalausstattung, haben dann direkte Auswirkungen auf den Handelspartner. Der hier durch Pr¨ aferenzunterschiede verursachte Handel ist allerdings nicht intra-, sondern inter-industrieller Natur, schließlich werden nur G¨ uter verschiedener Sektoren ausgetauscht. Im zweiten Teil ihrer Analyse modifizieren Mitra und Trindade (2005) den kapitalintensiven Sektor daher entsprechend der Modellierung von Helpman und Krugman (1985) (vgl. Abschnitt 3.2.1.1), das heißt, in diesem Sektor wird nun monopolistische Konkurrenz (homogener Firmen) aufgrund von Skalenertr¨agen angenommen und die Konsumenten haben love-of-variety-Pr¨aferenzen. In Autarkie wird es dann im ungleicheren“ Westen mehr Firmen geben, die einen h¨o” heren Preis f¨ ur ihre Variationen erheben; erneut wird im Osten der Lohn niedriger und der Zins h¨ oher ausfallen, da dort relativ mehr von dem arbeitsintensiven Gut nachgefragt wird. Kommt es zur Aufnahme von (friktionslosen) Handel zwischen Osten und Westen, ist der Anteil des dann durch die Produktdifferenzierung im kapi-
114
3 Theoretische Grundlagenmodelle
Abbildung 3.12: Anteil des (horizontalen) intra-industriellen Handels in Abh¨ angigkeit von der relativen Kapitalverteilung bei Mitra und Trindade (2005) Intra Inter 1
s
A
0,5
sB
1
Quelle: In Anlehnung an Mitra und Trindade, 2005, FIGURE 4, S. 1269.
talintensiven Sektor erm¨ oglichten intra-industriellen Handels stark von der relativen Kapitalverteilung auf die beiden Gruppen 𝒬 und 𝒩 abh¨angig, wie Abbildung 3.12 f¨ ur die beiden, in Bezug auf die Faktorausstattung identischen, L¨ ander 𝐴 und 𝐵 verdeutlicht. Der relative intra-industrielle Handel ist dann maximal, das heißt, er liegt bei eins beziehungsweise 100 %63 , wenn beide L¨ ander die gleiche Kapitalverteilung 𝜎 𝐴 = 𝜎 𝐵 aufweisen, da hier der Grund f¨ ur den inter-industriellen Handel – unterschiedliche Einkommensverteilungen – entf¨ allt. Mitra und Trindade (2005) sind damit in der Lage, ¨ die Uberlegungen von Linder (1961) zu replizieren, wonach der intra-industrielle im Vergleich zum inter-industriellen Handel umso ausgepr¨agter ist, je ¨ ahnlicher die L¨ ander bezogen auf die Einkommensverteilung sind. Der intra-industrielle Handel nimmt ab, wenn das Kapital beziehungsweise das Einkommen in Land 𝐴 gleicher oder ungleicher als in Land 𝐵 verteilt ist. Obwohl die Nachfrage in diesem Modell vom Einkommen abh¨angig ist, erkl¨ art es nur horizontalen intra-industriellen Handel. Denn letztlich f¨ uhren die Unterschiede in der Einkommensverteilung zur Existenz inter-industriellen Handels und damit nicht zum Bedarf unterschiedlicher Qualit¨aten. Die Ungleichheit in der Faktorausstattung der Individuen ¨andert hier die Ge63 Das
bedeutet aber nicht, dass dann auch der absolute intra-industrielle Handel maximal wird.
3.2 Intra-industrieller Handel
115
wichtung der beiden Sektoren im Konsum, sodass sich bei identischer Faktorausstattung aufgrund der Ungleichheit unterschiedliche Konsumstrukturen bei ansonsten eigentlich gleichen Produktionsstrukturen ergeben. Sind die L¨ ander aber in jeder Hinsicht identisch, findet kein inter-industrieller Handel statt. Zudem beschr¨ anken sich Mitra und Trindade (2005) in ihrer Analyse auf zwei in Bezug auf ihre Faktorausstattung vollkommen identische L¨ ander, sodass sich beide L¨ ander niemals spezialisieren und folglich keine Aussagen u andern außerhalb des Diversifi¨ber die Handelsstrukturen von L¨ kationskegels m¨ oglich sind. Unterstellt man einen (plausiblen) Zusammenhang zwischen der Einkommensverteilung und der Faktorausstattung des Landes, so kann dies in diesem Modellrahmen nicht analysiert werden. Die in den folgenden Abschnitten diskutierte, auf Firmenheterogenit¨at basierende, Modellfamilie legt erneut den Fokus rein auf die Angebotsseite, sodass von homothetischen Pr¨ aferenzen und love of variety ausgegangen wird und keine Heterogenit¨ at auf Seiten der Konsumenten gegeben ist. 3.2.1.3 Neue neue Außenhandelstheorie und Firmenheterogenit¨ at Die neue neue Außenhandelstheorie“ erweitert die im Abschnitt 3.2.1.1 dar” gestellte neue Außenhandelstheorie. W¨ ahrend Krugman (1979) und Helpman und Krugman (1985) von homogenen Firmen ausgehen, f¨ uhrt Melitz (2003) Firmenheterogenit¨ at sowie Eintrittskosten f¨ ur den Exportmarkt ein, wodurch er in der Lage ist, die Auswirkungen von Außenhandel auf die Marktstruktur abzubilden. Melitz (2003, S. 1698) betont die hohe empirische Relevanz dieser Kosten, die insbesondere durch die Studien von Roberts und Tybout (1997) f¨ ur Kolumbien und Bernard und Wagner (2001) f¨ ur Deutschland belegt wurden; theoretisch wurde der damit verbundene HysteresisEffekt im Vorfeld etwa von Baldwin (1988) und Dixit (1989) herausgearbeitet. Die Markteintrittskosten werden in der Modellierung als konstant angenommen, obwohl Clerides et al. (1998, S. 936) Hinweise daf¨ ur finden, dass diese Fixkosten etwa mit zunehmender Anzahl an exportierenden Firmen im betrachteten Sektor abnehmen, da die bisherigen Exporteure bereits die grundlegende Infrastruktur bereitstellen. Die Heterogenit¨ at der Firmen basiert darauf, dass die Firmen in der Herstellung ihres differenzierten Gutes unterschiedlich produktiv sind.64 Dadurch erwirtschaften die Firmen unterschiedlich hohe Gewinne, womit die 64 An
(3.34) ist zu erkennen, dass bei Krugman (1979) alle Firmen die gleiche Produktivit¨ at 𝜑 aufweisen.
116
3 Theoretische Grundlagenmodelle
M¨ oglichkeit gegeben ist, dass bei zu geringer Produktivit¨at die f¨ ur die Produktion anfallenden Fixkosten nicht gedeckt werden k¨onnen und somit Verasst sich eine Produktivit¨atsschwelle errechluste erzielt werden.65 Daher l¨ nen, die mindestens erforderlich ist, um Gewinne zu generieren.66 Funktionsweise des Basismodells. Melitz (2003) orientiert sich an den Grundannahmen von Krugman (1979), weist aber an entscheidenden Stellen Unterschiede auf, wodurch er den Fokus der Analyse ¨andern und erweitern kann. So wird eine Nutzenfunktion wie in (3.33) unterstellt, allerdings wird diese als CES-Funktion67 angenommen, das heißt, die Substitutionselastizit¨ at 𝜌 ¨ andert sich nicht in Abh¨ angigkeit von der konsumierten Menge, [∫ 𝑈=
𝑗∈𝑀
𝑐(𝜌−1)/𝜌 𝑑𝑗 𝑥𝑗
]𝜌/(𝜌−1) ,
(3.44)
wobei 𝑀 die Masse an Firmen beziehungsweise die Anzahl der verf¨ ugbaren Varianten angibt68 und 𝑐𝑥𝑗 die von Variante 𝑥𝑗 konsumierte Menge. Diese spezifische Form der Nutzenfunktion hat zur Folge, dass die Preissetzung der Firmen allein aufgrund ihrer Produktivit¨at erfolgt und damit keine Wettbewerbseffekte durch zus¨ atzliche Konkurrenz zu ber¨ ucksichtigen sind.69 Damit wird eine Situation unterstellt, wie sie in Abbildung 3.10 durch P (¯ 𝜌) dargestellt wurde. Die Produktion erfolgt mit der gleichen linearen Produktionsfunktion wie in (3.34) unter Verwendung eines Produktionsfaktors (Arbeit), wobei die Firmen unterschiedlich produktiv sind. Wie bereits angemerkt wurde, ist dieser Produktivt¨ atsunterschied zwischen den Firmen der gr¨oßte Unterschied zur neuen Außenhandelstheorie“. Die Produktivit¨at ist entscheidend ” 65 Bei
Krugman (1979) treten diese Verluste erst dann auf, wenn es zu viele Unternehmen gibt und damit die Nachfrage nach den einzelnen Varianten nicht mehr ausreichend hoch ist; zus¨ atzlich schr¨ ankt die Existenz vieler Konkurrenten den Preissetzungsspielraum ein. 66 Das Vorgehen in diesem Abschnitt orientiert sich an der Analyse von Melitz (2003) mit Anleihen bei Bernard et al. (2007). 67 Das Akronym CES steht dabei f¨ ur constant elasticity of substitution und dr¨ uckt die Haupteigenschaft dieser Funktion aus. Die empirische Motivation dieser funktionalen Beziehung geht zur¨ uck auf Arrow et al. (1961, S. 225f.): [T]o derive a mathematical ” function having the properties of (i) homogeneity, (ii) constant elasticity of substitution between capital and labor, and (iii) the possibility of different elasticities for different industries.“ (Deardorff, 2006, S. 367) 68 Beides ist identisch, da jedes Unternehmen nur eine einzige, individuelle Variante produziert. 69 Anders als in der Modellierung von Melitz und Ottaviano (2008), vgl. Abschnitt 3.2.1.5.
3.2 Intra-industrieller Handel
117
daf¨ ur, ob und f¨ ur welchen Markt die Firma produziert. Im folgenden sollen nun die Bedingungen und die zeitliche Abfolge der einzelnen Entscheidungen einer Firma aufgezeigt werden. Zu Beginn ihrer Existenz muss sich eine Firma f¨ ur oder gegen einen Markteintritt entscheiden. F¨ allt die Entscheidung positiv aus, hat sie einmalige Markteintrittskosten von 𝑤𝑓𝑒 zu entrichten70 und anschließend wird ihr eine bestimmte Produktivit¨ at 𝜑𝑗 zugewiesen. Hierbei wird eine gemeinsame Verteilung der Produktivit¨ at gem¨ aß 𝜑 ∼ ℎ[0, ∞] angenommen, die f¨ ur alle Markteintreter identisch ist. Die Produktivit¨ at beeinflusst schließlich den gewinnmaximalen Preis, der sich bei monopolistischer Konkurrenz als ein (fixer71 ) Aufschlag von 𝜌/(𝜌 − 1) auf die Grenzkosten darstellt,72 𝑝𝑥𝑗 (𝜑𝑗 ) =
𝑤 𝜌 . 𝜑𝑗 𝜌 − 1
(3.45)
Die Konsumenten fragen aber nicht nur eine Variante nach, sondern alle am Markt verf¨ ugbaren, weshalb ein Preisindex konstruiert werden kann, der die Preise aller Varianten derart aggregiert, dass die Ausgaben direkt in den Nutzen u ¨bertragbar sind. Nach Dixit und Stiglitz (1977, S. 298)73 ist dieser bestimmbar als (∫ )1/(1−𝜌) 1−𝜌 𝑃𝑥 = 𝑝𝑥𝑗 𝑑𝑗 . (3.46) 𝑗∈𝑀
Dieser Index wird auch als perfekter Preisindex bezeichnet und gibt an, wie viel den Konsumenten der Erwerb einer Nutzeneinheit kostet (Baldwin 70 Zu
beachten ist, dass Melitz (2003) in seiner Analyse 𝑤 auf 1 normiert hat, weshalb er von 𝑓𝑒 ausgeht. Da f¨ ur die sp¨ atere Analyse in Kapitel 4 auf das vorliegende Modell zur¨ uckgegriffen wird und dazu Modifikationen notwendig sind, wird in diesem Abschnitt diese Normierung bewusst nicht vorgenommen. 71 In der Analyse von Krugman (1979) (Abschnitt 3.2.1.1) und Melitz und Ottaviano (2008) (vgl. Abschnitt 3.2.1.5) ergibt sich der Preisaufschlag endogen beziehungsweise wird als solcher angenommen. Aufgrund der CES-Spezifikation der Nachfrage ist er hier aber konstant und nur abh¨ angig von der Substitutionselastizit¨ at beziehungsweise dem Grad der Produktdifferenzierung. 72 Diese Preissetzungsregel folgt unmittelbar aus dem Gewinnmaximierungskalk¨ ul. Im Gleichgewicht gilt, dass der Grenzerl¨ os gleich den Grenzkosten sein muss. Der Erl¨ os os von von Variante 𝑥𝑗 ist gegeben durch 𝑒𝑗 = 𝑝𝑥𝑗 (𝑥𝑗 ) 𝑥𝑗 , womit sich ein Grenzerl¨ ∂𝑒𝑗 /∂𝑥𝑗 = 𝑝𝑥𝑗 + 𝑥𝑗 ∂𝑝𝑥𝑗 /∂𝑥𝑗 ergibt. Da die Preiselastizit¨ at der Nachfrage definiert )( ) ( os auch geschrieben werden als ist als 𝜌 = − 𝑝𝑥𝑗 /𝑥𝑗 ∂𝑥𝑗 /∂𝑝𝑥𝑗 , kann der Grenzerl¨ ∂𝑒𝑗 /∂𝑥𝑗 = 𝑝𝑥𝑗 (𝜌 − 1)/𝜌. Die Grenzkosten ergeben sich nach (3.34) als ∂ (𝑤𝑙𝑗 ) /∂𝑥𝑗 = 𝑤/𝜑𝑗 . Die Gleichsetzung der beiden Bedingungen f¨ uhrt schließlich zu (3.45). 73 Vgl. hierzu auch die Erl¨ auterungen zu (A.26) in Anhang A.3.
118
3 Theoretische Grundlagenmodelle
et al., 2003, S. 38). Je teurer eine Variante relativ zum Preisindex dieser Branche ist, desto geringer ist der Anteil dieser Variante am Gesamtumsatz der Branche,74 ( 𝑒𝑗 = 𝐸
𝑝𝑥 𝑗 𝑃𝑥
)1−𝜌 ,
(3.47)
wobei 𝑒𝑗 den Umsatz der einzelnen Firma und 𝐸 = 𝑤𝐿 den Gesamtumsatz der Branche bezeichnen, der damit unmittelbar von der Anzahl an Produktionsfaktoren abh¨ angig ist. In Verbindung mit (3.45) kann der relative Umsatz zweier beliebiger Firmen in Abh¨ angigkeit vom Verh¨altnis ihrer Produktivit¨ aten, 𝜑’ und 𝜑”, formuliert werden, 𝑒(𝜑’) = 𝑒(𝜑”)
(
)𝜌−1 𝜑’ . 𝜑”
(3.48)
Je produktiver eine Firma im Vergleich zu einer anderen ist, desto gr¨oßer ist sowohl der (relative wie absolute) Umsatz als auch der (relative wie absolute) Gewinn dieser Firma. Diese Aussage ist analog auf den relativen Preis u ¨bertragbar, 𝜑” 𝑝(𝜑’) = . 𝑝(𝜑”) 𝜑’
(3.49)
Je h¨ oher die relative Produktivit¨ at, desto geringer ist der relative (wie absolute) Preis der produktiveren Firma. Das impliziert wiederum, dass die bei einer produktiven Firma relativ nachgefragte Menge h¨oher ausfallen wird, wodurch wiederum der h¨ ohere Umsatz und letztlich der Gewinn dieser Firma generiert wird. Der Gewinn der einzelnen Firma ist allgemein gegeben durch75 𝜋𝑗 (𝜑𝑗 ) = 74 Dieser
𝑒(𝜑𝑗 ) − 𝑤𝑓𝑝 . 𝜌
(3.50)
Zusammenhang kann aus den bei einer CES-Nutzenfunktion konsumierten Mengen abgeleitet werden, wenn anstelle vom Einkommen eines Individuums, das Ein¨ kommen der gesamten Okonomie herangezogen wird, vgl. dazu die Bestimmung der Nachfrage bei einer CES-Funktion in Anhang A.3 sowie hierin insbesondere (A.25). 75 Der Gewinn ist bestimmt als der Umsatz abz¨ uglich der Kosten, 𝜋𝑗 = 𝑒𝑗 − 𝑤𝑙𝑗 . Unter Ber¨ ucksichtigung der Preissetzung (3.45) ergibt sich dann 𝜋𝑗 = 𝑤𝜌/[𝜑𝑗 (𝜌 − 1)]𝑥𝑗 − 𝑤𝑓𝑝 − 𝑤𝑥𝑗 /𝜑𝑗 . Ausklammern ergibt 𝜋𝑗 = 𝑤/[𝜑𝑗 (𝜌 − 1)]𝑥𝑗 − 𝑤𝑓𝑝 , woraus schließlich (3.50) zu folgern ist.
3.2 Intra-industrieller Handel
119
Eine h¨ ohere Produktivit¨ at geht mit einem h¨ oheren Umsatz und damit einem gr¨ oßeren Gewinn der Firma einher. Dies ist darauf zur¨ uckzuf¨ uhren, dass eine produktivere Firma niedrigere (gewinnmaximierende) Preise setzen kann (vgl. (3.45) und (3.49)) und dadurch eine h¨ ohere Nachfrage erf¨ahrt. Im Extremfall einer Produktivit¨ at von null w¨ are der Umsatz 𝑒(0) = 0 und es w¨ urde ein Verlust in H¨ ohe der Produktionsfixkosten erwirtschaftet, 𝜋(0) = −𝑤𝑓𝑝 . Jede h¨ ohere Produktivit¨ at f¨ uhrt zu einem gr¨ oßeren, aber nicht notwendigerweise positiven Gewinn, abh¨ angig davon, inwieweit die Produktionsfixkosten gedeckt sind. Eine Firma wird daher nur dann produzieren, wenn ihre Produktivit¨ at ausreichend hoch ist (ein kritisches Niveau u ¨berschritten hat), um nicht-negative Gewinne zu generieren beziehungsweise weiter gefasst, wird eine Firma nur dann produzieren, wenn ihr Wert positiv (oder zumindest nicht-negativ) ist. Der Wert einer Firma berechnet sich dabei als } { ∞ } { ∑ 𝜋(𝜑) , (3.51) (1 − 𝛿)𝜋(𝜑) = max 0, 𝑣(𝜑) = max 0, 𝛿 𝑡=0 wobei er dann den Wert 0 annimmt, wenn die Firma nicht am Markt aktiv ist. Er stellt somit die Summe aller diskontierten zuk¨ unftigen Gewinne dar. Der Diskontfaktor 𝛿 ist die Wahrscheinlichkeit des Firmentodes – es wird angenommen, dass jede Periode mit Wahrscheinlichkeit 𝛿 unabh¨angig von der Produktivit¨ at ein Schock eintreten kann, der die Firma zum Marktaustritt zwingt. Diese Dynamik in einem Modell mit eigentlich station¨arer Struktur dient dazu, einen Anpassungsprozess zuzulassen, der nicht m¨oglich w¨ are, wenn die vorhandenen Firmen weiterbestehen w¨ urden und damit keine neuen Firmen eintreten k¨ onnten. Die Produktivit¨ atsschwelle 𝜑∗ ist bestimmt als das niedrigste Produktivit¨ atsniveau, das gerade noch zu einem positiven Firmenwert f¨ uhrt, 𝜑∗ = inf{𝜑 : 𝑣(𝜑) > 0}.
(3.52)
An dieser Stelle ist der Firmengewinn gerade null, 𝜋 (𝜑∗ ) = 0. Letztendlich ugen. werden nur Firmen im Markt aktiv sein, die mindestens u ¨ber 𝜑∗ verf¨ Abbildung 3.13 fasst in der oberen H¨ alfte und bei Szenario Autarkie“ die ” bisherigen Ergebnisse zusammen. ∗ Die Schwelle 𝜑 beeinflusst (direkt) die durchschnittliche Produktivit¨at 𝜑˜ der am Markt befindlichen Unternehmen. Zur Bestimmung von 𝜑˜ muss zun¨ achst die bedingte Verteilung der Produktivit¨aten der produzierenden Unternehmen ermittelt werden. Die Basis hierf¨ ur stellt die ex-ante-Dichtefunktion der m¨ oglichen Produktivit¨ aten ℎ(𝜑) und die daraus abgeleitete
120
3 Theoretische Grundlagenmodelle
Abbildung 3.13: Zeitliche Struktur im Melitz-Modell bei Autarkie, friktionslosem und kostspieligem Handel Entscheidung Markteintritt
Realisierung der erwarteter Nettofirmenwert Produktivität
Markteintritt zu Kosten wfe
keine Produktion
sonst
sonst
v^ > 0
Produktivität oberhalb Cut-Off j > j* Produktion mit Fixkosten wfp
Marktaustritt
3 Szenarien Autarkie
Produktion nur für das Inland Produktivität oberhalb Cut-Off j > jX*
kostspieliger Handel • (einmalige) Produktivität Exportfixkosten wfX unterhalb Cut-Off • Transportkosten t j < jX* friktionsloser Handel
Schock
Produktion für Inland und Export (in alle Länder)
nächste Periode 1-d
Ende Periode
d (negativ)
Marktaustritt
Verteilungsfunktion 𝐻(𝜑) dar. Da alle aktiven Firmen mindestens das kritische Produktivit¨atsniveau aufweisen und die Wahrscheinlichkeit hierf¨ ur agt, ist die bedingte Wahrscheinlichkeit durch 1 − 𝐻(𝜑∗ ) betr¨ { ℎ(𝜑)/[1 − 𝐻(𝜑∗ )] 𝜑 ≥ 𝜑∗ (3.53) 𝜇(𝜑) = 0 𝜑 < 𝜑∗ gegeben. Daraus kann unmittelbar die durchschnittliche Produktivit¨at abgeleitet werden, ⎡∞ ⎤1/(𝜌−1) [ ∫ ]1/(𝜌−1) ∞ 𝜌−1 ∫ ℎ(𝜑)𝑑𝜑 ∗ 𝜑 𝜑 = , (3.54) 𝜑(𝜑 ˜ ∗ ) = ⎣ 𝜑𝜌−1 𝜇(𝜑)𝑑𝜑⎦ 1 − 𝐻(𝜑∗ ) 0
die damit unabh¨ angig von der Anzahl der Firmen ist (Melitz, 2003, S. 1700). F¨ ur diese Produktivit¨ at lassen sich der durchschnittliche Umsatz 𝑒(𝜑) ˜ und
3.2 Intra-industrieller Handel
121
der durchschnittliche Gewinn 𝜋(𝜑) ˜ berechnen. Entsprechend zu (3.48) und (3.50) k¨ onnen diese dann als Funktion der kritischen Schwelle formuliert werden, [ 𝑒(𝜑) ˜ =
𝜑(𝜑 ˜ ∗) 𝜑∗
]𝜌−1
𝑒(𝜑∗ )
und 𝜋(𝜑) ˜ =
𝑒(𝜑) ˜ − 𝑤𝑓𝑝 . 𝜌
(3.55)
An (3.50) ist weiter zu erkennen, dass bei einem Gewinn von null der Umsatz agt und damit der durchschnittliche Gewinn von der 𝑒(𝜑∗ ) = 𝜌𝑤𝑓𝑝 betr¨ Produktionsschwelle, dem Lohn und den Produktionsfixkosten abh¨angt, [( ] )𝜌−1 𝜑(𝜑 ˜ ∗) 𝜋(𝜑) ˜ = − 1 𝑤𝑓𝑝 . (3.56) 𝜑∗ ¨ Die bisherigen Uberlegungen bez¨ uglich der Produktivit¨atsschwelle haben darauf abgezielt, diejenige Produktivit¨ at zu bestimmen, ab der sich die Produktion lohnt, und zwar unter der Voraussetzung, dass sich die Firma bereits im Markt befindet. Um aber in den Markt einzutreten, muss sie zun¨achst unftigen 𝑤𝑓𝑒 entrichten, das heißt, sie muss diese Kosten durch ihre zuk¨ Gewinne kompensieren. Dabei bewirkt der freie Marktzutritt, dass Firmen solange eintreten werden, wie sie einen positiven Firmenwert erwarten.76 Da alle Firmen, die unproduktiver als 𝜑∗ sind, nicht im Markt aktiv sind, erzielen alle im Markt befindlichen Firmen nicht-negative Gewinne, weshalb auch der Gewinn der durchschnittlichen Firma (gleichbedeutend mit dem durchschnittlichen Gewinn) positiv ausf¨allt. Das gleiche gilt f¨ ur den durchschnittlichen Firmenwert (berechnet analog zu (3.51)), der f¨ ur die letztendliche Markteintrittsentscheidung einer Firma relevant ist, da der durchschnittliche Firmenwert mit dem erwarteten Wert der Firma gleichzusetzen ist – schließlich basiert letztgenannter auf der nach einem erfolgreichen Markteintritt zu erwartenden Produktivit¨at (das heißt 𝜑 > 𝜑∗ ). Im Gleichgewicht werden Firmenneugr¨ undungen stattfinden, bis f¨ ur den (erwarteten) Nettofirmenwert 𝑣ˆ =
1 − 𝐻(𝜑∗ ) ! 𝜋(𝜑) ˜ − 𝑤𝑓𝑒 = 0 𝛿
(3.57)
gilt. Da der Nettofirmenwert monoton in 𝜑∗ abnimmt, ist es m¨oglich, die kritische Produktivit¨atsschwelle ohne R¨ uckgriff auf die endogenen Variablen zu 76 Es
wird hierbei angenommen, dass es eine unbeschr¨ ankte Anzahl potentieller konkurrenzf¨ ahiger Markteintreter gibt (Bernard et al., 2007, S. 37).
122
3 Theoretische Grundlagenmodelle
bestimmen. Sie muss demnach im Gleichgewicht simultan die Bedingungen (3.56) und (3.57) erf¨ ullen, ] [ ∫∞ ( )𝜌−1 𝜑 𝛿𝑓𝑒 − 1 ℎ(𝜑)𝑑𝜑 = . (3.58) 𝜑∗ 𝑓𝑝 𝜑∗
Es ist zu erkennen, dass 𝜑∗ in den Fixkosten der Produktion steigt77 – die Firma muss die h¨ oheren Kosten durch einen gr¨oßeren Umsatz kompensieren. Eine zunehmende Wahrscheinlichkeit des Firmentodes oder h¨ohere Markteintrittskosten f¨ uhren jedoch zu einer Reduktion von 𝜑∗ – schließlich f¨ uhrt beides dazu, dass weniger Firmen am Markt sind. Die Anzahl der Firmen und damit der angebotenen Varianten bestimmt sich durch die Marktgr¨ oße und den durchschnittlichen Erl¨os jeder Firma,78 𝑀=
𝑤𝐿 𝐿 𝐸 = = . 𝜌−1 𝑒(𝜑) ˜ 𝜌 [𝜋(𝜑) ˜ + 𝑤𝑓𝑝 ] 𝜌 (𝜑/𝜑 ˜ ∗) 𝑓𝑝
(3.59)
Es ist zu erkennen, dass die Firmenanzahl letztlich unabh¨angig von den Grenzkosten – der Entlohnung des Produktionsfaktors – ist. Je geringer die Substitutionselastizit¨ at und je niedriger die Fixkosten der Produktion sind, desto mehr Varianten werden angeboten. Eine wichtige Rolle spielt auch die Gr¨ oße des Landes, ausgedr¨ uckt in der Anzahl an verf¨ ugbaren Arbeitskr¨aften 𝐿. Bei ansonsten gleichen Parametern wird dasjenige Land relativ mehr Firmen aufweisen, das relativer gr¨ oßer ist, 𝐿’ 𝑀’ = . 𝑀 ” 𝐿”
(3.60)
Zusammen mit der Produktionsschwelle l¨ asst sich schließlich die genaue Anzahl der Markteintreter 𝑀𝑒 in jeder Periode im Gleichgewicht in Abh¨angigkeit von der Wahrscheinlichkeit des Firmentodes beschreiben, [1 − 𝐻(𝜑∗ )] 𝑀𝑒 = 𝛿𝑀.
(3.61)
Die Anzahl der erfolgreichen Markteintreter muss also der Anzahl der aus¨ scheidenden Firmen entsprechen, sodass sich im Gleichgewicht keine Anderung der (optimalen) Firmenanzahl (und der damit verf¨ ugbaren Varianten) ergibt, sofern sich weder die exogenen Parameter noch die Produktivit¨atsschwelle ge¨ andert haben. 77 Zu
beachten ist hier, dass das der Wert des Integrals mit zunehmendem 𝜑∗ abnimmt. die erste Umformung wurde (3.55) verwendet und f¨ ur die zweite (3.56).
78 F¨ ur
3.2 Intra-industrieller Handel
123
Auswirkungen der Handelsaufnahme. Ausgehend von den bisherigen ¨ Uberlegungen bei Autarkie wird nun die M¨ oglichkeit von Handel mit 𝑛, zum Inland symmetrischen L¨ andern er¨ offnet. Wie in Abbildung 3.13 dargestellt, k¨ onnen hierbei zwei Szenarien unterschieden werden: friktionsloser Handel“ ” und kospielieger Handel“. ” Verursacht der Handel keinerlei Kosten (friktionsloser Handel), so ¨andern sich die bisherigen Ergebnisse, insbesondere bezogen auf die Produktivit¨ atsschwelle nicht, da in diesem Fall die zus¨ atzlichen Exportm¨arkte wie eine Vergr¨ oßerung des inl¨ andischen Marktes wirken, analog zur neuen Außenhandelstheorie (vgl. Abschnitt 3.2.1.1). Ist der Handel hingegen mit Kosten verbunden, werden nur die produktivsten Firmen in der Lage sein, zu exportieren. Dabei sind zwei Kostenpositionen durch den Handel zu unterscheiden: Zum einen gibt es Exportfixur den Transport der G¨ uter Eisbergkosten 𝑤𝑓𝑥 und zum anderen werden f¨ Transportkosten von 𝜏 angenommen. Das bedeutet, es m¨ ussen 𝜏 > 1 Einheiten eines beliebigen Gutes exportiert werden, damit eine Einheit dieses Gutes im Ausland ankommt, der Rest der Exporte, 𝜏 − 1, geht im Zuge des Transports verloren beziehungsweise schmilzt“ auf dem Weg ins Ausland ” (vgl. auch Abschnitt 2.3.4.4). Die Preissetzungsregel der Firmen im Inland bleibt durch den Handel unver¨andert bei (3.45), wohingegen die ausl¨ andischen Konsumenten aufgrund (𝜑 ) = 𝜏 𝑝 (𝜑 ) f¨ u r die aus dem Inland importierte des Transports 𝑝𝐸𝑋 𝑗 𝑥 𝑗 𝑥𝑗 𝑗 Variante bezahlen m¨ ussen. Aus (3.47) l¨ asst sich dann der relative Umsatz einer Firma im Ausland bestimmen, 𝑒𝐸𝑋 (𝜑𝑗 ) = 𝜏 1−𝜌 𝑒𝐷 (𝜑𝑗 ),
(3.62)
wobei 𝑒𝐷 (𝜑𝑗 ) den Umsatz einer Firma bei Handel im Inland bezeichnet. Im Ausland wird nat¨ urlich nur dann ein Umsatz generiert, wenn die Firma auch exportiert, andernfalls erzielt das Unternehmen seinen gesamten Umsatz allein im Inland, { Produktion nur f¨ ur Inland, 𝑒𝐷 (𝜑𝑗 ) 𝑒(𝜑𝑗 ) = ] [ 𝐷 1−𝜌 𝑒 (𝜑𝑗 ) 1 + 𝑛𝜏 Produktion f¨ ur Inland und Export. (3.63) Aufgrund der Symmetrie der L¨ ander wird eine Firma, wenn sie in der Lage ist, in ein Land zu exportieren, zugleich auch in alle anderen L¨ander ihre Variante liefern. Dabei gibt es zwei Gr¨ unde, weshalb jedes exportierende Unternehmen auch weiterhin den inl¨ andischen Markt versorgen wird und es
124
3 Theoretische Grundlagenmodelle
daher keine Firmen gibt, die ausschließlich exportieren: Zum einen sch¨atzen die Konsumenten Produktdifferenzierung und fragen, trotz zus¨atzlichem ausl¨ andischen Angebots, immer noch die inl¨ andischen Varianten nach und zum anderen fallen unabh¨ angig von der Exportentscheidung der Firma in der Produktion die gleichen Fixkosten an.79 Der Gewinn eines Unternehmens kann aufgegliedert werden in denjenigen Teil, der im Inland erwirtschaftet wird, 𝜋𝑗𝐷 , und in den Teil, der durch den Export pro Land generiert wird, 𝜋𝑗𝐸𝑋 , 𝜋𝑗𝐷 (𝜑𝑗 ) =
𝑒𝐷 (𝜑𝑗 ) − 𝑤𝑓𝑝 𝜌
und 𝜋𝑗𝐸𝑋 (𝜑𝑗 ) =
𝑒𝐸𝑋 (𝜑𝑗 ) − 𝑤𝑓𝑥 . (3.64) 𝜌
Da die Exportfixkosten nur dann anfallen, wenn exportiert wird, belasten diese Fixkosten prinzipiell nur den Exportgewinn, obwohl sie aus Sicht des Unternehmens nat¨ urlich den Gesamtumsatz senken. Alle am Markt befindlichen Firmen erwirtschaften im Inland einen Gewinn (sonst w¨ urden sie austreten), wohingegen nur ein Teil auch im Ausland Gewinne erzielen kann. Der Gesamtgewinn einer Firma stellt sich damit dar als { } 𝜋𝑗 (𝜑𝑗 ) = 𝜋𝑗𝐷 (𝜑𝑗 ) + max 0, 𝑛𝜋𝑗𝐸𝑋 (𝜑𝑗 ) .
(3.65)
Eine Firma, die nur Verluste im Exportmarkt erzielen kann, wird nicht exportieren, das heißt, der Exportgewinn ist 0. Analog zu (3.51) kann damit der Wert einer Firma bestimmt werden. Es lassen sich nun zwei kritische Produktivit¨ atsschwellen bestimmen: Diejenige, die angibt, ob ein Unternehmen u atig ist und diejenige, die festlegt, ob ein pro¨berhaupt am Markt t¨ duzierendes Unternehmen zus¨ atzlich auch exportieren wird. Die Produktionsschwelle bestimmt sich wie in (3.52) und die Exportschwelle analog als 𝜑∗𝑥 = inf {𝜑 : 𝜑 > 𝜑∗ und 𝜋𝑥 (𝜑) > 0} . 79 Dass
(3.66)
exportierende Firmen auch den Heimatmarkt versorgen, bemerkte auch Linder (1961, S. 89f.). Er argumentierte damit, dass Firmen erst exportieren, nachdem sie f¨ ur den Heimatmarkt produziert haben und im Ausland neue Absatzchancen sehen (vgl. hierzu auch Vernon, 1966). Ex ante wird die Firma nur dann die Produktion eines Gutes aufnehmen (beziehungsweise Innovationsanstrengungen unternehmen), wenn es ¨ im Heimatland daf¨ ur Bedarf gibt. Die erste Uberlegung ist konsistent damit, dass jedes exportierende Unternehmen aufgrund der love-of-variety-Annahme immer den inl¨ andischen Markt mitversorgen wird und nicht jede Firma dem ausl¨ andischen Wettbewerb ¨ gewachsen ist (mittelproduktiv versus hochproduktiv). Die zweite Uberlegung wiederum wird dadurch impliziert, dass die Residualnachfrage noch ausreichend hoch ist, um zumindest Nullgewinne sicherzustellen.
3.2 Intra-industrieller Handel
125
Die Schwelle 𝜑∗𝑥 bestimmt diejenige Produktivit¨ at, die gerade notwendig ist, um positive Gewinne durch den Export der eigenen Variante zu erwirtschaften. Durch die dadurch bedingte Separierung der Firmen in exportierende und nicht-exportierende Unternehmen, sind die in den einzelnen L¨andern verf¨ ugbaren Varianten im Unterschied zur Situation bei friktionslosem Handel nicht identisch, das heißt, es gibt internationale Varianten, die in jedem Land zur Verf¨ ugung stehen und nationale Varianten80 , die von Land zu aten sowie (3.64) erlauben es, Land variieren.81 Die kritischen Produktivit¨ die Ums¨ atze aus dem inl¨ andischen und einem (repr¨asentativen) ausl¨andischen Markt zu bestimmen, 𝑒𝐷 (𝜑∗𝑡 ) = 𝜌𝑤𝑓𝑝
und 𝑒𝐸𝑋 (𝜑∗𝑥 ) = 𝜌𝑤𝑓𝑥 .
(3.67)
Unter Ber¨ ucksichtigung von (3.48) und (3.62) kann schließlich ein Zusammenhang zwischen den beiden kritischen Produktionsschwellen abgeleitet werden, 𝜑∗𝑥
=
𝜑∗𝑡 𝜏
(
𝑓𝑥 𝑓𝑝
1 ) 𝜌−1 .
(3.68)
Im Vergleich zur Produktionsschwelle f¨ allt die Exportschwelle umso h¨oher aus, je h¨ oher die Fixkosten des Exports relativ zu denjenigen der laufenden Produktion sind und je mehr f¨ ur den Transport aufzuwenden ist. Unmittelbar relevant ist auch die H¨ ohe der Exportfixkosten, die schließlich durch den im Ausland generierten Umsatz (¨ uber-)kompensiert werden m¨ ussen, was nur von relativ produktiven Firmen erreicht werden kann. Zus¨atzlich erh¨ohen Transportkosten den Preis der inl¨ andisch erzeugten Varianten im Ausland, wodurch die dortige Nachfrage ebenso wie der erwirtschaftete Umsatz abnimmt. Dieser Effekt f¨ allt nur dann nicht zu stark ins Gewicht, wenn der Ab-Werk-Preis relativ niedrig ist (da die Konsumenten die Transportkosten tragen); auch hier sind hochproduktive Firmen im Vorteil. Die Separierung der Firmen erm¨ oglicht es somit produktiveren Firmen, zus¨ atzliche M¨ arkte im Ausland zu erschließen, die unproduktiveren Firmen verwehrt bleiben. Da zugleich ebenfalls produktivere Firmen in den inl¨andischen Markt eindringen, sinkt die Nachfrage nach inl¨andischen Varianten, 80 Bei
friktionslosem Handel exportieren alle Firmen und auch die Produktivit¨ atschwelle bleibt unver¨ andert. 81 If some firms do not export, then there no longer exists an integrated world market ” for all goods. [... C]onsumers in each country have access to goods (produced by the nonexporting firms) that are not available to consumers in any other country.“ (Melitz, 2003, S. 1708)
126
3 Theoretische Grundlagenmodelle
die aber bei den unproduktiveren Firmen nicht wie bei friktionslosem Handel durch den Export ausgeglichen werden kann. Als Folge werden sie ihre Produktion einschr¨ anken oder komplett aufgeben und die verbleibenden Produktionsfaktoren stehen nun den exportierenden Firmen zus¨atzlich zur Verf¨ ugung. Fallen keine Exportfixkosten an, liegt die zum Export mindestens erforderliche Produktivit¨ at bei null und jede produzierende Firma exportiert auch.82 Durch das Fehlen von Transportkosten (𝜏 = 1) wird jedoch eine Separierung der Firmen nicht verhindert. Offensichtlich findet immer dann eine Separierung in exportierende und nicht-exportierende Firmen statt, wenn die Exportschwelle die Produktionsschwelle u ¨bersteigt. In (3.53) wurde bereits die ex-ante-Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen ucksichtigung der WahrMarkteintritts mit 1 − 𝐻(𝜑∗ ) bestimmt. Unter Ber¨ scheinlichkeit, dass eine Firma u ohere Produktivit¨at als die Ex¨ber eine h¨ portschwelle verf¨ ugt, kann die bedingte ex-ante-Wahrscheinlichkeit daf¨ ur berechnet werden, dass eine erfolgreich eingetretene Firma exportieren wird, 𝜒=
1 − 𝐻(𝜑∗𝑥 ) . 1 − 𝐻(𝜑∗𝑡 )
(3.69)
Diese ex-ante-Wahrscheinlichkeit entspricht im Gleichgewicht dem ex-postAnteil der exportierenden Unternehmen im Land, 𝑀𝑥 = 𝜒𝑀𝑡 , wobei der Subskript 𝑡 die Variable bei kostspieligem Handel (im Unterschied zu ihrem subskriptlosen Pendant bei Autarkie) kennzeichnet. Alle im Inland und jedem anderen Land der Welt verf¨ ugbaren Varianten k¨onnen so mit 𝑀𝑣 = 𝑀𝑡 (1 + 𝑛𝜒)
(3.70)
angegeben werden, wobei der Subskript 𝑣 die in den L¨andern verf¨ ugbaren Variablen bezeichnet. Da der Export erst ab einer ausreichend hohen Produktivit¨at m¨oglich ist, muss dies auch in der Berechnung des erwarteten Nettofirmenwerts Ber¨ ucksichtigung finden. Damit ¨ andert sich (3.57) zu 𝑣ˆ = 82 In
1 {[1 − 𝐻(𝜑∗𝑡 )] 𝜋(𝜑˜𝑡 ) + [1 − 𝐻(𝜑∗𝑥 )] 𝜋(𝜑˜𝑥 )} − 𝑤𝑓𝑒 , 𝛿
(3.71)
diesem Fall h¨ atten analog zu Krugman (1980, S. 954) die Transportkosten keine Auswirkungen auf die Anzahl der Firmen oder deren Preissetzung. Da die Konsumenten Vielfalt w¨ unschen, g¨ abe es selbst bei sehr hohen Transportkosten eine echt positive Nachfrage. Diesem zus¨ atzlichem Umsatz stehen dabei keine Fixkosten entgegen, weshalb jede Firma exportieren wird.
3.2 Intra-industrieller Handel
127
wobei sich die durchschnittliche Produktivit¨ at der exportierenden Firmen analog zu (3.54) bestimmt, [∫ ∞ 𝜑˜𝑥 (𝜑∗𝑥 ) =
𝜑∗ 𝑥
𝜑𝜌−1 ℎ(𝜑)𝑑𝜑
1 − 𝐻(𝜑∗𝑥 )
]1/(𝜌−1) .
(3.72)
Aus dem Vergleich mit (3.54) ist leicht zu erkennen, dass 𝜑˜𝑥 (𝜑∗𝑥 ) > 𝜑(𝜑 ˜ ∗𝑡 ) ∗ ∗ gilt, sofern 𝜑𝑥 > 𝜑𝑡 vorliegt – die exportierenden Firmen sind folglich im Durchschnitt produktiver als alle anderen u ¨berlebenden Firmen. Auch hier k¨ onnen die kritischen Produktivit¨ atsschwelle(n) unabh¨angig von endogenen Variablen bestimmt werden,83 ∫∞ [( 𝑓𝑝 𝜑∗ 𝑡
𝜑 𝜑∗𝑡
)𝜌−1
]
∫∞ [(
− 1 ℎ(𝜑)𝑑𝜑 + 𝑓𝑥 𝜑∗ 𝑥
𝜑 𝜑∗𝑥
]
)𝜌−1
− 1 ℎ(𝜑)𝑑𝜑 = 𝛿𝑓𝑒 . (3.73)
F¨ ur 𝑓𝑥 = 0 bleiben Firmen vom Export unbeeinflusst und die Bedingung vereinfacht sich zu (3.58). Damit die Gleichung erf¨ ullt ist, muss f¨ ur h¨ohere Exportfixkosten das zweite Integral kleiner ausfallen beziehungsweise die Exportschwelle steigen. Der erste Term der linken Seite entspricht der linken Seite bei Autarkie und friktionslosem Handel (3.58). Da sich weder 𝛿, 𝑓𝑒 noch 𝑓𝑝 durch die Aufnahme von Handel a ¨ndern, muss dieser Term jedoch geringer als bei Autarkie ausfallen, damit die Bedingung weiterhin g¨ ultig ist. Dies ist aber gleichbedeutend damit, dass das zum erfolgreichen Markteintritt erforderliche Produktivit¨ atsniveau bei Existenz von Exportfixkosten h¨ oher liegen muss – unabh¨ angig davon, ob die Firma exportieren wird oder nicht. Generell gilt, je gr¨ oßer der zweite Term von (3.73) ist, desto h¨oher muss 𝜑∗𝑡 im Vergleich zu Autarkie sein. Unter Verwendung von (3.68) kann 𝑣ˆ schließlich alleine in Abh¨ angigkeit von der Produktionsschwelle formuliert werden. Durch die h¨ ohere Mindestproduktivit¨ at sinkt in dynamischer Hinsicht die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Markteintritts, wie an (3.61) zu erkennen ist. Es m¨ ussen folglich mehr Firmen den Markteintritt wagen, um eine gegebene Anzahl von Firmentoden ausgleichen zu k¨onnen. Zugleich impliziert eine h¨ ohere Produktionsschwelle eine h¨ohere Durchschnittsproduktivit¨ at der eintretenden Firmen im Vergleich sowohl zum Szenario bei 83 Der
Lohnsatz 𝑤 ist Teil aller Fixkosten und k¨ urzt sich damit raus.
128
3 Theoretische Grundlagenmodelle
Autarkie als auch bei friktionslosem Handel. Dadurch ist der durchschnittliche Umsatz der inl¨ andischen Firmen in ihrem Heimatmarkt h¨oher und gleichzeitig f¨ allt die Anzahl der inl¨ andisch erzeugten Varianten analog zu (3.59) ceteris paribus geringer aus. Aus den (in jedem Land) am Markt verf¨ ugbaren Varianten kann eine (fiktive) durchschnittliche Produktivit¨ at aller Firmen bestimmt werden, deren Produkte f¨ ur den Konsum zur Verf¨ ugung stehen und bei der die Verluste durch den Transport der G¨ uter f¨ ur den Konsum ber¨ ucksichtigt werden. Zur Bestimmung dieser Produktivit¨ at m¨ ussen alle inl¨andisch produzierten Varianten sowie diejenigen der exportierenden ausl¨andischen Firmen erfasst werden, { 𝜑˜𝑣 =
} ( )𝜌−1 ] 1/(𝜌−1) 1 [ 𝜌−1 + 𝑛𝑀𝑥 𝜏 −1 𝜑˜𝑥 . 𝑀𝑡 (𝜑˜𝑡 ) 𝑀𝑣
(3.74)
Damit ¨ andert sich auch der Preisindex, der schließlich auch die Produktivit¨ at der angebotenen Varianten widerspiegelt, zu 𝑃𝑥𝑡 = 𝑀𝑣1/(1−𝜌) 𝑝𝑥𝑗 (𝜑˜𝑣 ) .
(3.75)
Der Preisindex ist damit gegen¨ uber dem Autarkieniveau gesunken, da die Durchschnittsproduktivit¨ at ebenso wie die Anzahl der verf¨ ugbaren Varianten gestiegen ist. Zusammenfassung. Die Bestimmung der verschiedenen Produktivit¨atsschwellen erlaubt schließlich eine Separierung der Firmen je nach Szenario – Autarkie, friktionsloser oder kostspieliger Handel – in bis zu drei Typen, wie auch in Abbildung 3.14 verdeutlicht wird: • Unproduktive Firmen, die nicht produzieren, da ihre Produktivit¨at unterhalb der Produktivit¨ atsschwelle 𝜑∗ liegt und sie somit nur Verluste erzielen k¨ onnen (vgl. (3.52)) • Mittelproduktive Firmen, die exklusiv f¨ ur den inl¨andischen Markt produzieren, da sie nicht produktiv genug sind, um im Ausland mit den dortigen Firmen zu konkurrieren, das heißt, ihre Produktivit¨at liegt unterhalb der Exportschwelle 𝜑∗𝑥 (vgl. (3.66)) • Hochproduktive Firmen, die sowohl f¨ ur das Inland als auch das Ausland produzieren
3.2 Intra-industrieller Handel
129
¨ W¨ahrend der Ubergang von Autarkie zu friktionslosem Handel die Produktivit¨ atsschwelle unver¨ andert l¨ asst und auch zu keiner Separierung der Firmen f¨ uhrt, tritt dies sehr wohl bei kostspieligem Handel auf. Als Folge steigt die durchschnittliche Produktivit¨ at der im Inland angebotenen Varianten (3.74), da einerseits nur die produktiveren inl¨ andischen Firmen u ¨berleben und andererseits nur die produktivsten ausl¨ andischen Firmen in der Lage sind, G¨ uter im Inland anzubieten.84 Abbildung 3.14: Produktivit¨ ats- und Exportschwelle bei Autarkie, friktionslosem und kostspieligem Handel Autarkie/ (Freihandel) j* Produktion für Inland (und Export)
Marktaustritt 0 Marktaustritt j*
Produktion nur für Inland
j*x
Produktion für Inland und Export
j
kostspieliger Handel Quelle: In Anlehnung an Bernard et al. (2007, Figure 1, S. 42).
Die ¨ okonomische Ursache dahinter, dass die am wenigsten produktiven Firmen den Markt verlassen, ist, dass die zus¨ atzlichen Chancen durch den Export mehr Firmen zum Markteintritt veranlassen und dadurch den Reallohn 𝑤/𝑃 f¨ ur den gemeinsamen (und begrenzt verf¨ ugbaren) Faktor in die H¨ ohe treiben. Dadurch k¨ onnen sich weniger produktive Firmen den Faktor nicht mehr leisten. Der Reallohn steigt auch deshalb, da nur die produktiveren Firmen in der Lage sind, zu exportieren. Dies folgt daraus, dass einerseits die variablen Handelskosten die Firmen im Ausland unproduktiver erscheinen lassen und andererseits f¨ ur den ausl¨ andischen Marktzugang auch noch zus¨atzliche 84 Die
weitere Analyse von Melitz (2003) zeigt schließlich, dass bei kostspieligem Handel nicht alle Firmen, die in der Lage sind zu exportieren, davon auch tats¨ achlich profitieren. W¨ ahrend die produktivsten Firmen durch den Export sowohl ihren Marktanteil als auch ihre Gewinne vergr¨ oßern k¨ onnen, m¨ ussen die weniger effizienten Firmen im Vergleich zu Autarkie trotz gr¨ oßerem Marktanteil Gewinneinbußen hinnehmen, da sie jetzt schließlich zus¨ atzlich die Fixkosten des Exports zu tragen haben. Die nicht-exportierenden Unternehmen verlieren in jedem Fall sowohl Marktanteile als sie auch niedrigere Gewinne erwirtschaften; im schlimmsten Falle sind f¨ ur sie nur noch Verluste m¨ oglich und sie werden den Markt verlassen.
130
3 Theoretische Grundlagenmodelle
Fixkosten anfallen. Diese Fixkosten m¨ ussen nicht nur gedeckt werden, sondern aus dem vorhandenen Arbeitsangebot aufgebracht werden. Die folglich h¨ ohere durchschnittliche Produktivit¨ at bedingt schließlich einen niedrigeren Preisindex, wodurch der Anteil der unproduktiveren Firmen am Gesamtumsatz zur¨ uckgeht (vgl. (3.47)). Dadurch sind einige Firmen nicht mehr in der Lage die Produktionsfixkosten zu decken und m¨ ussen den Markt verlassen. Andere Firmen werden trotz eines negativen Unternehmenswerts weiter produzieren, da sie die Fixkosten decken k¨ onnen und die Markteintrittskosten bereits versunken sind. Die Dynamik (beziehungsweise der immer drohende Firmentod) sorgt aber daf¨ ur, dass diese Firmen schließlich auch aus dem Markt verschwinden und keine Firmen nachkommen werden, die ihr Produktivit¨ atsniveau aufweisen. Insgesamt ist f¨ ur die Separierung somit der Faktormarkt urs¨ achlich, der direkt den Gesamtumsatz vorgibt. Im n¨ achsten Abschnitt wird nun die Analyse um einen weiteren Sektor erweitert, sodass neben intra-industriellen Handel auch inter-industrieller Handel abgebildet werden kann. 3.2.1.4 Firmenheterogenit¨ at und komparativer Vorteil W¨ ahrend Helpman und Krugman (1985) in das HOS-Modell den Ansatz von Krugman (1979) integrieren, f¨ uhren Bernard, Redding und Schott (2007) die gleiche Analyse aufbauend auf Melitz (2003) durch, sodass anstelle homogener nun heterogene Firmen betrachtet werden.85 Als weiterer Unterschied wird in beiden Sektoren monopolistische Konkurrenz angenommen. Im Zuge der Integration dieser beiden Ans¨ atze sind nun einige Modifikationen der grundlegenden Annahmen des HOS- beziehungsweise Melitz-Modells notwendig. Funktionsweise des Basismodells. Im Unterschied zur Nutzenfunktion bei Melitz (2003) (vgl. (3.44)) wird eine zweistufige Funktion angenommen. Auf der oberen Stufe ist diese als Cobb-Douglas-Funktion bestimmt, wodurch sie die Aufteilung des Einkommens auf die HOS-Sektoren beschreibt. Auf der unteren Stufe wird sie als CES-Funktion modelliert und dr¨ uckt damit die Nachfrage nach den einzelnen Varianten in den Sektoren aus, 𝑈= 85 Es
𝐶1𝛾1 𝐶2𝛾2 ,
[∫ wobei 𝐶𝑖 =
𝑗∈𝑀𝑖
(𝜌−1)/𝜌 𝑐𝑖𝑗 𝑑𝑗
]𝜌/(𝜌−1) .
handelt sich somit um ein Melitz-Heckscher-Ohlin-Modell“. ”
(3.76)
3.2 Intra-industrieller Handel
131
Die Variable 𝑐𝑖𝑗 bezeichnet den Konsum von Variante 𝑗 ∈ 𝑀𝑗 aus Sekur Sektor 𝑖 verwendeten tor 𝑖 = 1, 2 und der Parameter 𝛾𝑖 ∈ [0, 1] den f¨ Einkommensanteil, da angenommen wird, dass 𝛾1 + 𝛾2 = 1. Die Substitutionselastizit¨ at 𝜌 wird in beiden Sektoren als gleich hoch angenommen. Die Annahme zweier Produktionsfaktoren erfordert eine andere Produktionstechnologie als die von Melitz (2003) angenommene. Daher wird eine Cobb-Douglas-Produktionsfunktion unterstellt,86 [ ]−1 𝑞𝑖 = 𝜑𝐾 𝛽𝑖 𝐿1−𝛽𝑖 𝛽𝑖𝛽𝑖 (1 − 𝛽𝑖 )1−𝛽𝑖 .
(3.77)
F¨ ur die Produktion fallen Fixkosten in H¨ ohe von 𝑟𝛽𝑖 𝑤1−𝛽𝑖 𝑓𝑝𝑖 an87 , die in der Kostenfunktion ber¨ ucksichtigt werden, ( Γ𝑖 =
𝑓𝑝𝑖 +
𝑞𝑖 𝜑
)
𝑟𝛽𝑖 𝑤1−𝛽𝑖 .
(3.78)
Es wird angenommen, dass 1 > 𝛽1 > 𝛽2 > 0, sodass Sektor 1 mit einer h¨ oheren Kapitalintensit¨ at als Sektor 2 produziert. Es werden zwei ¨ahnlich ausgestattete L¨ ander angenommen, sodass es zum Faktorpreisausgleich kommt.88 Die weiteren funktionalen Beziehungen sind analog zu Melitz (2003) mit dem Unterschied, dass die Existenz zweier Produktionsfaktoren zum einen die Produktionskosten modifiziert, wie etwa die Markteintrittskosten, die 𝑟𝛽𝑖 𝑤1−𝛽𝑖 𝑓𝑒𝑖 betragen, und zum anderen im Gleichgewicht nun zwei Faktorm¨ arkte ger¨ aumt sein m¨ ussen, 𝐾1 + 𝐾2 = 𝐾 und 𝐿1 + 𝐿2 = 𝐿. Wie in (3.45) bestimmt sich der gewinnmaximierende Preis der einzelnen Varianten durch einen mark-up auf die Grenzkosten, die hier 𝑟𝛽𝑖 𝑤1−𝛽𝑖 𝜑−1 betragen. Der Umsatz der einzelnen Firma ist gegeben druch (3.47), wobei der Sektorumsatz als Anteil am Gesamtumsatz entsprechend des daf¨ ur verwendeten Einkommensanteils gegeben ist, 𝛾𝑖 𝐸. 86 Der
𝛽
Nenner 𝛽𝑖 𝑖 (1 − 𝛽𝑖 )1−𝛽𝑖 in der Produktionsfunktion dient hier einzig zur Normierung der abgeleiteten Kostenfunktion, (3.78). Bernard et al. (2007) nehmen als Produktionsfaktoren gelernte (skilled, S ) und ungelernte Arbeit (unskilled, U ) an. Zur einheitlichen Darstellung in dieser Arbeit werden hier aber die typischen Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit angenommen. 87 Wie bei Melitz (2003) werden die Fixkosten hier in eingesetzten Faktoren gemessen, wodurch in der weiteren Analyse einfachere formale Zusammenh¨ ange erm¨ oglicht werden. 88 Beide L¨ ander befinden sich im gleichen Diversifikationskegel, vgl. Abschnitt 3.1.4.
132
3 Theoretische Grundlagenmodelle
Auswirkungen der Handelsaufnahme. Wie bei Melitz (2003) ¨andert auch hier die Aufnahme von friktionslosem Handel nichts an der f¨ ur den erfolgreichen Markteintritt mindestens erforderlichen Produktivit¨at (und da¨ mit an der durchschnittlichen Branchenproduktivit¨at). Anderungen an der Produktivit¨ atsschwelle treten aber auf, sobald Handel nicht mehr kostenlos erfolgt beziehungsweise Eintrittskosten in den ausl¨andischen Markt anfallen. Da im Unterschied zu Melitz (2003) nicht mehr viele symmetrische L¨ ander, sondern nur noch zwei in Bezug auf die relative Faktorausstattung asymmetrische L¨ ander angenommen werden, gewinnt die Marktsituation im Ausland eine gr¨ oßere Bedeutung f¨ ur die Exportf¨ahigkeit der inl¨andischen Firmen. So ist der im Ausland anfallende Umsatz im Unterschied zu (3.62) abh¨angig von der relativen Gr¨ oße des Auslands, ⎧ Produktion 𝐷 ⎨𝑒𝑖 (𝜑𝑗 ) [ nur f¨ ur Inland, ] ( 𝐹 )𝜌−1 𝐹 (𝜑𝑗 ) = 𝑒𝐸𝑋 𝑖 𝑃 𝐸 Produktion f¨ ur 1−𝜌 𝑖 𝐷 ⎩𝑒𝑖 (𝜑𝑗 ) 1 + 𝜏𝑖 Inland und Export. 𝑃𝑖 𝐸 (3.79) Je gr¨ oßer der ausl¨ andische Markt im Vergleich zum inl¨andischen Markt ist, desto h¨ oher ist der Umsatz, der dort im Vergleich zum Inland erzielt werden kann. Dies hat auch Auswirkungen auf den Zusammenhang zwischen der Produktions- und der Exportschwelle, (3.68), 𝜑∗𝑥𝑖
=
𝜑∗𝑡𝑖 𝜏𝑖
𝑃𝑖 𝑃𝑖𝐹
(
𝐸 𝑓𝑥𝑖 𝐸 𝐹 𝑓𝑝𝑖
1 ) 𝜌−1 .
(3.80)
Damit kommt der (relativen) Marktgr¨ oße eine wichtige Rolle zu, denn je kleiner der inl¨ andische Markt im Vergleich zum Weltmarkt ist, desto geringer ist die Exportschwelle. Die Intuition dahinter ist die Folgende: In einem gr¨ oßeren ausl¨ andischen Markt f¨ allt der Umsatz und damit der entsprechende Gewinn h¨ oher aus. Ist der eigene Markt allerdings relativ groß, m¨ ussen die inl¨ andischen Firmen wiederum sehr produktiv sein, um im relativ kleinen ausl¨ andischen Markt gen¨ ugend Umsatz erzielen zu k¨onnen. Ist der inl¨andische Preisindex im Vergleich zum Ausland hoch, dr¨ uckt sich dies, aufgrund des h¨ oheren ausl¨ andischen Wettbewerbsdrucks, in einer relativ hohen Exportschwelle aus. Dieser Konkurrenz k¨ onnen nur Firmen mit einer hohen Produktivit¨ at begegnen. Im Gleichgewicht m¨ ussen die in- und ausl¨ andischen Ausgaben f¨ ur die inl¨ andischen Varianten dem Wert der Produktion, das heißt dem Branchen-
3.2 Intra-industrieller Handel
133
umsatz, entsprechen, ( 𝐸𝑖 = 𝛾𝑖 𝐸𝑀𝑖
𝑝𝑖𝑑 (𝜑˜𝑖 ) 𝑃𝑖
)1−𝜌
+ 𝛾𝑖 𝐸 𝐹 𝜒𝑖 𝑀𝑖𝐹
(
𝜏𝑖 𝑝𝑖𝑑 (𝜑˜𝑥𝑖 ) 𝑃𝑖𝐹
)1−𝜌 ,
(3.81)
wobei im Gleichgewicht bei freiem Markteintritt der Umsatz komplett auf die beiden in dem Sektor eingesetzten Produktionsfaktoren entf¨allt, das ullt sein muss. heißt, dass 𝐸𝑖 = 𝑟𝐾𝑖 + 𝑤𝐿𝑖 erf¨ Abbildung 3.15: Auswirkung der Handelsaufnahme auf Produktivit¨ atsschwellen in beiden Branchen
0
j*
j*t
8
Branche mit HOS komparativem Vorteil
j*x
0
j*
j*t
j*x
8
Branche mit HOS komparativem Nachteil
Quelle: Bernard et al., 2007, FIGURE 2, S. 46.
Abbildung 3.15 verdeutlicht, wie die Produktivit¨atsschwellen in diesem Modell davon abh¨ angig sind, welche Branche betrachtet wird.89 Der Export erm¨ oglicht die Generierung h¨ oherer Ums¨ atze, wodurch die ex-ante-Wahrscheinlichkeit steigt, dass eine gegebene Produktivit¨at ausreicht, um einen positiven Gewinn zu erzielen. Dies f¨ uhrt aber dazu, dass mehr Firmen eintreten werden und dadurch Firmen, die aufgrund zu geringer Produktivit¨at nur f¨ ur das Inland produzieren k¨ onnen, vom Markt verdr¨angt werden. 89 Diese
Zusammenh¨ ange k¨ onnen auch formal bestimmt werden, wie die folgende Beweisskizze aufzeigt (Bernard et al., 2007, S. 62): Bei Vorliegen von Handelskosten, ist in der Branche mit dem komparativen Vorteil der relative Preis niedriger als im Ausland. Hat etwa das Inland einen komparativen Vorteil in Sektor 1, gilt 𝑃1 /𝑃2 < 𝑃1𝐹 /𝑃2𝐹 beziehungsweise 𝑃1 /𝑃1𝐹 < 𝑃2 /𝑃2𝐹 . An (3.80) ist zu erkennen, dass dann ceteris paribus auch der Abstand zwischen 𝜑∗𝑥1 und 𝜑∗𝑡1 kleiner als zwischen 𝜑∗𝑥2 und 𝜑∗𝑡2 sein muss. Der andere formale Zusammenhang, dem 𝜑∗𝑥𝑖 und 𝜑∗𝑡𝑖 zus¨ atzlich gen¨ ugen m¨ ussen, ist durch (3.73) gegeben. Da dort die linke Seite in 𝜑∗𝑡𝑖 ebenso wie in 𝜑∗𝑥𝑖 f¨ allt, kann der abgeleitete Zusammenhang zwischen 𝜑∗𝑥𝑖 und 𝜑∗𝑡𝑖 nur dann gelten, wenn in der Branche mit dem komparativen Vorteil die Exportschwelle niedriger und die Produktionsschwelle h¨ oher als in der Branche mit dem komparativen Nachteil liegt.
134
3 Theoretische Grundlagenmodelle
Der aus der relativen Faktorausstattung abgeleitete komparative Vorteil eines Landes f¨ uhrt dazu, dass in dieser Branche billiger als im Ausland produziert werden kann und daher die Gewinne in den Exportm¨arkten h¨oher ausfallen (das Ausland hat schließlich dort einen komparativen Nachteil). Dadurch sind die eben beschriebenen Effekte in dieser Branche st¨arker ausgepr¨ agt, das heißt, dass auch relativ produktive Firmen durch die verst¨arkt eintretenden Firmen vom Markt gedr¨ angt werden. Insgesamt ist es f¨ ur Firmen der Branche des komparativen Vorteils immer profitabler zu exportieren, weshalb die Exportschwelle n¨ aher an der Produktionsschwelle liegen wird (Bernard et al., 2007, S. 45). Zu ber¨ ucksichtigen ist nat¨ urlich auch, dass die Produktionskosten der Firmen in der Branche des komparativen Vorteils st¨arker als in der andere Branche steigen, da die dort eintretenden Firmen den bislang relativ g¨ unstigen reichlichen Faktor u ¨berm¨aßig nachfragen und so dessen relative (und absolute) Entlohnung erh¨ohen.90 Zusammenfassung. Die Kombination des HOS-Modells mit dem Ansatz von Melitz (2003) f¨ uhrt dazu, dass sich die Modelle von Bernard et al. (2007) in einigen Ergebnissen von Melitz (2003) und Helpman und Krugman (1985) unterscheiden. So gibt es im Unterschied zu Melitz (2003) je nach Branche und Land divergierende Effekte f¨ ur die Firmen, sodass die Produktionschwelle der Firmen im Sektor des komparativen Vorteils h¨oher als im anderen Sektor ausf¨ allt, daf¨ ur dort aber die Exportschwelle niedriger und n¨ aher an der Produktionsschwelle liegen wird (vgl. Abbildung 3.15). Bezogen auf das HOS-Modell f¨ uhrt die Firmen-Separierung zu einer Art Ricardo-Spezialisierung, da die exportierenden Firmen produktiver als die importierenden Firmen sind: As a result, Heckscher-Ohlin comparative advantage now plays an im” portant role in shaping heterogeneous firms’ adjustment to international trade. [...] The opening of costly trade magnifies ex ante cross-country differences in comparative advantage by inducing endogenous Ricardian productivity differences at the industry level that are positively correlated with Heckscher-Ohlin-based comparative advantage.“ (Bernard et al., 2007, S. 35; Proposition 6, S. 47)
Hat das Inland einen komparativen Vorteil in Sektor 1, dann gilt f¨ ur die relative durchschnittliche Produktivit¨ at der Firmen in diesem Sektor 𝜑˜1 /𝜑˜2 ≥ ˜𝐹 𝜑˜𝐹 1 /𝜑 2 (Bernard et al., 2007, S. 48). Der durch die Faktorunterschiede bedingte komparative (HOS-)Vorteil f¨ uhrt somit zu einer (relativen) Produk90 Dieser
Effekt folgt direkt aus dem HOS-Modell (vgl. Heckscher-Ohlin-Theorem in Verbindung mit Stolper-Samuelson-Theorem).
3.2 Intra-industrieller Handel
135
tivit¨ ats¨ anderung91 , die diesen Vorteil im Sinne von Ricardo (1817) weiter verst¨ arkt. W¨ ahrend bei Helpman und Krugman (1985) entweder alle Firmen exportieren oder aber keine – urs¨ achlich hierf¨ ur ist die gleiche Produktivit¨at aller Firmen – wird bei Bernard et al. (2007) nur ein Teil der Firmen exportieren.92 Dadurch wird in diesem Modell auch weniger intra-industrieller Handel zu beobachten sein und somit die (relative) Bedeutung des interindustriellen Handels h¨ oher ausfallen. Dies h¨ angt insbesondere auch mit den unterschiedlichen Produktivit¨ aten in den beiden Sektoren zusammen (Bernard et al., 2007, S. 58), da der Produktivit¨atsunterschied diesen Handel attraktiver macht. Das gesamte Handelsvolumen ist bei Bernard et al. (2007) allerdings niedriger als bei Helpman und Krugman (1985). Zus¨atzlich f¨ uhren die Produktivit¨ atssteigerungen dazu, dass die ge¨anderte Faktornachfrage der Sektoren infolge des Handels die Einkommensverteilung weniger stark beeinflusst. Die Annahme homothetischer Pr¨aferenzen hat dabei al¨ lerdings keine Anderung der Nachfragestruktur zur Folge. 3.2.1.5 Firmenheterogenit¨ at und Marktgr¨ oße ¨ Der Ansatz von Melitz und Ottaviano (2008) basiert auf den Uberlegungen von Melitz (2003), modifiziert diese jedoch dahingehend, dass einige Spezifikationen vereinfacht werden. So wird einerseits nicht l¨anger von einer CESNutzenfunktion ausgegangen und andererseits nur mehr eine partialanalytische Betrachtung durchgef¨ uhrt. Beide Modifikationen ¨andern nichts an den Ergebnissen, erkl¨ aren sich aber durch eine andere ¨okonomische Ursache. Funktionsweise des Basismodells. Es wird eine linear-quadratische Nutzenfunktion in Anlehnung an Dixit (1979) und Ottaviano et al. (2002) angenommen, die symmetrisch in allen Varianten ist,93 ∫ 𝑈 = 𝑐0 + 𝑎 91 Durch
𝑖∈𝑀
𝑐𝑖 𝑑𝑖 −
1 𝑏 2
∫ 𝑖∈𝑀
𝑐2𝑖 𝑑𝑖 −
1 𝑑 2
(∫ 𝑖∈𝑀
𝑐𝑖 𝑑𝑖
)2 ,
(3.82)
Handel werden beide Sektoren produktiver, die Produktivit¨ atssteigerung im Sektor des komparativen Vorteils ist aber gr¨ oßer als im anderen Sektor. 92 Wie Bernard et al. (2007, S. 46) betonen, stellt das Modell von Helpman und Krugman (1985) einen Spezialfall ihrer Analyse dar, wenn allen Firmen die gleiche (Durchschnitts-)Produktivit¨ at zugewiesen wird. 93 Diese Spezifizierung der Nutzenfunktion erlaubt die Ableitung linearer inverser Nachfragekurven vom Typ 𝑝𝑖 = 𝑎 − 𝑏𝑐𝑖 − 𝑑𝐶 (Erkl¨ arung der Variablen siehe Textteil).
136
3 Theoretische Grundlagenmodelle
wobei die Variable 𝑐0 ein (homogenes) Num´erairegut bezeichnet. Dieses Gut ¨ wird annahmegem¨aß in einem anderen Sektor der Okonomie unter vollkommenem Wettbewerb mit konstanten Skalenertr¨agen hergestellt. Dadurch, dass es linear in die Nutzenfunktion eingeht, ist der Grenznutzen des Einkommens bei diesem Gut gleich eins (Morasch, 2003, S. 23) und entsprechend die dort generierte Konsumentenrente gleich null. Damit erlaubt die Einbeziehung dieses Gutes eine partialanalytische Wohlfahrtsanalyse (Bartholomae und Morasch, 2007, S. 254). Die Parameter 𝑎 und 𝑑 bezeichnen das Substitutionsmuster zwischen den Varianten und dem Num´erairegut. Sowohl ein Anstieg in 𝑎, dem Nutzen, den eine Einheit der Variante stiftet, als auch ein R¨ uckgang in 𝑑, erh¨ ohen die Nachfrage nach den differenzierten Varianten relativ zum Num´erairegut.94 Der Parameter 𝑏 gibt den Grad der Produktdifferenzierung zwischen den einzelnen Varianten an. Im Extremfall ∫ bei 𝑏 = 0 spielt lediglich der Gesamtkonsum aller Varianten 𝐶 = 𝑖∈𝑀 𝑐𝑖 𝑑𝑖 eine Rolle, da die Varianten dann perfekte Substitute zueinander darstellen; umgekehrt nimmt mit steigendem Wert von 𝑏 die Bedeutung der einzelnen Variante im Konsumg¨ uterb¨ undel zu. Die individuelle Nachfrage nach Variante 𝑖 kann aus (3.82) abgeleitet werden und bestimmt sich als 𝑐𝑖 =
1 𝑎 𝑑𝑀 𝑝¯ − 𝑝𝑖 + , 𝑑𝑀 + 𝑏 𝑏 𝑑𝑀 + 𝑏 𝑏
(3.83)
∫ wobei 𝑝¯ = (1/𝑀 ) 𝑖∈𝑀 𝑝𝑖 𝑑𝑖 den Durchschnittspreis bezeichnet. Im weiteren Verlauf wird die gesamte Nachfrage 𝑞𝑖 = 𝐿𝑐𝑖 nach Variante 𝑖 betrachtet, wobei 𝐿 erneut sowohl die Anzahl an verf¨ ugbaren Arbeitskr¨aften, die als einzige Produktionsfaktoren zur Verf¨ ugung stehen, als auch die Anzahl der Konsumenten wiedergibt. Arbeit wird gesamtwirtschaftlich vollkommen unelastisch bei vollkommenem Wettbewerb angeboten, was zusammen mit der Existenz des wettbewerblichen Num´erairesektors einen Einheitslohn impliziert (Melitz und Ottaviano, 2008, S. 298). 94 In
der Analyse von Dixit (1979) oder Morasch (2003) repr¨ asentiert der Parameter 𝑑 den Grad der Substituierbarkeit zwischen den einzelnen Varianten (f¨ ur 𝑑 = 1 sind die Varianten perfekte Substitute (homogene G¨ uter); f¨ ur 𝑑 = 0 sind die M¨ arkte f¨ ur die einzelnen Varianten unabh¨ angig voneinander). In der hier angestellten Analyse ist dies jedoch von nachrangiger Bedeutung, da monopolistische Konkurrenz angenommen wird und damit keine strategischen Interaktionen zwischen den Firmen stattfinden. Der Konsum aller anderen Varianten 𝐶 wird von der einzelnen Firma als gegeben hingenommen.
3.2 Intra-industrieller Handel
Die Preiselastizit¨ at der gesamten Nachfrage berechnet sich als ( )−1 ∂𝑞𝑖 𝑝𝑖 𝑝max = −1 , 𝜌𝑖 = ∂𝑝𝑖 𝑞𝑖 𝑝𝑖
137
(3.84)
wobei 𝑝max =
𝑎𝑏 + 𝑑𝑀 𝑝¯ 𝑑𝑀 + 𝑏
(3.85)
den h¨ ochsten Preis bezeichnet, bis zu dem eine positive Nachfrage nach Variante 𝑖 gegeben ist (Prohibitivpreis von Gut 𝑖).95 Es ist damit zu erkennen, dass im Unterschied zur CES-Spezifizierung die Preiselastizit¨at nicht l¨anger nur vom Grad der Produktdifferenzierung abh¨ angig ist, sondern auch von der Anzahl der konkurrierenden Firmen und dem Durchschnittspreis.96 Auf der Produktionsseite wird erneut Firmenheterogenit¨at dadurch abgebildet, dass jedes Unternehmen seine Produktivit¨at aus einer gemeinsamen, ur hier allerdings nach unten beschr¨ ankten, Verteilung [𝜑min , ∞] zieht.97 F¨ den Markteintritt entstehen Fixkosten in H¨ ohe von 𝑓𝑒 . Allerdings unterstellen Melitz und Ottaviano (2008) weder Fixkosten in der Produktion (𝑓𝑝 ),98 noch das dynamische Element“ des jede Periode m¨oglichen Firmentodes ” (𝛿). Aufgrund der Vielzahl an Wettbewerbern orientieren sich die einzelnen Firmen an der verbleibenden Residualnachfrage und es stellt sich das Ergebnis monopolistischer Konkurrenz ein.99 Das Gewinnmaximum ist dann erreicht, wenn der Grenzerl¨ os den Grenzkosten entspricht, das heißt 𝑝+𝑞𝑏/𝐿 = 95 Dieser
Preis l¨ asst sich durch Nullsetzung von (3.83) bestimmen, das heißt, es ergibt sich derjenige Preis, bei dem die Nachfrage nach dem Gut gerade null ist. 96 Damit kommt den exogenen Parametern eine große Bedeutung zu: So k¨ onnen etwa bei einer h¨ oheren Wertsch¨ atzung, 𝑎, h¨ ohere Preis durchgesetzt werden, ebenso wie ceteris paribus bei einer geringeren Bedeutung des Gesamtkonsums f¨ ur die Nachfrage nach der einzelnen Variante, 𝑏. 97 Melitz und Ottaviano (2008) nehmen den Arbeitskoeffizient (gleichbedeutend mit den Grenzkosten bei einer linearen Produktionsfunktion und nur einem Produktionsfaktor) als Zufallsvariable an. Zur besseren Vergleichbarkeit mit den anderen Modellen kann dieser Koeffizient jedoch invertiert und damit als Produktivit¨ at ausgedr¨ uckt werden. Die an dieser Stelle getroffene Verteilungsannahme deckt sich aber mit derjenigen von Melitz und Ottaviano (2008, S. 300). 98 Zu beachten ist, dass die Kosten erneut in Arbeitseinheiten gemessen werden. Die bereits erw¨ ahnte Spezifikation des Num´ erairesektors impliziert hier einen Lohnsatz von eins. 99 Dies ist insofern hervorzuheben, da die Spezifizierung der Nachfrageseite an das in Abschnitt 2.3.4.4 diskutierte Oligopolmodell von Brander (1981) und Brander und Krugman (1983) erinnert, in dem sehr wohl strategische Interaktionen zwischen den wenigen
138
3 Theoretische Grundlagenmodelle
𝑤/𝜑. Die daraus resultierende Ausbringungsmenge errechnet sich als [ ] 𝑤 𝐿 𝑝(𝜑) − . (3.86) 𝑞(𝜑) = 𝑏 𝜑 Eine Firma wird dann den Markt verlassen, wenn sie einen Preis setzen m¨ usste, der oberhalb des maximal m¨ oglichen Preises mit positiver Nachfrage liegt, das heißt 𝑝(𝜑) > 𝑝max . Diejenige Produktivit¨at, unterhalb der die Nachfrage negativ wird,100 bestimmt somit die Produktionsschwelle 𝜑∗ , ullt ist. Es gelte 𝜑∗ > 𝜑min , sodass Firmen mit sodass 𝑞 (𝜑∗ ) = 0 gerade erf¨ dazwischenliegender Produktivit¨ at 𝜑 ∈ [𝜑min , 𝜑∗ [ den Markt verlassen, das heißt, dass nicht alle m¨ oglichen Produktivt¨ atsniveaus am Markt anzutreffen sein werden. Da es sich f¨ ur 𝑎 ≤ 𝑤/𝜑∗ nicht lohnt, ein Gut zu produzieren, ist an der Grenze (𝑎 = 𝑤/𝜑∗ ) das Angebot gerade null.101 Dieser Zusammenhang erlaubt es, den gewinnmaximalen Preis in Abh¨ angigkeit von der Produktivit¨at und der Produktivit¨ atsschwelle zu formulieren,102,103 ( ) 𝑤 1 1 . (3.87) 𝑝(𝜑) = + 2 𝜑∗ 𝜑 Bei einer Produktivit¨ at in H¨ ohe der Produktivit¨atsschwelle ist der markup auf die Grenzkosten null (𝑝(𝜑∗ ) = 𝑤/𝜑∗ = 𝑝max ).104 Davon ausgehend, ist zu erkennen, dass der Preis umso geringer ausfallen wird, je h¨oher die Produktivit¨ at ist, wenngleich nicht der gesamte Produktivit¨atsvorteil an die Konsumenten weitergegeben wird. Der mark-up ist hier somit wie bei Krugman (1979) endogen bestimmt (vgl. (3.36)). Firmen zu beobachten sind. Diese Interaktionen werden bei monopolistischer Konkurrenz allerdings vollkommen ausgeblendet. Diese Annahme ist bei sehr vielen Firmen, deren Entscheidungen kaum Auswirkungen auf ihre Konkurrenz haben, gerechtfertigt und kann somit im hier diskutierten Modell unterstellt werden. 100 Dies ist einzig dann m¨ oglich, wenn der Klammerausdruck in (3.86) negativ wird. 101 Dies impliziert, dass die Grenzkosten so hoch sind wie die maximale Zahlungsbereitschaft der Konsumenten. 102 Vgl. zur (weiteren) Berechnung den einfachen Monopolfall mit der linearen Nachfrage 𝑝 = 𝑎 − 𝑏𝑥 und Grenzkosten von 𝑐. Bei dieser Spezifikation ergibt sich als gewinnmaximierende Ausbringungsmenge 𝑥 = (𝑎 − 𝑐)/(2𝑏), der Monopolpreis 𝑝 = (𝑎 + 𝑐)/2 und ein Gewinn in H¨ ohe von 𝜋 = (𝑎 − 𝑐)2 /(4𝑏). 103 Trotz der Annahme eines Einheitslohns wird zur besseren Vergleichbarkeit der Lohn abermals explizit in der Analyse betrachtet. 104 Hier sei nochmals auf den Unterschied zu Melitz (2003) und Bernard et al. (2007) verwiesen: Es werden keine Produktionsfixkosten und keine konstante Substitutionselastizit¨ at (ausgedr¨ uckt durch den variablen 𝑝max ) unterstellt.
3.2 Intra-industrieller Handel
139
Ein geringerer Preis impliziert eine h¨ ohere abgesetzte Menge und damit einen gr¨ oßeren Gewinn f¨ ur die Firma. Die Menge kann ebenfalls in Abh¨angigkeit von 𝜑 und 𝜑∗ formuliert werden, ( ) 1 1 𝑤𝐿 𝑞(𝜑) = . (3.88) + 𝜑∗ 𝜑 2𝑏 Firmen werden eintreten, solange der erwartete Gewinn mindestens die Kosten des Markteintritts deckt. Im Gleichgewicht gilt daher analog zu (3.58), ∫∞ [
∫∞
𝑝(𝜑) −
𝜋(𝜑)ℎ(𝜑)𝑑𝜑 = 𝜑∗
𝜑∗
𝑤2 𝐿 = 4𝑏
∫∞ ( 𝜑∗
] 𝑤 𝑞(𝜑)ℎ(𝜑)𝑑𝜑 = 𝜑
1 1 − 𝜑∗ 𝜑
(3.89)
)2 ℎ(𝜑)𝑑𝜑 = 𝑤𝑓𝑒 .
Aus dieser Bedingung kann die gleichgewichtige Produktivit¨atsschwelle beoglichen Preis 𝑤/𝜑∗ = 𝑝max bestimmt werden. Da 𝜑∗ den maximal m¨ stimmt, ergibt sich bei Erf¨ ullung der Nullgewinnbedingung eingesetzt in (3.85) als Firmen- beziehungsweise Variantenanzahl105 𝑀=
2𝑏 𝜑˜ [(𝑎/𝑤)𝜑∗ − 1] . 𝑑 𝜑˜ − 𝜑∗
(3.90)
Daraus lassen sich bez¨ uglich der Produktivit¨ atsschwelle analoge Implikationen etwa in Abh¨ angigkeit von den Markteintrittskosten wie bei Melitz ¨ (2003) ableiten. Uberdies ergibt sich hier jedoch, dass in gr¨oßeren M¨arkten, das heißt bei einer h¨ oheren Anzahl an Konsumenten 𝐿, ein h¨arterer Wettbewerb, ausgedr¨ uckt durch eine h¨ ohere Produktivit¨atsschwelle und eine entsprechend h¨ohere durchschnittliche Produktivit¨at, vorherrschen wird (vgl. (3.89)).106 105 Der
in (3.85) ben¨ otigte Durchschnittspreis 𝑝¯ bestimmt sich aus (3.87) f¨ ur 𝜑. ˜∫ Diese durchschnittliche Produktivit¨ at ist ¨ ahnlich zu (3.54) durch 𝜑 ˜ = ∗ [ 𝜑∞ ∗ 𝜑ℎ(𝜑)𝑑𝜑]/ [1 − 𝐻(𝜑 )] gegeben. 106 Diese Auswirkungen stellen sich allerdings erst in der langen Frist ein. In der kurzen Frist wird angenommen, dass keine neuen Firmen eintreten k¨ onnen und sich nur die existierenden Firmen entscheiden k¨ onnen, ob sie produzieren oder nicht (Melitz und Ottaviano, 2008, S. 302). Diese Asymmetrie hat zur Folge, dass existierende Firmen, die sich gegen die Produktion entschieden haben, aber zu einem sp¨ ateren Zeitpunkt die Produktion wieder aufnehmen wollen, f¨ ur die Produktionsaufnahme keine Fixkosten
140
3 Theoretische Grundlagenmodelle
Auswirkungen der Handelsaufnahme. Dadurch, dass der Marktgr¨oße eine wesentliche Bedeutung bei der Determinierung der Produktionsschwelle zukommt, f¨ uhrt bereits der im Zuge des friktionslosen Handels vergr¨oßerte Markt, im Unterschied zu Melitz (2003) und Bernard et al. (2007), zu einer ¨ Anpassung der Produktionsschwelle und damit auch zu einer Anderung der durchschnittlichen Produktivit¨ at. Diese Parallelit¨at der Auswirkungen einer Marktvergr¨ oßerung und der Aufnahme von friktionslosem Handel steht im Einklang mit den Ergebnissen von Krugman (1979). Im Fokus der Analyse von Melitz und Ottaviano (2008) stehen jedoch erneut die Auswirkungen von kostspieligem Handel. F¨ ur dieses Szenario werden zwei L¨ ander angenommen.107 Kostspieliger Handel zeichnet sich in diesem Modell durch (Eisberg-)Handelskosten 𝜏 (> 1) aus; es werden hinur jedes gegen keine Exportfixkosten (𝑓𝑥 ) angenommen. Sodann l¨asst sich f¨ Land der f¨ ur die Bestimmung der Produktionsschwelle wichtige, maximal ussen in (3.85) die jeweils vorherrm¨ ogliche Preis 𝑝max ermitteln. Hierzu m¨ schenden Bedingungen bez¨ uglich der Variantenanzahl 𝑀 , die sich nun aus den inl¨ andischen und den gehandelten ausl¨ andischen Varianten ergibt, und dem jeweiligen Durchschnittspreis 𝑝¯ ber¨ ucksichtigt werden. Aufgrund der konstanten Skalenertr¨ age in der Produktion k¨onnen die Firmen ihren Gewinn unabh¨ angig auf dem in- und ausl¨andischen Markt maximieren, das heißt, die f¨ ur den jeweiligen Markt optimale Ausbringungsmenge w¨ ahlen.108 Somit ist der Gewinn einer Firma erneut davon abh¨angig, ob sie exportiert oder nicht, ⎧[ ] Produktion 𝑤 nur f¨ ur 𝑞𝐷 (𝜑) 𝑝𝐷 (𝜑) − ⎨ 𝜑 Inland, 𝜋(𝜑) = [ ] ] [ Produktion 𝑤 𝑤 f¨ ur Inland 𝑝 𝑞 𝑞𝑥 (𝜑) (𝜑) − (𝜑) + 𝑝 (𝜑) − 𝜏 𝐷 𝑥 ⎩ 𝐷 𝜑 𝜑 und Export. (3.91) Es ist zu erkennen, dass die Grenzkosten im Exportmarkt um die Transportkosten h¨ oher ausfallen und damit nicht alle Firmen aller am Markt vorhandenen Produktivit¨ atsstufen einen positiven Gewinn im Ausland erf¨ ur den Markteintritt mehr zu entrichten haben. Somit hat in der kurzen Frist eine ¨ Anderung der Marktgr¨ oße keine Auswirkungen auf die Verteilung der produzierenden Firmen und die Produktionsschwelle; die existierenden Firmen werden lediglich ihre Ausbringungsmenge an die ver¨ anderte Marktgr¨ oße anpassen. 107 Indexlose Variablen kennzeichnen das Inland und 𝐹 das Ausland. 108 Die wohlbekannte Gewinnmaximierung auf segmentierten M¨ arkten.
3.2 Intra-industrieller Handel
141
zielen k¨ onnen. Es wird sich daher neben der Produktionsschwelle, 𝜑∗ , erneut auch eine Exportschwelle, 𝜑∗𝑥 , ergeben, die sich analog zu (3.66) bestimmt, 𝑤 und 𝑝max 𝜏𝑤 = 𝜏 𝜑∗ . 𝜑∗𝑥 = inf{𝜑 : 𝜋𝑥 (𝜑) > 0} = 𝑝max 𝜑∗ = inf{𝜑 : 𝜋𝐷 (𝜑) > 0} =
(3.92)
Der Preis einer Firma im Inland ist dann bestimmt durch (3.87) entsprechend der neuen Produktionsschwelle, w¨ ahrend die ausl¨andischen Konsumenten als Folge der Transportkosten einen um 𝜏 h¨oheren Preis f¨ ur diese Variante bezahlen, 𝑝(𝜑) = 0,5𝜏 𝑤(1/𝜑∗𝑥 + 1/𝜑). ¨ Die Anderung der Produktionsschwelle f¨ uhrt langfristig dazu, dass Firmen analog zu (3.89) und entsprechend zu (3.73)109 solange eintreten werden, bis der erwartete Gewinn, der im In- und Ausland erzielt werden kann, gerade die Markteintrittskosten deckt, ∫∞
∫∞ 𝜋𝐷 (𝜑)ℎ(𝜑)𝑑𝜑 +
𝜑∗
𝜋𝑥 (𝜑)ℎ(𝜑)𝑑𝜑 = 𝑤𝑓𝑒 .
(3.93)
𝜑∗ 𝑥
Dies impliziert eine Separierung der Firmen in solche, die (nur) f¨ ur das Inland produzieren und solche, die zus¨ atzlich auch exportieren. Diese Separierung erfolgt bei Melitz und Ottaviano (2008) allerdings im Unterschied zu Melitz (2003, vgl. insbesondere S. 1715) nicht u ¨ber die Faktormarktbegrenzung, schließlich spielt der Faktormarkt bei dieser Modellierung keine Rolle, da f¨ ur den Sektor der differenzierten G¨ uter von einem vollkommen elastischen Arbeitsangebot ausgegangen wird. Verhinderte hingegen die CESSpezifikation der Nutzenfunktion bei Melitz (2003) Wettbewerbseffekte, die durch die zus¨ atzliche Importkonkurrenz auftreten k¨onnen, sind diese bei Melitz und Ottaviano (2008) sehr wohl pr¨ asent, da zus¨atzliche Wettbewerber zu einem Anstieg der (individuellen) Nachfrageelastizit¨at f¨ uhren. Da kostspieliger Handel eine vollst¨ andige Integration der M¨arkte verhindert, unterscheiden sich die Bedingungen in den L¨ander weiterhin. Im Vergleich zu einem kleinen Land wird ein gr¨ oßeres Land eine geringere Produktionsschwelle, eine h¨ ohere durchschnittliche Produktivit¨at und eine gr¨oßere Produktvielfalt aufweisen. Es findet damit nur eine Ann¨aherung der Bedingungen statt, da die Transportkosten verhindern, dass die ausl¨andische 109 Hier
sei nochmals darauf verwiesen, dass bei Melitz und Ottaviano (2008) im Unterschied zu Melitz (2003) keine Fixkosten der Produktion oder Fixkosten des Exports angenommen werden.
142
3 Theoretische Grundlagenmodelle
Marktgr¨ oße den vollen Effekt auf die inl¨ andischen Marktbedingungen ausu ¨bt, wie es bei friktionslosem Handel der Fall w¨are.110 Zusammenfassung. Die Unterstellung einer linear-quadratischen Nutzenfunktion anstelle einer CES-Spezifizierung erm¨oglicht eine endogene Bestimmung der mark-ups, wie sie auch Krugman (1979) unterstellte. Aufgrund der Annahme der Firmenheterogenit¨ at findet auch in diesem Ansatz eine Separierung der Firmen statt, allerdings nicht infolge der Konkurrenz auf dem Faktormarkt, sondern aufgrund der Einengung des Preissetzungsspielraums, das heißt der Verringerung des gewinnmaximierenden mark-ups durch die konkurrierenden Firmen. Je gr¨ oßer der Markt dabei ist, desto mehr Firmen wird es dort geben und desto h¨ oher ist damit der Konkurrenzdruck, der es nur zul¨ asst, dass sehr produktive Firmen u ¨berleben, die in der Lage sind, ihren Gewinn bei geringeren Preisen zu maximieren. Die Aufnahme von Handelsbeziehungen ist – wie bei Krugman (1979) – gleichbedeutend mit einem (exogenen) Marktwachstum zu sehen, das, je nach Gr¨ oße des Handelspartners und dem Vorliegen von beziehungsweise der H¨ ohe der Handelskosten, schw¨ acher oder st¨ arker ausf¨allt. Dadurch nimmt der Wettbewerbsdruck zu, der somit als die Ursache der Firmenseparierung in diesem Modell zu identifizieren ist. Die Beschr¨ ankung des Modells auf nur einen Faktor (Arbeit) und damit einhergehend nur einen Sektor111 , ebenso wie die partialanalytische Betrach110 Melitz
und Ottaviano (2008) spezifizieren das Modell mit einer Pareto-Verteilung und k¨ onnen damit zeigen, dass die ausl¨ andische Marktgr¨ oße keinen Einfluss auf die Produktionsschwelle hat, [ ] ( ) )−1 1/(𝑘+2) 𝑤 𝑤𝐿 −1 ( −𝑘 −𝑘 1+𝜏 = (𝑘 + 1)(𝑘 + 2)𝜑min 𝑓𝑒 , 𝜑∗ 2𝑏
wobei 𝑘 ≥ 1 den Gestaltparameter der angenommenen Pareto-Verteilungsfunktion 𝐻(𝜑) = 1 − (𝜑min /𝜑)𝑘 bezeichnet und die Verteilung der Produktivit¨ aten kennzeichnet (Melitz und Ottaviano, 2008, S. 305; im Unterschied zur dortigen Analyse wird hier von symmetrischen variablen Handelskosten 𝜏 ausgegangen). Diese Unabh¨ angigkeit der Produktionsschwelle von der ausl¨ andischen Marktgr¨ oße impliziert nach Melitz und Ottaviano (2008, S. 307f.), dass sich die erh¨ ohenden und senkenden Effekte gerade ausgleichen. So f¨ uhrt ein gr¨ oßerer Handelspartner auf der Exportseite dazu, dass mehr Exportm¨ oglichkeiten gegeben sind, erh¨ oht aber auch den Wettbewerbsdruck auf diesem Markt. Auf der Importseite wird es mehr ausl¨ andische Firmen geben, die den inl¨ andischen Firmen Konkurrenz machen, was langfristig dazu f¨ uhrt, dass es weniger Markteintreter gibt und damit auch weniger Wettbewerb auf dem inl¨ andischen Markt. 111 Der Num´ erairesektor dient dazu, den Faktormarkt auszuklammern und eine partialanalytische Wohlfahrtsanalyse zu erm¨ oglichen.
3.2 Intra-industrieller Handel
143
tung – die mit ein Grund f¨ ur die leichte Handhabbarkeit des Modells ist – verhindern jedoch Effekte auf die Einkommensverteilung und damit dadurch ¨ m¨ ogliche (endogene) Anderungen der Marktgr¨ oße.
3.2.2 Vertikaler intra-industrieller Handel Als vertikaler intra-industrieller Handel wird der Austausch vertikal differenzierter G¨ uter bezeichnet. Wie in Abschnitt 2.3.2.1 dargestellt wurde, sind die G¨ uter bei vertikaler Produktdifferenzierung hinsichtlich ihrer Preislage und insbesondere ihrer Qualit¨ at zu unterscheiden, wobei ein Gut dann von h¨ oherer Qualit¨ at ist, wenn es gegen¨ uber einem anderen Gut mit allen Produktcharakteristika quantitativ absolut besser ausgestattet ist. Die Analyse dieser Art des intra-industriellen Handels, dessen Kernidee auf Linder (1961) zur¨ uckgeht, wird in der (aktuellen) Handelsliteratur im Vergleich zu seinem horizontalen Pendant kaum beachtet (Bernard et al., 2007, S. 127).112 ¨ Als fr¨ uhere Uberlegung wurde in Abschnitt 2.3.2.1 bereits der Ansatz von Falvey (1981) angesprochen, wonach sich die Qualit¨at der G¨ uter in Abh¨angigkeit von der Kapitalintensit¨ at in der, unter konstanten Skalenertr¨agen erfolgenden, Produktion ergibt. Somit wird ein kapitalreiches Land in der Produktion hoher Qualit¨ at einen komparativen Vorteil aufweisen. Der resultierende Handel ist somit durch Faktorausstattungsunterschiede bedingt. Aber auch auf Firmenebene kann es in dynamischer Hinsicht im Zuge des ¨ Produktlebenszyklus zu diesem Handel kommen, wie die folgende Uberlegung zeigt: Zun¨ achst wird das Gut in einem fortgeschrittenen Land entwickelt. Sobald es zur Standardisierung kommt, kann es in weniger entwickelte L¨ andern ausgelagert werden, da diese aufgrund ihrer relativen Faktorausstattung selbst dann preiswerter produzieren k¨onnen, wenn Skalenertr¨age in der Produktion vorliegen (Vernon, 1966, S. 198). Die im Folgenden vorgestellten Modelle basieren nicht auf dem Vorliegen von steigenden Skalenertr¨ agen, sondern erkl¨aren den Handel u ¨ber eine Ricardo-Spezialisierung der L¨ ander auf bestimmte Qualit¨atssegemente. So 112 Heitger
et al. (1999, S. 44) finden eine Erkl¨ arung f¨ ur diese Diskrepanz: Ausgehend ” von den Neo-Chamberlin- und Neo-Hotelling-Ans¨ atzen subsumiert eine Vielzahl von Autoren ausschließlich den Handel mit horizontal differenzierten G¨ utern unter dem Begriff des intraindustriellen Handels. Dies ist insofern konsequent, als diese Ans¨ atze gerade darauf abzielen, den Teil des internationalen Handels zu erkl¨ aren, der nicht auf einer unterschiedlichen Ausstattung mit Produktionsfaktoren basiert.“ Es gibt dennoch auch aktuellere auf Melitz (2003) basierende Ans¨ atze wie Baldwin und Harrigan (2007) oder Johnson (2008), die eine h¨ ohere Produktivit¨ at der Firmen mit h¨ oherer Qualit¨ at der Varianten gleichsetzen.
144
3 Theoretische Grundlagenmodelle
stellt das in Abschnitt 3.2.2.1 vorgestellte Modell von Flam und Helpman (1987) eine Weiterentwicklung von Dornbusch et al. (1977) – einem Ricardo-Modell mit einem Kontinuum an G¨ utern – dar, bei dem sich die komparativen Vorteile der beiden L¨ ander in den einzelnen Qualit¨atssegmenten unterscheiden. In Abschnitt 3.2.2.2 wird das HOS-Modell mit Ricardo kombiniert, was dazu f¨ uhrt, dass ausschließlich ein Land die Qualit¨atsvariante aufgrund absoluter Vorteile produzieren wird. 3.2.2.1 Komparativer Vorteil in Qualit¨ atssegmenten Im Modell von Flam und Helpman (1987) k¨ onnen zwei G¨ uter produziert werden, ein homogenes Gut und ein in Bezug auf die Qualit¨at differenziertes Gut. W¨ ahrend ein Individuum die Konsummenge des homogenen Gutes w¨ahlen kann, ist diese beim differenzierten Gut auf eins normiert und das Individuum w¨ ahlt dessen Qualit¨ atsniveau (aus den am Markt verf¨ ugbaren Qualit¨ atsstufen). Der Preis des homogenen Gutes ist ebenfalls auf eins normiert, weshalb sich dass Optimierungskalk¨ ul eines Individuums darstellt als max 𝑢 (𝑥1 , 𝑥2 )
𝑥1 ,𝑥2
u. d. Nb. 𝐼 = 𝑥1 + 𝑝 (𝑥2 ) ,
(3.94)
atsvariante, 𝐼 das Einkommen und wobei 𝑥1 das homogene Gut, 𝑥2 die Qualit¨ 𝑝 den Preis der jeweiligen Qualit¨ atsvariante bezeichnen. Die Individuen sind in ihren Pr¨ aferenzen identisch, unterscheiden sich aber in ihrem Einkommen. Ferner wird unterstellt, dass immer beide G¨ uter konsumiert werden (Flam und Helpman, 1987, S. 811). Es gibt zwei L¨ ander, Norden (Inland) und S¨ uden (Ausland), in denen beide G¨ uter mit dem einzig verf¨ ugbaren Produktionsfaktor Arbeit hergestellt werden k¨ onnen. In der Herstellung des homogenen Gutes sind beide L¨ander gleich produktiv. Der Lohn im S¨ uden wird auf eins normiert, wohingegen er im Norden mindestens eins betr¨ agt. Dadurch genießt der S¨ uden einen komparativen Vorteil bei der Herstellung des homogenen Gutes 𝑥1 und wird deshalb auch der alleinige Produzent dieses Gutes sein. Die Modellierung des Produktionssektors der Qualit¨atsg¨ uter 𝑥2 basiert auf der modelltheoretischen Analyse von Dornbusch et al. (1977), wodurch ein auf Technologieunterschieden basierender Handel impliziert wird.113 Die (potentiell unendlichen) Qualit¨ atsvarianten werden mit unterschiedlicher Produktivit¨ at erstellt, wobei die Produktion einer h¨oheren Qualit¨atsstu113 Das
Dornbusch-Fischer-Samuelson-Modell ist eine Erweiterung des Ricardo-Ansatzes.
3.2 Intra-industrieller Handel
145
fe auch einen h¨ oheren Arbeitseinsatz erfordert.114 Es wird unterstellt, dass der Norden im h¨ oherwertigen Segment relativ produktiver als der S¨ uden ist, das heißt, einen niedrigeren absoluten Arbeitskoeffizienten hat; umgekehrt ist dann der S¨ uden relativ produktiver bei niedrigerer Qualit¨at. Demzufolge kann eine h¨ ochste Qualit¨ atsstufe bestimmt werden, die gerade noch im S¨ uden produziert wird, wohingegen G¨ uter h¨ oherer Qualit¨at nur im Norden hergestellt werden.115 Abbildung 3.16: Konsumentscheidung in Bezug auf die Qualit¨ at in Abh¨ angigkeit vom Einkommen x1
uz(x1, x2) u I O
-
x2
x2+
Iz = p(x2) + x1 x2
Quelle: Flam und Helpman (1987, Figure 1, S. 812).
Die Handelsstruktur bei friktionslosem Handel ist davon abh¨angig, welche G¨ uter die Individuen im jeweils anderen Land nachfragen. Die der Nachfrage zugrunde liegende Konsumentscheidung h¨ angt vom Einkommen der Individuen ab, wie Abbildung 3.16 verdeutlicht. Da die differenzierten G¨ uter umso teurer werden, je h¨ oher deren Qualit¨ at ist116 – schließlich erfordert eine h¨ohere Qualit¨ at auch einen h¨ oheren Arbeitseinsatz –, steht einem Individuum mit zunehmender Qualit¨ at immer weniger Budget f¨ ur den Konsum des homogenen Gutes zur Verf¨ ugung. Dadurch nimmt die Budgetbeschr¨ankung einen fallenden, konkaven Verlauf. Der Knick in der Budgetbeschr¨ankung 114 Es
wird hierbei ein konvexer und zunehmender funktionaler Zusammenhang zwischen Qualit¨ at und Arbeitseinsatz angenommen (Flam und Helpman, 1987, S. 811). 115 Diese Qualit¨ atsstufe zeichnet sich dadurch aus, dass die Herstellungskosten in beiden L¨ andern gleich sind. 116 Im Gegensatz zum Preis des homogenen Gutes, der annahmegem¨ aß immer eins ist.
146
3 Theoretische Grundlagenmodelle
ergibt sich dadurch, dass bei hoher Qualit¨ at aufgrund des komparativen Vorteils die Preise der jeweiligen Qualit¨ atsvariante im Norden niedriger ausfallen und Individuen entsprechend dort nachfragen.117 Umgekehrt produziert der S¨ uden bei niedriger Qualit¨ at relativ g¨ unstiger und das Individuum wird dort die Varianten nachfragen. Da dies f¨ ur alle Individuen gilt, kommt es zu einer vollkommenen Spezialisierung des Nordens auf hohe Qualit¨at und des S¨ udens auf niedrige Qualit¨ at. Je h¨ oher das Einkommen ist, desto mehr kann das Individuum konsumieren und desto weiter außen liegt seine Budgetbeschr¨ankung. In der Abbildung wurde dazu ein besonderes Individuum mit dem Einkommen 𝐼𝑧 eingezeichnet. Dieses Individuum ist gerade indifferent, ob es die hohe, im Norden uden gefertigte Qualit¨at 𝑥− produzierte Qualit¨ at 𝑥+ 2 oder die geringe, im S¨ 2 konsumieren soll. Alle Individuen, die u ¨ber ein geringeres Einkommen als diese Einkommensschwelle (dividing income class, Flam und Helpman, 1987, S. 814) verf¨ ugen, werden geringe Qualit¨ at aus dem S¨ uden, alle, die ein h¨oheres Einkommen haben, hohe Qualit¨ a t aus dem Norden nachfragen. Dadurch ) ( + bestimmt, der die Qualit¨atsvari, 𝑥 wird zugleich ein Qualit¨ atsbereich 𝑥− 2 2 anten umfasst, die von keinem Individuum nachgefragt werden. Diese G¨ uter werden nur dann produziert, wenn es technologische oder demographische ¨ Anderungen gibt oder sich die Pr¨ aferenzen ¨ andern. Im Referenzfall ergibt sich damit, dass der Norden hohe Qualit¨at exportiert und daf¨ ur niedrige Qualit¨ at sowie das homogene Gut importiert. Der Anteil des vertikalen intra-industriellen Handels ist dann abh¨angig von der relativen Landesgr¨oße gemessen am Gesamteinkommen (BIP), der Einkommensverteilung und der Einkommensschwellen in beiden L¨andern. Insbesondere findet desto mehr vertikaler intra-industrieller Handel statt, je gr¨oßer das relative Einkommen des Nordens ausf¨ allt und je gr¨oßer der Anteil der im S¨ uden lebenden Individuen ist, welche die hohe Qualit¨at aus dem Norden nachfragen. ¨ Flam und Helpman (1987) untersuchen weiterhin verschiedene Anderungen der exogenen Variablen in Bezug auf deren Auswirkungen auf die Handelsstruktur. Eine Umverteilung des Einkommens von den reicheren Individuen (oberhalb von 𝐼𝑧 ) zu den a ¨rmeren Konsumenten (unterhalb von 𝐼𝑧 ) verschiebt die Nachfrage zulasten der im Norden produzierten Qualit¨aten 117 Flam
und Helpman (1987) nehmen ferner an, dass die Einkommensklassen und die effektiven Arbeitseinheiten zusammenh¨ angen, das heißt, je reicher das Individuum ist, desto produktiver ist es auch. Dadurch erkl¨ art sich insbesondere, dass der Norden reicher und zugleich bei den h¨ oherwertigen differenzierten G¨ utern produktiver als der arme S¨ uden ist.
3.2 Intra-industrieller Handel
147
hin zu niedrigerer, im S¨ uden erstellter Qualit¨ at. Dadurch verschlechtern sich die Terms of Trade 118 zuungunsten des Nordens, der real verliert. Dadurch, dass sich die Varianten des Nordens relativ verbilligen, sind aber sowohl im S¨ uden als auch im Norden nunmehr niedrigere Einkommensklassen in der Lage, sich h¨ ohere Qualit¨ at zu leisten. Dies f¨ uhrt dazu, dass in beiden L¨ andern die Einkommensschwelle abnehmen wird. Insgesamt f¨ uhrt eine Angleichung der Einkommensverteilungen im Norden und S¨ uden zu einer Reduktion des vertikalen intra-industriellen Handels. Kommt es im S¨ uden zu einem Anstieg der Bev¨ olkerung, der gleichm¨ aßig in allen Einkommensklassen ausf¨ allt, erh¨ oht sich die Nachfrage nach Varianten des Nordens, wodurch sich die Terms of Trade zuungunsten des S¨ udens verschlechtern. Der relative Preisanstieg erh¨ oht in Folge die Einkommensschwelle 𝐼𝑧 in beiden L¨andern. ¨ Die relative Preis¨ anderung und die dadurch induzierte Anderung der Nachfrage f¨ uhrt schließlich dazu, dass sich das produzierte Qualit¨atsspektrum im S¨ uden erh¨ oht und im Norden reduziert. Insgesamt werden alle Individuen im Norden gewinnen, w¨ ahrend die reicheren (oberhalb 𝐼𝑧 ) Konsumenten im S¨ uden verlieren. Da die Einkommensschwelle gestiegen ist, werden die Individuen im Norden mehr geringe Qualit¨ at aus dem S¨ uden nachfragen, wodurch der intra-industrielle Handel zunimmt.119 Die Ergebnisse von Flam und Helpman (1987) bez¨ uglich des vertikalen intra-industriellen Handels lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die L¨ander spezialisieren sich entsprechend ihrer komparativen Kostenvorteile auf unterschiedliche Qualit¨ atsstufen. Da die Konsumenten in Abh¨angigkeit ihres Einkommens unterschiedliche Qualit¨ at nachfragen, wird in Folge die Produktions- und die Konsumstruktur nicht u ¨bereinstimmen, weshalb Handel erforderlich wird. Bei diesem Ansatz ist kritisch anzumerken, dass vollkommene Spezialisierung der L¨ ander bei Abwesenheit jedweder Transportkosten unterstellt wird. Wie der nun vorgestellte Ansatz von Davis (1995) zeigt, zeichnet sich intra-industrieller Handel auch dadurch aus, dass G¨ uter des gleichen Faktorinhalts ausgetauscht werden. Diese Eigenschaft des Handels kann das Modell von Flam und Helpman (1987) nicht abbilden, da es von nur einem Produktionsfaktor ausgeht. 118 Unter
den Terms of Trade (reales Austauschverh¨ altnis) wird der relative Preis der Export- zu den Importg¨ utern eines Landes verstanden (Deardorff, 2006, S. 269). 119 Diese Dynamik interpretieren Flam und Helpman (1987) als Produktlebenszyklus, da der Norden die niedrigere Qualit¨ at aufgibt und der S¨ uden diese (eventuell) aufgreift, sofern die L¨ ucke der nicht nachgefragten G¨ uter nicht zu groß ist. Dieser Produktlebenszyklus unterscheidet sich von dem von Vernon (1966) untersuchten, der auf der Produktreife basiert.
148
3 Theoretische Grundlagenmodelle
3.2.2.2 Heckscher-Ohlin-Ricardo-Modell Die Grundidee des auf HOS basierenden Ansatzes von Davis (1995) ist es, die intra-industrielle Spezialisierung zwischen den L¨andern anstelle durch steigende Skalenertr¨ age durch Ricardo-Spezialisierung zu erkl¨aren120 – daher bezeichnet Davis (1995) es als Ricardo-Heckscher-Ohlin-Modell –, wodurch ein f¨ ur allgemeine Gleichgewichtsmodelle kompatibles Konzept erm¨ oglicht wird (Davis, 1995, S. 202f.).121 Diese Art der Modellierung scheint aus zwei Gr¨ unden gerechtfertigt: Einerseits ist der intra-industrielle Handel dadurch gekennzeichnet, dass G¨ uter identischen Faktorinhalts ausgetauscht werden122 , das heißt, sie stellen aus Sicht der Produktionsseite perfekte Substitute dar (Kategorie A aus Abbildung 2.2). Andererseits wird eine Vielzahl an G¨ utern gehandelt, welche die Anzahl der Produktionsfaktoren weit u ¨bersteigt. Expandiert oder schrumpft eine Branche, so hat dies nur geringe Auswirkungen auf die Faktornachfrage, das heißt, die Grenzopportunit¨ atskosten bleiben praktisch unver¨andert. Funktionsweise des Basismodells. Das Modell geht von den u ¨blichen HOS-Annahmen aus (vgl. hierzu Abschnitt 3.1.1), f¨ uhrt aber ein zus¨atzliches drittes Gut ein, das in der gleichen Branche wie eines der beiden u uter produziert wird. Die Zugeh¨origkeit zu einer Branche ¨blichen HOS-G¨ ist dadurch gegeben, dass die hierin zusammengefassten G¨ uter den gleichen Faktorinhalt aufweisen. Formal ausgedr¨ uckt unterscheiden sich diese G¨ uter bezogen auf ihre Produktionsfunktion nur durch eine Hicks-neutrale Technologieverschiebung, 𝑋1𝑖 = 𝐴𝑖 𝐹 (𝐾𝑋1 , 𝐿𝑋1 )
(3.95)
𝑋2𝑖 𝑖
(3.96)
= 𝐹 (𝐾𝑋2 , 𝐿𝑋2 )
𝑌 = 𝐺 (𝐾𝑌 , 𝐿𝑌 ) ,
120 Laut
(3.97)
Davis (1995, S. 206) ist das Ricardo-Modell paradigmatisch f¨ ur intra-industriellen Handel bei konstanten Skalenertr¨ agen, insbesondere da hier von mehr G¨ utern als Faktoren ausgegangen wird. 121 Die vorangegangene Literatur, die sich mit Computable-General-Equilibrium-Modellen besch¨ aftigt, griff h¨ aufig auf die sogenannte Armington-Annahme zur¨ uck, nach der Konsumenten identische G¨ uter hinsichtlich ihres Produktionsortes differenzieren (Armington, 1969, S. 159; vgl. auch Davis, 1995, S. 203 und Deardorff, 2006, S. 12), vgl. hierzu auch Abschnitt 2.1.2. 122 Vgl. hierzu die Definition des intra-industriellen Handels in Abschnitt 2.1.2 und Erl¨ auterungen zum Faktorinhalt in Abschnitt 3.1.3.
3.2 Intra-industrieller Handel
149
wobei f¨ ur die Hicks-neutralen Technologieparameter der beiden L¨ander 𝑖 = 𝐻, 𝐹 gelte, dass 𝐴𝐻 > 𝐴𝐹 = 1, in den Sektoren aber ansonsten die gleichen Produktionstechnologien verwendet werden (wie im HOS-Modell gefordert).123 Wie aus den Gleichungen leicht zu erkennen ist, bleibt durch diesen Technologieunterschied die Faktorintensit¨at der Produktion unverandert; ein gegebener Faktoreinsatz f¨ uhrt in 𝐻 verglichen mit 𝐹 lediglich ¨ zu einer h¨ oheren Produktion, das heißt, 𝐻 weist gegen¨ uber 𝐹 einen absoluuter ten Kostenvorteil in der Produktion von Gut 𝑋1 auf.124 Die beiden G¨ uter“ bedes 𝑋-Sektors, 𝑋1 und 𝑋2 , werden als perfekt intra-industrielle G¨ ” zeichnet, da sie einen identischen Faktorinhalt aufweisen.125 Dadurch, dass die beiden Branchen 𝑋1 und 𝑋2 zwar den gleichen Faktorinhalt aufweisen, aber absolut unterschiedlich viel von den beiden Faktoren einsetzen, k¨onnen die beiden G¨ uter als vertikal differenziert angesehen werden, wodurch der Austausch von 𝑋1 und 𝑋2 als vertikaler intra-industrieller Handel zu charakterisieren ist.126 Der Unterschied in der 𝑋1 -Technologie zwischen 𝐻 und 𝐹 wird hier als exogen gegeben angenommen. Ferner seien Gut 𝑋 beziehungsweise die beiden Varianten 𝑋1 und 𝑋2 im Vergleich zum 𝑌 -Sektor kapitalintensiv in der Produktion. Als Vereinfachung wird Gut 𝑋2 als Num´eraire angenommen, das heißt 𝑝𝑋2 = 1. S¨ amtliche Preise sowie die produzierten Mengen ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichgewicht.127 Aufgrund der speziellen Annahme in Bezug auf uter 𝑋1 und 𝑋2 , (3.95) und (3.96), sind die Produktionsmengen aller drei G¨ eindeutig bestimmbar. Diese besondere Situation ist in Abbildung 3.17 dargestellt. Anders als im allgemeinen Drei-G¨ uter-(Zwei-Faktoren)-Fall (Abbildung 3.8a und Abbildung 3.8b), besteht zum einen ein Zusammenhang zwischen zwei der drei G¨ uter aufgrund der gleichen Produktionstechnologien und zum anderen wird das Gut 𝑋1 im Gleichgewicht von nur einem 123 Wie
Harrigan (1997) in einer empirischen Studie beobachtet, stellen unterschiedliche Produktivit¨ aten eine wichtige Bestimmungsgr¨ oße im internationalen Handel dar: The estimated effect of technology differences is generally large and in accord with ” the theory, suggesting that Ricardian effects are an important source of comparative advantage.“ (Harrigan, 1997, S. 491); in gewissem Umfang ist 𝐴 auch als zus¨ atzlicher Faktor interpretierbar, vgl. Corden (1979), Abschnitt 2.1.2. 124 Eine andere Spezifikation der Produktionsfunktion w¨ urde immer zu Randl¨ osungen f¨ uhren, da es hier mehr G¨ uter als Faktoren gibt. 125 Zur Rechtfertigung dieser recht extremen Annahme verweist Davis (1995, S. 206) auf die auf Skalenertr¨ agen basierende, Literatur des intra-industriellen Handels, in der ebenfalls nur derartige G¨ uter unterstellt werden. 126 Diese Sichtweise vertritt auch Balboni (2006), der den Ansatz von Davis (1995) als Grundlage f¨ ur vertikalen intra-industriellen Handel nutzt. 127 Eine derartige Berechnung erfolgte in Abschnitt 3.1.6.
150
3 Theoretische Grundlagenmodelle
Land produziert, das heißt, die produzierte Menge ist hier im allgemeinen Gleichgewicht eindeutig durch die weltweite Nachfrage bestimmt.128 Abbildung 3.17: Zusammenhang zwischen Preis und Hicks-neutralem Parameter K
kX px 2.X(Kx 2 , Lx2) = 1
px1.AX(Kx1, Lx1) = 1 kY pY.Y(KY, LY) = 1
O
L
Das Land mit dem absoluten Kostenvorteil (dem h¨oheren TechnologieParameter 𝐴) wird sich auf die Produktion von 𝑋1 spezialisieren – unter den getroffenen Annahmen also Land 𝐻. Der Preis wird sich im Gleichgewicht so einstellen, dass 𝐻 gerade indifferent ist zwischen der Produktion von 𝑋1 und 𝑋2 und es damit zu keiner Randl¨ osung kommt. Um diese Bedingung 128 Die
von Feenstra (2004, S. 84) geschilderte Problematik (vgl. Abschnitt 3.1.5.2), wonach es nur wenige Preisvektoren gibt, bei denen es zu keinen Randl¨ osungen kommt, das heißt, dass nicht alle G¨ uter produziert werden, h¨ angt mit der u ¨blichen konkaven Form der Produktionsm¨ oglichkeitenkurve zusammen. Die konkave Form ergibt sich aufgrund dessen, dass in der Produktion der beiden Sektoren die Faktoren in unterschiedlichen Intensit¨ aten genutzt werden. Kommt es etwa zu einer Kontraktion des 𝑋-Sektors, so k¨ onnen die dadurch freigesetzten Faktoren im 𝑌 -Sektor nur in anderen ¨ Proportionen eingesetzt werden, wodurch es zu Anderungen in der Faktornachfrage und damit zu Faktorpreis¨ anderungen kommen muss, um weiterhin Vollbesch¨ aftigung zu garantieren. Da bei 𝑋1 und 𝑋2 die Faktoren aber in identischen Proportionen eingesetzt werden, ist die Produktionsm¨ oglichkeitenkurve bezogen auf diese beiden Branchen linear (Davis, 1995, S. 207; vgl. auch Samuelson, 1948, S. 175; generell gilt, je ¨ ahnlicher die Faktorintensit¨ aten der Produktionsfunktionen, desto weniger konkav ist die Produktionsm¨ oglichkeitenkurve, Lizondo et al., 1981, S. 201). Dadurch werden sich die L¨ ander unterschiedlich spezialisieren – bei einem Land kommt es zu einer Randl¨ osung – und es wird Handel mit allen G¨ utern geben.
3.2 Intra-industrieller Handel
151
sicherzustellen, muss gelten, dass 𝑝𝑋1 = 𝑝𝑋2 /𝐴𝐻 .
(3.98)
Die Richtigkeit dieser Aussage kann anhand von Abbildung 3.17 gezeigt werden. Es ist zu erkennen, dass nur bei diesem Preistupel die Einheitsweruter hergestellt tisoquanten von 𝑋1 und 𝑋2 u ¨berlappen und damit beide G¨ werden (k¨ onnen). In der abgebildeten Situation w¨ urde nur 𝑋1 produziert werden, da die Kosten von 𝑋2 dessen Produktionswert u ¨bersteigen. Ist diese Bedingung f¨ ur das Inland erf¨ ullt, wird es alleiniger Produzent von 𝑋2 sein. Das Ausland 𝐹 kann aufgrund des absoluten Nachteils, 𝐴𝐹 < 𝐴𝐻 , nur mit Verlusten produzieren, da der relative Preis von 𝑋2 zu gering ist. Dadurch, ¨ dass sich durch die Anderung der Produktionsstruktur zwischen den beiden G¨ utern die marginalen Kosten nicht a ¨ndern, ist mindestens eines der L¨ander (in diesem Fall das Inland) spezialisiert, selbst dann, wenn nur geringe technologische Unterschiede vorliegen (Davis, 1995, S. 207).129 Die restlichen Variablen, 𝑝𝑌 , 𝑤, 𝑟, 𝑘𝑋1 = 𝑘𝑋2 > 𝑘𝑌 (𝑘𝑖 bezeichnet die Kapitalintensit¨ at in der Produktion von 𝑖), sowie die Faktorallokationen ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichgewicht und bestimmen sich so, dass f¨ ur die Menge, in der das FPE G¨ ultigkeit hat, sichergestellt ist, dass { ( 𝐻 𝐹) ∣∃𝜆𝑋2𝐻 , 𝜆𝑋2𝐹 , 𝜆𝑌 𝐻 , 𝜆𝑌 𝐹 ≥ 0 FPE = 𝑉 ,𝑉 sodass 𝜆𝑋2𝐻 + 𝜆𝑋2𝐻 = 1, 𝜆𝑌 𝐻 + 𝜆𝑌 𝐹 = 1, 𝜆𝑋1𝐹 = 0, } ∑ ∑ 𝐹 𝐹 𝜆𝐻 𝑉 (𝑖), 𝑉 = 𝜆 𝑉 (𝑖) , 𝜆𝑋1𝐻 = 1, 𝑉 𝐻 = 𝑖 𝑖 𝑖
(3.99)
𝑖
wobei 𝜆𝑗𝑖 der Anteil von Land 𝑗 an der Produktion von Gut 𝑖 im integrierten 𝑗 Gleichgewicht sei, 𝑉 die ∑ Weltfaktorausstattung, 𝑉 die Faktoraussattung von Land 𝑗, das heißt 𝑗 𝑉 𝑗 = 𝑉 , und 𝑉 (𝑖) der Faktoreinsatz in Sektor 𝑖 im integrierten Weltgleichgewicht (Helpman und Krugman, 1985, S. 15; Da129 Dieser
Zusammenhang ist auch intuitiv zu zeigen, indem die beiden F¨ alle (a) 𝑝𝑋1 > 𝑝𝑋2 /𝐴𝐻 und (b) 𝑝𝑋1 < 𝑝𝑋2 /𝐴𝐻 betrachtet werden. Aus dem Vergleich von (3.95) mit (3.96) ist zu erkennen, dass mit dem gleichen Faktoreinsatz (𝐾𝑋 , 𝐿𝑋 ) 𝐴𝐻 -mal soviel are der Preis von 𝑋1 aber mehr von 𝑋1 als von 𝑋2 produziert werden kann. In Fall (a) w¨ als 𝐴𝐻 -mal so hoch, das heißt, durch Konsum von 𝑥1 -G¨ utern kann der gleiche relative Faktorkonsum billiger erreicht werden als durch 𝑋2 – der relative Preis 𝑝𝑋1 /𝑝𝑋2 muss sinken. In Fall (b) w¨ are es genau umgekehrt: Zu den gleichen Ausgaben, wie f¨ ur eine onnte mehr als 𝐴𝐻 -mal soviel von 𝑋1 konsumiert werden, das heißt, Einheit von 𝑋2 , k¨ die Nachfrage nach 𝑋1 w¨ urde steigen und damit auch dessen relativer Preis.
152
3 Theoretische Grundlagenmodelle
Abbildung 3.18: Integriertes Gleichgewicht bei Davis (1995) kx 1= kx 2
F
K
kY K1
H
FPE X2 kY
X1
L1
kx 2
L
Anm.: FPE bezeichnet den Bereich der Factor Price Equalization. In diesem Bereich befinden sich beide L¨ ander in ihrem Diversifikationskegel. Quelle: Nach Davis (1995, Fig. 1, S. 210).
vis, 1995, S. 209; vgl. auch Abschnitt 3.1.4).130 Der Vektor (3.99) beschreibt alle Allokationsmengen der Weltfaktorausstattung auf die beiden L¨ander, die es erm¨ oglichen, dass die L¨ ander ihre Faktoren in nicht-negativen Mengen auf die Sektoren verteilen, das heißt, dass sich kein Land vollst¨andig auf die G¨ uter 𝑋2 und 𝑌 spezialisiert, 𝐻 dabei in der Lage ist, die gesamte Produktion von 𝑋1 zu u ¨bernehmen und weltweit alle Faktoren besch¨aftigt sind. Abbildung 3.18 zeigt den FPE-Bereich in der integrierten Weltwirtschaft.131 Handelsmuster. Die Handelsstruktur ergibt sich in Abh¨angigkeit von der (relativen) Faktorausstattung des Landes und kann anhand von Abbildung 3.19a – die den rechten oberen Ausschnitt von Abbildung 3.18 im FPE 130 Damit
besagt der Vektor, dass 𝐻 und 𝐹 mit Ausnahme von 𝑋1 alle G¨ uter in positiven Mengen produzieren m¨ ussen, sodass die Summe der Produktion von 𝑋2 und 𝑌 beider L¨ ander der Weltproduktion entspricht, Gut 𝑋1 vollst¨ andig von 𝐻 erzeugt wird und alle Produktionsfaktoren eingesetzt werden. 131 Soo (2006) erweitert diesen Ansatz, indem er auch technologische Unterschiede im anderen Sektor zul¨ asst, wodurch insgesamt vier Areale entstehen, in denen die beiden ¨ L¨ ander unterschiedlich spezialisiert sind. Ubertragen auf die regionale Ebene, impliziert dies, dass es selbst innerhalb eines Landes zu keinem FPE kommt.
3.2 Intra-industrieller Handel
153
wiedergibt – und Abbildung 3.19b abgelesen werden. In diesen Abbildungen wird das Handelsmuster bei verschiedenen relativen Faktorausstattung entlang der Isoeinkommenskurve AD untersucht.132 Die jeweils exportierten G¨ uter k¨ onnen wie folgt angegeben werden:133 Export(e)
[A,B[
[B,C[
C
]C,D]
𝐻 𝐹
𝑋1 + 𝑋 2 𝑌
𝑋1 𝑌 + 𝑋2
𝑋1 𝑋2
𝑋1 + 𝑌 𝑋2
Es ist zu erkennen, dass 𝐻 aufgrund seines komparativen Vorteils immer 𝑋1 exportieren wird, daf¨ ur im Gegenzug, je nach relativer Faktorausstattung, entweder das arbeitsintensive Gut 𝑌 aus dem anderen Sektor oder das kauhrt dazu, pitalintensive Gut 𝑋2 aus dem gleichen Sektor importiert. Das f¨ dass im Bereich [B,C[ das arbeitsreiche 𝐹 das kapitalintensive 𝑋2 exportieren muss, um 𝑋1 zu erhalten. Nach Davis (1995, S. 211f.) ist der Handel in A als rein inter-industriell, in B als teilweise inter-industriell, in C als rein intra-industriell und in D als heterogen zu charakterisieren. In Abbildung 3.19a sind zus¨ atzlich die Isohandelskurven des intra-industriellen Handels in grau eingezeichnet. Diese stellen den geometrischen Ort aller Faktorkombinationen dar, die das gleiche intra-industrielle Handelsvolumen generieren; je weiter unten sie sich befinden beziehungsweise je weiter sie von der Diagonalen 𝑋2 -SV134 entfernt sind, desto h¨oher ist das Handelsvolumen. Im Bereich [B,C[ verlaufen die Kurven parallel zu 𝑋2 -SV, da der intra-industrielle Handel durch die 𝑋2 -Exporte von 𝐹 bestimmt ist135 und sich diese abh¨ angig von der relativen Faktorausstattung des Landes ergeben.136 Im Bereich ]C,D] wiederum determiniert das Einkommen von 𝐹 den 132 Vgl.
zur Isoeinkommenskurve auch die Erl¨ auterungen zu Abbildung 3.4a. angegebenen Bereiche beziehen sich nicht nur auf die Elemente der exemplarischen Isoeinkommenskurve, sondern auf alle Kapitalreichlichkeiten, die den jeweiligen Elementen entsprechen. 134 SV steht f¨ ur Selbstversorgung. Die Diagonale 𝑋2 -SV ist auch in Abbildung 3.18 ein¨ gezeichnet. Ahnlich wie 𝑘𝑊 trennt sie zwei Bereiche voneinander: Oberhalb von ihr, das heißt bei geringer relativer Kapitalausstattung von 𝐹 , ist 𝐹 nicht in der Lage, ausreichend viel von Gut 𝑋2 zu produzieren, um sich selbst zu versorgen; erst bei h¨ oherer Kapitalreichlichkeit kann bei Vollbesch¨ aftigung eine Selbstversorgung mit 𝑋2 garantiert werden. 135 Das Volumen des intra-industriellen Handels berechnet sich im Bereich [B,C[ als 2𝑠𝑋 , 1 wobei 𝑠 die relative Gr¨ oße von Land 𝐹 (Anteil des Einkommens von 𝐹 am weltweiten Einkommen) und 𝑋 1 die weltweite Produktion von 𝑋1 bezeichnet (Davis, 1995, S. 217). 136 Vgl. hierzu Abschnitt 3.1.3 und insbesondere Abbildung 3.4b. 133 Die
154
3 Theoretische Grundlagenmodelle
Abbildung 3.19: Anteil des (vertikalen) intra-industriellen Handels in Abh¨ angigkeit von der relativen Kapitalausstattung bei Davis (1995) F
L A kY
Intra Inter 1
B C D
X2-SV
kW kX a. Isoeinkommenskurve und Isohandelskurven
K
A B C D K/L b. Anteil des intra-industriellen Handels
Quelle: Abbildung a. nach Davis (1995, Fig. 2, S. 212 und Fig. 4, S. 216).
intra-industriellen Handel, das heißt, je h¨ oher der Anteil von 𝐹 am weltweiten Einkommen ist, desto mehr 𝑋1 wird es nachfragen und desto h¨oher ist der intra-industrielle Handel.137 Die Exporte von 𝑋2 , die im Gegenzug von 𝐹 zu leisten sind, stellen hier nicht l¨ anger den Engpass dar, schließlich ist 𝐹 in diesem Bereich als kapitalreich zu sehen. In Verbindung mit den Isohandelskurven des inter-industriellen Handels (nicht eingezeichnet)138 , die entsprechend zu Abbildung 3.4b bestimmbar sind, kann dann der relative Anteil des intra-industriellen Handels ermittelt werden. Abbildung 3.19b stellt einen m¨ oglichen Verlauf dar. Das absolute wie relative Maximum des intra-industriellen Handels ist bei C erreicht beziehungsweise dann, wenn beide L¨ ander u ¨ber die gleiche relative Faktorausstattung verf¨ ugen und somit auch kein inter-industrieller Handel mehr stattfindet. Der Verlauf erkl¨ art sich dabei wie folgt: Im Bereich [A,B[ gibt es 137 Im
berechnet sich das Volumen des intra-industriellen Handels als ) ( Bereich ]C,D] 2 𝑋2𝐹 − 𝑠𝑋 2 (Davis, 1995, S. 218) (𝑋 2 bezeichnet die weltweite Produktion von 𝑋2 ). 138 F¨ ur ein 𝐹 berechnet sich das Volumen des inter-industriellen ( arbeitsreiches ) ( ) Handels als 2 𝑌 𝐹 − 𝑠𝑌 und f¨ ur ein kapitalreiches 𝐹 entsprechend als 2 𝑋 𝐹 − 𝑠𝑋 (Helpman und Krugman, 1985, S. 23; Davis, 1995, S. 214) (𝑋 beziehungsweise 𝑌 bezeichnet die weltweite Produktion von 𝑋 beziehungsweise 𝑌 ).
3.3 Zusammenfassung
155
keinen intra-industriellen Handel, da 𝐹 noch nicht in der Lage ist, sich mit 𝑋2 ausreichend selbst zu versorgen. Der Anteil steigt im Bereich [B,C[, da 𝐹 durch den Anstieg seiner Kapitalreichlichkeit in der Lage ist, sich selbst zu versorgen, w¨ ahrend der Anteil im Bereich ]C,D] abnimmt, da der interindustrielle Handel wieder relativ mehr an Bedeutung gewinnt. Zusammenfassung. Dieser Ansatz zeigt, wie auch bei konstanten Skalenertr¨ agen intra-industrieller Handel erkl¨ art werden kann. Aufgrund dessen, dass die beiden Branchen 𝑋1 und 𝑋2 zwar den gleichen Faktorinhalt aufweisen, aber absolut unterschiedlich viel von den Faktoren einsetzen, kann dieser intra-industrielle Handel als vertikal charakterisiert werden, insbesondere wenn eine geeignete Spezifikation der Nachfrageseite gew¨ahlt wird. Wie bei Flam und Helpman (1987) ist in diesem Ansatz die (Ricardo-)Spezialisierung (eines) der L¨ ander als Ursache dieses Handelsph¨anomens zu sehen. Wie Soo (2006, S. 2) bemerkt, vernachl¨ assigt Davis (1995) komplett die Nachfrageseite und konzentriert sich stattdessen vollst¨ andig auf die Angebotsseite der beiden L¨ ander. Auch wird keine Analyse außerhalb des FPE-Bereichs angestellt, etwa dann, wenn das Inland nicht in der Lage ist, die weltweite Nachfrage nach dem 𝑋1 -Gut zu decken.
3.3 Zusammenfassung Die Erkl¨ arungsans¨ atze, die von den Modellen f¨ ur inter-industriellen Handel vorgebracht werden, basieren gr¨ oßtenteils auf der gleichen Grundidee. Demnach findet Handel statt, weil die Handelspartner sich in bestimmten Eigenschaften unterscheiden. Ist der Unterschied wie bei Ricardo durch die Produktionstechnologie bedingt, erm¨ oglicht der Handel, die Nutzung einer effizienteren Technologie als die inl¨ andische, wodurch mit den gegebenen Faktoren durch Spezialisierung und Tausch mehr produziert werden kann. Beruht der Handel auf Unterschieden in der Faktorausstattung wie bei HOS, f¨ uhrt dies dazu, dass die ansonsten identischen L¨ander diesen Unterschied beseitigen, indem sie die immobilen Faktoren u uter tau¨ber die mobilen G¨ schen. Da die Sektoren dadurch gekennzeichnet sind, dass die zugeh¨origen Produkte den gleichen oder zumindest sehr ¨ ahnlichen Faktorinhalt aufweisen, kann es durch Handel innerhalb eines Sektors nicht zur Angleichung der Faktorausstattungsunterschiede kommen und es wird somit kein intraindustrieller Handel stattfinden. Die Modelle des intra-industriellen Handels unterscheiden sich in ihrer
156
3 Theoretische Grundlagenmodelle
Herangehensweise, je nachdem, ob sie vertikalen oder horizontalen intraindustriellen Handel betrachten. W¨ ahrend die neue Außenhandelstheorie“ ” und die neue neue Außenhandelstheorie“, die sich mit der Erkl¨arung von ” horizontalem intra-industriellen Handel besch¨ aftigt, auf steigenden Skalenertr¨ agen beruhen, kann vertikaler intra-industrieller Handel durch Spezialisierung der L¨ ander – analog zur klassischen Handelstheorie“ – erkl¨art ” werden. Damit sind die Erkl¨ arungsans¨ atze des vertikalen intra-industriellen Handel letztlich denjenigen des inter-industriellen Handels sehr ¨ahnlich, da sie gleichermaßen auf technologischen und/oder Unterschieden in der Faktorausstattung beruhen und somit auf l¨ anderspezifischen Eigenschaften. Der horizontale intra-industrielle Handel r¨ uckt hingegen die Unternehmensur die die Faktorausstattung weniger und Marktebene139 in den Fokus, f¨ bedeutend ist. Die einzelnen Firmen stehen sich hier in monopolistischer Konkurrenz gegen¨ uber und entscheiden auf Basis der eventuell anfallenden Kosten, inwieweit das Ausland als ein weiterer Markt erschlossen werden soll. Die vorgestellten Ans¨ atze zur Erkl¨ arung des intra-industriellen Handels beschr¨ anken sich jedoch darauf, immer lediglich eine Art dieses Handels zu arung inter- wie intra-industriellen Hanerkl¨ aren.140 Eine gleichzeitige Erkl¨ dels kann durch Kombination verschiedener Ans¨atze erreicht werden. Um inter-industriellen und horizontalen intra-industriellen Handel abzubilden, kann auf Firmenebene von steigenden Skalenertr¨agen und auf Branchenebene von konstanten Skalenertr¨ agen ausgegangen werden. Zur Erm¨oglichung vertikalen intra-industriellen Handels, wird in der Produktion zumindest eines Gutes ein absoluter (Ricardo-)Vorteil unterstellt. ¨ Tabelle 3.1 gibt einen Uberblick u ¨ber die vorgestellten (sowie einige nicht betrachtete) Ans¨ atze und fasst wichtige Eigenschaften der Modelle nochmals zusammen. Alle vorgestellten Ans¨ atzen teilen die starke Fokussierung auf die Angebotsseite, weshalb (h¨ aufig) homothetische Pr¨aferenzen beziehungsweise 139 Wie
bereits erw¨ ahnt, ist die Annahme steigender Skalenertr¨ age in der neuen Außen” handelstheorie“ und neuen neuen Außenhandelstheorie“ notwendig, da andernfalls ein ” Unternehmen ausreichen w¨ urde, um die gew¨ unschten Varianten in beliebigen Mengen zu produzieren. Insofern wird der Kostenvorteil von der L¨ anderebene auf die Unternehmensebene u unstigsten ¨bertragen, indem jede Firma bei ihrer“ Variante am kosteng¨ ” produzieren kann. Die Aufnahme von Außenhandel f¨ uhrt dann dazu, dass Konsumenten durch die Marktvergr¨ oßerung Zugang zu zus¨ atzlichen Varianten erhalten und daf¨ ur eventuell sogar auch geringere Preise bezahlen m¨ ussen. 140 Eine Modellierung beider Arten nehmen Fajgelbaum et al. (2009) vor, betrachten daf¨ ur allerdings nicht den inter-industriellen Handel.
3.3 Zusammenfassung
157
CES-Nutzenfunktionen unterstellt werden (vgl. Tabelle 3.1). Eine Implikation davon ist, dass die Pr¨ aferenzen exogen und damit statisch sind: Der Wunsch der Konsumenten nach Produktdifferenzierung ist immer vorhanden und entsteht nicht im Zuge der ¨ okonomischen Entwicklung des Landes beziehungsweise ist nicht abh¨ angig von dessen relativer Faktorausstattung. ¨ Der historische Uberblick in Abschnitt 2.2 deutete aber auf einen Zusammenhang zwischen dem Entwicklungsstand des Landes und den Pr¨aferenzen seiner Konsumenten hin. Bei den Modellen vertikalen intra-industriellen Handels sind die Pr¨ aferenzen zwar vom Einkommen der Individuen abh¨angig, allerdings wurde das Einkommen als exogene Gr¨oße modelliert. Davis (1995) kann zwar prinzipiell Auswirkungen auf den inter- und intra-indus¨ triellen Handel durch Anderungen der relativen Faktorausstattung untersuchen, jedoch nimmt er keine explizite Modellierung der Pr¨aferenzen vor. Auch wird in keinem Modell untersucht, welche Auswirkungen sich auf den intra-industriellen Handel ergeben, wenn das Land aufgrund einer zu extremen relativen Faktorausstattung spezialisiert ist. So konzentrieren sich alle Ans¨ atze in Anlehnung an Helpman und Krugman (1985) rein auf den FPE-Bereich. Diese Fragen soll das im n¨ achsten Kapitel vorgestellte Modell kl¨ aren.
Anmerkungen zu Tabelle 3.1 (n¨ achste Seite): Modelle wurden im Text nicht explizit vorgestellt. b Basis kennzeichnet jeweils ein Grundlagenmodell. c Soweit nicht anders angegeben, sind die oglich, da nur ein Pr¨ aferenzen homothetisch. d Eine Aussage u ¨ber FPE ist nicht m¨ Produktionsfaktor unterstellt wird. e Es handelt sich hier um eine spezifische, exponentielle Modellierung, die gew¨ ahlt wurde, da sie prove to be convenient“ (Flam ” und Helpman, 1987, S. 811). f Keine explizite Modellierung der Nachfrageseite. Es erscheint aber plausibel, Cobb-Douglas-Pr¨ aferenzen zu unterstellen, da einerseits dieser Ansatz auf HOS basiert und andererseits auch analytisch auf Davis (1995) aufbauende Weiterentwicklungen wie Balboni (2006) oder Soo (2006) dies annehmen. g Das Modell von Mitra und Trindade (2005) umfasst zwei Ans¨ atze; sofern diese voneinander abweichen ist dies durch /“ getrennt angegeben. ” a Hervorgehobene
3 Theoretische Grundlagenmodelle 158
Nein
Effekte Marktgr¨ oßen¨ anderung
Ja
Neind
Analyse außerhalb FPE
Tabelle 3.1: Zusammenfassung der vorgestellten Theorien (chronologisch)
Nein
Nutzenfunktionc Skalenertr¨ age
Interindustrieller Handel
konstant
Basismodellb
Modella Intraindustrieller Handel
konstant
Neind
Cobb-Douglas
Nein
Neind
nicht spezifiziert
konstant
Ja
Nein
Basis
steigend
Nein
Neind
Basis
konstant und steigend
Nein
Nein
Ja
nicht spezifiziert
konstant
Nein
Neind
Ja
Dixit-Stiglitz
konstant
Nein
Nein
Nein
Cobb-Douglas, CES
steigend
Nein
Nein
Nein Ricardo, Basis
spezifische , nichthomothetisch Cobb-Douglasf
konstant/ steigend
Nein
Neind
HOS Ja
CES
steigend
Ja
linearquadratisch
nichthomothetische Cobb-Douglas, CES Cobb-Douglas, CES
steigend
Ricardo Nein Nein Ja
Dornbusch et al. (1977)
Ja, horizontal Ja, horizontal Ja
HOS, Ricardo
Dornbusch et al. (1977) Krugman (1979)
Ja, vertikal Ja
Basis, (Chamberlin, 1969) Krugman (1979), Basis
Helpman und Krugman (1985) Flam und Helpman (1987) Davis (1995)
Helpman und Krugman (1985), Melitz (2003) Melitz (2003)
Nein
Ja, vertikal Ja, horizontal Nein/ Ja, horizontal
Ja
Melitz (2003) Mitra und Trindade (2005)g
Ja, horizontal
Nein
Ja
Bernard et al. (2007)
Ja, horizontal
Krugman (1979), Basis HOS/ Helpman und Krugman (1985)
Melitz und Ottaviano (2008)
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur Der folgende Ansatz greift die Ideen der vorgestellten Modelle auf und verbindet sie so, dass inter-industrieller Handel sowie horizontaler und vertikaler intra-industrieller Handel abgebildet werden k¨onnen. Damit lassen sich Interdependenzen zwischen diesen drei Handelsarten untersuchen und ihre Abh¨ angigkeit vom Entwicklungsstand des Landes aufzeigen. Hierbei soll die Nachfrageseite im Fokus der Analyse stehen: Zum einen ist – wie das vorige Kapitel aufgezeigt hat – die Außenhandelstheorie u ¨berwiegend auf die Angebotsseite fokussiert, weshalb eine intensivere Betrachtung der Nachfrageseite helfen kann, weitergehende Aussagen u ¨ber den Handel zu treffen. Zum anderen beeinflusst die Nachfrage gerade vor dem Hintergrund der Entwicklung eines Landes die Struktur des inter- und intra-industriellen Handels und muss daher im Kontext der Fragestellung dieser Arbeit besondere Ber¨ ucksichtigung finden. Dabei soll auch der Frage nachgegangen werden, welche Auswirkungen sich auf das Handelsmuster durch die Integration eines Landes in die Weltwirtschaft ergeben. Das Kapitel gliedert sich wie folgt: Abschnitt 4.1 stellt ausf¨ uhrlich die Annahmen und wichtigen Eigenschaften der Nachfrageseite vor, w¨ahrend sich Abschnitt 4.2 mit der Produktionsseite befasst. In Abschnitt 4.3 werden anhand der Autarkiesituation die grundlegenden Mechanismen des Modells ¨ aufgezeigt. Abschnitt 4.4 untersucht dann die Auswirkungen bei Ubergang zu friktionslosem Handel, w¨ ahrend sich Abschnitt 4.5 anschließend mit dem realistischeren Fall einer, mit Kosten verbundenen Handelsaufnahme besch¨aftigt. Dabei werden stets die Auswirkungen sowohl f¨ ur ein entwickeltes (kapitalreiches), als auch ein gering entwickeltes (arbeitsreiches) Land herausgearbeitet.1 Abschließend stellt Abschnitt 5.2 nochmals heraus, welchen Beitrag das vorgestellte Modell f¨ ur die Handelsliteratur liefert. 1 Aufgrund
der Modellierung nicht-homothetischer Pr¨ aferenzen gestaltet sich eine Wohlfahrtsanalyse als sehr schwierig, weshalb hierauf verzichtet werden soll. Dennoch sind Wohlfahrts¨ uberlegungen zumindest indirekt m¨ oglich. So kann etwa aus einem Anstieg des (nominalen) Einkommens und einem R¨ uckgang der Preise ceteris paribus auf einen Anstieg der Wohlfahrt geschlossen werden.
F. W. Bartholomae, Konsumentenheterogenität und Struktur des Außenhandels, DOI 10.1007/978-3-8349-7119-7_4, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
160
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
4.1 Nachfrageseite Da der Nachfrage eine besondere Rolle zukommt, ist die Spezifikation der zugrunde liegenden Nutzenfunktion sehr wichtig. Diese muss so gew¨ahlt werden, dass sie einerseits alle relevanten Eigenschaften aufweist: Sie sollte sowohl in der Lage sein, inter-industriellen Handel als auch horizontalen und vertikalen intra-industriellen Handel zuzulassen. Zur Abbildung des Handels vertikaler differenzierter G¨ uter muss die Nutzenfunktion dazu nichthomothetisch ausgestaltet sein (vgl. Abschnitt 2.3.2.1 und Linder, 1961), wodurch im zweiten Schritt dem Einkommen der Konsumenten eine wichtige Rolle (insbesondere f¨ ur die Handelsstruktur) zukommt. Zugleich soll die Nutzenfunktion einfach genug sein, um die Analyse auf das Wesentliche zu fokussieren. Daher wird eine Spezifikation gew¨ ahlt, die eine getrennte Analyse der Effekte sicherstellt. Auch sollte eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse mit der bestehenden Literatur m¨ oglich sein – insbesondere mit der neuen ” neuen Außenhandelstheorie“. Zun¨ achst erfolgt in Abschnitt 4.1.1 die Spezifikation der Nutzenfunktion sowie eine Diskussion ihrer Eigenschaften und die Abgrenzung zu den Spezifikationen in der bestehenden Literatur. In Abschnitt 4.1.2 wird aufgezeigt, wie sich das Einkommen der Konsumenten zusammensetzt und welche ¨ Auswirkungen exogene Anderungen auf die Verteilung aus¨ uben. Dabei wird zwischen zwei verschiedenen Konsumentengruppen unterschieden: Diejenigen, die Qualit¨ at nachfragen, und diejenigen, welche die normale Variante konsumieren werden. Abschnitt 4.1.3 diskutiert schließlich den Zusammenhang zwischen der Kapitalaufteilung und der Gr¨oße der beiden Konsumentengruppen.
4.1.1 Spezifikation der Nutzenfunktion Da die einzelnen G¨ uter von den Konsumenten unterschiedlich bewertet werden, muss der Nutzen aus ihrem Konsum auch unterschiedlich in die Nutzenfunktion eingehen. Dies wird durch eine dreistufige Funktion erreicht: Auf der obersten Stufe wird der Nutzen zwischen den G¨ utern der verschiedenen Sektoren 𝑋 und 𝑌 durch eine Cobb-Douglas-Funktion beschrieben.2 In Bezug auf die G¨ uter des kapitalintensiven Sektors wird auf der mittleren Stufe nach zwei m¨ oglichen Qualit¨ atsniveaus dieser G¨ uterkategorie unterschieden: Es gibt ein homogenes Gut normaler Qualit¨ at 𝑥1 und eine Vielzahl an diffe2 Hinweis
zur Notation: Wenn Sektoren gemeint sind, werden die Großbuchstaben (𝑋, 𝑌 ) verwendet, wohingegen die Kleinbuchstaben die dort produzierten G¨ uter bezeichnen.
4.1 Nachfrageseite
161
renzierten G¨ utern hoher Qualit¨ at 𝑥2𝑗 (unterste Stufe). Die Differenzierung der h¨ oherwertigen G¨ uter ist dabei nur durch Unterschiede in einzelnen Produktcharakteristika begr¨ undet, bezogen auf ihre Qualit¨at werden sie von den Konsumenten als gleichwertig betrachtet. Die beiden Qualit¨atsniveaus stellen aus Sicht der Verbraucher perfekte Substitute dar, das heißt, sie werden entweder hohe oder normale Qualit¨ at nachfragen. Innerhalb der h¨oherwertigen Variante ist der Nutzen durch eine CES-Funktion beschrieben. Die Nutzenfunktion stellt sich analytisch dar als3 [ 𝑈𝑖 = 𝑥1 + 𝜃(𝐼𝑖 )
(∫ 𝑗∈𝑀
𝑥𝜁2𝑗 𝑑𝑗
)1/𝜁 ]𝛾
𝑦 1−𝛾 ,
(4.1)
wobei f¨ ur den Pr¨ aferenzparameter 0 < 𝛾 < 1 gilt und 𝜌 = 1/(1 − 𝜁) > 1 die konstante Substitutionselastizit¨ at der Nachfrage ist. W¨ ahrend die Nutzenfunktion auf der oberen Stufe homothetisch, das heißt unabh¨ angig vom Einkommen, ist, gilt diese Eigenschaft nicht bei der Auswahl des Qualit¨ atsniveaus auf der mittleren Stufe: Je nach H¨ohe des Einkommens des Individuums, 𝐼𝑖 , ist der Gesamtnutzen, den es aus dem Konsum der h¨ oherwertigen 𝑥-Varianten zieht, unterschiedlich. Allerdings gilt generell, dass der Nutzen aus Qualit¨ at immer, das heißt f¨ ur jedes beliebige Einkommensniveau, h¨ oher ist als aus dem Konsum der normalen Variante.4 Formal wird dies dadurch ausgedr¨ uckt, dass f¨ ur den Pr¨aferenzparamter f¨ ur Qualit¨ at, 𝜃, einerseits 𝜃(𝐼𝑖 ) ≥ 1 gilt und andererseits ∂𝜃(𝐼𝑖 )/∂𝐼𝑖 > 0, da mit zunehmendem Einkommen gleichfalls die Pr¨ aferenz f¨ ur Qualit¨at zunimmt. Es wird dazu angenommen, dass es sich bei 𝜃(𝐼𝑖 ) um eine zweifach differenzierbare, invertierbare und strikt monoton zunehmende Funktion handelt. Zur Vereinfachung wird u ¨berdies angenommen, dass 𝜃(𝐼𝑖 = 0) = 1 sei – ein Individuum mit einem Einkommen von null ist ceteris paribus gerade indifferent zwischen den Qualit¨ atsniveaus. Die Annahme einer nicht-homotheti¨ schen Nutzenfunktion folgt den Uberlegungen von Linder (1961). Wenn das 3 Die
Analyse einer expliziten Modellspezifikation erlaubt die Ableitung eindeutiger Ergebnisse. Dieser Argumentation folgen auch Cheng et al. (2000, S. 1ff.), wobei sie sich auf die Ergebnisse von Sonnenschein (1973), Mantel (1974) und Debreu (1974) beziehen (Sonnenschein-Mantel-Debreu-Theorem oder auch Anything Goes Theorem“). Dem” nach kann in einem allgemeinen Gleichgewicht ohne exakte Modellierung nur wenig u ultigkeit ¨ber dessen Eigenschaften gesagt werden, außer dass das Gesetz von Walras G¨ ¨ hat und die Uberschussnachfrage (in allen Preisen und Einkommen) homogen vom Grad Null ist (Cheng et al., 2004, S. 672). 4 Dies ist eine ubliche und plausible Annahme, vgl. hierzu auch Tirole (1988, S. 96f.) und ¨ Grossman und Helpman (1991, S. 560).
162
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
Individuum Qualit¨ at nachfragt, fragt es alle verf¨ ugbaren Varianten nach.5 Die angenommene Spezifikation der Nutzenfunktion in (4.1) weist eine Reihe von Vorteilen auf, wenngleich es auf den ersten Blick ungew¨ohnlich erscheinen mag, dass das Einkommen eines Individuums direkt seine Pr¨aferenzen beeinflusst beziehungsweise pr¨ aziser formuliert direkt in seine Nutzenfunktion eingeht, und somit nicht nur u ¨ber die Budgetbeschr¨ankung wirkt. Die Wahl der CES-Nutzenfunktion auf der untersten Stufe gew¨ahrleistet die Vergleichbarkeit mit der bestehenden Literatur der neuen neuen ” Außenhandelstheorie“ (vgl. Abschnitte 3.2.1.3 und 3.2.1.4), die zur Erkl¨arung des horizontalen intra-industriellen Handels dienen soll. Auch Markusen (1986) (vgl. Abschnitt 3.2.1.2) verwendet eine CES-Spezifikation als Unterfunktion bei der Modellierung nicht-homothetischer Pr¨aferenzen. Er vermeidet aber in der Nutzenfunktion eine direkte Abh¨angigkeit vom Einkommen des Individuums, indem ein Gut (das sogenannte necessity) in einem Mindestumfang 𝑦min konsumiert werden muss, [(∑ ) ]𝛾 1/𝜁 1−𝛾 𝑥𝜁𝑗 (𝑦 − 𝑦min ) . (4.2) 𝑈𝑖 = Erst wenn das Individuum in der Lage ist, den Minimalkonsum von 𝑦 zu decken, wird es die differenzierten G¨ uter nachfragen. Da dies erst ab einem gewissen Einkommen m¨ oglich ist, liegen nicht-homothetische Pr¨aferenzen vor. Diese Spezifikation w¨ urde allerdings die folgende Analyse aufgrund von Unstetigkeitsstellen zu sehr erschweren. Hingegen verwenden Mitra und Trindade (2005) (vgl. Abschnitt 3.2.1.2) einen zu der hier vorgestellten Modellierung vergleichbaren Ansatz, indem sie den f¨ ur die beiden G¨ uter verwendeten Einkommensanteil direkt vom Einkommen abh¨ angig machen und auf diese Weise das Einkommen direkt in die Nutzenfunktion miteinbeziehen, 𝑈𝑖 = 𝑥𝛾(𝐼𝑖 ) 𝑦 1−𝛾(𝐼𝑖 ) .
(4.3)
Ihre Spezifikation f¨ uhrt allerdings dazu, dass sich die Konsumstruktur zwischen den beiden volkswirtschaftlichen Sektoren 𝑋 und 𝑌 mit zunehmendem Einkommen ¨andert, was zu einer Anpassung der Produktionsstruktur ¨ und dadurch zu einer Anderung der relativen Faktorentlohnungen f¨ uhrt. 5 Diese
Annahme kann empirisch gerechtfertigt werden. So findet Li (2011) Hinweise daf¨ ur, dass reichere Individuen mehr Varianten als ¨ armere Individuen nachfragen. Ferner erleichtert diese Annahme die Analyse. Sofern es viele Qualit¨ atskonsumenten gibt, kann der Variantenmix auch als repr¨ asentativer Querschnitt des Konsums gesehen werden.
4.1 Nachfrageseite
163
Mitra und Trindade (2005) w¨ ahlten diese Spezifikation gerade deshalb, damit trotz identischer Faktorausstattung beider Handelspartner inter-industrieller Handel m¨ oglich wird. Wie auch Neary (2009, S. 219) betont, zeigen empirische Studien, dass gerade der intra-industrielle Handel kaum zu solchen strukturellen Anpassungen f¨ uhrt. Eine Spezifikation wie bei Mitra und Trindade (2005) w¨ urde somit einerseits die Auswirkungen einer Handelsintegration verst¨ arken, da der Sektor, in dem intra-industrieller Handel stattfindet, mehr an Bedeutung gewinnen w¨ urde, und andererseits zus¨atzliche Interdependenzen hervorrufen, welche die Analyse ohne zus¨atzlichen Erkenntnisgewinn erschweren. Das (individuelle) Einkommen erm¨oglicht bei der gew¨ ahlten Spezifikation in (4.1) somit nur, dass es zu intra-industriellem Handel kommt und, dass dieser, wie sich zeigen wird, sowohl vertikaler als auch horizontaler Art ist. Um einige grundlegende Eigenschaften der Nutzenfunktion und die Interdependenz mit dem Einkommen aufzuzeigen, bietet es sich an, eine vereinfachte Form von (4.1) zu betrachten, die sich zum einen nur auf den relevanten 𝑋-Sektor konzentriert und zum anderen von nur einer Qualit¨atsvariante ausgeht, 𝑈𝑖 = 𝑥1 + 𝜃(𝐼𝑖 )𝑥2 .
(4.4)
Wie zu erkennen ist, ist die H¨ ohe des Einkommens entscheidend daf¨ ur, ob utervarianten das Individuum 𝑥1 oder 𝑥2 nachfragen wird, da die beiden G¨ perfekte Substitute darstellen. Bei gleichen (absoluten) Preisen wird ceteris uter sind dabei paribus immer das h¨ oherwertige Gut 𝑥2 bevorzugt.6 Beide G¨ als abschnittsweise normale G¨ uter zu charakterisieren, das heißt, die Einkommenselastizit¨ at f¨ ur 𝑥1 ist bis zu einem gewissen Einkommen gr¨oßer als eins und ab diesem Einkommen ist die Einkommenselastizit¨at f¨ ur 𝑥2 gr¨oßer als eins. Ein reicheres Individuum wird somit vollst¨andig auf den Konsum von 𝑥1 verzichten wollen und nur noch hohe Qualit¨at, 𝑥2 , nachfragen. Damit unterscheidet sich das hier entwickelte Modell von Markusen (1986) und ur Mitra und Trindade (2005), die das normale Gut7 nicht als Substitut f¨ die h¨ oherwertige Variante, sondern als Bedarfsgut auffassen, das in einem gewissen Mindestumfang von jedem konsumiert wird.8 6 Folgt
unmittelbar aus 𝜃(𝐼𝑖 > 0) ≥ 1 ∀ 𝑖. ist hiermit eine einfache Ausfertigung eines Gutes, das heißt, dass normal“ ” hier und im weiteren nicht im Sinne der ¨ okonomischen Kategorisierung bez¨ uglich der Einkommenselastizit¨ at des Gutes zu verstehen ist. 8 Im vorliegenden Ansatz ist dieses Gut demnach eine Art notwendiger Luxus“ uber ¨ ” dessen Qualit¨ atsniveau das Einkommen entscheidet. 7 Gemeint
164
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
Die Annahme perfekter Substitute hat im vorliegenden Ansatz zwei wesentliche Implikationen: Zum einen sind damit beide G¨ uter, 𝑥1 und 𝑥2 , aus Sicht der Verbraucher eindeutig der gleichen Branche zuzurechnen (G¨ uter uter der Kategorien A und B, Tabelle 2.2)9 und zum anderen sind beide G¨ damit als vertikal differenziert anzusehen, da 𝑥2 einen h¨oheren Nutzen als 𝑥1 stiftet (Tirole, 1988, S. 96). Das Einkommen eines Individuums ist von mehreren Faktoren abh¨angig. So h¨ angt es nat¨ urlich davon ab, wie hoch das Gesamteinkommen des Landes ist, schließlich kann ein Individuum maximal nur soviel Einkommen ¨ wie die gesamte Okonomie erzielen. Das Nationaleinkommen ist in diesem Modellrahmen davon abh¨ angig, u ¨ber welche Faktorausstattung das Land verf¨ ugt, das heißt neben der Anzahl an Individuen (Arbeitskr¨aften) auch von der H¨ ohe des Kapitalbestands. Der Kapitalbestand umfasst sowohl die Ausstattung mit Real- als auch Humankapital und wir dabei als Maß f¨ ur ¨ den Entwicklungsstand der Okonomie gesehen.10 Es l¨asst sich somit zusammenfassen, dass die Faktorausstattung des Landes (als Maß des Entwicklungsstandes) mittelbar die Pr¨ aferenzen der Individuen beeinflusst.11 Eine m¨ ogliche Implikation dieses Zusammenhangs w¨are dann, dass die Konsumenten (sehr) reicher L¨ ander ausschließlich hohe Qualit¨at nachfragen, da sie u ugen. An dieser Stelle kann aber ¨ber ein hohes Einkommen verf¨ eingewandt werden, dass in hoch entwickelten L¨andern wie Deutschland 9 Es
handelt sich somit auch um perfekt intra-industrielle G¨ uter“ im Sinne von Davis ” (1995) (Balboni, 2006, S. 32), vgl. auch Abschnitt 3.2.2.2. 10 Ein Anderung ¨ des Kapitalbestands hat zwei Effekte: Zum einen ¨ andert sich die Kapitalreichlichkeit des Landes und zum andern a ¨ndert sich der Reichtum des Landes. Um diese Effekte in der sp¨ ateren Analyse zu trennen wird teilweise das Einkommen ¨ des Landes fixiert, sodass die Effekte der Anderung der Kapitalreichlichkeit analysiert werden k¨ onnen. 11 Ein derartiger Zusammenhang kann derzeit anhand des Entwicklungsprozess einiger Schwellenl¨ ander beobachtet werden. Zu benennen ist hier insbesondere die Automobilbranche in China ( Brilliance BS4“) oder Indien ( Tata Motors“), deren Produkte ” ” momentan sowohl vom technologischen Entwicklungsstand als auch der Qualit¨ at denjenigen entwickelter L¨ ander, wie etwa Deutschland oder den USA, unterlegen sind. Dennoch besteht in ihren Heimatl¨ andern eine große Nachfrage. Gleichzeitig ist das Ph¨ anomen zu beobachten, dass Automobile, die aus Industriel¨ andern stammen, an die Verbraucherw¨ unsche dieser M¨ arkte angepasst werden und mit weniger Ausstattung f¨ ur den Export produziert werden. Erst ein h¨ oherer Entwicklungsstand beziehungsweise ein gr¨ oßerer ¨ okonomischer Wohlstand f¨ uhrt dazu, dass der Wunsch nach besserer Qualit¨ at und Differenzierung entsteht (vgl. hierzu die Entwicklung Japans in den 1950- und 60ern). Die Beobachtung, dass sich entwickelnde L¨ ander zun¨ achst nur niedrige Qualit¨ at produzieren (und deren Verbraucher damit konsumieren), um auf dem Weltmarkt erfolgreich zu sein, ¨ außerte bereits Frankel (1943, S. 188f).
4.1 Nachfrageseite
165
oder den USA dennoch Varianten geringerer Qualit¨at nachgefragt werden. Dies ist eine unmittelbare Folge aus dem zweiten Einflussfaktor auf das individuelle Einkommen, der Verteilung des Einkommens beziehungsweise des Kapitalbestands auf die Individuen.12 Da das Nationaleinkommen nicht gleichm¨ aßig u ¨ber alle Bewohner eines Landes verteilt ist, gibt es einige Individuen, die keine Pr¨ aferenz f¨ ur das h¨oherwertige Gut haben, da ihr Einkommen zu gering ist und sie demnach normale Qualit¨at nachfragen werden. Die Spezifikation von (4.1) erzeugt durch die Abh¨angigkeit der Pr¨ aferenz f¨ ur Qualit¨ at vom Einkommen somit eine heterogene Nachfragestruktur bei einem gegebenen relativen Preis f¨ ur Qualit¨at. Durch die vorliegende Spezifikation der Nutzenfunktion ergibt sich konkret ein zweistufiger Entscheidungsprozess: Im Zuge der Nutzenmaximierung entscheidet sich ein Individuum zun¨ achst daf¨ ur, wie es das verf¨ ugbare Budget auf den Konsum der G¨ uter der beiden Branchen, 𝑋 und 𝑌 , aufteilt und im zweiten Schritt, von welcher Qualit¨at das kapitalintensive Gut schließlich beschaffen sein soll (Entscheidungssituation wie in (4.4)). Die ur alle Individuen identisch: Zwar beeinStruktur der Nutzenfunktion ist f¨ flusst das Einkommen die Pr¨ aferenz f¨ ur Qualit¨ at, sodass reichere Individuen eine h¨ ohere Pr¨ aferenz f¨ ur diese G¨ uter haben, aber Individuen, die u ¨ber das gleiche Einkommen verf¨ ugen, weisen die gleiche Pr¨aferenz auf und werden die gleichen G¨ uter in den gleichen Proportionen konsumieren. Aufgrund der Cobb-Douglas-Struktur der Nutzenfunktion geben sogar alle Individuen f¨ ur G¨ uter der verschiedenen Sektoren den gleichen Einkommensanteil aus, sie unterscheiden sich dabei gegebenenfalls nur in der Wahl der Qualit¨atsstufe. Die getroffenen Annahmen sind als plausibel anzusehen: Es erscheint durchaus naheliegend, dass mit h¨ oherem (allgemeinen) Lebensstandard, die Bed¨ urfnisse nach h¨ oherer Qualit¨ at zunehmen. Da sich h¨ohere Qualit¨at in einer Vielzahl an Faktoren a ¨ußern kann, liegt hier ein Differenzierungskriterium vor. Sobald sich ein Individuum h¨ ohere Qualit¨at leisten kann, wird es auf das normale Gut, das lediglich die Grundfunktionen bietet, verzichten. In einem gewissen Umfang wird es mit steigendem Einkommen auch die Ausgabenanteile f¨ ur die verschiedenen Lebensbereiche unver¨andert lassen.
4.1.2 Einkommen und Pr¨ aferenz fu at ¨ r Qualit¨ Das Einkommen 𝐼 eines Individuums 𝑖 setzt sich zusammen aus seinem Arbeits- und Kapitaleinkommen, wobei angenommen wird, dass jedes In12 Diese
Beobachtung machte auch Linder (1961), vgl. Abschnitt 2.3.2.1 und insbesondere auch Abbildung 2.3.
166
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
dividuum u ugt, aber eine unter¨ber nur eine Einheit an Arbeitskraft verf¨ schiedlich hohe Kapitalausstattung besitzt, (4.5) 𝐼𝑖 (𝑘𝑖 ) = 𝑤 + 𝑟𝑘𝑖 ∑ ul eines beliebigen mit 𝑖 = 1, . . . , 𝐿 und 𝑖 𝑘𝑖 = 𝐾. Das Maximierungskalk¨ Konsumenten 𝑖 ist dann gegeben durch max 𝑈𝑖 [𝑥1 + 𝜃(𝐼𝑖 )𝑥2 , 𝑦]
𝑥1 ,𝑥2 ,𝑦
u. d. Nb.
∫
𝐼𝑖 = 𝑝𝑥1 𝑥1 + 𝑝𝑥2𝑗 𝑥2𝑗 𝑑𝑗 + 𝑝𝑦 𝑦.
(4.6)
𝑗∈𝑀
Konsumiert das Individuum Qualit¨ at, so wird es alle verf¨ ugbaren Varianten des Gutes nachfragen. Da es sich hierbei um eine Masse an G¨ utern handelt, wird die additive Form der Budgetbeschr¨ankung durch das Integral durchbrochen. Obwohl es damit potentiell unendlich viele Varianten geben kann, wird nur eine endliche Anzahl 𝑀 angeboten. Die Varianten k¨onnen zusammengefasst und der entsprechende Preis dieses G¨ uterb¨ undels ermittelt werden. Analog zu (3.46) kann so ein Preisindex bestimmt werden,13 (∫ 𝑃𝑥 2 =
𝑗∈𝑀
𝑝1−𝜌 𝑥2𝑗 𝑑𝑗
)1/(1−𝜌) .
(4.7)
Dieser perfekte Preisindex gibt an, wie viel der Erwerb einer Nutzeneinheit kostet. Da das Einkommen entscheidend f¨ ur die Pr¨ aferenzen des Individuums ist und sich die Individuen, wie an (4.5) zu erkennen, nur durch ihre Kapitalausstattung 𝑘𝑖 unterscheiden, kommt indirekt 𝑘𝑖 eine entscheidende Rolle bei der Bestimmung der Pr¨ aferenzstruktur zu. Es kann damit eine individuelle Kapitalausstattung 𝑘𝑖∗ bestimmt werden, ab der ein Individuum Qualit¨at pr¨ aferiert. Formal muss diese Kapitalausstattung die Bedingung { } 𝑃𝑥 (4.8) 𝑘𝑖∗ = inf 𝑘𝑖 : 𝜃𝑘 (𝐼𝑖 ) > 2 𝑝𝑥 1 erf¨ ullen. Aufgrund der Substitutionsbeziehung zwischen 𝑥1 und 𝑥2𝑗 wird das Individuum dann und nur dann Gut 𝑥1 konsumieren, wenn bei identischen Preisen f¨ ur beide G¨ utervarianten, das normale Gut einen h¨oheren Nutzen 13 Vgl.
hierzu auch Anhang A.3.
4.1 Nachfrageseite
167
stiftet beziehungsweise ein gegebenes Nutzenniveau zu geringeren Kosten ur eine Nutzeneinerreicht werden kann. Bezeichnet 𝑃𝑥2 /𝜃(𝐼𝑖 ) die Kosten f¨ heit bei Qualit¨ atskonsum und 𝑝𝑥1 die entsprechenden Kosten bei Konsum des normalen Gutes, dann konsumiert das Individuum das normale Gut 𝑥1 , falls 𝑃𝑥2 /𝜃(𝐼𝑖 ) > 𝑝𝑥1 gilt. Es wird umgekehrt ausschließlich die (voruter weniger als handenen) G¨ utervarianten 𝑥2𝑗 konsumieren, wenn diese G¨ oßer 𝜃(𝐼𝑖 ) desto eher wird das Indivi𝜃(𝐼𝑖 )-mal soviel kosten wie 𝑥1 . Je gr¨ duum auf 𝑥1 verzichten. Da ceteris paribus 𝜃(𝐼𝑖 ) in 𝐼𝑖 steigt und 𝐼𝑖 eine zunehmende Funktion in 𝑘𝑖 darstellt, muss eine individuelle kritische Kapitalausstattungsschwelle 𝑘𝑖∗ existieren, ab der das Individuum gerade bereit atsg¨ uter 𝑥2𝑗 zu konsumieren. Abbildung 4.1 ist, anstelle von 𝑥1 die Qualit¨ verdeutlicht den Zusammenhang zwischen 𝜃, 𝐼𝑖 und 𝑘𝑖 , indem rechts die ur QuaEinkommensgerade in Abh¨ angigkeit von 𝑘𝑖 und links die Pr¨aferenz f¨ lit¨ at 𝜃 in Abh¨ angigkeit vom Einkommen dargestellt sind. Es ist zu erkennen, dass ein (exogen) gegebener relativer Preis 𝑃𝑥2 /𝑝𝑥1 ein Einkommen 𝐼𝑖∗ determiniert, das wiederum eindeutig einer individuellen Kapitalausstattung 𝑘𝑖∗ zuzuordnen ist. Abbildung 4.1: Zusammenhang zwischen 𝐼𝑖 , 𝑘𝑖 und 𝜃 x1 = 0, x2j > 0
x1 > 0, x2j = 0
Ii(ki)
x1 > 0, x2j = 0
x1 = 0, x2j > 0
I*i
w+
rk i
r w qk(Ii)
Px 2 /px1
q(w)
1
k*i
ki
Anm.: An der Stelle 𝑘𝑖 = 0 ist das Einkommen des Individuums 𝐼𝑖 = 𝑤 ∕= 0.
In Bezug auf (4.8) muss jedoch beachtet werden, dass 𝐼𝑖 eine Funktion von 𝑤 und 𝑟 ist, die ihrerseits durch die Kapitalausstattung des (autarken) Landes bestimmt sind, das heißt, unterschiedliche Kapitalausstattungen der
168
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
¨ Okonomie implizieren auch unterschiedliche Einkommen und damit divergierende 𝑘𝑖∗ . Der Grund ist die unterschiedliche Knappheitsrente der Faktoren: Je kapitalreicher das Land, das heißt, je h¨oher 𝑘 = 𝐾/𝐿 ist, desto geringer wird Kapital und desto h¨ oher Arbeit entlohnt. Daher muss, wenn die Abh¨ angigkeit von 𝜃 nicht von 𝐼𝑖 , sondern unmittelbar von dem das Einkommen bestimmenden 𝑘𝑖 betrachtet wird, auch die Kapitalreichlichkeit des Landes 𝑘 ber¨ ucksichtigt werden, sodass 𝜃𝑘 (𝑘𝑖 ) herangezogen wird. ¨ andert, ohne dass es gleichzeitig zu einer Anderung Nur dann, wenn sich 𝑘𝑖 ¨ von 𝑘 kommt, kann weiterhin von 𝜃 (𝑘𝑖 ) ausgegangen werden. Die an die Funktion gestellte Anforderung der Invertierbarkeit erlaubt es, die kritische Kapitalausstattung als Funktion von 𝜃 zu bestimmen, ] 1 [ −1 𝜃𝑘 (𝑃𝑥2 /𝑝𝑥1 ) − 𝑤 . (4.9) 𝑘𝑖∗ = 𝑟 Je h¨ oher die Entlohnung f¨ ur Kapital oder Arbeit ist, desto weniger Kapital muss ein Individuum aufweisen, um u ur ¨ber ein ausreichendes Einkommen f¨ Qualit¨ at zu verf¨ ugen. Ein h¨ oherer relativer Preis von Qualit¨at erfordert hingegen eine h¨ ohere individuelle Kapitalausstattung. Die L¨ osung des Optimierungsproblems aus (4.6) ergibt14 { 𝛾𝐼𝑖 /𝑝𝑥1 𝑘𝑖 < 𝑘𝑖∗ 𝑖 𝑥1 = (4.10) 0 𝑘𝑖 ≥ 𝑘𝑖∗ ⎧ 𝑘𝑖 < 𝑘𝑖∗ ⎨0 )−1 (∫ 𝑖 (4.11) 𝑥2𝑗 = 𝑝1−𝜌 𝑘𝑖 ≥ 𝑘𝑖∗ ⎩𝛾𝐼𝑖 𝑝−𝜌 𝑥2𝑗 𝑋2𝑘 𝑑𝑘 𝑘∈𝑀
𝑦 𝑖 = (1 − 𝛾)𝐼𝑖 /𝑝𝑦 ,
(4.12)
wobei die Randl¨ osungen durch die spezielle Substitutionsbeziehung zwischen den zwei Qualit¨ atsstufen bedingt sind. In Abbildung 4.1 sind die entsprechenden Bereiche, in denen ausschließlich 𝑥1 oder 𝑥2𝑗 konsumiert werden, kenntlich gemacht. Ein beliebiges Individuum 𝑖 wird immer einen Teil 𝛾 seines Einkommens f¨ ur die G¨ uter aus dem 𝑋-Sektor ausgeben und den Rest ur Gut 𝑦. Relativ arme Individuen geben zwar den gleichen Ein(1 − 𝛾)𝐼𝑖 f¨ kommensanteil f¨ ur das kapitalintensive Gut aus, f¨ ur sie f¨allt aber der Nutzen aus Qualit¨ at nicht so hoch aus wie bei reicheren Individuen, und sie werden daher eher ausschließlich das normale Gut konsumieren.15 Die daraus 14 Zur
Bestimmung der Nachfrage nach den einzelnen G¨ utervarianten bei CES-Nutzenfunktionen vgl. Anhang A.3. 15 Vgl. hierzu auch die Linder-Hypothese in Abschnitt 2.3.2.1.
4.1 Nachfrageseite
169
folgende Behauptung, dass bei ¨ armeren Individuen die Qualit¨at beziehungsweise Varianten eines Produktes relativ zur bloßen Funktion des Gutes eine untergeordnete Rolle spielt, ist als plausibel anzusehen.16
4.1.3 Kapitalaufteilung und Konsumentengruppen Die Bedingung (4.8) legt nahe, dass die H¨ ohe des Bev¨olkerungsanteil, der Qualit¨ at konsumiert, davon abh¨ angig ist, wie viele Individuen u ¨ber die kritische Kapitalausstattung verf¨ ugen. Es ist daher entscheidend, wie das Kapital auf die Individuen aufgeteilt wird. Es wird angenommen, dass die Aufteilung durch eine Dichtefunktion 𝑔𝐾 (𝑘𝑖 ) beschrieben wird. Diese Funktion ist (indirekt) vom gesamten Ka¨ pitalbestand der Okonomie 𝐾 abh¨ angig (vgl. Abbildung 4.2), schließlich ¨ ergibt sich die Kapitalreichlichkeit der Okonomie durch Aggregation der Kapitalausstattungen aller Individuen, ∫ (4.13) 𝑘 = 𝑔𝐾 (𝑘𝑖 ) 𝑘𝑖 𝑑𝑘𝑖 . 𝑖
Somit ist die Kapitalreichlichkeit 𝑘 zugleich auch die durchschnittliche Kapitalausstattung aller Individuen. Der gesamte Kapitalbestand ist durch 𝐾 = 𝑘𝐿 gegeben, das heißt, bei gegebenem 𝐾 und 𝐿 muss die Dichte u ¨ber die individuellen Kapitalausstattungen (sowie deren Extremauspr¨agungen) so bestimmt werden, dass 𝑘 diese Bedingung erf¨ ullt. Aus der Dichtefunktion l¨ asst sich die Verteilungsfunktion ∫𝑘𝑖 𝐺𝐾 (𝑘𝑖 ) =
𝑔𝐾 (𝑘)𝑑𝑘
(4.14)
0
berechnen, die angibt, welcher Anteil der Bev¨ olkerung u ¨ber weniger als 𝑘𝑖 verf¨ ugt. F¨ ur die weitere Analyse relevant ist aber der Bev¨olkerungsanteil, ugt, der Qualit¨ at konsumiert und damit u ¨ber mindestens 𝑘𝑖∗ verf¨ 𝜎𝐾 (𝑘𝑖∗ ) = 1 − 𝐺𝐾 (𝑘𝑖∗ ).
(4.15)
Zur Verdeutlichung der Wechselbeziehung zwischen der (gesamten) Ka¨ pitalausstattung der Okonomie, der Kapitalaufteilung und dem Anteil der 16 Eine
Nutzenfunktion wie bei Mitra und Trindade (2005) w¨ urde demgegen¨ uber dazu f¨ uhren, dass arme Individuen generell weniger vom kapitalintensiven Gut als reichere Individuen konsumieren.
170
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
Abbildung 4.2: Kapitalreichlichkeit, Verteilung des Kapitals und Auswirkung auf die Pr¨ aferenzstruktur 1 - GK (ki) k0
1 s1
B
k1
A
s
0 A
0,5 sB0
k0B 0,5
0A
ki* k0,5
ki*
k10,5
0Amax
ki
0Bmax
ki
1max
ki
ki
0𝐴 (Mediankapitalausstattung)); Kurve B: Anm.: Kurve A: (𝑘0 (Kapitalreichlichkeit), 𝑘0,5 0𝐵 ); Gestrichelte Kurve: (𝑘 1 , 𝑘 1 ). (𝑘0 , 𝑘0,5 0,5
Konsumenten von Qualit¨ at, illustriert Abbildung 4.2 beispielhaft die Aus¨ wirkungen unterschiedlicher Anderungen der Kapitalstruktur. Die dort abgebildeten Verteilungsfunktionen basieren auf linkssteilen beziehungsweise rechtsschiefen Dichtefunktionen, wie sie insbesondere bei der Kapital-/Einkommensverteilung in Realit¨ at anzutreffen sind. Linkssteil bedeutet, dass die Mediankapitalausstattung, welche die Individuen in zwei gleich große ¨ Gruppen teilt, kleiner als die Kapitalreichlichkeit der Okonomie (= Durchschnittskapitalausstattung aller Individuen) ausf¨allt. Somit verf¨ ugt die (absolute) Mehrheit u ¨ber weniger als 50 % des Kapitalbestands. Bei der Kapitalreichlichkeit 𝑘 0 wurde die individuelle Kapitalausstattungsschwelle ge0𝐴 als Median f¨ uhrt so m¨ aß (4.8) als 𝑘 ∗𝑖 identifiziert. Eine Verteilung mit 𝑘0,5 0 zu einem Anteil von 𝜎𝐴 an Individuen, welche die h¨oherwertigen Varianten konsumieren. Ein Anstieg der Ungleichheit, das heißt eine Umverteilung der Kapitalausstattung von den gering hin zu den h¨ oher mit Kapital ausgestatteten Individuen, f¨ uhrt in der Abbildung dazu, dass die Kapitalausstattung des
4.1 Nachfrageseite
171
0𝐵 Medians17 auf 𝑘0,5 sinkt und die maximal m¨ ogliche Ausstattung steigt. Da die Gesamtkapitalausstattung des Landes unver¨andert bei 𝑘 0 liegt, kommt es zu einem Schnittpunkt zwischen der Verteilungsfunktion 𝐴 und 𝐵. Wird nun zus¨ atzlich angenommen, dass die Schwelle unver¨andert bei 𝑘 ∗𝑖 bleibt, also links von 𝑘 0 liegt, reduziert sich der Anteil der Qualit¨atskonsumenten, schließlich wird nun ein Großteil des Kapitals auf relativ wenige Individuen verteilt (die Dichtefunktion wird linkssteiler“) und nur noch ein ” geringer Bev¨ olkerungsanteil verf¨ ugt u ¨ber ausreichend Einkommen, um Bedarf f¨ ur Qualit¨ at zu haben. L¨ age die kritische Ausstattung hingegen rechts ∗ urde es mehr Qualit¨atskonsumenneben dem Schnittpunkt, etwa bei 𝑘 𝑖 , so w¨ ten geben, da nun ein gr¨ oßerer Anteil der besser ausgestatteten Individuen u ugend Einkommen verf¨ ugt. Dies legt nahe, dass es entscheidend ¨ber gen¨ auf die H¨ ohe der kritischen Kapitalausstattung ankommt, wenn die Frage beantwortet werden soll, welche Rolle die (Einkommens-)Ungleichheit bei der Bestimmung des Anteils der Qualit¨ atskonsumenten spielt. Ein Anstieg der Kapitalausstattung (gleichbedeutend mit einer h¨oheren Kapitalreichlichkeit bei gegebenem 𝐿) wird hingegen ceteris paribus immer den Anteil der Qualit¨ atskonsumenten erh¨ ohen. Hier sollte aber beachtet werden, dass eine h¨ ohere Kapitalausstattung insbesondere in Autarkie die ∗ Einkommensstruktur ver¨ andert und damit auch 𝑘 ∗𝑖 beziehungsweise 𝑘 𝑖 .18 In der Abbildung wurde unterstellt, dass der Kapitalzuwachs gleichm¨aßig auf alle Individuen verteilt wird, sodass die Ungleichheit im Vergleich zur 17 Die
Betrachtung allein des Durchschnitts- und Medianeinkommens (und damit der Schiefe der Verteilung) ist selbstverst¨ andlich nicht ausreichend, um seri¨ ose Aussagen u ¨ber die Zu- oder Abnahme der Ungleichheit zu treffen. Es sind hier eine Reihe von Umverteilungen denkbar, die beide Gr¨ oßen unver¨ andert lassen – etwa eine Umverteilung aus der Mitte an die R¨ ander – die aber die Ungleichheit deutlich erh¨ ohen w¨ urden. Die Betrachtung des Medians an dieser Stelle dient einzig einer u ¨bersichtlicheren/einfacheren Darstellung in der Abbildung. Ein ad¨ aquates Maß muss nach Cowell (2008, Kap. 3.4 und 3.5) f¨ unf Bedingungen erf¨ ullen: Schwaches Transferprinzip (Weak Principle of Transfers, Umverteilung von Reich zu Arm reduziert Ungleichheit), Unabh¨ angigkeit von Einkommens¨ anderungen (Income Scale Independence, Ungleichheit andert sich nicht, wenn sich die Einkommen aller Individuen prozentual gleich ¨ andern), ¨ Unabh¨ angigkeit von der Bev¨ olkerungsgr¨ oße (Principle of Population), Zerlegbarkeit (Decomposability, koh¨ arente Beziehung zwischen der Ungleichheit in einer Gesellschaft und innerhalb der einzelnen Bev¨ olkerungsgruppen) und starkes Transferprinzip (Strong Principle of Transfers, Ungleichheit nimmt auch bei Verteilung von Reich zu weniger Reich ab). F¨ ur eine weitere Diskussion geeigneter Ungleicheitsmaße vgl. auch Dalton (1920), Atkinson (1970), Atkinson und Bourguignon (2000) und Cowell (2000). 18 Durch eine Erh¨ ohung des Kapitalbestands sinkt 𝑟 – f¨ ur ein gegebenes Einkommen ur ein gegebenes Einkommen ist weniger ist mehr 𝑘𝑖 notwendig – und steigt 𝑤 – f¨ 𝑘𝑖 notwendig (vgl. hierzu auch Anhang A.4.1). Dar¨ uber hinaus verst¨ arkt sich eine Marktvergr¨ oßerung durch einen sinkenden Relativpreis weiter.
172
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
0𝐴 Ausgangslage 𝑘0,5 unver¨ andert bleibt, daher muss auch der neue Median 1 𝑘0,5 entsprechend dem prozentualen Zuwachs h¨oher ausfallen.
Die kritische individuelle Kapitalausstattung 𝑘𝑖∗ teilt die Bev¨olkerung damit in zwei Gruppen: Konsumenten des normalen Gutes, im Folgenden mit 𝒩 bezeichnet, und Konsumenten der Qualit¨ atsvarianten, im Folgenden als 𝒬 bezeichnet. W¨ ahrend in Abbildung 4.2 aufgezeigt wurde, wie 𝑘𝑖∗ den jeweiligen Anteil der 𝒬 an der Bev¨ olkerung bestimmt, ist f¨ ur die Analyse aber deren Einkommen von Bedeutung. Hierzu muss zus¨atzlich die H¨ohe des Kapitalbestands von 𝒬 bestimmt werden. Dieser ist gegeben durch
𝐾𝒬 (𝑘𝑖∗ ) = 𝐿
𝑘∫𝑖max
𝑔𝐾 (𝑘𝑖 )𝑘𝑖 𝑑𝑘𝑖 = 𝜎𝐾 𝐿𝑘𝒬 (𝑘𝑖∗ , 𝐾) ,
(4.16)
𝑘𝑖∗
wobei 𝑘𝑖max die Ausstattung des reichsten Individuums sei und 𝑘𝒬 (𝑘𝑖∗ , 𝐾) = 𝐾𝒬 /𝐿𝒬 die durchschnittliche Kapitalausstattung der 𝒬-Konsumenten bezeichnet. Die durchschnittliche Kapitalausstattung der 𝒩 -Konsumenten ist ∫ 𝑘∗ durch 𝑘𝒩 (𝑘𝑖∗ , 𝐾) = 0 𝑖 𝑔𝐾 (𝑘𝑖 )𝑘𝑖 𝑑𝑘𝑖 /(1 − 𝜎𝐾 ) bestimmt. Es ist offensichtlich, dass dabei 𝑘𝒬 ≥ 𝑘𝑖∗ ≥ 𝑘𝒩 ≥ 0 gilt.19 Das jeweilige Einkommen der beiden Bev¨ olkerungsgruppen ist damit durch 𝐼𝒬 = (𝑤 + 𝑟𝑘𝒬 ) 𝜎𝐾 𝐿
(4.17)
𝐼𝒩 = (𝑤 + 𝑟𝑘𝒩 ) (1 − 𝜎𝐾 )𝐿
(4.18)
gegeben. Zusammen mit (4.15) und (4.16) stellt das Einkommen der 𝒬-Konsumenten eine Funktion der kritischen individuellen Kapitalschwelle dar.20 Da sowohl (4.15) als auch (4.16) in 𝑘𝑖∗ abnehmende Funktionen darstellen, ¨ onnen die in der Okonomie insgegilt dies auch f¨ ur 𝐼𝒬 (𝑘𝑖∗ ). Abschließend k¨ 19 Ebenso
gilt auch 𝑘𝒬 ≥ 𝑘 ≥ 𝑘𝒩 ≥ 0. hier besteht wieder ein deutlicher Unterschied zu der Analyse von Mitra und Trindade (2005), in der die beiden Einkommensgruppen exogen festgelegt wurden, wohingegen sie sich in der vorliegenden Analyse endogen durch die Pr¨ aferenzstruktur ergeben (beziehungsweise pr¨ aziser formuliert aus dem optimalen Konsumplan der Individuen, der sich aus dem Zusammenspiel von Pr¨ aferenzen und Budget ergibt). Eine ¨ Anderung der Faktorausstattung hat somit bei Mitra und Trindade (2005) keine Auswirkungen auf die Verteilung der Konsumentengruppen, obwohl sich deren Einkommen andert. ¨
20 Auch
4.2 Produktionsseite
173
samt konsumierten St¨ uckzahlen der einzelnen G¨ uter bestimmt werden,21 𝑥1 = 𝛾𝐼𝒩 /𝑝𝑥1 𝑥2𝑗 =
𝛾𝐼𝒬 𝑃𝑥𝜌−1 /𝑝𝜌𝑥2𝑗 2
𝑦 = (1 − 𝛾)(𝐼𝒩 + 𝐼𝒬 )/𝑝𝑦 .
(4.19) (4.20) (4.21)
Nimmt bei unver¨ andertem Gesamteinkommen (beziehungsweise unver¨anderter Kapitalreichlichkeit des Landes) durch einen R¨ uckgang von 𝑘𝑖∗ das Einkommen von 𝒬 absolut wie relativ zu (und damit dasjenige von 𝒩 ab), sinkt der Konsum von 𝑥1 und der Konsum jeder vorhandenen Qualit¨atsvariante nimmt zu. Der Gesamtkonsum des arbeitsintensiv erzeugten Gutes ist von dieser Umverteilung unabh¨ angig wie (4.21) zeigt. Eine Einkommensumverteilung hat somit nur Auswirkungen auf die Allokation der Produktion im kapitalintensiven Sektor (zwischen 𝑥1 und 𝑥2𝑗 ).
4.2 Produktionsseite Die Modellierung der Produktionsseite orientiert sich stark an der bestehenden Literatur. Um die Analyse nicht zu erschweren, werden die einfachsten funktionalen Zusammenh¨ ange angenommen. So werden die Produktionsfunktionen der beiden G¨ uter in den kompetitiven Sektoren in Cobb-Douglas-Form spezifiziert, 𝛼 1−𝛼 𝐿𝑋 𝑋1 = 𝐴𝑋1 𝐾𝑋
(4.22)
𝐴𝑌 𝐾𝑌𝛽 𝐿1−𝛽 , 𝑌
(4.23)
𝑌 =
mit 1 > 𝛼 > 𝛽 > 0, das heißt, in der Produktion wird von konstanten Skalenertr¨ agen ausgegangen und in der Produktion im 𝑋1 -Sektor wird relativ mehr Kapital als bei 𝑌 eingesetzt. Daraus abgeleitet ergeben sich die Kostenfunktionen 𝑟𝛼 𝑤1−𝛼 𝑥1 𝒜𝐴𝑋1 𝑟𝛽 𝑤1−𝛽 𝑦, Γ(𝑦) = ℬ𝐴𝑌
Γ(𝑥1 ) =
21 Durch
(4.24) (4.25)
die Unterteilung der Bev¨ olkerung in die beiden Konsumentengruppen ist es m¨ oglich, die Randl¨ osung, wie sie sich in (4.10) und (4.11) darstellen, in eine stetige Form zu u uhren. ¨berf¨
174
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
mit 𝒜 = 𝛼𝛼 (1 − 𝛼)1−𝛼 und ℬ = 𝛽 𝛽 (1 − 𝛽)1−𝛽 .22 Bei vollkommener Konkurrenz machen die Unternehmen Nullgewinne und setzen die G¨ uterpreise entsprechend den Grenzkosten, das heißt, die beiden Preise stellen sich als 𝑝𝑥1 = ∂Γ(𝑥1 )/∂𝑥1 und 𝑝𝑦 = ∂Γ(𝑦)/∂𝑦 dar. Zur Produktion der Qualit¨ atsvarianten wird als (einziger) Faktor Gut 𝑥1 verwendet. Damit ist der Faktorinhalt bei beiden Qualit¨atsstufen absolut identisch und sie sind dem gleichen Sektor zuzurechnen (Davis, 1995, S. 206). Bei den Varianten 𝑥2𝑗 handelt es sich folglich um veredelte Varianten von atzlich auch Fragmentierung vor, da 𝑥1 das 𝑥1 . Somit liegt im 𝑋-Sektor zus¨ Vorprodukt von 𝑥2𝑗 darstellt. Die Analyse des 𝑋2 -Sektors erfolgt analog zu Melitz (2003) sowie Bernard et al. (2007) und ist durch Firmenheterogenit¨at gekennzeichnet. Die einzelnen Produktvarianten von 𝑋2 sind der gleichen Qualit¨atsstufe zuzurechnen, die im Vergleich zur nicht-differenzierten Variante h¨oherwertig ist. Damit unterscheidet sich die Modellierung hier von anderen Ans¨atzen wie etwa Baldwin und Harrigan (2007) oder Johnson (2008), die den MelitzAnsatz dahingehend erweitern, dass sie den unterschiedlich produktiven Firmen ebenfalls unterschiedliche Qualit¨ atsniveaus zuordnen, das heißt, dass produktivere Firmen h¨ ohere Qualit¨ at als unproduktivere Firmen herstellen. Es wird eine lineare Produktionsfunktion 𝑥2𝑗 = 𝜑𝑗 𝑥1 unterstellt, auf deren Grundlage sich die Kostenfunktion Γ(𝑥2𝑗 ) =
𝑝𝑥 1 𝑟𝛼 𝑤1−𝛼 𝑥2𝑗 𝑥2𝑗 + 𝑓𝑝 𝑝𝑥1 = + 𝑓 𝑝 𝑝𝑥 1 𝜑𝑗 𝒜𝐴𝑋1 𝜑𝑗
(4.26)
ergibt. Bei der Produktion fallen Fixkosten in H¨ohe von 𝑓𝑝 𝑝𝑥1 an, wodurch die Produktion durch steigende Skalenertr¨ age gekennzeichnet ist. Diese Annahme kann wie folgt gerechtfertigt werden: Da sich G¨ uter letztlich durch ihren Faktorinhalt auszeichnen (vgl. hierzu Abschnitt 3.1.3), das heißt, dass sie eigentlich mit denen zu ihrer Produktion verwendeten Faktoren gleichgesetzt werden k¨ onnen, k¨ onnen die in 𝑥1 enthalten Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit als diejenigen Faktoren angesehen werden, welche in der einzelnen Firma besch¨ aftigt sind und somit f¨ ur die Produktion verwendet uter in die h¨ oherwertigen Varianten zu transformieren. werden, um die 𝑥1 G¨ Die Modellierung 𝑋2 -Teilbranche folgt dem in Abschnitt 3.2.1.3 vorgestellten Melitz-Ansatz. Die Produktivit¨ at 𝜑 der Firmen ist entsprechend 𝜑 ∼ ℎ[0, ∞] verteilt. F¨ ur den Markteintritt (einmalige) Kosten in H¨ohe von 22 Sowohl
𝒜 als auch ℬ sind im relevanten Bereich 0 < 𝛽 < 𝛼 < 1 kleiner als 1. An den R¨ andern streben sie gegen 1 und weisen bei 𝛼 = 0,5 beziehungsweise 𝛽 = 0,5 ihr Minimum auf.
4.3 Autarkie
175
𝑝𝑥1 𝑓𝑒 an. Diese m¨ ussen aus dem Vorprodukt 𝑥1 aufgebracht werden. Dies kann einerseits darin begr¨ undet sein, dass die darin enthaltenen Faktoren f¨ ur Forschung und Entwicklung der neuen Varianten verwendet werden oder aber dass diese G¨ uter im Innovationsprozess verbrannt werden, da mit den ersten G¨ utern noch experimentiert werden muss. Analog zu (3.45) ergibt sich der Preis einer Variante in Abh¨angigkeit der Produktivit¨ at der produzierenden Firma als Aufschlag auf die Grenzkosten, 𝑝𝑥2𝑗 (𝜑𝑗 ) =
𝑝𝑥 1 𝜌 . 𝜑𝑗 𝜌 − 1
(4.27)
Aus (4.27) folgt, dass je knapper das Land mit Kapital ausgestattet ist, desto h¨ oher ist der Preis des kapitalintensiven Gutes und desto teurer sind damit auch die Qualit¨ atsvarianten. Allerdings zeigt sich hier auch, dass der angig von der Produktivit¨at einer Firma ist. relative Preis 𝑝𝑥2𝑗 /𝑝𝑥1 nur abh¨ Dennoch kann daraus nicht gefolgert werden, dass das f¨ ur die Konsumentscheidung wichtige Preisverh¨ altnis zwischen dem aggregierten Preisindex und dem Preis des Vorprodukts (der normalen Variante) 𝑃𝑥2 /𝑝𝑥1 ebenfalls angt sehr wohl von 𝑝𝑥1 ab, da sowohl f¨ ur unabh¨ angig von 𝑝𝑥1 ist. Dieser h¨ den Markteintritt als auch f¨ ur die Produktion Fixkosten in Form von 𝑥1 anfallen. Der Gewinn der einzelnen Firma ist allgemein gegeben durch 𝜋𝑗 (𝜑𝑗 ) =
𝑒(𝜑𝑗 ) − 𝑝𝑥1 𝑓 𝑝 , 𝜌
(4.28)
wobei 𝑒(𝜑𝑗 ) den Umsatz der einzelnen Firma bezeichnet. Damit eine Anpassung der Firmenstruktur an ge¨ anderte Rahmenbedingungen wie zus¨atzlicher ¨ ausl¨ andischer Wettbewerb oder eine Anderung der Kapitalreichlichkeit m¨oglich ist, wird angenommen, dass jede Periode mit einer Wahrscheinlichkeit 𝛿 ein Schock eintritt, der zum Austritt einer Firma f¨ uhrt. Diese Wahrscheinlichkeit ist unabh¨ angig von der jeweiligen Firmenproduktivit¨at.
4.3 Autarkie Um die Grundmechanismen des Modells besser zu verstehen und zu verdeutlichen, widmet sich dieser Abschnitt der Analyse bei Autarkie – also einer Situation ohne Handelsbeziehungen. Hierbei wird das allgemeine Gleichgewicht bestimmt, das heißt, die G¨ uter- und Faktorpreise werden endogen in Abh¨ angigkeit von der relativen Faktorausstattung und den Pr¨aferenzen der Konsumenten bestimmt. Dadurch kann der Anteil an Konsumenten der
176
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
Qualit¨ atsvarianten in Abh¨ angigkeit der Kapitalverteilung und des endogen bestimmten Einkommens ermittelt werden. In Abschnitt 4.3.1 wird zun¨ achst der Qualit¨ atsteilsektor n¨aher betrachtet, dessen formale Beschreibung der Analyse aus Abschnitt 3.2.1.3 folgt. Abschnitt 4.3.2 zeigt auf, wie sich die relativen Preise sowohl der G¨ uter als auch der Faktoren im allgemeinen Gleichgewicht bestimmen und wie sich daraus das Einkommen ermitteln l¨ asst. In Abschnitt 4.3.3 wird analysiert, ¨ welche Auswirkungen Anderungen in den exogen gegebenen Gr¨oßen auf das Gleichgewicht haben. Es zeigt sich, dass zwischen einer Reihe von Effekten unterschieden werden muss, die sich teilweise verst¨arken und so gr¨oßere Auswirkungen auf das neue Gleichgewicht haben als vermutet werden k¨onnte.
4.3.1 Gr¨ oße des Qualit¨ atsteilsektor Da diese Teilbranche die Firmenstruktur der neuen neuen Außenhandels” theorie“ aufweist, ist sie analog durch die Gleichungen (3.51) bis (3.61) beschrieben. Allerdings wird hier als einziger Produktionsfaktor nicht Arbeit, sondern das Vorprodukt 𝑥1 herangezogen, weshalb formal der Lohn 𝑤 in den genannten Gleichungen entsprechend durch 𝑝𝑥1 zu ersetzen ist. Auch in Bezug auf das relevante Einkommen gibt es Unterschiede. So speist sich das Einkommen einerseits aus der Entlohnung zweier Faktoren und andererseits steht wiederum nur ein Teil des Gesamteinkommens f¨ ur diese Teilbranche als Gesamtumsatz zur Verf¨ ugung. Damit bestimmt sich die Marktgr¨oße komplizierter als bei Melitz (2003). Bei Autarkie ist der Gesamtumsatz der Teilbranche f¨ ur Qualit¨at durch die Ausgaben der inl¨ andischen 𝒬-Konsumenten f¨ ur diese G¨ uter gegeben, 𝐸 = 𝛾 (𝑤 + 𝑟𝑘𝒬 ) 𝜎𝐾 𝐿,
(4.29)
und stellt somit eine Funktion von 𝑘 und 𝑘𝑖∗ dar. Der Umsatz der einzelnen Firma berechnet sich aus der Absatzmenge (4.20) sowie dem Preis (4.27) entsprechend zu (3.47) und betr¨ agt ( 𝑒(𝜑𝑗 ) = 𝐸
𝜌 − 1 𝜑 𝑗 𝑃𝑥 2 𝜌 𝑝𝑥 1
)𝜌−1 = 𝐸∫
𝜑𝜌−1 𝑗 𝑗∈𝑀
𝜑1−𝜌 𝑑𝑗 𝑗
.
(4.30)
Zu erkennen ist, dass der relative Umsatz hier unabh¨angig vom Preis des Vorprodukts 𝑝𝑥1 ist.
4.3 Autarkie
177
Die endogene Bestimmung der Marktgr¨ oße wirkt sich auch auf die Anzahl der Firmen aus. Entsprechend zur Berechnung in (3.59) ergibt sich 𝑀=
𝛾𝐼𝒬 /𝑝𝑥1 𝛾𝐼𝒬 = . 𝜌−1 𝜌 [𝜋 (𝜑) ˜ + 𝑝𝑥1 𝑓𝑝 ] 𝜌 (𝜑/𝜑 ˜ ∗) 𝑓𝑝
(4.31)
Die Anzahl der Firmen ist somit wie bei Melitz (2003) von der realen Marktgr¨ oße abh¨ angig, das heißt in diesem Fall von dem Ausgabenanteil der Konsumenten von Qualit¨ atsvarianten, 𝛾𝐼𝒬 /𝑝𝑥1 .
4.3.2 Bestimmung des Gleichgewichts Im Gleichgewicht muss es zur R¨ aumung aller M¨ arkte kommen. W¨ahrend die Faktorm¨ arkte f¨ ur die Produktion im arbeitsintensiven und im kapitalintensiven Teilsektor der normalen Variante exogen durch die Faktorausstattung des Landes gegeben sind, m¨ ussen die zur Produktion der Qualit¨atsvarianten verwendeten Vorprodukte endogen ermittelt werden. Die Anzahl aller ugung stehenden Vorprodukte ist gegeben f¨ ur den 𝑋2 -Teilsektor zur Verf¨ und entspricht der G¨ u termenge, welche die 𝒬-Konsumenten andurch 𝑥𝒬 1 dernfalls von der normalen Variante konsumiert h¨atten beziehungsweise sie entspricht in einer geschlossenen Volkswirtschaft der Differenz zwischen der produzierten Menge und der von 𝒩 nachgefragten Menge von 𝑥1 . Damit ist der Markt dann ger¨ aumt, wenn 𝒬 𝑥𝒬 1𝑒 + 𝑥1𝑝 =
𝛾𝐼𝒬 𝑝𝑥 1
(4.32)
erf¨ ullt ist. Die Vorprodukte 𝑥𝒬 1𝑒 , die in der Markteintrittsinvestition neuer Firmen aufgehen und die Vorprodukte 𝑥𝒬 1𝑝 , die zur laufenden Produktion verwendet werden, m¨ ussen den verf¨ ugbaren Vorprodukten 𝑥𝒬 1 entsprechen. angig von der Faktorausstattung Die Produktion von 𝑥1 ist wiederum abh¨ des Landes und den Pr¨ aferenzen der Konsumenten f¨ ur G¨ uter des kapitalintensiven Sektors. Analog zu (3.27) und (3.28) in Abschnitt 3.1.6 lassen sich die in Autarkie herrschenden marktr¨ aumenden Faktorentlohnungen zun¨achst als Funktion
178
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
der Technologie und der G¨ uterpreise bestimmen,23 [ 𝑟=
(𝐴𝑋1 𝑝𝑥1 𝒜)
[ 𝑤=
1−𝛽
(𝐴𝑌 𝑝𝑦 ℬ)
1−𝛼
(𝐴𝑌 𝑝𝑦 ℬ)
𝛼
(𝐴𝑋1 𝑝𝑥1 𝒜)
𝛽
1 ] 𝛼−𝛽
(4.33)
1 ] 𝛼−𝛽
.
(4.34)
Letztendlich sind in Autarkie die (relativen) Faktorentlohnungen durch die ¨ Faktorreichlichkeit der Okonomie, die Technologie sowie die Pr¨aferenzen der Konsumenten f¨ ur die beiden Sektoren festgelegt, 𝛾𝛼 + (1 − 𝛾)𝛽 1 1 𝑟 = ≡𝒞 . 𝑤 𝛾(1 − 𝛼) + (1 − 𝛾)(1 − 𝛽) 𝑘 𝑘
(4.35)
Somit zeigt sich: Je arbeitsreicher das Land ist, je h¨oher die Pr¨aferenz f¨ ur G¨ uter des kapitalintensiven Sektors respektive der f¨ ur diesen Sektor ausgegebene Einkommensanteil ist und je h¨ oher die technologisch bedingte Kapitalintensit¨ at im 𝑋-Sektor ist, desto h¨ oher ist die relative Entlohnung von Kapital im Vergleich zu Arbeit – schließlich erh¨ohen diese Gr¨oßen auch die relative Nachfrage nach Kapital. Den gr¨ oßten Einfluss hat hier jedoch die (relative) Faktorausstattung des Landes. Die Kenntnis der Faktorentlohnungen erlaubt es schließlich, das (aggre¨ gierte) Einkommen der Okonomie, 𝐼=
𝐿 ∑
𝐼𝑖 = 𝑤𝐿 + 𝑟𝐾,
(4.36)
𝑖=1
allein in Abh¨ angigkeit der Technologie und den Preisen respektive der Faktorreichlichkeit und den Pr¨ aferenzen zu bestimmen und damit auch die jeweiligen Teileinkommen der beiden Konsumentengruppen. Der Relativpreis in Autarkie errechnet sich schließlich als24 ( )𝛼−𝛽 𝑝𝑥 1 1 𝐴𝑌 ℬ 𝒞 = . (4.37) 𝑝𝑦 𝐴𝑋 1 𝒜 𝑘 23 Aufgrund
der nachgelagerten Produktion beeinflusst der Produktionsprozess der Quaur lit¨ atsg¨ uter die Entlohnungen der Prim¨ arfaktoren nicht, da die Faktoren (Gut 𝑥1 ) f¨ den Qualit¨ atssektor unelastisch angeboten werden. 24 Vgl. zur Berechnung Anhang A.2. Zu den gleichen Ergebnissen kommen auch Cheng et al. (2000, 2004) und Balboni (2006).
4.3 Autarkie
179
Tabelle 4.1: Faktorallokation und -intensit¨ at im Gleichgewicht
Sektor
Kapital
𝑋
𝐾𝑋 = 𝑝𝑥1 𝑥1
𝑌
𝐾𝑌 = 𝑝𝑦 𝑦
(=𝑋1 +𝑋2 )
𝛽 𝑟
Arbeit 𝛼 𝑟
1−𝛼 𝑤 1−𝛽 𝐿𝑌 = 𝑝𝑦 𝑦 𝑤
𝐿𝑋 = 𝑝𝑥1 𝑥1
Faktorintensit¨ at 𝐾𝑋 𝛼 𝑤 = 𝐿𝑋 1−𝛼 𝑟 𝐾𝑌 𝛽 𝑤 = 𝐿𝑌 1−𝛽 𝑟
Aus der gegebenen Produktionsstruktur beziehungsweise der aggregierten Nachfrage (4.19), (4.20) und (4.21) kann schließlich die Faktorallokation auf die einzelnen Sektoren sowie die entsprechende Faktorintensit¨at25 berechnet werden, wie sie in Tabelle 4.1 aufgef¨ uhrt sind. Je h¨ oher der G¨ uterpreis in einer Branche ist, desto mehr Faktoren werden dort eingesetzt und damit wird dort mehr produziert. Auch zeigt sich, dass ein h¨ oherer (relativer) Preis eines Faktors dazu f¨ uhrt, dass dieser st¨arker durch den preiswerteren Faktor substituiert wird.
¨ 4.3.3 Auswirkungen einer Anderung der Faktorausstattung In einer geschlossenen Volkswirtschaft kommt der Faktorausstattung des Landes generell eine große Bedeutung bei der Bestimmung der G¨ uter- wie Faktorpreise zu. Neben der Faktorausstattung spielt in der vorliegenden Modellierung aber auch die Verteilung der Faktoren eine wichtige Rolle. Kommt ¨ es im Zuge der Entwicklung des Landes zu einer Anderung der Faktorreichlichkeit 𝑘 = 𝐾/𝐿, hat dies erhebliche Auswirkungen auf die Produktionsund Konsumstruktur. Es lassen sich insgesamt drei Effekte identifizieren, welche auf diese Strukturen (in)direkt wirken: ¨ • Anderung der (relativen) G¨ uterpreise ¨ • Anderung der (relativen) Faktorentlohnungen ¨ • Anderung des (individuellen) Einkommens 25 Annahmegem¨ aß
ist f¨ ur 𝛼 > 𝛽 bei jedem beliebigen Lohn-Zins-Verh¨ altnis die Kapitalintensit¨ at im gesamten 𝑋-Sektor immer gr¨ oßer als im 𝑌 -Sektor. Ein factor intensity reversal ist hier demzufolge auszuschließen (Deardorff, 2006, S. 102).
180
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
Jeder Effekt soll nun f¨ ur sich untersucht werden, wobei zu beachten ist, dass es sich immer um ceteris-paribus-Aussagen handelt. Der letzte Schritt f¨ ugt schließlich alle Effekte in einer Gesamtbetrachtung zusammen. ¨ Anderung der (relativen) Gu uterpreiseffekt ist an ¨ terpreise. Der G¨ (4.37) zu erkennen und zeigt, dass eine Erh¨ ohung von 𝐾/𝐿 zum Absinken des relativen Preises des kapitalintensiven Gutes f¨ uhrt (da annahmegem¨ aß 𝛽 < 𝛼). Dieser Effekt ist eine direkte Folge des Rybczynski-Theorems, wonach Wachstum bei einem Faktor zur absoluten Ausdehnung der Produktion desjenigen Gutes f¨ uhrt, das diesen intensiv einsetzt und zu einem absoluten Produktionsr¨ uckgang des anderen Gutes (Rybczynski, 1955, S. 337f.). In diesem Fall wird das absolute wie relative Angebot von 𝑥1 steigen, w¨ ahrend die relative Nachfrage unver¨ andert bleibt. Dieser durch den urspr¨ unglichen relativen Preis bedingte Angebots¨ uberschuss kann nur durch ein Absinken von 𝑝𝑥1 /𝑝𝑦 wieder ins Gleichgewicht gebracht werden. Dabei impliziert (4.37), dass es f¨ ur diesen Effekt unerheblich ist, ob die Kapitalausstattung 𝐾 absolut gestiegen ist oder sich nur die Faktorreichlichkeit des Landes ge¨ andert hat. Das Absinken von 𝑝𝑥1 ist aus Sicht der Qualit¨ atsproduzenten gleichbedeutend mit einem R¨ uckgang der Grenzkosten. Da sich der Preis der Qualit¨ atsvarianten aus einem markup-up auf 𝑝𝑥1 ergibt (vgl. (4.27)), sinkt der durchschnittliche Preis und die Nachfrage je Variante steigt. Zugleich steigt die reale Marktgr¨ oße und damit die Anzahl an Firmen (vgl. (4.31)). Diese beiden Effekte bewirken, dass der f¨ ur die Entscheidung, Qualit¨ at zu konsumieren, relevante relative Preis 𝑃𝑥2 /𝑝𝑥1 sinkt und somit zu einer Zunahme der 𝒬-Konsumenten beitr¨ agt. Hingegen ¨andern sich die Produktionsschwelle und damit die durchschnittliche Produktivit¨at nicht.26 ¨ Anderung der (relativen) Faktorentlohnungen. Dem Stolper-Samuelson-Theorem folgend gibt es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den G¨ uterpreisen und den Faktorentlohnungen (vgl. hierzu Abschnitt 3.1.6). Diese kausale Beziehung ist hier zwar nicht zu beobachten27 , dennoch 26 Vgl.
hierzu entsprechend (3.58). Dies ist aus (3.56) und (3.57) hervorgegangen, die beide von den Grenzkosten (𝑤 beziehungsweise hier 𝑝𝑥1 ) abh¨ angig waren, die gek¨ urzt werden konnten. 27 In einem allgemeinen Gleichgewicht, wie im hier vorliegenden Fall, besteht – anders als im Stolper-Samuelson-Theorem unterstellt wird – keine Kausalit¨ at von G¨ uterpreis¨ anderungen auf die Anderungen der Faktorentlohnungen, da sich sowohl die Preise als ¨ auch die L¨ ohne endogen (und somit gewissermaßen simultan“) aus dem allgemeinen ” Gleichgewicht ergeben. Im HOS-Modell hingegen, auf das sich dieses Theorem bezieht, werden die G¨ uterpreise als exogen gegeben angenommen. Zur weiteren Diskussion sei
4.3 Autarkie
181
kann sie zur Unterst¨ utzung der Argumentation herangezogen werden. Setzt man den relativen G¨ uterpreis (4.37) in die Gleichungen f¨ ur die Entlohnung von Kapital (4.33) und Arbeit (4.34) ein, zeigt sich unmittelbar, dass ein R¨ uckgang des relativen Preises von 𝑥1 zu einem Anstieg von 𝑤 und einem ¨ Absinken von 𝑟 f¨ uhrt. Die Anderung der Entlohnungsstruktur kann zudem direkt gefolgert werden: Da sich die L¨ ohne an der relativen Knappheit der Faktoren orientieren, f¨ uhrt ein Anstieg der Kapitalreichlichkeit zu einer relativen Verknappung des Faktors Arbeit, mithin wird der relative Arbeitslohn steigen respektive die relative Kapitalentlohnung abnehmen. Diesen Zusammenhang verdeutlicht auch (4.35). Insgesamt nimmt damit das Einkommen ¨ in der Okonomie zu und es werden mehr Qualit¨atsvarianten angeboten. ¨ Anderung des (individuellen) Einkommens. Schließlich ist aus (4.36) leicht zu erkennen, dass ein Anstieg von 𝐾 bei gleichbleibendem 𝐿 eindeutig das Einkommen erh¨ oht. Das Gleiche trifft nat¨ urlich auch auf das individuelle Einkommen zu: Eine Erh¨ ohung von 𝑘𝑖 erh¨oht 𝐼𝑖 . Bleibt dabei die Faktorausstattung des Landes unver¨ andert, ist diese Aussage auch uneingeschr¨ ankt g¨ ultig, da der beschriebene entgegengerichtete Faktorentlohnungseffekt dann nicht eintritt. Wird dieser Effekt jedoch ber¨ ucksichtigt, kann es unter bestimmten Umst¨ anden auch zu einem R¨ uckgang des individuellen Einkommens kommen. Die Zunahme der Kapitalreichlichkeit des Landes f¨ uhrt, wie gezeigt, zu einer h¨ oheren Entlohnung von Arbeit und einer niedrigeren von Kapital. Ein relativ arbeitsreiches Individuum wird davon profitieren, w¨ ahrend ein sehr kapitalreiches Individuum hierdurch sogar Einkommenseinbußen hinnehmen muss. Zwei denkbare Extremf¨ alle k¨ onnen die Situation verdeutlichen: Ein Individuum, das nur u ugt, kann von Lohnsteigerun¨ber seine Arbeitskraft verf¨ gen nur profitieren, wohingegen ein (fiktives) Individuum, das u ¨ber keine Arbeitskraft und nur Kapital verf¨ ugt, eindeutig durch den Zinsr¨ uckgang ur 𝑝𝑦 = 1 stellt sich das individuelle Einkommen dar als29 verliert.28 F¨ 𝐼𝑖 (𝑘, 𝑘𝑖 ) = 𝐴𝑌 ℬ
) ( )𝛽 ( 𝑘 𝑘𝑖 . 1+𝒞 𝒞 𝑘
(4.38)
auf Cheng et al. (2000) verwiesen. Bei der sp¨ ateren Betrachtung des Handelsgleichgewichts wird der Preis jedoch wieder als exogen gegeben angenommen. 28 Beide Aussagen gelten nur dann in dieser Extremform, wenn die Kapitalausstattung der betrachteten Individuen unver¨ andert bleibt. 29 F¨ ur die genaue Herleitung und eine n¨ ahere Auseinandersetzung vgl. Anhang A.4.2.
182
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
Analytisch ( ) kann gezeigt werden, dass das Einkommen eines Individuums ˜ 𝑖 ) auf𝐼𝑖 𝑘, 𝑘 𝑖 eine konvexe Funktion von 𝑘 ist, das ein Minimum bei 𝑘(𝑘 weist. Das Minimum seinerseits ist eine Funktion der individuellen Kapitalausstattung, das heißt, u ugt, ¨ber je mehr Kapital das Individuum verf¨ ¨ desto h¨ oher ist die kritische Kapitalreichlichkeit der Okonomie bis zu der sein Einkommen sinkt. Wird als Extremfall ein Individuum ohne Kapital angenommen, liegt diese Schwelle bei null. Es zeigt sich, dass ein prozenuhrt, tual gleicher Anstieg von 𝑘 und 𝑘𝑖 immer zu einer Zunahme von 𝐼𝑖 f¨ wohingegen bei einem R¨ uckgang von 𝑘𝑖 /𝑘 (ausgehend von 𝑘𝑖 /𝑘 ≈ 1) das individuelle Einkommen trotz Anstieg des Gesamteinkommens abnimmt. Ist ¨ die Okonomie deutlich kapitalreicher als das einzelne Individuum, das heißt 𝑘 ≫ 𝑘𝑖 , so u ¨berwiegt aber der positive Effekt aus der Erh¨ohung des relativen Arbeitslohns, und das Individuum wird ebenfalls reicher, unabh¨angig davon, ob sich die eigene Kapitalausstattung ¨ andert.30 Damit kann ein asymmetrischer Kapitalzuwachs dazu f¨ uhren, dass der Anteil der 𝒬-Konsumenten abnimmt, obwohl deren Einkommensanteil insgesamt steigt (Zunahme der Einkommensungleichheit). Ein extremes Beispiel kann die Situation verdeutlichen: Anfangs sei das Kapital gleichm¨aßig u ¨ber alle Individuen verteilt und ausreichend hoch, sodass alle (gerade) Qualit¨ at konsumieren.31 Nun nimmt die Kapitalausstattung zu, wobei der gesamte Zuwachs nur einem einzigen Individuum zugute kommt. Es ist nun m¨ oglich, dass dieses eine Individuum dadurch u ¨ber ein gr¨oßeres Einkommen ¨ als die Okonomie vor dem Wachstum verf¨ ugt (bei einem sehr erheblichen Zuwachs). Allerdings sind nun alle anderen Individuen ¨armer geworden und w¨ urden keine Qualit¨ at mehr nachfragen, wenngleich der nun mehr einzige 𝒬-Konsument mehr konsumieren wird. Im Umkehrschluss f¨ uhrt dann aber ein gleichm¨ aßig verteilter Anstieg der Kapitalreichlichkeit dazu, dass ¨ es einerseits mehr Qualit¨ atskonsumenten gibt (da die Anderung der Entlohnungsstruktur zugunsten der Arbeit ein Absinken der kritischen Kapitalausstattung bewirkt) und andererseits auch mehr Varianten von 𝑥2 hergestellt werden (das heißt, der Markt wird gr¨ oßer).32 Diese Erkenntnisse erlauben die Reproduktion des bei Markusen (1986) ebenfalls sich ergebenden gekr¨ ummten Einkommens-Expansionspfades. So f¨ uhrt eine Erh¨ ohung des Einkommens bei den 𝒬-Konsumenten zu einer Marktvergr¨ oßerung und damit einer Zunahme der Nachfrage nach den Qua30 F¨ ur
den Beweis siehe Anhang A.4.1. einer Gleichverteilung des Kapitals, das heißt, jedes Individuum verf¨ ugt u ¨ber eine identische Ausstattung, konsumieren entweder alle Individuen Qualit¨ at oder keines. 32 F¨ ur den Beweis siehe Anhang A.4.2. 31 Bei
4.3 Autarkie
183
lit¨ atsvarianten, wohingegen die Nachfrage nach dem normalen Gut zur¨ uckgeht. Allerdings kann in diesem Modellrahmen auch der Fall eintreten, dass eine Einkommenszunahme die aggregierte Nachfrage nach beiden G¨ utern erh¨ oht, wenn der zugrundeliegende Kapitalzuwachs ungleich verteilt wird (vgl. das vorangegangene Extrembeispiel). ¨ ¨ Anderung der Produktionsstruktur. Eine Anderung des Kapitalbestands hat selbstverst¨ andlich auch Auswirkungen auf die Produktion der G¨ uter wie sie in (4.19), (4.20) und (4.21) bestimmt wurde. Zugleich impliziert eine Erh¨ ohung des gesamtwirtschaftlichen Kapitalbestands f¨ ur die Firmen im Qualit¨ atssegment, dass einerseits die Kosten f¨ ur das Vorprodukt, oße zunimmt.33 Die Produkti𝑝𝑥1 , abnehmen und andererseits die Marktgr¨ vit¨ atsschwelle und die durchschnittliche Firmenproduktivit¨at bleiben davon ¨ jedoch unber¨ uhrt, da die Anderung der variablen Produktionskosten alle Firmen symmetrisch betrifft. Lediglich die ge¨anderte (reale) Marktgr¨oße beeinflusst die Firmenanzahl, wie an (4.31) zu erkennen ist, wodurch es in ¨ dynamischer Hinsicht zu einer Anderung der Anzahl an Firmentoden wie -eintritten kommt (vgl. (3.61)). Es zeigt sich, dass die Produktionsschwelle zwar unabh¨ angig von der Marktgr¨ oße ist, aber die Marktgr¨oße indirekt auf der Produktionsschwelle beruht. Im ersten Schritt soll untersucht werden, wie die gleichgewichtige Marktgr¨ oße zustande kommt. Hierzu wird eine Beziehung zwischen der Marktgr¨oße und dem Preis abgeleitet, die als Produktion-Preis-Kurve bezeichnet wird, da sie das Preisniveau bei einer gegebenen Produktion/Marktgr¨oße angibt. Im Gleichgewicht ist es erforderlich, dass diese aus der Struktur des Landes und der Technologie resultierende Beziehung mit den Pr¨aferenzen der Individuen u aferenzfunktion annahmegem¨aß abh¨angig vom ¨bereinstimmt, wobei die Pr¨ individuellen Einkommen beziehungsweise bei gegeben Faktorentlohnungen von der individuellen Kapitalausstattung ist. Die Produktion-Preis-Kurve ergibt sich aus der Anzahl der Firmen (und letztendlich der Gr¨ oße des 𝒬-Marktes). So ist der Preisindex, wie er in (4.7) bestimmt wurde, im Gleichgewicht gegeben durch [∫ 𝑃𝑥2 = 33 Wie
0
∞
𝑝𝑥2𝑗 (𝜑)
1−𝜌
𝑀 𝜇(𝜑)𝑑𝜑
1 ] 1−𝜌
=
𝑝𝑥 1 𝜌 𝑀 1/(1−𝜌) , (4.39) 𝜌 − 1 𝜑˜ (𝜑∗ )
gezeigt, werden alle Individuen bei prozentual gleichm¨ aßiger Verteilung des Kapitalzuwachses auf alle Arbeitskr¨ afte reicher, wodurch es ceteris paribus mehr 𝒬-Konsumenten gibt und folglich der Markt f¨ ur Qualit¨ at gr¨ oßer wird.
184
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
wobei die Umformung gem¨ aß der Preissetzungsregel (4.27) erfolgt. Es ist zu erkennen, dass der Preisindex mit zunehmender Firmenanzahl ebenso wie mit steigender durchschnittlicher Produktivit¨ at respektive h¨oherer Produktionsschwelle abnimmt, hingegen im Preis des Vorprodukts steigt. Die Firmenanzahl 𝑀 bestimmt sich ihrerseits aus (4.31) und ist durch ihre Interdependenz mit der Marktgr¨ oße indirekt von 𝑘𝑖∗ abh¨angig (ebenso wie von der durchschnittlichen Produktivit¨ at). In (4.29) ist dabei festzuur stellen, dass die Marktgr¨ oße in 𝑘𝑖∗ abnimmt, was somit gleichermaßen f¨ 𝑀 (𝑘𝑖∗ ) gelten muss. Zusammen mit (4.16) und (4.31) l¨asst sich der relative Preisindex nach einigen Umformungen schließlich als Funktion von 𝑘𝑖∗ und 𝜑∗ schreiben, ⎡ max ⎤1/(1−𝜌) 𝑘∫𝑖 𝑘∫𝑖max ( )1/(𝜌−1) ℛ𝑓𝑝 𝑃𝑥 2 1 ⎢ ⎥ = ∗ ⎣𝑤 𝑔𝐾 (𝑘)𝑑𝑘 + 𝑟 𝑔𝐾 (𝑘)𝑘𝑑𝑘 ⎦ 𝑝𝑥 1 𝜑 𝛾𝐿/𝑝𝑥1 𝑘𝑖∗
≡𝑃
(𝑘𝑖∗ )
𝑘𝑖∗
(4.40)
mit ℛ = 𝜌𝜌 /(𝜌 − 1)𝜌−1 > 1. Diese Funktion bestimmt die Produktion-PreisKurve 𝑃 (𝑘𝑖∗ ). Es ist zu erkennen, dass diese Kurve in 𝑘𝑖∗ steigt: Je gr¨oßer 𝑘𝑖∗ ist, desto kleiner werden die Integrale und damit der Ausdruck in der Klammer, der sich im Nenner befindet (𝜌 > 1). Dies verdeutlicht auch die Bedingung erster Ordnung, die immer gr¨ oßer als Null ist, ( )1/(𝜌−1) ℛ𝑓𝑝 𝑔 (𝑘𝑖∗ ) (𝑤 + 𝑟𝑘𝑖∗ ) ∂𝑃 (𝑘𝑖∗ ) = > 0. (4.41) ∂𝑘𝑖∗ 𝜑∗ (𝜌 − 1) 𝐸/𝑝𝑥1 An (4.40) ist auch zu erkennen, dass der Verlauf der Kurve von der Kapital¨ verteilung in der Okonomie abh¨ angig ist; die Ableitung zeigt dazu, dass die Kurve dennoch immer (strikt monoton) steigend verl¨auft. Dies ist o¨konomisch plausibel, da ein kleinerer Markt mit wenigen Konsumenten einen geringeren Wettbewerb aufweist beziehungsweise weniger Vielfalt erm¨oglicht und damit der Preis einer Nutzeneinheit relativ h¨oher als in einem großen uge des Modells korrekter Markt sein wird.34 Bezogen auf das Wirkungsgef¨ formuliert wirkt hier allerdings – analog zu Melitz (2003) – auf Seiten der Firmen die Faktormarktbeschr¨ ankung, das heißt, weniger Konsumenten bedeuten weniger Vorprodukte und somit einen h¨ oheren relativen Preis von 𝑥1 . 34 Dieser
Zusammenhang wurde auch von Melitz und Ottaviano (2008) (vgl. Abschnitt 3.2.1.5) beschrieben.
4.3 Autarkie
185
Da diese Markt¨ anderung alle Firmen symmetrisch trifft, bleibt 𝜑∗ unver¨andert, aber die Anzahl der Firmen sinkt, wodurch der relative Preis 𝑃𝑥2 /𝑝𝑥1 steigt. Eine Erh¨ ohung der Faktorausstattung, das heißt von 𝐿 und/oder 𝐾, zieht ceteris paribus einem R¨ uckgang von 𝑃 (𝑘𝑖∗ ) nach sich. Die Produktion-Preis-Kurve erlaubt es, den minimalen relativen Preis zu ¨ bestimmen, der in der betrachteten Okonomie, bedingt durch die Faktorausstattung und die Technologie, m¨ oglich ist. Er wird genau dann erreicht, wenn die Marktgr¨ oße maximal ist beziehungsweise wenn jedes Individuum Qualit¨ at nachfragt, 𝑘𝑖∗ = 0, ( )1/(𝜌−1) ℛ𝑓𝑝 1 𝑃 min = 𝑃 (0) = ∗ . (4.42) 𝜑 𝛾𝐼/𝑝𝑥1 Der minimale Preis f¨ allt demnach in der Produktionsschwelle ebenso wie im Gesamteinkommen des Landes und steigt in den Fixkosten der Produktion, oße, 𝛾𝐼/𝑝𝑥1 . 𝑝𝑥1 𝑓𝑝 , beziehungsweise in der realen Marktgr¨ In Abbildung 4.3 wird zum einen verdeutlicht, wie die gleichgewichtige Marktgr¨ oße bestimmt werden kann, und zum anderen, welche Auswirkun¨ gen eine Anderung der Produktivit¨ at auf den Markt und das relative Preisniveau aus¨ ubt. Die Pr¨ aferenzkurve 𝜃𝑘 (𝑘𝑖∗ ) eines Individuums ergibt sich aus dem in Abbildung 4.1 erl¨ auterten Zusammenhang. Im allgemeinen Gleichgewicht muss aber zus¨ atzlich ber¨ ucksichtigt werden, dass die individuelle Kapitalausstattung nicht beliebige Werte annehmen kann, da sie insbesondere ankt ist. Daraus kann bereits ein von der durch 𝑘𝑖max nach oben hin beschr¨ Nachfrageseite bestimmter maximaler relativer Preis 𝑃 max bestimmt werden, bis zu dem Qualit¨ at nachgefragt wird.35 Ist von der Produktionsseite her kein niedrigerer Preis m¨ oglich, so kommt auch kein 𝒬-Markt zustande, das heißt, eine notwendige Bedingung f¨ ur Qualit¨at ist durch 𝑃 max > 𝑃 min 36 gegeben. Ist der minimal m¨ ogliche relative Preis hingegen unterhalb von 𝜃(𝑤), also der Pr¨ aferenz eines Individuums ohne Kapitalausstattung, so wird es ausschließlich Konsumenten von Qualit¨ at geben. In der Abbildung gibt es im urspr¨ unglichen Gleichgewicht bei 𝑘𝑖∗1 einen Markt, unterhalb seiner maximalen Gr¨ oße. Das Gleichgewicht ist dadurch gekennzeichnet, dass bei dem herrschenden relativen Preis so viele Individuen Qualit¨at nachfragen, dass die daraus resultierende Marktgr¨ oße gerade in der Lage ist, diesen Preis hervorzubringen. 35 Ein
vergleichbarer Maximalpreis wurde auch von Melitz und Ottaviano (2008) ermittelt (vgl. (3.85)), der allerdings nur bestimmt, ob die einzelne Firma produziert und nicht – wie hier – ob der Markt generell existiert. 36 Analog ist dann nat¨ urlich auch 𝑘𝑖∗ < 𝑘𝑖max zutreffend.
186
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
Abbildung 4.3: Auswirkungen einer Erh¨ ohung der Produktivit¨ atsschwelle auf die kritische individuelle Kapitalausstattung und das relative Preisniveau Px 2 /px1 P
max
qk(ki)
P1(k*i ) P2(k*i )
A
B
P1min P2min q(w)
B k*i 2
A k*i 1
kmax i
k*i
Anm.: A. Produktivit¨ atseffekt, B. Marktvergr¨ oßerungseffekt
In der Abbildung wurde ebenfalls ein exogener Schock eingezeichnet (gestrichelte Kurve), der die Produktivit¨ atsschwelle erh¨oht (die sich ihrerseits endogen aus dem Modell ergibt). Wie an (4.40) und (4.42) zu erkennen ist, senkt dieser Anstieg das minimale relative Preisniveau ebenso wie die Steigung der Produktion-Preis-Kurve. Die Kurve ¨andert sich so von 𝑃1 (𝑘𝑖∗ ) zu 𝑃2 (𝑘𝑖∗ ) und das neue Gleichgewicht ist durch eine niedrigere individuelle Kapitalausstattungsschwelle und ein geringeres relatives Preisniveau gekennzeichnet. Der Effekt beziehungsweise die Dynamik, die zu dem neuen Gleichgewicht f¨ uhrt, l¨ asst sich dabei in zwei Einzeleffekte unterscheiden: Den urspr¨ unglichen Produktivit¨ atseffekt (A) und den dadurch hervorgerufenen Marktvergr¨oßerungseffekt (B). Der Produktivit¨atseffekt f¨ uhrt dazu,
4.4 Friktionsloser Handel
187
dass die produktiveren Firmen gem¨ aß ihrer Preissetzungsregel (4.27) einen niedrigeren Preis w¨ ahlen und dadurch das relative Preisniveau sinkt. Der neue Preis f¨ uhrt zu einer Absenkung der individuellen Kapitalausstattungsschwelle. Dieses Absinken hat wiederum zur Folge, dass es mehr Individuen gibt, die Qualit¨ at nachfragen, wodurch der Markt gr¨oßer wird. Ein gr¨oßerer Markt erm¨ oglicht es zus¨ atzlichen Firmen einzutreten. Dies ist gleichbedeutend mit einem Anstieg der Anzahl an Varianten und f¨ uhrt somit dazu, dass der Preisindex f¨ ur eine Nutzeneinheit weiter sinkt und dadurch auch die Schwelle 𝑘𝑖∗ . Dies induziert wieder den Eintritt zus¨atzlicher Firmen und der Anpassungsprozess setzt sich fort, solange bis die Marktvergr¨oßerung keinen Platz f¨ ur zus¨ atzliche Firmen bietet und das neue Gleichgewicht erreicht ist. Dieser dem Produktivit¨ atseffekt folgende Anpassungsprozess kann dabei als Marktvergr¨ oßerungseffekt umschrieben werden. Die Auswirkungen lassen sich damit zusammenfassen als: Ergebnis 4.1 (Zusammenhang Produktion und Pr¨ aferenz) Eine Produktivit¨ atszunahme im Teilsektor f¨ ur Qualit¨ at senkt den relativen Preis der Varianten des Qualit¨ atsguts, wodurch der Markt der differenzierten (Qualit¨ ats-)G¨ uter vergr¨ oßert und die Anzahl der Firmen erh¨ oht wird.
Im Extremfall, wenn es zu 𝑃 min < 𝜃(𝑤) kommt, f¨ uhrt eine Produktivit¨atssteigerung dazu, dass ausschließlich Qualit¨ atsvarianten konsumiert werden. Die Produktion-Preis-Kurve beruht auf einer Vielzahl exogener Faktoren wie insbesondere der (relativen) Kapitalausstattung und -verteilung in der ¨ Okonomie. Erstgenannte Gr¨ oße beeinflusst aber auch die Pr¨aferenzen der ur die weitere Analyse beziehungsweise den Individuen.37 Es ist daher auch f¨ ¨ ¨ Vergleich zweier Okonomien relevant, inwiefern eine Anderung der Kapitalreichlichkeit Auswirkungen auf die Einkommen der Individuen verursacht.
4.4 Friktionsloser Handel In dem nun vorgestellten Szenario wird davon ausgegangen, dass weder k¨ unstliche Handelsbarrieren wie Z¨ olle oder nicht-tarif¨are Handelshemmnisse – und somit (politischer) Freihandel – noch nat¨ urliche Handelsbarrieren wie Transportkosten vorliegen. Konkret sei angenommen, dass weder f¨ ur 37 Allerdings
nur dann, wenn die Pr¨ aferenzen in Abh¨ angigkeit von der individuellen Kapitalausstattung aufgefasst werden. Im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen Pr¨ aferenz und individuellem Einkommen ¨ andert sich jedoch nichts.
188
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
den Transport der G¨ uter ins Ausland noch f¨ ur den Eintritt in den ausl¨andischen Markt Kosten entstehen, was dazu f¨ uhrt, dass die G¨ uterpreise weltweit identisch sind und unter bestimmten Umst¨ anden (innerhalb des FPE) auch die Faktorpreise. Aus Gr¨ unden der Vereinfachung wird angenommen, dass das Inland im Vergleich zum Rest der Welt sehr klein ist und folglich uterdie Weltmarktpreise nicht beeinflussen kann.38 Somit werden die G¨ preise als exogen gegeben angenommen und es handelt sich nicht mehr um eine vollst¨ andige allgemeine Gleichgewichtsanalyse. Allerdings erm¨oglicht diese Vereinfachung auch die Betrachtung eines spezialisierten Landes, die in der Literatur (vgl. Abschnitt 3.2) kaum Beachtung findet, da immer nur Faktorausstattungen angenommen werden, die einen Faktorpreisausgleich erm¨ oglichen (innerhalb des FPE). Zun¨ achst wird in Abschnitt 4.4.1 analysiert, welche Auswirkungen eine Handelsaufnahme generell auf das Land haben wird, das heißt, welches Produktions- und Handelsmuster sich einstellen wird und wie sich die Faktorentlohnungen dementsprechend darstellen. In Abschnitt 4.4.2 und Abschnitt 4.4.3 werden dann ein kapitalreiches (beziehungsweise entwickeltes) und anschließend ein arbeitsreiches (beziehungsweise gering entwickeltes) Land getrennt voneinander genauer untersucht. Dabei wird der Frage nachgegangen, welche Implikationen sich f¨ ur das individuelle Einkommen und die Gr¨ oße des Marktes f¨ ur Qualit¨ at ergeben. In Abschnitt 4.4.4 wird abschließend Art und Umfang des intra-industriellen Handels f¨ ur beide L¨ander ausf¨ uhrlich erl¨ autert.
4.4.1 Auswirkungen der Handelsaufnahme Insgesamt betrachtet k¨ onnen sich bei Handel je nach vorherrschenden relativen G¨ uterpreisen und der Faktorausstattung des Landes drei m¨ogliche Produktionsmuster ergeben: (Vollkommene) Spezialisierung39 auf den kapitaloder den arbeitsintensiven Sektor oder eine diversifizierte Produktion. W¨ahrend in den beiden ersten F¨ allen eine Aussage u ¨ber das Handelsmuster leicht 38 Die
Annahme eines kleinen“ Landes scheint sogar f¨ ur ein so großes“ Land wie die ” ” USA plausibel, wie Magee und Magee (2008) zeigen. Sie u uften die Marktmacht ¨berpr¨ der USA auf dem Weltmarkt anhand mehrerer industrie¨ okonomischer Kennzahlen und kamen zu dem Schluss, dass handelspolitische Maßnahmen der USA kaum Auswirkungen auf die Weltmarktpreise aus¨ uben – nicht zuletzt, da die gehandelten Mengen nur einen geringen Anteil der tats¨ achlichen weltweiten Produktion darstellen. 39 Die Spezialisierung eines Landes auf einen Sektor ist der wohl gr¨ oßte Unterschied zum ¨ Ergebnis in einer geschlossenen Okonomie. In Autarkie tritt dieser Fall nie ein, solange der Konsum der G¨ uter beider Sektoren einen positiven Nutzen generiert.
4.4 Friktionsloser Handel
189
f¨ allt, muss im letzten Fall unterschieden werden, in welchem Sektor das Land einen komparativen Vorteil hat. Im Extremfall besteht hier sogar die M¨ oglichkeit, dass keine Beteiligung am (inter-industriellen) Handel zu beobachten ist, wenn das Inland die gleiche Kapitalreichlichkeit wie die Welt aufweist. Da die Weltmarktpreise die Faktoreinsatzverh¨altnisse in der Produktion der beiden G¨ uter eindeutig festlegen, kann aus dem Vergleich zwischen diesen kritischen Grenzen und der Kapitalreichlichkeit des Landes auf dessen Produktionsstruktur geschlossen werden. Die (gewinnmaximierenden) Kapitalintensit¨ aten in beiden Sektoren berechnen sich als ] 1 𝑝𝑥1 𝐴𝑋1 (1 − 𝛼)1−𝛽 𝛼𝛽 𝛽−𝛼 𝑘𝑋 = 𝑝𝑦 𝐴𝑌 ℬ 1 ] 𝛽−𝛼 [ 𝑝𝑥1 𝐴𝑋 1 𝒜 . 𝑘𝑌 = 𝑝𝑦 𝐴𝑌 (1 − 𝛽)1−𝛼 𝛽 𝛼 [
(4.43) (4.44)
Wie in Abschnitt 3.1 bereits ausf¨ uhrlich erl¨ autert wurde, begrenzen diese beiden Outputexpansionspfade den Diversifikationskegel und sind durch die vorherrschenden Weltmarktpreise und Technologien eindeutig determiniert.40 Damit lassen sich die drei Produktionsstrukturen durch die relative Lage der relativen Kapitalausstattung des Landes charakterisieren: • Spezialisierung auf den arbeitsintensiven 𝑌 -Sektor bei 𝑘 < 𝑘𝑌 • Diversifikation (Produktion in beiden Sektoren) bei 𝑘𝑌 ≤ 𝑘 ≤ 𝑘𝑋 • Spezialisierung auf den kapitalintensiven 𝑋-Sektor bei 𝑘 > 𝑘𝑋 Anders als bei Autarkie sind die G¨ uterpreise aus Sicht eines kleinen Landes durch den Weltmarkt exogen gegeben, wobei allerdings die Preise endogen durch die Kapitalreichlichkeit der Welt 𝑘𝑊 bestimmbar sind.41 Insofern k¨onnen die Diversifikationsgrenzen in Abh¨ angigkeit von der Weltfaktorreichlichkeit durch Einsetzen des relativen Gleichgewichtspreises aus (4.37) an der 40 Bei
Autarkie bestehen diese Grenzen nicht, da sich die Preise endogen bestimmen und damit sicherstellen, dass die G¨ uter in den, von den Konsumenten gew¨ unschten Proportionen angeboten werden. 41 Es wird hierbei angenommen, dass die Welt als Ganzes beziehungsweise jedes einzelne (andere) Land der Welt nicht spezialisiert ist.
190
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
Stelle 𝑘𝑊 in (4.43) und (4.44) bestimmt werden, ( ) 1 𝛼 𝑘𝑋 𝑘 𝑊 = 𝑘 𝑊 𝒞 1−𝛼 ( ) 1 𝛽 𝑘𝑌 𝑘 𝑊 = 𝑘 𝑊 . 𝒞 1−𝛽
(4.45) (4.46)
Es wird deutlich, dass je kapitalreicher die Welt ist, desto kapitalintensiver auch die weltweite Produktion beider G¨ uter ist und u ¨ber desto mehr Kapital im Vergleich zu Arbeit ein Land verf¨ ugen muss, um bei der Produktion in beiden Sektoren Vollbesch¨ aftigung gew¨ ahrleisten zu k¨onnen. Die von der Weltkapitalreichlichkeit abh¨ angigen G¨ uterpreise implizieren, dass die Kosten f¨ ur das Vorprodukt der Qualit¨atsvarianten weltweit gleich sind, unabh¨ angig davon, ob das (kleine) Inland spezialisiert ist oder nicht. Das Spezialisierungsmuster hat schließlich nur Auswirkungen auf das Einkommen und damit die Nachfrage nach 𝑥2𝑗 . Da die Marktgr¨oße keine Effekte auf das kritische Produktivit¨atsniveau ¨ hat, gibt es auch keine Auswirkungen beim Ubergang von Autarkie zu friktionslosen Handel auf die durchschnittliche Produktivit¨at.42 Allerdings be¨ wirkt eine Anderung der Marktgr¨ oße eine Anpassung der Firmenanzahl und damit eine Ver¨ anderung von 𝑃𝑥2 . Eine Marktvergr¨oßerung senkt etwa durch die h¨ ohere Vielfalt die Kosten f¨ ur eine Nutzeneinheit aus dem Konsum der Qualit¨ atsvarianten, weshalb ein gr¨ oßeres Land (mit einem ceteris paribus gr¨ oßeren Markt) einen geringeren Preisindex aufweisen wird (Melitz, 2003, S. 1705). Die Produktionsmengen ergeben sich in Abh¨angigkeit vom Spezialisierungsmuster des Inlands, ⎧ 𝑘 < 𝑘𝑌 0 ⎨ (1 − 𝛽)𝑟𝐾 − 𝛽𝑤𝐿 𝑃,𝑇 𝑘𝑌 ≤ 𝑘 ≤ 𝑘𝑋 (4.47) 𝑥1 = (𝛼 − 𝛽)𝑝𝑥1 ⎩ 𝐴𝑋1 𝐾 𝛼 𝐿1−𝛼 𝑘 > 𝑘𝑋
𝑦 𝑃,𝑇
42 Die
⎧ 𝛽 1−𝛽 𝐴𝑌 𝐾 𝐿 ⎨ (1 − 𝛼)𝑟𝐾 − 𝛼𝑤𝐿 = (𝛽 − 𝛼)𝑝𝑦 ⎩ 0
𝑘 < 𝑘𝑌 𝑘𝑌 ≤ 𝑘 ≤ 𝑘𝑋
(4.48)
𝑘 > 𝑘𝑋 .
Er¨ offnung von friktionslosen Handel hat die gleichen Effekte wie eine Erh¨ ohung des Kapitalbestands beziehungsweise allgemeines Wachstum im Inland, vgl. hierzu auch Melitz (2003, S. 1706) sowie Abschnitt 3.2.1.3.
4.4 Friktionsloser Handel
191
Tabelle 4.2: Produktions- und Handelsstruktur in Abh¨ angigkeit von der Kapitalreichlichkeit des Landes
Kapitalreichlichkeit 𝑘 < 𝑘𝑌 𝑘𝑌 < 𝑘 < 𝑘 𝑊 𝑘 = 𝑘𝑊 𝑘 𝑊 < 𝑘 < 𝑘𝑋 𝑘𝑋 < 𝑘 Kapitalreichlichkeit 𝑘 < 𝑘𝑌 𝑘𝑌 < 𝑘 < 𝑘 𝑊 𝑘 = 𝑘𝑊 𝑘 𝑊 < 𝑘 < 𝑘𝑋 𝑘𝑋 < 𝑘
𝜎 𝐾 = 0 ∨ 𝜎𝐾 𝑊 = 0 Produktion Import Export 𝑦 𝑦, 𝑥1 𝑦, 𝑥1 𝑦, 𝑥1 𝑥1
𝑥1 𝑥1 – 𝑦 𝑦
𝑦 𝑦 – 𝑥1 𝑥1
𝜎 𝐾 > 0 ∧ 𝜎𝐾 𝑊 > 0 Produktion Import Export 𝑦, 𝑥2𝑗 𝑦, 𝑥1 , 𝑥2𝑗 𝑦, 𝑥1 , 𝑥2𝑗 𝑦, 𝑥1 , 𝑥2𝑗 𝑥1 , 𝑥2𝑗
𝑥1 , 𝑥2𝑗 𝑥1 , 𝑥2𝑗 𝑥2𝑗 𝑦, 𝑥2𝑗 𝑦, 𝑥2𝑗
𝑦, 𝑥2𝑗 𝑦, 𝑥2𝑗 𝑥2𝑗 𝑥1 , 𝑥2𝑗 𝑥1 , 𝑥2𝑗
Die zur Produktion im 𝑋2 -Teilsektor zur Verf¨ ugung stehenden Produktionsfaktoren 𝑥1 bestimmen sich wieder aus (4.32) und der Konsum durch ⎧ 𝜎𝐾 = 0 ⎨0 𝑃,𝑇 (4.49) 𝑥2𝑗 = 𝛾𝐼𝒬 𝑝−𝜌 𝑋2𝑗 𝜎𝐾 > 0. ⎩ 1−𝜌 𝑃𝑥2 Die abschnittsweise Bestimmung ist dem Umstand geschuldet, dass es Faktorausstattungsbereiche gibt, in denen kein Markt f¨ ur Qualit¨at existiert, da kein Individuum ein ausreichend hohes Einkommen besitzt, um die entsprechende Pr¨ aferenz aufzuweisen. Ob dieser Teilsektor existiert oder nicht, hat jedoch keine Auswirkungen auf den gehandelten Faktorinhalt und die Produktion von 𝑥1 und 𝑦; siehe (4.47) und (4.48). Eine Zusammenfassung der unterschiedlichen Spezialisierungs- und Handelsmuster findet sich f¨ ur beide F¨alle in Tabelle 4.2. F¨ ur 𝜎𝐾 > 0 ∧ 𝜎𝐾 𝑊 > 0 ist zu beobachten, dass das Inland einerseits
192
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
𝑥1 ebenso wie Varianten von 𝑥2 importiert (exportiert), andererseits neben 𝑦 aber auch Varianten von 𝑥2 exportiert (importiert). Innerhalb des 𝑋-Sektors gibt es folglich einen Austausch von 𝑥2𝑗 gegen 𝑥1 und 𝑥2𝑗 . Dieser G¨ uteraustausch weist damit Merkmale sowohl von vertikalem als auch von horizontalem intra-industriellen Handel auf: Als horizontaler intra-industrieller Handel ist der Austausch von 𝑥2𝑗 gegen 𝑥2𝑗 zu bezeichnen und als vertikaler intra-industrieller Handel der Austausch von 𝑥2𝑗 gegen 𝑥1 . Der hier stattfindende vertikale intra-industrielle Handel ist sogar in zweifacher Hinsicht vertikal“: Zum einen werden unterschiedliche Qualit¨atsstufen ” gegeneinander gehandelt: Das normale 𝑥1 gegen 𝑥2𝑗 , das aus Sicht der Konsumenten von h¨ oherer Qualit¨ at ist (vgl. Abschnitt 2.3.2.1). Zum anderen werden aus Sicht der Produzenten Vorprodukte gegen (veredelte) Endprodukte getauscht (vgl. Abschnitt 2.3.3), schließlich wird zur Produktion von 𝑥2 das Gut 𝑥1 als Inputfaktor verwendet. Inwiefern es 𝒬-Konsumenten gibt, ur minist wieder davon abh¨ angig, ob die Bedingung 𝑃𝑥2 < 𝜃𝑘 (𝑘𝑖 )𝑝𝑥1 f¨ destens ein Individuum 𝑖 erf¨ ullt ist. Damit kann eine erste Aussage u ¨ber das Handelsmuster formuliert werden, die f¨ ur alle Produktions-/Spezialisierungsstrukturen G¨ ultigkeit hat: Ergebnis 4.2 (Reiner inter-industrieller Handel) Verf¨ ugt kein inl¨ andisches und/oder ausl¨ andisches Individuum u ¨ber die kritische Kapitalausstattung, so ist der gesamte zwischen dem Inland und Ausland stattfindende Außenhandel rein inter -industrieller Natur.
Beweis Gibt es keine 𝒬-Konsumenten, etwa weil die Kapitalausstattung des Landes zu gering ist oder die Pr¨ aferenz f¨ ur Qualit¨at zu schwach ausgepr¨ agt ist, existiert mangels verf¨ ugbarer Produktionsfaktoren kein 𝑋2 -Teilsektor in diesem Land. Damit kommt es weder zum Import noch zum Export von Qualit¨ atsvarianten und es findet ausschließlich Handel zwischen den Sektoren statt.43 Gibt es zwar im Inland eine Nachfrage nach Qualit¨at, aber nicht im Ausland, so findet sich andererseits nat¨ urlich kein Handelspartner und es sind auch keine Exporte in diesem Teilsektor zu beobachten. ⊔ ⊓ Anders ausgedr¨ uckt findet intra-industrieller Handel dann (und nur dann) statt, wenn im Inland sowie bei mindestens einem seiner Handelspartner mindestens ein Individuum u ugt. ¨ber die kritische Kapitalausstattung verf¨ Ist dies nicht gegeben, so vereinfacht sich die Analyse zum HOS-Modell (vgl. Abschnitt 3.1). 43 Vgl.
hierzu auch Tabelle 4.2 f¨ ur 𝜎𝐾 = 0 ∨ 𝜎𝐾 𝑊 = 0.
4.4 Friktionsloser Handel
193
Existieren, wie angenommen, keine Handelskosten, so werden alle im Markt befindlichen Firmen exportieren (Bernard et al., 2004, S. 15), da der Export die Realisierung zus¨ atzlicher positiver Gewinne erm¨oglicht.44 Diese Symmetrie verhindert eine Separierung in exportierende sowie nicht-exportierende Firmen und l¨ asst außerdem die kritische Produktivit¨atsschwelle im Vergleich zu Autarkie unver¨ andert. Dennoch gibt es analog zu Abschnitt 4.3.2 Auswirkungen durch die Handelsaufnahme beziehungsweise die dadurch hervorgerufenen Einkommens¨ anderungen auf die (einzelnen) Firmen. ¨ Die Anderung des (individuellen) Einkommens wird dadurch verursacht, dass sich die Faktorentlohnungen je nach Spezialisierungsmuster anders darstellen. Ist das Land spezialisiert, erfolgt die Entlohnung gem¨aß dem jeweiligen Wertgrenzprodukt, das abh¨ angig von der Kapitalreichlichkeit des Landes ist, wohingegen 𝑘 bei Diversifikation keine (direkte) Rolle spielt.45 ⎧ 𝑘 < 𝑘𝑌 𝛽𝐴𝑌 𝑝𝑦 𝑘 𝛽−1 1 [ ] 𝛼−𝛽 ⎨ 1−𝛽 (𝐴𝑋1 𝑝𝑥1 𝒜) 𝑟= (4.50) 𝑘𝑌 ≤ 𝑘 ≤ 𝑘𝑋 1−𝛼 (𝐴𝑌 𝑝𝑦 ℬ) ⎩𝛼𝐴 𝑝 𝑘 𝛼−1 𝑘 > 𝑘𝑋 𝑋1 𝑥1 ⎧ (1 − 𝛽)𝐴𝑌 𝑝𝑦 𝑘 𝛽 1 [ ] 𝛼−𝛽 ⎨ 𝛼 (𝐴𝑌 𝑝𝑦 ℬ) 𝑤= 𝛽 (𝐴𝑋1 𝑝𝑥1 𝒜) ⎩(1 − 𝛼)𝐴 𝑝 𝑘 𝛼 𝑋 1 𝑥1
𝑘 < 𝑘𝑌 𝑘𝑌 ≤ 𝑘 ≤ 𝑘𝑋
(4.51)
𝑘 > 𝑘𝑋 .
Damit ist nun neben der inl¨ andischen Faktorausstattung auch diejenige der Welt relevant geworden, die sich (indirekt) in den relativen G¨ uterpreisen wiederfindet. Die folgenden Abschnitte sollen nun dazu dienen, die Effekte, die durch die verschiedenen m¨ oglichen Spezialisierungsmuster in der Produktion hervorgerufen werden, genauer zu analysieren. 44 Der
Wunsch der Konsumenten nach Produktdifferenzierung zusammen mit den immer zu entrichtenden Produktionsfixkosten impliziert, dass alle Firmen auch weiterhin den inl¨ andischen Markt bedienen, vgl. hierzu auch Abschnitt 4.5.2. 45 Diese Aussage gilt nur, sofern wie hier von einem (atomistisch) kleinen Land ausgegangen wird. Im allgemeinen Gleichgewicht hat die Kapitalausstattung jedes Landes immer noch Einfluss auf die Entlohnung aller (anderen) L¨ ander, dieser ist allerdings deutlich geringer als bei Autarkie (abh¨ angig vom Anteil des Landes an der Weltfaktorausstattung).
194
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
4.4.2 Handelsaufnahme eines kapitalreichen Landes Ein Land wird in der vorliegenden Analyse als kapitalreich angesehen, wenn seine Kapitalreichlichkeit gr¨ oßer als diejenige der Welt ist (𝑘 > 𝑘 𝑊 ). Ein kapitalreiches Land wird im Sinne dieses Modells als entwickeltes Land angesehen. Ein solches Land wird sich f¨ ur 𝑘 𝑊 < 𝑘 ≤ 𝑘𝑋 auf die Produktion des kapitalintensiven Sektors konzentrieren oder im Bereich 𝑘 > 𝑘𝑋 sogar spezialisieren, je nachdem wie (un)¨ ahnlich es der Welt ist. Die Produktion lautet dementsprechend ⎧ ⎨ (1 − 𝛽)𝑟𝐾 − 𝛽𝑤𝐿 𝑘 𝑊 < 𝑘 ≤ 𝑘𝑋 (𝛼 − 𝛽)𝑝𝑥1 = (4.52) 𝑥𝑃,𝑇 1 ⎩ 𝐴𝑋1 𝐾 𝛼 𝐿1−𝛼 𝑘 > 𝑘𝑋 ⎧ ⎨ 𝛼𝑤𝐿 − (1 − 𝛼)𝑟𝐾 𝑘 𝑊 < 𝑘 ≤ 𝑘𝑋 𝑃,𝑇 (𝛼 − 𝛽)𝑝𝑦 𝑦 = (4.53) ⎩ 0 𝑘 > 𝑘𝑋 , wobei sich 𝑟 und 𝑤 aus (4.50) und (4.51) f¨ ur 𝑘𝑌 < 𝑘 < 𝑘𝑋 ergeben. Das Land wird denjenigen Teil der G¨ uter des kapitalintensiven Sektors exportieren, der nicht im Inland konsumiert wird (entweder direkt durch die 𝒩 oder indirekt durch die 𝒬), um im Gegenzug denjenigen Teil seines 𝑦-Konsum aus Importen zu decken, den es nicht im Inland produzieren kann. Die Importnachfrage ist dabei unabh¨ angig von der Einkommensverteilung im Land – schließlich ist die Nutzenfunktion auf Ebene der Sektoren nicht homothetisch –, aber abh¨ angig von den Terms of Trade, 𝑝𝑥1 /𝑝𝑦 , [ ] ⎧ ⎨ 1 (1 − 𝛽)𝑟𝐾 − 𝛽𝑤𝐿 − 𝛾(𝑟𝐾 + 𝑤𝐿) 𝑘 𝑊 < 𝑘 ≤ 𝑘𝑋 𝑝 𝛼 − 𝛽 𝑥EX = 𝑥 1 1 ⎩ (1 − 𝛾)𝐴𝑋1 𝑘 𝛼 𝐿 𝑘 > 𝑘𝑋
𝑦
IM
] ⎧ [ 1 𝛼𝑤𝐿 − (1 − 𝛼)𝑟𝐾 ⎨ (1 − 𝛾)(𝑟𝐾 + 𝑤𝐿) − (𝛼 − 𝛽) = 𝑝𝑦 𝑝 ⎩(1 − 𝛾)𝐴𝑋1 𝑘 𝛼 𝐿 𝑥1 𝑝𝑦
(4.54) 𝑘 𝑊 < 𝑘 ≤ 𝑘𝑋 𝑘 > 𝑘𝑋 . (4.55)
Im Vergleich zu Autarkie ist die Entlohnung von Arbeit sowohl bei Spezialisierung als auch bei Konzentration46 geringer, da sich diese zum Teil 46
Konzentration“ umfasst die F¨ alle, in denen das Land sich auf die Produktion eines ”
4.4 Friktionsloser Handel
195
an der weltweiten Knappheit dieses Faktors orientiert, die niedriger ist als die inl¨ andische, w¨ ahrend Kapital weltweit relativ knapper ist und dadurch h¨oher entlohnt wird. Folglich werden nicht alle Individuen von der Handelsaufnahme profitieren, obwohl sich das Land als Ganzes immer besser stellt:47 Individuen mit einer niedrigen relativen Kapitalausstattung verlieren durch die Aufnahme von Außenhandel, wohingegen kapitalreiche Individuen gewinnen. Es soll nun untersucht werden, wie genau diejenige Kapitalausstattungsgrenze verl¨ auft, die es erlaubt, die einzelnen Individuen als Profiteure und Verlierer der Handelsaufnahme zu charakterisieren. Bei Spezialisierung hat die inl¨ andische Kapitalausstattung noch immer einen Einfluss auf die Entlohnungsstruktur, wie bereits an (4.50) und (4.51) zu erkennen ist.48 Das Einkommen eines Individuums ist somit – wie in Autarkie – neben der individuellen Kapitalausstattung von der Kapitalreichlichkeit des Landes abh¨ angig, ] [ 𝑘𝑖 . (4.56) 𝐼𝑖𝑋 (𝑘, 𝑘𝑖 ) = 𝐴𝑋1 𝑝𝑥1 𝑘 𝛼 (1 − 𝛼) + 𝛼 𝑘 Bei einer lediglichen Konzentration auf den kapitalintensiven Sektor ist das individuelle Einkommen hingegen unabh¨ angig von der Faktorreichlichkeit des Landes,49 [ 𝐼𝑖𝑋𝑌
(𝑘𝑖 ) =
(𝐴𝑌 𝑝𝑦 ℬ)
𝛼
(𝐴𝑋1 𝑝𝑥1 𝒜)
1 ] 𝛼−𝛽
𝛽
[ + 𝑘𝑖
(𝐴𝑋1 𝑝𝑥1 𝒜) (𝐴𝑌 𝑝𝑦 ℬ)
1−𝛽
1−𝛼
1 ] 𝛼−𝛽
.
(4.57)
Zur besseren Vergleichbarkeit kann unter Verwendung von (4.37) das Einkommen in Abh¨ angigkeit von der Kapitalreichlichkeit der Welt ausgedr¨ uckt werden, 𝐼𝑖𝑋𝑌 (𝑘, 𝑘𝑖 ) = 𝐴𝑌 𝑝𝑦 ℬ
(
𝑘𝑊 𝒞
)𝛽 ( 1+𝒞
𝑘𝑖 𝑘𝑊
) .
(4.58)
Gutes nur konzentriert, das heißt, nach wie vor auch das andere Gut in nicht-negativen Mengen selbst produziert. 47 Vgl. f¨ ur den Beweis Anhang A.5.1. 48 Das Faktorpreisausgleichstheorem hat bei Spezialisierung keine G¨ ultigkeit. Da die L¨ ander mit Ausnahme der Faktorausstattung sonst identisch sind, muss die Faktorausstattung im Umkehrschluss f¨ ur die Unterschiede in den Entlohnungen verantwortlich sein. 49 Diese Aussage ist allerdings nur beschr¨ ankt g¨ ultig, da die Faktorreichlichkeit des Landes nat¨ urlich die (maximale) individuelle Kapitalausstattung begrenzt, vgl. die Diskussion in Abschnitt 4.1.3.
196
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
Dieser Ausdruck ist dem individuellen Einkommen bei Autarkie sehr ¨ahnlich (vgl. (4.38)), anstelle der Kapitalreichlichkeit des Landes ist jedoch nun 𝑘 𝑊 relevant. Demzufolge bleibt das Einkommen eines beliebigen Individuums durch die Handelsaufnahme dann unver¨ andert, wenn die Welt die gleiche Kapitalreichlichkeit wie das Land aufweist (𝑘𝑊 = 𝑘).50 Der direkte Vergleich zwischen (4.56) und (4.58) zeigt nochmals, dass das Einkommen bei Spezialisierung von der Kapitalreichlichkeit des Landes abh¨angig ist51 , im Gegensatz zum Fall der Konzentration, bei dem alleine die Weltkapitalreichlichkeit relevant ist.52 Aus dem Vergleich zwischen dem individuellen Einkommen bei Spezialisierung beziehungsweise Konzentration und bei Autarkie im allgemeinen ur die individuelle Kapitalausstattung berechnet Fall53 kann eine Schwelle f¨ werden, bei der ein Individuum nach Handelsaufnahme gerade u ¨ber so viel Einkommen wie bei Autarkie verf¨ ugt beziehungsweise der Zugewinn aus dem h¨ oheren Lohneinkommen die Einkommenseinbußen aus der geringeren Kapitalentlohnung gerade kompensiert. Bei Spezialisierung ergibt sich als Schwelle 𝑋 =𝑘 𝑘𝑖,Δ𝐼 𝑖 =0
𝒜𝒞 −𝛼 𝑝𝐴 𝑥1 − (1 − 𝛼)𝑝𝑥1 , 𝛼𝐴𝑋1 𝑝𝑥1 − 𝒜𝒞 1−𝛼 𝑝𝐴 𝑥1
(4.59)
wobei Autarkievariablen durch den Superskript 𝐴 gekennzeichnet sind. Dieser kritische Wert kann analog zu (4.58) in Abh¨angigkeit von der relativen Weltkapitalreichlichkeit 𝑘 𝑊 sowie dem Autarkiepreis von 𝑦 und demjenigen bei friktionslosem Handel, bestimmt werden,54 𝑋 𝑘𝑖,Δ𝐼 𝑖 =0
=𝑘
50 Selbstverst¨ andlich
) ( 𝑊 𝛼−𝛽 𝑝𝑦 𝒜𝒞 −𝛼 𝑝𝐴 𝑦 − (1 − 𝛼) 𝑘/𝑘 𝛼 (𝑘/𝑘 𝑊 )
𝛼−𝛽
𝑝𝑦 − 𝒜𝒞 1−𝛼 𝑝𝐴 𝑦
.
(4.60)
sind hier dann auch die G¨ uterpreise identisch, vgl. (4.37). ist zu beachten, dass der Preis durch die Weltkapitalreichlichkeit bestimmt wird. 52 Die qualitative Aussage, die in Anhang A.4.1 hergeleitet wird, bleibt in beiden F¨ allen ¨ erhalten: Bei einer gleichm¨ aßigen Anderung der Landes- wie individuellen Kapitalreichlichkeit steigt das individuelle Einkommen. 53 Hierbei ist zu beachten, dass das durch (4.38) bestimmte Einkommen nur f¨ ur den Fall gilt, dass 𝑦 ein Num´ erairegut ist. 54 Diese Umformung dient insbesondere zur Gew¨ ahrleistung der Vergleichbarkeit mit dem sp¨ ater in (4.73) berechneten kritischen Wert im Spezialisierungsfall eines arbeitsreichen Landes. Die Normierung auf 𝑝𝑦 ist dabei der Tatsache geschuldet, dass in der bisherigen Analyse 𝑦 stets als Num´ erairegut betrachtet wurde, und diese Normierung somit einer durchgehend konsistenten Analyse entspricht. 51 Es
4.4 Friktionsloser Handel
197
−𝛼 𝑋 /(1− Es kann gezeigt werden, dass die Schwelle 𝑘𝑖,Δ𝐼 f¨ ur 𝑝𝑥1 /𝑝𝐴 𝑥1 < 𝒜𝒞 𝑖 =0 𝛼) echt positive Werte aufweist. F¨ ur 𝛼 > 𝛽 ist diese Bedingung dabei immer sichergestellt. Weist ein Individuum eine h¨ ohere Kapitalausstattung als diese Schwelle auf, profitiert es von der Handelsaufnahme, wohingegen ein Individuum mit weniger Kapital verliert, da der zus¨atzliche Ertrag aus dem Kapitaleinkommen die Schm¨ alerung der Arbeitsentlohnung nicht kompensieren kann. Bei Konzentration berechnet sich die Schwelle als ( 𝑊 )𝛽 𝑝𝑦 𝑘 𝛽 𝑝𝐴 𝑦 − 𝑘 𝑋𝑌 ]. (4.61) 𝑘𝑖,Δ𝐼𝑖 =0 = [ 𝛽−1 𝒞 (𝑘 𝑊 ) 𝑝𝑦 − 𝑘 𝛽−1 𝑝𝐴 𝑦
Durch die Gewichtung der Kapitalausstattungen mit den vorherrschenden Preisen wird der Gr¨ oßenunterschied der Werte zwischen Autarkie und friktionslosem Handel verst¨ arkt, das heißt, das Produkt aus einer hohen Kapitalreichlichkeit und dem dazugeh¨ origen hohen Preis des arbeitsintensiven 𝑋𝑌 > 0 ist, Gutes f¨ allt umso h¨ oher aus. Dabei gilt aber stets, dass 𝑘𝑖,Δ𝐼 𝑖 =0 da der Z¨ ahler und der Nenner immer das gleiche Vorzeichen aufweisen: F¨ ur ur 𝑘 > 𝑘 𝑊 sind beide positiv. Im hier vorliegen𝑘 < 𝑘 𝑊 sind beide negativ, f¨ den Fall 𝑘 > 𝑘 𝑊 gilt damit ebenso wie bei Spezialisierung, dass Individuen, 𝑋𝑌 liegt, besderen Kapitalausstattung oberhalb des Schwellenwertes 𝑘𝑖,Δ𝐼 𝑖 =0 ser gestellt werden. 𝑋𝑌 𝑋 als auch 𝑘𝑖,Δ𝐼 nehmen in 𝑘 zu, das heißt, je kapitalreiSowohl 𝑘𝑖,Δ𝐼 𝑖 =0 𝑖 =0 cher das Inland ist, desto gr¨ oßer muss die individuelle Kapitalausstattung sein, damit das Individuum von der Handelsaufnahme profitiert. Die Bedingungen erster Ordnung zeigen, dass (4.60) und (4.61) im Weltmarktpreis 𝑝𝑦 sinken und im Autarkiepreis 𝑝𝐴 𝑦 steigen. Je reichlicher ein Land mit Kapital 55 und desto ausgestattet ist, desto h¨ oher wird der Autarkiepreis 𝑝𝐴 𝑦 sein geringer wird im Vergleich dazu der Weltmarktpreis 𝑝𝑦 ausfallen, mithin 𝑋 𝑋𝑌 und 𝑘𝑖,Δ𝐼 in 1/𝑘 ab. Schließlich zeigt sich unter Hernehmen 𝑘𝑖,Δ𝐼 𝑖 =0 𝑖 =0 anziehung von (4.35), dass der Schwellenwert bei Spezialisierung oberhalb 𝑋 𝑋𝑌 > 𝑘𝑖,Δ𝐼 ) liegen muss. desjenigen bei Konzentration (𝑘𝑖,Δ𝐼 𝑖 =0 𝑖 =0 In Abbildung 4.4a sind die in den Szenarien Autarkie und friktionslosem Handel gegebenen funktionalen Beziehungen zwischen individueller Kapitalausstattung und individuellem Einkommen abgebildet. Exemplarisch wurden zwei Einkommensniveaus eingezeichnet. Um das niedrige 𝐼𝑖a zu erreichen, ist bei friktionslosem Handel mehr Kapital als in Autarkie erforderlich, ur das hohe 𝐼𝑖b eine geringere Kapitalausstattung des 𝑘𝑖a > 𝑘𝑖𝐴a , wohingegen f¨ Individuums ausreicht, 𝑘𝑖b < 𝑘𝑖𝐴b . 55 An
(4.37) ist zu erkennen, dass der relative Preis von 𝑦 in 𝑘 steigt.
198
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
Abbildung 4.4: Einkommensvergleich zwischen Autarkie und friktionslosem Handel in Abh¨ angigkeit von der individuellen Kapitalausstattung bei Handelsaufnahme eines kapitalreichen Landes
Ii
Ii
DIi
IiA Iib Iia wA
0
kXi,(DYI)= 0 i
kXi
ki
w kiAa
X(Y)
kia k i, DI = 0 kib i
a. Individuell
kiAb ki b. Gesamtwirtschaftlich
𝑋(𝑌 )
𝑋 Anm.: Die Schwelle 𝑘𝑖,Δ𝐼 =0 ist exemplarisch f¨ ur 𝑘𝑖,Δ𝐼 bei Spezialisierung oder 𝑖 =0 𝑖 𝑋𝑌 𝑘𝑖,Δ𝐼𝑖 =0 bei Konzentration zu sehen. Zu a: Die Steigungen der Geraden entsprechen der vorherrschenden Kapitalentlohnung, vgl. Abbildung 4.1.
Bezeichnen diese Werte die f¨ ur Qualit¨ at erforderlichen Einkommenniveaus, wird es ceteris paribus in Fall (a) weniger Individuen geben, die Qualit¨at nachfragen, w¨ ahrend in Fall (b) deren Anzahl zunimmt. Damit zeigt sich bereits, dass die bei Autarkie f¨ ur Qualit¨ at mindestens erforderliche Kapitalausstattung nicht mit derjenigen bei friktionslosem Handel u ¨bereinstimmt, da sich die Faktorentlohnungen ¨ andern und zus¨atzlich ebenso der relative Preis f¨ ur Qualit¨ at aufgrund der Marktgr¨ oßen¨ anderung. In Abbildung 4.4b wird die Einkommens¨ anderung mit der jeweiligen Dichte gewichtet und es zeigt sich, dass die negativen Einkommens¨anderungen einiger Individuen gesamtwirtschaftlich nicht allzu stark ins Gewicht fallen. Diese Graphik ist hilfreich, um die 𝒬-Marktgr¨ oße zu bestimmen, indem die Fl¨ache ab dem jeweiligen 𝑘𝑖∗ zwischen Kurve und Achse berechnet wird. Daoßen¨anderung genauso durch l¨ asst sich ein 𝑘 𝑋 𝑖 ermitteln, ab dem die Marktgr¨ hoch ist wie bei 𝑘𝑖∗ = 0, das heißt, dass sich die positiven und die negativen Einkommens¨ anderungen gerade kompensieren. Dieser Wert liegt oberhalb 𝑋(𝑌 ) von 𝑘𝑖,Δ𝐼𝑖 =0 , da ab hier keine Einkommenseinbußen mehr entstehen. Zudem
4.4 Friktionsloser Handel
199
ist dieser Wert auch immer kleiner als 𝑘𝑖max , da das Land als Ganzes durch Handel ein h¨ oheres Einkommen erzielt.
Abbildung 4.5: Auswirkung der Handelsaufnahme eines kapitalreichen Landes auf die kritische individuelle Kapitalausstattung Px 2 /px1
A
P (k*i ) qk(ki)
qk(ki)
A
E
P (k*i ) P(k*i )
P
A, min
P min q(wA) q(w)
B
A
C X(Y)
k i, DI = 0 i
kXi
k*i
Anm.: A. Marktgr¨ oßeneffekt, B. Importeffekt, C. Individueller Einkommenseffekt
¨ In Abbildung 4.5 wird dargestellt, wie die Anderung der relativen Faktorentlohnung u ¨ber drei Effekte auf 𝑘𝑖∗ einwirkt. So steigt zum einen das gesamtwirtschaftliche Einkommen des Landes (A; vgl. Anhang A.5.1), wodurch die maximale Marktgr¨ oße zunimmt und damit mehr Platz f¨ ur Firmen bietet. Diese gestiegene Variantenvielfalt senkt wiederum den minimalen relativen Preis f¨ ur Qualit¨ at (𝑃 𝐸 (𝑘𝑖∗ ) an der Stelle 𝑘𝑖∗ = 0). Wie in Abbildung 4.4b gezeigt wird, nimmt die Marktgr¨oße unabh¨angig von
200
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
auft immer unter 𝑃 𝐴 (𝑘𝑖∗ ).57 Dieses 𝑘𝑖∗ immer zu56 , das heißt, 𝑃 𝐸 (𝑘𝑖∗ ) verl¨ Marktwachstum aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Einkommens¨anderung an sich w¨ urde bereits daf¨ ur sorgen, dass der relative Preis f¨ ur Qualit¨at sinkt und damit auch die kritische individuelle Kapitalausstattung. Allerdings erm¨ oglicht die Handelsaufnahme nat¨ urlich auch den Import ausl¨andischer Varianten, weshalb sich (4.39) zu { [ ( )]1−𝜌 }1/(1−𝜌) 1−𝜌 ˜ + 𝑀 𝑊 𝑝𝑥2 𝜑˜𝑊 = 𝑃𝑥2 = 𝑀 [𝑝𝑥2 (𝜑)] )1/(1−𝜌) ( ˜ 𝑀 + 𝑀𝑊 = 𝑝𝑥2 (𝜑)
(4.62)
andert, wobei davon ausgegangen wird, dass die durchschnittliche Produk¨ tivit¨ at im In- und Ausland gleich hoch ist.58 In der entsprechenden Produktion-Preis-Kurve muss dies ber¨ ucksichtigt werden, 𝑃 (𝑘𝑖∗ ) =
)1/(𝜌−1) 1 1/(𝜌−1) ( 𝐸 + 𝐸𝑊 . (ℛ𝑝𝑥1 𝑓𝑝 ) ∗ 𝜑
(4.63)
Folglich erm¨ oglicht Außenhandel durch den Importeffekt (B), dass der relative Preis unter den durch den eigenen Markt begrenzten minimalen relatiacht wird dieser Effekt jedoch dadurch, ven Preis absinken kann.59 Abgeschw¨ dass die Fixkosten der Produktion 𝑝𝑥1 𝑓𝑝 steigen, da das Vorprodukt teurer geworden ist. Ein letzter Effekt ist hingegen in Bezug auf die Marktgr¨oßen¨anderung weniger eindeutig: Der individuelle Einkommenseffekt (C). Es ist schließlich m¨ oglich, dass ein Teil der durch den Preisr¨ uckgang erm¨oglichten zus¨ atzlichen Qualit¨ atskonsumenten durch Handelsaufnahme Einkommenseinbußen hinnehmen muss und diese durch die preissenkenden Effekte nicht (¨ uber)kompensiert werden k¨ onnen. In diesem Fall wirkt dieser Effekt – wie 56 Daran
zu erkennen, dass der Saldo der Einkommens¨ anderung beziehungsweise die Summe aus positiver und negativer“ Fl¨ ache zwischen Achse und Kurve ab einem beliebigem ” 𝑘𝑖 immer positiv ist.( ) 57 Der Verlauf von 𝑃 𝐸 𝑘 ∗ l¨ asst sich sogar weiter charakterisieren. So nimmt der absolute 𝑖 ( ) ( ) 𝑋(𝑌 ) Abstand zwischen 𝑃 𝐴 𝑘𝑖∗ und 𝑃 𝐸 𝑘𝑖∗ bis 𝑘𝑖,Δ𝐼 =0 zu und f¨ ur gr¨ oßere Werte ab 𝑖 ∗ max nach unendlich streben (Marktgr¨ oße (vgl. Abbildung 4.4b), wobei sie f¨ ur 𝑘𝑖 → 𝑘𝑖 ∗ schrumpft auf Null). Bei 𝑘𝑋 𝑖 ist der Abstand genauso groß wie bei 𝑘𝑖 = 0. 58 Auch wenn die Welt aus 𝑛 im Hinblick auf die Technologie und Pr¨ aferenzstruktur identischen L¨ andern bestehen w¨ urde gilt nicht notwendigerweise auch 𝑀 𝑊 = 𝑛𝑀 , da die jeweilige Kapitalverteilung variieren kann, wodurch andere Marktgr¨ oßen (und damit eine abweichende Vielfalt an Varianten) hervorgebracht werden. ( ) ( ) 59 Im Gegensatz zu 𝑃 𝐴 𝑘 ∗ nimmt 𝑃 𝑘 ∗ damit f¨ ur 𝑘𝑖max einen endlichen Wert an. 𝑖 𝑖
4.4 Friktionsloser Handel
201
in der Abbildung – dem Marktwachstum entgegen. Allerdings kann der Effekt auch positiv ausfallen, n¨ amlich dann, wenn die erm¨oglichten Qualit¨ats𝑋(𝑌 ) konusmenten ausnahmslos u ugen. Damit wird das ¨ber mehr als 𝑘𝑖,Δ𝐼𝑖 =0 verf¨ beobachtete inl¨ andische Marktwachstum aus zwei Kan¨alen gespeist: Zum einen aus der (positiven) Einkommens¨ anderung der Autarkie-Konsumenten und zum anderen aus den neu hinzugewonnenen Nachfragern. Sofern der erste Kanal positiv ist, wird der Markt immer wachsen. Analytisch lassen sich die drei Effekt ohne exakte Kenntnis der Verteilungsfunktionen nur indirekt bestimmen. Dabei ergeben sich die jeweiligen Schwellen aus der Gleichheit von Nachfrage (Pr¨aferenz)60 und Angebot (Produktion-Preis-Kurve), } { ( ) 1 1 1 𝑘𝑖∗,𝐴 = 𝑘𝑖 𝜃 𝑤𝐴 + 𝑟𝐴 𝑘𝑖 = ∗ (ℛ𝑝𝑥1 𝑓𝑝 ) 𝜌−1 𝐸𝐴 (𝑘𝑖 ) 𝜌−1 (4.64) 𝜑 { } ( ) 1 1 1 𝑘𝑖𝐸 = 𝑘𝑖 𝜃 𝑤𝐴 + 𝑟𝐴 𝑘𝑖 = ∗ (ℛ𝑝𝑥1 𝑓𝑝 ) 𝜌−1 𝐸 (𝑘𝑖 ) 𝜌−1 (4.65) 𝜑 } { ( ) [ ] 1 1 1 = 𝑘𝑖 𝜃 𝑤𝐴 + 𝑟𝐴 𝑘𝑖 = ∗ (ℛ𝑝𝑥1 𝑓𝑝 ) 𝜌−1 𝐸 (𝑘𝑖 ) + 𝐸 𝑊 𝜌−1 𝜑 (4.66) } { 1 [ ] 1 1 𝑘𝑖∗ = 𝑘𝑖 𝜃 (𝑤 + 𝑟𝑘𝑖 ) = ∗ (ℛ𝑝𝑥1 𝑓𝑝 ) 𝜌−1 𝐸 (𝑘𝑖 ) + 𝐸 𝑊 𝜌−1 . 𝜑 (4.67)
𝑘𝑖𝐼𝑀
Dabei bezeichnen 𝑘𝑖∗,𝐴 die Kapitalausstattungsschwelle bei Autarkie, 𝑘𝑖𝐸 die (fiktive) Schwelle aufgrund der Marktg¨ oßen¨ anderung, 𝑘𝑖𝐼𝑀 die (fiktive) kritische Ausstattung aufgrund der importierten Varianten und 𝑘𝑖∗ das sich bei friktionslosem Handel neu einstellende Gleichgewicht. Liegt die Aus𝑋(𝑌 ) ∗,𝐴 gangsschwelle u ¨ber 𝑘𝑖,Δ𝐼𝑖 =0 , so sind der Marktgr¨oßeneffekt (𝑘𝑖𝐸 − 𝑘𝑖 ) und der Importeffekt (𝑘𝑖𝐼𝑀 − 𝑘𝑖𝐸 ) hinreichend stark ausgepr¨agt, um einen eventuell negativen individuellen Einkommenseffekt (𝑘𝑖∗ − 𝑘𝑖𝐼𝑀 ) auszugleichen, das heißt, die kritische Kapitalausstattung liegt bei friktionslosem Handel niedriger als bei Autarkie und es wird mehr 𝒬-Konsumenten geben. Be(𝑋)𝑌 findet sich der kritische Ausgangswert unterhalb von 𝑘𝑖,Δ𝐼𝑖 =0 , so wird der 60 Wie
in der Abbildung wird auch hier zur Vereinfachung angenommen, dass 𝜃𝑘 (𝑘𝑖 ) konvex verl¨ auft. Hierdurch k¨ onnen multiple Gleichgewichte ausgeschlossen werden. Diese Annahme schr¨ ankt die qualitativen Implikationen der Analyse nicht ein und wird daher auch im Rest der Betrachtung unterstellt.
202
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
individuelle Einkommenseffekt immer negativ ausfallen. Dabei kann er die beiden anderen Effekte u ur sorgen, dass weni¨berkompensieren und so daf¨ ger Individuen Qualit¨ at nachfragen. Unabh¨ angig davon wird der Markt bei kapitalreichen L¨ andern aber immer gr¨ oßer als bei Autarkie ausfallen, das heißt, es gibt mehr inl¨ andische Firmen und der relative Preis f¨ ur Qualit¨at sinkt. Wie stark der (generelle) Einkommenszuwachs ausf¨allt, ist entscheidend von der Produktionsstruktur des Landes abh¨ angig, da ein spezialisiertes Land, wenngleich es gegen¨ uber dem Autarkiezustand einen Einkommenszuwachs erf¨ ahrt, weniger Einkommen als ein gleich ausgestattetes, diversifiziertes Land aufweist.61 Dieser Unterschied verst¨arkt sich mit zunehmender Kapitalreichlichkeit62 , das heißt, dass auch das Marktwachstum und damit der Marktgr¨ oßeneffekt geringer ausfallen werden. Damit lassen sich die bisherigen Ergebnisse abschließend zusammenfassen: Ergebnis 4.3 (Kapitalreiches Land und Variantenvielfalt) Nimmt ein kapitalreiches Land (inter-industriellen) Handel auf, so ¨ andert sich die Einkommensverteilung im Land und beg¨ unstigt dadurch die Entstehung und Vergr¨ oßerung des Marktes f¨ ur Qualit¨ atsg¨ uter und damit der Variantenvielfalt. Der Markt wird umso gr¨ oßer, je un¨ ahnlicher sich die Handelspartner in ihrer Faktorausstattung sind. Ist das Inland jedoch spezialisiert, kommt es in weniger F¨ allen zur Entstehung dieses Marktes und er ist generell kleiner als in einem gleich reichen Land mit diversifizierter Produktionsstruktur.
4.4.3 Handelsaufnahme eines arbeitsreichen Landes Die Analyse der Handelsaufnahme eines arbeitsreichen Landes (𝑘 < 𝑘 𝑊 ), das heißt im Kontext der Analyse eines gering entwickelten Landes, ist analog zur vorigen Herangehensweise durchf¨ uhrbar. Weist das Inland eine Kapitalreichlichkeit von 𝑘 < 𝑘𝑌 auf, so spezialisiert es sich auf die Produktion des arbeitsintensiven Gutes, w¨ ahrend es sich f¨ ur 𝑘𝑌 ≤ 𝑘 < 𝑘 𝑊 auf diesen Sektor lediglich konzentriert, 𝑥𝑃,𝑇 1 61 F¨ ur
⎧ ⎨0 = (1 − 𝛽)𝑟𝐾 − 𝛽𝑤𝐿 ⎩ (𝛼 − 𝛽)𝑝𝑥1
𝑘 < 𝑘𝑌 𝑘𝑌 ≤ 𝑘 < 𝑘 𝑊
(4.68)
den Beweis siehe Anhang A.5.2. ist das Einkommen immer h¨ oher als bei Autarkie, da die G¨ uterpreise nach ¨ wie vor die weltweite Knappheit von Kapital angeben, die geringer als in der Okonomie ist.
62 Dennoch
4.4 Friktionsloser Handel
𝑦 𝑃,𝑇
⎧ ⎨𝐴𝑌 𝐾 𝛽 𝐿1−𝛽 = 𝛼𝑤𝐿 − (1 − 𝛼)𝑟𝐾 ⎩ (𝛼 − 𝛽)𝑝𝑦
203
𝑘 < 𝑘𝑌
(4.69)
𝑘𝑌 ≤ 𝑘 < 𝑘 𝑊.
Die Produktion im Konzentrationsfall ist identisch mit (4.52) beziehungs¨ weise (4.53). Die Okonomie exportiert den Teil der G¨ uter des kapitalintensiven Sektors, der nicht im Inland konsumiert wird, und deckt im Gegenzug ihren (gesamten) Konsum des arbeitsintensiven Gutes aus Importen. Die Importe fallen wiederum umso h¨ oher aus, je vorteilhafter die Terms of Trade (jetzt: 𝑝𝑦 /𝑝𝑥1 ) sind, 𝑥IM 1
⎧ 𝑝𝑦 𝛽 𝑘 < 𝑘𝑌 ⎨𝛾𝐴𝑌 𝑘 𝐿 𝑝 𝑥1 ] [ = 1 (1 − 𝛽)𝑟𝐾 − 𝛽𝑤𝐿 ⎩ 𝑘𝑌 ≤ 𝑘 < 𝑘 𝑊 𝛾(𝑟𝐾 + 𝑤𝐿) − 𝑝𝑥 1 𝛼−𝛽 (4.70)
𝑦 EX
⎧ ⎨𝛾𝐴𝑌 𝑘 𝛽 𝐿 [ ] = 1 𝛼𝑤𝐿−(1−𝛼)𝑟𝐾 −(1−𝛾)(𝑟𝐾 +𝑤𝐿) ⎩ 𝑝𝑦 (𝛼−𝛽)
𝑘 < 𝑘𝑌 𝑘𝑌 ≤ 𝑘 < 𝑘 𝑊. (4.71)
Im Vergleich zu Autarkie wird Kapital bei friktionslosem Handel geringer und Arbeit h¨ oher entlohnt. Demzufolge verlieren Individuen, die u ¨ber relativ viel Kapital verf¨ ugen, und gewinnen Individuen mit einer hohen relativen Arbeitsausstattung. Der Einkommensverlauf in Abh¨angigkeit von der individuellen Kapitalausstattung l¨ asst sich in Abbildung 4.6a ablesen, in der wieder die beiden Einkommensniveaus (a) und (b) eingezeichnet wurden. Bei (a) f¨ allt hier eine Besonderheit auf: Es ist m¨ oglich, dass in Autarkie noch kein Bedarf an Qualit¨ at bestand, aber bereits der neue Lohn 𝑤 bei friktionslosem Handel ausreicht, um 𝐼𝑖∗a zu erreichen, wodurch alle Individuen des Landes zu 𝒬-Konsumenten w¨ urden. Allein die Existenz dieser M¨oglichkeit erh¨ oht die Wahrscheinlichkeit f¨ ur das Auftreten von 𝒬 in diesem Fall. Analytisch ist das individuelle Einkommen im Spezialisierungsfall symmetrisch zu (4.56) und gegeben durch ] [ 𝑘𝑖 , 𝐼𝑖𝑌 (𝑘, 𝑘𝑖 ) = 𝐴𝑌 𝑝𝑦 𝑘 𝛽 (1 − 𝛽) + 𝛽 𝑘
(4.72)
204
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
w¨ahrend das Einkommen im Konzentrationsfall durch (4.58) beschrieben ist. Analog zu (4.59) kann auch hier ein Schwellenwert der individuellen Kapitalausstattung berechnet werden, 𝑌 𝑘𝑖,Δ𝐼 =𝑘 𝑖 =0
(1 − 𝛽)𝑝𝑦 − ℬ𝒞 −𝛽 𝑝𝐴 𝑦 . ℬ𝒞 1−𝛽 𝑝𝐴 𝑦 − 𝛽𝑝𝑦
(4.73)
Ein Individuum wird im Konzentrationsfall ) ( von der ( ) Handelsaufnahme profitieren, wenn es u ugt. Diese Schwelle ¨ber 𝑘𝑖 < 𝑤 − 𝑤𝐴 / 𝑟𝐴 − 𝑟 verf¨ 𝑌 > 0, solange 𝑝𝑦 /𝑝𝐴 ist erneut durch (4.61) gegeben. Es gilt 𝑘𝑖,Δ𝐼 𝑦 > 𝑖 =0 −𝛽 𝐴 ullt ist. Da 𝑝𝑦 > 𝑝𝑦 und 𝛼 > 𝛽 gilt, ist die Schwelle ℬ𝒞 /(1 − 𝛽) erf¨ immer echt positiv. Ist die individuelle Kapitalausstattung h¨oher als dieser Schwellenwert, dann ist ceteris paribus mehr Kapital erforderlich, um das Autarkie-Einkommen auch bei friktionslosem Handel weiterhin zu erzielen; ist sie geringer, kann mit der gegebenen Kapitalausstattung sogar ein h¨ oheres Einkommen erwirtschaftet werden.63 Da das Land als Ganzes gewinnt, muss demnach ein Individuum, das die gleiche relative Kapitalausstattung wie das Land aufweist (𝑘𝑖 = 𝑘) ebenfalls gewinnen, wodurch 𝑌 impliziert wird. 0 < 𝑘 < 𝑘𝑖,Δ𝐼 𝑖 =0 𝑋𝑌 ist gleichermaßen immer positiv, da bei 𝑘 < 𝑘 𝑊 Die Schwelle 𝑘𝑖,Δ𝐼 𝑖 =0 sowohl Z¨ ahler als auch Nenner negative Werte aufweisen. Anders als bei kapitalreichen L¨ andern profitieren hier aber nur Individuen, die u ¨ber eine 𝑌 geringere Kapitalausstattung verf¨ ugen. Es gilt ferner, dass sowohl 𝑘𝑖,Δ𝐼 𝑖 =0 𝑋𝑌 𝑋𝑌 𝑌 als auch 𝑘𝑖,Δ𝐼𝑖 =0 in 𝑘 steigen, wobei 𝑘𝑖,Δ𝐼𝑖 =0 > 𝑘𝑖,Δ𝐼𝑖 =0 gilt. Im Unterschied zum kapitalreichen Land besteht bei der Handelsaufnahme eines arbeitsreichen Landes die M¨ oglichkeit, dass der Markt f¨ ur Qualit¨at schrumpft, wie es Abbildung 4.6b verdeutlicht. Hier ist in Fall (b) eindeutig klar, dass die Marktgr¨ oße abnimmt und das relative Preisniveau ebenso wie das kritische individuelle Einkommen steigen. Durch den Preiseffekt wird der Markt sogar noch st¨ arker schrumpfen als der Einkommenseffekt implizieren w¨ urde. In Fall (a) ist die Situation hingegen nicht eindeutig ucksichtigt werden muss, klar, da zus¨ atzlich die Kapitalverteilung 𝑔𝐾 (𝑘𝑖 ) ber¨ um den Effekt auf das Gesamteinkommen ermitteln zu k¨onnen (vgl. Abbildung 4.6b). Die Fl¨ ache im positiven Bereich stellt den Einkommenszuwachs dar, w¨ ahrend die Fl¨ ache unterhalb der Achse den Einkommensr¨ uckgang re𝑌 𝑋𝑌 beziehungsweise 𝑘 tritt dabei gerade keine pr¨ asentiert. Bei 𝑘𝑖,Δ𝐼 =0 =0 𝑖,Δ𝐼 𝑖 𝑖 63 Dies
gilt aus Sicht des jeweils betrachteten Individuums. Es kommt jedoch nicht zu ¨ einer Anderung der relativen Einkommensposition, das heißt, ein Individuum, das bei Autarkie reicher als ein anderes ist, ist auch bei friktionslosem Handel reicher, selbst wenn es nun ein geringeres nominales Einkommen erzielt.
4.4 Friktionsloser Handel
205
Abbildung 4.6: Einkommensvergleich zwischen Autarkie und friktionslosem Handel in Abh¨ angigkeit von der individuellen Kapitalausstattung bei Handelsaufnahme eines arbeitsreichen Landes
IiA
Ii
DIi
Ii
b
Ii
(X)Y
Iia w w
0
k i, DI = 0 i
Y i
ki
k
A
kia
kiAa k(iX, D)YI = 0 kiAb i
a. Individuell
kib
ki b. Gesamtwirtschaftlich
(𝑋)𝑌
𝑌 Anm.: Die Schwelle 𝑘𝑖,Δ𝐼 =0 ist exemplarisch f¨ ur 𝑘𝑖,Δ𝐼 bei Spezialisierung oder 𝑖 =0 𝑖 𝑋𝑌 𝑘𝑖,Δ𝐼𝑖 =0 bei Konzentration zu sehen. Zu a: Die Steigungen der Geraden entsprechen der vorherrschenden Kapitalentlohnung, vgl. Abbildung 4.1. Zu b: Der hellgrau gekennzeichnete Bereich stellt eine Einkommensverbesserung der 𝒬 gegen¨ uber der Autarkiesituation dar, der dunkelgraue eine Verschlechterung.
Einkommens¨ anderung auf. Der Gesamtsaldo aus Zugewinn und Einbuße ist aber immer positiv (vgl. Anhang A.5.1). Damit l¨asst sich ein kritischer Wert (𝑋)𝑌 𝑘¯𝑖𝑌 < 𝑘𝑖,Δ𝐼𝑖 =0 bestimmen, bis zu dem die Marktgr¨oßen¨anderung gerade noch positiv ist, ⎧ ⎫ 𝑘max ⎨ ∫𝑖 [( ⎬ ) ( 𝐴 ) ] 𝑌 𝐴 ˜ ¯ 𝑤 − 𝑤 + 𝑟 − 𝑟 𝑘𝑖 𝑔𝐾 (𝑘𝑖 ) 𝑑𝑘𝑖 > 0 . (4.74) 𝑘𝑖 = sup 𝑘 : ⎩ ⎭ ˜ 𝑘
Ist f¨ ur die Generierung des f¨ ur Qualit¨ at erforderlichen Mindesteinkommens eine h¨ ohere Kapitalausstattung erforderlich, so werden ceteris paribus durch die Aufnahme von friktionslosem Handel weniger Individuen Qualit¨at nachfragen und der Qualit¨ atssektor schrumpft. Nimmt ein arbeitsreiches Land Handelsbeziehungen auf, sinkt zwar ebenfalls der minimal m¨ ogliche relative Preis f¨ ur Qualit¨at 𝑃 min , aber durch die
206
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
Abbildung 4.7: Auswirkung der Handelsaufnahme eines arbeitsreichen Landes auf die kritische individuelle Kapitalausstattung: Wachsender Markt
Px 2 /px1 q1k(ki)
A
P
q1k(ki) P (k*i ) P(k*i ) E
A
P (k*i )
A, min
min
P q(w)
A C
B
q(wA) (X)Y
kYi k i, DI = 0
k*i
i
Anm.: A. Marktgr¨ oßeneffekt, B. Importeffekt, C. Individueller Einkommenseffekt
aus Sicht des Faktors Kapital nachteilige Einkommensentwicklung wird der Markt ab der kritischen individuellen Kapitalausstattung 𝑘¯𝑖𝑌 kleiner, weshalb f¨ ur h¨ ohere Ausstattungsschwellen der Marktgr¨oßeneffekt negativ ausf¨ allt und der relative Preis steigt. In Abbildung 4.7 ist dies der Fall. Erneut f¨ uhrt der Importeffekt durch die Ausdehnung der Variantenvielfalt zu einer Abnahme von 𝑃𝑥2 /𝑝𝑥1 . Dieser (𝑋)𝑌 Einfluss ist hier so stark, dass er 𝑘𝑖∗ unter 𝑘𝑖,Δ𝐼𝑖 =0 senkt, wodurch der individuelle Einkommenseffekt den Preis noch st¨ arker schm¨alert. Abbildung 4.8 zeigt hingegen den Fall, in dem der Marktgr¨ oßeneffekt und der individuelle Einkommenseffekt den Importeffekt u ¨berkompensieren und dadurch die Anzahl an Qualit¨ atskonsumenten ebenso wie die gesamte Marktgr¨oße schrump-
4.4 Friktionsloser Handel
207
fen lassen. In der Situation von Abbildung 4.7 hat der inter-industrielle Handel beziehungsweise die damit einhergehende Einkommens¨anderung einen positiven Gesamteffekt auf die Marktgr¨ oße, wohingegen sich in der Situation von Abbildung 4.8 der Markt verkleinert. Dieser letztgenannte Fall kann nur bei arbeitsreichen L¨ andern eintreten und dadurch sogar intra-industriellen Handel einschr¨ anken oder ganz verhindern. Je h¨oher das notwendige Einkommen daf¨ ur ist, Qualit¨ at zu pr¨ aferieren, desto wahrscheinlicher wird kein intra-industrieller Handel stattfinden. Abbildung 4.8: Auswirkung der Handelsaufnahme eines arbeitsreichen Landes auf die kritische individuelle Kapitalausstattung: Schrumpfender Markt Px 2 /px1
q2k(ki)
A
q2k(ki) P(k*i )
A
P (k*i )
PE(k*i )
P
A, min
A B C
P min q(w) q(wA) Y
ki
(X)Y
k i, DI = 0
k*i
i
Anm.: A. Marktgr¨ oßeneffekt, B. Importeffekt, C. Individueller Einkommenseffekt
Im Unterschied zu der Handelsaufnahme eines kapitalreichen Landes kann es hier je nach Ausgangssituation und Auspr¨ agung der einzelnen Effekte bei Handelsaufnahme zu verschiedenen Szenarien kommen. Dabei besteht
208
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
aber zumindest u ¨ber das Vorzeichen der Effekte immer Klarheit. So ist die uglich 𝑘¯𝑖𝑌 Richtung des Marktgr¨ oßeneffekt von der relativen Lage von 𝑘𝑖∗ bez¨ abh¨ angig, { > 0 𝑘𝑖∗,𝐴 > 𝑘¯𝑖𝑌 ∗,𝐴 (4.75) 𝑘𝑖𝐸 − 𝑘𝑖 < 0 𝑘 ∗,𝐴 < 𝑘¯𝑌 . 𝑖
𝑖
ur alle 𝑘𝑖∗ kleiner als Im Gegensatz hierzu ist der Importeffekt 𝑘𝑖𝐼𝑀 − 𝑘𝑖𝐸 f¨ null, das heißt, der Importeffekt senkt immer sowohl den relativen Preis als auch die kritische Kapitalausstattung. Anders verh¨alt es sich wiederum beim individuellen Einkommenseffekt, { (𝑋)𝑌 > 0 𝑘𝑖𝐼𝑀 > 𝑘𝑖,Δ𝐼𝑖 =0 ∗ 𝐼𝑀 (4.76) 𝑘𝑖 − 𝑘 𝑖 (𝑋)𝑌 < 0 𝑘𝑖𝐼𝑀 < 𝑘𝑖,Δ𝐼𝑖 =0 . (𝑋)𝑌
Liegt das neue Gleichgewicht oberhalb von 𝑘𝑖,Δ𝐼𝑖 =0 , dann ist eindeutig klar, dass die Schwelle im Vergleich zu Autarkie ansteigt und der Markt insgesamt kleiner ausf¨ allt (da dieser Wert auch u ¨ber 𝑘¯𝑖𝑌 liegt). Hier weisen der Marktgr¨ oßeneffekt und der individuelle Einkommenseffekt positive Werte auf. Liegt die Autarkie-Schwelle unterhalb von 𝑘¯𝑖𝑌 sind alle Effekte negativ und der Markt w¨ achst in zweifacher Hinsicht: Es gibt mehr Konsumenten und der Einkommens¨ anderungssaldo der bisherigen f¨allt ]positiv aus. Damit [ (𝑋)𝑌 schrumpft der Markt f¨ ur Werte im Bereich 𝑘¯𝑖𝑌 , 𝑘𝑖,Δ𝐼𝑖 =0 , aber die Auswirkung auf die Anzahl an Konsumenten ist nicht eindeutig klar. Somit k¨onnen die bisherigen Ergebnisse zusammengefasst werden: Ergebnis 4.4 (Arbeitsreiches Land und Variantenvielfalt) Die Einkommens¨ anderung in Folge des inter-industriellen Handels kann bei einem arbeitsreichen Land zur Entstehung und Vergr¨ oßerung des Marktes f¨ ur Qualit¨ atsvarianten und damit zur Zunahme inl¨ andischer Variantenvielfalt f¨ uhren. Der Markt wird umso gr¨ oßer, je un¨ ahnlicher sich die Handelspartner in ihrer Faktorausstattung sind. Allerdings kann friktionsloser Handel die Marktgr¨ oße auch reduzieren und damit das Angebot an inl¨ andischen Varianten schm¨ alern. Ist das Inland spezialisiert kommt es dar¨ uber hinaus in weniger F¨ allen zur Entstehung dieses Marktes und er ist generell kleiner als in einem gleich reichen Land mit diversifizierter Produktionsstruktur.
4.4 Friktionsloser Handel
209
4.4.4 Intra-industrieller Handel Die beiden vorhergehenden Abschnitte zeigten die Auswirkungen von interindustriellem Handel auf die relative Entlohnungsstruktur und damit auf ¨ den Markt f¨ ur Qualit¨ at. Die dadurch hervorgerufenen Anderungen in den Pr¨ aferenzen und der Firmenanzahl haben wiederum direkte Auswirkungen auf Art und Umfang des intra-industriellen Handels.64 Um diesen genauer bestimmen zu k¨ onnen, ist es erforderlich, die gehandelten Mengen im kapitalintensiven Sektor in vergleichbarer Form zu messen. Hier bietet sich das in Abschnitt 3.1.3 diskutierte Konzept des Faktorinhalts an, das heißt, die gehandelten Mengen werden in die zu ihrer Produktion verwendeten Faktoren umgerechnet, wodurch eine Vergleichbarkeit gew¨ahrleistet wird. Im ersten Schritt sollen die jeweils produzierten Mengen der Qualit¨atsvarianten bestimmt werden. Diese ergeben sich unmittelbar aus den f¨ ur die Produktion verf¨ ugbaren Faktoren. Insgesamt werden bei jedem Handelsbeziehungsweise Produktionsmuster 𝑥1 𝐼𝒬 /𝐼 = 𝑥𝒬 1 Vorprodukte zur Produktion von Qualit¨ at verwendet. Je nach Produktionsstruktur sind die bestimmenden Parameter des Anteils unterschiedlich, ⎧ (𝑘𝒬 /𝑘) + (1 − 𝛼)] 𝑘 < 𝑘𝑌 ⎨𝜎𝐾 [𝛼 ( ) ( ) (4.77) 𝐼𝒬 /𝐼 = 𝜎𝐾 𝑘 𝑊 + 𝒞𝑘𝒬 / 𝑘 𝑊 + 𝒞𝑘 𝑘𝑌 ≤ 𝑘 ≤ 𝑘𝑋 ⎩𝜎 [𝛽 (𝑘 /𝑘) + (1 − 𝛽)] 𝑘>𝑘 . 𝐾
𝒬
𝑋
In den beiden Spezialisierungsf¨ allen handelt es sich um eine Linearkombination der relativen Ausstattungen der 𝒬-Konsumenten an beiden Faktoren, wobei der Faktoreinsatzintensit¨ atsparameter (𝛼, 𝛽) des jeweils einzig produzierenden Sektors als Gewichtungsfaktor dient. Die Menge 𝑥𝒬 1 stellt die Faktormarktbeschr¨ ankung f¨ ur den 𝑋2 -Teilsektor dar, wie sie in (4.32) aufgeschl¨ usselt wurde. Es ist dabei unerheblich, ob das kapitalintensive Gut im Inland produziert oder aus dem Ausland importiert wurde. Schließlich kann aus dem Umsatz, 𝑒(𝜑𝑗 ) = 𝑝𝑥2𝑗 𝜑𝑗 𝑥1 , zusammen mit (3.45) der genaue Faktoreinsatz bestimmt werden, der n¨ otig ist, um mit der Produktivit¨at 𝜑𝑗 einen Umsatz von 𝑒 (𝜑𝑗 ) zu generieren, 𝑥1 (𝜑𝑗 ) =
𝜌 − 1 𝑒 (𝜑𝑗 ) . 𝜌 𝑝𝑥 1
(4.78)
Unter Verwendung von (3.55) kann der durchschnittliche Faktorinhalt der 64 Die
Umkehrung dieser Aussage ist aber nicht zul¨ assig.
210
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
Produktion beziehungsweise des Angebots bestimmt werden, 𝜌−1
= (𝜌 − 1)𝑓𝑝 (𝜑/𝜑 ˜ ∗) . 𝑥 ˜AG 1
(4.79)
Damit ist 𝑥 ˜AG nur von der Produktivit¨ atsschwelle und den realen Fixkosten 1 angig, aber nicht von der Marktgr¨ oße. Da die Substitutionselasti(𝑓𝑝 ) abh¨ zit¨ at konstant ist, bewirkt der h¨ ohere Wettbewerbsdruck in der Branche auch nicht, dass die einzelne Firma ihren Preis reduziert. Auch verdr¨angen die ausl¨ andischen Konkurrenten nicht inl¨ andische Anbieter, da sich deren Anzahl allein aus der Marktgr¨ oße und der durch den friktionslosen Handel unver¨ anderten Produktivit¨ atsschwelle ergibt.65 Um den gehandelten Faktorinhalt bestimmen zu k¨onnen, muss auch der nachgefragte Faktorinhalt berechnet werden. Die Nachfrage nach einer bestimmen Variante ist durch (4.20) gegeben. Unter Verwendung von (4.62) und (3.45) ergibt sich damit 𝑥2𝑗
𝜑𝜌𝑗 1 𝛾𝐼𝒬 𝜌 − 1 = , 𝑝𝑥 1 𝜌 𝑀 + 𝑀 𝑊 𝜑˜𝜌−1
(4.80)
wobei der Superskript 𝑊 wiederum Variablen der Welt kennzeichnet. Der erste Bruch gibt hier genau den Einkommensanteil wieder, den die Qualit¨ atskonsumenten ansonsten f¨ ur das normale Gut ausgegeben h¨atten und der nun zur Produktion von 𝑥2 eingesetzt wird. Die durchschnittliche Nachfrage ist dann f¨ ur 𝜑𝑗 = 𝜑˜ bestimmbar. Unter Verwendung der Produktionsfunktion 𝑥2𝑗 = 𝜑𝑗 𝑥1 kann somit der im Durchschnitt nachgefragte Faktorinhalt berechnet werden, 𝑥 ˜NF 1 =
1 𝛾𝐼𝒬 𝜌 − 1 . 𝑝𝑥 1 𝜌 𝑀 + 𝑀𝑊
(4.81)
An der Gleichung ist zu erkennen, dass die Konsumenten ihre Nachfrage nach inl¨ andischen Varianten einschr¨ anken, da sie sich nun einer h¨oheren Vielfalt gegen¨ ubersehen und f¨ ur einen gegebenen Nutzen von jeder Variante nun weniger konsumieren m¨ ussen. Zur Bestimmung des gehandelten Faktorinhalt muss die konkrete Menge an 𝑥1 bestimmt werden, die in der Produktion und im Konsum von Qualit¨at 65 Die
weltweit identische Technologie bewirkt ferner, dass die Durchschnittsproduktivit¨ at der Firmen in allen L¨ andern genauso hoch ist wie im Inland.
4.4 Friktionsloser Handel
211
aufgeht.66 Der Faktorinhalt des Exports stellt sich dar als 𝑥EX ˜AG − 𝑀𝑥 ˜NF 1, FI = 𝑀 𝑥 1 1 =
𝑊 𝛾(𝜌 − 1)/𝜌 𝐼𝒬 𝐼𝒬 , 𝑊 𝑝𝑥 1 𝐼𝒬 + 𝐼𝒬
(4.82)
wobei die Umformung unter Verwendung von (4.31) erfolgte. Der Faktorinhalt des Imports ergibt sich analog als 𝑊 NF ˜1 = 𝑥IM 1, FI = 𝑀 𝑥
𝑊 𝛾(𝜌 − 1)/𝜌 𝐼𝒬 𝐼𝒬 . 𝑊 𝑝𝑥 1 𝐼𝒬 + 𝐼𝒬
(4.83)
Faktorim- und -exporte sind umso ausgepr¨ agter, je gr¨oßer der Ausgabenanteil der inl¨ andischen Qualit¨ atskonsumenten ist, )𝛾𝐼𝒬 /𝑝𝑥1 , und je gr¨oßer ( 𝑊 𝑊 , das heißt, ist das In/ 𝐼𝒬 + 𝐼𝒬 der Anteil des Weltmarkts ausf¨ allt, 𝐼𝒬 land verschwindend klein, ist einzig die ausl¨ andische Marktgr¨oße relevant. Es zeigt sich, dass der Faktorinhalt des Exports identisch mit dem Faktorinhalt des Imports ist; ebenso stimmt der Faktorinhalt des Konsums mit dem Faktorinhalt der Produktion u ¨berein.67 Damit l¨asst der horizontale intra-industrielle Handel im Qualit¨ atsteilsektor den Faktorkonsum des Landes 68 unver¨ andert. Das gesamte Handelsvolumen im Qualit¨ atsteilsektor betr¨agt damit 2𝑥EX 1, FI 69 (= 2𝑥IM und nimmt in der inl¨ andischen wie ausl¨andischen Marktgr¨oße70 1, FI ) zu, w¨ ahrend es mit steigendem Preis des Vorprodukts abnimmt. Die Aussage von Ergebnis 4.2 kann hier sehr gut beobachtet werden: Nur wenn bei beiden Handelspartnern ein Markt f¨ ur Qualit¨ at besteht (das Einkommen der 𝒬 echt positiv ist), wird (horizontaler) intra-industrieller Handel stattfinden. Das Handelsvolumen des Vorprodukts ist abh¨angig von der relativen Fak66 Bei
Autarkie stimmt der nachgefragte und der angebotene Faktorinhalt im Qualit¨ atssektor selbstverst¨ andlich u ur den Beweis Anhang A.6.1. ¨berein, vgl. f¨ 67 Vgl. zur Berechnung der Faktorinhalte Anhang A.6.2. 68 Dies ist konsistent mit der (empirischen) Beobachtung, dass der intra-industrielle Handel keine drastische Anpassung der Faktorpreise nach sich zieht (vgl. Neary, 2009, S. 219). 69 The volume of intraindustry trade is calculated in the usual way, as twice the sum ” across industries of the minimum across countries of exports of differentiated products.“ (Flam und Helpman, 1987, S. 814) 70 Je gr¨ oßer der Einkommensanteil der Qualit¨ atskonsumenten am Gesamteinkommen des Landes ist, desto mehr Faktoren stehen zur Produktion von Qualit¨ at zur Verf¨ ugung, desto gr¨ oßer ist der entsprechende Markt und desto mehr Firmen gibt es.
212
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
torausstattung des Landes und durch (4.54) und (4.70) gegeben, ⎧ (𝛼 − 𝛽)𝛾𝐼 𝑘 < 𝑘𝑌 𝑊 ⎨[𝛾𝛼 + (1 − 𝛾)𝛽] 𝐼 − 𝑟𝐾 𝑘𝑌 ≤ 𝑘 < 𝑘 1 1 × 0 ∣𝑥1 ∣ = 𝑘 = 𝑘𝑊 𝑝𝑥 1 𝛼 − 𝛽 𝑟𝐾 − [𝛾𝛼 + (1 − 𝛾)𝛽] 𝐼 𝑘 𝑊 < 𝑘 ≤ 𝑘𝑋 ⎩ (𝛼 − 𝛽)(1 − 𝛾)𝐼 𝑘 > 𝑘𝑋 .
(4.84)
Wird das Gesamteinkommen fixiert und die Kapitalreichlichkeit variiert, ergibt sich der in Abbildung 4.9 dargestellte Verlauf des Betrags des Handelsvolumens.71 Der Verlauf von ∣𝑥1 ∣ kann unmittelbar in (4.84) abgelesen werden: Im Bereich 𝑘𝑌 ≤ 𝑘 < 𝑘 𝑊 nehmen mit steigender Kapitalreichlichkeit das Kapitaleinkommen, 𝑟𝐾, zu und damit die Importe von 𝑥1 ab, bis ur Kapitalreichlichschließlich bei 𝑘 = 𝑘 𝑊 kein Handel mehr stattfindet. F¨ keiten u ¨ber 𝑘 𝑊 nehmen die Exporte zu. In den Bereichen der Spezialisierung sind mehr Faktoren erforderlich, um das Einkommen innerhalb des Kegels zu erhalten (vgl. hierzu Abbildung 3.4). Die folgenden Aussagen beziehen sich aber weiterhin auf diejenigen Faktorkombinationen, die im Kegel das fixierte Einkommen generieren w¨ urden (das heißt, dass sie auf der gleichen Isokostengeraden liegen). Damit ist die Abnahme der Ex- beziehungsweise Importe allein auf den R¨ uckgang des Gesamteinkommens zur¨ uckzuf¨ uhren. EX ¨ + 𝑥 -Kurve folgt analogen Uberlegungen. Es wurde Der Verlauf der 𝑥IM 1, FI 1, FI hierbei angenommen, dass f¨ ur alle untersuchten Kombinationen ein Qualit¨ atssektor besteht. Die Kurve verl¨ auft hier im Diversifikationskegel aufgrund der speziellen Faktorausstattungs¨ anderung (mehr Kapital bei weniger Arbeit) steigend, da die Marktgr¨ oße zunimmt. Außerhalb des Kegels nimmt das Einkommen und damit auch die Marktgr¨ oße aber wieder ab, sodass es ab 𝑘𝑋 zu einem Knick kommt. Hat das Land die gleiche Kapitalreichlichkeit wie die Welt, gibt es keinen inter-industriellen Handel und damit auch keinen vertikalen intra-industriellen Handel (in Abbildung 4.9 an der Stelle 𝑘 = 𝑘 𝑊 ). Allerdings findet hier, sofern es Konsumenten der Qualit¨ atsvarianten gibt, sehr wohl horizontaler intra-industrieller Handel statt. Der Grund ist, dass vertikaler intra-industrieller Handel auf Unterschieden in der Faktorausstattung und den daraus resultierenden Pr¨ aferenzunterschieden basiert, w¨ahrend horizontaler intraindustrieller Handel auf dem Wunsch der Konsumenten nach Vielfalt be71 Im
Bereich 𝑘 < 𝑘𝑊 wird 𝑥1 importiert, im Bereich 𝑘 > 𝑘𝑊 exportiert ( negativer ” Faktorinhalt“).
4.4 Friktionsloser Handel
213
Abbildung 4.9: Vertikaler und horizontaler intra-industrieller Handel bei friktionslosem Handel x1, FI + x1, FI
Volumen
IM
EX
|x1| Import x1 kY
Export x1 k
W
kX
Anm.: Die jeweilige Ausstattung mit Arbeit und Kapital bei den verschiedenen Kapitalreichlichkeiten wurde so bestimmt, dass diese Ausstattungspunkte im Diversifikationskegel Einkommens¨ aquivalente darstellen (vgl. hierzu Anhang A.5.1) auch wurde 𝛾 = 0,5 unterstellt.
ruht. Sofern die Beziehung zwischen Einkommensverteilung und (relativer) Faktorausstattung in allen L¨ andern identisch ist, herrscht demzufolge bei identischer (relativer) Faktorausstattung in den Handelspartnern die gleiche Pr¨ aferenzstruktur (und Produktionsstruktur), wodurch die Basis des vertikalen (im Gegensatz zum horizontalen) intra-industriellen Handel entf¨allt. Das Vorhandensein von vertikalen intra-industriellen Handel deutet immer darauf hin, dass die Pr¨ aferenzstruktur unterschiedlich ist beziehungsweise es 𝒬-Konsumenten geben muss – oder anders ausgedr¨ uckt die Basis f¨ ur horizontalen intra-industriellen Handel gegeben ist. Somit kann das Ergebnis von Mitra und Trindade (2005) in diesem Modellrahmen bei asymmetrischer Kapitalverteilung bei den Handelspartnern repliziert werden. Zusammenfassend stellt sich in diesem Modell intra-industrieller Handel nicht nur dann ein, wenn die L¨ ander ¨ ahnlich sind, sondern auch dann, wenn sie sehr bis extrem verschieden sind und sich nicht im gleichen Diversifikationskegel befinden. Die Unterscheidung in horizontalen und vertikalen intraindustriellen Handel zeigt auch, dass letzterer eng mit dem inter-industriellen Handel zusammenh¨ angt, das heißt, wenn kein inter-industrieller Handel stattfindet, dann kommt es auch zu keinem vertikalen intra-industriellen Handel. Der horizontale intra-industrielle Handel ist hingegen (bedingt)72 unabh¨ angig von der Faktorausstattung. Andererseits stellt sich intra-indus72 Bedingt
insofern, als die Faktorausstattung (in Verbindung mit dessen Verteilung) sicherstellen muss, dass mindestens ein Individuum u ur ¨ber ausreichend Einkommen f¨ den Wunsch nach Qualit¨ at verf¨ ugt.
214
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
trieller Handel in diesem Modell nur dann ein, wenn es Individuen mit dem Wunsch nach Qualit¨ at beziehungsweise Produktdifferenzierung gibt, mithin besteht die M¨ oglichkeit, dass zwischen sehr ¨ ahnlichen beziehungsweise bez¨ uglich der Faktorreichlichkeit identischen L¨ andern kein intra-industrieller Handel (ebenso nat¨ urlich auch kein inter-industrieller Handel) zu beobachten ist. In diesem Fall repliziert dieses Modell die Ergebnisse des StandardHOS-Modells. Ungleichheit und intra-industrieller Handel. Die Existenz von 𝒬Konsumenten ist wiederum eng mit der Kapitalverteilung verbunden, wodurch diese zu einem wichtigen Bestimmungsfaktor des intra-industriellen Handels wird: Ergebnis 4.5 (Kapitalaufteilung und intra-industrieller Handel) Ist ein Land arbeitsreich und ist die individuelle Kapitalaustattungsschwelle hoch, dann wird es bei sehr ungleicher Kapitalaufteilung weniger intra-industriellen Handel aufweisen als bei relativ gleicher Aufteilung.
Beweis Ist ein Großteil des Kapitals auf relativ wenige Individuen ver(𝑋)𝑌 teilt, so werden diese rechts von 𝑘𝑖,Δ𝐼𝑖 =0 relativ hohe Einkommenseinbußen erfahren. War ihr Einkommen ausreichend hoch, um Qualit¨at zu konsumieren, werden sie nach Handelsaufnahme weniger oder gegebenenfalls sogar u at mehr nachfragen. ¨berhaupt keine Qualit¨ Das Volumen des intra-industriellen Handels wird insbesondere dann reduziert, wenn die individuelle Kapitalausstattungsschwelle relativ hoch ausf¨ allt73 , da dann diese Individuen eher zu den Verlieren geh¨oren und somit der Markt f¨ ur Qualit¨ at schrumpft. ⊓ ⊔ Eine h¨ ohere Ungleichheit f¨ uhrt bei kapitalreichen L¨andern zum gegenteiligen Effekt, da gerade die reichlich mit Kapital ausgestatteten Individuen von der durch Handel induzierten Faktorpreisangleichung profitieren (vgl. Abbildung 4.4).74 73 Hierbei
ist allerdings zu beachten, dass eine gegebene individuelle Kapitalausstattung aus Sicht eines arbeitsreichen Landes (im Vergleich zu einem kapitalreichen Land) immer relativ hoch“ ausfallen wird. Zugleich kann ein gegebenes Einkommen in einem ” arbeitsreichen Land mit weniger Kapital erreicht werden als in einem kapitalreichen Land. 74 Dieses Ergebnis kann somit eine m¨ ogliche Erkl¨ arung daf¨ ur liefern, warum die Bedeutung des intra-industriellen Handels f¨ ur Entwicklungs- und Industriel¨ ander stark divergiert.
4.4 Friktionsloser Handel
215
¨ Dieses Ergebnis zeigt, dass nicht nur die Ahnlichkeit zwischen den L¨andern eine Rolle spielt, wie Linder (1961) – und damit auch Mitra und Trin¨ dade (2005) – annehmen, sondern auch die Ahnlichkeit der Individuen innerhalb eines Landes. Da durch Handel Extreme versch¨arft werden, kann sich in sehr ungleichen L¨ andern der Markt f¨ ur Qualit¨at verkleinern, wodurch die Basis f¨ ur intra-industriellen Handel reduziert wird. Im vorliegenden Modellrahmen ist es m¨ oglich, eine Vielzahl an Situationen abzubilden: So wird zwischen identischen, arbeitsreichen L¨ andern mit hoher Ungleichheit kaum intra-industrieller Handel zu beobachten sein (wie in vielen afrikanischen L¨ andern, vgl. Isemonger, 2000), wohingegen zwischen identischen L¨andern mit geringer Ungleichheit viel intra-industrieller Handel stattfinden wird (etwa L¨ ander im ostasiatischen Raum, vgl. Fukao et al., 2003). Obwohl beide Ergebnisse sehr unterschiedlich erscheinen, sind sie doch mit einem arbar. einheitlichen Modellrahmen erkl¨ Bei kapitalreichen L¨ andern ist dann der gegenteilige Effekt zu beobachten, insofern eine h¨ ohere Ungleichheit den intra-industriellen Handel f¨ordert. Wie Tabelle 2.1 zeigt, nahm der intra-industrielle Handel entwickelter L¨ander erheblich zu, gleichzeitig stiegen aber auch die Einkommensunterschiede.75 Da die Kapitalausstattung eines Landes im vorliegenden Modell den Entwicklungsstand eines Landes widerspiegelt, zeigt sich dar¨ uber hinaus, dass bei gering entwickelten L¨ andern die Einkommensverteilung eine sehr wichtige Rolle f¨ ur die Frage spielt, ob intra-industrielle Handelsstr¨ome beobachtet werden k¨ onnen. Einen empirischen Zusammenhang zwischen dem Entwicklungsstand eines Landes und der Einkommensungleichheit im Land stellt die sogenannte Kuznets-Kurve76 her, die einen invertierten U-f¨ormigen Zusammenhang postuliert.77 Damit nimmt im Zuge der Entwicklung die Ungleichheit zu, die ab einem bestimmten (mittleren) Entwicklungsstand wieder abnimmt.78 Be75 Nach
einer Studie der OECD (1996, Table 3.1., S. 61f.), stieg etwa das Einkommen des neunten Einkommensdezils relativ zum f¨ unften Dezil in den USA zwischen 1979 und 1985 von 1,73 auf 1,84 (nur M¨ anner), im Vereinigten K¨ onigreich sogar von 1,65 auf 1,77 oder in Japan von 1,76 auf 1,81 (jeweils total). 76 Diese geht zur¨ uck auf Kuznets (1955). 77 W¨ ahrend dieser Zusammenhang in der Literatur lange Zeit als belegt angesehen wurde, finden neuere Untersuchungen den Zusammenhang weniger signifikant, vgl. hierzu etwa Ahluwalia (1976), Deininger und Squire (1998) oder Tam (2008); eine Best¨ atigung findet sich hingegen bei Jha (1996). 78 Allerdings gibt es auch einen umgekehrten Wirkungskanal, das heißt, dass auch die ¨ Ungleichheit Auswirkungen auf das Wachstum der Okonomie aus¨ ubt, vgl. f¨ ur eine ¨ analytische Betrachtung der Ubertragungswege zwischen Verteilung und Wirtschaftswachstum Josten (2007).
216
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
zogen auf den intra-industriellen Handel und die Aussagen des vorliegenden Modells bedeutet dies, dass gering entwickelte L¨ander zun¨achst keinen intra-industriellen Handel aufweisen, da die Mindestentwicklung“ (das heißt ¨ ” der Mindestumfang an Kapital in der Okonomie, damit mindestens ein Individuum eine Pr¨ aferenz f¨ ur Qualit¨ at aufweist) noch nicht gegeben ist. Der Handel wird dann im Zuge der Entwicklung in geringem Umfang auftreten, aber nicht deutlich zunehmen, da die steigende Ungleichheit dem zuwider l¨auft.79 Ist das Land relativ entwickelt und nimmt dann zus¨atzlich die Ungleichheit ab, kommt es zu einem starken Wachstum des intra-industriellen Handels, wie er auch im Zusammenhang mit der Globalisierung ab 1950 zu beobachten war (vgl. Abschnitt 2.2.2).80 Deckungsgleich zu der theoretischen Aussage des vorliegenden Ansatzes, finden auch Heitger et al. (1999, S. 102) empirische Hinweise daf¨ ur, dass insbesondere L¨ander auf hohem ” und vergleichbarem Entwicklungsniveau [...] untereinander intrahandelsf¨a” hig“ [sind]“.81 Fragmentierung. Das Handelsmuster arbeitsreicher (relativ gering entwickelter) L¨ ander weist dar¨ uber hinaus eine Besonderheit auf. Da ein solches Land im Spezialisierungsfall bei den herrschenden Preisen nicht in der Lage ist, das kapitalintensive Gut in positiven Mengen bei Vollbesch¨aftigung selbst herzustellen, muss es sowohl f¨ ur die Nachfrage der 𝒩 -Konsumenten, als auch f¨ ur die Herstellung von Qualit¨ at, Gut 𝑥1 vollst¨andig importieren. Im Konzentrationsfall gilt diese Beobachtung in entsprechend abgeschw¨achter Form. Es liegt hier somit Fragmentierung vor, da das Vorprodukt aus 79 Wie
an Abbildung 4.2 zu erkennen ist, kann eine Zunahme der Ungleichheit aber auch ∗ den intra-industriellen Handel bef¨ ordern (bei 𝑘𝑖 ). Zugleich nimmt aber dennoch die Kapitalausstattung jedes Individuums zu, weshalb 𝑘𝑖∗ von mehr Individuen erreicht werden kann, das heißt, dass sich 𝑘𝑖∗ eher bei 𝑘∗𝑖 befindet und somit der Markt schrumpft. 80 Auch hier kann Abbildung 4.2 die Situation verdeutlichen, wenn die urspr¨ ungliche 0𝐴 ) mit (𝑘 1 , 𝑘 1 ), das heißt h¨ Situation (𝑘0 , 𝑘0,5 ohere Kapitalreichlichkeit des Landes bei 0,5 gleichbleibender Ungleichheit, verglichen wird. Es ist dann zu erkennen, dass etwa bei ∗ 𝑘𝑖 der Markt f¨ ur Qualit¨ at (und damit der potentielle intra-industrielle Handel) deutlich angestiegen ist, wobei nat¨ urlich aufgrund der Marktvergr¨ oßerungseffekte in der neuen Situation eher 𝑘∗𝑖 gelten w¨ urde, das heißt, dass der Markt sogar noch deutlich st¨ arker angewachsen ist. 81 Entsprechend weist Deutschland im Handel mit seinen reicheren“ europ¨ aischen ” ” Haupthandelspartnern einen relativ hohen Intrahandelsanteil auf, w¨ ahrend dieser im Handel mit ¨ armeren“ EU-Partnern unterdurchschnittlich ist. Demnach werden die ” Ergebnisse fr¨ uherer Untersuchungen, die den Handel zwischen hochentwickelten Industriel¨ andern ebenfalls als u atigt.“ (Heitger ¨berwiegend intraindustriell klassifizieren, best¨ et al., 1999, S. 102). Vgl. hierzu auch Tabelle 2.5.
4.5 Kostspieliger Handel
217
dem Ausland bezogen wird, um im Inland veredelt zu werden.82 Die Ursachen f¨ ur diesen Handel sind im vorliegenden Modell allerdings nicht die geringen Arbeitskosten (die bei Diversifikation in allen L¨andern gleich hoch sind), sondern der Umstand, dass hierdurch weitere Varianten dem weltweiten Portfolio hinzugef¨ ugt werden k¨ onnen.83 Aus Sicht eines kapitalreichen Landes ist die Situation spiegelbildlich: Es wird das Vorprodukt (neben den veredelten Varianten) exportieren, um daf¨ ur weitere Qualit¨ atsvarianten (neben dem arbeitsintensiven Gut) zu importieren. Es nutzt damit seine Handelspartner als verl¨angerte Werkbank“, ” da diese seine 𝑥1 -Exporte veredeln und anschließend die 𝑥2𝑗 -Varianten exur nicht darin, portieren.84 Ebenso wie im vorigen Fall liegt der Grund hierf¨ dass im Ausland die Veredelung g¨ unstiger ist (da weltweit die gleichen G¨ uterpreise herrschen), sondern dass die Inl¨ ander m¨oglichst viele Varianten konsumieren m¨ ochten und der inl¨ andische Markt nicht mehr Firmen (und damit Varianten) hervorbringen kann.
4.5 Kostspieliger Handel Im nun folgenden Abschnitt wird die Annahme von vollst¨andig kostenlosem Handel aufgegeben. Das bisherige Szenario des friktionslosen Handels stellte eine vereinfachende Analyse dar, die als Benchmark gesehen werden kann, schließlich verursacht der Handel in Realit¨ at eine Reihe von Kosten, die Ber¨ ucksichtigung finden sollten. An erster Stelle sind sicherlich die Transportkosten zu benennen. Dar¨ uber hinaus entstehen beispielsweise aber auch Kosten durch die Etablierung von Handelspartnerschaften, den Aufbau von Vertriebsnetzen, die Durchf¨ uhrung und Anpassung von Marketingmaßnah¨ men, die Ubersetzung von Produktbeschreibungen, die Konsultation von Rechtssachverst¨ andigen, die mit den lokalen juristischen Rahmenbedingungen vertraut sind, etc. Diese variablen wie fixen Kosten des Handels wurden 82 In
gewisser Weise kann dies zus¨ atzlich auch als Wiederausfuhrhandel betrachtet werden, da durch den Export von Qualit¨ at die inl¨ andischen Firmen indirekt 𝑥1 in veredelter Form exportieren, vgl. Abschnitt 2.3.4.3. 83 In gewisser Weise wird hierdurch auch die Armington-Annahme legitimiert, da jedes Land eine eigene Variante beziehungsweise ein eigenes Subset an Varianten beitr¨ agt und somit die geographische Herkunft ein Unterscheidungsmerkmal der G¨ uter darstellt. 84 Auch hier ist eine weitere Interpretation m¨ oglich: Sind die Handelspartner u ¨berschaubar, besteht somit die M¨ oglichkeit, dass es zu einer Art Wiedereinfuhrhandel kommt. Zur Bestimmung des genauen Umfangs ist die Spezifikation des vorliegenden Modells allerdings nicht geeignet.
218
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
von Melitz (2003) und Bernard et al. (2007) ber¨ ucksichtigt85 und erm¨oglichten in Verbindung mit der Annahme heterogener Firmen, die Erschließung grundlegender Aussagen der neuen neuen Außenhandelstheorie“. ” Analog zu dieser Modellierung werden diese Kosten auch hier eingef¨ uhrt. Aus Gr¨ unden der Vereinfachung ebenso wie der Plausibilit¨at wird dabei einschr¨ ankend angenommen, dass die Exportfixkosten nur den Teilsektor der Qualit¨ atsvarianten betreffen. Bei den normalen G¨ utern fallen nur (die identischen) Transportkosten an. Diese homogenen G¨ uter k¨onnen schließlich als internationaler Standard angesehen werden, bei dem etwa die Durchf¨ uhrung von Marketingmaßnahmen oder die Anpassung der Produkte nicht erforderlich ist beziehungsweise die daf¨ ur anfallenden Fixkosten als vernachl¨assigbar gering (= 0) angenommen werden k¨ onnen. ahneln den Markteintrittskosten Die Exportfixkosten betragen 𝑝𝑥1 𝑓𝑥 und ¨ ebenso wie den Fixkosten der Produktion. Inwiefern diese Kosten als einmalig anfallend oder als amortisierte laufende Kosten betrachtet werden, ist f¨ ur die Analyse unerheblich.86 Der Charakter der angesprochenen Kosten kann ¨ beide Sichtweisen st¨ utzen. W¨ ahrend etwa die Ubersetzung eine einmalige Kostenposition sein d¨ urfte, stellen Werbemaßnahmen eine laufende Ausgabe dar. Wichtig ist, dass diese Kosten einen (dauerhaften) Eintritt in einen fremden Markt erm¨ oglichen.87 Allerdings besteht ein Unterschied zum erstmaligen Markteintritt respektive zur eigentlichen Firmengr¨ undung darin, dass die Firmen zum Zeitpunkt der Eintrittsentscheidung bereits Kenntnis u at erlangt haben. Ebenfalls hat die anf¨angliche Fir¨ber ihre Produktivit¨ menselektion bereits dazu gef¨ uhrt, dass die Produktivit¨at aller Firmen nach unten beschr¨ ankt ist (n¨ amlich durch die Produktivit¨atsschwelle).88 Die Transportkosten werden als Eisberg-Transportkosten modelliert (vgl. Abschnitt 3.2.1.3).89 Die hier angenommenen variablen wie fixen Handelskosten sind f¨ ur alle L¨ ander identisch und unabh¨angig vom realisierten Han85 Vgl.
hierzu Abschnitt 3.2.1.3 und Abschnitt 3.2.1.4. andert sich jedoch die H¨ ohe der Kosten. Bezeichnen 𝑝𝑥1 𝑓𝑥 die laufenden Fix¨ kosten, dann betragen die einmalig zu entrichtenden Fixkosten unter Ber¨ ucksichtigung der Diskontierung (𝑝𝑥1 𝑓𝑥 ) /𝛿 (Melitz, 2003, S. 1708). 87 Es ist zu beachten, dass inl¨ andische Vorprodukte herangezogen werden, um den ausl¨ andischen Markteintritt zu erm¨ oglichen und nicht die im Ausland vorhandenen. Wie Bernard et al. (2007, S. 40, insbesondere Fußnote 12) bemerken, w¨ urde es sich in diesem Fall um ausl¨ andische Direktinvestitionen handeln. Dieser Fall wird in der vorliegenden Analyse allerdings nicht betrachtet. 88 Es w¨ urde schließlich wenig Sinn ergeben, wenn Firmen zu unproduktiv f¨ ur den Heimatmarkt sind, aber sich im mit weiteren Kosten verbundenen Exportgesch¨ aft engagieren. 89 Die Aufteilung der Zahl- und Traglast auf Konsumenten und Produzenten spielt f¨ ur die weitere Analyse keine Rolle. 86 Hierdurch
4.5 Kostspieliger Handel
219
delsvolumen. F¨ ur die weitere Analyse ist es wichtig zu beachten, dass diese zus¨ atzliche H¨ urde im Exportmarkt auf die einzelnen Firmen infolge ihrer unterschiedlichen Produktivit¨ aten asymmetrisch wirkt. Dadurch werden die Firmen in zwei Gruppen separiert: Firmen, deren Produktivit¨at hoch genug ist, trotz dieser zus¨ atzlichen Kosten zumindest einen nicht-negativen Gewinn aus dem Export zu erwirtschaften und daher auch das Ausland beliefern werden, und Firmen, die zwar produktiv genug sind, den versch¨arften Wettbewerb mit den zus¨ atzlichen, hochproduktiven Firmen aus dem Ausland zu u ¨berleben, aber zu unproduktiv sind, um selbst zu exportieren. In Abschnitt 4.5.1 wird zun¨ achst aufgezeigt, welche Auswirkungen die Einf¨ uhrung von Transportkosten auf das Produktions- und Handelsmuster des Landes aus¨ ubt und bestimmt, ob es allgemein zur Handelsaufnahme kommt. Abschnitt 4.5.2 beschreibt die schon von Melitz (2003) bekannte, uglich durch die Transportkosten verursachte Separierung der Firmen bez¨ ihrer Exportf¨ ahigkeit. In Abschnitt 4.5.3 werden anschließend die Auswirkungen auf das Handelsmuster sowohl f¨ ur arbeits- als auch kapitalreiche L¨ ander aufgezeigt. Schließlich diskutiert Abschnitt 4.5.4 Art und Umfang des intra-industriellen Handels f¨ ur beide L¨ ander, w¨ahrend Abschnitt 4.5.5 die Wirkungen einiger handels- und wirtschaftspolitischer Maßnahmen auf die Handelsstruktur analysiert.
4.5.1 Auswirkungen von Transportkosten auf die Preisstruktur und das Spezialisierungsmuster Der direkte Effekt von Transportkosten ist, dass die Weltmarktpreise und die inl¨ andischen Preise nicht l¨ anger identisch sind. Wie bereits Samuelson (1948) zeigte, kommt es dann auch nicht mehr zu einem vollst¨andigen Ausgleich der Faktorpreise. Dar¨ uber hinaus nimmt nun wieder die inl¨andische Faktorreichlichkeit eine wichtige Rolle bei der Bestimmung des relativen inl¨ andischen Preises ein. Die inl¨ andischen G¨ uterpreise sind nicht zuletzt deshalb asymmetrisch von der Handels¨ offnung betroffen, da die Transportkosten nur f¨ ur das Importgut anfallen. Wie auch Cheng et al. (2004, S. 675) und Tombazos et al. (2005, S. S73) zeigen, ¨ andert sich das Maximierungskalk¨ ul der Konsumenten von (4.6) zu [ 𝐷 ] 𝑊 u. d. Nb. 𝑈𝑖 𝑥1 + 𝑥1 + 𝜃 (𝐼𝑖 ) 𝑥2 , 𝑦 𝐷 + 𝑦 𝑊 max 𝐷 𝑊 𝑥1 ,𝑥1 ,𝑥2 ,𝑦 𝐷 ,𝑦 𝑊 ∫ 𝐷 𝑊 𝑊 𝐷 𝑊 𝑊 (4.85) 𝑥 + 𝜏 𝑝 𝑥 + 𝑝𝑋2𝑗 𝑥2𝑗 𝑑𝑗 + 𝑝𝐷 𝐼𝑖 = 𝑝𝐷 𝑥1 1 𝑥1 1 𝑦 𝑦 + 𝜏 𝑝𝑦 𝑦 . 𝑗∈𝑀
220
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
Mit Ausnahme des 𝒬-Teilsektors sind G¨ uter der ausl¨andischen Sektoren perfekte Substitute der inl¨ andisch hergestellten Waren, daher wurde bei 𝑥2 auf die Unterscheidung des Ursprungslandes verzichtet. Die Substitutionsbeziehung f¨ uhrt dazu, dass die Konsumenten die G¨ uter aus dem Land beziehen, 𝑊 das diese am preiswertesten anbietet. F¨ ur 𝑝𝐷 𝑘 < 𝜏 𝑝𝑘 werden die Konsumenten G¨ uter aus dem inl¨ andischen Sektor 𝑘 ∈ {𝑋1 , 𝑌 } nachfragen und 𝑊 > 𝜏 𝑝 andischen Sektor, da der Nutzen entsprechend bei 𝑝𝐷 𝑘 𝑘 aus dem ausl¨ der jeweiligen G¨ uter unabh¨ angig vom Produktionsland ist.90 W¨ ahrend die Weltmarktpreise exogen gegeben sind, ergeben sich die inl¨andischen Preise wie im Fall der Autarkie aus der inl¨andischen Faktorausstattung. Je nach Allokation der Faktoren auf die einzelnen Sektoren ¨andern sich die gleichgewichtigen Faktorpreise aufgrund der unterschiedlichen Faktorintensit¨ aten der Produktion und damit der verschiedenen relativ nachgefragten Mengen. Die Faktorpreise wiederum haben Auswirkungen auf die Produktionskosten, (4.24) und (4.25), und damit die G¨ uterpreise. Die Aussage des Heckscher-Ohlin-Theorems hat weiterhin G¨ ultigkeit, das heißt, je reichlicher ein Land mit einem Faktor ausgestattet ist, desto g¨ unstiger ist dieser im Vergleich zum anderen Faktor, somit wird das Land in dem Sektor, das diesen Faktor intensiv nutzt, preiswerter als das Ausland produzieren und folglich auch exportieren. F¨ ur die Inl¨ander bedeutet die h¨ohere Nachfrage, dass der Preis des Exportgutes steigt bis es genauso teuer ist wie im Rest der Welt. Das andere Gut wird zum Weltmarktpreis aus dem Ausland bezogen. F¨ ur den Transport ins Inland fallen aber Kosten an, die das Gut damit im Vergleich zu dem im Ausland bezahlten Preis verteuern. Da die Transportkosten nur das Import- und nicht das Exportgut betreffen, ist nur das Importgut im Vergleich zu friktionslosem Handel um 𝜏 teurer, 𝑊 𝑝𝐷 𝑖 = 𝜏 𝑝𝑖 . Wie bei friktionslosem Handel aufgezeigt wurde (vgl. Tabelle 4.2), hat ein Land, das arbeitsreicher als die Welt ist, im 𝑌 -Sektor einen komparativen Vorteil und entsprechend im 𝑋-Sektor, wenn es kapitalreicher als die Welt ist. Der Relativpreis im Inland ist damit abh¨ angig von der Faktorausstattung, ⎧ 𝑊 𝑘 < 𝑘𝑊 )𝐷 ( ⎨𝜏 (𝑝𝑥1 /𝑝𝑦 ) 𝑝𝑥 1 (4.86) = (𝑝𝑥1 /𝑝𝑦 )𝑊 𝑘 = 𝑘𝑊 𝑝𝑦 ⎩1/𝜏 (𝑝 /𝑝 )𝑊 𝑘 > 𝑘 𝑊. 𝑥1
90 Es
𝑦
findet hier keine Differenzierung nach dem Produktionsstandort wie bei Armington (1969) statt, wodurch in seinem Modell intra-industriellen Handel auftritt.
4.5 Kostspieliger Handel
221
Abbildung 4.10: Lage des Diversifikationskegels in Abh¨ angigkeit von der Kapitalausstattung K
kX
kXT
K
W
k
kXT kX
W
k
kYT kY k
L
O a. Arbeitsreiches Land
kY
T Y
L
O b. Kapitalreiches Land
Anm.: Die Strahlen 𝑘𝑋 und 𝑘𝑌 repr¨ asentieren die Outputexpansionspfade bei friktionslosem Handel. Der jeweils hellgrau gekennzeichnete Bereich gibt alle Faktoraus𝑇 und 𝑘 𝑇 beschriebene Diversifistattungskombinationen an, f¨ ur die der durch 𝑘𝑋 𝑌 kationskegel G¨ ultigkeit hat. In den dunkelgrau markierten Bereichen ist das Land jeweils spezialisiert.
Es zeigt sich schließlich, dass ein Land aufgrund der durch die Transportkosten verursachten Preisasymmetrie, eher beide G¨ uter produzieren wird, als dass es sich auf die Produktion nur eines Gut spezialisiert, wie Abbildung 4.10 verdeutlicht.91 Technisch ergibt sich die ge¨ anderte Lage des Diversifikationskegels durch die Preiserh¨ ohung bei dem jeweiligen Importgut und die damit verbundene Inw¨ artsverschiebung der entsprechenden Einheitswertisoquante. Intuitiv erscheint es offensichtlich, dass es sich f¨ ur ein Land eher lohnt, das Importgut zumindest teilweise selbst herzustellen, anstatt es relativ teuer aus dem Ausland zu beziehen, schließlich erm¨ oglicht nicht zuletzt der h¨ohere Preis des Importgutes, dass eine Produktion dieses Gutes, trotz des intensiven Einsatzes des relativ knappen (und damit relativ teuren) Faktors, vorteilhaft wird. Aus Sicht des Inlands wird die Welt dem Inland in Bezug auf die relative Faktorausstattung ¨ ahnlicher, da durch die Transport91 Vgl.
f¨ ur den Beweis Anhang A.7.
222
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
kosten der relative Preis der G¨ uter des Sektors steigt, in dem das Land seinen komparativen Nachteil hat. Damit f¨ uhrt eine Erh¨ohung ebendieses Preises dazu, dass sich aus Sicht des Inlands die Welt kapital¨armer darstellt, als sie es tats¨ achlich ist, wohingegen einem kapitalreichen Land die Welt reichlicher mit Kapital ausgestattet erscheint. Als Folge ist der Diversifikationskegel davon abh¨angig, welches Gut ein Land importiert, das heißt, welche Produktionsstruktur es aufweist und damit u ugt. Ist das Land arbeits¨ber welche relative Faktorausstattung es verf¨ reicher als die Welt (wie in Abbildung 4.10a), so befindet es sich in einem Diversifikationskegel, dessen Outputexpansionspfade eine deutlich arbeitsintensivere Produktion nahe legen als f¨ ur ein Land, das kapitalreicher als die Welt ist (Abbildung 4.10b). Nur dann wenn das Land und die Welt die gleiche Faktorreichlichkeit aufweisen, befinden sich beide im gleichen Diversifikationskegel – allerdings findet hier auch kein inter-industrieller Handel mehr statt. Die jeweils ge¨ anderte Lage der Diversifikationskegel beziehungsweise der diesen zugrunde liegenden Einheitswertisoquante impliziert eine Divergenz der Faktorentlohnungen, sodass es zu keinem Faktorpreisausgleich mehr kommt. Ein arbeitsreiches Land wird eine geringere relative Arbeitsentlohnung als bei friktionslosem Handel (aber eine h¨ohere als bei Autarkie) aufweisen, w¨ ahrend in einem kapitalreichen Land eine h¨ohere relative Entlohnung des Faktors Arbeit als bei friktionslosem Handel (aber eine geringere als bei Autarkie) vorliegen wird. Die Transportkosten k¨ onnen jedoch auch ein f¨ ur den freien G¨ uteraustausch prohibitives Niveau erreichen, wenn sich das Land durch Handel im Vergleich zu Autarkie verschlechtern w¨ urde. Das w¨are dann der Fall, wenn sich der relative Preis durch die Transportkosten zugunsten des mit dem knappen Faktor intensiv produzierten Gutes verteuern w¨ urde. Analytisch ergeben sich die Prohibitivtransportkosten je nach Handelsmuster aus den 𝑊 𝐴 𝑊 𝐴 Bedingungen 𝜏 (𝑝𝑥1 /𝑝𝑦 ) ≥ (𝑝𝑥1 /𝑝𝑦 ) und 1/𝜏 (𝑝𝑥1 /𝑝𝑦 ) ≤ (𝑝𝑥1 /𝑝𝑦 ) , {( )𝛼−𝛽 𝑘 < 𝑘𝑊 𝑘 𝑊 /𝑘 (4.87) 𝜏˜ ≥ ( ) 𝛼−𝛽 𝑘/𝑘 𝑊 𝑘 > 𝑘 𝑊. Diese Funktion der Prohibitivtransportkosten n¨ahert sich f¨ ur 𝑘 → 𝑘 𝑊 (aus beiden Richtungen) dem f¨ ur friktionslosen Handel stehenden Wert eins an, das heißt, je ¨ ahnlicher das Land seinen Handelspartnern ist, desto eher verhindern bereits geringe Transportkosten die Aufnahme von Handelsbeziehungen. Zur Vereinfachung sei f¨ ur den weiteren Verlauf der Analyse immer 𝜏 < 𝜏˜ angenommen.
4.5 Kostspieliger Handel
223
4.5.2 Separierung der Firmen Die Preissetzung der Firmen im Qualit¨ atssektor bleibt unver¨andert, wenn das Vorprodukt nicht importiert wird, ansonsten werden die zus¨atzlichen Kosten an die Konsumenten weitergegeben. Der Preis der exportierten Varianten steigt ebenfalls um die Transportkosten an, 𝑝𝐸𝑋 𝑋2𝑗 (𝜑𝑗 ) = 𝜏 𝑝𝑋2𝑗 (𝜑𝑗 ) = ⎧ 𝜏 𝑝𝑥 𝜌 1 𝜏 Vorprodukt wird importiert wird ⎨ 𝜑𝑗 𝜌 − 1 𝜌 𝜏𝑝 ⎩ 𝑥1 𝜑𝑗 𝜌 − 1
(4.88)
Vorprodukt wird selbst produziert.
M¨ ussen die Vorprodukte importiert werden, so verteuert sich der Preis der exportierten Varianten im Vergleich zur Eigenproduktion. Trivialerweise sind f¨ ur 𝜏 = 1 (friktionsloser Handel) beide Preise identisch. ¨ Die weiteren Uberlegungen folgen den in den Abschnitten 3.2.1.3 und 3.2.1.4 vorgestellten Modellen von Melitz (2003) und Bernard et al. (2007), die schließlich zu (3.68) und (3.80) f¨ uhrten. Diese Gleichungen stellen einen Zusammenhang zwischen der Produktions- und der Exportschwelle dar, wobei sich (3.68) letztlich als Spezialfall von (3.80) ergibt, da hier der relativen Marktgr¨ oße keine Bedeutung zukommt beziehungsweise angenommen wurde, dass der inl¨ andische und der (repr¨ asentative) ausl¨andische Markt gleich groß sind. Im Folgenden soll nun weiterhin der Export in einen repr¨asentativen ausl¨ andischen Markt betrachtet werden, allerdings muss dieser nicht die gleiche Gr¨ oße wie der inl¨ andische Markt aufweisen, zumal – wie die Analyse bislang zeigte – auch die ausl¨ andische Marktgr¨ oße von vielen Faktoren abh¨angig ist. Es wird daher angenommen, dass der ausl¨ andische Markt um den Faktor Ω gr¨ oßer ist. Zur Vereinfachung sei ferner angenommen, dass diese Relation durch die inl¨ andische (Markt-)Gr¨ oße nicht beeinflusst werden kann. Unter dieser Annahme ergibt sich als Zusammenhang 𝜑∗𝑥
∗
=𝜑 𝜏
(
𝑓𝑥 Ω𝑓𝑝
1 ) 𝜌−1 .
(4.89)
Es ist dann zu erkennen, dass (4.89) von der Produktivit¨atsschwelle und den exogen gegebenen Parametern abh¨ angt.92 92 Die
Annahme, dass die Welt immer um Ω gr¨ oßer ist als das Inland impliziert, dass
224
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
Entsprechend kann auch der in (3.73) gezeigte Zusammenhang abgeleitet werden, wonach die Produkionsschwelle bei kospieligem Handel h¨oher ausf¨allt als bei Autarkie oder friktionslosem Handel. Folglich wird die Durchschnittsproduktivit¨ at der Firmen steigen und damit der durchschnittliche Umsatz der inl¨ andischen Firmen in ihrem Heimatmarkt. Die Anzahl der inl¨andisch erzeugten Varianten f¨ allt hingegen analog zu (4.31) ceteris paribus geringer aus. Hierbei ist aber zu ber¨ ucksichtigen, dass sich auch die Gr¨oße des Marktes ¨ andert, denn einerseits sinkt durch die h¨ohere Produktivit¨at der relative Preis f¨ ur Qualit¨ at und andererseits beeinflusst die Angleichung von 𝑝𝑥1 an den Weltmarktpreis die reale Marktgr¨oße. Der inl¨ andische Preisindex des Qualit¨ atsteilsektors errechnet sich aus den mit den jeweiligen Preisen gewichteten im Inland verf¨ ugbaren Varianten,93 { [ ( 𝑇 )]1−𝜌 [ ( 𝑊 )]1−𝜌 }1/(1−𝜌) ˜ ˜𝑥 𝑃𝑥𝑇2 = 𝑀 𝑇 𝑝𝐷 + 𝜒𝑊 𝑀 𝑊 𝜏 𝑝𝑊 , (4.90) 𝑥2 𝜑 𝑥2 𝜑 wobei der Superskript 𝑇 inl¨ andische Variablen des kostspieligen Handels bezeichnet und die Preissetzung 𝑝𝐷 angig ist. 𝑥2 vom Preis des Vorprodukts abh¨ Da nur die produktivsten ausl¨ andischen Firmen exportieren, ist auch nur deren durchschnittliche Produktivit¨ at f¨ ur die Berechnung des inl¨andischen Preisindexes relevant, wobei deren Preis nat¨ urlich durch die Transportkosten h¨ oher ausf¨ allt als von den Firmen urspr¨ unglich veranschlagt (Ab-WerkPreis versus Effektivpreis). Zur Vereinfachung wird auch hier wieder ein symmetrischer Fall unterstellt, das heißt, dass die durchschnittliche Pro˜𝑇𝑥 .94 Der duktivit¨ at im In- und Ausland identisch ist, 𝜑˜𝑊 = 𝜑˜𝑇 und 𝜑˜𝑊 𝑥 =𝜑 Preisindex wurde analog zu (4.62) bestimmt, allerdings ist es m¨oglich, ihn auch in einfacherer Form darzustellen. Hierzu kann aus dem Preisindex zusammen mit (4.39) eine (fiktive) durchschnittliche Produktivit¨ at aller Firmen bestimmt werden, deren Produkte im Inland f¨ ur den Konsum zur Verf¨ ugung stehen und in der die Verluste durch den Transport der G¨ uter f¨ ur den Konsum und der Vorprodukte f¨ ur den Produktionsprozess ber¨ ucksichtigt werden. Darunter fallen alle inl¨ander dort erzielte Umsatz auch immer um Ω gr¨ oßer ist (vgl. hierzu auch Melitz, 2003, oglicht zusammen mit (3.67) S. 1708), 𝑒𝐸𝑋 (𝜑𝑗 ) = 𝜏 1−𝜌 Ω𝑒𝐷 (𝜑𝑗 ). Diese Gleichung erm¨ und (3.48) den postulierten Zusammenhang. 93 Das Fehlen jeglicher Handelskosten w¨ urde hier neben 𝜏 = 1 auch 𝜒𝑊 = 1 implizieren, da keine Separierung der Firmen stattfindet. Ferner w¨ urden die Durchschnittsproduktivit¨ aten ihren Autarkiewerten entsprechen. 94 Gesetzt den Fall, die weltweite durchschnittliche Produktivit¨ at w¨ are gegen¨ uber dem Szenario des friktionslosen Handels unver¨ andert, so steigt dennoch die durchschnittliche Produktivit¨ at im Inland und senkt dadurch den Preisindex.
4.5 Kostspieliger Handel
225
disch produzierten Varianten sowie diejenigen der exportierenden ausl¨andischen Firmen, ⎧ 1 { [ ( )𝜌−1 ( )𝜌−1 ]} 𝜌−1 𝜏 −1 𝑀𝑣−1 𝑀 𝑇 𝜑˜𝑇 + 𝜒𝑊 𝑀 𝑊 𝜑˜𝑇𝑥 𝑘 < 𝑘𝑊 ⎨ 𝜑˜𝑣 = { 1 [ ( 𝑇 )𝜌−1 ]} 𝜌−1 ( 𝑇 )𝜌−1 𝜑 ˜ 𝑥 −1 𝑇 𝑊 𝑊 𝑀 +𝜒 𝑀 𝑘 ≥ 𝑘 𝑊, 𝑀 𝜑˜ 𝑣 ⎩ 𝜏 (4.91) wobei 𝜑˜𝑇𝑥 = 𝜑˜𝑥 /[1 + 𝑡(𝜏 − 1)] und der Subskript 𝑣 Variablen der im Inland verf¨ ugbaren Varianten bezeichnet, das heißt 𝑀𝑣 = 𝑀 𝑇 + 𝜒 𝑊 𝑀 𝑊 .
(4.92)
Bei der Preisberechnung der ausl¨ andischen Varianten wurde angenommen, dass ein gewisser Anteil der Welt 𝑡 ∈ [0, 1] das Vorprodukt importieren muss und folglich auch deren Firmen h¨ ohere Grenzkosten aufweisen. Es ist leicht zu erkennen, dass f¨ ur 𝜏 = 1 beide F¨ alle von (4.91) identisch sind und somit das entsprechende Ergebnis bei friktionslosem Handel repliziert werden kann. Die implizierte Produktivit¨ at f¨ allt bei kapitalreichen L¨andern h¨oher aus als bei arbeitsreichen L¨ andern, da im Produktionsprozess der inl¨andischen Varianten keine Vorprodukte durch den Transport verloren gehen95 , schließlich k¨ onnen sie im Land erzeugt werden. Der Preisindex l¨asst sich so in reduzierter Form darstellen,96 𝑃𝑥𝑇2 = 𝑀𝑣1/(1−𝜌) 𝑝𝑥2 (𝜑˜𝑣 ) .
(4.93)
Dieser Ausdruck ist damit eine vereinfachte Darstellung von (4.90). Um entsprechende Vergleiche mit dem Ergebnis bei friktionslosem Handel zu ziehen, sollen auch in diesem Fall die drei m¨ oglichen Produktionsmuster des Inlands und deren Auswirkungen analysiert werden.
4.5.3 Spezialisierung und Handelsmuster F¨ uhrt der kostspielige Handel dazu, dass das Inland auf einen Sektor spezialisiert ist, so ergeben sich keine großen Unterschiede zur entsprechenden 95 Dadurch
wird der Preis der im Inland erzeugten 𝑥1 erh¨ oht; insofern sind nicht alle Vorprodukte die im Zuge der Produktion der Qualit¨ atsvarianten verloren gehen, real verloren, sondern auch durch die dadurch bedingte – im Vergleich zu friktionslosem Handel ineffiziente – Allokation der Faktoren im Inland. 96 Hier muss 𝑝𝐷 nicht mehr ber¨ ucksichtigt werden, da die Transportkosten bereits in 𝜑 ˜𝑣 𝑥2 ber¨ ucksichtigt wurden.
226
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
Situation bei friktionslosem Handel, da sich das Faktoreinkommen durch den unver¨ anderten Exportpreis nicht ¨ andert. Die Hauptunterschiede sind darin zu sehen, dass zum einen das Land generell in weniger F¨allen spezialisiert sein wird, wie in Anhang A.7 gezeigt wird, und zum anderen weniger (inter-industrieller) Handel stattfinden wird, da sich die Terms of Trade verschlechtern. Hingegen ¨ andert sich das Einkommen eines Individuums bei diversifizierter Produktion nicht nur durch die ver¨ anderten G¨ uterpreise, sondern ist zudem je nach Handelsmuster des Landes (vgl. Abbildung 4.10) unterschiedlich, ⎧ ( ) 𝛽/(𝛽−𝛼) 1/(𝛼−𝛽) 𝜏 𝑤 + 𝜏 𝑘 𝑟 𝑘𝑌𝑇 ≤ 𝑘 < 𝑘 𝑊 𝑖 ⎨ ( ) 𝐼𝑖 𝑘, 𝑘𝑖 , 𝑘 𝑊 = ( ) ⎩𝜏 (1−𝛼)/(𝛽−𝛼) 𝜏 1/(𝛼−𝛽) 𝑤 + 𝑘𝑖 𝑟 𝑘𝑊 < 𝑘 ≤ 𝑘𝑇 , 𝑋
(4.94) wobei im relevanten Parameterbereich 𝜏 𝛽/(𝛽−𝛼) < 1, 𝜏 (1−𝛼)/(𝛽−𝛼) < 1 und allt das Einkommen geringer aus als bei frikti𝜏 1/(𝛼−𝛽) > 1 gilt. Somit f¨ onslosem Handel, wenngleich der weltweit knappe Faktor eine zus¨atzliche 𝑇 , Knappheitsrente erh¨ alt. Das Einkommen nimmt im Bereich 𝑘𝑌𝑇 < 𝑘 < 𝑘𝑋 das heißt im Diversifikationskegel, in 𝜏 ab. Zur besseren Vergleichbarkeit mit (4.56), (4.58) und (4.72) kann (4.94) in Abh¨angigkeit von der Weltkapitalreichlichkeit dargestellt werden, ⎧ ( 𝑊 )𝛽 [ ] 𝛽 1 𝑘 𝑘𝑖 𝛽−𝛼 𝛼−𝛽 𝒞 𝐴 𝑝 ℬ𝜏 1 + 𝜏 𝑘𝑌𝑇 ≤ 𝑘 < 𝑘 𝑊 𝑌 𝑦 ⎨ 𝒞 𝑘𝑊 𝐼𝑖 (𝑘)𝑇 = ( 𝑊 )𝛽 [ ] 1−𝛽 1 𝑘 𝑘𝑖 𝑇 ⎩𝐴𝑌 𝑝𝑦 ℬ𝜏 𝛽−𝛼 . 𝜏 𝛼−𝛽 + 𝒞 𝑊 𝑘 𝑊 < 𝑘 ≤ 𝑘𝑋 𝒞 𝑘 (4.95) F¨ ur 𝜏 = 1 (friktionsloser Handel) ist dieser Ausdruck in beiden Abschnitten gleich und identisch mit (4.58). Analog zum Vorgehen bei friktionslosem Handel k¨onnen kritische Werte berechnet werden, die angeben, ab beziehungsweise bis zu welchen individuellen Kapitalausstattungen ein Individuum bei kostspieligem Handel besser als bei Autarkie gestellt ist. In beiden Spezialisierungsf¨allen sind diese jeweils mit den Werten des Szenarios des friktionslosen Handels (4.59) und (4.73) identisch, im Konzentrationsfall unterscheiden sie sich jedoch nicht
4.5 Kostspieliger Handel
227
nur von der Schwelle bei friktionslosem Handel, sondern fallen je nach relativer Faktorausstattung des Landes unterschiedlich aus. Individuen aus kapitalreichen L¨ andern stellen sich besser, wenn sie u ¨ber mindestens 𝑋,𝑇 𝑘𝑖,Δ𝐼 𝑖 =0
( 1/(𝛼−𝛽) 𝑊 )𝛽 𝛽 𝑘 𝑝𝐴 𝑦 𝑘 − 𝑝𝑦 𝜏 ] = [ ( )𝛽−1 𝛽−1 𝒞 𝑝𝑦 𝜏 1/(𝛼−𝛽) 𝑘 𝑊 − 𝑝𝐴 𝑦𝑘
(4.96)
verf¨ ugen, wohingegen Individuen aus arbeitsreichen L¨andern nicht mehr als 𝑌,𝑇 𝑘𝑖,Δ𝐼 𝑖 =0
( 1/(𝛽−𝛼) 𝑊 )𝛽 𝛽 𝑘 𝑝𝐴 𝑦 𝑘 − 𝑝𝑦 𝜏 ] = [ ( )𝛽−1 𝛽−1 𝒞 𝑝𝑦 𝜏 1/(𝛽−𝛼) 𝑘 𝑊 − 𝑝𝐴 𝑦𝑘
(4.97)
besitzen sollten. Wie bereits erw¨ ahnt, erscheint kapitalreichen L¨andern die Welt kapitalreicher (um den Faktor 𝜏 1/(𝛼−𝛽) > 1), w¨ahrend sie aus Sicht arbeitsreicher kapitalknapper wirkt (um den Faktor 𝜏 1/(𝛽−𝛼) < 1). Dementsprechend f¨ allt die Schwelle der Verbesserung gegen¨ uber Autarkie im Veroher und f¨ ur 𝑘 < 𝑘 𝑊 geringer gleich zum friktionslosen Handel f¨ ur 𝑘 > 𝑘 𝑊 h¨ aus und es gibt weniger Individuen, die sich besserstellen. Solange die Handelskosten kein prohibitives Niveau erreichen (𝜏 < 𝜏˜), f¨allt der Saldo der Einkommens¨ anderungen dennoch positiv aus. Abbildung 4.11a vergleicht das individuelle Einkommen in Abh¨angigkeit von der jeweiligen Kapitalausstattung in den drei Szenarien Autarkie (Superskript 𝐴), friktionsloser und kostspieliger Handel (Superskript 𝑇 ) bei der Handelsaufnahme eines arbeitsreichen Landes. Es ist zu erkennen, dass das Einkommen bei kostspieligem Handel im Vergleich zu den beiden Extremszenarien immer geringer ausf¨allt, mithin ein bestimmtes Individuum niemals so stark von einer Handelsaufnahme profitiert wie bei friktionslosem Handel, aber auch niemals so große Einkommenseinbußen hinnehmen muss.97 Diese Abmilderung wirkt sich schließlich auch auf das gesamtwirtschaftliche Einkommen aus, wie Abbildung 4.11b zeigt. Die Kapitalverteilung bleibt dieselbe, aber die Einkommens¨anderungen fallen nicht so extrem aus, weshalb die Einkommens¨anderungsdichte bei 𝑇 verglichen mit friktionslosem Handel geringer ausf¨allt. Das Absinken der 97 Insbesondere
ist der Verlust kapitalreicher Individuen in einem arbeitsreichen Land )( ( )−1 ⋅ gegen¨ uber der Autarkiesituation ab 𝑘𝑖 > 1 − 𝜏 𝛽/(𝛽−𝛼) 𝜏 (1−𝛽)/(𝛼−𝛽) − 1 ¨ 𝑘𝑊 /𝒞 geringer als bei Ubergang zu friktionslosem Handel. Entsprechendes gilt bei der Handelsaufnahme eines kapitalreichen Landes f¨ ur Werte von 𝑘𝑖 < )−1 𝑊 )( ( 𝛽/(𝛼−𝛽) − 1 1 − 𝜏 (1−𝛽)/(𝛽−𝛼) ⋅ 𝑘 /𝒞. 𝜏
228
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
Abbildung 4.11: Einkommensvergleich zwischen Autarkie, friktionslosem und kostspieligem Handel in Abh¨ angigkeit von der individuellen Kapitalausstattung bei Handelsaufnahme eines arbeitsreichen Landes A
Ii
Ii
DIi
T
Ii
Ii
w
(X)Y
k i, DI = 0
0
i
Y,T i
k
T
w
Y i
ki
(X)Y,T
k k i, DI = 0 i
wA (X)Y
(X)Y,T k i, DI = 0 k i, DI = 0 i
i
a. Individuell
ki b. Gesamtwirtschaftlich
Anm.: Der Superskript 𝑇 kennzeichnet jeweils die Variablen bei kostspieligem Handel. a. Die Steigungen der Geraden entsprechen der vorherrschenden Kapitalentlohnung, vgl. Abbildung 4.1. b. Gestrichelte Kurve: Vergleich zwischen friktionslosem Handel und Autarkie (analog Abbildung 4.6b); durchgezogene Kurve: Vergleich zwischen kostspieligem Handel und Autarkie. Der hellgrau gekennzeichnete Bereich stellt eine Einkommensverbesserung der 𝒬-Konsumenten gegen¨ uber der Autarkiesituation dar, der dunkelgraue eine Verschlechterung.
Kapitalausstattungsschwelle f¨ uhrt dazu, dass auch die Schwelle, bis zu der ein positives Marktwachstum gegeben ist, absinkt, ⎧ max ⎫ 𝑘 ⎨ ∫𝑖 [( ⎬ ] ) ( ) 1−𝛽 −𝛽 𝑤𝐴 −𝜏 𝛼−𝛽 𝑤 + 𝑟𝐴 −𝜏 𝛼−𝛽 𝑟 𝑘𝑖 𝑔𝐾 (𝑘𝑖 ) 𝑑𝑘𝑖 > 0 . 𝑘¯𝑖𝑌,𝑇 = sup 𝑘˜ : ⎩ ⎭ ˜ 𝑘
(4.98)
Der Verlust aus dem Lohneinkommen wird mit steigendem 𝜏 geringer, wohingegen der Gewinn aus dem Kapitaleinkommen abnimmt, weshalb 𝑘¯𝑖𝑌,𝑇 insgesamt geringer als 𝑘¯𝑖𝑌 ausf¨ allt. Die Analyse der Handelsaufnahme eines kapitalreichen Landes kann analog vollzogen werden, hier gelten die Ergebnisse der Analyse von Abbildung 4.4 in abgeschw¨achter Form. Entsprechend verschlechtert sich auch hier die Situation, insofern die individuelle Kapital-
4.5 Kostspieliger Handel
229
ausstattungsschwelle ebenso wie die f¨ ur positives Marktwachstum mindestens erforderliche Ausstattung steigt. Die Aufnahme von kostspieligem Handel hat prinzipiell die gleichen Auswirkungen auf 𝑘𝑖∗ wie friktionsloser Handel, lediglich sind die Einkommensanderungen weniger stark ausgepr¨ agt. Der entscheidende Unterschied be¨ steht aber darin, dass sich die kritische und damit auch die durchschnittliche Produktivit¨ at ¨ andern, wodurch ein vierter Effekt den drei bekannten (individueller Einkommenseffekt, Marktgr¨ oßeneffekt, Importeffekt) hinzugef¨ ugt wird: Der Produktivit¨ atseffekt, wie er bereits in Abbildung 4.3 in anderem Zusammenhang untersucht worden ist. Erneut muss die Produktion-Preis-Kurve an die ver¨anderten Rahmenbedingungen angepasst werden und stellt sich schließlich als abschnittsweise definiert dar, ⎧ ( 𝑇 ) 1 1 𝐸 𝜒𝑊 𝐸 𝑊,𝑇 1−𝜌 1 (ℛ𝑝 𝑓 ) 𝜌−1 + 𝑘 < 𝑘𝑊 𝑥1 𝑝 ⎨ 𝜑∗,𝑇 𝜏 𝒯 𝑃 (𝑘𝑖∗ ) = 1 ) 1−𝜌 ( 𝑊 𝑊,𝑇 1 1 𝑇 1−𝜌 𝜒 𝐸 𝜌−1 𝑘 > 𝑘 𝑊, 𝐸 +𝜏 ⎩ ∗,𝑇 (ℛ𝑝𝑥1 𝑓𝑝 ) 𝜑 𝒯 (4.99) wobei 𝒯 𝑝𝑥1 = [𝑡𝜏 + (1 − 𝑡)] 𝑝𝑥1 den durchschnittlichen/erwarteten weltweiten Preis f¨ ur 𝑥1 beschreibt. Sie unterscheidet sich in mehrerlei Hinsicht von der entsprechenden Funktion bei friktionslosem Handel, (4.63). Da es zu keinem Faktorpreisausgleich mehr kommt, weichen die Faktoreinkommen ab, weshalb die Gr¨ oße der in- wie ausl¨ andischen M¨arkte insgesamt geringer ausfallen wird. Dies f¨ uhrt zusammen mit dem Umstand, dass nicht mehr alle ausl¨ andischen Firmen in der Lage sind, zu exportieren, zu einer Abschw¨ achung des Importeffekts. W¨ ahrend bei einem arbeitsreichen Land die reale Marktgr¨ oße aufgrund der Transportkosten geringer ausf¨allt, f¨ uhren bei einem kapitalreichen Land die Transportkosten zu einer Abschw¨achung des Importeffekts. Der direkte Effekt der Transportkosten auf das reale Einkommen bei 𝑘 < 𝑘 𝑊 entsteht dadurch, dass die Firmen die gleichen Kosten wie die Konsumenten f¨ ur 𝑥1 zu tragen haben und diese direkt an die Verbraucher weiterreichen, wohingegen bei einem kapitalreichen Land durch die Eigenandischen G¨ uter relativ billiger erscheinen und nur produktion von 𝑥1 die inl¨ die ausl¨ andischen G¨ uter von den Transportkosten betroffen sind. Als neues Ph¨ anomen senkt die Erh¨ ohung der Produktionsschwelle den relativen Preis und begr¨ undet dadurch den immer positiven Produktivit¨atseffekt.
230
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
Abbildung 4.12: Auswirkung der Handelsaufnahme eines arbeitsreichen Landes bei kostspieligem Handel auf die kritische individuelle Kapitalausstattung
Px 2 /px1
q2k(ki)
T
q2k(ki)
A
E,T
P (k*i ) PIM,T(k*i ) A
P (k*i ) T
P (k*i )
P
A, min
P
T, min
A B C A B C D
q(w ) A q(w ) T
kY,T i
(X)Y,T
k i, DI = 0
k*i
i
Anm.: A. Marktgr¨ oßeneffekt, B. Importeffekt, C. Individueller Einkommenseffekt, D. Produktivit¨ atseffekt; Graue Kurven: Ergebnisse bei friktionslosem Handel.
In Abbildung 4.12 wurde die Situation aus Abbildung 4.8 mit einem denkbaren Szenario bei kostspieligem Handel verglichen. Es ist zu erkennen, dass die auch bei friktionslosem Handel zu beobachtenden Effekte die gleichen Auswirkungen auf 𝑘𝑖∗ wie 𝑃 (𝑘𝑖∗ ) aufweisen, allerdings weniger stark ausgepr¨ agt sind. Der neu hinzugetretene Produktivit¨atseffekt (D), ausgedr¨ uckt durch 𝑃 𝑃,𝑇 (𝑘𝑖∗ ), wirkt wie der Importeffekt (B) senkend auf 𝑘𝑖∗ , wodurch beide Effekte in der Lage sind, den negativen individuellen Einkommenseffekt (C) sowie den Marktgr¨ oßeneffekt (A) teilweise zu kompensieren. Verglichen mit dem Autarkiezustand schrumpft der Markt nach wie vor (die neue Schwelle liegt h¨ oher als die f¨ ur positives Wachstum maximal zul¨assige),
4.5 Kostspieliger Handel
231
allerdings nicht so stark wie bei friktionslosem Handel. In der Analyse gelten die in (4.64) bis (4.67) charakterisierten Kapitalausstattungen weiterhin, m¨ ussen aber um die neue Entlohnungsstruktur korrigiert werden. Gleichwohl stellt (4.67) nicht mehr das endg¨ ultige Gleichgewicht dar, da hier die Produktivit¨ ats¨ anderung noch nicht ber¨ ucksichtigt wurde. Das neue Gleichgewicht ist durch } { [ ] 1 1 1 𝑘𝑖∗,𝑇 = 𝑘𝑖 ∣𝜃 (𝑤 + 𝑟𝑘𝑖 ) = ∗,𝑇 (ℛ𝑝𝑥1 𝑓𝑝 ) 𝜌−1 𝐸 (𝑘𝑖 ) + 𝐸 𝑊 𝜌−1 𝜑 (4.100) gegeben. Der Produktivit¨ atseffekt ist damit durch 𝑘𝑖∗,𝑇−𝑘𝑖∗ umschrieben und f¨ allt f¨ ur alle 𝑘𝑖∗ kleiner als null aus. Der Produktivit¨atseffekt und der Importeffekt sind damit die einzigen Effekte, die den Markt f¨ ur Qualit¨atsg¨ uter immer vergr¨ oßern.
4.5.4 Intra-industrieller Handel Analog zum Vorgehen bei friktionslosem Handel werden die nachgefragten und angebotenen Faktorinhalte der Qualit¨ atsvarianten berechnet, insbesondere um eine Vergleichbarkeit mit den vorigen Ergebnissen gew¨ahrleisten zu k¨ onnen. Ein Unterschied zu friktionslosem Handel ist darin zu sehen, dass die in jedem Land konsumierbare Teilmenge an verf¨ ugbaren Varianten unterschiedlich ausf¨ allt, da nur noch ein Teil der Firmen exportiert. Dies impliziert, dass der[angebotene Faktorinhalt von Firmen, deren Produktivit¨at ] sich im Bereich 𝜑∗𝑇 , 𝜑∗𝑥 befindet, mit dem im Inland nachgefragten Faktorinhalt u ¨bereinstimmen muss, wohingegen produktivere Firmen (𝜑 > 𝜑∗𝑥 ) in der Lage sind, Varianten (und damit Faktoren) zu exportieren. Aus Sicht der Konsumenten gibt es demnach drei Kategorien von Firmen: • Nationale Firmen mit einem rein nationalen Angebot, • nationale Firmen mit einem internationalen Angebot und • ausl¨ andische Firmen. Bei der Berechnung des nachgefragten Faktorinhalts muss dies ebenso Ber¨ ucksichtigung finden wie die unterschiedliche Kostenstruktur der Unternehmen in Abh¨ angigkeit von der relativen Faktorausstattung des Landes. Die Existenz von Transportkosten und die damit verbundenen Preisunterschiede ¨ andern die Nachfrage nach ausl¨ andischen Varianten, weshalb (4.80) angepasst werden muss. Dies ist jedoch relativ aufwendig, da f¨ ur die inl¨ andische Preissetzung relevant ist, ob das Land arbeits- oder kapitalreich ist und demzufolge das Vorprodukt importiert werden muss oder nicht. Die
232
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
Analyse kann jedoch beschr¨ ankt werden, da letztlich nicht der insgesamt konsumierte, sondern nur der importierte Faktorinhalt von Interesse ist. Bei der Berechnung muss dann ber¨ ucksichtigt werden, dass einige L¨ander das Vorprodukt (ebenfalls) importieren m¨ ussen, 𝑥𝑇2𝑗 =
𝜌 𝑇 𝛾𝐼𝒬 𝜌 − 1 1 (𝜑𝑗 /𝜏 ) −𝜌 𝒯 . 𝑝𝑥1 𝜌 𝑀𝑣 𝜑˜𝜌−1 𝑣
(4.101)
Daraus kann wiederum die durchschnittliche Nachfrage nach den, in den Importen enthaltenen Vorprodukten ermittelt werden, wobei die durchschnittliche Produktivit¨ at der exportierenden Firmen durch 𝜑˜𝑥 gegeben ist, NF(IM), 𝑇 𝑥 ˜1
𝑇 𝛾𝐼𝒬 𝜌−1 1 = 𝜌 𝜏 𝒯 𝑝 𝑥 1 𝜌 𝑀𝑣
(
𝜑˜𝑥 /𝜏 𝜑˜𝑣
)𝜌−1 .
(4.102)
Der erste Bruch gibt die implizit nachgefragten ausl¨andischen Vorprodukte wieder, w¨ ahrend der dritte dies mit der um die Handelskosten verringerten relativen Produktivit¨ at der ausl¨ andischen Firmen gewichtet. Der FakNF(IM), 𝑇 ˜1 und berechnet sich unter torinhalt ist gegeben durch 𝜒𝑊 𝑀 𝑊 𝑇 𝑥 Verwendung von (4.31) und (4.91) als98 𝑇 𝑥IM, 1, FI
( 𝐷 )𝜌−1 𝑇 𝑊𝑇 𝐼𝒬 𝑝𝑥1 /𝑝𝑥1 𝐼𝒬 𝜒𝑊 𝛾 𝜌 − 1 = . )𝜌 𝜌−1 ( 𝑊𝑇 𝑇 (𝜑 𝜏 𝒯 𝑝𝑥1 𝜌 𝜏 𝜌−1 𝒯 𝜌 𝐼𝒬 𝑝𝑥1 /𝑝𝐷 ˜𝑇 /𝜑˜𝑥 ) + 𝜒𝑊 𝐼𝒬 𝑥1 (4.103)
Erwartungsgem¨ aß gilt auch hier, dass der Faktorinhalt nur dann positiv ausf¨ allt, wenn im In- und Ausland Qualit¨ at nachgefragt wird.99 Ceteris paribus f¨ allt der importierte Faktorinhalt jedoch bei kapitalreichen L¨andern geringer aus und nimmt grunds¨ atzlich mit steigenden Handelskosten ab.100 Bei der Bestimmung des in der Produktion eingesetzten Faktorinhalts muss ber¨ ucksichtigt werden, dass nicht l¨ anger alle Firmen exportieren und 98 Vgl.
zur Berechnung Anhang A.8. 𝜏 = 1 gilt 𝜑 ˜𝑥 = 𝜑, ˜ 𝜒𝑊 = 1 und 𝒯 = 1, wodurch das Ergebnis bei friktionslosem Handel aus (4.83) repliziert werden kann. 100 Hier wird der tats¨ achlich im Inland konsumierte Faktorinhalt angegeben. Dieser ist aber nicht mit dem exportierten Faktorinhalt der anderen L¨ ander identisch, schließlich D EX, W geht ein Teil durch den Transport verloren, das heißt 𝑥IM, 1, FI = (1/𝜏 )𝑥1, FI . Es ist damit nicht u ohere Transportkosten dazu f¨ uhren, dass weniger im ¨berraschend, dass h¨ Land ankommt. 99 Bei
4.5 Kostspieliger Handel
233
demzufolge unterschiedlich viel produzieren werden.101 Im weiteren Verlauf werden aufgrund der Relevanz nur exportierende Unternehmen betrachtet, die ihren Umsatz sowohl im In- als auch im Ausland erzielen.102 Unter Verwendung von (3.45), (3.48), (3.63) und (3.67) kann die durchschnittliche Nachfrage dieser Firmen nach dem Vorprodukt bestimmt werden, ) AG(EX), 𝑇 𝜌−1 ( 1 + 𝜏 1−𝜌 Ω . = (𝜌 − 1)𝑓𝑝 (𝜑˜𝑥 /𝜑∗ ) (4.104) 𝑥 ˜1 Der Bedarf f¨ allt offensichtlich umso h¨ oher aus, je produktiver die Exportfirmen relativ zum Durchschnitt (beziehungsweise zur gerade noch produzierenden Firma) sind und je niedriger die Handelskosten ausfallen. Daneben ist aber auch die (relative) Gr¨ oße des ausl¨ andischen Marktes relevant, die sich aber mit steigenden Handelskosten relativiert.103 Auf den ersten Blick ist er unabh¨ angig vom Preis des Vorprodukts, aber wie (3.63) zeigt, ist der Gesamtumsatz (und damit der Bedarf am Vorprodukt) ein Vielfaches des Inlandsumsatzes, das heißt, h¨ ohere Transportkosten reduzieren den Multiplikator (der Preis der Variante steigt) und damit den Bedarf. Der durchschnittliche Faktorinhalt der Nachfrage der Konsumenten nach den Varianten der inl¨ andischen Exportunternehmen bestimmt sich aus der Nachfrage nach den Varianten (4.20) zusammen mit (3.45) sowie (4.93). Er ist gegeben durch ( )𝜌−1 𝛾𝐼 𝑇 𝜌 − 1 1 𝑝𝑥1 𝜑˜𝑥 NF(EX), 𝑇 = 𝐷𝒬 (4.105) 𝑥 ˜1 𝑝𝑥 1 𝜌 𝑀 𝑣 𝑝 𝐷 ˜𝑣 𝑥1 𝜑 und nimmt ab in der Anzahl der verf¨ ugbaren Varianten.104 Gleichwohl ist er umso h¨ oher, je h¨ oher die durchschnittliche Produktivit¨at der exportierenden Firmen im Vergleich zur Durchschnittsproduktivit¨at der verf¨ ugbaren Varianten ist, schließlich impliziert dies auch einen geringeren relativen 101 Im
Vergleich zu Autarkie/friktionslosem Handel werden die u ¨berlebenden unproduktiveren Firmen ihre Produktion einschr¨ anken, w¨ ahrend die exportierenden Unternehmen ihre Produktion deutlich ausweiten (vgl. hierzu etwa Melitz, 2003, FIGURE 2, S. 1715). 102 Bei friktionslosem Handel war eine derartige Unterscheidung nicht erforderlich. Da in diesem Szenario keine Separierung der Firmen stattfindet, schr¨ anken sich die unproduktiveren Firmen nicht ein, weshalb aufgrund der Faktormarktbeschr¨ ankung auch kein zus¨ atzlicher Platz f¨ ur produktivere Firmen geschaffen werden kann. 103 Bei friktionslosem Handel betr¨ agt Ω = 0, da der ausl¨ andische Markt auch den inl¨ andischen, unproduktiven Firmen offen steht. 104 Bei friktionslosem Handel (𝜏 = 1) w¨ 𝑊 𝑊, urde 𝑝𝐷 𝑥1 = 𝑝𝑥1 , 𝜒 = 1, das heißt 𝑀𝑣 = 𝑀 +𝑀 ˜𝑣 gelten, weshalb sich (4.105) zu (4.81) vereinfachen w¨ urde. Hier ist und 𝜑 ˜𝑥 = 𝜑 selbstverst¨ andlich auch keine Unterscheidung mehr zwischen exportieren und nichtexportierenden Firmen n¨ otig.
234
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
Preis der exportierenden Firmen. Dabei ist zu beachten, dass die Nachfrage in einem im Vergleich zu den Handelspartnern arbeitsreichen Land aufgrund der h¨ oheren Kosten des Vorprodukts geringer ausf¨allt als bei einem kapitalreichen Land. In Abh¨ angigkeit von der relativen Faktorausstattung des Landes kann dann der exportierte Faktorinhalt wieder als Differenz zwischen Faktorinhalt berechnet werden, ( angebotenem und nachgefragtem ) AG(EX), 𝑇 NF(EX), 𝑇 𝑇 −𝑥 ˜1 𝑥 ˜1 , und ist gegeben durch 𝜒𝑀 𝜒𝛾 𝜌 − 1 × 𝑝𝐷 𝜌 𝑥1 ( 𝑇 )2 ( )𝜌 ( )𝜌−1 ( ) 𝑊𝑇 𝑇 𝒯 𝜌 𝐼𝒬 1 + 𝜏 1−𝜌 Ω Ω 𝑝𝑥1 /𝑝𝐷 + 𝜒𝑊 𝐼𝒬 𝐼𝒬 𝜑˜𝑥 /𝜑˜𝑇 𝑥1 , )𝜌 𝜌−1 ( 𝑇 (𝜑 𝑊𝑇 𝑝𝑥1 /𝑝𝐷 𝜏 𝜌−1 𝒯 𝜌 𝐼𝒬 ˜𝑇 /𝜑˜𝑥 ) + 𝜒𝑊 𝐼𝒬 𝑥1 (4.106)
𝑇 𝑥EX, 1, FI =
𝑊 > 0, wobei er nur echt positive Werte annimmt, solange im Ausland (𝐼𝒬 105 at nachgefragt wird. Ω > 0) und im Inland (𝐼𝒬 > 0) Qualit¨ Eine genauere Betrachtung des importierten Faktorinhalts (4.103) und ¨ der exportierten Faktoren (4.106) zeigt große Ahnlichkeit mit dem im Abschnitt 2.1.3 diskutierten Gravitationsmodell.106 Insbesondere die Analyse der entsprechenden Ergebnisse bei friktionslosem Handel, (4.83) und (4.82), verweisen deutlich auf die Abh¨ angigkeit des Handelsvolumens von der Marktgr¨ oße der am Handel beteiligten L¨ ander. Allerdings ist im Unterschied zur klassischen Gravitationsgleichung das BIP der L¨ander nur im Grenzfall relevant, n¨ amlich dann, wenn alle Konsumenten Qualit¨at nachfragen (𝐼𝒬 = 𝐼). Damit ist dieses Modell in der Lage die Beobachtung von sogenannten zeros“, das heißt nicht vorhandenen, aber potentiell m¨oglichen Handels” str¨ omen (vgl. hierzu etwa Baldwin und Harrigan, 2007), zu erkl¨aren: Bereits mehrfach wurde darauf hingewiesen, dass ein bilateraler Austausch der Qualit¨ atsvarianten nur dann stattfindet, wenn in allen beteiligten Handels𝑊 > 0). Das bedeutet, partnern Bedarf an Qualit¨ at besteht (𝐼𝒬 > 0 und 𝐼𝒬 dass bei identischen Pr¨ aferenzen bei der Beobachtung von zeros zumindest eines der beiden L¨ ander u ugt ¨ber eine zu geringe Kapitalausstattung verf¨ und damit nicht sichergestellt wird, dass mindestens ein Individuum u ¨ber 105 Erneut
kann das Ergebnis bei friktionslosem Handel aus (4.82) repliziert werden (𝜏 = 1, 𝜑 ˜𝑥 = 𝜑, ˜ 𝜒 = 𝜒𝑊 = 1, 𝒯 = 1 und Ω = 0). 106 In der Analyse von Deardorff (1998) wird ebenfalls dargestellt, wie das Gravitationsmodell aus dem HOS-Modell abgeleitet werden kann.
4.5 Kostspieliger Handel
235
ein ausreichend hohes Einkommen verf¨ ugt. Wird der Kapitalbestand einer ¨ Okonomie als Indikator f¨ ur dessen Entwicklungsstand herangezogen, zeigt sich damit, dass letztlich ein gewisser Mindestentwicklungsstand“ erforder” lich ist, damit intra-industrieller Handel auftreten kann. Somit sollten zeros insbesondere in den Handelsbeziehung zu weniger entwickelten L¨andern, die generell keinen intra-industriellen Handel aufweisen werden, zu beobachten sein. Dabei spielt, wie die Analyse zeigt, die H¨ ohe des BIPs der L¨ander eine eher untergeordnete Rolle107 , da diese nicht die Pr¨aferenzen der Individuen ¨ (aber immerhin zum Teil den Entwicklungsstand der Okonomie) ber¨ ucksichtigen. Der daf¨ ur geeignete Indikator ist hier letztlich die Nachfrage nach den jeweiligen G¨ utern, wie sie in der Marktgr¨ oße beziehungsweise dem Einkommen der entsprechenden (𝒬-)Konsumenten zum Ausdruck kommt. Die Bedeutung des inl¨ andischen Marktes f¨ ur die Produktion (und den Export) von G¨ utern fasste schon Linder (1961, S. 88) zusammen: home market demand ” is necessary“. Gleichermaßen kann und muss dem nun nat¨ urlich hinzugef¨ ugt werden, dass f¨ ur den Export auch das Bestehen eines ausl¨andischen Marktes erforderlich ist. Entsprechend der Aussage des Gravitationsmodells f¨ uhrt auch hier die Integration von Handelskosten in (4.103) und (4.106) zu einer Reduktion des gehandelten Faktorinhalts.108 Allerdings zeigt dieses Modell gleichwohl, dass die Existenz von Transportkosten Effekte nach sich zieht, die ihrem negativen Einfluss entgegenwirken. Schließlich bewirkt die Produktivit¨atssteigerung der Firmen infolge der Separierung, dass die nun exportierenden Firmen produktiver sind, als sie es im Durchschnitt bei friktionslosem Handel w¨ aren. Je produktiver dabei die durchschnittliche exportierende Firma (relativ zum Gesamtdurchschnitt) ist, desto weniger stark fallen die Transportkosten ins Gewicht (und umso h¨ oher ist das Handelsvolumen). In der (empirischen) Handelsliteratur wird zudem oftmals zwischen dem intensive margin und dem extensive margin unterschieden. Der intensive margin bezeichnet das Handelsvolumen (wie viel wird exportiert) und der extensive margin die Vielfalt (wer exportiert/was wird exportiert) (Chaney, 2008, S. 1707). Es zeigt sich im vorliegenden Ansatz, dass sowohl der extensive als auch der intensive margin bei kapitalreichen L¨andern (tendenziell) 107 Als
besserer Indikator ist ohnehin das BIP pro Kopf geeignet. traditionellen Gravitationsmodell wird u aumliche Entfernung der ¨blicherweise die r¨ Handelspartner als Approximation f¨ ur die dadurch verursachten Handelskosten herangezogen. In der vorgestellten neoklassischen Analyse gibt es hingegen keine Entfernung zwischen den L¨ andern, da von Punkt¨ okonomien“ ausgegangen wird. Gleichfalls im” pliziert die Symmetrie der Kosten, dass alle L¨ ander gleich weit voneinander entfernt sind.
108 Im
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4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
h¨oher als bei arbeitsreichen L¨ andern ausfallen. Je kapitalreicher ein Land ist, desto gr¨ oßer ist der Qualit¨ atssektor beziehungsweise die Marktgr¨oße verglichen mit einem ansonsten identischen Land. Dies allein f¨ uhrt bereits zu einer Vergr¨ oßerung des Exportvolumens. An (4.106) ist zu erkennen, dass kapitalreiche L¨ ander wiederum mehr als arbeitsreiche L¨ander exportieren 𝑇 ). (in beiden F¨ allen zunehmend in 𝑘 beziehungsweise 𝐼𝒬 Als Beispiel f¨ ur diese empirische Literatur sei auf die Studie von Hummels und Klenow (2005) verwiesen, die feststellen, dass die Modellierung von Krugman (1979) – besser als etwa Armington (1969) – dazu geeignet ist, die Beobachtungen u ¨ber den intensive und extensive margin zu erkl¨aren. Allerdings ber¨ ucksichtigt die neue Außenhandelstheorie in ihrer Grundversion nicht, dass die Firmen nicht in alle L¨ ander exportieren und dass es Qualit¨ atsunterschiede in der Produktion der L¨ ander gibt. Hummels und Klenow (2005) regen daher eine theoretische Modellierung an, die einen Zusammenhang zwischen der Exportlandgr¨ oße und dem extensive margin herstellen. Einen solchen Ansatz bieten etwa Helpman et al. (2008), welche die zeros in einem Melitz-Modellrahmen dadurch erkl¨ aren, dass einige Firmen zwar produktiv genug sind in einige L¨ ander zu exportieren, aber nicht produktiv genug sind, um alle anderen L¨ ander zu bedienen.109 Dieser Ansatz richtet somit den Fokus auf eine rein angebotsseitige Erkl¨arung, von welcher der vorliegende Ansatz abweicht. W¨ ahrend eine zu Helpman et al. (2008) entsprechende Erweiterung des hier vorgestellten Modells um asymmetrische Handelskosten (die aufgrund der gleichen theoretischen Fundierung beider Modelle auf Melitz (2003) m¨ oglich ist) die Ergebnisse replizieren kann, ist die Aussage hier allgemeiner. Auch im vorliegenden Ansatz hat die Exportlandgr¨oße (potentiell) einen positiven Einfluss auf den extensive margin (ebenso auf den intensive margin), allerdings ist dieser erheblich von der Einkommensverteilung anh¨angig. Damit w¨ urde es bei einer Erweiterung der vorliegende Analyse auf mehr als eine differenzierte G¨ uterkategorie (𝑥2𝑗 ) dazu kommen, dass die relevante Marktgr¨ oße bei bestimmten Produkten aufgrund der Einkommensverteilung bei einigen Produkten null ist (und damit zeros vorliegen), w¨ahrend gleichzeitig bei anderen Kategorien ein Markt existieren kann (abh¨angig von der f¨ ur jeden Markt kritischen individuellen Kapitalausstattung). Eine Asymmetrie in den Transportkosten kann dadurch verst¨arkt oder abgeschw¨acht werden, das heißt, bei entsprechender Ausgestaltung der Pr¨aferenzen kann es trotz hoher Handelskosten zu einem G¨ uteraustausch kommen. 109 Selbstverst¨ andlich
unproduktiv sind.
besteht auch die M¨ oglichkeit, dass sie generell f¨ ur den Export zu
4.5 Kostspieliger Handel
237
Es zeigt sich auch, dass der Entwicklungsstand der L¨ander eine wichtige Rolle spielt, da kapitalreiche L¨ ander (potentiell) eher u ur den ¨ber eine f¨ (intra-industriellen) Handel notwendige Pr¨ aferenzstruktur verf¨ ugen und zus¨ atzlich ceteris paribus auch einen gr¨ oßeren Markt f¨ ur Qualit¨at aufweisen und damit auch mehr Varianten anbieten (extensive margin).110 Zudem ist im Export kapitalreicher L¨ ander der intensive margin gr¨oßer, da dessen Varianten aufgrund der geringeren Kosten f¨ ur das Vorprodukt, die es nicht importieren muss, g¨ unstiger sind. Dabei ist aber zu beachten, dass der exportierte Faktorinhalt gr¨ oßer als der importierte ausf¨allt, da durch den Transport ein Teil der Varianten verloren geht, )𝜌 [ ( )𝜌 ( 𝑇 𝑇 𝑥EX, 𝜒𝐼𝒬 𝑝𝑥 1 𝑝𝑥1 1, FI = 𝜏 𝒯 𝜌−1 Ω+ IM, 𝑇 𝐷 𝐷 𝑊 𝐼𝑊 𝑇 𝑝 𝑝 𝜒 𝑥1, FI 𝑥1 𝑥1 𝒬 (4.107) ] ( )𝜌−1 ( ) 𝜑˜𝑥 1−𝜌 1+𝜏 Ω . 𝜒𝒯 𝜑˜ Es ist zu erkennen, dass das Verh¨ altnis bei friktionslosem Handel gerade eins betragen w¨ urde, das heißt, dass der Faktorinhalt der Exporte dem Faktorinhalt der Importe entspricht – schließlich tr¨ agt der intra-industrielle Handel nicht zum Ausgleich der Faktorausstattungsunterschiede bei. Somit f¨ uhrt also der intra-industrielle Handel bei Vorliegen von Transportkosten dazu, dass die L¨ ander im Konsum kapital¨ armer werden. Ergebnis 4.6 (Handelskosten und intra-industrieller Handel) Ist der Handel nicht kostenlos m¨ oglich, dann weisen kapitalreiche L¨ ander im Vergleich zu arbeitsreichen L¨ andern sowohl mehr horizontalen als auch vertikalen intra-industriellen Handel auf. Je h¨ oher dabei die variablen Handelskosten ausfallen, desto weniger intra-industrieller Handel wird stattfinden.
Beweis Das Volumen des horizontalen intra-industriellen Handels ergibt sich wieder als die Summe der Faktorinhalte von Export und Import, ⎧ 𝑊 𝐼𝒬 (𝑘) + 𝐼𝒬 𝛾 𝑘 < 𝑘𝑊 ⎨ 𝜌𝜏 𝑝𝑥1 (4.108) 𝑉 hor = 𝑊 (𝑘) + 𝐼 𝜏 𝐼 𝒬 𝒬 𝑘 ≥ 𝑘 𝑊. ⎩𝛾 𝜌𝜏 𝑝𝑥1 110 Es
sei angemerkt, dass dies letztlich eine Folge der Annahmen ist, da zum einen der Sektor des intra-industriellen Handels kapitalintensiv ist und zum anderen die individuelle Kapitalausstattung erheblich das individuelle Einkommen bestimmt.
238
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
Das Handelsvolumen ist somit f¨ ur 𝑘 > 𝑘 𝑊 h¨ oher. Entsprechend zu (4.84) ist das Volumen des vertikalen intra-industriellen Handels gegeben durch
𝑉 ver
⎧ 𝛾𝐼(𝑘)/ (𝜏 𝑝𝑥1 ) )/ ( 𝑟𝐾 − 𝛽𝐼(𝑘) (𝜏 𝑝𝑥1 ) 𝛾𝐼(𝑘) − ⎨ 𝛼−𝛽 𝑇 = 𝑥1 = )/ ( 𝑟𝐾 − 𝛽𝐼(𝑘) − 𝛾𝐼(𝑘) 𝑝𝑥1 𝛼−𝛽 ⎩ (1 − 𝛾)𝐼(𝑘)/𝑝𝑥1
𝑘 < 𝑘𝑌𝑇 𝑘𝑌𝑇 ≤ 𝑘 < 𝑘 𝑊 𝑇 𝑘𝑊 < 𝑘 ≤ 𝑘𝑋 𝑇 𝑘 > 𝑘𝑋 .
(4.109)
Demnach wird vertikaler intra-industrieller Handel in kapitalreichen L¨andern ebenfalls ausgepr¨ agter sein. In beiden F¨ allen nimmt das Handelsvolumen jedoch in 𝜏 ab, wobei zu angen, das heißt, wie (4.94) sind sie beachten ist, das 𝐼𝒬 und 𝐼 von 𝑘 abh¨ abschnittsweise definiert und nehmen ebenfalls in 𝜏 ab. ⊓ ⊔
4.5.5 Auswirkungen einer Handelsliberalisierung und politischer Maßnahmen Im Folgenden sollen nun die Auswirkungen von Handelsliberalisierungen, wie sie im Zuge der Globalisierung zu beobachten sind/waren111 sowie einiger politischer Eingriffe untersucht werden. Die extremsten Effekte, die eine Reduktion der Transportkosten in Bezug auf die Handelsstruktur aus¨ uben k¨ onnen, treten dann ein, wenn der R¨ uckgang von einem urspr¨ unglich prohibitiven Niveau erfolgt, da f¨ ur 𝜏 < 𝜏˜ u uhrt ¨berhaupt erst Handelsbeziehungen aufgenommen werden. Generell f¨ eine Reduktion der Transportkosten zu einem Absinken der Produktionsschwelle 𝜑∗ ebenso wie der Exportschwelle 𝜑∗𝑥 . Aus Sicht der Firmen impliziert dies, dass einerseits neuen Firmen die M¨oglichkeit er¨offnet wird, in den Markt einzutreten, denen es unter den bisherigen Handelskosten nicht m¨ oglich war, und andererseits kann nun ein gr¨ oßerer Teil der (vorhandenen) Firmen exportieren. Weiterhin f¨ uhrt die Reduktion aus Sicht der gesamtwirtschaftlichen Produktion dazu, dass ein Land eher eine Spezialisierung 111 Vgl.
hierzu auch die Ausf¨ uhrungen in Abschnitt 2.2 und insbesondere auch Abschnitt 2.2.1.
4.5 Kostspieliger Handel
239
seiner Produktion anstrebt, sollte es u ¨ber eine relativ extreme Faktorreichlichkeit verf¨ ugen. Aus Sicht der Konsumenten f¨ uhrt der Abbau von Transportkosten generell zu einer Reduktion des Produktivit¨ atseffekts, allerdings werden im Gegenzug die anderen Effekte (Marktgr¨ oßeneffekt, Importeffekt und individueller Einkommenseffekt) ausgepr¨ agter. Da es zu einer verst¨arkten Angleichung der Faktorpreise kommt, nimmt das gesamtwirtschaftliche Einkommen zu, wenngleich einige Individuen nun st¨ arker verlieren, da diese u ¨berm¨ aßig u andisch knappen, aber weltweit reichlichen Faktor ¨ber den zwar inl¨ verf¨ ugen. Aus diesem Grund muss auch unterschieden werden, ob es sich um ein kapital- oder um ein arbeitsreiches Land handelt. Bei einem kapitalreichen Land f¨ allt der Marktgr¨ oßeneffekt st¨ arker aus, das heißt, es kommt aufgrund des Absinkens der individuellen Kapitalausstattungsschwelle ebenso wie der f¨ ur positives, gesamtwirtschaftliches Marktwachstum erforderlichen Ausstattung, zu einer Ausdehnung des Marktes f¨ ur Qualit¨at. Daher profitieren die entwickelten, kapitalreichen L¨ ander immer von einem Transportkostenr¨ uckgang. Bei arbeitsreichen L¨ andern ist die Situation allerdings nicht eindeutig. Ist die individuelle Kapitalaustattungsschwelle niedrig, so sind die gleichen qualitativen Effekte wie bei einem kapitalreichen Land zu beobachten, das heißt, es kommt zu einem Marktwachstum. Ist diese Schwelle aber hoch, so tritt der gegenteilige Effekt ein und der Markt schrumpft. Dies ist darauf zur¨ uckzuf¨ uhren, dass ein hohes Einkommen n¨ otig war, das dementsprechend eine hohe Kapitalausstattung erforderte, um eine Pr¨aferenz f¨ ur Qualit¨at aufzuweisen. Sinken die Transportkosten, so f¨ allt der Kapitalzins und damit das Kapitaleinkommen st¨ arker als das Arbeitseinkommen ansteigt, wodurch das Einkommen des Individuums abnimmt, sodass es keine Qualit¨at mehr nachfragt. Aus Sicht der Politik kann dies implizieren, dass sie – will sie einen Markt f¨ ur Qualit¨ at erhalten – einen Anreiz hat, die Transportkosten hoch zu halten, um eine st¨ arkere Faktorpreisangleichung zu verhindern (die aber nat¨ urlich das gesamtwirtschaftliche Einkommen erh¨ohen w¨ urde). Sind der positive Import- und Produktivit¨ atseffekt zudem gr¨oßer als der negative Markt- und individuelle Einkommenseffekt, ist sogar ein Marktwachstum gegen¨ uber Autarkie m¨ oglich (im Unterschied zu einer Reduktion bei friktionslosem Handel). Je mehr Kapital das Land aber akkumuliert, desto eher wird es auch aus Sicht des Marktes f¨ ur Qualit¨at vorteilhafter, die Transportkosten zu reduzieren. Eine Reduktion der Exportfixkosten f¨ uhrt zu einem R¨ uckgang der Ex-
240
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
portschwelle, der zu vermehrter ausl¨ andischer Konkurrenz und damit einem Anstieg der Produktionsschwelle f¨ uhrt.112 Zugleich gibt es keine Auswirkungen auf den Preis des Vorprodukts, weshalb hiervon keine Effekte auf die Marktgr¨ oße ausgehen. Auch haben einzig die Transportkosten Auswirkungen auf die individuelle Kapitalausstattungsschwelle. Den Effekt einer (alleinigen) Erh¨ ohung der Produktivit¨ atsschwelle zeigte Abbildung 4.3. Hier ist es unerheblich, ob das Land arbeits- oder kapitalreich ist, ein Anstieg der Produktivit¨ at senkt immer den relativen Preis und f¨ordert so die Entstehung der Pr¨ aferenzen f¨ ur Qualit¨ at. Wie sich w¨ ahrend der Analyse zeigte, kommt der Einkommens- beziehungsweise der Kapitalverteilung eine wichtige Rolle f¨ ur die Gr¨oße des Qualit¨ atsmarktes zu. Dementsprechend k¨ onnen Umverteilungsmaßnahmen, die der Staat durchf¨ uhrt, große Auswirkungen f¨ ur den intra-industriellen Handel nach sich ziehen, die nat¨ urlich je nach Faktorreichlichkeit unterschiedlich ausfallen. Ein vorausgegangener Anstieg der Einkommensungleichheit kann aufgrund zweier Ursachen erfolgt sein: Zum einen kann es Folge eines divergierenden Zuwachses der individuellen Kapitalausstattung sein und zum anderen kann es durch die Handelsaufnahme an sich beziehungsweise – bei bestehendem Handel – durch die Integration weiterer L¨ander, deren Faktorausstattung von den bestehenden Handelspartnern abweicht113 , die etwa im Falle eines kapitalreichen Landes das Kapitaleinkommen (zu Lasten des Lohneinkommens) erh¨ oht, verursacht worden sein. Somit kann eine Politikmaßnahme, die darauf abzielt, die Einkommensungleichheit zu verringern, entweder versuchen, das Kapital umzuverteilen oder das sich daraus ergebende Einkommen. Dabei nimmt die durch eine ungleiche Kapitalver¨ teilung induzierte Einkommensungleichheit beim Ubergang von Autarkie zu (friktionslosem) Handel in arbeitsreichen L¨ andern ab, wohingegen sie in kapitalreichen L¨ andern steigt, das heißt, dass im Prinzip nur in kapitalreichen L¨ andern der Anreiz bestehen sollte, das Einkommen umzuverteilen. Allerdings wird dadurch nur das Symptom und nicht die Ursache – die ungleichm¨ aßige Verteilung der Kapitalausstattung – bek¨ampft, die eigentlich adressiert werden sollte.114 112 Vgl.
hierzu auch Melitz (2003, S. 1718). ist zu beachten, dass dabei nur die Aufnahme des inter-industriellen Handels Auswirkungen auf das Faktoreinkommen hat, nicht aber der intra-industrielle Handel, der die Faktorausstattung unver¨ andert l¨ asst, vgl. Abschnitt 4.4.4. 114 Dies entspricht dem Targeting Principle von Bhagwati (1971, S. 77): When distortions ” have to be introduced into the economy [...] the optimal (or least-cost) method of doing this is to choose that policy intervention that creates the distortion affecting directly the constrained variable.“ 113 Es
4.5 Kostspieliger Handel
241
Die Reduktion der Einkommensungleichheit in arbeitsreichen L¨andern f¨ uhrt zu einer Verringerung der Marktgr¨ oße f¨ ur Qualit¨at und damit zu einer Verringerung des (potentiellen) intra-industriellen Handels (vgl. Ergebnis 4.5).115 Umgekehrt wird dadurch aber der intra-industrielle Handel in kapitalreichen L¨ andern gef¨ ordert. Eine Umverteilung von Kapital kann daher in kapitalreichen L¨ andern zu einem R¨ uckgang des intra-industriellen Handels f¨ uhren, w¨ ahrend er in arbeitsreichen L¨andern steigt. Es ist allerdings zu beachten, dass es in Bezug auf die Auswirkungen auf den intra-industriellen Handel bei einer Kapitalumverteilung entscheidend auf die Lage der individuellen Ausstattungsschwelle ankommt, ob eine Reduzierung (Erh¨ohung) der Ungleichheit, die Marktgr¨ oße erh¨ oht (reduziert)116 (vgl. hierzu Abbildung 4.2). Ceteris paribus lassen sich ferner folgende Punkte in Bezug auf den Entwicklungsstand der L¨ ander anmerken: Es ist davon auszugehen, dass in entwickelten (kapitalreichen) L¨ andern ein Großteil der Bev¨olkerung u ¨ber die Mindestkapitalausstattung verf¨ ugen wird, die notwendig ist, um das erforderliche Einkommen f¨ ur die Pr¨ aferenz von Qualit¨at zu generieren. Demgegen¨ uber muss in arbeitsreichen L¨ ander dieser Kapitalbestand erst aufgebaut werden, das heißt, nur dann, wenn eine hohe Ungleichverteilung vorliegt, sodass ein Großteil des Kapitals auf wenige Individuen verteilt ist, wird in diesen L¨ andern intra-industrieller Handel zu beobachten sein. Ist dabei das notwendige Einkommen 𝐼 ∗ sehr hoch, so muss in diesen L¨andern umso mehr Kapital aufgebaut werden, um den, als Folge der Handelsaufnahme eingetretenen, Verlust an Zinseinkommen zu kompensieren, das heißt, dass intra-industrieller Handel eventuell nur dann beobachtet werden kann, wenn die Ungleichheit weiter zunimmt. Insofern ist es somit eher ein schlechtes Zeichen, wenn intra-industrieller Handel bei arbeitsreichen L¨andern beobachtet wird, wohingegen er in kapitalreichen, entwickelten L¨andern keine eindeutige Aussagekraft bez¨ uglich der Kapitalverteilung entfaltet. Anzumerken ist hier allerdings, dass es nur bei sehr“ arbeitsreichen L¨andern, ” das heißt, die relative Arbeitsausstattung ist deutlich h¨oher als die der Handelspartner, definitiv ein schlechtes Zeichen in Bezug auf die Ungleichheit 115 Die
im Zuge des inter-industriellen Handels stattfindende Faktorpreisangleichung f¨ uhrt dazu, dass das Einkommen von Individuen mit hoher Kapitalausstattung in arbeitsreichen L¨ andern sinkt, wodurch intra-industrieller Handel potentiell reduziert wird – sofern die Pr¨ aferenz f¨ ur Qualit¨ at ein hohes Einkommen voraussetzt. 116 Zumal der Effekt selbstverst¨ arkend ist, das heißt, dass etwa eine Reduktion der Marktgr¨ oße zu einem Anstieg des relativen Preises f¨ ur Qualit¨ at f¨ uhrt, was wiederum zu einer Erh¨ ohung der individuellen Schwelle f¨ uhrt (und damit einer weiteren Reduktion des Marktes).
242
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
darstellt, wohingegen bei weniger“ arbeitsreichen L¨andern, das heißt, die ” relative Arbeitsausstattung ist nur ein wenig h¨ oher als die der Handelspartner, bereits gen¨ ugend Kapital vorhanden sein kann, um auch bei geringer Kapitalungleichheit intra-industriellen Handel zu erm¨oglichen (vgl. Fragmentierung/Wiederausfuhrhandel).
4.5.6 Zusammenfassung Das in diesem Kapitel entwickelte Modell stellt einen Zusammenhang zwischen der Struktur des Handels und dem Entwicklungsstand eines Landes beziehungsweise seiner Faktorausstattung her. Die Kernidee ist, dass es in¨ folge des inter-industriellen Handels zu einer Anderung der Einkommensstruktur kommt, die ihrerseits das Ausmaß des intra-industriellen Handels determiniert. Dabei unterscheiden sich Art und Umfang der Auswirkung je ¨ nach der relativen Kapitalausstattung (Kapital pro Arbeiter) der Okonomie, die als Indikator des ¨ okonomischen Entwicklungsstands verstanden wird. Aufbauend auf einem 2-Faktoren-2-G¨ uter-Modell wurde angenommen, dass im kapitalintensiven Sektor zwei G¨ uterarten erzeugt werden k¨onnen: ein normales Gut und ein Gut h¨ oherer Qualit¨at. Das normale Gut wird dabei von unterschiedlich produktiven Firmen zu differenzierten Varianten weiterverarbeitet. In Abh¨ angigkeit ihres Einkommens bevorzugen die Konsumenten entweder ausschließlich die normale oder die h¨oherwertige G¨ uterart (nicht-homothetische Pr¨ aferenzstruktur ). Das Einkommen der Konsumenten ist abh¨ angig von ihrer jeweiligen Kapitalausstattung, die ungleich u at). Da alle Kon¨ber die Individuen verteilt ist (Konsumentenheterogenit¨ sumenten u ugen, kann eine kritische ¨ber die gleiche Arbeitsausstattung verf¨ Kapitalausstattung bestimmt werden, die dasjenige Einkommensniveau erzeugt, ab dem das Individuum die h¨ ohere Qualit¨ at vorzieht. Das Einkommen derjenigen Konsumentengruppe, die h¨ ohere Qualit¨at bevorzugt, bestimmt die Marktgr¨ oße des Teilsektors f¨ ur Qualit¨ at und damit auch die Anzahl der dort aktiven Firmen. Abbildung 4.13 fasst die grunds¨atzliche Modellstruktur zusammen. Bei Aufnahme von Außenhandel wird sich das Einkommen aller Konsumenten infolge der Faktorpreisangleichung durch den inter-industriellen Handel ¨ andern. Das gesamtwirtschaftliche Einkommen des Landes wird unabh¨angig von seiner relativen Faktorausstattung im Vergleich zur Autarkiesituation immer ansteigen. Wie sich das Einkommen der Gruppe der Qualit¨ atskonsumenten durch die Aufnahme von Außenhandel ¨andert, h¨angt jedoch unter anderem davon ab, ob das Land kapital- oder arbeitsreich ist:
4.5 Kostspieliger Handel
243
Abbildung 4.13: Zusammenfassende Darstellung der Modellstruktur Angebotsseite Y
Nachfrageseite Arbeit Einkommen Konsumenten
Veredlung
x1
Kapital Präferenz abhängig vom Einkommen
x21
x22
x23
...
Ausgaben determinieren Marktgröße
Qualität (x2j)
Normal (x1)
Differenzierung
• Ist das Land kapitalreich – also eine Nation, die als entwickeltes Land u ohere Kapitalausstattung als seine Handelspartner ¨ber eine relativ h¨ verf¨ ugt – steigt das Einkommen der Qualit¨atskonsumenten immer. Gibt es bereits einen Markt f¨ ur Qualit¨ at, so wird dieser dadurch wachsen, andernfalls wird die Entstehung dieses Marktes beg¨ unstigt. Damit einhergehend kommt es zu einem Anstieg des Volumens des intra-industriellen Handels beziehungsweise seinem Erscheinen. • Ist das Land demgegen¨ uber arbeitsreich – also eine Nation, die als nur gering entwickeltes Land u ¨ber eine relativ geringere Kapitalausstattung als seine Handelspartner verf¨ ugt – ist unklar, ob die Qualit¨ atskonsumenten gewinnen oder verlieren und damit der Markt f¨ ur Qualit¨ at w¨ achst oder schrumpft. Dies h¨ angt damit zusammen, dass einerseits die kapitalreichsten (und damit einkommensst¨arksten) Individuen Einkommenseinbußen hinnehmen m¨ ussen, zugleich aber weniger kapitalreiche Individuen reicher werden und daher eventuell beginnen, Qualit¨ at nachzufragen. Kommt es zu einem Marktwachstum (einer Marktentstehung), wird der intra-industriellen Handel zunehmen (erscheinen), wohingegen er bei einem schrumpfenden (verschwindenden) Markt abnimmt (nicht mehr auftritt). • Ist der Handel nicht kostenlos m¨ oglich, so schw¨achen sich die Einkommenseffekte ab. Zugleich kommt es zu einer Separierung der Firmen
244
4 Analyse der Entwicklung der Handelsstruktur
im Teilsektor f¨ ur Qualit¨ at in exportierende und nicht-exportierende Firmen und damit zu einem Anstieg der durchschnittlichen Produktivit¨ at. Da sich der Preis der Qualit¨ atsvarianten aus der Produktivit¨at der Firmen ableitet und dieser Preis beeinflusst, ab welchem Einkommen ein Individuum die (teurere) Qualit¨ at nachfragt, kommt es zu einem marktvergr¨ oßernden Produktivit¨ atseffekt. Dieser Effekt wird im Falle eines arbeitsreichen Landes das (potentielle) Marktschrumpfen abschw¨ achen. Sofern eine Nachfrage f¨ ur Qualit¨ at sowohl im Land als auch bei seinen Handelspartnern besteht, kommt es zum Austausch der unterschiedlichen Produktvarianten zwischen den L¨ andern, das heißt, es findet intra-industrieller Handel mit horizontal differenzierten G¨ utern statt. Unterscheiden sich die L¨ ander zudem hinsichtlich ihrer relativen Faktorausstattung, findet zugleich sowohl intra-industrieller Handel in vertikal differenzierten G¨ utern als auch intra-industrieller Handel aufgrund von Fragmentierung statt: Der Austausch der Qualit¨ atsvarianten gegen die normale Variante im kapitalintensiven Sektor stellt sich aus Sicht der Konsumenten als Handel von zwei verschiedene Qualit¨ atsstufen dar. Aus Sicht der Produzenten ist die normale Variante das Vorprodukt der veredelten Qualit¨ atsvarianten und somit Handel von G¨ utern verschiedener Verarbeitungsstufen (vertikal desintegrierter Produktionsprozess, vgl. auch Abbildung 4.13). Zusammenfassend l¨ asst sich somit folgendes sagen: Das Ausmaß des intra-industriellen Handels h¨ angt von der Einkommensentwicklung der Qualit¨ atskonsumenten ab. Die Einkommen ¨ andern sich wiederum infolge der durch den inter-industriellen Handel induzierten Faktorpreis¨anderung, die ¨ vom Entwicklungsstand der Okonomie abh¨ angig ist. Da kapitalreichere L¨ander mehr intra-industriellen Handel als arbeitsreiche L¨ander aufweisen werden, wird impliziert, dass eine Entwicklung des Landes durch Kapitalakkumulation zu mehr intra-industriellem Handel f¨ uhrt. Dies erkl¨art, warum der intra-industrielle Handel erst in der j¨ ungsten Vergangenheit verst¨arkt beobachtet werden konnte.
5 Fazit Die vorliegende Abhandlung hatte sich die Aufgabe gestellt, einen Modellansatz zu entwickeln, der einen Zusammenhang zwischen dem Entwicklungsstand eines Landes und dessen Handelsstruktur aufzeigt und dabei insbesondere die folgenden drei Aspekte ber¨ ucksichtigt: • Ursachen des intra-industriellen Handels • Entwicklungsstand des Landes • Wechselbeziehung zwischen inter- und intra-industriellen Handel Dieses abschließende Kapitel soll im ersten Abschnitt aufzeigen, welche wesentlichen Schl¨ usse die Einbeziehung dieser Aspekte in die Betrachtung zul¨ asst. Im zweiten Abschnitt erfolgt eine Diskussion dar¨ uber, welcher Beitrag sich daraus f¨ ur die aktuelle Handelsliteratur ableiten l¨asst. Der letzte Abschnitt zeigt schließlich, an welchen Stellen weiterer Forschungsbedarf erforderlich ist beziehungsweise welche Grundlagen f¨ ur weitere Forschungsfragen gelegt wurden.
¨ 5.1 Wesentliche Ergebnisse im Uberblick Eingangs wurde aufgezeigt, dass der weltweite Warenhandel in den letzten Jahren einen erheblichen Bedeutungszuwachs erfuhr. Ein besonderes Ph¨ anomen das dabei verst¨ arkt in den Vordergrund trat, war die Zunahme des intra-industriellen Handels, das heißt der Austausch ¨ahnlicher Produkte innerhalb eines Sektors. Dementsprechend stellte sich die Frage, welche Ursachen diese Entwicklung haben kann und warum sie besonders in letzter Zeit zu beobachten war. Zun¨ achst wurde allgemein erl¨ autert, warum L¨ander Handel treiben und wie Art und Volumen des stattfindenden Handels erkl¨art werden k¨onnen. W¨ ahrend L¨ ander inter-industriellen Handel aufgrund ihrer – wie auch immer gearteten – komparativen Vorteile treiben, gibt es bei intra-industriellem Handel verschiedene Ursachen, je nachdem welche Sichtweise und welche Art des Handels zugrundegelegt wird: F. W. Bartholomae, Konsumentenheterogenität und Struktur des Außenhandels, DOI 10.1007/978-3-8349-7119-7_5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
246
5 Fazit
• Aus Produzentensicht kommt es zu intra-industriellem Handel, wenn G¨ uter verschiedener Verarbeitungsstufen getauscht werden. Es zeigt sich, dass dieser Handel auf die gleichen Ursachen wie der inter-industrielle Handel zur¨ uckgef¨ uhrt werden kann, da die einzelnen Produktionsschritte entsprechend der jeweiligen komparativen Vorteile auf die L¨ ander verteilt werden. Anders sieht es bei intra-industriellem Handel aus Konsumentensicht aus, da hier der intra-industrielle Handel durch die Produktdifferenzierung verursacht wird: • Bei horizontaler Produktdifferenzierung, das heißt, die G¨ uter unterscheiden sich hinsichtlich einiger Eigenschaften, entsteht intra-industrieller Handel (neben dem Vorliegen von Skalenertr¨agen auf Produktionsseite) aus dem Wunsch der Konsumenten nach Produktvielfalt – sei es, dass sie ein B¨ undel verschiedener Varianten konsumieren m¨ochten oder dadurch die Wahrscheinlichkeit steigt, dass sie ihre Idealvariante erhalten. • Bei vertikaler Produktdifferenzierung, das heißt, die Qualit¨at der G¨ uter unterscheidet sich, entsteht intra-industrieller Handel aufgrund der Einkommensungleichheit der Konsumenten und damit der unterschiedlichen Pr¨ aferenzstruktur – je h¨ oher ihr Einkommen, desto ausgepr¨ agter wird der Wunsch sein, h¨ ohere Qualit¨at zu konsumieren. Es gibt allerdings eine Reihe von M¨ oglichkeiten, wie intra-industrieller Handel auch ohne Produktdifferenzierung, das heißt bei funktional homogenen G¨ utern, beobachtet werden kann, wie etwa der Handel an L¨andergrenzen oder der Wiederausfuhrhandel. In diesen F¨ allen handelt es sich bei intra-industriellem Handel allerdings mehr um ein statistisches Artefakt als um ein eigenst¨ andiges Ph¨ anomen. Zus¨ atzlich kommt es auch gerade bei der empirischen Messung des intra-industriellen Handels entscheidend auf die korrekte statistische Klassifikation der Branchen an. ¨ Diese Uberlegungen legten nahe, alle aufgezeigten Dimensionen des intraindustriellen Handels zu betrachten, um die gesamte Bandbreite an Ursachen dieses Handelsph¨ anomens in die Analyse miteinzubeziehen. Insbesondere die Auswertung der aktuellen Literatur zeigt, dass zumeist der intraindustrielle Handel bei horizontaler Produktdifferenzierung im Fokus der Analyse steht, der nach g¨ angiger Meinung haupts¨achlich zwischen ¨ahnlichen L¨ andern zu beobachten ist. Es finden sich hier allerdings nur wenige
¨ 5.1 Wesentliche Ergebnisse im Uberblick
247
Hinweise zur Beantwortung der im ersten Kapitel aufgeworfenen zweiten Frage, inwieweit der Entwicklungsstand der L¨ ander eine Rolle spielt. Zur Kl¨ arung dieser Frage wurde in der vorgestellten Analyse die bestehende Literatur der neuen neuen Außenhandelstheorie“ um eine explizite ” Modellierung der Nachfrageseite erweitert, da nur hierdurch die unterschiedliche Pr¨ aferenzstruktur von L¨ andern verschiedener Entwicklungsstufen abgebildet werden kann und sich somit Hinweise daf¨ ur finden, welche Auswirkungen eine Entwicklung des Landes nach sich ziehen kann. Die Nutzenfunktion wurde dabei so spezifiziert, dass sie intra-industriellen Handel sowohl aufgrund horizontaler Produktdifferenzierung zul¨asst, das heißt, dass die Konsumenten einen Wunsch nach Produktvielfalt aufweisen (love of variety), als auch aufgrund vertikaler Produktdifferenzierung, das heißt, dass die Konsumenten abh¨ angig von ihrem Einkommen (nicht-homothetische Pr¨aferenzen) unterschiedliche Qualit¨ aten nachfragen. Die besondere Modellierung der Angebotsseite dahingehend, dass die einfache Variante zugleich auch das Vorprodukt der h¨ oherwertigen Varianten darstellt, erlaubt zus¨atzlich intraindustriellen Handel, der aus der Fragmentierung der Produktionsprozesse resultiert – urs¨ achlich hierf¨ ur sind allerdings nicht die in der bestehenden Literatur behandelten Faktorpreisunterschiede, sondern die dadurch erm¨oglichte Schaffung weiterer Produktvarianten. Da die Pr¨ aferenzen vom Einkommen der Individuen abh¨angen, determiniert das Gesamteinkommen des Landes zusammen mit dessen Verteilung die Pr¨ aferenzsstruktur. Das (Gesamt-)Einkommen ist wiederum abh¨angig vom Kapitalbestand des Landes, der zugleich den Entwicklungsstand widerspiegelt. Daraus ergeben sich zwei wesentliche Erkenntnisse: • Da der Kapitalbestand ungleich auf die Konsumenten aufgeteilt ist, divergieren die Einkommen zwischen den Individuen und es kommt zu einer Trennung der Konsumenten in zwei Gruppen: Die Gruppe der Qualit¨ atskonsumenten, die ausschließlich die h¨oherwertigen Varianten nachfragen und die Gruppe derjenigen, die nur die normale Variante nachfragen. Die Gruppenzugeh¨ origkeit wird dadurch bestimmt, ob das jeweilige Individuum u ugt, ¨ber eine bestimmte Menge an Kapital verf¨ sodass das Einkommen ausreichend hoch ist, um bei den gegebenen relativen Preisen Qualit¨ at nachzufragen. Hierdurch wird eine Endogenisierung der Marktgr¨ oße f¨ ur Qualit¨ at m¨ oglich, die wiederum festlegt, wie stark der intra-industrielle Handel ausgepr¨agt sein wird. Diese Konsumentenheterogenit¨ at ist somit ¨ahnlich zur Firmenheterogenit¨ at, wie sie von Melitz (2003) modelliert wurde. Diese Erweite-
248
5 Fazit
rung ist ein notwendiger weiterer Schritt in der theoretischen Auseinandersetzung mit diesem Ph¨ anomen: Die neue Außenhandelstheorie hat das Angebot von L¨ ander- auf Markt- und Firmenebene gebracht, jetzt muss gleichfalls die Betrachtung der Nachfrage von Landes- auf Konsumentenebene verlagert werden. • Je nach Entwicklungsstand des Landes, das heißt der relativen Kapitalausstattung des Landes, ist der intra-industrieller Handel unterschiedlich stark ausgepr¨ agt. Hier zeigt sich die mittelbare Auswirkung des inter- auf den intra-industriellen Handel u ¨ber die unterschiedlichen Einkommenseffekte, die dieser je nach Entwicklungsstand auf die Konsumenten aus¨ ubt: In entwickelten L¨ andern werden gerade diejenigen Konsumenten ein h¨ oheres Einkommen durch inter-industriellen Handel erzielen, welche die differenzierten G¨ uter/Qualit¨at nachfragen, wohingegen diese in weniger entwickelten L¨andern zu den Verlierern z¨ ahlen werden. Dabei spielt es allerdings eine eher untergeordnete Rolle wie ¨ahnlich sich die Handelspartner in ihrer Faktorausstattung/ihrem Entwicklungsstand sind, das heißt, es kann durchaus bei einigen L¨andern Spezialisierung vorliegen, um dennoch intra-industriellen Handel beobachten zu k¨ onnen. Sie m¨ ussen nur einen gewissen Mindestentwicklungsstand aufweisen, damit die Voraussetzungen f¨ ur einen Markt mit Produktdifferenzierung gegeben sind. Bezogen auf das einleitende Stufenmodell von Rostow (1990) scheinen daf¨ ur die beiden letzten Stufen, Entwicklung zur Reife“ und Zeitalter des Massenkonsums“, ” ” die notwendigen Voraussetzungen zu liefern. Der Bedeutungszuwachs des intra-industriellen Handels in den vergangenen Jahren kann so darauf zur¨ uckgef¨ uhrt werden, dass mehr und mehr L¨ander diese Entwicklungsstufen erreicht oder abgeschlossen haben. Auch die, je nach Entwicklungsstand, unterschiedliche Einkommensungleichheit, wie sie Kuznets (1955) beschreibt, in Verbindung mit dem hier postulierten Zusammenhang mit den Pr¨ aferenzen, deckt sich mit der Entwicklung des intra-industriellen Handels in den vergangenen Jahrzehnten.
5.2 Einordnung in die bestehende Literatur
249
5.2 Einordnung in die bestehende Literatur Welchen Beitrag leisten nun die gewonnenen Ergebnisse f¨ ur die in Kapitel 3 vorgestellte Handelsliteratur? Zur Beantwortung dieser Frage soll insbesondere aufgezeigt werden, wie sich die vorgestellte Modellierung von der betrachteten Literatur unterscheidet und welche neuen Aspekte im Besonderen ber¨ ucksichtigt wurden. Im Vergleich zu Mitra und Trindade (2005) (Abschnitt 3.2.1.2) wurde eine andere Modellierung der nicht-homothetischen Pr¨aferenzstruktur gew¨ahlt. Die Spezifikation der Pr¨ aferenzen von Mitra und Trindade (2005) bewirkte, dass trotz identischer relativer Faktorausstattung der Handelspartner inter industrieller Handel entsteht. Hingegen verwendete der vorliegende Ansatz eine Modellierung, in der sich die nicht-homothetische Struktur der Pr¨aferenzen auf das Ausmaß des intra-industriellen Handels auswirkt. Somit ist selbstverst¨ andlich auch bei Vorliegen einer identischen relativen Faktorausstattung der Handelspartner, die Beobachtung intra-industriellen Handels m¨ oglich, wenn die entsprechenden Anforderungen bez¨ uglich des Vorhandenseins eines Marktes f¨ ur Qualit¨ at erf¨ ullt sind. Insofern stimmt die vorliegen¨ de Analyse auch besser mit den Uberlegung von Linder (1961) u ¨berein, der schlussfolgerte, dass zum einen ohne einen vorhandenen inl¨andischen Markt ¨ (f¨ ur Qualit¨ at) keine Produktion erfolgt und zum anderen die (Ahnlichkeit der) Einkommensverteilung eine relevante Bestimmungsgr¨oße des intra-industriellen Handels darstellt. Dar¨ uber hinaus f¨ ugt sich das vorliegende Modell ebenfalls besser in den generellen HOS-Modellrahmen ein als Mitra und Trindade (2005) – schließlich ergibt sich das (Standard)-HOS-Modell gerade als Grenzfall. Die ebenso wie der vorgestellte Modellrahmen auf Melitz (2003) basie¨ renden Uberlegungen von Bernard et al. (2007) unterstellten Produktdifferenzierung in beiden Sektoren. Dabei bewirken die Faktorausstattungsunterschiede zwischen den L¨ andern, dass die Firmen im Sektor des jeweiligen komparativen Vorteils produktiver als im anderen Sektor sind. Der vorliegende Ansatz ist im Unterschied zu Bernard et al. (2007) n¨aher an Helpman und Krugman (1985), da nur in einem Sektor Produktdifferenzierung unterstellt wird, wohingegen im anderen Sektor ein homogenes Gut produziert wird. Die nicht-homothetischen Pr¨ aferenzen bewirken dazu, dass die zu be¨ obachtenden st¨ arkeren Anderungen in den Faktorpreisen einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung respektive Entstehung des intra-industriellen Handels leisten k¨ onnen. Aufgrund der getroffenen Annahme eines kleinen Landes gibt es zwar keine Unterschiede zwischen arbeits- und kapitalreichen L¨an-
250
5 Fazit
dern in Bezug auf die Produktions- und Exportschwelle, daf¨ ur k¨onnen aber Aussagen u ander getroffen werden, die bei Bernard et al. ¨ber spezialisierte L¨ (2007) nicht m¨ oglich sind – dies liegt daran, dass dort große, ¨ahnliche L¨ander betrachtet werden. Hingegen sind die unterschiedlichen Auswirkungen der Faktorausstattung ¨ ahnlich zu Bernard et al. (2007), sodass ein kapitalreiches Land besser in der Lage ist eine gr¨ oßere Produktdifferenzierung hervorzubringen (die im kapitalintensiven Sektor stattfindet). Die Analyse von Melitz und Ottaviano (2008), die eine Weiterf¨ uhrung beziehungsweise -entwicklung von Melitz (2003) darstellt, hebt die Bedeutung ¨ des Wettbewerbs st¨ arker hervor (wie auch die grundlegende Uberlegung von Krugman (1979)). Aus Gr¨ unden der besseren Beherrschbarkeit basiert diese Modellierung auf einer partialanalytischen Betrachtung. Der vorliegende Ansatz basiert zwar auf einem anderen Modellierungsansatz (allgemeine Gleichgewichtsanalyse), kann aber gleichfalls aufgrund der Pr¨aferenzstruktur Effekte durch die Marktgr¨ oßen¨ anderungen abbilden. Der Ansatz von Flam und Helpman (1987) modellierte, wie sich die L¨ander aufgrund von Produktivit¨ atsvorteilen auf unterschiedliche Segmente des Qualit¨ atsspektrums spezialisieren, wobei das Einkommen bestimmt, wie viel ein Individuum f¨ ur Qualit¨ at ausgibt. Demgegen¨ uber ergab sich in der vorliegenden Analyse der intra-industrielle Handel bei vertikaler Produktdifferenzierung aufgrund der Faktorausstattung des Landes (und damit auf der gleichen Basis wie in der Literatur u ¨blicherweise bei Fragmentierung), das heißt, dass technologische Unterschiede keine Rolle spielen. In beiden Analysen kommt dabei der Einkommensverteilung eine zentrale Rolle zu. Schließlich wurde der Ansatz von Davis (1995) diskutiert, der intra-industriellen Handel in einem HOS-Modell mit Hilfe eines differenzierten Gutes und Ricardo-Spezialisierung abbilden konnte. Die Ergebnisse der hier angestellten Analyse fallen in Bezug auf den Faktorpreisausgleichsbereich weniger drastisch aus als bei Davis (1995), was aber damit zusammenh¨angt, dass ein kleines Land untersucht wurde. Die Analyse hier ist in gewisser Hinsicht allgemeiner als die von Davis (1995), da zum einen mehr G¨ uter produziert werden k¨ onnen und zum anderen de facto nicht nur ein einziges Land in der Lage ist, die intra-industriellen Handelsg¨ uter zu produzieren. Obwohl Davis (1995) keine (explizite) Modellierung der Nachfrageseite vornimmt, unterstellt er doch, dass immer eine Nachfrage nach dem intra-industriellen Gut besteht – dies ist in der vorliegenden Analyse nicht immer der Fall. Insgesamt betrachtet, erweitert das vorliegende Modell die vorgestellte Handelsliteratur um Konsumentenheterogenit¨ at und eine ausf¨ uhrliche Betrachtung aller Arten des intra-industriellen Handels, wodurch es in der Lage
5.3 Ausblick und Forschungsbedarf
251
ist, einen Beitrag zur Erkl¨ arung zur Entstehung des intra-industriellen Handels zu liefern. Die Handelsaufnahme u ¨bt Effekte sowohl auf das individuelle als auch das gesamtwirtschaftliche Einkommen aus und diese stellen wiederum ihrerseits wichtige Bestimmungsgr¨ oßen f¨ ur die Handelsbeziehungen dar. Das individuelle Einkommen ist relevant, da dieses bestimmt, ob ein Individuum Qualit¨ at nachfragt, w¨ ahrend das gesamtwirtschaftliche Einkommen mitbestimmt, wie groß der Markt ist/sein kann und wie damit die Produktivit¨ at und damit das f¨ ur die Pr¨ aferenzen wichtige relative Preisverh¨altnis ausf¨allt.
5.3 Ausblick und Forschungsbedarf Um ein umfassenderes Verst¨ andnis der Entwicklung der Handelsstruktur zu erlangen, bietet es sich an, auf vorgelagerter Ebene mittels eines Wachstumsmodell den Aufbau des Kapitalbestands zu erkl¨aren. Dabei m¨ ussten die R¨ uckwirkungen ber¨ ucksichtigt werden, die sowohl aufgrund der Faktorausstattungs¨ anderung als auch der Handelsaufnahme, die Spar- und Konsumentscheidungen der Wirtschaftssubjekte beeinflussen. Es existiert hierzu eine Reihe von Ans¨ atzen, die eine dynamische Modellierung des HOS¨ Modells erm¨ oglichen: Beginnend bei Uzawa (1964), der grundlegende Uberlegungen in einem 2-Sektoren-Modell anstellt und Oniki und Uzawa (1965), die dies in den Handelskontext u ¨bertragen. Aktuellere Ans¨atze sind etwa Chen (1992) oder Bajona und Kehoe (2010), wobei auch diese Ans¨atze noch nicht die Auswirkungen von kostspieligem Handel ber¨ ucksichtigen. Werden Wachstumseffekte explizit ber¨ ucksichtigt, sollten sich zus¨atzliche interessante Wechselwirkungen auf die (inter-industrielle) Handelsstruktur ergeben, da es nicht in jeder Periode zum Faktorpreisausgleich kommen muss (Bajona und Kehoe, 2010). Eine wichtige Frage sollte hierbei auch sein, welchen Einfluss die Entwicklung auf die Einkommensverteilung aus¨ ubt. In der vorliegenden Arbeit wurde bewusst auf eine Integration von Wachstumsprozessen verzichtet, um die Analyse einfach zu halten und zun¨achst den Fokus rein auf die Wechselbeziehung zwischen Faktorausstattung, inter- und intraindustriellen Handel zu richten. Die Grundlagen, die diese Arbeit in Bezug auf die Modellierung der Konsumentenheterogenit¨ at legte und insbesondere die Identifikation relevanter Einkommens- beziehungsweise Ausstattungsschwellen, kann in der empirischen Literatur eine weitere M¨ oglichkeit darstellen, um die sogenannten zeros – nicht vorhandene, aber potentiell m¨ ogliche Handelsstr¨ome – in den
252
5 Fazit
Handelsbeziehungen besser erkl¨ aren zu k¨ onnen. Es k¨onnte hierzu u uft ¨berpr¨ werden, ob aufgrund von Einkommensunterschieden zwischen den Handelspartnern keine Nachfrage in den jeweiligen G¨ uterkategorien vorhanden ist. Auch kann getestet werden, ob sich durch eine Einkommens¨anderung, die sich infolge der Aufnahme oder Liberalisierung des inter-industriellen Handels ergibt, Auswirkungen auf die Sektoren des intra-industriellen Handels einstellen, das heißt diese Sektoren wachsen und das Volumen des intra-industriellen Handels zunimmt. Eventuell bietet es sich auch an, die derzeitige Entwicklung Chinas vor dem Hintergrund der hier postulierten Auswirkungen auf seinen intra-industriellen Handel zu beobachten. Generell empfiehlt es sich, die Konsumentenseite in Modellen der klassischen ebenso wie der neuen Außenhandelstheorie besser zu ber¨ ucksichtigen, da diese insbesondere in den Handelsbeziehungen zwischen entwickelten andern mindestens den Handel genauso stark – wenn nicht sogar st¨arker L¨ – beeinflussen als die komparativen Kostenvorteile in der Produktion.
A Anhang A.1 Empirische Relevanz von Skalenertr¨ agen Zahlreiche empirische Studien haben sich der Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Skalenertr¨ agen und intra-industriellem Handel gewidmet. Sie stellen dabei aber oftmals fest, dass das Vorliegen von Skalenertr¨ age diesen Handel nicht in der Weise beeinflusst (beziehungsweise urs¨ achlich daf¨ ur ist), wie es die theoretische Literatur nahelegt. Hierzu verweist Davis (1995, S. 202) auf diverse Studien die einen negativen Zusammenhang finden. So zeigen etwa Balassa und Bauwens (1987, S. 936, 938) in ihrer Untersuchung von 38 L¨ andern verschiedener Entwicklungsstufen und 152 Branchen eine signifikante negative Korrelation zwischen steigenden Skalenertr¨ agen und intra-industriellem Handel, obwohl sie eigentlich einen positiven Zusammenhang vermuteten (S. 927, Hypothese 3). Zuvor hatten bereits Loertscher und Wolter (1980, S. 287) ausgehend von der gleichen Hypothese bei der Untersuchung von Handelsdaten der OECD-L¨ ander einen negativen Zusammenhang festgestellt, den sie aber, wie auch Balassa und Bauwens (1987), mit Standardisierung zu erkl¨ aren versuchten.1 Ihrer Meinung nach stellt sich dieses Ergebnis schließlich dann ein, wenn die Branche generell durch steigende Skalenertr¨ age gekennzeichnet ist und gleichzeitig Produktdifferenzierung nur begrenzt m¨ oglich ist, wodurch nur wenige Anbieter am (Welt-)Markt aktiv sind und es folglich kaum zu intra-industriellem Handel kommen kann. Diese Hypothese vertritt auch Caves (1981, S. 211) und erh¨ alt den (vermuteten) negativen Zusammenhang zwischen Skalenertr¨ agen und dem Ausmaß an intra-industriellem Handel (S. 217). Auch Marvel und Ray (1987, S. 1279) schließen sich dieser Sichtweise an, argumentieren aber vehementer f¨ ur die Richtigkeit der inversen Korrelation zwischen intra-industriellem Handel und Skalenertr¨ agen. Schließlich spezialisieren sich die L¨ ander durch den Handel auf diejenigen Produktvarianten, in denen sie Expertise besitzen, wodurch der Zwang entsteht, die Produktion in nur einem Land durchzuf¨ uhren. Harrigan (1994, S. 324) verweist einerseits auf Probleme der Messung des intra-industriellen Handels mit Hilfe des Grubel-Lloyd-Index und andererseits auf die vielfachen M¨ oglichkeiten der Messung von Skalenertr¨ agen und der Schwierigkeit beziehungsweise Unm¨ oglichkeit die Substitutionselastizit¨ at der Nachfrage 1 Der
2
geringe 𝑅 -Wert von 0,070 (Loertscher und Wolter, 1980, S. 287) legt nach Leamer (1994, S. 87) jedoch nahe, dass bei Annahme auch nur geringer Messfehler, jedes Vorzeichenmuster denkbar w¨ are.
F. W. Bartholomae, Konsumentenheterogenität und Struktur des Außenhandels, DOI 10.1007/978-3-8349-7119-7, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
254
A Anhang
abzusch¨ atzen. Je nach gew¨ ahlter Modellspezifikation der vorgeschlagenen 16 Regressionen resultiert schließlich ein positiver oder negativer Zusammenhang zwischen den Skalenertr¨ agen und dem intra-industriellen Handel. Dennoch folgert er, dass Skalenertr¨ age f¨ ur diese Art des Handels von großer Bedeutung sind (Harrigan, 1994, S. 327). Einen positiven Zusammenhang erhalten wiederum Bergstrand (1983, S. 232) und Gavelin und Lundberg (1983, S. 188) f¨ ur den schwedischen bi¨ lateralen Handel. Tabelle A.1 gibt zusammenfassend einen Uberblick u ¨ber die betrachteten empirischen Studien und ihre Ergebnisse. Davis (1995, S. 202) kommentiert die Ergebnisse und insbesondere die Auffassung von Marvel und Ray (1987) dahingehend, dass ein gewisses Maß an Skalenertr¨ agen erforderlich ist, damit es zu Produktdifferenzierung und Handel kommen kann. Ein dar¨ uber hinausgehender Grad sollte jedoch das Ausmaß des intra-industriellen Handels unber¨ uhrt lassen und nur ab einer kritischen Schwelle, ab der die Skalenertr¨ age zu Konzentrationstendenzen in der Branche f¨ uhren, wie sie Loertscher und Wolter (1980) beschreiben, eine handelshemmende Wirkung entfalten.
Anmerkungen zu Tabelle A.1 (n¨ achste Seite): Messung gibt die Variablen an, mit denen versucht wurde, Skalenertr¨ age zu erfassen; Hypothese gibt die von den Studien vermutete Korrelation zwischen Skalenertr¨ agen und dem Ausmaß intra-industriellen Handels wieder und Ergebnis zeigt, den von den Sch¨ atzungen prognostizierten Zusammenhang. a basierend auf Hufbauer (1970, S. 178). b Harrigan (1994) f¨ uhrte insgesamt 16 Regressionen, davon vier zu jeder Proxy durch. Jede der vier zeigte den in der Tabelle wiedergegebenen Zusammenhang f¨ ur die jeweilige Proxy auf, lediglich bei der dritten Proxy wiesen zwar alle einen negativen Zusammenhang auf, aber nur zwei der vier Regressionen lieferten signifikante Ergebnisse.
Marvel und Ray (1987) Harrigan (1994)b
Gavelin und Lundberg (1983) Balassa und Bauwens (1987)
Bergstrand (1983)
Steigungskoeffizient einer logarithmischen Regression des Mehrwerts eines Arbeiters auf die Fabrikgr¨ oßea Mehrwert pro Betrieb
Finger und DeRosa (1978) Loertscher und Wolter (1980) Caves (1981)
wie Caves (1981) und Gesamtanteil der vier gr¨ oßten Firmen am Branchenoutput relativ zum Anteil der Importe am Branchenoutput Verh¨ altnis Kapital zu Arbeit Herfindahl-Hirschmann Index (Summe der quadrierten Marktanteile der Firmen in der Branche) Anteil der vier gr¨ oßten Firmen am Gesamtabsatz der Branche Preis abz¨ uglich der marginalen Kosten im Verh¨ altnis zu den Durchschnittskosten Durchschnittsabsatz pro Fabrik einer mittleren Gr¨ oße relativ zum Branchenabsatz
Verh¨ altnis von durchschnittlicher Gr¨ oße der gr¨ oßten Fabriken und dem Mehrwert pro Arbeiter in der kleinsten Fabrik relativ zum Mehrwert pro Arbeiter in der gr¨ oßten Fabrik Produkt aus dem Anteil des Handels zwischen den betrachteten L¨ andern in einer Produktkategorie einer Branche und dem Produktionsfunktionskoeffizient der Produktkategorie in der Branche Anteil der Besch¨ aftigung in großen Fabriken
Messung
Studie
Negativ Positiv Positiv Negativ Positiv
Positiv Positiv Positiv
Negativ Negativ Positiv
Positiv
Positiv
Positiv
Positiv
Positiv
Negativ
Negativ
Positiv Negativ
Negativ
–
Korrelation Hypothese Ergebnis
Tabelle A.1: Empirischer Zusammenhang zwischen steigenden Skalenertr¨ agen und intra-industriellem Handel
A.1 Empirische Relevanz von Skalenertr¨ agen 255
256
A Anhang
A.2 Gleichgewichtspreise bei Autarkie Der gleichgewichtige relative Preis bei Autarkie muss sicherstellen, dass alle G¨ uterund Faktorm¨ arkte ger¨ aumt sind. Dies ist dann der Fall wenn der Produktionsplan dem Konsumplan entspricht, das heißt, dass die Grenzrate der technischen Substitution (beziehungsweise Grenzrate der Transformation) gleich der Grenzrate der Substitution ist. Die Grenzrate der Substitution bestimmt sich aus dem Maximierungskalk¨ ul der Konsumenten. Der entsprechende Lagrange-Ansatz stellt sich dar als ℒ = 𝑈 (𝑋, 𝑌 ) − 𝜆(𝑝𝑋 𝑋 + 𝑝𝑌 𝑌 − 𝐼),
(A.1)
wobei 𝑈 (𝑋, 𝑌 ) = 𝑋 𝛾 𝑌 1−𝛾 . Bei dieser Cobb-Douglas-Spezifikation der Nutzenfunktion ergibt sich als Konsumoptimum 𝑝𝑋 𝛾𝑌 . = (1 − 𝛾)𝑋 𝑝𝑌
(A.2)
Die Grenzrate der Transformation lautet allgemein ∂𝑋/∂𝑌 .
(A.3)
Zur Bestimmung der Transformationskurve aus den Produktionsfunktionen muss die Bedingung ber¨ ucksichtigt werden, dass die Grenzraten der technischen Substitution in beiden Sektoren gleich sein m¨ ussen, um eine effiziente Allokation der Faktoren auf die Sektoren zu gew¨ ahrleisten. Ferner muss die Bedingung der Vollbesch¨ aftigung erf¨ ullt sein, um den effizienten Rand zu bestimmen. Es ergeben sich demnach folgende Bedingungen (auch unter Zuhilfenahme des impliziten Funktionentheorems): ∂𝑌 /∂𝐾𝑌 ∂𝑋/∂𝐾𝑋 = ∂𝑋/∂𝐿𝑋 ∂𝑌 /∂𝐿𝑌
(A.4)
𝐾𝑋 + 𝐾 𝑌 = 𝐾
(A.5)
𝐿𝑋 + 𝐿𝑌 = 𝐿
(A.6)
Mit Hilfe dieser Bedingungen ist es m¨ oglich, beide Produktionsfunktionen in Abh¨ angigkeit von nur einem eingesetzten Faktor, wie etwa dem Arbeitseinsatz im 𝑋-Sektor, zu bestimmen, [ ]𝛼 𝐾𝐿𝑋 𝛼(1 − 𝛽) (A.7) 𝑋(𝐿𝑋 ) = 𝐴𝑋 𝐿1−𝛼 𝑋 𝐿(1 − 𝛼)𝛽 + 𝐿𝑋 (𝛼 − 𝛽) [ ]𝛽 𝐾(𝐿 − 𝐿𝑋 )(1 − 𝛼)𝛽 . (A.8) 𝑌 (𝐿𝑋 ) = 𝐴𝑌 (𝐿 − 𝐿𝑋 )1−𝛽 𝐿(1 − 𝛼)𝛽 + 𝐿𝑋 (𝛼 − 𝛽) ost werden und in die andere eingeNun m¨ usste eine Gleichung nach 𝐿𝑋 aufgel¨ setzt werden. Dies ist allerdings nicht explizit m¨ oglich, daher ist die Gleichung
A.2 Gleichgewichtspreise bei Autarkie
257
der Transformationskurve lediglich implizit gegeben. Es ist jedoch m¨ oglich die Steigung und damit das Preisverh¨ altnis im Gleichgewicht zu bestimmen. Zun¨ achst wird die Grenzrate der Transformation in Abh¨ angigkeit von 𝐿𝑋 , also dem Arbeitseinsatz im 𝑋-Sektor, bestimmt, [ ]𝛽 𝐾(𝐿 − 𝐿𝑋 )(1 − 𝛼)𝛽 (1 − 𝛽)𝐴𝑌 (𝐿 − 𝐿𝑋 )−𝛽 𝐿(1 − 𝛼)𝛽 + 𝐿𝑋 (𝛼 − 𝛽) [ ]𝛼 . GRT(𝐿𝑋 ) = 𝐾𝐿𝑋 𝛼(1 − 𝛽) −𝛼 (1 − 𝛼)𝐴𝑋 𝐿𝑋 𝐿(1 − 𝛼)𝛽 + 𝐿𝑋 (𝛼 − 𝛽)
(A.9)
Ebenso kann die Grenzrate der Substitution in Abh¨ angigkeit von 𝐿𝑋 formuliert werden, [ ]𝛽 𝐾(𝐿 − 𝐿𝑋 )(1 − 𝛼)𝛽 𝛾𝐴𝑌 (𝐿 − 𝐿𝑋 )1−𝛽 𝐿(1 − 𝛼)𝛽 + 𝐿𝑋 (𝛼 − 𝛽) [ ]𝛼 . GRS(𝐿𝑋 ) = 𝐾𝐿𝑋 𝛼(1 − 𝛽) 1−𝛼 (1 − 𝛾)𝐴𝑋 𝐿𝑋 𝐿(1 − 𝛼)𝛽 + 𝐿𝑋 (𝛼 − 𝛽)
(A.10)
Im Gleichgewicht muss die Bedingung GRT = GRS erf¨ ullt sein. Dies wird schließlich u ¨ber den Relativpreis im Gleichgewicht sichergestellt, da die Wirtschaftssubjekte zur Nutzen- beziehungsweise Gewinnmaximierung ihren Konsum- beziehungsweise Produktionsplan den vorherrschenden Preisen anpassen werden, das heißt GRS = 𝑝𝑋 /𝑝𝑌 und GRT = 𝑝𝑋 /𝑝𝑌 . Werden diese Bedingungen nach 𝐿𝑋 aufgel¨ ost und gleichgesetzt, ergibt sich der gleichgewichtige relative Preis, 𝐴𝑌 𝛽 𝛽 (1 − 𝛽)1−𝛽 𝑝𝑋 = 𝑝𝑌 𝐴𝑋 𝛼𝛼 (1 − 𝛼)1−𝛼
[
𝛼𝜏 + (1 − 𝜏 )𝛽 𝐿 𝐾 (1 − 𝛼)𝜏 + (1 − 𝛽)(1 − 𝜏 )
]𝛼−𝛽 .
(A.11)
Mit Hilfe von (A.11) lassen sich dann weitere, wichtige Gr¨ oßen des Modells im Autarkiezustand ermitteln. So ergibt sich der Faktorinhalt der produzierten G¨ uter (und damit auch der konsumierten und gehandelten G¨ uter) als
𝐾𝑋
1 [ ( )𝛽(𝛼−1) ( )(𝛼−1)(1−𝛽) ] 𝛽−𝛼 𝛽 1−𝛽 𝛼 1−𝛽 𝛼−1 = 𝑚 𝑋 = 𝑚𝑋 𝑝 𝑋 𝑝 𝑌 𝑟 𝛼 1−𝛼
[
𝐿𝑋 = 𝑚𝑋
1−𝛼 𝛼 = 𝑚𝑋 𝑝−𝛽 𝑋 𝑝𝑌 𝑤
(
1−𝛽 1−𝛼
)𝛼(1−𝛽) ( )𝛼𝛽 𝛽 𝛼
]
(A.12) 1 𝛽−𝛼
(A.13)
258
A Anhang 1 [ ( )𝛼(𝛽−1) ( )(𝛼−1)(1−𝛽) ] 𝛽−𝛼 𝛽 1−𝛽 𝛽 1−𝛽 𝛼−1 𝐾𝑌 = 𝑚𝑌 = 𝑚𝑌 𝑝𝑋 𝑝𝑌 𝑟 𝛼 1−𝛼
[
𝐿𝑌 = 𝑚𝑌
1−𝛽 𝛼 = 𝑚𝑌 𝑝−𝛽 𝑋 𝑝𝑌 𝑤
(
1 )𝛽(1−𝛼) ( )𝛼𝛽 ] 𝛽−𝛼 1−𝛽 𝛽 . 1−𝛼 𝛼
(A.14) (A.15)
¨ Aus der Bedingung der Vollbesch¨ aftigung lassen sich dann die von der Okonomie produzierten Werte errechnen, ⎡ [ 1 ( )𝛽(𝛼−1) ( )(𝛼−1)(1−𝛽) ] 𝛼−𝛽 𝑝1−𝛽 𝛼(1 − 𝛽) ⎣ 𝛽 1−𝛽 𝑋 𝑚𝑋 = − 𝐾 1−𝛼 𝛼−𝛽 𝛼 1−𝛼 𝑝𝑌 (A.16) 1 ⎤ [ ( )𝛼−𝛽+𝛼𝛽 ( )𝛽(1−𝛼) ] 𝛼−𝛽 𝑝𝛼 𝛽 1−𝛽 𝑌 ⎦ 𝐿 𝛽 1−𝛼 𝑝𝑋 𝛼 ⎡ [ 1 ( )𝛼𝛽 ( )𝛽(1−𝛼) ] 𝛼−𝛽 𝑝𝛼 𝛼(1 − 𝛽) ⎣ 𝛽 1−𝛽 𝑦 𝑚𝑌 = − 𝐿 𝛽 𝛼−𝛽 1−𝛼 𝑝𝑋 𝛼 (A.17) 1 ⎤ [ ( )𝛽(𝛼−1) ( )𝛽(2−𝛼)−1 ] 𝛼−𝛽 𝑝1−𝛽 𝛽 1−𝛽 𝑥 ⎦. 𝐾 1−𝛼 𝛼 1−𝛼 𝑝𝑌 aire, so kann der GleichgewichtsW¨ ahlt man den Preis von Gut 𝑌 , 𝑝𝑌 , als Numer´ preis in die obigen Gleichungen eingesetzt werden, um die in Autarkie produzierten ¨ Mengen zu errechnen. Bei der Betrachtung einer autarken Okonomie spielt der Di¨ versifikationskegel keine Rolle, da eine Okonomie sich nicht außerhalb ihres Kegels befinden kann.
A.3 Nachfrage bei CES-Nutzenfunktionen Die folgende Berechnung basiert auf Baldwin et al. (2003, S. 38f.). Die diskrete CES-Nutzenfunktion (Spence, 1976, S. 226; Dixit und Stiglitz, 1977, S. 298) ist gegeben durch ( 𝑈=
𝑛 ∑
)1/𝜁 𝑥𝜁𝑖
,
(A.18)
𝑖=1
wobei 1/(1−𝜁) = 𝜌 die Substitutionselastizit¨ at der Nachfrage ist und 𝑛 die Anzahl aller Produktvarianten von 𝑥. Wird ein Kontinuum an G¨ utern betrachtet, so stellt
A.3 Nachfrage bei CES-Nutzenfunktionen
259
sich die Nutzenfunktion dar als )1/𝜁 (∫ 𝑛 𝑥𝜁𝑖 𝑑𝑖 . 𝑈=
(A.19)
Aus dem Optimierungskalk¨ ul ∫ 𝑛 max 𝑈 u. d. Nb. 𝑝𝑖 𝑥𝑖 𝑑𝑖 ≤ 𝐼,
(A.20)
𝑖=1
𝑖=1
wobei 𝑝𝑖 der Preis von Variante 𝑥𝑖 und 𝐼 das verf¨ ugbare Budget bezeichnen, ergibt sich der Lagrangeansatz (∫ ℒ=
𝑛 𝑖=1
𝑥𝜁𝑖 𝑑𝑖
)1/𝜁
(∫ −𝜆
𝑛 𝑖=1
) 𝑝𝑖 𝑥𝑖 𝑑𝑖 − 𝐼
.
(A.21)
Die Bedingungen erster Ordnung im Hinblick auf jede Variante 𝑥𝑗 sind dann im Optimum gegeben durch (
𝑈 𝑥𝑗
)1−𝜁
= 𝜆𝑝𝑗 .
(A.22)
ur diese ProAufl¨ osen nach 𝑥𝑗 und Multiplikation mit 𝑝𝑗 ergibt die Ausgaben f¨ duktvariante, ( ) 1 𝜁−1 𝑈. 𝑝𝑗 𝑥𝑗 = 𝜆𝑝𝜁𝑗
(A.23)
Die Aufsummierung aller Ausgaben muss dem Budget entsprechen. Daraus l¨ asst sich schließlich der Lagrange-Parameter errechnen, ( 𝜆=
𝑈 𝐼
∫
𝑛 𝑗=1
)1−𝜁 𝜁 𝑝𝑗𝜁−1 𝑑𝑗 .
(A.24)
Einsetzen in (A.22) liefert schließlich die Nachfrage nach 𝑥𝑗 , 1
𝑥𝑗 =
∫𝑛
𝐼𝑝𝑗𝜁−1 𝜁
bzw.
𝑝 𝜁−1 𝑑𝑖 𝑖=1 𝑖
𝑥𝑗 = ∫ 𝑛
𝐼𝑝−𝜌 𝑗
𝑖=1
𝑝1−𝜌 𝑑𝑖 𝑖
.
(A.25)
Der Preisindex dieser Nutzenfunktionen ist definiert als (Baldwin et al., 2003, S. 38) (∫ 𝑃 =
𝑛 𝑖=1
𝜁
𝑝𝑖𝜁−1 𝑑𝑖
) 𝜁−1 𝜁
(∫ bzw.
𝑃 =
𝑛 𝑖=1
𝑝1−𝜌 𝑑𝑗 𝑖
)
1 1−𝜌
(A.26)
260
A Anhang
und wird auch als perfekter Preisindex der Teilbranche bezeichnet, da er die Ausgaben direkt in Nutzen u agt.2 Werden alle Preise gleichgesetzt, 𝑝𝑖 = 𝑝, so kann ¨bertr¨ gezeigt werden, dass der Nutzen in der Anzahl der Produktvarianten zunimmt (love of variety). Nach (A.25) wird dann von jeder Variante 𝐼/(𝑛𝑝) konsumiert ohung und es ergibt sich ein Gesamtnutzen von 𝑈 = 𝑛(1−𝜁)/𝜁 𝐼/𝑝. Aus einer Erh¨ von 𝑛 resultiert damit eine Zunahme der individuellen Wohlfahrt.
A.4 Faktorausstattung, Einkommen, Kapitalausstattungsschwelle A.4.1 Faktorausstattung und individuelles Einkommen
) ( Das Einkommen eines Individuums 𝐼𝑖 𝑘, 𝑘𝑖 ist eine konvexe Funktion von 𝑘. Ein uhrt somit immer zu einer Zunahme prozentual gleicher Anstieg von 𝑘 und 𝑘𝑖 f¨ ¨ deutlich kapitalreicher als das einzelne Individuum, das von 𝐼𝑖 . Ist die Okonomie angig davon, ob seine eigene heißt 𝑘 ≫ 𝑘𝑖 , wird das Individuum reicher, unabh¨ Kapitalausstattung ebenfalls steigt. Beweis Die Entlohnungen f¨ ur Kapital (4.33) und Arbeit (4.34) k¨ onnen unter angigkeit von der KapitalVerwendung von (4.37) mit 𝑝𝑦 = 1 bei Autarkie in Abh¨ reichlichkeit 𝑘 des Landes formuliert werden,3 ( )1−𝛽 1 𝑟 = 𝐴𝑌 ℬ 𝒞 (A.27) 𝑘 ( )−𝛽 1 . (A.28) 𝑤 = 𝐴𝑌 ℬ 𝒞 𝑘 Das individuelle Einkommen, wie es in (4.5) bestimmt wurde, l¨ asst sich dadurch umformen zu ( )𝛽 ( ) 𝑘 𝑘𝑖 𝐼𝑖 (𝑘, 𝑘𝑖 ) = 𝐴𝑌 ℬ 1+𝒞 . (A.29) 𝒞 𝑘 Eine Erh¨ ohung von 𝑘 erh¨ oht den Multiplikator (𝑘/𝒞)𝛽 , senkt aber zugleich die ¨ andert bleibt. Andern sich 𝑘 und 𝑘𝑖 um den gleichen proSumme, sofern 𝑘𝑖 unver¨ zentualen Betrag, so bleibt die Summe unver¨ andert, der Multiplikator steigt und das individuelle Einkommen nimmt zu. 2𝑃
is called a ‘perfect’ price index since it translates expenditures, [𝐼], into utility; this ” is useful in many situations since it equates real income with utility.“ (Baldwin et al., 2003, S. 38). 3 Es ist zu beachten, dass die Annahme eines Num´ eraire-Gutes die Analyse vereinfacht, aber die abgeleiteten Ergebnisse quantitativ beeinflusst. Die qualitativen Resultate bleiben allerdings in jedem Fall g¨ ultig.
A.4 Faktorausstattung, Einkommen, Kapitalausstattungsschwelle
261
¨ ¨ Bezeichnet 𝜂 > 0 die Anderung der Kapitalreichlichkeit und 𝜂𝑖 > 0 die Anderung der individuellen Kapitalausstattung, dann ¨ andert sich das Einkommen um 𝐼𝑖 (𝜂𝑘, 𝜂𝑖 𝑘𝑖 ) 𝜂𝑘 + 𝜂𝑖 𝒞𝑘𝑖 = 1−𝛽 . 𝐼𝑖 (𝑘, 𝑘𝑖 ) 𝜂 (𝑘 + 𝒞𝑘𝑖 )
(A.30)
Sofern dieser Ausdruck gr¨ oßer als eins ist, nimmt das Einkommen zu. F¨ ur 𝜂 = 𝜂𝑖 andert sich das Einkommen um 𝜂 𝛽 , das heißt, bei Anstieg der Kapitalausstat¨ ¨ erfolgt tungen (𝜂 = 𝜂𝑖 > 1) steigt das Einkommen (𝜂 𝛽 > 1). Die Anderung unterproportional, da sich nur die individuelle Kapitalausstattung bei gleichbleiagung der Parameter gibt es bender Arbeitsausstattung ¨ andert.4 Je nach Auspr¨ ein 𝜂𝑖 (< 𝜂) > 1, ab dem das Einkommen gerade steigt, da der positive Einkommenseffekt aus der h¨ oheren Entlohnung von Arbeit den R¨ uckgang des Kapitaleinkommens (¨ uber-)kompensiert. An (A.30) l¨ asst sich erkennen, dass die (urspr¨ ungliche) relative Kapitalreichlich¨ keit des Individuums ebenfalls Auswirkungen auf die Anderung des individuellen Einkommens aus¨ ubt. Verf¨ ugt das Individuum etwa u ¨ber keine Kapitalausstattung, ¨ andert sich sein Einkommen immer entsprechend der Anderung der Ka𝑘𝑖 = 0, ¨ pitalreichlichkeit um 𝜂 𝛽 . Aus der Bedingung erster Ordnung von (A.29) in Bezug auf 𝑘 l¨ asst sich schließlich bestimmen, bis zu welcher relativen individuellen Kapitalausstattung das Individuum unabh¨ angig von den Zuw¨ achsen (𝜂 = 𝜂𝑖 > 1) immer profitiert, 𝛽 1 𝑘𝑖 < . 𝑘 1−𝛽 𝒞
(A.31)
Ist diese Bedingung erf¨ ullt, so profitiert das Individuum immer von einer Erh¨ ohung der Kapitalreichlichkeit des Landes, selbst dann, wenn es nicht am Kapitalzuwachs ⊔ partizipiert, 𝜂 > 𝜂𝑖 = 1. ⊓
A.4.2 Kapitalausstattungsschwelle und Kapitalreichlichkeit Bei gleichm¨ aßiger Aufteilung der Kapitalausstattungs¨ anderung folgt in Autarkie die Entwicklung der kritischen Kapitalausstattung der Entwicklung der Kapitalreichlichkeit. Beweis Aufgrund der Symmetrie wird nur der Fall einer Kapitalzunahme unterasst sich die sucht. Aus (4.8), 𝜃(𝑘𝑖 ) = 𝑃𝑥2 /𝑝𝑥1 zusammen mit (4.39) und (A.29) l¨ 4 Entsprechend
tion.
dem abnehmenden Grenzertrag bei der Cobb-Douglas-Produktionsfunk-
262
A Anhang
Funktion 𝑘𝑖∗ (𝑘) implizit bestimmen,5 [
( )𝛽 ( )] 𝑘 𝑘∗ 1+𝒞 𝑖 = 𝒞 𝑘 [ ]1/(1−𝜌) 𝜌 1 𝛾𝐴𝑌 ℬ [𝜎𝐾 (𝑘𝑖∗ , 𝑘) 𝐾 + 𝒞𝐾𝒬 (𝑘𝑖∗ , 𝑘)] /𝑝𝑥1 . = 𝜌 − 1 𝜑∗ 𝒞 𝛽 𝑘1−𝛽 𝑓𝑝 𝜌
𝜃 𝐴𝑌 ℬ
(A.32)
Die linke Seite repr¨ asentiert die Pr¨ aferenz f¨ ur Qualit¨ at eines Konsumenten mit der kritischen Kapitalausstattung. Wie in Anhang A.4.1 gezeigt wurde, kann das Einkommen bei steigender Kapitalreichlichkeit sowohl zu- als auch abnehmen. Ein ohung von 𝜃 und damit eine Abnahme steigendes Einkommen6 impliziert eine Erh¨ altvon 𝑘𝑖∗ bei konstanten Preisen. Die rechte Seite zeigt das relative Preisverh¨ nis, das wiederum von der (realen) Marktgr¨ oße f¨ ur Qualit¨ at beziehungsweise der Anzahl der aktiven Firmen abh¨ angig ist. Bei einer prozentual gleichm¨ aßigen Aufteilung des Kapitalzuwachses nimmt der Einkommensanteil, der f¨ ur Qualit¨ at ausgegeben wird, zu, wodurch die Firmenanzahl insgesamt steigt. Dies f¨ uhrt zu einem sinkenden relativen Preis f¨ ur Qualit¨ at und damit einer Abnahme von 𝑘𝑖∗ . Beide Seiten der Gleichung erfordern damit, dass bei einem Anstieg (R¨ uckgang) der Kapitalreichlichkeit die kritische Kapitalausstattung in Autarkie abnimmt (zunimmt) damit die Bedingung weiterhin G¨ ultigkeit hat. ⊓ ⊔
A.5 Einkommen bei Außenhandel A.5.1 Vergleich (kostspieliger) Handel mit Autarkie Der Beweis, dass das Einkommen bei friktionslosem Handel h¨ oher als bei Autarkie ausf¨ allt, gestaltet sich in diesem allgemeinen Gleichgewichtsmodell schwierig und muss indirekt erfolgen. Ein direkter Vergleich der Einkommen ist nur eingeschr¨ ankt aussagekr¨ aftig, da er sehr sensibel auf die Wahl des Num´erairegutes reagiert. Wird etwa das arbeitsintensive Gut als solches bestimmt, ergibt sich [( ) ] ) 𝛽−1 ( (A.33) 𝑘𝑊 + 𝒞𝑘 − 𝑘𝛽 (1 + 𝒞) . 𝐼 𝑇 − 𝐼 𝐴 = 𝐴𝑌 ℬ𝒞 −𝛽 𝐿 𝑘𝑊 Dieser Ausdruck hat bei 𝑘 = 𝑘𝑊 eine Nullstelle, sein Minimum liegt aber links davon – das Nominaleinkommen kann damit bei friktionslosem Handel geringer als bei Autarkie ausfallen! Bei Wahl von 𝑥 als Num´erairegut liegt das Minimum 5 Die
quantitativen Ergebnisse beziehen sich damit auf den Fall, dass 𝑦 als Num´ eraire angenommen wurde. F¨ ur den Fall, dass 𝑝𝑥1 = 1 unterstellt wird, bleibt die qualitative Aussage jedoch erhalten. 6 Etwa wenn 𝑘 ∗ /𝑘 < 𝛽/ [(1 − 𝛽) 𝒞] oder 𝜂 = 𝜂 > 1. 𝑖 𝑖
A.5 Einkommen bei Außenhandel
263
bei h¨ oheren Werten von 𝑘, rechts neben der Nullstelle, das heißt, ein Land, das kapitalreicher als die Welt ist, muss mit Einbußen im Nominaleinkommen rechnen.7 Dadurch, dass der Preis eines Gutes unflexibel auf eins normiert ist, kann der positive Einkommenseffekt die Einkommenseinbußen beim anderen Faktor nicht (¨ uber-)kompensieren. Es muss also eine andere M¨ oglichkeit gefunden werden, die unabh¨ angig von der Wahl des Num´erairegutes eine eindeutige Aussage liefert. Hierzu kann auf das Konzept des Faktorinhalts zur¨ uckgegriffen werden. Interpretiert man die Einheitskostengerade aus Sicht der Faktoren, kann sie als Einheitseinkommensgerade aufgefasst werden – der geometrische Ort aller Faktorausstattungen, die das gleiche Einkommen generieren (und folglich Einkommens¨ aquivalente zueinander darstellen). Damit kann die Faktorausstattung des Landes mit Hilfe der relativen Faktorentlohnung (Steigung der Geraden) in Faktorausstattungen mit divergierender Faktorreichlichkeit aber gleichem Einkommen umgerechnet werden. Eine im besonderen Maße relevante Ausstattung ist dabei diejenige, welche die gleiche Kapitalreichlichkeit wie die Welt aufweist, da diese die konsumierten Faktoren eines nicht-spezialisierten Landes bei friktionslosem Handel beschreibt, f¨ ur die das gesamte Einkommen aufgewendet wird (Verwendungsseite des BIP). Abbildung A.1: Vergleichbarkeit der Faktorausstattung mittels Isoeinkommensgeraden K
kX
K
kW
kX
kW
E W
(w/r)
kY
W
A
C
(w/r)
A
C
W
(w/r) (w/r)
kY O
L
a. Innerhalb des Diversifikationskegels
A
E L
O b. Spezialisiertes Land
Betrachtet man zwei Faktorausstattungen mit identischer Faktorreichlichkeit, so ist leicht zu erkennen, dass diejenige ein h¨ oheres Einkommen erzeugen muss, 7 Die
Betrachtung des Nutzens zeigt aber in beiden F¨ allen, dass sich das Land durch friktionslosen Handel besserstellt, wenn es eine andere Faktorreichlichkeit als die Welt aufweist.
264
A Anhang
die von beiden Faktoren absolut mehr beinhaltet. Damit generiert etwa in Abbiloheres Einkommen als 𝐶 𝐴 . Diese beiden Faktorausstattungen dung A.1a 𝐶 𝑊 ein h¨ repr¨ asentieren Einkommens¨ aquivalente zu 𝐸: W¨ ahrend 𝐶 𝐴 unter Autarkie rea𝑊 altnis bei (friktionslosem) lisiert wird, ergibt sich 𝐶 aus dem Lohn-Zins-Verh¨ Handel. Da ein Land mit der Ausstattung 𝐸 u ¨ber relativ mehr Kapital als die ugt, ist die relative Entlohnung f¨ ur Arbeit h¨ oher und damit die Welt, 𝑘𝑊 , verf¨ Isoeinkommensgerade im Vergleich zu Autarkie bei friktionslosem Handel steiler. Im Ergebnis kann damit in Autarkie nur eine geringere Faktorausstattung als bei friktionslosem Handel konsumiert werden. Formal l¨ asst sich zeigen, dass bei friktionslosem Handel immer mindestens genauso viel wie in Autarkie konsumiert ¨ werden kann. Aus den bisherigen Uberlegungen folgt damit, dass dort ebenfalls das Einkommen mindestens genauso hoch ausfallen muss. Beweis Sowohl in Autarkie (𝐴) als auch bei Handel (𝑊 ) sind die Faktorausstattung des Landes, die relative Faktorausstattung der Welt und die relative Entlohnung der Faktoren entweder bereits als bekannt angenommen oder endogen bestimmbar. Diese Informationen sind ausreichend, um den Schnittpunkt der Isoeinkommensgeraden mit der Weltkapitalreichlichkeit zu bestimmen und damit die ¨ aquivalenten Faktorausstattungen. Die Isoeinkommensgerade eines Landes mit der Faktorausstattung 𝐾𝐸 und 𝐿𝐸 ist gegeben durch [ ( 𝑤 )𝑍 ] ( 𝑤 )𝑍 𝐿, (A.34) 𝐾 = 𝑘𝐸 + 𝐿𝐸 − 𝑟 𝑟 mit 𝑘𝐸 = 𝐾𝐸 /𝐿𝐸 und Superskript 𝑍 ∈ {𝐴, 𝑊 }. Die Weltkapitalreichlichkeit beaquivalent stimmt dabei 𝐾 = 𝑘𝑊 𝐿. Es reicht damit zu zeigen, dass im Einkommens¨ mehr von einem Faktor konsumiert wird, da dies aufgrund der linearen Beziehung ebenfalls einen h¨ oheren Konsum des anderen Faktors impliziert. Es ergibt sich schließlich die Menge an Arbeit im Einkommens¨ aquivalent als 𝐿𝑍 =
𝑘𝐸 + (𝑤/𝑟)𝑍 𝐿𝐸 . 𝑘𝑊 + (𝑤/𝑟)𝑍
(A.35)
Die relative Faktorentlohnung ist f¨ ur das Szenario des friktionslosen Handels aus (4.35) bekannt. Zusammen mit (4.86) ergibt sich allgemein bei Eisberg-Transportkosten von 𝜏 ≥ 1 ⎧ 𝑊 −1 1/(𝛽−𝛼) 𝑘𝑌𝑇 ≤ 𝑘𝐸 < 𝑘𝑊 ⎨𝑘 𝒞 𝜏 ( 𝑤 )𝑊 = 𝑘𝑊 𝒞 −1 (A.36) 𝑘𝐸 = 𝑘 𝑊 𝑟 ⎩ 𝑊 −1 1/(𝛼−𝛽) 𝑊 𝑇 𝑘 𝒞 𝜏 𝑘 < 𝑘𝐸 ≤ 𝑘𝑋 . Das Einkommen f¨ allt bei Handel mindestens genauso hoch aus wie bei Autarkie, ullt ist. Nach einigen Umformungen kann wenn die Bedingung 𝐿𝑊 − 𝐿𝐴 ≥ 0 erf¨
A.5 Einkommen bei Außenhandel
265
diese abschnittsweise wie folgt bestimmt werden: ) ⎧ ( )( 𝑊 1/(𝛽−𝛼) 𝑊 𝑘 ≥ 0 𝑘𝑌𝑇 ≤ 𝑘𝐸 < 𝑘𝑊 ⎨ 𝑘𝐸 − 𝑘 ( 𝑘𝐸 − 𝜏) ( ) 𝑊 𝑘𝐸 𝑘 𝐸 − 𝑘 𝑊 ) ≥ 0 𝑘𝐸 = 𝑘 𝑊 (−𝑘 ( ) ⎩ 𝑘𝐸 − 𝑘𝑊 𝑘𝐸 − 𝜏 1/(𝛼−𝛽) 𝑘𝑊 ≥ 0 𝑘 𝑊 < 𝑘𝐸 ≤ 𝑘 𝑇
𝑋
⎫ ⎬ ⎭
(A.37)
Diese Bedingung ist f¨ ur 𝜏 = 1 (friktionsloser Handel) immer erf¨ ullt und hier f¨ ur alle 𝑘 ∕= 𝑘𝑊 sogar echt positiv. Bei Vorliegen von Transportkosten ist es jedoch m¨ oglich, dass das Einkommen bei Handel im Vergleich zu Autarkie sinken kann. Hierbei zeigt sich, dass (A.37) gerade f¨ ur Werte u ¨ber dem prohibitiven Niveau der Transportkosten, wie es in (4.87) bestimmt wurde, zu einem Einkommensr¨ uckgang f¨ uhrt, also in einem Wertebereich, der in der vorliegenden Analyse ausgeschlossen wurde. Daher kann f¨ ur die relevanten Transportkosten ebenfalls uneingeschr¨ ankt von einer Einkommenszunahme durch Handel ausgegangen werden. ⊓ ⊔ Im Falle der Spezialisierung kann der Beweis analog gef¨ uhrt werden, wie Abbildung A.1b nahelegt. Das Heckscher-Ohlin-Theorem zusammen mit dem StolperSamuelson-Theorem postulieren, dass sich im Handelsgleichgewicht unabh¨ angig vom Spezialisierungsmuster der reichliche Faktor und damit das mit diesem Faktor intensiv produzierte Gut verteuern und so die Konsumenten relativ mehr von dem anderen Gut nachfragen werden. Das impliziert nat¨ urlich, dass relativ mehr ¨ von dem knappen Faktor konsumiert werden wird. Dieser Uberlegung folgend, kann schließlich auch gezeigt werden, dass sich das Land auch im Falle der Spezialisierung bei friktionslosem Handel im Vergleich zu Autarkie besser stellt. Beweis F¨ ur diesen Beweis relevant sind lediglich die relativen Entlohnungen der Faktoren.8 Diese sind aus (4.35), (4.50) und (4.51) gegeben durch ( 𝑟 )𝐴 𝛾𝛼 + (1 − 𝛾)𝛽 1 = (A.38) 𝑤 𝛾(1 − 𝛼) + (1 − 𝛾)(1 − 𝛽) 𝑘 ( 𝑟 )𝑌 𝛽𝐴𝑌 𝑝𝑌 𝑘𝛽−1 𝛽 1 = = (A.39) 𝑤 (1 − 𝛽)𝐴𝑌 𝑝𝑌 𝑘𝛽 1−𝛽 𝑘 ( 𝑟 )𝑋 𝛼𝐴𝑋1 𝑝𝑋1 𝑘𝛼−1 𝛼 1 = = , (A.40) 𝑤 (1 − 𝛼)𝐴𝑋1 𝑝𝑋1 𝑘𝛼 1−𝛼𝑘 wobei (𝑟/𝑤)𝑍 den Relativlohn bei Autarkie (𝑍 = 𝐴), bei Spezialisierung auf das arbeitsintensive Gut (𝑍 = 𝑌 ) und bei Spezialisierung auf das kapitalintensive Gut (𝑍 = 𝑋) bezeichne. Den Vor¨ uberlegungen folgend m¨ ussen (𝑟/𝑤)𝑌 ≤ (𝑟/𝑤)𝐴 und 𝑋 𝐴 ullt sein, damit das Land mindestens eine im Vergleich zu (𝑟/𝑤) ≥ (𝑟/𝑤) erf¨ Autarkie gleich hohe Isoeinkommensgerade erreicht. Beide Bedingungen sind f¨ ur 𝛼≥𝛽 8 Wie
(A.41)
aus Abschnitt 4.5.3 bekannt, spielen die m¨ oglichen Transportkosten hier keine Rolle, da sich das Einkommen allein aus dem unver¨ anderten Preis des Exportgutes bestimmt.
266
A Anhang
simultan erf¨ ullt. Annahmegem¨ aß ist 𝛼 echt gr¨ oßer als 𝛽, weshalb sich ein Land bei Handel – kostspielig oder nicht – selbst bei Spezialisierung immer besser stellt. ⊔ ⊓
A.5.2 Vergleich Diversifikation mit Spezialisierung Aufbauend auf den Ergebnissen des vorigen Abschnitts, Anhang A.5.1, kann konstatiert werden, dass das Einkommen bei Handel im Fall einer diversifizierten Produktion h¨ oher als bei Spezialisierung ausf¨ allt. Beweis Hierzu muss lediglich gezeigt werden, dass der reichliche Faktor geringer (und damit der knappe Faktor h¨ oher) entlohnt wird, da dies impliziert, dass nur ein niedrigeres Einkommens¨ aquivalent erreicht werden kann. F¨ ur 𝑘 = 𝑘𝑊 gibt (A.38) die relative Entlohnung bei Diversifikation wieder, w¨ ahrend im Fall der Spezialisierung auf 𝑌 , (A.39) G¨ ultigkeit hat und bei Spezialisierung auf 𝑋, (A.40) (jeweils f¨ ur f¨ ur 𝑘 = 𝑘𝐸 ). Der Vergleich zwischen den Relativentlohnungen zeigt, dass unter der Bedingung von (A.41) bei Spezialisierung auf 𝑌 𝑘𝐸 < 𝑘𝑊
(A.42)
und bei Spezialisierung auf 𝑋 𝑘𝐸 > 𝑘𝑊
(A.43)
erf¨ ullt sein muss, damit die relative Entlohnung des reichlichen Faktors (und damit das Gesamteinkommen des Landes) bei Diversifikation h¨ oher als bei Spezialisierung ausf¨ allt. Diese Bedingungen sind bei den jeweiligen Handelsmustern erf¨ ullt. ⊔ ⊓
A.6 Faktorinhalt im Qualit¨ atssektor A.6.1 Faktorinhalt in Autarkie Im Folgenden soll gezeigt werden, dass in Autarkie der Faktorinhalt der von den Konsumenten nachgefragten Varianten dem Faktorinhalt der von den Firmen angebotenen Varianten entspricht. Der im Durchschnitt nachgefragte Faktorinhalt ist in Autarkie analog zu (4.81) gegeben durch9 𝑥 ˜NF = 1 9 Es
𝛾𝐼𝒬 𝜌 − 1 1 . 𝑝 𝑥1 𝜌 𝑀
(A.44)
ist zu erkennen, dass der gesamte Faktorkonsum der 𝒬 von 𝑥1 , 𝑀 𝑥 ˜NF 1 , um (𝜌 − 1)/𝜌 geringer ausf¨ allt als wenn sie anstelle der Variationen direkt 𝑥1 konsumieren w¨ urden. uter in den Produktionsfixkosten Dies ist darauf zur¨ uckzuf¨ uhren, dass ein Teil der 𝑥1 -G¨ aufgeht und weder zur direkten Produktion noch zum Konsum zur Verf¨ ugung steht. Der Nutzen der Konsumenten ist dennoch h¨ oher, da sie im Gegenzug Vielfalt erhalten.
A.6 Faktorinhalt im Qualit¨ atssektor
267
Zusammen mit (4.31) ergibt sich = 𝑒 (𝜑) ˜ 𝑥 ˜NF 1
𝜌−1 . 𝜌
(A.45)
Schließlich ist der durchschnittliche Umsatz durch (3.55) gegeben, = (𝜌 − 1)𝑓𝑝 (𝜑/𝜑 ˜ ∗) 𝑥 ˜NF 1
𝜌−1
.
(A.46)
Dieser Ausdruck ist identisch mit dem angebotenen Faktorinhalt (4.79).
A.6.2 Faktorinhalt von Produktion, Konsum, Export und Import Der Nutzen der (inl¨ andischen) Konsumenten steigt in der Vielfalt, weshalb sie alle sowohl im Inland als auch im Ausland verf¨ ugbaren Varianten nachfragen werden. Damit ergibt sich der Faktorinhalt des Konsums als ( ) 𝛾𝐼𝒬 𝜌 − 1 𝑊 = 𝑥C 𝑥 ˜NF . 1, FI = 𝑀 + 𝑀 1 𝑝 𝑥1 𝜌
(A.47)
Der Faktorinhalt der Produktion ergibt sich aus dem durchschnittlichen Faktoreinsatz multipliziert mit der inl¨ andischen Firmenanzahl, ˜AG = 𝑥P 1, FI = 𝑀 𝑥 1
𝛾𝐼𝒬 𝜌 − 1 . 𝑝 𝑥1 𝜌
(A.48)
Es ist leicht zu erkennen, dass beide Werte identisch sind. Der Faktorinhalt des Imports ist bestimmt durch die Nachfrage nach den ausl¨ andischen Produktvarianten, 𝑥IM 1, FI =
𝛾𝐼𝒬 𝜌 − 1 𝑀 𝑊 . 𝑝 𝑥1 𝜌 𝑀 + 𝑀 𝑊
(A.49)
Schließlich ergibt sich (4.82) unter Verwendung von (3.60). Der Faktorinhalt des Exports berechnet sich (zusammen mit (4.31)) als ( )𝜌−1 𝛾𝐼𝒬 𝜌 − 1 𝜑 ˜ 𝑀 − = 𝑥EX 1, FI = 𝑀 (𝜌 − 1)𝑓𝑝 𝜑∗ 𝑝 𝑥1 𝜌 𝑀 + 𝑀 𝑊 ) ( 𝜌−1 𝛾𝐼𝒬 𝑀 = . 1− 𝜌 𝑀 + 𝑀𝑊 𝑝 𝑥1
(A.50)
Auch hier kann mit Hilfe von (3.60) das im Text angegebene Ergebnis erhalten werden.
268
A Anhang
A.7 Handelskosten und Diversifikation Liegen Transportkosten vor, so wird sich ein Land in weniger F¨ allen vollst¨ andig auf die Produktion eines Gutes spezialisieren. Beweis Es muss gezeigt werden, dass sich der Diversifikationskegel vergr¨ oßert und sich damit die Bereiche, in denen das Land spezialisiert ist, verringern. Ein graphischer Beweis ist unmittelbar aus Abbildung 4.10 ersichtlich. Um die Kapitalreichlichkeitsgrenze zu bestimmen, bis zu der sich das Inland ausschließlich auf den arbeitsintensiven Sektor spezialisiert, muss, wie in Abschnitt 4.5.1 dargestellt wurde, das Handelsmuster des Landes ber¨ ucksichtigt werden. Solange das Land relativ kapital¨ armer als die Welt ist, wird es das kapiuter um die Transportkosten talintensive Gut importieren, wodurch sich die 𝑥1 -G¨ verteuern. Damit ¨ andert sich (4.46) zu10 𝑘𝑌𝑇 = 𝑘𝑊
1 1 𝛼 𝜏 𝛽−𝛼 . 𝒞 1−𝛼
(A.51)
Im Vergleich zu (4.46) ist (A.51) erkennbar kleiner geworden und folglich hat die M¨ achtigkeit der Menge aller Kapitalreichlichkeiten, bei denen das Land auf den arbeitsintensiven Sektor spezialisiert ist, abgenommen. Die im Spezialisierungsfall produzierten und exportieren Mengen sind weiterhin durch (4.68), (4.69) und (4.71) gegeben. Aufgrund des h¨ oheren Preises, ¨ andert sich der Import entsprechend der verschlechterten Terms of Trade und sinkt auf 𝛽 𝑥IM 1 = 𝛾𝐴𝑌 𝑘 𝐿
𝑝𝑊 𝑦 . 𝜏 𝑝𝑊 𝑥1
(A.52)
Dieser Ausdruck nimmt in 𝜏 ab. ¨ Die analogen Uberlegungen sind bei der Bestimmung der entsprechenden Werte f¨ ur den Fall der Spezialisierung auf den kapitalintensiven Sektor anwendbar. Hier andert sich der relevante Outputexpansionspfad von (4.45) zu ¨ 𝑇 = 𝑘𝑊 𝑘𝑋
1 1 𝛽 𝜏 𝛼−𝛽 𝒞 1−𝛽
(A.53)
und ist damit gr¨ oßer als die entsprechende Diversifikationsbegrenzung bei friktionslosem Handel. Dar¨ uber hinaus nehmen auch hier die Importe auf 𝑦 IM = (1 − 𝛾)𝐴𝑋1 𝑘𝛼 𝐿 10 Ebenso
𝑝𝑊 𝑥1 𝜏 𝑝𝑊 𝑦
(A.54)
a ¨ndert sich, wie in Abbildung 4.10 zu erkennen ist, auch die Lage von 𝑘𝑋 𝑇 . Allerdings hat dies keine Auswirkungen auf das Produktions- beziehungsweise zu 𝑘𝑋 Spezialisierungsmuster im Inland, da bei einer h¨ oheren relativen Kapitalausstattung der Kegel nach rechts springt“ (von Abbildung 4.10a zu Abbildung 4.10b), sofern ” sich die relative Faktorausstattung der Welt auch im ver¨ anderten Diversifikationskegel befindet. Somit hat jedes Land faktisch seinen eigenen“ Kegel. ”
A.8 Faktorinhalt Export und Import bei kostspieligem Handel
269
ab, w¨ ahrend die sonstigen Werte von Produktion und Konsum unver¨ andert bleiben. ⊓ ⊔
A.8 Faktorinhalt Export und Import bei kostspieligem Handel Unter Verwendung von (4.31), (4.102) und der Annahme, dass ein Teil der Welt das Vorprodukt importieren muss, ergibt sich NF(IM), 𝑇
𝑇 𝑊 𝑊𝑇 𝑥 ˜1 𝑥IM, 1, FI = 𝜒 𝑀
= 𝜒𝑊
𝑊𝑇 𝑇 𝛾𝐼𝒬 / (𝒯 𝑝𝑥1 ) 𝛾𝐼𝒬 𝜌−1 1 𝜌−1 𝜌 𝜌 (𝜑/𝜑 ˜ ∗) 𝑓𝑝 𝜏 𝒯 𝑝 𝑥1 𝜌 𝑀 𝑣
(
𝜑 ˜𝑥 /𝜏 𝜑 ˜𝑣
)𝜌−1 .
(A.55)
In diesem Ausdruck sind als endogene Variablen 𝑀𝑣 und 𝜑 ˜𝑣 enthalten. Diese k¨ onnen jedoch auch in Abh¨ angigkeit exogener Gr¨ oßen ausgedr¨ uckt werden, wie (4.91) und (4.92) (zusammen mit (4.31)) ausf¨ uhren. Es ergibt sich allgemein 𝑇 𝑥IM, 1, FI =
𝑊𝑇 𝑇 𝐼𝒬 𝜌 − 1 𝜒𝑊 𝛾𝐼𝒬 × 𝜌−1 𝜌 (𝜑/ ˜ 𝜑 ˜𝑥 ) )𝜌 ( 𝐷 𝑝𝑥1 /𝒯 𝜏 𝑝𝑥1
1−𝜌 𝑇 𝜌 𝑊𝑇 𝐷 𝒯 𝐼𝒬 𝑝𝑥1 (𝑝𝐷 + 𝜒𝑊 𝐼𝒬 𝑝 𝑥1 ( 𝜑 ˜𝑥 /𝜏 𝒯 𝜑) ˜ 𝜌−1 𝑥1 )
(A.56) .
Dieser Ausdruck f¨ uhrt unmittelbar zu (4.103). Der exportierte Faktorinhalt stellt sich dar als ( ) AG(EX), 𝑇 NF(EX), 𝑇 𝑇 𝑇 −𝑥 ˜1 𝑥 ˜1 . 𝑥EX, 1, FI = 𝜒𝑀
(A.57)
Unter Verwendung von (4.104) und (4.105) zusammen mit (4.31), (4.91) und (4.92) ergibt sich 𝑇 𝜒𝛾𝐼𝒬 𝜌−1 × (𝜑/ ˜ 𝜑 ˜𝑥 )𝜌−1 𝜌 ) ( ( )1−𝜌 𝑊𝑇 𝐷 𝑇 𝜌 𝑝 𝑥1 ( 𝜑 ˜𝑥 /𝜏 𝒯 𝜑) ˜ 𝜌−1 1 + 𝜏 1−𝜌 Ω + 𝜏 1−𝜌 Ω𝒯 𝐼𝒬 𝑝 𝑥1 𝑝 𝐷 𝜒𝑊 𝐼𝒬 𝑥1
𝑇 𝑥EX, 1, FI =
𝑝𝐷 𝑥1
1−𝜌 𝑇 𝜌 𝑊𝑇 𝐷 𝒯 𝐼𝒬 𝑝𝑥1 (𝑝𝐷 + 𝜒𝑊 𝐼𝒬 𝑝 𝑥1 ( 𝜑 ˜𝑥 /𝜏 𝒯 𝜑) ˜ 𝜌−1 𝑥1 )
Dieser Ausdruck f¨ uhrt schließlich zu (4.106).
(A.58) .
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