LUDWIG MISES Theorie des Geldes und der Umlaufs mittel
Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel
Von
Ludwig Mises
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LUDWIG MISES Theorie des Geldes und der Umlaufs mittel
Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel
Von
Ludwig Mises
Unverlinderter Naehdruek der zweiten, IWllhparheiteten Auflage von 1924
Duncker & Humblot . Berlin
Bibliografisehe Information Der Deutsehen Bihliothek Die Deutsdw Bihliothek verzeiehnd diese Publikation in (11'1' Deutsehl'n Nationalbibliografie; detailliel·te hihliografisclw Daten sind im IlIlernd üher ahruflnlr.
Alle Reehte vorbehalten Duneker & H umhlot Gmhl-l, Berlin Druck: Btedilwr Buehdnwkerei Union GmhH, Bedin Printed in Germany
© 2005
ISBN 3-428-11882-0 GedrLl(~kt all1' alh~rllngsheställtligem
(süurefrdem) Papier ,'ntspre('hend ISO 9706@
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Vorwort zur zweiten Auflage. Als die erste Ausgabe dieses Buches vor zwölf Jahren veröffent-
J-\ licht wurde,
da bereiteten die Regierungen und die Völker gerade das traurige Spiel des Großen Krieges Vor. Sie rüsteten nicht nur durch Anhäufung von Waffen und SchieBbedarf in den Arsenalen, sondern viel mehr noch durch Verkündung und eifrige Verbreitung der Kriegsideologie. Der wichtigste wirtschaftspolitische Inhalt dieser Kriegsideologie war der Inflationismus. Mein Buch hat sich auch mit dem Problem des Inflationismus befaßt und die Unzulänglichkeit seiner Lehren aufzuzeigen versucht; es hat auch auf die Gefahren hingewiesen, die unserem Geldwesen in nächster Zukunft drohen. Das hat ihm leidenschaftliche Angriffe von seiten der Wegbereiter der Währungskatastrophe eingetragen. Einige dieser Angreifer gelangten dann bald zu großem politischen Einfluß; sie konnten ihre Lehre in die Tat umsetzen und die Wirkungen der Inflationspolitik durch das Experiment am Körper des eigenen Volkes erproben. Nichts ist verkehrter als die von mancher Seite aufgestellte Behauptung, die Nationalökonomie habe gegenüber den Problemen der Kri.egs- und Nachkriegszeit versagt. Wer so spricht, kennt die literatur der theoretischen Nationalökonomie nicht und hält die Schriften der etatistischen "Staatswissenschaftler" der empirisch-realistischhistorischen Richtung mit ihren aus dem Exzerpieren alter Verwaltungsakten gewonnenen Lehren für Nationalökonomie. Niemand weiB besser als wir Nationalökonomen, was unserer Wissenschaft fehlt, und niemand empfindet ihre Lücken und Mängel schmerzlicher als wir. Doch das, waS' die Politik des letzten Jahrzehntes an theoretischer Einsicht benötigt hat, hätte sie von der Nationalökonomie lernen können. Wer die gesicherten und von allen freunden der Theorie anerkannten Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeit als "blutleere Abstraktionen" verspottet und achtlos zur Seite geschoben hat, sollte seine eigene Unzulänglichkeit anklagen und nicht die Wissenschaft. Es ist auch nicht zu verstehen, wie die Behauptung aufgestellt
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Vorwort zur zweiten Auflage.
werden konnte, es wären in den letzten Jahren Erfahrungen gemacht worden, die zum Umlernen nötigten. Die gewaltigen und jähen Geldwertveränderungen, die wir erlebt haben, brachten für den, der die Währungs geschichte kennt, keine neue Erfahrung; weder die Geldwertveränderungen, noch ihre sozialen Begleiterscheinungen, noch die Art und Weise, wie die Politiker in ihrer Machttrunkenheit auf beide reagierten, waren für uns neu. Es ist richtig, daß sie manchen Etatisten neU waren, wohl der beste Beweis dafür, daß ihr Historismus nicht aufrichtig war und nur der Beschönigung ihrer Propaganda merkantilistischer Ideen diente. Wenn dieses Buch, wenn auchl in allem Wesentlichen unverändert, dennoch heute nicht mehr ganz in der gleichen Gestalt erscheint, die die erste AuQage trug, so ist es nicht, weil etwa neue Tatsachen mit der alten Lehre nicht erklärt werden könnten. Doch in den zwölf Jahren, die seit dem Erscheinen der ersten Auflage verstrichet! sind, hat dIe Wissenschaft fortschritte gemacht, die nicht unberücksichtigt gelassen werden konnten. Und dann hat eigene Beschäftigung mit den Problemen der Katallaktik mich in mancher Hinsicht zu Ergebnissen geführt, die von denen der ersten Auflage abweichen. Meine Stellung zur Kapitalzinstheorie ist heute anders als damals; wenn kh auch in dieser wie in der ersten Auflage darauf verzichten mußte, das Kapitalzinsproblem, da es nicht in die Theorie des indirekten Taus.ches gehört, zu behandeln und mir das für eine spätere Arbeit vorbehalten muß, so ist es doch notwendig, an einzelnen Stellen auf dieses im Mittelpunkt der Katallaktik stehende Problem hi·nzuweisen. Auch über das Krisenproblem urteile ich heute in einer Hinsicht anders; ich bin zur Überzeugung gelangt, daß die von mir in Ausgestaltung und fortführung der Lehren der Currencyschule vertretene Theorie zur Erklärung des Krisenproblems ausreicht und nicht bloß die Ergänzung einer das Krisenproblem aus der Theorie des direkten Tausches her erklärenden Lehre darstellt, wie ich in der ersten Auflage angenommen habe. Ich habe mich ferner überzeugt, daß die Scheidung von Statik und Dynamik auch in der Darstellung der Geldtheorie nicht zu entbehren ist. Als ich die erste Auflage schrieb, dachte ich, auf sie verzichten zu müssen, um beim deutschen Leser keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen. Denn kurz vorher hatte Altmann in einem Beitrag für ein weitverbreitetes Sammelwerk die Begriffe statisch und dynamisch für die Geldtheorie in einem Sinne gebraucht, der von der Termino-
Vorwort zur zweiten Auflage.
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logie der modernen amerikanischen Schule abweicht 1. MittlerweHe aber dürfte die Bedeutung der Scheidung von Statik und Dynamik in der modernen Theorie jedermann bekannt geworden sein, der auch nur mit einigem Interesse die Entwicklung der Wissenschaft verfolgt. Ich kann sie heute ruhig verwenden, ohne die Verwechslung mit der Altmannschen Ausdrucksweise fürchten zu müssen. Das Kapitel über die sozialen Begleiterscheinungen der Geldwertveränderungen habe ich teilweise umgearbeitet, um größere Klarheit der Darstellung zu erzielen. Das Kapitel über die Geldwertpolitik enthielt in der ersten Auflage längere historische Ausführungen; auf sie konnte jetzt verzichtet werden, da jedermann aus der Erfahrung der letzten Jahre genug Beispiele zur Verfügung stehen, um die grundsätzliche Auseinandersetzung belegen zu können. Neu hinzugekommen ist ein Abschnitt über die bankpolitischen Probleme der Gegenwart und einer, in dem ich mich kurz mit der Geldtheorie und Geldpolitik des Etatismus auseinandersetze. Einem Wunsche mehrerer fachkoliegen entsprechend, habe ich, neu bearbeitet und erweitert, auch eine kurze Abhandlung "Zur Klassifikation der Geldtheorien" aufgenommen, die ich vor Jahren im 44. Bande des "Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik" veröffentlicht hatte. Im übrigen lag es mir fern, mich kritisch mit der flut von Neuerscheinungen zu befassen, die den Problemen der Geld- und Umlaufsmitteltheorie gewidmet sind. In der Wissenschaft gilt das Wort Spinozas: "Die Wahrheit ist das Kennzeichen ihrer selbst und des falschen". Kritische Auseinandersetzungen enthält mein Buch nur dort, wo sie erforderlich sind, um meine eigenen Ansichten zu begründen und zu erläutern und ihnen freie Bahn zu schaffen. Ich konnte auf die Kritik der jüngsten deutschen Literatur um so leichter verzichten, als zwei verdienstvolle Arbeiten vorliegen, die sich dieser Aufgabe mit Geschick unterzogen haben 2. 1 Vgl. Alt man n, Zur deutschen Geldlehre des 19. Jahrhunderts (in "Die Entwicklung der deutschen Volkswirtschaftslehre im 19. Jahrhundert", Schmoller-festgabe, Leipzig 19(8). 2 Vgl. Dbring, Die Geldtheorien seit Knapp, 1. Aun. Greifswald 1921, 2. AufI. Greifswald 1922; Palyi, Der Streit um die Staatliche Theorie des Geldes, München und Leipzig 1922 (auch in Schmollers Jahrbuch, 45. Jahrgang). - Vgl. ferner die scharfsinnigen Untersuchungen von G. M. Verrijn Stua rt, Inleiding tot de Leer der Waardevastheid van het Geld, 's-Gravenhage 1919.
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Vorwort zur zweiten Auflage.
Das SchluBkapitel des dritten Teiles, das sich mit den Problemen der Umlaufsmittelpolitik befaßt, wurde aus der ersten Auflage unverändert übernommen. Seine Ausführungen knüpfen an die bankpolitische Lage von 1911 an; sie behalten aber in ihrer theoretischen Auswertung auch gegenüber den Problemen der Gegenwart ihre Bedeutung. Zu ihrer Ergänzung dienen dann die schon erwähnten Ausführungen über die bankpolitischen Probleme der Gegenwart, die das Buch in der neuen Fassung abschließen. Auch: in diesen neueingefügten Ausführungen darf man nicht Lösungsvorschläge suchen, die mit dem Anspruch auf absolute Geltung auftreten. Ihr Zweck ist nur der, das Wesen der Probleme zu zeigen. Weleher von den möglichen Wegen zur Lösung in jedem einzelnen Fall gewählt werden wird, ist Sache der Wertung des Für und Wider. Hier zu entscheiden ist nicht mehr Aufgabe der Theorie, sondern der Politik. Wien, im März 1924.
Ludwig Mises.
Vorwort zur ersten Auflage. Nahezu alle Schriftsteller, die sich mit den Problemen der Sozialwirtschaft befaßt haben, haben auch dem Gelde mehr oder weniger Aufmerksamkeit geschenkt. Die Oeldliteratur ist ins ungemessene gewachsen. Vor ·Jahren schon haben Menger und Stammhammer die Zahl der selbständigen Schriften und in wissenschaftlichen Zeitschriften publizierten Abhandlungen über das Geldwesen, abgesehen von den Werken über Numismatik, auf weit über 5000-6000 geschätzt; seither bringt jeder Monat dutzendweise neue Veröffentlichungen. Nichtsdestoweniger ist das Geldproblem bis in die jüngste Zeit eines der dunkelsten Kapitel der Volkswirtschaftslehre geblieben. Die Umwälzung der Volkswirtschaftslehre, die vor vier jahrzehnten mit dem Auftreten Mengers einsetzte, ist auch an der Lehre vom Gelde nicht spurlos vorübergegangen. Menger selbst hat die Grundlagen der modernen Geldtheorie geschaffen, auf denen aufbauend dann Wieser die subjektive Wertlehre der Geldwerttheorie dienstbar gemacht hat. Von Mengers und Wiesers Arbeiten muß heute jeder Versuch, den noch ungelösten Problemen der Geldtheorie näher zu kommen, den Ausgang nehmen. Weniger befriedigend ist der Stand der banktheoretischen Literatur. In den Schriften der Klassiker finden sich zwar bemerkenswerte Ansätze, die dann von der Currency-Schule ausgebaut wurden. Niemand sollte die Bedeutung dieser Arbeiten zu verkleinern suchen; mag es auch seit jahrzehnten üblich sein, über ihre Irrtümer hochmütig zu spotten, so muß festgestellt werden, daß in ihnen weit mehr an fruchtbaren Gedanken verborgen liegt, als leichtfertige Kritiker glauben mögen. Der Currency-Theorie fehlte freilich eine brauchbare Grundlage, die nur die moderne Wertlehre abgeben kann; sie ist überdies in einer Zeit entstanden, in der das Bankwesen noch in den Kinderschuhen steckte und das wahre Wesen seiner Hauptprobleme dem Auge des Forschers leicht entgehen konnte. Manche ihrer Fehler sind von Tooke und Fullarton mit Recht getadelt worden. Aber das, was diese beiden an die Stelle der Currency-Theorie gesetzt haben, ist mit nichten eine brauchbare Theorie. Die Banking-Theorie enthält nicht nur Irrtümer, sie fehlt schon in ihrer Problemstellung. Seit sechzig jahren ist die Bankliteratur ziemlich unfruchtbar. Es mangelt nicht an deskriptiven Arbeiten, die hart an die großen Probleme heranführen; allen voran ist hier das wunderbar plastische Werk von Bagehot zu nennen. Tiefer zu gehen und die nationalökonomischen Probleme der Banktheorie aufzuspüren, ist nur von wenigen versucht worden. Die Mehrzahl der Schriftsteller erhebt sich überhaupt nicht über die Sammlung banktechnischer, bankorganisatorischer und bankstatistischer Daten. juristische und handelstechnische Erwägungen sollten das ersetzen, was an nationalökonomischen Gedankengängen fehlt. So wie die Geldlehre lange Zeit nichts anderes brachte als Nachrichten über Münztechnik , so enthält unsere Bankliteratur kaum mehr
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Vorwort zur ersten Auflage.
als allerlei Wissenswertes über Notenausgabe , Scheck- und Giroverkehr, Clearinghäuser und Wechselkurse. Zu den Wenigen, die sich über dieses Niveau erheben, ist in erster Linie WiekseIl zu rechnen. Er erkennt die großen Probleme, die der nationalökonomischen Forschung hier gesetzt sind, er versucht, wenn auch meines Erachtens nicht mit Erfolg, ihre Lösung. Es ist gewiß kein Zufall, daß auch er, gleich wie diese Arbeit, auf dem Boden der Böhm-Bawerkschen Kapitalzinstheorie steht. In der Tat hat erst Böhm, mag er selbst auch den Problemen der Geld- und Banktheorie keinerlei Beachtung geschenkt haben, den Weg freigelegt, der zu ihnen führt. Dicht neben den Problemen der Geld- und Banktheorie stehen die Probleme der Geld- und Bankpolitik. Wer sich mit den einen befaßt, kann den anderen nicht ausweichen. So muß denn auch diese Arbeit wirtschaftspolitischen Fragen Aufmerksamkeit schenken; sie versucht, ohne in irgendwelche technische Einzelheiten und geschichtliche Zufä\ligkeiten mehr als unumgänglich notwendig einzugehen, soviel darüber auszusagen, als die von Werturteilen freie wissenschaftliche Erörterung zur Klärung der Anschauungen beizutragen vermag. Dennoch bleibt von den drei Aufgaben, die die Wissenschaft nach Philippovich der Volkswirtschaftspolitik gegenüber zu erfüllen hat, auch die dritte - selbständige Aufstellung von Zielen der wirtschaftlichen Entwicklung - nicht ganz abseits liegen. Soweit ökonomische Zweckmäßigkeitsfragen in Betracht kommen, wurde auch sie berührt. Die Natur der Probleme ließ es im iibrigen als überflüssig erscheinen, auf die heute eifrig erörterte Frage einzugehen, ob es möglich sei, wissenschaftlich Ziele der wirtschaftlichen Entwicklung zu vertreten. Die Kritik, welche manche herrschende Lehre in dieser Arbeit erfährt, läßt den Verfasser nicht verkennen, wie unendlich wertvoll die Ergebnisse der jahrhundertelangen wissenschaftlichen Beschäftigung mit den Problemen der Geldtheorie sind. Auch wo er tadelt und ablehnt, steht der spätere Schriftsteller auf den Schultern der früheren. Ihnen schuldet er auch das, was er selbst gefunden zu haben glaubt. Um wieviel mehr muß er ihnen für das danken, das er übernehmen, im besten Falle ausgestalten durfte. Wien, im Dezember 1911.
Dr. L. v. Mises.
Inhaltsverzeichnis. Vorwort zur zweiten Auflage Vor wort zur ersten Auflage .
Seite
V . IX
Erster Teil: Das Wesen des Geldes. Erstes Kapitel: Die Funktion des Geldes . . . . . § 1. Die allgemeinen volkswirtschaftlichen' Voraussetzungen des Geldgebrauches . . . . . . . . . . . . . . . § 2. Die Entstehung des Geldes . . . . . . . . . § 3. Die sogenannten Nebenfunktionen des Geldes Zweites Kapitel: Über Wertmessung. . § 1. Die Unmöglichkeit der Messung des subjektiven Gebrauchswertes der Güter . . . . . § 2. Über Gesamtwert . . . . . . . . . . . . . . . . § 3. Das Geld als Preisindikator . . . . . . . . . . . Drittes Kapitel: Die Erscheinungsformen des Geldes. § 1. Geld und Geldsurrogat . . . . . . . . . . § 2. Erläuterung der Unterscheidung zwischen Geld und Geldsurrogaten. . . . . . . . . . . . . . . . . § 3. Sachgeld, Kreditgeld, Zeichengeld . . . . . § 4. Das Sachgeld in Vergangenheit und Gegenwart Vi e r te s Kap i tel: Das Gel dun d der S t a a t . § 1. Die Stellung des Staates auf dem Markte. . § 2. Das Geld im Privatrecht. . . . . . . . . . § 3. Der Einfluß des Staates auf das Geldwesen Fünftes Kapitel: Die Stellung des Geldes im Kreise der wirtschaftlichen Güter. . . . . . . . . . . . § 1. Das Geld weder Produktiv- noch Genußgut § 2. Das Geld als Teil des Privat- (Erwerbs-) Kapitales. § J. Das Geld kein Teil des Sozial- (Produktiv-) Kapitales. Sechstes Kapitel: Die Gegner des Geldes. § 1. Das Geld in der Gemeinwirtschaft. . . . . . § 2. Die Geldreformer . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2 7 10 10 17 20 23 23 27 33 36 43 43 44 47 55 55 62 66 68 68 69
Zweiter Teil: Vom Geldwert. Erstes § 1. § 2. § 3.
Kapitel: Das Wesen des Geldwerts Subjektiver und objektiver Geldwert . . . Der objektive Tauschwert des Geldes . . Die Aufgaben der Theorie des Geldwerts
73 73 76 78
XII
Inhaltsverzeichnis. Seite
Zweites Kapitel: Die Bestimmungsgründe des objektiven Tauschwertes (der Kaufkraft) des Geldes. . . . . . . . . A. Die geschichtlich überkommene Grundlage des objektiven Tauschwertes des Geldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . " § I. Die Abhängigkeit. der Schätzung des subjektiven Geldwertes von der Existenz eines objektiven Tauschwertes des Geldes § 2. Die Notwendigkeit eines nicht von der Geldfunktion herrührenden Wertes für den Anfang des Gelddienstes eines Objekts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 3. Die Bedeutung der geschichtlich überlieferten Preise für die Bildung der Austauschverhältnisse des Marktes. . . . . . § 4. Die Anwendbarkeit der Grenznutzentheorie auf das Geld . § 5. Äußerer und innerer objektiver Tauschwert des Geldes. .. B. Die durch Änderungen im Verhältnisse von Geldangebot und Geldnachfrage hervorgerufenen Bewegungen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes § 6. Die Quantitätstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 7. Geldvorrat und Geldbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . § 8. Die folgen der Vermehrung der Geldmenge bei gl eichbleibendem oder nicht in gleichem Maße steigendem Geldbedarf . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . § 9. Kritik einiger der gegp.n die Quantitätstheorie vorgebrachten Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 1O. Weitere Anwendungsfälle der Quantitätstheorie . . . . . . . C. Eine besondere, in den Eigentümlichkeiten des indirekten Tauschverkehres wurzelnde Ursache von Veränderungen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes . . . . . . . . . . . . . . § 11. Die" Verteuerung" des Lebens . . . . . . . . . . . . . . § 12. Wagners Theorie von dem Einflusse der dauernden Übermacht der Angebotseite über die Nachfrageseite auf die Preisbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 13. Wiesers Theorie von dem Einflusse des Wechsels in den Beziehungen von Naturalwirtscha!t und Geld wirtschaft auf die Gestaltung des Geldwertes . . . . . . . . . . . . . . § 14. Der Mechanismus des Marktes als Triebkraft von Bewegungen des inner~n Tauschwertes des Geldes. . . . . . . . . D. Exkurse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 15. Über den Einfluß der Größe der Geldeinheit und der Stückelung des Geldes auf den inneren objektiven Tauschwert des Geldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 16. Eine methodologische Bemerkung . . . . . . . . . . . . Drittes Kapitel: Die vermeintlichen örtlichen Verschiedenheiten des objektiven Tauschwertes des Geldes . . . . . . § 1. Das interlokale Preisniveau . . . . . . . . . . . . . . . . § 2. Die vermeintlichen örtlichen Verschiedenheiten der Kaufkraft des Geldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 3. Die vermeintlichen örtlichen Verschiedenheiten der Kosten der Lebenshaltung . . . . . . . . . . . . . .
85 85 85
87 88 93 103
105 105 111
118 127 132
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147 149 151 151 153 156
Inhaltsverzeichnis.
XIII Seite
Viertes Kapitel: Das wechselseitige Austauschverhältnis mehrerer Geldarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 1. Zweifache Möglichkeit der Koexistenz mehrerer Geldarten . § 2. Das statische oder natürliche Austauschverhältnis mehrerer Geldarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . " Fünftes Kapitel: Das Problem der Messung des objektiven Tau s c h wert e s des Gel des und sei n e r Ver ä n der u n gen . . § 1. Die Behandlung des Problems. . . . . . . . . . . § 2. Das Problem der Messung des äußeren und des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes. . . . . . . § 3. Die lndex-Number-Methoden . . . . . . . . . . § 4. Wiesers Veredlung der Index-Number-Methoden. § 5. Die praktische Verwertbarkeit der Indexzahlen . . Sechstes Kapitel: Die sozialen Begleiterscheinungen der Veränderungen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 1. Der Tausch gegenwärtiger gegen künftige Güter. . . . . . § 2. Die Wirtschaftsrechnung und die Buchführung. . . . . . . § 3. Die Begleiterscheinungen unter Annahme der Verwendung einer einzigen Geldart und ohne Berücksichtigung des Tausches von gegenwärtigen gegen künftige Güter. . . . . . . . . . § 4. Die Begleiterscheinungen der Veränderungen des Austauschverhältnisses zweier Geldarten . . Siebentes Kapitel: Geldwertpolitik. § 1. Das Wesen der Geldwertpolitik § 2. Die Mittel der Geldwertpolitik . . § 3. Der Inflationismus. . . . . . . . § 4. Der Restriktionismus oder DefJationismus § 5. Die Unveränderlichkeit des inneren objektiven Tauschwerts des Geldes als Ziel geldwertpolitischer Maßnahmen . . . . § 6. Die Grenzen der Geldwertpolitik . . . . . . . . . . . . . § 7. Exkurs: Die Begriffe Inflation und Deflation (Restriktion, Kontraktion). . . . . . . . . . . . . . . . . . Achtes Kapitel: Die Geldpolitik des Etatismus . § 1. Die Geldtheorie des Etatismus. . . . . . . . . § 2. Staatsmacht und Valutenkurs . . . . . . . . . § 3. Die Beschränkung der Preise durch obrigkeitliche Satzung § 4. Die Zahlungsbilanztheorie als Grundlage der Währungspolitik § 5. Die Bekämpfung der Spekulation . . . . . . . . . . . Neu n t e s Kap i tel: Zur K las si fi kat ion der Gel d t h e 0 r i e n § 1. Katallaktische und akatallaktische Geldlehre . . . . . . § 2. Die "staatliche" Theorie des Geldes. . . . . . . . . . § 3. Schumpeters Versuch einer katallaktischen Anweisungstheorie § 4. "Metallismus". . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 5. Der Begriff "Metallismus" bei Wieser und Philippovich . . § 6. Exkurs: Das Verhältnis des Streites um den Nominalismus zu den Problemen der beiden englischen Schulen der Banktheorie
161 161 162 170 170 171 172 173 177
178 178 187 190 197 200 200 203 203 216 221 223 224 226 226 228 229 233 236 242 242 244 250 254 257 263
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Dritter Teil: Die Umlaufsmittel und ihr Verhältnis zum Gelde. Erstes Kapitel: Die Bankgeschäfte § 1. Die Tätigkeit der Banken . . . . . . . . . . . § 2. Die Banken als Kreditvermittler . . . . . . . . § 3. Die Banken als Emittenten von Umlaufsmitteln § 4. Depositen als Ausgangspunkt für die Entstehung des Zirkulationskredits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 5. Das Wesen der Zirkulationskreditgewährung durch die Banken § 6. Die Umlaufsmittel und das Wesen des indirekten Tausches
264 264 266 'lb7
271 275 279
Zweites Kapitel: Die Entwicklung der Umlaufsmittel . . § 1. Bankmäßige und nicht bankmäßige Ausgabe von Umlaufsmitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 2. Umlaufsmittel und Kompensationssystem. . . § 3. Die Umlaufsmittel im inländischen Verkehr . § 4. Die Umlaufsmittel im internationalen Verkehr
282
Drittes Kapitel: Umlaufsmittel und Geldbedarf § 1. Die Einwirkung der Umlaufsmittel auf den Geldbedarf im engeren Sinne. . . . . . . . . . . . . . § 2. Die Schwankungen des Geldbedarfs . . . . . . . . . . . . ~ 3. Die Elastizität des Kompensationssystems . . . . § 4. Die Elastizität einer auf Wechsel, insbesondere auf Warenwechsel begründeten Umlaufsmittelzirkulation . . . . . . . § 5. Die Bedeutung der ausschließlichen Verwendung des Wechsels zur bankmäßigen Deckung der Umlaufsmitkl. . . . . . . . § 6. Das periodische An- und Abschwellen der Inanspruchnahme des Zirkulationskredits. . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 7. Die Einwirkungen der Umlaufsmittel auf die Bewegungen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes . . . . . .
302
Viertes Kapitel: Die Einlösung der Umlaufsmittel in Geld § 1. Das Erfordernis völliger Wertgleichheit von Geld und Geld............ . surrogaten . . . . . . . . . § 2. Die Rückkehr der Umlaufsmittel zur Ausgabestelle wegen Mißtrauen der Inhaber . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 3. Die forderung nach Unterdrückung der Umlaufsmittelausgabe § 4. Der Einlösungsfonds . . . . . . . .......... § 5. Die sogenannte bankmäBige Deckung der Umlaufsmittel . § 6. Die Bedeutung der bankmäßigen Deckung. . . § 7. Die Sicherheit der Anlagen der Umlaufsmittelbanken . § 8. Devisen als Bestandteil des Einlösungsfonds . . fünftes Kapitel: Geld, Umlaufsm ittel und Zin s. . . . § 1. Zur Problemstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . § 2. Die Beziehungen zwischen den Veränderungen in dem Verhältnis von Geldvorrat und Geldbedarf und den Bewegungen der Zinshöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 3. Die Beziehungen zwischen dem natürlichen Kapitalzins und dem Geldzins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
282 285 291 296
302 305 307 310 318 319 324 325 325 327 328 331 338 342 341 344
347 347 354 358
Inhaltsverzeichnis.
xv Seite
§ 4. Der Einfluß der Zinspolitik der Umlaufsmittelbanken auf die Produktionstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 5. Umlaufsmittelzirkulation und Wirtschaftskrisen . . . . . Se ch s te s Kap itel: Pro bl em e d er Um laufs mitte I pol itik A. Vorbemerkung. . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . § 1. Die Zwiespältigkeit der Umlaufsmittelpolitik . . . . . . B. Probleme der Umlaufsmittelpolitik in der Zeit vor dem Kriege. § 2. Die PeeJsche Akte . . . . . . § 3. Das Wesen der Diskontpolitik. . . . . . . § 4. Die Goldprämienpolitik . . . . . . . . . . § 5. Der Goldprämienpolitik verwandte Systeme § 6. Die Nichtbefriedigung des sogenannten "illegitimen" Goldbedarfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 7. Andere Maßnahmen zur Stärkung des Metallschatzes der Zentralnotenbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 8. Die förderung des Scheck- und Giroverkehres als Mittel zur Ermäßigung des Diskontsatzes. . . . . . . . . . . . . . . C. Probleme der Umlaufsmittelpolitik in der Zeit nach dem Kriege. § 9. Die Goldkernwährung . . . . . . § 10. Effektiver Goldumlauf im Inlande. . . . . . . . . . . § 11. Das Problem der Bankfreiheit . . . . ....... § 12. fishers Vorschlag zur Schaffung einer Warenwährung § 13. Die Grundfragen der künftigen Währungspolitik. . . .
366 374 376 376 376 376 376 382 387 392 394 396 397 401 401 404 406 410 417
Erster Teil.
Das Wesen des Geldes. Erstes Kapitel.
Die funktion des Geldes. § 1. Eine Wirtschaftsverfassung, welcher der freie Austausch von Gütern und Dienstleistungen fremd ist, hat für das Geld keinen Platz. Der isolierte Wirt kennt es ebensowenig wie ein Gesellschaf1szustand, in dem die Arbeitsteilung die Schwelle des Hauses nicht überschreitet und Produktion und Konsumtion sich vollständig innerhalb der geschlossenen Hauswirtschaft abspielen. Aber auch in einer Wirtschaftsordnung, die auf der Arbeitsteilung beruht, ist das Geld überflüssig und unmöglich, wenn die Produktionsmittel vergesellschaftet sind, die Leitung der Produktion und die Zuweisung der gebrauchsreifen Produkte an die Individuen einem gesellschaftlichen Zentralorgan obliegt und den einzelnen nicht gestattet ist, die ihnen zugefallenen Gebrauchsgüter gegen andere, die anderen zugefallen sind, zu tauschen. Die volkswirtschaftliche Erscheinung des Geldes setzt eine Wirtschaftsverfassung voraus, in der arb'eitsteilig produziert wird und Privateigentum nicht nur an Gütern erster Ordnung (Genußgütern), sondern auch an denen entfernterer Ordnungen (Produktivgütern) besteht. In einer derartigen Gesellschaftsordnung fehlt eine einheitliche planmäßige Leitung der Produktion, die ohne Verfügung über die Produktionsmittel nicht denkbar ist. Es besteht Anarchie der Produktion. Die Eigentümer der Produktionsmittel entscheiden zunächst, was und wie produziert werden soll. Sie produzieren dabei nicht nur für ihren eigenen Bedarf, sondern auch für den Bedarf der anderen, und ihr Wertkalkül berücksichtigt nicht allein den Gebrauchswert, den sie selbst den Produkten beilegen, sondern auch den Gebrauchswert, der diesen in der Schätzung der anderen Mitglieder der Wirtschaftsgemeinschaft zukommt. Der Ausgleich zwischen Produktion und Konsumtion vollzieht sich auf dem Markte, v. Mises, Theorie des Oeldes. 2. Aufl.
1
Erstes Kapitel.
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wo die verschiedenen Produzenten zusammentreffen, um in freiem Verkehr Güter und Dienstleistungen auszutauschen. Im Tauschverkehr des Marktes nimmt das Geld seine Stellung als allgemein gebräuchliches Tauschmittel ein.
§ 2. Der Tausch kann entweder unvermittelt oder vermittelt vorgenommen werden. Wir unterscheiden danach den direkten Tausch vom indirekten. A und B tauschen gegenseitig eine Anzahl von Einheiten der Waren mund n aus. A erwirbt die Ware n wegen des Gebraucnswertes, den diese für ihn hat; er beabsichtigt, sie zu konsumieren. Das gleiche gilt von B, der die Ware m für seinen unmittelbaren Gebrauch erwirbt. Hier liegt ein fall des direkten Tausches ,vor. Sind mehr als zwei Individuen und mehr als zwei Warenarten auf dem Markte, dann ist auch indirekter Tausch möglich. A kann dann eine Ware p erwerben, nicht weil er sie zu konsumieren wünscht, sondern um sie erst gegen eine zweite Ware q, die er zu konsumieren beabsichtigt, einzutauschen. Nehmen wir den fall an, daß A zwei Einheiten der Ware m, B zwei Einheiten der Ware n, C zwei Einheiten der Ware 0 auf den Markt bringen, und daß A je eine Einheit der Waren n und 0, B je eine Einheit :der Waren m und 0 und C je eine Einheit der Waren mund n erwerben :wollen, dann ist auch in diesem Falle ein direkter Tausch möglich, wenn die subjektive Wertschätzung der drei Waren es zuläßt, daß je eine Einheit der Waren m, n und 0 gegeneinander ausgetauscht werden. Sobald jedoch diese oder eine andere analoge Voraussetzung nicht zutrifft - und in der weitaus größten Zahl aller Tauschfälle trifft sie eben nicht zu -, dann wird der indirekte Tausch zu einer notwendigen Erscheinung des Marktes. Neben die Nachfrage nach Gütern für qen unmittelbaren Bedarf tritt die Nachfrage nach Gütern, die gegen andere ausgetauscht werden soJl.en 1. Nehmen wir zum Beispiel den einfachen Fall an, daß die Ware p nur von den Inhabern der Ware q begehrt wird, die Ware q aber nicht von den Inhabern der Ware p, wohl aber von denen einer dritten Ware r, welche Ware nur von den Besitzern der Ware p begehrt wird, dann kann ein ~irekter Tausch zwischen diesen Personen gar nicht stattfinden. Sollen überhaupt Tauschakte vor sich gehen, dann kann dies nur indirekt geschehen, indem etwa die Besitzer der Ware p diese gegen 1
Vgl. WiekseIl, Ober Wert, Kapital und Rente, Jena 1893, S. 50 f.
Die funktion des Geldes.
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die Ware q vertauschen und dann erst die so erworbene Ware q neuerdings, und zwar gegen die von ihnen für den eigenen Konsum begehrte Ware r, eintauschen. Nicht wesentlich anders liegt die Sache, wenn Angebot und Nachfrage sich quantitativ nicht decken, zum Beispiel ein unteilbares Gut gegen verschiedenartige, im Besitz verschiedener Personen befindliche Güter ausgetauscht werden soll. Die Fälle, in denen indirekter Tausch zur Notwendigkeit wird, werden in dem Maße häufiger, in dem die Arbeitsteilung in der Produktion und die Differenzierung der Bedürfnisse fortschreiten. In der gegenwärtigen Entwicklungsstufe der Volkswirtschaft gehören die Fälle, in denen der direkte Tausch möglich ist und tatsächlich durchgeführt wird, bereits zu den seltenen Ausnahmen. Immerhin kommt er auch noch heute vor; man denke etwa an den Naturallohn, der dann unter die Kategorie des direkten Tausches fällt, wenn der Arbeitgeber die Arbeitsleistung für die unmittelbare Deckung seines eigenen Bedarfes verwendet und die zur Entlohnung benötigten Güter nkht erst durch Verkehrs akte beschaffen muß und der Arbeitnehmer diese Güter zum eigenen Verbrauch, nicht zum Verkaufe erhält. In weiten Gebieten herrscht der Naturallohn der bezeichneten Art in der Landwirtschaft noch immer vor. Das Eindringen der kapitalistischen Betriebsweise und die Ausbildung der Arbeitsteilung lassen jedoch auch hier die Bedeutung dieser Löhnungsmethode mehr und mehr zurücktreten 1. Es gibt also auf dem Markte neben der Nachfrage nach! Gütern für den unmittelbaren Konsum eine Nachfrage nach Gütern, die der Ersteher nicht verzehren, sondern in neuem Tausche fortgeben will. Es leuchtet ein, daß eine solche Nachfrage zum Zwecke des weiteren 1 Die Erkenntnis, daß in der Mehrzahl aller Tauschfälle die Notwendigkeit des indirekten Tausches platzgreift, lag überaus nahe. Sie gehört denn au~h zu den ältesten gesicherten Ergebnissen der Volkswirtschaftslehre; wir finden sie in dem berühmten Pandektenfragmente des Paulus bereits klar ausgesprochen: "quia non sem per nec facile concurrebat, ut, cum tu haberes, quod ego desiderarem, invicem haberem, quod tu accipere velles" (Paulus libro 33 ad edictum - 1. 1 pr. D. de contr. empt. 18,1.) S ch u m pete r (Wesen und Hauptinhalt der theoretischen Nationalökonomie, Leipzig 1908, S. 273 ff.) irrt, wenn er meint, die Notwendigkeit des Geldes unmittelbar aus dem indirekten Tausche erweisen zu können. Vgl. darüber Weiß, Die moderne Tendenz in der Lehre vom Geldwert (Zeitschrift für Volkswirtschaft, Sozialpolitik und Verwaltung, XIX. Bd.), S. 518 ff. 1*
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Erstes Kapitel.
Tauschens nicht nach allen Gütern auftreten kann. Offenbar liegt für ein Individuum kein Grund zum indirekten Tausche vor, wenn es nicht hoffen darf, durch den Tauschakt seinem Endziel, dem Erwerb von Gütern für den eigenen Gebrauch, näherzukommen. Daß der indirekte Tausch, objektiv genommen, eine Notwendigkeit des Marktes ist, sollen Tauschakte überhaupt geschlossen werden, könnte an sich allein noch kein Individuum veranlassen, indirekte Tauschakte einzugehen, wenn ihm daraus nicht unmittelbar ein Vorteil erwächst. Es würde eben, da direkter Tausch unmöglich, für den indirekten aber kein Anreiz vorhanden ist, jedes Tauschen überhaupt unterbleiben. Das Individuum schreitet nur deshalb zum indirekten Tausch, weil ihm daraus Vorteil erwächst, wenn die zu erwerbenden Güter absatzfähiger, marktgängiger sind als die für sie hinzugebenden. Die Absatzfähigkeit der Güter ist nämlich nicht die gleiche; während nach gewissen Gütern nur eine wenig umfangreiche und gelegentliche Nachfrage besteht, ist die Nachfrage nach anderen Gütern allgemeiner und beständiger. Wer Güter der ersten Art zu Markte bringt, um dagegen Güter seines besonderen Bedarfes einzutauschen, hat daher in der Regel geringere Aussicht, dieses Ziel zu erreichen, als derjenige, der Güter der zweiten Art feilhält. Tauscht er jedoch seine minder marktgängigen Güter gegen marktgängigere aus, dann hat er sich seinem Ziele genähert und darf hoffen, es sicherer und ökonomischer zu erreichen als bei Beschränkung auf den direkten Tausch. So wurden die jeweilig absatzfähigsten Güter zu allgemein gebräuchlichen Tauschmitteln, zu Gütern, gegen die jedermann, der Güter anderer Art auf den Markt brachte, diese zunächst umsetzte, und die jeder, der andere auf dem Markt befindliche Güter zu erwerben suchte, sich zunächst zu verschaffen ein Interesse hatte. Der Umstand, daß die relativ marktgängigsten Waren auf den Märkten des Tauschhandels zu allgemein gebräuchlichen Tauschmitteln werden, bewirkte aber weiter e'ine gesteigerte Differenzierung zwischen der Marktgängigkeit dieser und derjenigen aller übrigen Waren, die ihrerseits wieder die Stellung der erstgenannten als Tauschmittel gefestigt und erweitert hat!. So sind aus einem Bedürfnis des Verkehrs heraus eine Reihe von Waren allmählich allgemein gebräuchliche Tauschmittel geworden. 1 Vgl. Menger, Untersuchungen über die Methode der Sozialwissenschaften und der politischen Okonomie insbesondere, Leipzig 1883, S. 172 ff.; Orundsätze der Volkswirtschaftslehre, 2. Auf!., Wien 1923, S. 247 ff.
Die funktion des Geldes.
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Der Kreis dieser Waren, der ursprünglich weit und von Land zu Land verschieden war, verengte sich immer mehr. Es mußte das natur· gemäße Bestreben eines Jeden einzelnen der am Tauschverkehr beteiligten Individuen sein, die Waren, die es zu veräußern wünschte, sobald ein direkter Tausch ausgeschlossen schien, nicht nur gegen absatzfähigere Güter überhaupt, sondern womöglich gegen die absatzfähigsten und unter diesen wieder gegen das absatzfähigste Gut zu vertauschen. Je größer die Marktgängigkeit des im indirekten Tausche zunächst erworbenen Gutes war, desto größer wurde die Aussicht, das angestrebte Endziel ohne weitere Umwege erreichen zu können. So mußte es denn geschehen, daß aus der Reihe der marktgängigeren Güter, die als Tauschmittel verwendet wurden, allmählich die weniger marktgängigen ausgeschieden wurden, bis zuletzt nur ein einziges Gut übrigblieb, das allgemein als Tauschmittel gebraucht wurde: das Geld. Diese Entwicklungsstufe im Gebrauche der Tauschmittel, die ausschließliche Verwendung eines wirtschaftlichen Gutes als Tauschmittel, ist bis heute noch nicht völlig erreicht worden. frühzeitig schon, hier eher, dort später, hat die Ausbildung des indirekten Tausches dahin geführt, zwei wirtschaftliche Güter, die beiden Edelmetalle Gold und Silber, als allgemein gebräuchliche Tauschmittel zu verwenden. Dann aber trat in der Entwicklung zur stetigen Verengung des Kreises der als Tauschmittel verwendeten Güter eine lange dauernde Unterbrechung ein. Jahrhunderte-, ja jahrtausendelang schwankte die Wahl der Menschen unentschieden zwischen Gold und Silber. Die Ursache dieser auffälligen Erscheinung ist zunächst in der natürlichen Beschaffenheit der beiden Metalle zu suchen. So wie ihre physikalischen und chemischen Eigenschaften eine große Ähnlichkeit aufweisen, so ist auch ihre Tauglichkeit zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse nahezu die gleiche. Als Material für die Herstellung von Schmuck und Zierat jeglicher Art konnte das eine wie das andere verwendet werden. (Erst die moderne Technologie, die das Verwendungsgebiet der Edelmetalle bedeutend erweitert hat, mag ihre Brauchbarkeit stärker differenziert haben.) In dem einen oder dem anderen abgeschlossenen Wirtschaftsgebiete ist man nichtsdestoweniger dazu gelangt, das eine oder das andere Metall allein als aIlgemeines Tauschmittel zu verwenden. Die kaum errungene Einheit im Tauschmittelgebrauche ging jedoch regelmäßig wieder verloren, sobald die lsoliertheit des Wirtschaftsgebietes der
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Erstes Kapitel.
Ve~knüpfung in den internationalen Verkehr wich. Die Wirtschaftsgeschichte ist die Geschichte der allmählichen Ausweitung des ursprünglich auf das einzelne Haus beschränkten Wirtschaftskreises zur Volkswirtschaft und dann zur Weltwirtschaft. Jede Erweiterung des Tauschkreises führte aber neuerlich zur Zweiheit des allgemein gebräuchlichen Tauschmittels, wenn die beiden verschmelzenden Wirtschaftskreise nicht dasselbe Geld in Verwendung hatten. Die endgültige Entscheidung konnte erst fallen, als die wichtigsten Teile der bewohnten Erde ein einziges Verkehrsgebiet bildeten, da der Hinzutritt weiterer Völkerschaften mit abweichender Geldverfassung, der imstande wäre, die Tauschorganisation der großen Völkergemeinschaft zu beeinflussen, erst dann völlig ausgeschlossen war. Hätten zwei oder mehrere wirtschaftliche Güter vollkommen die gleiche Absatzfähigkeit besessen, so daß keines von ihnen für den Tauschmitteldienst vorzüglicher geeignet gewesen wäre als die anderen, dann hätte freilich die VereinheitIichungstendenz in der Entwicklungsgeschichte des Geldes hier ihre Schranke gefunden. Wir wollen es dahingestellt sein lassen, ob diese Voraussetzung bezüglich der beiden Edelmetalle Gold und Silber zutraf oder nicht. Dies'e frage, um deren Beantwortung Jahrzehnte hindurch ein erbitterter Streit geführt wurde, ist für die Theorie des Geldwesens ziemlich bedeutungslos. Denn es steht fest, daß auch dann, wenn sich nicht schon aus der verschiedenen Absatzfähigkeit der als Tauschmittel verwendeten Güter ein Moment zur Vereinheitlichung des Tauschmitteldienstes ergeben hätte, diese nichtsdestoweniger als wünschenswertes Ziel der Geldpolitik hätte erscheinen müssen. Der gleichzeitige Gebrauch mehrerer Geldarten bringt eine Reihe von Nachteilen mit sich und kompliziert die Technik des Austausches dermaßen, daß das Streben nach Vereinheitlichung des Geldwesens unvermeidlich wurde. Die Theorie des Geldes muß das Nebeneinanderfunktionieren mehrerer Geldarten in jeder Beziehung berücksichtigen. Nur dort, wo dies ohne Nachteil für das Ergebnis der Untersuchung zulässig erscheint, darf sie von der Annahme ausgehen, als stünde nur ein einziges Gut in Verwendung als allgemeines Tauschmittel; an allen anderen Punkten muß sie den gleichzeitigen Gebrauch mehrerer Tauschmittel in Betracht ziehen. Würde sie dies unterlassen, dann würde sie einer ihrer schwierigsten Aufgaben aus dem Wege gehen.
Die Funktion des Geldes.
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§ 3. Die einfache Umschreibung der volkswirtschaftlichen Funktion des Geldes, daß es ein den Austausch von Gütern und Dienstleistungen vermittelndes Verkehrsgut sei, konnte alle jene nicht befriedigen, die in der Wissenschaft nicht so sehr die Tiefe der Erkenntnis als die Fülle von Material suchen. Mancher Forscher meinte, daß der hervorragenden Stellung des Geldes im Wirtschaftsleben nicht genügend Rechnung getragen sei, wenn man ihm lediglich die Tauschmittelfunktion zuerkenne, und glaubte erst durch Aufzählung eines halben Dutzend weiterer "Funktionen" die Bedeutung des Geldes voll gewürdigt zu haben. Eine recht naive Auffassung: als ob es in einer auf dem freien Austausch der Güter beruhenden Wirtschaftsordnung eine wichtigere Funktion geben könnte als die des allgemein gebräuchlichen Tauschmittels. Nach den Ausführungen Mengers wäre eine weitere Erörterung über das Verhältnis der Konsekutivfunktionen des Geldes zu seiner Grundfunktion nicht weiter erforderlich 1. Gewisse Erscheinungen der jüngsten Geldliteratur lassen es jedoch rätlich erscheinen, diese Konsekutivfunktionen - einzelne von ihnen werden von manchen Schriftstellern der Grundfunktion koordiniert - kurz zu prüfen und neuerlich zu zeigen, daß sie sämtlich auf die Grundfunktion des Geldes als allgemeines Tauschmittel zurückgeführt werden können. Das gilt zunächst von der Funktion des Geldes als Vermittler des Kapitalverkehres. Sie läßt sich am einfachsten unter die Tauschmittelfunktion subsumieren; handelt es sich doch beim Kapitalverkehr um nicht~ anderes als um den Tausch von Gegenwartsgütern gegen Zukunftsgüter. In der englischen und amerikanischen Literatur ist es üblich, von einer Funktion des Geldes als standard of deferred payments zu sprechen 2. Dieser Ausdruck wurde jedoch nicht geschaffen, um eine besondere Funktion des Geldes im Gegensatz zu seiner sonstigen Stellung im Organismus der Volkswirtschaft hervorzuheben. Er dient den Nationalökonomen lediglich dazu, die Erörterung der Rückwirkungen der Geldwertschwankungen auf den Inhalt der Geldschulden zu erleichtern. Für diesen Zweck ist er vorzüglich geeignet. Es soll aber nicht verschwiegen werden, daß er manche Schriftsteller dazu verführt hat, das Problem der allgeVgl Menger, Grundsätze, a. a. 0., S. 278ff. Vgl. Nicholson, A Treatise on Money and Essays on Present Monetary Problems, Edinburgh 1888, S. 21 ff.; Lau g h li n, The Principles of Money, London 1903, S. 22 f. 1
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Erstes Kapitel.
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meinen volkswirtschaftlichen Folgen der Geldwertveränderungen lediglich unter dem Gesichtspunkte der Modifikation bestehender Schuldverhältnisse zu betrachten und ihre sonstige Bedeutung zu übersehen .. Auch die Funktionen des Geldes als Wertträger durch Zeit und Raum lassen sich ohne weiteres auf die Tauschmittelfunktion zurückführen. Menger hat darauf aufmerksam gemacht, daß die besondere Eignung eines Gutes zur Thesaurierung und, als Folge hievon, seine verbreitete Verwendung für diesen Zweck eine der wichtigsten Ursachen seiner gesteigerten Marktgängigkeit und somit seiner Eignung zum Tauschmittel gewesen sei 1. Sobald die Übung, ein bestimmtes wirtschaftliches Gut als Tauschmittel zu verwenden, allgemein geworden war, erscheint es dann am zweckmäßigsten, dieses Gut und kein anderes zu thesaurieren. Nur nebenbei sei bemerkt, daß die Thesaurierung von Geld als Vermögensanlage auf der gegenwärtigen Entwicklungsstufe der Volkswirtschaft keine große Rolle spielt; an ihre Stelle ist der Erwerb von zins- und rentetragenden Gütern getreten 2. Hingegen fungiert das Geld auch heute noch als WerttransportmitteP. Auch bei dieser Funktion handelt es sich um nichts anderes als um die Vermittlung eines Gütertausches. Der europäische Bauer, der nach Amerika auswandert, will sein in Europa gelegenes Besitztum gegen ein amerikanisches austauschen. Er verkauft jenes, nimmt das Geld (oder eine auf Geld lautende Anweisung) über den Ozean mit und ersteht drüben Haus und Hof. Hier haben wir geradezu ein Schulbeispiel eines durch Geld vermittelten Tausches vor uns. Eine besondere Beachtung hat vor allem in jüngster Zeit die Funktion des Geldes als allgemeines Zahlungsmittel gefunden. Der indirekte Tausch zerlegt den ursprünglich einheitlichen Tauschakt in zwei Teile, zwei selbständige Tauschakte, die lediglich durch die letzten Endes auf die Erwerbung von Gebrauchsgütern gerichtete Absicht der Tauschenden zusammengehalten werden. Verkauf und Einkauf sind damit zweiJ scheinbar von einVgJ. Menger, Grundsätze, a. a. 0., S. 284ff. V<>n der durch die außerordentlichen Verhältnisse der Papierinflation und der zu ihrer Förderul'lg erlassenen Gesetze geförderten Neigung, Gold, Silber und Devisen anzusammeln und zu verbergen, wird hier abgesehen. S Die Funktion des Geldes als interlokaler Wertträger hat vor allem Knies (Geld und Kredit, I. Bd., 2. Auf!., Berlin 1885, S. 233 ff.) hervorheben zu müssen geglaubt. 1
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Die Funktion des Geldes.
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ander unabhängige Handlungen geworden. Aber dabei bleibt es nicht stehen. Fallen bei Kauf-Verkaufgeschäften die Leistungen der beiden Teile in der Weise 2Jeitlich auseinander, daß d~e Leistung des Verkäufers vorangeht, die des Käufers nachfolgt (Kreditkauf), dann tritt dem Abschluß des Geschäftes oder der Leistung des Verkäufers, die mit jenem nicht zusammenfallen muß, die Leistung von Seite des Käufers scheinbar selbständig und unabhängig gegenüber. Das gleiche gilt von allen übrigen Kreditgeschäften, vor allem auch von dem wichtigsten Kreditgeschäfte, dem Darlehen. Dieser scheinbare Mangel eines Zusammenhangs zwischen den beiden Teilen des einheitlichen Geschäftes konnte dazu verleiten, sie als unabhängige Vorgänge aufzufassen, von der Zahlung als einem besonderen Rechtsakt zu sprechen und danach dem Gelde die Eigenschaft als allgemeines Zahlungsmittel beizulegen. Offenbar mit Unrecht. "Wird die FunKtion des Geldes als den Waren- und Kapitalverkehr vermittelndes Verkehrsobjekt, eine Funktion, die doch bereits die Solution der Geldpreise und der Leihsummen in sich schließt, im Auge behalten ... so fehlt es an jedem Bedürfnisse und an jeder Berechtigung, von einer bevorzugten Benützung oder gar von einer Funktion des Geldes als Zahlungsmittel noch besonders zu handeln 1." Die Wurzel des Irrtums muß hier, wie oft in der Volkswirtschaftslehre, in der kritiklosen Übernahme juristischer Begriffe und Gedankengänge gesucht werden. Die ausstehende Schuldforderung ist für die Rechtsordnung ein Gegenstand abgesonderter Betrachtung, die von dem Ursprung der Zahlungsverpflichtung ganz oder bis zu einem gewissen Grade absehen kann und muß. Zwar ist das Geld auch für die Rechtsordnung nichts anderes als das allgemein gebräuchliche Tauschmittel. Aber den Anstoß, soch mit dem Gelde zu beschäftIgen, empfängt das Recht in erster Linie und hauptsächlich, wenn auch nicht ausschließlich, von dem Problem der Zahlung aus. Wenn das Recht die Frage zu beantworten .sucht, was Geld ist, so ges'Chieht dies, um festzustellen, wie lauf Geld lautende Verpflichtungen getilgt werden können. Dem Juristen ist das Geld Zahlungsmittel; der Nationalökonom, für den das Geldproblem ein anderes Aussehen hat, darf ihm hier nicht folgen, will er nicht von vornherein auf jede Förderung der wirtschaftlichen Theorie verzichten. 1
Vgl. Menger, Grundsätze, a. a. 0., S. 282f.
Zweites Kapitel.
Über Wertmessung. § 1. Es ist üblich, vom Gelde als dem Maßstab des Wertes und der Preise zu sprechen. Diese Auffassung ist jedoch durchaus fehlerhaft. Im Rahmen der subjektivistischen Wertlehre ist für die Gedankengänge, die zur Aufwerfung des Problems der Wertmessung führten, überhaupt kein Raum. In der älteren nationalökonomischen Theorie hatte das Suchen nach einem die Wertmessung beherrschenden Prinzip einen bestimmten Sinn. Wer auf dem Boden einer objektivistischen Werttheorie steht und an die Möglichkeit einer objektiven Erkenntnis des Güterwertes glaubt, wer im Tausche die wechselseitige Hingabe wertgleicher Güter erblicken will, gelangt notwendig zu dem Schluß, daß dem Tauschakte eine Messung des in den neiden auszutauschenden Objekten enthaltenen Werlquantums vorangehen muß. Es lag dann nahe, das Geld als Maßstab des Wertes anzusehen. Der Ausgangspunkt der modemen Wertlehre ist ein anderer. Ihr ist der Wert die Bedeutung, die der wirtschaftende Mensch, der über verschiedene Güter verfügen wiII, den einzelnen Gütereinheiten beimißt. Jedes ökonomische Handeln setzt Vergleichung der Wertbedeutungen voraus; aber die Notwendigkeit sowohl als auch die Möglichkeit einer derartigen Vergleichung ist erst dadurch gegeben, daß das wirtschaftende Subjekt zwischen mehreren Gütern zu wählen hat. Es spielt dabei keine Rolle, ob das Individuum vor diesen Entschluß gestellt ist, weil es ein Gut gegen ein im Besitz eines anderen Subjektes befindliches eintauschen will oder weil es vor der Möglichkeit steht, Güter höherer Ordnung verschieden zu verwenden. Auch der isolierte Wirt der geschlossenen Hauswirtschaft, auch Robinson auf dem verlassenen Eiland, die weder kaufen noch verkaufen, verfügen produzierend und konsumierend über die ihnen zu Gebote stehenden Güter niederer und höherer Ordnung und nehmen dabei Veränderungen des Gütervorrates vor, die von Werturteilen geleitet sein müssen, soll der Erfolg den Aufwand übersteigen. Der Wertungsvorgang bleibt im Wesen derselbe, ob es sich um den Tausch von Arbeit und Mehl gegen Brot innerhalb des eigenen
Über Wertmessung.
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Hauses dadurch, daß man das Brot selbst herstellt, oder um den Tausch von Kleidern gegen Brot außerhalb des Hauses auf dem Markte handelt. Die Abwägung, ob ein zu erzielendes Produkt einen bestimmten Aufwand an Arbeit und Gütern rechtfertigt, ist für das wirtschaftende Subjekt genau dieselbe, wie die dem Tausche vorangehende Vergleichung der Werte des Gutes, das hingegeben werden soll, und des Gutes, das man erhalten will. Man hat daher jedes wirtschaftliche Handeln in gewissem Sinne als Tauschen be~eichnetl.
Der Wertungs akt ist jeder Messung unzugänglich. Jedermann ist in der Lage, zu sagen, ob dieses Stück Brot ihm wertvoller erscheine als jenes Stück Eisen oder minder wertvoll als jenes Stück Fleisch. So ist jedermann imstande, eine unendliche Reihe der verglichenen Wertbedeutungen aufzustellen, die nur für einen bestimmten Augenblick gilt, da sie an einen bestimmten Zustand der Bedürfnisgestaltung und Güterversorgung geknüpft ist. Ändern sich die Verhältnisse des Individuums, dann ändert sich auch die Skala seiner Wertung. Das subjektive Werturteil, der Angelpunkt alles wirtschaftlichen Tun und Lassens der Menschen, mißt nicht die Bedeutung der Objekte des Wirtschaftens; es bringt sie in eine Rangordnung, es skaliert sie. Auf den Wertskaien der Individuen baut sich der wirtschaftliche Verkehr auf. Ein Tausch kommt dann zustande, wenn zwei Gütereinheiten auf den Wertskaien zweier Individuen eine verschiedene Rangordnung einnehmen. Auf dem Markte werden so lange Tauschakte vorgenommen, bis keine Möglichkeit mehr vorhanden ist, daß zwei Individuen durch wechselseitige Hingabe von Gütern solche Güter eintauschen, die auf ihrer Wertskala den fortgegebenen im Range voranstehen. Will ein Individuum einen Tauschakt wirtschaftlich vornehmen, dann hat es lediglich zu erwägen, welche Stellung die in Betracht kommenden Gütermengen in seiner eigenen Wertschätzung einnehmen. In diesem skalierten Werturteil ist für Erwägungen des Messens überhaupt kein Platz. Das Werturteil ist ein unmittelbar evidentes Urteil, das keiner Stütze durch irgendwelche Hilfsoperationen und Umwege bedarf. Damit erledigt sich auch eine Reihe von Einwänden, die von verschiedenen Seiten gegen die subjektivistische Werttheorie erhoben wurden. Wenn aus 1 Vgl. Simmel, Philosophie des Geldes, 2. Aufl., Leipzig 1907, S. 35; Schumpeter, a. a. 0., S. 50.
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Zweites Kapitel.
dem Umstande, daß es der Psychologie nicht gelungen sei und nicht gelingen könne, Lustempfindungen zu messen, die Folgerung abgeleitet wird, daß die Austauschverhältnisse des Marktes in ihrer quantitativen Bestimmtheit unmöglich in letzter Linie auf Empfindungen zurückgeführt werden könnten, so ist dieser Schluß voreilig zu nennen. Die Austauschverhältnisse der Güter gehen aus den Wertskaien der am Verkehr teilnehmenden Individuen hervor. A besitzt drei Birnen, B zwei Äpfel. A schätzt den Besitz von (ZWei Äpfeln höher als den von drei Birnen, B schätzt den Besitz von drei Birnen höher als den von zwei Äpfeln. Auf Grund dies,er Werturteile kommt ein Tauschakt zustande, in dem drei Birnen gegen zwei Äpfel vertauscht werden. Die Entstehung des Austauschverhältnisses in seiner zahlenmäßigen Bestimmtheit, 2: 3, wenn wir die Stückrechnung einführen, setzt also keineswegs voraus, daß sich A und B darüber klar sind, uml wieviel der Genuß, den ihnen der lBesitz der im Tausche zu erwerbenden Mengen bereitet, größer ist 'als jener Genuß, den ihnen der Besitz der im Tausche fortzugebenden Mengen bereitet. Der Verbreitung dieser Erkenntnis, die wir den Begründern der modernen Werttheorie verdanken, stand die längste Zeit ein eigenartiges Hindernis entgegen. Es ist gerade keine seltene Erscheinung, daß Forscher, die in kühnem Vorwärtsschreiten auf unbetretenen Pfaden die überlieferten Vorstellungen und Gedankengätlge weit von sich taten und damit kommenden Geschlechtern die Wege bahnten, in manchen Einzelheiten vor der folgerichtigen Durchführung ihrer eigenen Grundsätze zurückschrecken. Denen, die nach der reichen Ernte die Nachlese halten, bleibt es dann überlassen, die erforderlichen Richtigstellungen vorzunehmen. So ähnlich liegt die Sache auch hier. Die Meister der subjektivistischen Werttheorie haben in der Frage der Wertmessung wie übrigens in einer Reihe von Fragen, die mit dieser in engster Verbindung stehen, den folgerichtigen Ausbau ihrer Lehre unterlassen. Dies gilt in erster Linie von BöhmBawerk; es ist jedenfaIls bei diesem SchriftsteIler am auffallendsten, weil seine Ausführungen, die wir nun besprechen woIlen, in ein System eingebettet sind, das al1e Elemente einer anderen, wie wir meinen, richtigeren Lösung lückenlos enthält und es lediglich unterläßt, die entscheidende Schlußfolgerung zu ziehen. Böhm-Bawerk weist darauf hin, daß wenn wir im Leben in die Lage kommen, zwischen mehreren Genüssen, die uns wegen Be-
Über Wertmessung.
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schränktheit unserer Mittel nicht gleichzeitig erreichbar sind, zu wählen, die Situation oft so liege, daß auf deI1 einen Seite ein größerer GenuB, auf der anderen eine Vielheit gleichartiger kleinerer Genüsse in die Alternative kommt. Niemand werde bezweifeln, daß eine vernunftgemäße Ents<:heidung solcher Fälle in unserem Vermögen liege. Aber ebenso klar sei es, daß ZU einer solchen das allgemeine Urteil, daß ein Genuß der einen Art gröBer sei als ein Genuß der anderen Art, nkht ausreiche; ebensowenig das Urteil, daß ein Genuß der ersteren Art bedeutend gröBer sei als einer .der anderen. Sondern das Urteil müsse strikte darauf gerichtet sein, wie viele kleinere Genüsse ein Genuß der ersteren Art aufwiegt, mit anderen Worten, um wie vielmal der eine Genuß den anderen an Größe übertrifft!. Es ist das Verdienst Cuhels, den Irrtum, der in der Identifizierung dieser beiden Sätze enthalten ist, aufgedeckt zu haben. Das Urteil, wie viele kleinere Genüsse ein Genuß einer anderen Art aufwiegt, ist eben mit dem Urteil, um: wie vielmal der eine Genuß den anderen aufwiegt, nicht identisch. Die beiden Urteile könnten nur dann identisch sein, wenn der Genuß, den die Summe einer Anzahl von Gütereinheiten gewährt, gleich wäre dem Produkt aus der Anzahl dieser Gütereinheiten und dem Genusse, den die einzelne Gütereinheit für sich genommen gewährt. Daß diese Voraussetzung unmöglich zutreffen kann, ergibt sich aus dem Gossenschen Gesetz der Bedürfnissättigung. Die Werturteile: acht Pflaumen sind mir lieber als ein Apfel, und: ein Apfel ist mir lieber ·als sieben Pflaumen, berechtigen durchaus nicht zu dem Schluß, den Böhm aus ihnen zieht, wenn er feststellt, daß dann der Genuß an der Verzehrung eines Apfels den Genuß an der Verzehrung einer Pflaume mehr als sieben-, aber weniger als achtmal übertrifft. Allein 'die Feststellung ist zulässig, daß der Genuß eines Apfels zwar größer ist als der Gesamtgenuß von sieben Pflaumen, aber kleiner ist als der Gesamtgenuß von acht Pflaumen 2. 1 Vgl. Böhm-Bawerk, Grundzüge der Theorie des wirtschaftlichen Güterwertes, (Jahrbücher für Natipnalökonomie und Statistik, Neue folge, 13. Bd., 1886) S. 48. 2 'Vgl. Cu hel, Zur Lehre von den Bedürfnissen, Innsbruck 1907, S. 186 ff. ; Wei B a. a. 0., S. 532 ff. - Böhm-Bawerk hat sich in der letzten von ihm selbst besorgten Ausgabe seines Hauptwerks bemüht, die von Cuhel geübte Kritik zurückzuweisen (vgl. Bö h m - B a wer k, Kapital und Kapitalzins, 3. Auf!., Innsbruck 1909-1912, 11. Abt., S. 331 H., Exkurse S. 280 ff.),
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Zweites Kapitel.
Nur diese Auffassung läßt sich mit dem von den Vertretern der Orenznutzenlehre, allen voran Böhm-Bawerk, entwickelten Grundgedanken in Einklang bringen, daß der Nutzen und mithin auch der subjektive Gebrauchswert der Gütereinheit bei steigendem Vorrat abnimmt. Damit ist aber die ganze Idee von der Messung des subjektiven Gebrauchswertes der wirtschaftlichen Güter abgelehnt. Der subjektive Gebrauchswert ist jeder Messung unzugänglich. Der amerikanische Nationalökonom Irving Fisher hat den Versuch unternommen, dem Problem der Wertmessung auf mathematischem Wege beizukommen 1. Er hat damit nicht mehr Glück gehabt als seine Vorgänger, die sich anderer Methoden bedient hatten. Auch ihm ist es nicht gelungen, über die Schwierigkeiten, die sich aus dem Sinken des Grenznutzens bei steigendem Vorrat ergeben, hinwegzukommen, und das mathematische Gewand, das für nationalökonomische Untersuchungen nach einer weitverbreiteten Meinung besonders geeignet sein soll, hat nur das eine vermocht, die Schwäche der zwar geistreichen aber gekünstelten Beweisführung ein wenig zu verhüllen. Fisher setzt zunächst voraus, daß die utility eines jeden Gutes (oder einer jeden Dienstleistung) zwar von der Größe des Vorrates dieses Gutes (oder dieser Dienstleistung), nicht aber auch von der Größe des Vorrates anderer Güter (oder Dienstleistungen) abhängig ist. Er sieht klar, daß er sein Ziel, eine Einheit für die Messung der utility abzuleiten, nur dann erreichen könne, wenn es ihm gelingt, das Verhältnis zwischen zwei Grenznutzen zu bestimmen. Wenn ein Individuum 100 Laib Brot im Laufe eines Jahres zur Verfügung ~at, dann ist der Grenznutzen eines Laibes für das Individuum größer, als wenn es 150 Laib zur Verfügung hätte. Es handelt sich darum, das Verhältnis der beiden Grenznutzen ziffernmäßig festzustellen. Fisher meint dies durch den Vergleich mit einem dritten Nutzen tun zu können. Er wählt als solchen das 01, von dem jährlich B Gallonen zur Verfügung stünden, und bezeichnet mit ß jenen Grenzzuwachs von B, dessen Nutzen dem des hundertsten Laibes Brot gleichkommt. Für den zweiten Fall, in dem nicht mehr 100, sondern 150 Laib 'zur ohne daß es ihm dabei gelungen wäre, neue brauchbare Gesichtspunkte zur Beurteilung des Problems beizubringen. 1 Vgl. fis her, Mathematical Investigations in the Theory of Value and Prices, (Transactions of the Connecticut Academy, Vol. IX., New Haven 1892), S. 14 H.
Über Wertmessung.
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Verfügung stehen, wird angenommen, daß der zur Verfügung stehende Vorrat von B nicht geändert wurde. Dann sei die utility des hundertfünfzigsten
Laib~s
etwa gleich der utility von
~.
Bis
hierher vermag man den Ausführungen Fishers zuzustimmen. Jetzt aber folgt ein Sprung, mit dem' er sich ü'ber alle Schwierigkeiten des Problems leicht hinwegsetzt. Er fügt nämlich einfach, als ob es etwas Selbstverständliches wäre, hinzu: Dann ist die utility des hundertfünfzigsten Laibes gleich der Hälfte der des hundertsten Laibes. Ohne jede nähere Erklärung fährt er dann in der Bearbeitung seines Problems, dessen Lösung, wenn man jenen Satz als richtig annimmt, weiter keine Schwierigkeiten bereitet, ruhig fort und gelangt schließlich zu der Ableitung einer Einheit, die er "utiI" benennt. Daß er mit jenem Satz der ganzen Grenznutzentheorie ins Gesicht geschlagen hat, daß er sich mit ihm in Widerspruch mit allen Grund: lehren der modernen Nationalökonomie gesetzt hat, scheint Fisher gar nient bemerkt zu haben. Denn offenbar hat jene seine Schlußfolgerung nur dann einen Sinn, wenn die utility von ß gleich ist zweimal der utility von
~.
Wäre dem wirklich so, ,dann hätte es
nieht erst der langen Ableitung bedurft, um das Verhältnis zweier Grenznutzen zu bestimmen; man hätte dasselbe Ergebnis auch schneller erreichen können. Mit derselben Berechtigung, mit der Fisher annimmt, daß die utility von ß gleich ist zweimal der utility von
~, hätte
er auch ohne weitere Argumentation etwa annehmen
können, daß die utility des 150. Laibes sich zu' der des 100. Laibes wie 2 : 3 verhält. Fisher stellt sich einen Vorrat von B Gallonen vor, der in 'n kleine Mengen
ß,
beziehungsweise 2 n kleine Mengen
~ zerlegt
werden kann. Er nimmt an, daß ein Individuum, weIches über diesen Vorrat B verfügt, den Wert der Einheit x dem Werte von ß, den der Einheit y dem Werte von
~
gleichsetzt. Nun hat Fisher die
weitere Voraussetzung gemacht, daß das Individuum bei beiden Wertsetzungsakten, sowohl damals, als es den Wert von x mit dem von
ß,
als auch damals, als es den Wert von y
m~t
dem von ; gleich-
setzte, den gleichen Vorrat von B Gallonen zur· Verfügung hatte.
Zweites Kapitel.
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Daraus glaubt er offenbar den Schluß 2{iehen zu können, daß die utility von
ß doppelt
so groß sei als die von
!.
Der Irrtum liegt
hier auf der Hand. Das Individuum ist das eine Mal vor die Wahl gestellt, zwischen x (dem Wert des 100. Laibes) und
ß
= 2
~- zu
wählen; es findet, daß eine Entscheidung zwischen den beiden nicht möglich sei, das heißt es schätzt beide gleich hoch. In dem zweiten Falle hat es zwischen y (dem Wert des 150. Laibes) und
~
zu
wählen; es findet auch hier, daß beide wertgleich sind. Nun muß man sich die Frage vorlegen, wie verhält sich der Orenznutzen :von
ß
zu dem von
~?
Dies können wir nur in der :Weise feststellen,
daß wir uns fragen, wie sich ,der Orenznutzen des n'ten Teiles eines gegebenen Vorrates zu dem des 2 n'ten Teiles des gleichen Vorrates verhält, der von B zu dem von 2B . Zu diesem Zwecke
n
n
stellen wir uns den Vorrat B in 2 n Mengen von
~
z·erlegt iVor. Dann
ist der Orenznutzen der (2 n-I) ten Teilmenge größer als der der 2 n'ten Teilmenge. Stellen wir uns nun den gleichen Vorrat B wieder in n Mengen von ß zerlegt vor, dann ergibt sich klar, daß der Orenznutzen der n'ten Teilmenge jetzt gleichkommt dem der (2 n-I) ten Teilmenge plus dem der 2 n'ten Teilmenge des früheren Falles; er ist nicht doppelt so groß als der der 2 n'ten Teilmenge, sondern me h r als doppelt so groß als dieser. Auch bei unverändertem Vorrat ist eben der Orenznutzen mehrerer Einheiten zusammengenommen nicht gleich dem Produkt aus der Anzahl dieser Einheiten mit dem Orenznutzen der Einheit, sondern notwendigerweise größer als dieses Produkt. Der Wert zweier Einheiten, die ich besitze, ist nicht doppelt so groß als der einer solchen Einheit, sondern größer!. Vielleicht glaubt Fisher, man dürfe sich über diese Bedenken hinwegsetzen, wenn man
ß
und
~
als so kleine Mengen annimmt,
daß man ihren Nutzen als unendlich klein bezeichnen dürfe. Sollte dies wirklich seine Meinung gewesen sein, dann müßte demgegenüber vor allem festgestellt werden, daß die der Mathematik eigen1
Vgl. auch WeiB, a. a. 0., S. 538.
Über Wertmessung.
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rumliche Denkform der unendlich kleinen Größe auf nationalökonomische Probleme unanwendbar ist. Der Nutzen, den eine bestimmte Gütermenge oder ein bestimmter Zuwachs zu einer bestimmten Gütermenge gewährt, ist entweder so beträchtlich, daß er vom Werturteil erfaßt wird, oder so gering, daß er für den wertenden Menschen unbemerkbar bleibt und von ihm daher im Werturteil keine Berücksichtigung erfahren kann. Aber selbst wenn man davon absehen und die Zulässigkeit der Anwendung des Begriffes unendlich klein einräumen wollte, würde die Argumentation darum nicht stichhaltiger werden. Wenn es sich darum handelt, das Verhältnis zwischen zwei Grenznutzen, die als endliche Größen aufgefaßt werden, zu ermitteln, ist es natürlich unzulässig, sie zwei unendlich kleinen Grenznutzen gleichzusetzen. Schließlich ist noch Schumpeter zu erwähnen, der den Versuch macht, den Genuß, den die Konsumtion einer bestimmten Gütermenge verursacht, als Einheit zu konstruieren und die anderen Genüsse in Vielfachen dieser Einheit auszudrücken. Ein solches Werturteil müßte dann lauten: "Der Genuß, den mir die Konsumtion der Gütermenge verursacht, ist tausendmal so groß als jener, den mir die Verzehrung des einen Apfels pro Tag bereitet" oder "Für jene Gütermenge würde ich äußersten Falles tausendmal jenen Ap fel geben 1". Gibt es wirklich einen Menschen auf Erden, der imstande ist, solche Vorstellungen zu entwickeln und solche Urteile zu fällen? Gibt es ein wirtschaftliches Tun oder Lassen, das von der Fällung solcher Urteile abhängig wäre? Ganz gewiß nicht 2. Auch Schumpeter geht von der irrigen Voraussetzung aus, daß wir eines Wertmaßes bedürfen, um Wertgrößen miteinander vergleichen zu können. Das Werturteil hat jedoch keineswegs den Vergleich zweier "Wertgrößen" zum Inhalt; es ist nichts anderes als der Vergleich der Wichtigkeit mehrerer Bedürfnisse. So wenig das Urteil: A ist mir lieber - werter - als B, einen Maßstab der Freundschaft voraussetzt, so wenig setzt das Urteil: Das Gut a ist mir mehr wert als das Gut b, einen Maßstab des wirtschaftlichen Wertes voraus.
§ 2. Aus der Unmöglichkeit, den subjektiven Gebrauchswert zu messen, folgt unmittelbar, daß es ebensowenig angeht, ihm "Größe" zuzusprechen. Man darf wohl sagen, der Wert dieses Gutes ist Vgl. Schumpeter, a. a. 0., S. 290. a Vgl. auch WeiB, a. a. 0., S. 534 ff.
1
v. Mises, Theorie des Oeldes. 2. Auf!.
2
Zweites Kapitel.
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größer als der jenes, es wäre
abe~
unzulässig, zu behaupten, dieses
qut ist soundso viel wert. Eine sokhe Redeweise müßte sich unbedingt auf eine bestimmte Einheit beziehen; ihr eigentlicher Sinn geht dahin, auszudrücken, wie oft diese Einheit in dem zu bestimmenden Quantum enthalten ist. All das versagt aber gegenüber dem Werte 1. Die folgerichtige Anwendung der ausgesprochenen Gedanken führt auch zu einer Korrektur der Ansichten über den Gesamtwert eines Gütervorrates. Nach Wieser hat ein Vorrat einen Wert, der dem Produkte der Stück anzahl (oder der Anzahl von Teilmengen) mit dem jeweiligen Grenznutzen gleichkommt 2. Die Unhaltbarkeit dieser Auffassung ergibt sich schon daraus, daß nach ihr der Wert des Gesamtvorrates eines freien Gutes immer null sein müßte. Schumpeter schlägt daher eine andere formel vor. Danach wäre jede Teilmenge zu multiplizieren mit 'der Maßzahl der Intensität, die der Stelle entspricht, an der sie nach der alW!rdings beliebigen Anordnung steht, worauf dann die Summe dieser Produkte gezogen, das heißt integriert werden muß 3. Dieser Lösungsversuch teilt mit dem vorigen den Mangel, daß er die Existenz eines Maßstabes des Grenznutzens und der Intensität des Wertes voraussetzt. Der Nachweis der Unmöglichkeit solcher Messung zeigt den einen wie den anderen Vorschlag als unzulänglich. Man muß versuchen, auf anderem Wege des Problemes Herr zu werden. Der Wert ist stets das Ergebnis eines Wertungs prozesses. Das Werturteil vergleicht die Bedeutung zweier Güterkomplexe für die Wohlfahrtszwecke des Subjekts. für den konkreten Wertungsprozeß müssen das Subjekt und die beiden Güterkomplexe (Objekte) als unteilbare Elemente vorhanden sein. Das setzt aber keineswegs voraus, daß sie auch sonst in jeder anderen, etwa physischen .oder auch wirtschaftlichen Beziehung unteilbar sind. Das Subjekt des Wertsetzungsaktes kann ebensogut eine Personenmehrheit (Staat, Gesellschaft, familie) sein, für die ihr Organ handelnd eintritt, die Objekte Vielheiten von Gütereinheiten, über die als Ganzes verfügt werden muß. Subjekte und Objekte können in dem einen Wertungsprozeß als geschlossene Gesamtheiten auftreten, in einem anderen wieder 1 Z
3
Vgl. Kr aus, Zur Theorie des Wertes, HaUe 1901, S. 24 ff. Vgl. Wieser, Der natürliche Wert, Wien 1889, S. 24. Vgl. Schumpeter, a. a. 0., S. 103.
Über Wertmessung.
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sind ihre T eile, die dort zu einem einheitlichen Ganzen verschmolzen waren, vollkommen selbständig. Dieselben Menschen, die als organisiertes Einheitssubjekt, als Staat, durch dessen Organe ein Werturteil zwischen den Gütern "Kriegsschiff" und "Krankenhaus" fällen, kommen in anderen Wertungsprozessen, z. B. zwischen den Gütern "Zigarre" und "Zeitungs blatt" als Einzelsubjekte in Betracht. Ebenso verhält :es sich mit den Gütern. Es ist das Fundament der modernen Wertlehre, daß nicht die Rangordnung der Bedürfnisgattungen, sondern die der konkreten Bedürfnisregungen für die Wertskala entscheidend sei. Davon ausgehend wurde das Grenznutzengeiietz in einer Form entwickelt, die in erster Reihe jene Fälle - sie sind in überwiegender Mehrheit - im. Auge hat, in. denen teilbare Güterkomplexe gewertet werden. Es gibt aber auch. Fälle, in denen der Gesamtvorrat als solcher vom Werturteil erfaßt wird. Ein isolierter Wirt besitzt zwei Kühe und drei Pferde. Der in Betracht kommende Teil seiner Wertskala laute, wenn wir das wertvollste Gut als erstes nennen, hierauf das zunächst wertvolle usf., bis wir zum mindest gewerteten gelangen, das als letztes genannt wird: 1. eine Kuh, 2. ein Pferd, 3. ein Pferd, 4. ein Pferdt, 5. eine Kuh. Wenn sich unser Wirt nun zwischen einer Kuh und einem Pferd entscheiden muß, wird er eher geneigt sein, auf eine Kuh zu verzichten denn auf ein Pferd. Wenn Raubtiere eine seiner Kühe und eines seiner Pferde bedrohen und er nur ein Tier retten kann, dann wird er bestrebt sein, dem Pferde Hilfe zu bringen. Wenn aber der ganze Bestand an Haustieren einer Gattung in Frage steht, dann wird seine Entscheidung anders ausfallen. Wenn er seine Ställe brennen sieht und nur die Insassen des einen retten kann, die des anderen aber zugrunde gehen lassen muß, dann wird er, wenn er den Besitz von drei Pferden niedriger schätzt als den von zwei Kühen, nicht die drei Inwohner des Pferdestalles, sondern die beiden Kühe zu retten suchen. Das Ergebnis des Wertungsprozesses, der zwischen einer Kuh und einem Pferde zu entscheiden hatte, war eine Höherschätzung des Pferdes; das Ergebnis des Wertungsprozesses, der zwischen dem gesamten verfügbaren Bestande an Kühen und dem gesamten verfügbaren Bestande an Pferden zu entscheiden hatte, war eine Höherschätzung des Bestandes an Kühen. Vom Wert kann immer nur im Hinblick auf einen konkreten Wertsetzungsakt gesprochen werden; nur in einem solchen wird der Wert existent. Außerhalb des ~ertungsprozesses ist kein Wert vor-
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2*
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Zweites Kapitel.
handen; einen abstrakten Wert gibt es nicht. Vom Gesamtwert kann nur dann gesprochen werden, wenn man einen bestimmten fall vor Augen hat, in dem das wertende Subjekt in die Lage kommt, zwischen dem Gesamtvorrat eines Gutes und anderen wirtschaftlichen Gütern eine Wahl zu treffen. Wie jeder Wertungsakt ist auch! dieser vollkommen selbständig; das Individuum ist nicht erst genötigt, auf Vorstellungen, die mit der Wertung der Gütereinheiten zusammenhängen, zurückzugreifen. Auch dieser Wertungsprozeß wird wie jeder andere von der Rücksicht auf den abhängigen Nutzen geleitet. Der Grenznutzen, das ist der Nutzen der letzten verfügbaren Einheit, fällt beim Gesamtwertungsvorgang mit dem Gesamtnutzen zusammen, da dieser den Gesamtvorrat als unteilbare Größe erfaßt. Dies gilt auch für den Gesamtwert freier Güter, deren Einheiten stets wertlos sind, das heißt vom Werturteil stets an die allerletzte Stelle, mit den Einheiten der anderen freien Güter unterschiedslos vermengt, gestellt werden 1.
§ 3. Aus dem Gesagten dürfte zur Genüge erhellen, wie unwissenschaftlich die Übung erscheint, von einer Preis- oder gar Wertmaß· funktion des Geldes zu reden. Der subjektive Wert wird überhaupt nicht gemessen, sondern skaliert. Das Problem der Messung des objektiven Gebrauchswertes ist kein ökonomisches; nebenbei sei bemerkt, daß eine Messung, der Nutzwirkung nicht für jede Gattung und bestenfalls nur innerhalb der Gattung möglich ist, daß aber jede Möglichkeit nicht nur der Messung, sondern auch des skalierten Vergleiches mangelt, sobald man zwischen zwei oder mehreren Wirkungsgattungen eine Verbindung herstellen will. Man kann wohl die Heizkraft der Kohle und die des Holzes messen und vergleichen, aber man kann die objektive Nutzwirkung eines Tisches und die eines Buches in keiner Weise auf einen gemeinsamen objektiven Maßstab reduzieren. Auch der objektive Tauschwert wird nicht gemessen. Auch er ist das Ergebnis der vom skalierenden Werturteil gezogenen Vergleiche der Individuen. Der objektive Tauschwert einer bestimmten 1 Vgl. auch Clark, Essentials of Economic Theory, New York 1907, S. 41. - Die obenstehenden Darlegungen enthielten in der ersten Auflage noch zwei Sätze, die das Ergebnis der dem Problem des Gesamtwertes gewidmeten Untersuchung in unzutreffender Weise zusammenfaßten. Sie wurden, einer berechtigten Kritik C. A. Verrijn Stuarts (Die Grundlagen der Volkswirtschaft, Jena 1923,5. t15).Rechnung tragend, hier fortgelassen.
Über Wertmessung.
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Gütereinheit kann in Einheiten einer jeden anderen Gütergattung ausgedrückt werden. Die Tauschakte werden heute in der Regel durch Geld vennittelt, und weil so jedes Gut einen in Geld ausdrückbaren Preis hat, kann der Tauschwert eines jeden Gutes in Geld ausgedrückt werden. Diese Möglichkeit ließ das Geld zum Wertvorstellungsmittel werden, als die Umgestaltung der Wertskala, die eine Folge der Entwicklung des Tauschverkehres ist, zur Umbildung der Technik der Werturteüsfällung zwang. Die Tauschmöglichkeit veranlaßt nämlich das Individuum, die Rangordnung seiner Wertskala umzustellen. Ein Subjekt, in dessen Wertskala das Gut "ein Faß Wein" nach dem' Gute "ein Sack Hafer" rangierte, wird das Rangverhältnis umkehren, wenn es auf dem Markte für ein Faß Wein ein Gut erhalten kann, das es höher wertet als einen Sack Hafer. Für die Stellung der Güter in der Wertschätzung der Individuen ist nicht mehr ausschließlich ihr subjektiver Gebrauchswert maßgebend, sondern der subjektive Gebrauchswert der durch ihre Hingabe im Tausch einzulösenden Güter, falls diese in der Schätzung des Individuums den Vorzug vor jenen behaupten. Das Individuum muß sich daher gewöhnen, die Preislage des Marktes genau zu kennen, denn nur dann kann es das NutzenmaximUnI erreichen. Dazu bedarf es aber eines Hilfsmittels, um sich in der verwirrenden Fülle der Austauschverhältnisse zurechtzufinden. Das Geld, das allgemeine Tauschmittel, das gegen jede Ware vertauscht und mit jeder Ware eingetauscht werden kann, ist hierfür vor allem geeignet. Es wäre für den Einzelnen, und sei er auch ein ausgezeichneter Kenner der Handelsbeziehungen, geradezu unmöglich, alle Veränderungen der Marktverhältnisse zu v,erfolgen und dementsprechend die erforderlichen Richtigstellungen seiner die Austauschrelation berücksichtigenden Wertskala vorzunehmen, wählte er nicht einen gemeinsamen Nenner, auf den er jeden Tauschwert zurückführt. Weil zur Marktrelation jede Ware zu Geld gemacht und Geld in jede Ware umgewandelt werden kann, wird der objektive Tauschwert in Geld gerechnet. So wird das Geld zum Preisindikator (Menger). Auf der Vornahme der Güterwertschätzung in Geld ruht das Gebäude der wirtschaftlichen Kalkulation der Unternehmer und der Konsumenten. Die Geldrechnung wird damit zu einem Hilfsmittel, das der menschliche Geist beim Wirtschaften nicht mehr zu entbehren vermag 1. Will man in diesem Sinne von einer Funktion des 1
Ober die Unentbehrlichkeit des Geldes für die Wirtschaftsrechnung
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Zweites Kapitel.
Geldes als Preismaßstab sprechen, so ist dagegen nichts einzpwenden. Es wäre allerdings zu empfehlen, diese Ausdrucksweise, die leicht mißverstanden werden könnte, eher zu meiden; korrekt ist sie keineswegs. Man pflegt doch auch die astronomische Ortsbestimmung nicht als eine Funktion der Sterne zu bezeichnen. vgl. mein Buch "Die Gemeinwirtschaft, Untersuchungen über den Sozialismus", Jena 1922, S. 100 ff.
Drittes Kapitel.
Die Erscheinungsformen des Geldes. § 1. Die Durchführung eines durch Geld vermittelten indirekten Tauschaktes muß nicht notwendig in der Weise geschehen, daß Geld physisch übergeben und übernommen wird. An die Stelle der faktischen Übergabe von Geldstücken kann auch die Abtretung einer auf die gleiche Geldsumme lautenden, jederzeit fälligen guten forderung treten. Darin allein liegt noch nichts Au,ffälliges, dem Gelde Eigentümliches. Nur durch die besondere Natur des Geldes aber ist die auBerordentliche Häufigkeit dieser Art der Volaiehung von Geldumsätzen zu erklären. Da ist zunächst die vorzügliche Eignung des Geldes, Gegenstand einer generischen Obligation zu bilden. Während die Vertretbarkeit nahezu aller anderen wirtschaftlichen Güter nur eine mehr oder minder eng begrenzte ist und vielfach nur durch gekünstelte Bestimmungen der kaufmännischen Usancen fingiert wird, ist die des Geldes eine fast unbeschränkte. Nur die Vertretbarkeit der Aktien und Teilschuldverschreibungen kommt ser des Geldes gleich. Lediglich in der Stückelung der einzelnen Exemplare könnte bei diesen wie beim Gelde ein die volle fungibilität hemmendes Moment gefunden werden; durch verschiedene Einrichtungen ist jedoch dafür gesorgt, daB dies in der Praxis, wenigstens beim Gelde, alle Bedeutung verloren hat. Noch wichtiger ist ein weiterer, in dem Wesen der Geldfunktion beruhender Umstand. Die Geldforderung kann in zahllosen Übertragungen zur Durchführung von durch Geld vermittelten Tauschakten Verwendung finden, ohne dem Verpflichteten gegenüber geltend gemacht zu werden. Bei den übrigen wirtschaftlichen Gütern, die früher oder später in eine Wirtschaft gelangen müssen, die sie gebraucht oder verbraucht, ist dies naturgemäß nicht der fall. Die besondere Brauchbarkeit der jederzeit fälligen sicheren Geldforderungen, die wir kurz als Geldsurrogate bezeichnen wollen, für die Durchführung von durch Geld vermittelten Tauschakten ist durch ihre juristische und handelstechnische Ausgestaltung noch erhöht worden. Die form der Abtretung einer Banknote ist technisch,
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Drittes Kapitel.
in manchen Ländern auch rechtlich, kaum von der der Übertragung eines Geldstückes verschieden. Die Verwischung der äußeren Gestalt ist so weit fortgeschritten, daß die wirtschaftenden Subjekte in der Regel gar nicht imstande sind, in der Fülle der Objekte, die im Verkehr zur Vollziehung der Geldumsätze verwendet werden, den Träger der Geldfunktion von seinen Stellvertretern zu unterscheiden. Der Laie kümmert sich nicht um die ökonomischen Probleme, die hier auftauchen; er beachtet allein die verkehrstechnischen und rechtlichen Eigenschaften der Münzen, Noten, Schecks und dergleichen. Daß die Banknoten ohne Skripturakt übertragen werden können, daß sie - ähnlich den Münzen - in Abschnitten, die auf runde Beträge lauten, umlaufen, daß ein Regreß gegen den Vormann, der sie überhändigt hat, ausgeschlossen ist, daß die Rechtsordnung sie gleich dem Gelde als Solutionsmittel anerkennt, scheint Grund genug zu sein, um auch sie als Geld zu bezeichnen und zwischen ihnen und dem Kassenführungsguthaben bei einer Bank, das nur vermittels eines technisch immerhin verwickelteren und auch rechtlich anders charakterisierten Aktes umgesetzt werden kann, grundsätzliche Unterschiede festzustellen. Das ist der Ursprung des populären GeldbegriHes des täglichen Lebens. Er ist dem geistigen Horizont von Kassenbeamten angemessen, er mag gewissen Bedürfnissen der kaufmännischen Praxis ganz gut entsprechen. Man hat aber auch versucht, diesen Sprachgebrauch in die wissenschaftliche Terminologie der Volkswirtschaftslehre einzuführen. Dagegen muß entschieden Stellung genommen werden. Der Streit um den Geldbegriff zählt nicht gerade zu den erfreulichen Abschnitten der Geschichte unserer Wissenschaft. Er ist gekennzeichnet durch das Überwuchern juristischer und handelstechnischer Erwägungen und durch die ungebührliche Wichtigkeit, die man dieser doch lediglich terminologischen Frage beilegte. Ihre Lösung wurde als Selbstzweck betrachtet, man schien völlig übersehen zu haben, daß es sich dabei nur um Erwägungen der Zweckmäßigkeit für weitere Forschung, nicht aber um eine besondere Aufgabe der Wissenschaft handle. So mUßte die Diskussion notwendig unfruchtbar bleiben. Wenn wir den Versuch unternehmen wollen, zwischen dem Gelde und den dem Gelde äußerlich ähnlichen Verkehrsobjekten eine begriffliche Scheidewand aufzurichten, so haben wir dabei nur auf das Ziel, dem unsere Untersuchung zustrebt, Rücksicht zu nehmen. Als den Kern unserer Aufgabe sehen wir
Die Erscheinungsformen des Geldes.
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die Ableitung der Gesetze an, die das zwischen dem) Gelde und den übrigen wirtschaftlichen Gütern bestehende Austauschverhältnis bestimmen; dies und nichts anderes ist die Aufgabe der nationalökonomisehen Theorie des Geldes. Dem Wesen dieses Problems muß auch unsere Ausdrucksweise angemessen sein. Soll aus der fülle von Objekten, die im Verkehr wie Geld gebraucht werden, eine bestimmte Gruppe herausgehoben und unter der besonderen Bezeichnung Geld, die nur ihr zuerkannt wird, den übrigen, denen jener Name versagt bleibt, scharf gegenübergestellt werden, dann muß dies in einer Weise geschehen, die den weiteren' Gang der Untersuchung erleichtert. Solche Erwägungen sind es, die uns veranlassen, den Namen des Geldes jenen im Verkehr geldähnlich gebrauchten Objekten, die sich als jederzeit fällige sichere Geldforderungen darsteIlen, abzusprechen und ihnen die Bezeichnung Geldsurrogate beizulegen. forderungen sind keine Güter. Sie sind Wege zur Erlangung der Verfügungsgewalt über wirtschaftliche Güter 1. Dies bestimmt ihr ganzes Wesen und ihre Stellung in der Wirtschaft. Sie sind nicht selbst Gegenstand direkter Wertschätzung durch die wirtschaftenden Subjekte. Ihre Schätzung ist eine mittelbare, von der anderer wirtschaftlicher Güter abgeleitete. In der Schätzung eines forderungsrechtes sind zwei Elemente enthalten: einmal die Wertschätzung des Gutes, auf dessen Erlangung die forderung ein Anrecht gewährt, dann die größere oder geringere Wahrscheinlichkeit, vermittels der forderung die Verfügungsgewalt über das fragliche Gut auch tatsächlich zu erlangen. Gibt das forderungsrecht einen Anspruch erst nach Ablauf einer bestimmten Zeit, so tritt als drittes Moment noch die Berücksichtigung dieses Umstandes hinzu. Das Recht auf die Ausfolgung von zehn Sack Kohl:e, das am 31. 'Dezember fällig ist, wird am 1. Januar dieses Jahres nicht nach Maßgabe des Wertes von zehn Sack Kohle, sondern nach Maßgabe des Gegenwartswertes von nach einem Jahr zu erlangenden zehn Sack Kohle geschätzt. Dies ist übrigens jedermann geläufig, ebenso wie die Tatsache, daß bei der Bewertung von forderungen ihre "Güte" mit in Betracht gezogen wird. Das gilt natürlich auch von den auf Geld lautenden forderungen. 1 Vgl. Böhm-Bawerk, Rechte und Verhältnisse vom Standpunkte volkswirtschaftlichen Güterlehre, lnnsbruck 1881, S. 120 ff.
der
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Drittes Kapitel.
Sind sie sofort fällig, besteht über ihre Sicherheit kein Zweifel und ist ihre Eintreibung mit keinerlei Auslagen verbunden, dann werden sie dem baren Gelde gleichgeachtet und im Verkehr wie Geld gegeben und genommen 1. Nur solche jederzeit fällige und nach menschlicher Voraussicht absolut sichere und in juristischem Sinne liquide forderungen vertreten im Verkehr die Stelle des Geldes, auf das sie lauten. Andere forderungen, zum Beispiel Noten' von Banken zweifelhafter Kreditwürdigkeit oder solche, die erst in einem späteren Zeitpunkt fällig werden, sind natürlich ebenfalls Objekte des Verkehrs. Sie können ebenso gut auch als allgemeine TauSIchmittel gebraucht werden. 'Dann sind sie aber nach unserer Terminologie Geld. Denn ihre Bewertung ist eine selbständige; sie werden weder mit dem Geldbetrage, auf den sie lauten, gleichgewertet, noch auch entspricht ihre Wertung lediglich dem Werte des forderungsrechtes, das sie darstellen. Ihr Tauschwert ist vielmehr auch durch jenen besonderen faktor mitbestimmt, den wir im weiteren Verlauf unserer Ausführungen kennen lernen werden. Es wäre natürlich keineswegs unri,chtig, wenn wir versuchten, auch die jederzeit fälligen sicheren Geldforderungen, die wir als Geldsurrogate bezeichnet haben, unter den Begriff des Geldes zu bringen. Ganz zu verwerfen ist nur die allgemein verbreitete Übung, bestimmte Kategorien der Geldsurrogate, gewöhnlich die Banknoten, Scheidemünzen und dergleichen, als Geld zu bezeichnen und den anderen Kategorien, etwa den Kassenführungsguthaben, scharf gegenüberzustellen 2. Das hieße ohne jeden ersichtlichen Grund klassifizieren; denn alles, was zum Beispiel die Note vom Kassenführungsguthaben scheidet, ist rein äußerliche Beigabe, handelstechnisch und juristisch vielleicht wichtig, ökonomisch bedeutungslos. für die allgemeine Einbeziehung aller Geldsurrogate ohne Ausnahme unter einen einheitlichen Geldbegriff lassen sich dagegen schwer ins Oewicht fallende Gründe anführen. Man könnte darauf hinweisen, daß die Bedeutung der jederzeit fälligen sicheren Geldforderungen für die Geldfunktion eine ganz andere sei als die jener forderungen, die auf andere wirtschaftliche Güter lauten. Wenn eine forderung auf die Herausgabe eines Tauschgutes früher oder später zur Geltendmachung führen müsse, sei dies bei forderungen, die auf die Heraus1 Vgl. Wagner, Beiträge zur Lehre von den Banken, Leipzig 1857, S. 34 ff. 2 So z. B. Helfferich, Das Geld, 6. Auf\., Leipzig 1923, S. 267ff.
Die Erscheinungsformen des Geldes.
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gabe von Geld lauten, nicht unbedingt der Fall. Solche Forderungen können die längste Zeit von Hand zu Hand gehen und dabei die Stelle des Geldes vertreten, ohne daß der Versuch gemacht würde, sie zu realisieren. Wer Geld benötige, sei durch Erhalt solcher Forderungen ganz befriedigt; wer Geld fortgeben wolle, könne gerade so gut auch sie verwenden. In das Geldangebot müsse daher auch das Angebot an Geldsurrogaten, in die Geldnachfrage auch die Nachfrage nach Geldsurrogaten eingerechnet werden. Wenn es unmöglich sei, eine gesteigerte Nachfrage nach Brot durch eine Steigerung der Ausgabe von auf Brot lautenden Anweisungen ohne Vermehrung der verfügbaren Brotmenge zu befriedigen, sei dies beim Gelde durchführbar. Man müsse dieser Besonderheit Rechnung tragen und den Geldbegriff entsprechend ausdehnen. Ohne das Gewicht solcher Argumente bestreiten zu wollen, entscheiden wir uns doch aus Zweckmäßigkeitsgründen für die engere Fassung des Geldbegriffes und die Aufstellung eines besonderen Begriffes des Geldsurrogates. Ob das praktisch ist oder nicht, ob nicht durch einen anderen Vorgang eine größere Übersichtlichkeit in der Anordnung des Stoffes zu erreichen wäre, muß der Beurteilung des Lesers überlassen bleiben. Uns will scheinen, daß es nur auf diesem Wege möglich ist, die schwierigen Probleme der Geldtheorie der Lösung zuzuführen.
§ 2. Die nationa!ökonomische Betrachtung des Geldes, die allein auf das wirtschaftliche Moment zu achten hat und rechtlichen Unterschieden nur dann und nur insoweit ihre Aufmerksamkeit zuwenden darf, als diese auch für die ökonomische Funktion Bedeutung gewinnen, hat sich au,ch bei der Abgrenzung des Geldbegriffes nicht an rechtlkhe Definitionen und Distinktionen, sondern an das wirtschaftliche Wesen der Dinge zu halten. Wenn wir uns einmal dafür entschieden haben, Anweisungen auf Geld und andere Geldforderungen nicht als Geld anzusehen, so darf man dabei nicht an den strengen juristischen Begriff der Geldforderung allein denken. Neben den Geldforderungen im Sinne der Rechtssprache kommen auch solche Objekte in BetracM, die zwar juristisch keine Forderungen darstellen, im Verkehr aber dennoch als solche angesehen werden, weil irgendeine Stelle diese Objekte so behandelt, als ob sie gegen sie gerichtete Forderungen darstellen würden 1. 1
Vgl. Laughlin, a. a. 0., S. 516ft
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Drittes Kapitel.
Die Scheidemünzen, die im Deutschen Reiche auf Grund des Münzgesetzes vom 9. Juli 1873 geprägt wurden, waren zweifellos keine Geldforderungen im Sinne der Rechtsordnung. Oberflächliche Beurteiler werden möglicherweise selbst geneigt sein, sie als Geld zu bezeichnen, weil sie aus Silber, Nickel oder Kupfer in runden Platten, die ganz das Aussehen von Geldstücken haben, hergestellt wurden. 'für die nationalökonomische Betrachtung stellen jedoch diese Scheidemünzen nichts anderes dar als Anweisungen auf die Reichskasse. Der zweite Absatz des § 9 des Münzgesetzes (in seiner Gestalt vom 1. Juni 1909) trug dem Bundesrate auf, diejenigen Kassen zu bezeichnen, welche Goldmünzen gegen Einzahlung von Silbermünzen in Beträgen von mindestens 200 Mk. oder von Nickel- und Kupfermünzen in Beträgen von mindestens 50 Mk. auf Verlangen verabfolgen. Mit dieser funktion wurden bestimmte Kassen der Reichsbank betraut. Eine weitere Anordnung des Münzgesetzes (§ 8) traf dafür Vorsorge, daß das Reich auch jederzeit in der Lage sei, diese Einlösung wirklich durchzuführen. Der Gesamtbetrag der aus Silber auszuprägenden Scheidemünzen durfte nämlich 20 Mk., derjenige der aus Nickel und Kupfer auszuprägenden Scheidemünzen 2112 Mk. für den Kopf der Bevölkerung des Reiches nicht übersteigen. Diese Summe entsprach, nach Ansicht der Gesetzgeber, dem Bedarfe des Verkehrs an kleinen Münzen; es war daher nicht zu befürchten, daß diese Scheidemünzen in einer den Bedarf übersteigenden Menge ausgegeben wurden. Man hat es freilich unterlassen; jedem Inhaber einer Scheidemünze (oder einer bestimmten Summe von solchen) einen subjektiven Anspruch auf die Einlösung zuzuerkennen; die Begrenzung ihrer Zahlkraft (§ 9, Abs. 1) bot nur einen ungenügenden Ersatz dafür. Tatsächlich wurden jedoch im Deutschen Reiche - dies ist allgemein bekannt - die Scheidemünzen ohne Schwierigkeit bei den vom Reichskanzler bezeichneten Stellen umgetauscht. Ganz dieselbe Bedeutung wie die Scheidemünzen hatten auch die Reichskassenscheine, deren Umlauf den Betrag von 120 Millionen Mark nicht übersteigen durfte. Auch sie wurden (§ 5 des Gesetzes vom 30. April 1874) von der Reichshauptkasse, als welche die ·Reichsbank fungierte, für Rechnung des Reiches jederzeit auf Erfordern gegen bares Geld eingelöst. Daß im Privatverkehr ein Zwang zu ihrer Annahme nicht stattfand, wogegen jedermann verpflichtet war, Silbermünzen bis zum Betrage von 20 Mk., Nickelund Kupfermünzen bis zum Betrage von einer Mark anzunehmen,
Die Erscheinungsformen des Geldes.
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ist nebensächlich. Auch die Reichskassenscheine wurden, trotzdem ihnen keine gesetzliche Solutionskraft beigelegt wurde, von jedermann bereitwillig in Zahlung genommen. Ein anderes Beispiel bieten die deutschen Taler in der Zeit von der Einführung der Goldwährung bis zum 1. Oktober 1907, dem Tage ihrer Außerkurssetzung. In all diesen Jahren waren die Taler, vom rechtlichen Standpunkt betrachtet, Kurantmünzen. Wir weisen diesen einer juristischen Terminologie entstammenden Ausdruck als für uns unbrauchbar zurück und fragen: Waren die Taler in dieser Zeit Geld? Die Antwort darauf muß verneinend lauten. Es ist richtig, daß die Taler im Verkehr als Tauschmittel verwendet wurden; sie waren aber Tauschmittel lediglich als Anweisungen auf das allgemeine Tauschmittel, auf Geld. Denn trotzdem weder die Reichsbank noch das Reich oder die Einzelstaaten oder sonst jemand zu ihrer Einlösung verpflichtet war, hat die Reichsbank im Auftrag der Reichsregierung, als deren Kassierer sie fungiert, stets dafür Sorge getragen, daß im Verkehr nicht mehr Taler umlaufen, als vom PublikuI'. verlangt werden. Dies erl"dchte sie in der Weise, daß sie es vermied, bei Zahlungen dem Publikum Taler aufzudrängen. Bei dem Umstande, daß die Taler auch der Bank und dem Reiche gegenüber Zwangskurs hatten, genügte dies, um den Talern die Eigenschaft von jederzeit in Geld umwechselbaren Marken zu verleihen, so daß sie im Inlande als vollkommen brauchbare Ersatzmittel des Geldes umliefen. Wiederholt ist an die Reichsbankleitung das Ansinnen gestellt worden, ihre Noten, wozu sie der Wortlaut des Gesetzes berechtigt hätte, nicht in Gold, sondern in Talern einzulösen und Gold nur gegen Entrichtung einer Prämie abzugeben, um der Goldausfuhr Schwierigkeiten in den Weg zu legen. Sie hat sich jedoch diesen und allen ähnlichen Vorschlägen gegenüber stets ablehnend verhalten. Nicht alle Staaten hatten ihr Scheidemünzwesen in so klarer und übersichtlicher Weise geordnet wie das Deutsche Reich, dessen Münz- und Bankverfassung ihren Stempel durch Männer wie Bamberger, Michaelis und Soetheer erhalten hat. In der einen oder anderen Gesetzgebung mag der Grundgedanke, der die moderne Scheidemünzpolitik beherrscht, versteckter liegen und nur schwer nachzuweisen sein; der gleiche Sinn ist aber allen gemeinsam. Rechtlich ist die Scheidemünze durch die Beschränkung der Zahlkraft auf eine bestimmte Maximalsumme charakterisiert. Dazu tritt in der
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Drittes Kapitel.
Regel noch die gesetzliche Begrenzung der auszuprägenden Summe. ,Wirtschaftlich existiert der Begriff der Scheidemünze überhaupt nicht; da gibt es lediglich innerhalb der Gruppe der auf Geld lautenden Forderungsrechte, die im Verkehr die Stelle des Geldes vertreten, eine besondere Untergruppe, die für die Durchführung kleiner Geldumsätze bestimmt ist. Die Eigentümlichkeiten der rechtlichen Regelung der Inverkehrsetzung und des Umlaufes der Scheidemünzen erklären sich aus der Besonderheit des Zweckes, dem sie dienen. Wenn dem Inhaber einer Banknote das subjektive Recht zuerkannt wurde, die Einlösung der Note zu fordern, wogegen der Umtausch der Scheidemünzen in manchen Staaten dem Ermessen der Verwaltung anheimgestellt ist, so ist dies aus dem verschiedenen Entwicklungsgang zu erklären, den Noten und Scheidemünzen zurückgelegt haben. Die Scheidemünzen sind aus dem Bedürfnisse hervorgegangen, den Umsatz geringwertiger Güter im Kleinverkehr zu erleichtern. Die Einzelheiten ihrer geschkhtlichen Entwicklung liegen noch im Dunkel; mit wenigen Ausnahmen 1 ist alles, was darüber geschrieben wurde, nur vorn numismatischen und metrologischen Standpunkt verwertbar. Doch kann das eine mit Sicherheit festgestellt werden, daß die Anfänge der Scheidemünze überall auf das Geld zurückführen. Erst die technischen Schwierigkeiten, welche der Stückelung des Geldes in kleinen Münzen entgegenstehen, haben nach vielerlei Mißgriffen und verunglückten Versuchen zu jener Lösung des Problems geführt, die wir heute anwenden. In vielen Gebieten hat man im Laufe dieses Überganges zeitweilig im Kleinverkehr vielleicht ein,e Art Zeichengeld verwendet 2; das hatte den großen Nachteil zur Folge, daß zwei selbständige Geldarten nebeneinander den Dienst als allgemeines Tauschmittel versahen. Man brachte daher, um den hieraus erwachsenden Übelständen zu steuern, die kleinen Münzen in ein festes gesetzliches Verhältnis zu den Münzen des Großverkehrs und traf die erforderlichen Vorkehrungen, 1 Vgl. Kai k man n, Englands Übergang zur Goldwährung im 18. Jahrhundert, Straßburg 1895, S. 64 ff,; Schmoller, über die Ausbildung einer richtigen Scheidemünzpolitik vom 14. bis zum 19. Jahrhundert (Jahrbuch für GfsetzgebWlg, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich, XXIV. Jahrgang, 1900, S.1247-1274); Helfferich, Studien über Geld- und Bankwesen, Berlin 1900, S. 1-37.
2 Über die Begriffe Sachgeld, Kreditgeld und Zeichengeld siehe weit~r unten § 3 dieses Kapitels.
Die Erscheinungsformen des
Gelde~.
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um die Vermehrung der kleinen Münzen über die vom Verkehr benötigte Menge an solchen zu verhindern. Die wichtigste Maßnahme zu diesem Zweck ist die gesetzlich festgelegte oder auch ohne solche Bindung streng eingehaltene Beschränkung der Ausprägung auf das vom Verkehr für kleine Umsätze voraussichtlich benötigte Quantum. Hand in Hand damit geht die Begrenzung der gesetzlichen Zahlkraft im Privatverkehr auf eine bestimmte, nicht zu hoch. gegriffene Summe. Die Gefahr, daß diese Bestimmungen sich als unzureichend erweisen würden, schien nicht groß, und so hat man es entweder gänzlich unterlassen, gesetzlich für die j,ederzeitige Umwechslungder Scheidemünzen Sorge zu tragen, oder dies nur in unvollständiger Weise getan, nämlich ohne den Anspruch des Inhabers auf die Einlösung klar auszusprechen. Überall aber wird heute die Scheidemünze, die der Verkehr zurückstößt, vom Staate oder einer anderen Stelle, etwa von der Zentralbank, ohne jede Schwierigkeit aufgenommen und damit ihr Wesen als Geldforderung charakterisiert. Wo dies zeitweise unterlassen und der Versuch gemacht wurde, durch Einstellung des faktischen Eintausches der Scheidemünzen mehr davon in den Umlauf zu pumpen, als er benötigt'e, da ward die Scheidemünze zum Kreditgeld oder selbst zum Sachgeld. Sie wird dann nicht mehr als jederzeit fällige Geldforderung dem Gelde gleich geschätzt, sondern wird Objekt einer besonderen Bewertung. Einen ganz anderen Entwicklungsgang hat die Banknote durchgemacht. Sie ist stets auch juristisch als forderung angesehen worden. Das Bewußtsein, daß für ihre jederzeitige Einlösung in Geld gesorgt werden müsse, um sie dem Gelde gleichwertig zu erhalten, ist nie verloren gegangen. Daß die Einstellung der Bareinlösung der Noten ihren ökonomischen Charakter verändere, konnte auch unmöglich der Aufmerksamkeit entgehen; bei den quantitativ minder wkhtigen Münzen des Kleinverkehrs konnte dies leichter vergessen werden. Die geringere quantitative Bedeutung der Scheidemünze bringt es auch mit sich, daß ihre jederzeitige Einlösung auch ohne die Errichtung eigener Konversionskassen aufrechterhalten werden kann. Dies fehlen solcher besonderer fonds mag mit dazu beigetragen haben, das wahre Wesen der Scheidemünzen zu verschleiern 1. 1 Vgl. über das Wesen der Scheidemünzen Say, Cours complet d'economie politique pratique, Troisieme edition, Paris 1852, I. Bd., S. 408; W ag ne r, Theoretische Sozialökonomik, Leipzig 1909, 11. Abt., S. 504 ff.
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Drittes Kapitel.
Ganz besonders lehrreich gestaltet sich' die Betrachtung der Geldverfassung Österreich-Ungarns. Die Valutaregulierung, die im Jahre 1892 eingeleitet wurde, ist nie zum formellen Abschluß durchi die gesetzliche Aufnahme der Barzahlungen gelangt; die gesetzliche Wältrung der Monarchie blieb bis zu ihrem Ende eine sogenannte Papierwährung, da die österreichisch-ungarische Bank von der Bareinlösung ihrer Noten, die in unbeschränktem Maße gesetzliche Zahlkraft besaßen, entbunden war. Nichtsdestoweniger mußte man die österreichisch-ungarische Währung zwischen 1900 und 1914 als Goldwährung oder Goldkernwährung bezeichnen. Die österreichischungarische Bank stellte nämlich dem Verkehr bereitwillig Gold zur Verfügung. Wenn sie auch dem Buchstaben des Gesetzes nach zur Einlösung ihrer Noten nicht verpflichtet war, gab sie doch an jedermann Devisen und sonstige in Gold zahlbare Forderungen auf ausländische Plätze (Schecks, Noten u. dgl.) zu einem Preise ab, der unter dem ideellen oberen Goldpunkte lag. Unter solchen Umständen zog es selbstverständlich jeder, der Gold für die Ausfuhr benötigte, vor, derartige Forderungen zu erwerben, da er dabei naturgemäß besser fuhr als durch den kostspieligeren effektiven Export von Gold. Auch für den inländischen Verkehr, für den nur ausnahms\yeise Gold benötigt wurde, weil die Bevölkerung seit vielen Jahren den Gebrauch von Banknoten und Scheidemünzen 1 vorgezogen hat, Sehr lehrreiche Ausführungen finden sich in den Berichten und Kammerverhandlungen, die zum belgisehen Scheidemünzengesetz vom Jahre 1860 führten. In dem Bericht des Deputierten Pirmez wird die Stellung der modernen Scheidemünze, für deren Auswechslung gegen Kurant Vorsorge getroffen ist, folgendermaßen charakterisiert: "Avec cette facuHe, ces pieces ne sont plus seulement de la monnaie, eIl es deviennent des titres, des pramesses de payer. Le detenteur n'a plus seulement un droit de propriete sur la piece (jus in re)~ il a encore un droit de crea:nce contre I'Etat pour taute sa yaleur nominale (jus ad rem), droit qu'il peut a chaque instant mettre en action par une demande d'echange. Le biIlon cesse d'etre une !l,!0nnaie po ur devenir une institution de credit, des billets de banque inscrits sur du meta!." (Vg!. Loi decre,:tant la fabrication d'une monnaie d'appoiiß t ... precedee de notes SUT la monnaie de billon en Belgique ainsi que de la discussion de la loi a la Chambre des Representants, Bruxelles 1860, S. 50.) 1 Die Silbergulden hatten in österreich-Ungarn dieselbe Bedeutung wie die Silbertaler im Deutschen Reiche von 1873-1907. Sie waren rechtlich Kurantgeld, wirtschaftlich jedoch Geldforderungen, da die Notenbank sie faktisch jederzeit über Verlangen einlöste.
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stellte die Bank, ohne gesetzlich hierzu verpflichtet zu sein, im Umtausche gegen ihre Noten Gold zur Verfügung. Alles dies aber tat die Bank nicht etwa zufällig, zeitweise und ohne die Tragweite ihres Vorgehens erkannt zu haben, sondern bewußt und planvoll, um der österreichischen und der ungarischen Volkswirtschaft die Vorteile der Goldwährung zukommen zu lassen. Die Regierungen der beiden Staaten, auf deren Initiative diese Politik der Bank zurückzuführen war, unterstützten sie dabei nach Kräften. In erster Linie aber mußte die Bank durch Befolgung einer entsprechenden Zinsfußpolitik selbst dafür sorgen~ daß sie jederzeit in der Lage sei, 'die freiwillig übernommene Bareinlösung ihrer Noten auch prompt durchzuführen. Die Maßnahmen, die sie zu diesem Zweck ergriffen hat, waren im Prinzip in keiner Weise von jenen verschieden, welche die Notenbanken der anderen Goldwährungsländer einschlugen 1. So stellten auch die Noten der österreichisch-ungarischen Bank nichts anderes dar als Geldsurrogate; Geld war in Österreich-Ungarn ebenso wie in den anderen europäischen Staaten das Edelmetall Gold.
§ 3. 'Die Terminologie, deren sich die nationalökonomische Geldlehre in der Regel zu bedienen pflegt, ist eine juristische, keine nationalökonomische. Sie ist von den Schriftstellern und Staatsmännern, von den Kaufleuten und Richtern ausgebildet worden, die den rechtlichen Eigenschaften der verschiedenen Geldsorten und ihrer Stellvertreter das Augenmerk zuzuwenden hatten. Sie ist recht brauchbar für die Erkenntnis sowohl der privatrechtlichen als auch der öffentlich-rechtlichen Seite des Geldwesens, sie ist aber für die 1 Vgl. meine Abhandlungen über: "Das Problem gesetzlicher Aufnahme der Barzahlungen in Osterreich-Ungarn" (Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich, XXXIiI. jahrgang, 1909, S. 985-1037); "Zum Problem gesetzlicher Aufnahme der Barzahlungen in Osterreich-Ungarn" (ebend. XXXIV. jahrgang, 1910, S. 1877-1884); "The Foreign Exchange Policy of the Austro-Hungarian Bank" (The Economic journal, Vol. XIX, 1909, S. 201-211); "Das vierte Privilegium der Osterreichisch-Ungarischen Bank" (Zeitschrift für Volkswirtschaft, Sozialpolitik und Verwaltung, XXI. Bd., 1912, S. 611 - 624). - Unter dem Einfluß der wachsenden inflationistischen Strömung, die durch die lebhaft betriebene Propaganda für Knapps Staatliche Theorie des Geldes gekräftigt wurde, hat die österreichisch-ungarische Bank schon seit 1912 ihre Politik ein wenig gelockert, indem sie den Preis, zu dem sie die Devisen abgab, zeitweilig erhöhte. Bei Ausbruch des Weltkrieges hat sie sogleich die faktische Barzahlung eingestellt. v. Mises, Theorie des Oeldes. 2. Auf!. 3
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nationalökonomische Untersuchung kaum verwertbar. Das ist oft übersehen worden, wie denn die Aufgaben, welche der Rechtswissenschaft, und jene, welche der Nationalökonomie zukommen, nirgends so oft und mit so nachteiligen Folgewirkungen verwechselt wurden, wie gerade auf dem Gebiete des Geldwesens. Es ist verfehlt, an nationalökonomische Begriffe den Maßstab der Rechtswissenschaft anzulegen. Die juristischen Ausdrücke müssen gerade so wie die Ergebnisse der rechtswissenschaftlichen forschung über Geld und Zahlungsmittel von der Nationalökonomie als Objekt ihrer Untersuchung angesehen werden; sie ist nicht berufen, sie zu kritisieren, aber befugt, sie für ihre Zwecke auszubeuten. Es unterliegt keinem Anstande, in der nationalökonomischen Deduktion dort, wo dies ohne Schaden geschehen kann, den juristischen Kunstausdruck anzuwenden. Für ihre eigenen Zwecke aber muß sie sich besondere Ausdrücke schaffen. Als Geld kann entweder eine Ware im Sinne der Warenkunde Verwendung finden, zum Beispiel das Metall Gold oder das Metall Silber, oder aber Objekte, die sich technologisch von anderen Objekten, die nicht Geld sind, durch nichts unterscheiden, bei denen das ausschlaggebende Moment für ihren Geldgebrauch vielmehr eine juristische Eigentümlichkeit ist. Ein Stück Papier, das durch einen von einem gesellschaftlichen Organ vorgenommenen Aufdruck besonders qualifiziert wurde, unterscheidet sich für die technologische Betrachtung durch nichts von einem anderen Stück Papier, das den gleichen Aufdruck von einem Unbefugten erhalten hat, ebensowenig ein echter Fünffrankentaler von einem durch "echte Nachprägung" erzeugten. Der Unterschi'ed liegt allein in der Rechtsnorm, die die Erzeugung solcher Stücke regelt und Unberechtigten unmöglich macht. Um jedes Mißverständnis auszuschließen, sei ausdrücklich bemerkt, daß das Gesetz bloß Bestimmungen über die Ausgabe der Stücke treffen kann, daß es jedoch außerhalb des staatlichen Machtbereiches liegt, diesen Stücken auch wirklich die SteIlung als Geld, das ist als alIgemeines Tauschmittel zu verschaffen. Der Staat vermag durch seinen Stempel bloß, diese Metall- oder Papierstücke aus der sonstigen Masse gleichartiger Waren herauszuheben, so daß sie einer selbständigen, von der übrigen Schätzung der betreffenden Waren unabhängigen Bewertung unterliegen können, und schafft so die Voraussetzung, daß die juristisch besonders qualifizierten Stücke einer Warengattung im Verkehr als allgemein gebräuchliche Tausch-
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mittel verwendet werden können, während die anderen Stücke ausschließlichen Warencharakter behalten. Er kann auch eine Reihe von Maßnahmen treffen, die darauf hinzielen, diese qualifizierten Stücke zum aIIgemeinen Tauschmittel zu machen. Niemals aber werden diese Stücke Geld, weil der Staat es befiehlt; denn nur die Übung der am Tauschverkehr Beteiligten vermag Geld zu schaffen. Wir woIIen jenes Geld, das zugleich eine Ware im Sinne deI' Warenkunde ist, Sachgeld, jenes Geld hingegen, das aus juristisch besonders qualifizierten Stücken hergestellt, keine technologischen Besonderheiten aufweist, Zeichengeld nennen. Als dritte Kategorie wollen wir mit der Benennung KreditgeId jenes Geld bezeichnen, weIches ein Forderungsrecht gegen irgendeine physische oder juristische Person enthält. Diese Forderung darf jedoch nicht jederzeit fällig und sicher sein; in diesem Falle könnte zwischen ihrem Werte und dem der Geldsumme, auf den sie lautet, keine Differenz entstehen, sie könnte nicht von den am Verkehr teilnehmenden Individuen zum Objekt einer besonderen Wertschätzung gemacht werden. Die Fälligkeit der Forderung muß vielmehr zeitlich irgendwie hinausgeschoben sein. Daß Zeichengeld prinzipiell möglich ist, wird kaum bestritten werden können; seine Existenzmöglichkeit ergibt sich aus dem Wesen der Geldwertgestaltung. Eine andere Frage ist es, ob Zeichengeld jemals in der Geschichte bereits vorgekommen ist. Man kann diese Frage nicht ohne weiteres bejahen. Die weitaus überwiegende Mehrheit jener Geldtypen, die nicht unter die Kategorie des Sachgeldes faUen, ist unzweifelhaft dem Kreditgelde zuzurechnen. Erst eine eingehende historische Untersuchung wird hier Klärung bringen können. Diese Terminologie dürfte zweckmäßiger sein als die allgemein übliche; sie scheint die Wertgestaltungseigentümlichkeiten der einzelnen Geldtypen deutlich zum Ausdruck zu bringen. Sie ist zweifellos korrekter als die beliebte Unterscheidung zwischen Hartgeld und Papiergeld. Unter Hartgeld werden außer dem Metallgeld auch die Scheidemünzen und solche Münzen, wie die deutschen Taler es von 1873-1907 waren, verstanden, unter Papiergeld meist nicht nur das aus Papi,er hergestellte Zeichengeld und Kreditgeld, sondern auch einlösliche Staats- und Banknoten. Diese Terminologie stammt aus dem Sprachgebrauche der Laien. Si,e war ehemals, als das "Hartgeld" noch öfter als heute Geld und nicht Geldsurrogat war, vielleicht etwas weniger unzutreffend, als sie es jetzt ist. Sie entsprach 3*
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auch - oder entspricht auch noch - dem naiven und unklaren Wertbegriffe des Volkes, das in den Edelmetallen "an sicb wertvolle" Objekte, in dem papierenen Kreditgeld immer eine Anomalie sieht. Wissenschaftlich ist sie völlig wertlos und die Quelle unendlicher Mißverständnisse und EntsteHungen. Es ist der größte fehler, den die nationalökonomische Untersuchung begehen kann, wenn sie den Blick an der äußeren Erscheinung der Dinge haften läßt und Wesensverschiedenes, wofern nur das äußere Bild gleich ist, als gleich behandelt, Wesensgleiches als v,erschieden, wenn das Gegenteil der fall ist. für das Auge des Kunsthistorikers, des Numismatikers, des Technikers besteht freilich zwischen dem fünffrankentaler vor Einstellung der freien Silberprägung und nach dieser kein Wesensunterschied, wogegen der österreichische Silbergulden ihnen auch 1879 bis 1892 grundsätzlich vom Papiergulden verschieden zu sein scheint. Es ist einer der dunkelsten Punkte der Nationalökonomie, daß solche und ähnliche Gesichtspunkte, die dem geistigen Horizonte von Kassenboten und Geldbriefträgern angemessen scheinen, in der wissenschaftlichen Diskussion noch heute eine Rolle spielen. Es ist nicht terminologische Spielerei, die zur Unterscheidung der drei Geldtypen führt; in den folgenden theoretischen Untersuchungen soll sich die Brauchbarkeit der entwickelten Begriffe zeigen. Beim Sachgeld ist das entscheidende Merkmal die Verwendung einer Ware im Sinne der Technologie als Geld. Welche Ware dies ist, kann die theoretische Untersuchung als gleichgültig außer acht lassen; festhaIten muß man jedoch, daß die fragliche Ware Geld und das Geld eben jene Ware ist. Beim Zeichengeld hingegen gibt der Stempel, das Zeichen, allein den Ausschlag. Geld ist hier nicht der Stoff, der das Zeichen trägt, sondern das Zeichen seft}st. Welcher Stoff das Zeichen trägt, ist völlig nebensächlich. Das Kreditgeld endlich ist eine künftig fällig werdende forderung, welche als aIlgemeines Tauschmittel verwendet wird.
§ 4. Wenn auch die Unterscheidung von Sachgeld, Kreditgeld und Zeichengeld als solche keine Ablehnung erfahren und nur ihre Zweckmäßigkeit, nicht auch ihre Richtigkeit bestritten werden dürfte, wird die Behauptung, daß das frei ausprägbare Kurantgeld der Gegenwart und das MetaIlgeld der vergangenen Jahrhunderte Sachgeld sei, von manchen Schriftstellern und noch mehr vom großen
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Publikum entschieden zurückgewiesen. Zwar wird im allgemeinen nicht in Abrede gestellt, daß das älteste Geld Sachgeld gewesen ist. Auch daß Münzen mitunter in längst vergangenen Zeiten al marco verwendet wurden, wird zugegeben. Schon längst aber, wird behauptet, habe das Geld seinen Charakter verändert. Nicht das Gold sei vor 1914 in Deutschland und England Geld gewesen, sondern die Mark und das Pfund. Geld seien in der Gegenwart "gezeichnete Stücke, denen von der Rechtsordnung autoritativ eine bestimmte ,Geltung' in Werteinheiten beigelegt ist." (Knapp.) "Währung ist die Bezeichnung für die Werteinheiten (Gulden, Frank, Mark usw.), welche man als Wertmaß angenommen hat, und ,Geld' ist die Bezeichnung für die Zeichen (Münzen und Noten), welche für die Werteinheiten gelten, die als Wertmaß fungieren. Der Streit, ob Silber oder Gold oder beide zugleich als Währung und Geld fungieren sollen, ist ein müßiger, weil weder Silber noch Gold jemals als Währung und Geld fungiert haben, noch fungieren können" (Hammer) 1. Ehe wir an die Prüfung dieser absonderlichen Behauptungen gehen, wollen wir eine kurZle Bemerkung über ihre Entstehung einfließen lassen. Eigentlich müßte man richtiger statt Entstehung Wiedererwachen sagen; handelt es sich doch dabei um Lehren, welche die engste Verwandtschaft mit den ältesten und primitivsten Geldtheorien aufweisen. So wie jene ilSt auch die nominalistische Geldtheorie der Gegenwart durch das Unvermögen gekennzeichnet, über das Hauptproblem der Geldtheorie (man könnte es ebensogut schlechtweg das einzige Geldproblem nennen), nämlich die Erklärung des zwischen dem Gelde und den übrigen wirtschaftlichen Gütern bestehenden Austauschverhältnisses, auch nur ein einziges Wort zu sagen, das man als Versuch zur Lösung dieses Problems deuten könnte. Das nationalökonomische Wert- und Preisproblem existiert für diese Schriftsteller nicht. Niemals haben sie es für nötig erachtet, darüber nachzudenken, wie die Austauschverhältnisse des Marktes entstehen, was sie bedeuten. Da wird ihre Aufmerksamkeit zufällig auf die Erscheinung gelenkt, daß ein Taler (seit 1873), ein 1 Vgl. besonders Hammer, Die Hauptprinzipien des Geld- und Währungswesens und die Lösung der Valutafrage, Wien 1891, S. 7 ff.; Gesell, Die Anpassung des Geldes und seiner Verwaltung an die Bedürfnisse des modernen Verkehres, Buenos-Aires 1897, S. 21 ff; K n a pp, Staatliche Theorie des Geldes, 3. Auf!., München 1921, S. 20 ff.
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Silbergulden (seit 1879) prinzipiell verschieden sind von einem Silberquanturn des gleichen Gewichtes und Feingehaltes, das nicht den staatlichen Stempel trägt. Sie finden ein Ähnliches beim "PapiergeldH • Dies scheint ihnen unbegreiflich; sie suchen nach einer Theorie, die das Rätsel erklären könnte. Dabei widerfährt ihnen aber, eben wegen ihrer Unbekanntschaft mit den Wert- und Preisproblemen, ein eigentümliches Mißgeschick. Sie fragen nicht nach der Bildung des Austauschverhältnisses zwischen dem Gelde und den übrigen wirtschaftlichen Gütern; das scheint ihnen offenbar eine selbstverständliche Sache zu sein. Sie formulieren ihr Problem anders: wie kommt es, daß drei Zwanzigmarkstücke gleich sind zwanzig Talern, trotzdem das in diesen enthaltene Silber einen geringeren Marktpreis hat als das in jenen enthaltene Gold? Und ihre Antwort lautet: die Geltung des Geldes bestimmt der Staat, das Gesetz, die Rechtsordnung. Unter geflissentlicher Außerachtlassung der wichtigsten Tatsachen der Geldgeschichte ;wird ein kunstvolles System von Trugschlüssen aufgebaut, ein Gebäude, das sofort zusammenstürzt, wenn man die Frage aufwirft, was denn unter der "WerteinheitH eigentlich zu verstehen sei. Aber solch fürwitzige Fragen kann nur der stellen, der von der Preistheorie, dem Mittelpunkt der ökonomischen Wissenschaft, wenigstens die Anfangsgründe kennt. Die anderen begnügen sich mit dem Hinweis auf die "NominalitätH der Werteinheit. Kein Wunder also, daß diese Theorien groBen Anklang unter den Laien finden mußten, um so mehr, als sie wegen ihrer Verwandtschaft mit inflationistischen Anschauungen bei allen jenen, die kurz zuvor noch für "billiges Geld H 'geschwärmt hatten, sympathisch berühren mußten. Als gesichertes Ergebnis der geldgeschichtIkhen Forschung kann die Erkenntnis gelten, daß zu allen Zeiten und bei allen Völkern di'e Hauptmünzen nicht nach der Stückzahl ohne Prüfung von Schrot und Korn, sondern nur als Metallstücke bei genauer Berücksichtigung ihres Gewichtes und Feingehaltes gegeben und genommen wurden. Soweit man die Münzen nach der Stückzahl nahm, geschah dies lediglich in der bestimmten Erwartung, daß die Platte den für Mü~zen der fraglichen Gattung üblichen Feingehalt und das entsprechende Gewicht aufweise; wo der Grund, dies zu vermuten, fehlte, kehrte man zum debrauch der Wage und zur Bestimmung des Feingehaltes zurück. Staats finanzielle Erwägungen haben zur Aufstellung einer Theorie geführt, die dem Münzherrn das Recht zusprach, die Geltung
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der Münzen im Verkehr nach Gutdünken zu regeln. So alt wie die obrigkeitliche Münzprägung ist auch das Bestreben der Obrigkeit, Gewicht und Gehalt der Münzen nach Belieben festzusetzen. Philipp VI., König von frankreich, nahm ausdrücklich für sich das Recht in Anspruch, de faire telles monnayes et donner tel cours et pour tel prix comme i1 nous plaist et bon nous semble 1, und ISO wie er dachten und handelten alle fürsten des Mittelalters. Gefällige Juristen suchten das Recht der Könige, die Münze nach Gutdünkea zu verschlechtern, philosophisch und positiv zu begründen und den Nachweis zu erbringen, daß der vom Landesherrn festgesetzte Nennwert der Münzen allein maßgebend sei. Allen behördlichen Geboten und Verboten, Preissatzungen und Strafandrohungen zum Trotz hat jedoch der Verkehr daran festgehalten, daß nicht der Nennwert, sondern der Metallwert allein für die Bewertung der Münzen in Betracht zu ziehen sei Nicht der Stempel, nicht die Proklamation der Münz- und Marktherren, sondern der Metallgehalt bestimmte die Geltung der Stücke im Tausch. Nicht jedes Geld schlechthin wurde im Vt'rkehr genommen, sondern nur jene bestimmten Sorten, die ob ihres Schrot und Korns in Ansehen standen. In Schuldverträgen wurde die Rückzahlung in bestimmten Sorten ausbedungen und, für den fall einer Änderung in der Ausmünzung, Erfüllung nach dem Metallwert gefordert 2. Trotz aller fiskalischen Einflüsse gelangte schließlich auch unter den Juristen die Meinung zur Herrschaft, daß bei Bezahlung von Geldschulden der Metallwert - sie sprachen von der bonitas intrinseca - zu berücksichtigen sei s. Die Münzverschlechterungen vermochten nicht den Verkehr dazu zu bewegen, den neuen (leichteren) Münzen dieselbe Kaufkraft beizulegen wie den alten (schwereren) 4. Der Wert der Münze sank im Verhältnis zur Minderung ihres Schrot und Korns. Auch die 1 Vgl. Luschin, Allgemeine Münzkunde und Geldgeschichte des Mittelalters und der neueren Zeit, München 1904, S. 215; Babelon, La theorie feodale de la monnaie (Extrait des memoires de l' Academie des Inscriptions et Belles-Lettres, Tome XXXVIII., ler Partie), Paris 1908, S. 35. I Wichtige Belegstellen bei Ba bel 0 n, a. a. 0., S. 30 f. 3 Vgl. Seidler, Die Schwankungen des Geldwertes und die juristische Lehre von dem Inhalt der Geldschulden, (Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Dritte folge, VII. Bd., 1894.) S. 688. , Vgl. für die älteren russischen Verhältnisse Gelesnoff, Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, übers. von Altschul, Leipzig 1918, S. 357.
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Preissatzungen nahmen auf die in folge der verschlechterten Herstellung eingetretene Minderung der Kaufkraft der Geldstücke Rücksicht. So ließen sich die Schöffen von Schweidnitz in Schlesien jedesmal durch den Münzmeister die Pfennige neuester Prägung bringen, setzten deren Wert fest und bestimmten darnach in Gemeinschaft mit dem Rate und den Ältesten der Stadt den Preis der verkäuflichen Gegenstände. Von Wien ist uns eine forma institutionis que fiJt per civium arbitrium annuatim tempo re quo denarii renovantur pro rerum venalium qualibet emptione aus der Mitte des. 13. Jahrhunderts überliefert, und es sind Preissatzungen für Waren und Arbeitsleistungen bei der Einführung neuer Münzen aus den Jahren 1460 bis 1474 erhalten. Ähnliche Maßregeln sind bei gleichen Anlässen auch in anderen Städten getroffen worden 1. Wo die Zerrüttung des Münzwesens solche Fortschritte gemacht hatte, daß die Verwendung geprägten EdelmetaIls keinerlei Erleichterung mehr für die FeststeIlung des Vorhandenseins einer bestimmten EdelmetaIlmenge bot, da gab der Verkehr jede Anlehnung an das staatliche Geldwesen auf und schuf sich selbst sein EdelmetalImaß. Im Großverkehr wurden Barren und Handelsmünzen gebraucht. So nahmen deutsche Kaufleute, die die Genfer Warenmessen besuchten, Feingold in Barren mit und gaben es nach dem Pariser Marktgewicht an Zahlungsstatt. Dies war der Ursprung des Markenskudo (scutus marcharum), das nichts anderes vorstellte, als die unter Kaufleuten übliche Bezeichnung für 3,765 g Feingold. Anfangs des 15. Jahrhunderts, als der Meßverkehr allmählich auf Lyon überging, hatte sich die Mark Feingold als Rechnungseinheit bei den Meßkaufieuten derart eingebürgert, daß man Wechsel von und zu der Messe nahm, die auf diese Wertgröße gestellt waren. Auf ähnliche Weise war das ältere venezianische Lire di grossi :entstanden 2. In den Girobanken, die in den ersten Jahrhunderten der Neuzeit überall in den großen Handelsplätzen entstanden, erblicken wir ein~n weiteren Versuch, das Geldwesen von der mißbräuchlichen Ausnützung des Münzregals durch die Berechtigten zu befreien. Als Grundlage des Giroverkehrs dienten in diesen Banken entweder Vgl. Luschin, a. a. 0., S. 221 f. Vgl. Luschin, a. a. 0., S. 155; Endemann, Studien in der romanischkanonistischen Wirtschafts- und Rechtslehre bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts, Berlin 1874, I. Bd., S. 180 ff. 1
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Münzen von einem gen au umschriebenen Feingehalt oder Barren. Das Bankgeld stellte die vollkommenste Gestalt des Sachgeldes dar. Von den Nominalisten wird nun behauptet, im modernen Staate zumindest sei nicht eine bestimmte technisch definierbare Waren· einheit als Geldeinheit im Gebrauche, sondern eine nominale Wertgröße, von der nichts anderes ausgesagt werden könne, als das, daß sie durch das Gesetz geschaffen sei. Ohne auf das Nebelhafte und Unbestimmte dieser Ausdrucksweise einzugehen, die einer werttheoretischen Kritik keinen Augenblick standhält, wollen wir lediglich fragen: Was sind denn die Mark, der Frank, das Pfund 'Vor 1914 gewesen? Doch nichts anderes als Gewichtsmengen Goldes. Ist es nicht Silbenstecherei, zu behaupten, in Deutschland habe die Markwährung und nicht die Goldwährung gegolten? Nach dem Wort· laut des Gesetzes herrschte in Deutschland die Goldwährung und die Mark bildete lediglich die Rechnungseinheit, d~e Bezeichnung für 2/90 kg feinen Goldes. Daß im Privatverkehr niemand gehalten war, Barrengold und ausländische Goldmünzen als Zahlung entgegenzunehmen, kann daran nichts ändern; dt:nn das eben ist ja der Sinn und Zweck der staatlichen Intervention auf dem Gebiete des Geldwesens, den einzelnen der Notwendigkeit der Prüfung des Goldes auf Gewicht und Feingehalt, die nur vom Sachkundigen vorgenom· men werden kann und umständliche Vorkehrungen erfordert, zu entheben. Die Enge der Fehlergrenzen, innerhalb deren bei der Herstellung der Geldstücke eine Abweichung vom gesetzlichen Schrot und Korn zuläSsig ist, sorgt ebenso wie die Festsetzung einer Abnutzungsgrenze für die umlaufenden Stücke weit bes'ser für die Aufrechterhaltung der Vollwichtigkeit der Geldstücke als dies der Gebrauch von Wage und Scheidewasser durch jeden am Verkehr Beteiligten vermöchte. Das freie Prägerecht, eine der Grundlagen des modernen Geldrechtes, schützt wiederum in umgekehrter Richtung gegen das Entstehen einer Wertdifferenz zwischen dem ungeprägten und dem geprägten Metall. Dort, wo die beim einzelnen Geldstück verschwindend kleinen Differenzen sich summieren und dadurch an Bedeutung gewinnen, im internationalen Großverkehr, da werden die Münzen nach ihrem GewIcht und nicht nach der Stückzahl gewertet; dann wird die Münze nur als Metallstück behandelt. Daß dies im Inlandsverkehr nicht vorkommt, ist leicht zu verstehen. Größere Umsätze erfolgen im Inland nie in der Weise, daß die entsprechenden
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Drittes Kapitel.
Geldbeträge faktisch übergeben werden, sondern durch Überweisung von Forderungen, die in letzter Linie auf den Metallschatz der Zentralbank zurückgehen. Im Metallschatz der Banken nimmt das ungeprägte Geldmetall auch formell diejenige Stellung ein, die dem Wesen der Geldverfassung entspricht. Auch für die Münzen der Gegenwart, soweit sie nicht Geldsurrogate, Zeichen- oder Kreditgeld sind, gilt somit der Satz, daß sie nichts anderes sind als in Feingehalt und Gewicht öffentlich beglaubigte Barren 1. Das Geld jener modernen Staaten, deren Verkehr sich der frei ausprägbaren Metallmünzen bedient, ist Sachgeld, genau so wie jenes der Völker des Altertums und des Mittelalters. 1 Vgl. Chevalier, Cours d'economie politique, 111., La monnaie, Paris 1850, S. 21 ff.; Goldschmidt, Handbuch des Handelsrechts, I. Bd., 2. Abt., Erlangen 1868, S. 1073 ff.
Viertes Kapitel.
Das Geld und der Staat. § 1. Die Stellung des Staates auf deml Markte ist in keiner :Weise von der der anderen am Verkei:Jr teilnehmenden Subjekte verschieden. Wie diese schließt auch der Staat Tauschgeschäfte ab, bei denen das Austauschverhältnis dem Preisgesetz unterliegt. Aus seiner öffentlich-rechtlichen Hoheit über die Bürger leitet der Staat das Recht her, zwangsweise Beiträge zu seinen Gunsten einzuheben; in jeder anderen Beziehung aber fügt er sich wie jedes andere wirtschaftende Subjekt in den gesellschaftlichen Tauschverkehr ein. Als Käufer und als Verkäufer muß sich der Staat der Lage des Marktes anpassen. Will er irgendwelche der auf dem Markte bestehenden Austauschverhältnisse ändern, so vennag er dies auch nur mit den Mitteln des Marktes zu tun. Er muß trachten, jene faktoren zu beeinflussen, von denen die Preisbildung abhängt. Dies wird ihm vermöge der fülle der ihm außerhalb des Marktes zu Gebote stehenden Machtmittet in der Regel besser gelingen als irgendeinem anderen Wirtschaftssubjekt. Die gewaltigsten Erschütterungen des Marktes gehen von ihm aus, weil er Angebot und Nachfrage am stärksten zu beeinflussen vermag; er selbst aber ist dem Gesetz, des Marktes unterworfen, kann die Regeln der Preisbildung nicht umstoßen. Kein staatlicher Befehl kann innerhalb der Grenzen der auf dem Sondereigentum an den Produktionsmitteln beruhenden Wirtschaftsverfassung die Austauschverhältnisse ändern, wenn er nicht die faktoren ändert, die sie bilden. Könige und Republiken haben dies immer wieder verkannt. Das diokletianische edictum de pretiis rerum venalium, die Preissatzungen des Mittelalters, das Maximum der französischen Revolution sind die bekanntesten Beispiele für das Mißlingen imperativer Eingriffe in den Tauschverkehr. Nicht daran scheiterten sie, daß ihre Geltung räumlich durch die Grenzen des Staatsgebietes beengt war und das Ausland sie nicht beachtete. Es wäre ein Irrtum, anzunehmen, daß ähnliche Befehle in einem isolierten Staat den gewünschten Erfolg erzielen müßten. Sie sind nicht an der geographischen sondern an
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der funktionellen Begrenztheit des Staates gescheitert. Nur im sozialistischen Staat könnten sie im Rahmen einer einheitlichen Organisation der Produktion und der Verteilung ihren Zweck erreichen. In dem Staate, der die Regelung der Produktion und der Verteilung den Individuen überläßt, müssen sie wirkungslos verhallen. Die Auffassung des Geldes als eines Geschöpfes der Rechtsordnung und des Staates 1 ist somit unhaltbar. Keine Erscheinung des Marktes rechtfertigt sie. Man verkennt die Grundprinzipien der Gesellschaft, in der das Geld umläuft, wenn man dem Staate die Macht zuschreibt, dem Tauschverkehr Gesetze zu diktieren.
§ 2. Wenn beim Tausch beide Teile die ihnen obliegende Leistung sofort erfüllen und Geld und Ware Zug um Zug hingeben, entsteht in der Regel kein Anlaß für das Eingreifen der richterlichen Hoheit des Staates. Wenn aber gegenwärtige Güter gegen zukünftige getauscht werden, ist der Fall möglich, daß der eine Teil mit der Erfüllung der ihm obliegenden Verpflichtung zurückhäIt~ trotzdem der andere Teil seinerseits den Bedingungen des Vertrages nachgekommen ist. Hier kann der Richter angerufen werden. Handelt es sich um einen Kreditkauf oder um ein Darlehen, um nur die wichtigsten Fälle zu nennen, so hat das Gericht darüber zu erkennen, wie eine in Geld zu leistende Schuld getilgt werden kann. Es wird dann seine Aufgabe, den ParteienwiIIen interpretierend festzustellen, was im Tauschverkehr unter Geld verstanden wird. Für die Rechtsordnung ist das Geld nicht das allgemeine Tauschmittel, sondern das allgemeine Zahlungsmittel (Solutionsmittel, Liberationsmittel). Aber Zahlungsmittel ist das Geld nur geworden, weil es Tauschmittel ist. Und nur weil es Tauschmittel ist, wird es durch die Rechtsordnung auch Mittel zur Erfüllung solcher nicht auf Geld lautender Verbindlichkeiten, deren Erfüllung in der Weise, die der Wortlaut der Vereinbarung festsetzt, dem Verpflichteten aus irgendeinem Grunde nicht möglich ist. Daraus, daß das Geld von der Rechtsordnung nur unter dem Gesichtspunkt der Tilgung obschwebender Verbindlichkeiten J3.ngesehen wird, ergeben sich wichtige Folgen für die rechtliche Definition des Geldes. Das, was die Rechtsordnung unter Geld lVer1 Vgl. insbesondere Neupauer, Die Schäden und Gefahren der Valutareguherung für die Staatsfinanzen, die Volkswirtschaft und die Kriegsbereitschaft, Wien 1892, S. 1 ff.; K na pp, a. a. 0., S. 1 ff.
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steht, ist eben nicht das allgemeine Tauschmittel, sondern das gesetzliche Zahlungsmittel. Es konnte gar nicht Aufgabe der Gesetzgebung oder der Rechtswissenschaft sein, den ökonomischen Begri.ff des Geldes zu definieren. Wenn festgestellt werden soll, wie Geldschulden mit voller Wirkung gezahlt werden können, liegt kein Grund vor, engherzig vorzugehen. Im Verkehr pflegt man gewisse jederzeit fällige Geldforderungen an Geldesstatt als Geldsurrogate zu geben und zu nehmen. Es hieße Tür und Tor der Schikane öffnen, wollte man die vom Verkehr zugestandene Geltung der Geldsurrogate nicht auch gesetzlich sanktionieren. Das wäre gegen den Grundsatz malitiis non est indulgendum. Bei der Zahlung kleiner Beträge wäre übrigens auch technisch ohne den Gebrauch der Scheidemünzen kaum ein Auslangen zu finden. Auch die Beilegung der Zahlungsmitteleigenschaft an die Banknoten 1 schädigt den Gläubiger und sonstigen Zahlungsempfänger in keiner Weise, solange diese Noten vom Verkehr dem Gelde gleichgehalten werden. Der Staat kann aber auch anderen Objekten die Zahlungsmitteleigenschaft beilegen. Jeder beliebige Gegenstand kann vom Gesetz als Zahlungsmittel erklärt werden, und dieser Befehl bindet die Richter und die Vollstreckungsorgane der Gerichte. Die Verleihung des Zwangskurses macht aber ein Ding noch nicht zum Geld im: Sinne der Nationalökonomie. Allgemeines Tauschmittel kann ein Gut nur durch die Gewohnheit der am Tauschverkehr Beteiligten werden, und ihre Wertschätzung allein bestimmt die Austauschverhältnisse des Marktes. Es ist möglich, daß der Verkehr die vom Staate mit Zahlungskraft ausgestatteten Objekte als Geld in Verwendung nimmt; aber es muß nicht sein, er kann sie auch zurückweisen. Wenn der Staat ein Objekt zum gesetzlichen Zahlungsmittel für obschwebende Verbindlichkeit,en erklärt, dann sind drei fälle möglich: Das Zahlungsmittel kann mit dem Tauschgut, das die Parteien beim Abschluß ihres Vertrages im Auge hatten, identisch sein oder ihm im Tauschwert im Augenblick der Solution gleichkommen; zum Beispiel der Staat erklärt Gold als gesetzliches Zahlungsmittel für auf Gold lautende Verbindlichkeiten oder er erklärt zu einer Zeit, in der das Verhältnis zwischen Gold und Silber wie 1 : 15 112 ist, daß jede auf Gold lautende Verbindlichkeit durch Hingabe des 151/2 fachen 1 England 1833 (3 William IV c. 98), Deutschland Gesetz vom 1. Juni 1909, Art. 3.
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Silberquantums getilgt werden könne. Eine derartige Anordnung enthält lediglich die juristische Formulierung des vermutlichen Inhaltes der Parteienabrede ; sie verletzt nicht die Interessen der einen oder der anderen Partei, sie ist wirtschaftspolitisch neutral. Anders, wenn der Staat ein Objekt zum Zahlungsmittel erklärt, das einen höheren oder geringeren Tauschwert hat als das der Parteienverabredung gemäß zu liefernde. Der erste Fall kann außer acht gelassen werden; wichtig ist der zweite, für den zahlreiche historische Beispiele herangezogen werden können. Vom Standpunkt der Privatrechtsordnung, welche den Schutz erworbener Rechte als obersten Grundsatz aufstellt, kann ein derartiges Vorgehen des Staates niemals gebilligt werden; sozialpolitische oder fiskalische Grunde mögen es mitunter rechtfertigen. Immer aber handelt es sich nicht um eine Erfüllung von Verbindlichkeiten, sondern um ihre gänzliche oder teilweise Aufhebung. Wenn Papierscheine, welchen im Verkehr nur der halbe Wert jener Geldsumme, deren Bezeichnung sie tragen, beigelegt wird. zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt werden, so ist dies im prunde nichts anderes, als wenn dem Schuldner von Gesetzeswegen die Hälfte seiner Verpflichtungen nachgesehen würde 1. Der Befehl des Staates, der einem Dinge den Charakter eines gesetzlichen Solutionsmittels verleiht, gilt nur für die Erfüllung von auf Geld lautenden Verbindlichkeiten, die in früherer Zeit begründet wurden. Der freie Verkehr aber kann an seinem alten Tauschmittel festhalten oder sich neue Tauschmittel schaffen und sucht diese, soweit die den Parteien vom Gesetz eingeräumte Dispositionsbefugnis reicht, auch zum standard of deferred payments zu machen, um so der Norm, die dem staatlichen Zahlungsmittel absolute Solutionskraft beilegt, wenigstens für die Zukunft die Geltung zu entziehen. Als die bimetallistische Partei in Deutschland so sehr an Macht gewonnen hatte, daß man mit der Möglichkeit rechnen mußte, es könnte zur Durchführung ihrer inflationistischen Experimente kommen, tauchte in den langfristigen Schuldverträgen die Goldklausel auf. Die jüngste Geldentwertungszeit hat ähnliches gebracht. Will der Staat nicht jeden Kreditverkehr unmöglich machen, dann muß er derartige Vertragsbestimmungen anerkennen und die Gerichte anweisen, sie zu beachten. Und ebenso muß der Staat auch dort, wo er selbst als wirtschaftendes Subjekt am Verkehr teilnimmt, wo er 1
Vgl. Knies, a. a. 0., I. Bd., S. 354ff.
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kauft mld verkauft, Anleihen aufnimmt und gewährt, Zahlungen leistet und empfängt, das allgemeine Tauschmittel des Verkehrs als Geld anerkennen. Die Rechtsnorm, die bestimmte Objekte mit unbeschränkter Zahlkraft ausstattet, behält mithin nur für die Rückzahlung alter Schulden Geltung, wenn der Verkehr selbst diese Objekte nicht zum allgemein gebräuchlichen Tauschmittel erhebt.
§ 3. OIe staatliche Tätigkeit auf dem Gebi,ete des Geldwesens war ursprünglich auf die Herstellung der Geldstücke beschränkt. Barren von möglichst gleichartigem Aussehen, Gewicht und Feingehalt zu liefern und sie mit ein,em nicht allzu leicht nachzuahmenden Stempel zu versehen, der von jedermann ohne Schwierigkeit als Zeichen der staatlichen Prägung erkannt werden kann, war und ist auch heute die erste Aufgabe der staatlichen Münztätigkeit. Im Laufe der Zeiten ist daraus dem Staate eine erweiterte Machtstellung auf dem Gebiete des Geldwesens erwachsen. Die Fortschritte in der Münztechnik sind nur langsam gemacht worden. Zunächst war der Stempel der Münze lediglich Beweis für die Echtheit des Stoffes, mitunter auch für den Feingehalt, wogegen das Gewicht jedesmal beim Tausche besonders nachgeprüft wurde; wir können dies beim gegenwärtigen Stande der Forschung nur vermuten; die Entwicklung dürfte übrigens nicht überall dieselbe gewesen sein. Später wurden dann bestimmte Münzsorten unterschieden, innerhalb dieser die konkreten Stücke aber als vertretbar angesehen. Vom Sortengeld führte dann die Entwicklung zur Parallelwährung. Da gibt es ein Nebeneinander zweier Münzsysteme, de~ goldenen und des silbernen Sachgeldes. Innerhalb jedes System~ bilden die Münzen ein einheitliches Ganzes; sie stehen in einem bestimmten Gewichtsverhältnis zu einander, und das staatliche Gesetz läßt sie in demselben Verhältnis in einen rechtlichen Zusammenhang treten, indem es die allmählich erwachsene Übung des Verkehrs, Münzen des gleichen Metalls, aber verschiedener Sorten nach ihrem Ausprägungsverhältnis als vertretbar zu behandeln, billigt. Soweit vollzog sich die Entwicklung ohne tiefere staatliche Beeinflussung. Alles, was der Staat bis dahin auf dem Gebiete des Geldwesens geleistet hatte, war die Herrichtung der Geldstücke für den Gebrauch des Verkehrs. Als Münzherr lieferte er in handlicher Form Stücke von bestimmtem Gewicht und Feingehalt, mit einem Stempel ver· sehen, der jedermann an der Münze mit Leichtigkeit erkennen ließ,
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woher sie stamme und was sie an Metall enthalte. Als Gesetzgeber legte er diesen Münz:en gesetzliche Zahlkraft bei - welche !Bedeutung dies hatte, ist eben auseinandergesetzt worden - und als Richter wendete er das Gesetz an. Bei all dem aber ist es nicht IStehengeblieben. Der Einfluß des Staates auf das Geldwesen ist seit ungefähr zwei Jahrhunderten größer. Zwar, das muß gleich festgestellt werden: auch jetzt hat der Staat nicht die Macht, irgendein Objekt ohne weiteres zum allgemein gebräuchlichen Tauschmitte1, zum Geld zu machen. Auch heute ist es allein die Übung der !al11' Tauschverkehr beteiligten Individuen, die ein Gut zum Tauschmittel werden läßt. Aber der Einfluß, den der Staat darauf nehmen kann und tatsächlich nimmt, ist größer geworden. Er ist gewachsen, einmal, weil die Bedeutung des Staates als am Tauschverkehr beteiligtes Wirtschaftssubjekt gestiegen ist, weil der Staat heute als Käufer und Verkäufer, als Lohnzahler und Steuereinheber mehr bedeutet als in den vergangenen Jahrhunderten. Aber daran ist nichts Auffälliges, das besonders hervorgehoben werden müßte. Es leuchtet ein, daß ein Wirtschaftssubjekt einen um so größeren Einfluß auf die Wahl des Geldgutes hat, je stärker seine Beteiligung am Marktverkehr ist, und es ist kein Grund vorhanden, anzunehmen, daß dies bei einem bestimmten Wirtschaftssubjekt, dem Staate, anders sein sollte. Der Staat hat aber heute darüber hinaus einen besonderen Einfluß auf die Wahl des Geldgutes, der weder auf seine Stellung im Tauschverkehr, noch auf seine Stellung als Gesetzgeber und Richter, sondern auf seine öffentliche Stellung als Münzherr und auf seine Macht, den Charakter der umlaufenden Geldsurrogate zu verändern, zurückzuführen ist. Man pflegt den Einfluß des Staates auf das Währungswesen gewöhnlich auf seine Stellung als Gesetzgeber und Richter zurückzuführen. Das Gesetz, das den Inhalt laufender Schuldverhältnisse imperativ ändern, den neuer Schuldverträge zwingend in eine bestimmte Richtung weisen kann, ermögliche es dem Staate, die Wahl des in der Volkswirtschaft gebräuchlichen Geldgutes entscheidend zu beeinflussen. Ihren extremsten Vertreter findet diese Auffassung heute in Knapps Staatlicher Theorie des Geldes; ganz frei von ihr sind nur wenige deutsche Schriftsteller. Es sei zum Beispiel auf Helfferich verwiesen, der zwar erklärt, daß es in bezug auf die Entstehung des Geldes vielleicht zweifelhaft sein könne, ob nicht die funktion als allgemeines Tauschmittel das Geld für sich allein
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begründet und das Geld auch' zum Gegenstand einseitiger Leistungen und zum Gegenstand allgemeiner vermögensrechtlicher Forderungen gemacht 'hat, es doch für unsere Wirtschaftsverfassung als ganz außerhalb eines jeden Zweifels stehend betrachtet, daß in einzelnen Staaten bestimmte Geldsorten, in anderen die Gesamtheit des Geldes überhaupt nur deshalb Geld sei und nur deshalb auch als Tauschmittel fungiere, weil die zwangsweise auferlegten einseitigen Leistungen und die auf Geld lautenden Verpflichtungen in diesen bestimmten Objekten erfüllt werden müssen oder erfüllt werden können 1. Man wird derartigen Ausführungen schwerlich zustimmen können; sie verkennen die Bedeutung der staatlichen Intervention auf dem Gebiete des Geldwesens. Wenn der Staat ein Objekt als ein im juristischen Sinne taugliches Mittel zur Tilgung von auf Geld lautenden Verbindlichkeiten erklärt, kann er die den am Tauschverkehr Beteiligten zustehende Wahl des allgemein gebräuchlichen Tauschmittels nicht beeinflussen. Die Währungsgeschichte zeigt uns, daß die Staaten, die währungspolitische Maßnahmen durchzuführen beabsichtigten, regelmäßig andere Mittel gewählt haben, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Die gesetzliche Festlegung eines Umrechnungsverhältnisses für die Tilgung der unter der Herrschaft der alten Geldart entstandenen Obligationen stellt sich nur als eine untergeordnete Maßnahme dar, die ihren Sinn erst durch den mit anderen Mitteln durchgeführten Währungswechsel erhält; die Verfügung, daß die öffentlichen Abgaben in Zukunft in der neuen Oeldart zu entrichten sind, und daß die subsidiär in Geld zu entrichtenden Leistungen nur in dieser Geldart bereinigt werden sollen, ist eine Folge .tes Überganges zur neuen Währung; sie erweist sich nur dann als durchführbar, wenn die neue Geldart auch sonst im Verkehr allgemein gebräuchliches Tauschmittel geworden ist. Währungspolitische Maßnahmen können sich niemals lediglich in gesetzHchen Verfügungen, in der Abänderung rechtlicher Normen über den Inhalt von Schuldverträgen und öffentliches Abgabenwesen, erschöpfen; sie müssen ihren Ausgang nehmen von der verwaltenden Tätigkeit des Staates als Münzherr und als Emittent von auf Geld lautenden, jederzeit fälligen Verpflichtungen, die im Verkehr die Stelle des Geldes 1
Vgl. Helfferich, Das Geld, a. a. 0., S. 294.
v. Misu, Theorie des Oeldes. 2. Aun.
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vertreten können. Da sind Vorkehrungen erforderlich, die nicht bloß auf das geduldige Papier der Protokolle gesetzgebender Versammlungen und der Amtsblätter geschrieben sein wollen, sondern, nicht selten unter großen finanziellen Opfern, auch wirklich ins Werk gesetzt werden müssen. Ein Staat, der seine Bürger zum Übergange von einer edelmetallischen Sachgeldwährung zu einer anderen veranlassen will, kann sich nicht damit begnügen, diese Absicht durch entsprechende privatrechtliche und finanzrechtliche Vorschriften zu äußern; er muß die gebräuchliche Geldart im' Verkehr durch die neue ersetzen. Ganz das gleiche gilt auch für den Fall des Überganges von einer Kredit- oder Zeichengeldwährung zum Sachgelde. Kein Staatsmann, dem eine solche Aufgabe gestellt war, hat sich je auch nur einen Augenblick darüber im Zweif,el befunden. Nicht die Festlegung einer Übergangsrelation und die Verleihung der Steuerfundation 1 sind die entscheidenden Schritte, sondern die Beschaffung der erforderlichen Menge neuen Geldes und die Zurückziehung des alten. Dies soll an einigen geschichtlichen Beispielen noch näher erhärtet werden. Zunächst die Vergeblichkeit, das Währungswesen durch gesetzliche Vorschriften zu lenken, an dem Mißerfolg der Doppelwährungsgesetze. Hier glaubte der Staat eine große Aufgabe lösen zu können. Jahrtausendelang hatten die Menschen Gold und Silber nebeneinander als Sachge1d verwendet; das längere Festhalten an dieser Übung wurde jedoch immer lästiger, da die Parallelwährung, der gleichzeitige Geldgebrauch zweier Güter, eine Reihe von Nachteilen mit sich bringt. Und da aus der Mitte der am Verkehr beteiligten Individuen keine automatische Abhilfe zu erwarten ist, will der Staat einschreiten. Mit einem< Hieb glaubt er den Knoten dieses Problems durchhauen zu können; so wie er lrüher, um di'e Sortenwährung zu beseitigen, erklärt hat, daß Schulden, die in Talern zu tilgen sind, auch durch die Hingabe der doppelten Zahl von halben oder der vierfachen Zahl von Vierteltalern getilgt werden dürfen, so stellt er nun, um die Parallelwährung zu beseitigen, ein festes Umrechnungsverhältnis zwischen den beiden Edelmetallen auf. Schulden, die in Silber zu zahlen sind, sollen z. B. durch ----;-, des 15 s gleichen Gewichtes in Gold getilgt werden dürfen. Damit glaubt man, das Problem einfach gelöst zu haben, ohne die Schwierig1 Es liegt kein Bedenken vor, diesen sonst nur für "Papiergeld" verwendeten Ausdruck auch hier zu gebrauchen.
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keiten, die es bietet, auch nur zu ahnen. Aber es kommt anders. Es tritt jene folge der ges,etzlichen Gleichstellung wertungleicher Geldstücke ein, die das Greshamsche Gesetz beschreibt. Bei allen Schuldzahlungen und dergleichen wird nur jenes Geld verwendet, welches vom Gesetz höher bewertet wurde als vom Markt; hat das Gesetz zufällig die augenblickliche Marktrelation zum Pari gewählt, dann kommt es dazu erst ein wenig später, nämlich bei der nächsten Veränderung der Preise der Edelmetalle. Ausbleiben kann diese Wirkung nicht, sobald· zwischen der gesetzlichen und der marktüblichen Relation der Geldarten eine Verschiedenheit eintritt. Aus der Parallelwährung wird daher nicht, wie der Gesetzgeber es beabsichtigt hatte, eine Doppelwährung, sondern eine Alternativwährung. Damit war für den Augenblick wenigstens eine Wahl zwischen den beiden Geldarten getroffen worden. Nicht der Staat hatte sie vorgenommen, im Gegenteil, dieser hatte ja eine Entscheidung zugunsten des einen Metalles gar nicht beabsichtigt, hatte vielmehr gewünscht, beide nebeneinander im Verkehr als Geld verwendet zu sehen. Die staatliche Norm, welche die wechselseitige Vertretbarkeit der Metalle Gold und Silber aussprach und dabei der Marktrelation gegenüber das eine überwertete, das andere unterwertete, hatte die Verwendbarkeit der heiden für den Gelddienst differenziert. Die folge davon war das Verschwinden des einen Metalls, das Vordringen des anderen. Das Eingreifen des Staates als Gesetzgeber und Richter hatte zu einem völligen Mißerfolg geführt; in eklatanter Weise hatte es sich gezeigt, daß nicht der Staat, sondern nur die Gesamtheit der am Tauschverkehr beteiligten Individuen ein Gut zum allgemein gebräuchlichen Tauschmittel, zum Gelde, machen kann. Was der Staat als Gesetzgeber nicht trifft, das kann er aber innerhalb bestimmter Schranken als Münzherr tun. Als Münzherr ist der Staat eingeschritten, als die Alternativwährung durch den ständigen Monometallismus ersetzt wurde. Das ist in verschiedener Weise geschehen. Unauffällig und einfach war der Übergang dort, wo der Staat mitten in einer der alternierenden monometallistischen Perioden die Rückkehr zum anderen Metall durch Aufhebung des freien Prägerechtes ausschloß. Noch einfacher lagen die Verhältnisse in jenen Ländern, in denen das eine oder das andere MetalI im Verkehr selbst bereits die Oberhand erlangt hatte, ehe der moderne Staat an die Regelung des Währungsrechts hatte schreiten 4*
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können, so daß dem Gesetz nichts anderes zu tun blieb, als die Sanktionierung eines Zustandes, der sich bereits eingebürgert hatte. Weitaus schwieriger war die Sache dort, wo der Staat den Verkehr veranlassen wollte, das als Geld verwendete Metall durch das andere zu ersetzen. Hier mußte der Staat die erforderlichen Mengen des neuen Geldmetalls beschaffen, den wirtschaftenden Subjekten im Austausch gegen das alte übergeben und das so empfangene Quantum des aus dem Verkehr gezogenen Metalls entweder in Scheidemünzen verwandeln oder aber verkaufen, sei es zu nicht monetären Zwecken, sei es zur Münzprägung an das Ausland. Als ein Schulbeispiel für den Übergang von einer metallischen Sachgeldwährung zu einer anderen ist die Reform des deutschen Geldwesens nach der Neubegründung des Reiches zu betrachten. Man kennt die Schwierigkeiten, die sich ihr boten und mit Hilfe der französischen Kriegsentschädigung überwunden wurden; sie waren zweifach: die Beschaffung des Goldes und die Abstoßung des Silbers. Das und nichts anderes war das Problem, das gelöst werden mußte, als die Entscheidung für den Währungswechsel gefallen war. Indem das Reich den einzelnen Bürgern das Silbergeld und die dessen Stelle vertretenden forderungen gegen Gold und Goldforderungen umtauschte, vollzog es den Übergang zur Goldwährung, den die entsprechende Abänderung privat- und öffentlich-rechtlicher Normen nur beg:eitete 1. Nicht anders vollzog sich der Währungswechsel in Österreich-Ungarn, in Rußland und in den anderen Ländern, die in den folgenden Jahrzehnten ihr Geldwesen reformierten. Auch hier bestand das Problem lediglich darin, die erforderlichen Goldbeträge zu beschaffen und den wirtschaftenden Individuen im Umtausche gegen die von ihnen bis dahin verwendeten Tauschmittel zum künftigen Gebrauch einzuhändigen. Dieser Vorgang wurde außerordentlich vereinfacht und, was noch weit mehr ins Gewicht fällt, die Menge der für den Währungswechsel erforderlichen Geldbeträge wesentlich herabgedrückt, indem man die Stücke, welche das alte Zeichen- oder Kreditgeld repräsentierten, ganz oder zum Teil auch ferner im Umlauf beJeß, ihren wirtschaftlichen Charakter jedoch von Grund aus dadurch änderte, daß man sie in jederzeit in 1 Vgl. Helfferich, Die Reform des deutschen Geldwesens nach der Gründung des Reiches, Leipzig 1898, I. Bd., S. 307ff.; Lotz, Geschich1e und Kritik des deutschen Bankgesetzes vom 14. März 1875, Leipzig 1888, S. 137 ff.
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der neuen Geldart einlösliche Forderungen umwande:te. Das gab der Aktion äußerlich ein anderes Aussehen, aber ihr Wesen blieb doch dasselbe. Man kann wohl nicht gut in Abrede steI:en, daß der Kern der währungspolitischen Maßnahmen jener Staaten, die diesen Weg einschlugen, in der Beschaffung entsprechender Metallmengen bestand. Die Überschätzung der währungspolitischen Bedeutung der Verfügungen, die der Staat als Gesetzgeber treffen kann, ist nur einer oberflächlichen Betrachtung der Vorgänge zuzuschreiben, die sich beim Übergange vom Sachgeld zum Kreditgeld abspielen. Dieser hat sich regelmäßig in der Weise vollzogen, daß der Staat nicht fällige Geldforderungen als dem Gelde gleichberechtigte Zahlungsmittel erklärte. Es ist dabei in der Regel nicht die Absicht verfo:gt worden, einen Währungswechsel durchzuführen, vom Sachgeld zum Kreditgeld überzugehen. In der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle hat der Staat mit derartigen Verfügungen ledig:ich bestimmte finanzpolitische Zwecke erreichen wollen. Er wo:1te seine eigenen Mittel durch die Schaffung von Kreditgeld erweitern. Im Verfolge solcher Pläne konnte ihm eine Verringerung des Tauschwertes dieses Geldes durchaus nicht erwünscht erscheinen. Und doch war es erst diese Wertverringerung, die, durch Auslösung der Wirksamkeit des Greshamschen Gesetzes, den Währungswechsel ins Werk setzte. Es würde durchaus nicht den Tatsachen entsprechen, wollte man behaupten, die Einstellung der Barzahlungen, das heißt die Aufhebung der jederzeitigen Einlösbark,eit der Noten, habe jemals den Zweck gehabt, den Übergang zur Kreditgeldwährung zu vermitteln. Diese Wirkung ergab sich stets gegen den Willen des Staates, nicht durch ihn. Nur der Verkehr kann ein Gut zum allgemein gebräuchlichen Tauschmittel erheben. Nicht der Staat, sondern die auf dem Markte Tauschenden in ihrer Gesamtheit schaffen Geld. Daher kann der staatliche Befehl, der einem Gut allgemeine Solutionskraft beilegt, dieses noch nicht zum Gelde machen. Wenn der Staat Kreditgeld schafft - und in noch höherem Maße würde dies naturgemäß von der Schaffung von Zeichengeld gelten -, dann kann er dies nur in der Weise tun, daß er Objekte, die im Verkehr bereits an Stelle des Geldes als jederzeit in Geld einlösliche sichere Forderungen, also als Geldsurrogate umlaufen, durch Beseitigung der den Grundzug ihres Charakters bildenden Eigenschaft der jederzeitigen Einlösbar-
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keit zum Gegenstande selbständiger Bewertung macht. Andernfalls würde sich der Verkehr gegen die Aufdrängung eines staatlichen Kreditgeldes wehren. Es ist niemals gelungen, Kreditgeld unmittelbar in den Verkehr zu bringen, ohne daß die fraglichen Stücke vorher im Verkehr als Geldsurrogate zirkuliert hätten 1. So weit reicht der immer und immer wieder überschätzte Einfluß des Staates auf das Geldwesen. Der Staat vermag, kraft seiner Stellung als Münzherr, dann mittels der ihm zustehenden Macht, den Charakter der Geldsurrogate zu ändern, sie ihrer Eigenschaft als jederzeit einlösliche Geldforderungen zu berauben, vor allem aber mit seinen finanziellen Mitteln, di,e ihm gestatten, die Kosten eines Währungswechsels zu bestreiten, den Verkehr unter gewissen Bedingungen zum Aufgeben einer Geldart und zur Annahme einer neuen zu veranlassen. Das ist alles. 1 Vgl. Subercaseaux, Essai sur la nature du papier monnaie, Paris 1909, S. 5 H.
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Die Stellung des Geldes im Kreise der wirtschaftlichen Güter. § 1. Man pflegt die wirtschaftlichen Güter in zwei Gruppen zu teilen, in solche, die dem menschlichen Bedürfnis unmittelbar, und solche, die ihm nur mittelbar dienen: Genußgüter (Güter erster Ordnung) und Produktivgüter (Güter höherer Ordnung) 1. Unternimmt man den Versuch, das Geld in eine dieser beiden Gruppen ein,zureihen, so stößt man sogleich auf unüberwindliche Schwierigkeiten. Daß das Geld kein Genußgut ist, bedarf keiner näheren Erläuterung. Es erscheint aber ebenso wenig angängig, das Geld als Produktivgut zu bezeichnen. Wer jene Zweiteilung der wirtschaftlichen Güter für erschöpfend hält, muß sich freilich dazu bequemen, das Geld in die eine oder die andere Gruppe einzureihen. In dieser ZWqngslage befand sich die Mehrzahl der Nationalökonomen. Weil es in keiner Weise möglich schien, das Geld als Genußgut zu bezeichnen, blieb ihnen nichts anderes übrig, als es ein ProduktilVgut zu nennen. Mit der Begründung dieses ziemlich willkürlichen Verfahrens machte man es sich sehr leicht; Roscher zum Beispiel hielt es für genügend, darauf hinzuweisen, daß das Geld "vornehmstes Werkzeug jeden Verkehrs" sei 2. Gegen Roscher wendete sich Knies, der an Stelle jener Zwei. teilung - Produktionsmittel und Genußmittel - zur Eingliederung auch des Geldes die Dreiteilung in Produktions-, Genuß- und Tauschmittel treten läßt s. Seine, in diesem Punkte leider nur spärlichen Ausführungen haben kaum Beachtung gefunden und wurden vielfach mißverstanden. So meint Helfferich, das Kniessche Argument, ein Kauf-Verkauf sei für sich kein Akt der Güterproduktion, sondern 1 Vgl. Me n ger, Grundsätze der Volkswirtschaftslehre, a. a. 0., S. 20 ff.; Wies er, Ober den Ursprung und die Hauptgesetze des wirtschaftlichen Wertes, Wien 1884, S. 42 ff. t Vgl. Roscher, System der Volkswirtschaft, I. Bd., (24. AufI., ed. Pöhlmann, Stuttgart 1906) S. 123. a Vgl. Knies, a. a. 0., I. Bd., S. 20ff.
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der (interpersonalen) Güterübertragung, durch die Behauptung widerlegt zu haben, man könne in derselben Weise die Rubrizierung der Transportmittel unter die Produktionsmittel bekämpfen und sagen, ein Transport sei für sich kein Akt der Güterproduktion, sondern der (interlokalen) Güterübertragung. Eine Umformung der Güter trete durch den Transport ebensowenig ein wie durch den durch das Geld vermittelten Besitzwechsel 1. Offenbar ist es der Doppelsinn des Wortes "Verkehr", der hier den Einblick in die tieferen Zusammenhänge erschwert. Von Verkehr sprechen wir einmal in der Bedeutung: wirtschaftlicher Verkehr, das ist Austausch von Gütern und Arbeitsleistungen seitens der verkehrenden Wirtschaftseinheiten, dann wieder in der Bedeutung: Raumübertragung von Personen, Gütern und Nachrichten. Die beiden Komplexe von Tatsachen, die mit diesem Ausdruck bezeichnet werden, haben nichts gemein als eben diese deutsche Bezeichnung. Es kann daher auch nicht gebilligt werden, wenn man zwischen den beiden Bedeutungen des Wortes dadurch eine Beziehung herstellt, daß von Verkehr im weiteren Sinne, worunter die Güterübertragungen im Tausche verstanden werden, und von Verkehr im engeren Sinne, das ist der Raumübertragung, gesprochen wird 2. Auch der Sprachgebrauch des Alltags unterscheidet hier zwei verschiedene Bedeutungen, nicht einen engeren und einen weiteren Begriff. Der Ursprung der gemeinsamen Bezeichnung dürfte ebenso wie die mitunter vorkommende Verwechslung der beiden Bedeutungen wohl darauf zurückzuführen sein, daß Tauschakte vielfach, aber durchaus nicht immer, mit Raumübertragungen Hand in Hand gehen und umgekehrt 3. Das' darf jedoch natürlich die Wissenschaft nicht veranlassen, einen inneren Zusammenhang zwischen wesensfremden Vorgängen zu konstruieren. Daß die Raumübertragung von Personen, Gütern und Nachrichten Vgl. Helfferich, Das Geld, a. a. 0., S. 264f. Vgl. z. B. Philippovich, GrundriB der politischen Okonomie"II. Bd., 2. Teil (1.-3. Auf!., Tübingen 1907), S. 1; ebenso Wagner, Theoretische Sozialökonomik, 11. Abt., I. Bd., Leipzig 1909, S. 1. 3 Die ältere Bedeutung jedenfalls die in der älteren schönen Literatur allein gebräuchliche - dürfte die im Sinne von kaufmännischer Verkehr, Umsatz von Waren gewesen sein. Noch die 1891 erschienene Lieferung des XII. Bandes des Grimmschen Wörterbuches weiB merkwürdigerweise nichts von der Bedeutung im Sinne von Raumübertragung. 1
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zur Produktion zu zählen ist, soweit sie nicht wie Lustfahrten als Konsumtionsvorgang erscheint, hätte eigentlich niemals in Zweifel gezogen werden sollen. Zwei Momente standen allerdings dieser Erkenntnis hindernd im Wege. Zunächst ein weitverbreitetes Mißverständnis über das Wesen der Produktion. Die naive Anschauung sieht in dem Produktionsprozeß ein Hervorbringen vorher noch gar nicht dagewesener Stoffe, ein Schaffen im wahren Sinne des Wortes. Daraus ergibt sich dann leicht ein Gegensatz zwischen der schöpferischen Arbeit der Produktion und der bloßen Raumübertragung der Güter. Diese Auffassung ist jedoch durchaus unzutreffend. TatsächlicR besteht die Rolle, die dem Menschen in der Produktion jl\lfällt, lediglich darin, daß er seine natürlichen Kräfte mit den ursprünglichen Naturkräften in der Weise kombiniert, daß aus dem Zusammenwirken der vereinigten Kräfte die bestimmte gewünschte Stoffgestalt naturgesetzlich erfolgen muß. Alles, was der Mensch in der Produktion leistet, ist räumliche Versetzung der Dinge, das übrige besorgt dann die Natur 1. Damit fällt das eine Bedenken gegell die Auffassung der Raumübertragungen als Produktionsvorgänge fort. Die zweite Schwierigkeit ergibt sich aus einer mangelhaften Einsicht in das Wesen der Güter. Man pflegt zu übersehen, daß für die Brauchbarkeit eines Dinges zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse neben anderen natürlichen Eigenschaften auch seine Lage im Raume maßgebend ist. Dinge von technologisch ganz gleicher Beschaffenheit sind als Individuen verschiedener Güterarten zu bezeichnen, wenn sie nicht am gleichen Orte für den Genuß oder die Weiterverarbeitung bereit liegen. Man hat das Moment der Lage bisher nur für die Bestimmung des Charakters eines Gutes als wirtschaftliches oder freies berücksichtigt. Es war nicht gut möglich, sich der Tatsache zu verschließen, daß Trinkwasser in der Wüste und Trinkwasser in einer quellenreichen Gebirgsgegend trotz gleicher chemischer und physikalischer Beschaffenheit und gleicher Fähigkeit, den Durst zu stillen, doch eine durchaus verschiedene Brauchbarkeit für die Zwecke der menschlichen Bedürfnisbefriedigung besitzen; den Durst des Reisenden in der Wüste kann eben nur solches Wasser stillen, das an Ort und Stelle genußbereit vorhanden ist. 1 Vgl. Mill, Principles of PoliticaI Economy, London 1867, S. 16; BöhmBawerk, Kapital und Kapitalzins, a. a. 0., 11. Abt., S. lOff.
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Innerhalb der Gruppe der wirtschaftlichen Güter selbst hat man das Moment der Lage jedoch nur für einen Teil dieser Güter berücksichtigt: für die durch die Natur oder durch die Menschen fixierten Güter, darunter in erster Reihe für die wichtigste Kategorie dieser Güter, den Grund und Boden. Bei den beweglichen Gütern glaubte man davon absehen zu dürfen. Diese Auffassung steht im Einklang mit der Warenkunde. Mit dem Mikroskop ist zwischen zwei Mengen Rübenzucker, von denen die eine in Prag, die andere in London lagert, kein Unterschied zu entdecken. Der Nationalökonom aber geht von seinem Standpunkt aus korrekter vor, wenn er die beiden Mengen als verschiedene Güterarten ansieht. Streng genommen kann nur ein solches wirtschaftliches Gut als Gut erster Ordnung bezeichnet werden, das sich bereits am Orte befindet, in dem es unmittelbar dem Verbrauch oder Gebrauch zugeführt werden kann. Alle anderen wirtschaftlichen Güter, auch wenn sie im Sinne der Technologie bereits gebrauchsfertig sind, müssen als Güter höherer Ordnung angesehen werden, die erst durch Kombination mit dem Komplementärgute "Transportmittel" in Güter erster Ordnung übergeführt werden können. So betrachtet, erscheinen die Transportwerkzeuge ohne weiteres als Produktivgüter. "Die Produktion", sagt Wieser, "ist die Ausnutzung der vorteilhafteren entfernten Bedingungen des Wohlseins" 1. Nichts hindert uns daran, den Ausdruck "entfernt" einmal auch in seiner ursprünglichen, nicht nur in einer übertragenen Bedeutung zu verstehen. Wir sehen nun, welche Stellung der Raumübertragung in der Volkswirtschaft zukommt. Sie ist eine Art der Produktion, und die Transportmittel sind, soweit sie nicht wie Lustjachten und dergleichen Genußgüter sind, den Produktivgütern beizuzählen. Gilt dasselbe vom Gelde? Sind die Dienste, die das Geld in der Volkswirtschaft leistet, jenen der Transportmittel gleichzusetzen? Keineswegs. Auch ohne Geld ist Produktion möglich. Die geschlossene Hauswirtschaft kennt es ebensowenig wie die organisierte Volkswirtschaft. Nirgends können wir ein Gut erster Ordnung finden, von ,dem wir sagen könnten, es sei zu seiner Herstellung der Gebrauch des Geldes eine notwendige Vorbedingung gewesen. Die Mehrzahl der Volkswirte pflegt das Geld a:llerdings den Pro1 Vgl. Wieser, wirtseh. Wert, a. a. 0., S. 47; Böhm-Bawerk, a. a.O., 11. Abt., S. 131 f.; CI a r k, The Distribution of Wealth, New York 1908, S.l1.
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duktivgütern zuzuzählen. Doch Autoritätenbeweise haben keine Geltung; die Argumente und nicht die Namen geben den Ausschlag. Und bei aller Achtung für die Meister muß es gesagt werden, daß sie ihren Standpunkt in dieser Frage nur mangelhaft begründet haben. Am auffälligsten wird das bei Böhm-Bawerk. Wie oben erwähnt wurde, hat Knies an Stelle der üblichen Zweiteilung der wirtschaftlichen Güter in Genuß- und Produktionsmittel die Dreiteilung in Genuß-, Produktions- und Tauschmittel empfohlen. Sonst pflegt Böhm den Arbeiten von Knies die größte Beachtung zu schenken und überall dort, wo er sich genötigt sieht, andere Wege zu wandeln, sich kritisch mit ihm auf das eingehendste auseinanderzusetzcn. Hi.er jedoch glaubt er davon absehen zu können. Ohne Bedenken reiht er das Geld unter den Begriff des Sozialkapitals ein, erklärt es mithin für ein Produkt, welches bestimmt ist, der ferneren Produktion zu dienen. Den Einwand, daß das Geld kein Werkzeug der Produktion, sondern des Tausches ist, erwähnt er flüchtig. Statt ihn jedoch zu widerlegen, schaltet er zunächst eine längere Widerlegung jener Lehrmeinungen ein, welche in den bei den Produzenten und Handelsleuten als "Warenlager" vorrätigen Genußgütern keine "Zwischenprodukte", sondern "fertige Genußgüter'1 erblicken wollen. Diese Deduktion erweist schlagend, daß erst das Zubringen der Güter an den Ort des Bedarfs den letzten Akt der Produktion bildet, vor dessen Vollzug man von "Genußreifet l des Produktes füglich noch nicht sprechen könne. Für unser Thema aber bringt sie gar nichts. Gerade im entscheidenden Momente versagt nämlich die Gedankenkette. Nachdem Böhm den Beweis erbracht hat, daß die Wagen und Pferde, mit deren Hilfe der Bauer das Getreide und Holz heimführt, noch den Produktionsmitteln und dem Kapital beizuzählen sind, fügt er hinzu, daß "folgerichtig auch die Objekte und Apparate des umfänglicheren volkswirtschaftlichen ,Heimführensi, die zuzubringenden Produkte selbst, die Straßen, Eisenbahnen, Schiffe und das Handelswerkzeug G eId dem Kapital zuzurechnen" sind 1, Es ist der gleiche Sprung wie bei Roseher. Der Unterschied zwischen der Raumübertragung, die eine Veränderung der Brauchbarkeit der Dinge 1 Vgl. Böhm-Bawerk, a. a. 0., 11. Abt., S. 131 ff; vgl. ferner die dogmenhistorischen Ausführungen bei ja c 0 by, Der Streit um den Kapitalsbegriff, jena 1908, S. 90 ff.; ferner S pie t hoff, Die Lehre vom Kapital (Die Entwicklung der deutschen Volkswirtschaftslehre im 19. jahrhundert, Schmoller-Festschrift, Leipzig 1908, IV.) S. 26.
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für die Zwecke der menschlichen Bedürfnisbefriedigung darstellt, und dem Tausche, der eine ökonomische Kategorie ist, wird dabei außer acht gelassen. Es geht jedoch nicht an, das Geld in seiner Bedeutung für die Produktion ohne weiteres den Eisenbahnen und Schiffen gleichzusetzen. Offenbar ist das Geld auch nicht in dem Sinne "Handelswerkzeug", in dem es die Handelsbücher und die Kurszettel, die Kontoreinrichtung und die Börsengebäude sind. Die Böhmsche Argumentation ist auch nicht ohne Widerspruch geblieben. jacoby wendet sich dagegen, daß Böhm-Bawerk die bei den Produzenten und Handelsleuten als Warenlager vorrätigen Genußgüter und das Geld zum Sozialkapital rechne und dann die Ansicht noch aufrechterhalte, daß das Sozialkapital eine von allen positiv-rechtlichen Normen unabhängige, rein ökonomische Kategorie sei. Denn die Gebrauchsgüter als "Waren" und das "Geld" seien nur der verkehrswirtschaftlichen Volkswirtschaft eigentümlich 1. Das Unstichhaltige dieser Kritik, soweit sie sich gegen' den ProduktivgutCharakter der "Waren" wendet, geht aus dem oben Gesagten hervor. Zweifellos hat in diesem Punkte Böhm recht und nicht sein Kritiker. Anders in dem zweiten Punkte, in der ,Frage der Einreihung des Geldes. Allerdings sind auch die Ausführungen Jacobys über den Kapitalbegriff nicht zu billigen und ihre Zurückweisung von seiten Böhms wohl gerechtfertigt 2. Doch dies gehört nicht hierher. Wir kümmern uns augenblicklich nur um die Probleme der Charakterisierung der Güter. Auch da wendet sich Böhm-Bawerk in der dritten Auflage des zweiten Bandes seines Hauptwerkes gegen jacoby. Er meint, darauf hinweisen zu müssen, daß auch eine komplizierte gemeinwirtschaftliehe Volkswirtschaft irgendwelche generische, geldartige Anweisungen auf zuzuteilende Produkte schwerlich werde ganz entbehren können 3. Das Ziel dieser polemischen Bemerkung liegt in einer anderen Richtung als der zur Beantwortung unserer Frage führenden. Nichtsdestoweniger soll untersucht werden, ob sich der hier ,ausgesprochene Gedanke nicht auch für unsere Aufgabe verwerten läßt. jede Wirtschaftsverfassung verlangt neben Einrichtungen zur Produktion auch solche zur Verteihmg der Produkte. Daß auch die 1 2 S
VgJ. Jacoby, a. a. 0., S. 59f. VgJ. Böhm-Bawerk, a. a. 0., 11. Abt., S. 125, Anm, Vgl. Böhm-Bawerk, a. a. 0., 11, Abt., S, 132, Anm.
Die Stellung des Geldes im Kreise der wirtschaftlichen Güter.
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Verteilung der Güter an die einzelnen Konsumenten ein Stück der Produktion darstellt, und daß wir mithin die sachlichen Instrumente zur Durchführung des Tauschverkehrs, also etwa Börsengebäude, Handelsbücher, Briefschaften und dergleichen, ferner alles, was zur Aufrechterhaltung der Rechtsordnung, auf der dieser Verkehr beruht, dient, wie die Einrichtung der }ustizgebäude, die Ausrüstung der zum Schutze der Eigentumsordnung berufenen Organe, die Hecken und Zäune, Mauern, Schlösser und einbruchssicheren Kassen zu Gien Produktivrnitteln zu rechnen haben, wird ja auch wohl nicht bezweifelt werden. In einer sozialistischen Gesellschaft würden in diese Kategorie unter anderen etwa die generischen Anweisungen Böhms gehören, denen wir allerdings das Prädikat "geldartig" verweigern möchten. Denn da das Geld keine Anweisung ist, geht es nicht an, von einer Anweisung zu behaupten, sie sei geldartig. Das Geld ist immer ein wirtschaftliches Gut und von einer forderung, wie die Anweisung eine ist, zu sagen, sie sei geldartig, hieße nichts anderes, als zur alten Übung, Rechte und Verhältnisse als Güter zu betrachten, zurückzukehren. Da berufen wir gegen Böhm seine eigene Autorität 1. Was Uns jedoch hindert, das Geld diesen "Verteilungsgütern" und damit den Produktivgütern beizuzählen - das gleiche spricht übrigens auch gegen seine Einreihung unter die Genußgüter -, ist folgende Erwägung: Durch den Verlust eines Genußgutes oder eines Produktivgutes erwächst den Menschen ein Ausfall an Bedürfnisbefriedigung; sie werden ärmer. Durch den Zuwachs eines solchen Gutes wird ihr Versorgungsstand besser; sie werden reicher. Nicht das gleiche kann vorn Verlust oder Zuwachs von Geld gesagt werden. Veränderungen in dem der Volkswirtschaft zur Verfügung stehenden Bestand an Produktiv- oder Konsumgütern ziehen ebenso wie solche im Bestand an Geld Veränderungen im Werte nach sich; während aber die Veränderungen im Werte der Produkt~v und Genußgüter auf den Ausfall oder Zuwachs an Bedürfnisbefriedigung keinen Einfluß haben, passen die Veränderungen im Geldwerte den Geldbestand derart dem Geldbedarf an, daß der Versorgungsstand der Menschen derselbe bleibt. Eine Vermehrung der Geldmenge kann den Wohlstand der Bevölkerung ebensowenig vermehren, wie ihn ihre Verringerung vermindern kann. Von diesem 1 VgI. Böhm-Bawerk, Rechte und Verhältnisse vom Standpunkte der volkswirtschaftlichen Güterlehre, a. a. 0., S. 36 ff.
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fünftes Kapitel.
Standpunkt betrachtet, sind daher die für den Gelddienst verwendeten Sachgüter in Wahrheit jener dead stock, which ... produces nothing, als weIchen ihn Adam Smith bezeichnet 1. Wir haben nachweisen können, daß der indirekte Tausch unter gewissen Voraussetzungen eine notwendige Erscheinung auf dem Markte ist. Der Vorgang, daß Güter nicht um ihrer selbst willen begehrt und im Tausch erworben werden, sondern nur deshalb, um sie zu weiterem Tausch zu verwenden, kann aus unserm Marktverkehr nicht verschwinden, weil die Vorbedingungen für seine Notwendigkeit in der weitaus überwiegenden Mehrzahl aller Tauschakte zutreffen. Die wirtschaftliche Ausgestaltung des indirekten Tausches führt zur Ausbildung eines allgemein gebräuchlichen Tauschmittels, zur Entstehung und Vervollkommnung des Geldgebrauches. Das Geld als ökonomische Institution ist ein unentbehrliches Organ in unserer Wirtschaftsordnung. Als wirtschaftliches Gut aber ist es kein. sachlicher Bestandteil des geseUschaftIichen Verteilungs apparates wie etwa Grundbücher, Gefängnisse und Schießgewehre. Von der Mitwirkung von Geldquanten ist kein Teil des Gesamtproduktionserfolges abhängig, mag auch die ganze Wirtschaftsordnung auf dem Geldgebrauch als einem ihrer Organisationsprinzipien beruhen. Die Produktivgüter empfangen den Wert von ihren Produkten. Nicht so das Geld. Denn von der Verfügung über ein bestimmtes Geldquantum ist keine Vergrößerung des Wohlbefindens der Mitglieder der Gesellschaft abhängig. Die Gesetze, welche die Wertbildung des Geldes beherrschen, sind von jenen, welche die Wertbildung der Produktivgüter, und von jenen, welche die Wertbildung der Genußgüter regeln, verschieden; was sie mit ihnen gemein haben, ist nur die Grundlage, das große Hauptgesetz des wirtschaftlichen Güterwertes. Damit ist die von Knies vorgeschlagene Dreiteilung der wirtschaftlichen Güter in Produktions-, Genuß- und Tauschmittel voIIauf gerechtfertigt, da doch jede wirtschaftstheoretische Terminologie in erster Linie bestimmt ist, die Einleitung werttbeoretischer Untersuchungen zu fördern.
§ 2. Wir haben die Untersuchung über das Verhältnis des Geldes zu den Produktivgütern nicht nur eines terminologischen Interesses 1 Vgl. Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, Ausgabe Basel 1791, 11. Bd., S. 77.
Die Stellung des Geldes im Kreise der wirtschaftlichen Güter.
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wegen geführt. Nicht das Endergebnis ist an ihr wichtig, sondern die durch den Gang der Beweisführung aufgedeckten Besonderheiten des Geldes, die es von den anderen wirtschaftlichen Gütern unterscheiden. Diese Eigentümlichkeiten des allgemeinen Tauschmittels sollen dann in der Untersuchung der Gesetze des Geldwerts und seiner Veränderungen genauere Beachtung finden. Aber auch das Ergebnis unserer Deduktionen, die Feststellung, daß das Geld kein Produktivgut ist, ermangelt nicht jeder Bedeutung. Es soll uns helfen, die Frage zu beantworten, ob das Geld Kapital ist oder nicht. Und auch diese Untersuchung ist wieder nicht Selbstzweck. Sie soll vielmehr die Probe bilden für die Zuverlässigkeit des Ergebnisses einer weiteren Untersuchung, die im dritten Teile dieses Buches über das Verhältnis zwischen Kapitalzins und Geldzins anzustellen sein wird. Stimmen beide überein, dann können wir mit einem hohen Grade von Wahrscheinlichkeit annehmen, daR unsere Ausführungen uns nicht auf Irrwege geführt haben. Die Untersu<:hung des Verhältnisses des Geldes zum Kapital begegnet den größten Schwierigkeiten zunächst in dem Meinungszwiste, der in der Wissenschaft über die Bestimmung des Kapitalbegriffes herrscht. Nirgends gehen die Ansichten der Gelehrten so weit auseinander wie in der Definition des Kapitals. Keiner der vielen vorgeschlagenen Kapitalbegriffe hat sich allgemeine Anerkennung zu verschaffen gewußt; heftiger denn je tobt heute der Kampf der Kapitalstheorien. Wenn wir aus der großen Zahl von widerstreitenden Kapitalsbegriffen jenen Böhm-Bawerks herausgreifen, um an seiner Hand das Verhältnis des Geldes zum Kapital zu untersuchen, so kann dies zunächst schon durch den Umstand gerechtfertigt werden, daß, wer sich heute ernstlich mit dem Problem des Kapitalzinses zu befassen strebt, dies nicht besser tun kann als an der Hand Böhm-Bawerks, mögen seine Studien ihn schließlich - und nicht in letzter Linie gerade dank den Bemühungen, die Böhm diesem Problem gewidmet hat - zu Ergebnissen führen, die von denen Böhms weit abliegen. Für diese Wahl sprechen ferner alle jene gewichtigen Argumente, mit denen Böhm seine Begriffsbestimmung begründet und gegen seine Kritiker verteidigt hat. Ausschlaggebend aber erscheint die Tatsache, daß kein zweiter Kapitalsbegriff mit einer ähnlichen Klarheit entwickelt wurde 1. Dies letztere ist be1
Das gilt selbst gegenüber den Ausführungen von Menger und Clark.
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Fünftes Kapitel.
sonders wichtig. Denn da diese Erörterungen nicht den Zweck verfolgen, irgendwelche terminologische oder begriffskritische Ergebnisse zutage zu fördern, sondern lediglich dazu dienen sollen, einige Punkte zu beleuchten, die für den, der die spätere Untersuchung! über das Verhältnis von Geldzins und Kapitalzins kritisch prüfen will, von Bedeutung sind, so ist es für 'uns weniger wichtig, zu ri'chtigen Klassifikationen zu gelangen, als Unklarheiten über das Wesen der Dinge zu vermeiden. Man kann verschiedener Ansicht darüber sein, ob das Geld in den Kapitalbegriff einzubeziehen ist oder nicht. Die Bildung derartiger Begriffe ist lediglich eine Frage der Zweckmäßigkeit; da können leicht Meinungsverschiedenheiten auftauchen. Über die wirtschaftliche Funktion des Geldes aber muß völlige Übereinstimmung der Ansichten zu erzielen sein. Von den beiden Kapitalbegriffen, die Böhm, der hergebrachten wissenschaftlichen Terminologie folgend, unterscheidet, ist der des sogenannten Privat- oder Erwerbskapitals der ältere und weitere. Erst später hat sich von diesem ursprünglichen Stammbegriffe der des Sozial- oder Produktivkapitals als engerer Begriff abgelöst. Wir beginnen daher unsere Untersuchung folgerichtig mit der Prüfung des Verhältnisses zwischen dem Privat- oder Erwerbskapital und dem Gelde. Als Privat- oder Erwerbskapital bezeichnet Böhm einen Inbegriff von Produkten, die als Mittel des Gütererwerbs dienen 1. Es ist niemals einem Zweifel unterlegen, daß auch das Geld hierunter zu rechnen ist. Ganz im Gegenteil. Die wissenschaftliche Entwicklung des Kapitalbegriffs nimmt ihren Ausgangspunkt von der Bedeutung: zinstragende Geldsumme. Schrittweise wurde der Kapitalbegriff erweitert, bis er endlich jene Gestalt annahm, in der ihn die moderne Wissenschaft, im großen und ganzen in ziemlicher Übereinstimmung mit dem Sprachgebrauch des Lebens, verwendet. Die allmähliche Entwicklung des Kapitalbegriffs bedeutet auch zugleich ein Fortschreiten in der Erkenntnis der Kapitalfunktion des Geldes. Die populäre Anschauung findet sich schnell mit der Tatsache ab, daß ausgeliehene Geldsummen Zinsen tragen; das Geld "arbeitet" eben. übrigens müßte eine vom Kapitalsbegriffe Mengers oder von dem von Clark ausgehende Untersuchung in diesem Punkte wre in den im 5. Kapitel des 1II. Teiles behandelten Problemen schließlich zu demselben Ergebnis führen wie die von Böhm-Bawerk ausgehende. 1 Vgl. Böhm-Bawerk, a. a. 0., 11. T., S. 54f.
Die Stellung des Geldes im Kreise der wirtschaftlichen Güter.
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Der wissenschaftlichen Betrachtungsweise genügte solche Weisheit nicht lange. Sie hält ihr die Tatsache entgegen, daß das Geld selbst keine früchte trage. Schon im Altertum dürfte die Erkenntnis, die dann später, in die prägnante form des Satzes pecunia pecuniam parere non potest gebracht, jahrhunderte-, ja jahrtausendelang allen Diskussionen über das Zinsproblem zugrunde gelegt wurde, allgemein gewesen sein, und Aristoteles wird sie als allgemein bekannten Gemeinplatz, nicht als neue Lehre in jene berühmte Stelle seiner Politik aufgenommen haben 1. Trotz ihrer Selbstverständlichkeit war diese Einsicht in die physische Unfruchtbarkeit des Geldes eine notwendige Etappe auf dem Wege zur Aufwerfung des Kapitalund Kapitalzinsproblems. Wenn ausgeliehene Geldsummen "früchte" tragen und es nicht möglich ist, diese Erscheinung durch eine physische Produktivität des Geldes zu erklären. muß man versuchen, andere Erklärungsgründe zu finden. Den nächsten Schritt auf dem Wege zu diesen bildet dann die Beobachtung, daß die Schuldner regelmäßig die entliehenen Geldsummen nach ihrer Verleihung gegen andere wirtschaftliche Güter eintauschen, und daß dasselbe auch jene Eigentümer des Geldes tun, welche vom Gelde, ohne es zu verleihen, Gewinn ziehen wollen. Von hier aus ergibt sich dann stufenweise die oben erwähnte Ausweitung des Kapitalbegriffes und die Entwicklung des Geldzinsproblems zum Kapitalzinsproblem. Jahrhunderte freilich sind verstrichen, ehe diese weiteren Schritte gemacht wurden. Zunächst trat ein Stillstand in der Entwicklung der Kapitalstheorie ein. Man wollte gar nicht weiter gehen; das, was man erreicht hatte, genügte vollkommen. Denn nicht die Erklärung des Seienden, sondern Rechtfertigung des Seins ollen den war das Ziel der Wissenschaft. Die öffentliche Meinung verdammte das Zinsnehmen, und wenn die Gesetze der Griechen und Römer es in späterer Zeit auch duldeten, galt es zumindest als unanständig, und alle Schriftsteller des klassischen Altertums wetteiferten in seiner moralischen Verurteilung. Als dann die Kirche das Verbot des Zinsnehmens übernahm und durch Bibelstellen zu stützen suchte, war jeder unbefangenen Behandlung des Themas der Boden entzogen. Jeder forscher, der dem Problem seine Aufmerksamkeit zuwendete, war von vornherein von der Schädlichkeit, Unnatürlichkeit und Unbilligkeit des Zinsnehrnens überzeugt und erblickte seine vornehm1
I, 3, 23.
v. Mises, Theorie des Oeldes. 2. Auf!.
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Fünftes Kapitel.
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ste Aufgabe darin, neue Gründe gegen den' Zins ausfindig zu machen. Nicht auf die Erklärung der Existenz des Zinses kam es an, sondern auf die Begründung der Theorie von seiner Verwerflichkeit. Unter solchen Umständen konnte die Lehre von der Sterilität des Geldes als ausgezeichnet kräftiges Argument für die Verdammung des Zinses kritiklos von einem Schriftsteller auf den anderen übergehen und so, nicht wegen ihres Inhaltes, sondern wegen der Schlußfolgerung, die man aus ihr zog, zu einem Hindernis auf dem Wege der Entwicklung der Zinstheorie werden. Sie wurde zu einem Hebel ihres Fortschritts, als nach Zusammenbruch der alten kanonistischen Zinstheorie an den Aufbau einer neuen Kapitaltheorie geschritten wurde. Sie zwingt zunächst zur Erweiterung des Kapitalbegriffes und damit auch des Zinsproblems. In der Volks auffassung und in der Sprache der Gelehrten wird das Kapital aus "ausgeliehenen Geldsummen" zu "angehäuften Gütervorräten" 1. Für unser Problem hat die Lehre von der Unfruchtbarkeit des Geldes eine andere Bedeutung. Sie beleuchtet die Stellung des Geldes im Rahmen des Privatkapitals. Weshalb rechnen wir das Geld zum Kapital? Weshalb wird für ausgeliehene Summen Zins gezahlt? Wie kann man Geldsummen, auch ohne sie zu verleihen, so verwenden, daß sie Einkommen abwerfen? Die Antwort auf diese Fragen kann nicht zweifelhaft sein. Das Geld ist nur dann Mittel des privatwirtschaftlichen Erwerbs, wenn es gegen irgendwelche andere wirtschaftliche Güter eingetauscht wird. In dieser Beziehung kann das Geld mit jenen Genußgütern verglichen werden, die einen Bestandteil des Privatkapitals auch nur deshalb bUden, weil sie von ihren Eignern nicht selbst gebraucht, sondern durch Taus'ch zur Erwerbung anderer Güter oder produktiver Dienste verwendet werden. Ebensowenig wie jene Genußgüter ist das Geld selbst Mittel des Erwerbes; erst die Güter sind es, die für das Geld oder jene Genußgüter .eingetauscht werden. Geld, das "müßig" daliegt, das heißt nicht gegen andere Güter eingetauscht werden soll, ist auch kein T eil des Kapitals, bringt keine Früchte. Bestandteil des Privatkapitals ist das Geld nur, weil und insofern es für das wirtschaftende Subjekt Mittel zur Erlangung von anderen Kapitalgütern ist.
§ 3. Unter Sozial-(Produktiv-)kapitaI versteht Böhm-Bawerk den Inbegriff von Produkten, die zu fernerer Produktion zu dienen bel
Vgl Böhm-Bawerk, a. a. 0., I. Teil, S. 16ff: 11. Teil, S. 23ff.
Die Stellung des Geldes im Kreise der wirtschaftlichen Güter.
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stimmt sind 1. Hält man an der oben entwickelten Ansicht fest, wonach das Geld nicht unter die Produktiv güter einzubeziehen ist, dann gehört das Geld auch nicht zum Sozialkapital. Böhm rechnet es freilich dazu, ebenso wie vor ihm' die Mehrzahl der National~ ökonomen. Diese Stellungnahme ergibt sich folgerichtig aus der Auffassung des Geldes als Produktivgut, sie findet hier allein ihre Stütze, und wir haben auch gegen sie polemisiert, als wir den Nachweis zu erbringen suchten, daß das Geld kein Produktivgut ist. Übrigens glauben wir behaupten zu dürfen, daß jene Schriftsteller, die das Geld zu den Produktiv- und folglich zu den Kapitalgütern gerechnet haben, es damit nicht sehr genau genommen haben. An jener Stelle ihres Systems, wo sie von den Begriffen Gut und Kapital handeln, pflegen sie das Geld unter den Bestandteilen des Sozialkapitals aufzuzählen. Irgendwelche weitere Konsequenzen werden aus dieser Einreihung jedoch nicht gezogen. Im "Gegenteil. Dort, wo die Anwendung der Lehre vom Kapitalcharakter des Geldes gemacht werden müßte, scheint man sie plötzlich vergessen zu haben. Bei der Besprechung der die Höhe des Kapitalzinses bestimmenden Ursachen wird immer wieder betont, daß es nkht auf die größere oder geringere Fülle des Geldes, sondern auf die größere oder geringere Fülle der anderweitigen wirtschaftlichen Güter ankomme. Diese Behauptung, die zweifellos den Sachverhalt richtig erlaßt, läßt sich aber mit der anderen, wonach das Geld ein Produktivgut wäre, schlechterdings. nicht vereinbaren. 1
VgJ. Böhm-Bawerk, a. a. 0., II. Teil, S. 54f., S. 130ff.
5·
Sechstes Kapitel.
Die Gegner des Geldes. § 1. Es konnte gezeigt werden, daß der indirekte Tausch unter bestimmten Voraussetzungen, die um so häufiger zutreffen, je weiter die Arbeitsteilung und die Differenzierung der Bedürfnisse fortschreiten, zu einer notwendigen Erscheinung des Marktverkehrs wird, und daß die Entwicklung des indirekten Tausches allmählich zur Ausbildung der Verwendung eines einzigen oder doch nur weniger Güter als allgemein gebräuchlicher Tauschmittel führt. Wo überhaupt nicht getauscht wird, da kann es auch keinen indirekten Tausch geben, bleibt die Verwendung von Tauschmitteln unbekannt. So war es einst in der geschlossenen Hauswirtschaft, so soll es nach den :Wünschen der Sozialisten einst im rein sozialistischen Gemeinwesen sein, in dem Produktion und Verteilung planmäßig durch eine Zentralstelle geregelt werden sollen. Das Bild des Zukunftsstaates ist von .seinen Propheten nicht scharf umrissen worden; nicht allen schwebt auch dasselbe Ideal vor. Es gibt unter ihnen welche, in deren System auch dem freien Austausch wirtschaftlicher Güter und Dienste ein gewisser Spielraum gelassen wird, und, soweit dies der fall ist, bleibt auch die Möglichkeit der fortexistenz des Geldes aufrecht. Nicht als Geld zu betrachten wären hingegen die Anweisungen, welche die organisierte Gesellschaft an ihre Mitglieder ausgeben würde. Man nehme etwa an, daß dem Arbeiter für je eine Stunde Arbeit eine Quittung ausgehändigt wird und daß die individuelle Aufteilung des gesellschaftlichen Einkommens, soweit es nicht zur Bestreitung von Kollektivbedürfnissen oder zur Dotation der Arbeitsunfähigen verwendet wird, nach Maßgabe der im Besitz des einzelnen befindlichen Anzahl von Quittungen erfolgt, so daß jede Quittung den Anspruch auf einen aliquoten Teil der gesamten zur Verteilung gelangenden Gütermenge enthält. Die Bedeutung der einzelnen Quittung für die Zwecke der Bedürfnisbefriedigung des Individuums, ihr Wert, schwankt dann proportional mit den Veränderungen in der Größe jener. Ist bei gleicher Zahl von geleisteten Arbeitsstunden das
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Einkommen der Gesellschaft in dem einen Jahre nur halb so groß als in dem vorangegangenen, so muß auch: der Wert einer einzelnen Quittung auf die Hälfte sinken. Anders beim Geld. Ein Rückgang des jährlichen Naturaleinkommens der Gesellschaft um 50 vom Hundert vermindert auch die Kaufkraft des Geldes. Aber dieses Sinken des Wertes der Geldeinheit kann durchaus nicht in eine verhältnismäßige Beziehung zum Sinken der Einkommensgröße gebracht werden. Es kann zufällig geschehen, daß auch die Kaufkraft des Geldes um die Hälfte verkleinert wird; aber es muß nicht geschehen, und darin liegt ein Unterschied von wesentlicher Bedeutung. Der Tauschwert des Geldes bildet sich eben ganz anders als der einer Anweisung; diese ist einer selbständigen Wertbildung überhaupt nicht fähig. Ist die Gewißheit vorhanden, daß sie jederzeit honoriert wird, dann ist ihr Wert mit dem jenes Gutes, auf das sie lautet, identisch; fehlt diese Gewißheit teilweise, dann sinkt dieser Wert ihrer Verminderung entsprechend. Wollen wir annehmen, daß sich in der sozialistischen GesellSchaft auch, abgesehen von dem Umtausch der Quittungen ü:ber geleistete Arbeitsstunden, ein Tauschverkehr entwickeln wird, etwa der Tausch von Konsumgütern zwischen den einzelnen Individuen, dann können wir uns auch im Rahmen der organisierten Wirtschaft einen Platz für die Funktion des Geldes vorstellen. Der Gebrauch dieses Geldes wäre nicht so vielfältig und häufig wie in der auf dem Sondereigentum an den Produktionsmitteln beruhenden Wirtschaftsordnung, aber er wäre grundsätzlich identisch mit dem, den wir von unserem Gelde machen. Daraus ergibt sich auch die Stellung, die jeder Versuch, eine sozialistische Gesellschaftsordnung im Gei:ste zu konstruieren, gegenüber dem Geldproblem einnehmen muß, wenn er nicht mit sich selbst in Widerspruch geraten will. Schließt er den freien Austausch von Gütern und Dienstleistungen völlig aus, dann muß sich daraus folgerichtig auch die Überflüssigkeit des Geldes ergeben; soweit er jedoch den Tausch zuläßt, muß er wohl auch den durch ein allgemein gebräuchliches Tauschmittel vermittelten indirekten Tausch zugestehen.
§ 2. Oberflächliche Tadler der kapitalistischen Wirtschaftsordnung pflegen mitunter ihre Angriffe in erster Linie gegen das Geld zu richten. Sie wollen das Privateigentum an den Produktionsmitteln
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Sechstes Kapitel
und damit bei der gegenwärtigen Stufe der Arbeitsteilung auch den freien Gütertausch fortbestehen lassen, doch: soll sich der Tausch unvermittelt oder wenigstens nicht durch Geld - ein allgemeines Tauschmittel - vermittelt vollziehen. Offenbar halten sie den Gebrauch des Geldes für schädlich und meinen, alle sozialen Übelstände durch seine Ausschaltung zu beseitigen. Ihre Lehre schlieBt an Gedankengänge an, die (in den Perioden der Ausbreitung des Geldgebrauches) in Laienkreisen auß erordentliche Verbreitung gefunden haben. Alle Vorgänge unseres Wirtschaftslebens gehen im Gewande des Geldes einher; wessen Blick nicht durch die Hülle dringt, der sieht immer nur das Geld in Bewegung, wogegen ihm die tieferen Zusammenhänge verborgen bleiben. Das Geld erscheint so als die Ursache von Mord und Raub, von Verrat und Betrug; dem Gelde mißt man die Schuld bei, wenn die Dirne ihren Leib verkauft, 'Wenn der bestochene Richter das Recht beugt. Die Habsucht wird charakteristischerweise Geldgier genannt, der Sündenlohn Sündengeld. Gegen das Geld eifert der Sitten reformer, wenn er das Voranstellen der materiellen fragen bekämpftn will 1. Alle diese Vorstellungen sind naturgemäß unklar und verworren. Es bleibt ungewiß, ob der Rückkehr zum direkten Tausch die Kraft zugeschrieben wird, alle Schattenseiten des Geldgebrauchs zu beseitigen, oder ob nicht auch noch andere Reformen erforderlich erscheinen. Gedanken bis zur letzten Konsequenz unerbittlich zu verfolgen, ist nicht die Sache dieser Weltverbesserer; sie ziehen es vor, dort haltzumachen, wo die Schwierigkeiten der Probleme beginnen. Das ist zugleich die Erklärung für die lange Lebensdauer ihrer Lehren; als nebelhafte Gebilde haben sie keinen festen Punkt, an dem die Kritik sie packen könnte. Noch weniger ernst zu nehmen sind jene sozialreformatorischen Pläne, die zwar den Gebrauch' des Geldes im allgemeinen nicht verwerfen, sich jedoch gegen die Verwendung der beiden Edelmetalle Gold und Silber kehren. In solchem Kampfe ist geradezu ein kindischer Zug zu erkennen. Wenn zum Beispiel Thomas Morus im Ideallande Utopia die Verbrecher goldene Ketten tragen und die Bürger Nachtgeschirre 1 Vg!. die literargeschichtlichen Angaben bei Hildebrand, Die Nationalökonomie der· Gegenwart und Zukunft, frankfurt 1848, S. 118 ff.; bei Roscher, a. a. 0., I. Bd., S. 345 f.; bei Marx, Das Kapital, 7. Auf!., Hamburg 1914, I. Bd., S. 95 f., Anm.
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von Gold und Silber verwenden läßt 1, so liegt darin etwas von jenem Geiste, der primitive Menschen treibt, an leblosen Dingen und Symbolen Vergeltung zu üben. Es steht wohl nkht dafür, auch nur einen Augenblick bei diesen phantastischen Vorschlägen, die niemand je ernst genommen hat, zu verweilen. Die kritische Arbeit, die hier zu leisten war, ist längst vollbracht worden 2. Nur ein Punkt, der gewöhnlich nicht beachtet wird, muß hervorgehoben werden. Unter der großen Zahl der unklaren Gegner des Geldes gibt .es eine Gruppe, die mit anderen theoretischen Waffen kämpft, als diejenigen, die mit ihnen gewöhnlich in einem Atem genannt werden. Das sind die, wel'che ihre Argumente aus der herrschenden Banktheorie holen und durch ein "elastisches, dem: Bedarf an Zirkulationsmitteln sich automatisch anpassendes Kreditsystem" alle Leiden der Menschheit zu heilen glauben. Niemand, der den unbefriedigenden Zustand der Theorie des Bankwesens erkannt hat, wird darüber staunen, daß die wissens'chaftliche Kritik derartigen Ausführungen gegenüber ihre Pflicht nicht erfüUt hat, nicht erfüllen konnte. Wenn der gesellschaftliche Komptabilismus Ernest Solvays 3 nicht ins Werk gesetzt wurde, so ist dies ausschließlich der Scheu der Praxis vor ähnlichen Experimenten, nicht dem bisher fehlenden strengen Nachweis seiner Mängel zuzuschreiben. Alle Forscher, die ihre banktheoretischen Meinungen aus dem System Tookes und Fullartons hergeholt haben - und das sind mit wenigen Ausnahmen alle Schriftsteller der Gegenwart - stehen dieser und jeder ähnlichen Theorie ratlos gegenüber. Sie wollen verdammen, denn ihr Gefühl und das sichere Urteil der Männer des praktischen Lebens mahnt sie zur Vorsicht gegenüber den uferlosen Phantasien dieser Weltbeglücker, aber ihnen fehlen die Argumente gegen ein System, das doch, im Grunde genommen, nichts anderes enthält als die folgerichtige Anwendung ihrer eigenen Lehren. Vgl. Morus, Utopia, Deutsch von Oettinger, Leipzig 1846, S.106f. Vgl. Marx, Zur Kritik der politischen Ökonomie, herausgegeben von Kautsky, Stuttgart 1897, S. 70ff.; Knies, a. a. 0., I. Bd., S. 239ff.; Aucuy, Les systemes socialistes d'Echange, Paris 1908, S. 114 ff. 3 Vgl. darüber die drei von Solvay unter dem Titel "La Monnaie et le Campte" im Jahre 1899 in Brüssel veröffentlichten Denkschriften, ferner Gesellschaftlicher Comptabilismus, Brüssel 1897; Solvays Theorien enthalten daneben noch eine Reihe von anderen prinzipiellen Irrtümern. 1
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Sechstes Kapitel.
Der dritte Teil dieser Arbeit ist ausschließlich den Problemen des Bankwesens gewidmet. Dort wird die Lehre von der Elastizität der Umlaufsmitte1 einer eingehenden Untersuchung unterzogen werden, deren Ergebnisse jedes weitere Eingehen auf die Lehren der Vorkämpfer für die Unentgeltlichkeit des Kredits überflüssig erscheinen lassen.
Zweiter Teil.
Vom Geldwert. Erstes Kapitel.
Das Wesen des Geldwerts. § 1. Im Mittelpunkt der nationalökonomischen Geldprobleme steht der objektive Tauschwert des Geldes, der im Sprachgebrauch des täglichen Lebens seine Kaufkraft genannt wird. Von ihm muß jede Erörterung ausgehen. In ihm allein treten die besonderen Eigenschaften des Geldes hervor, die zur Gegenüberstellung von Geld und Ware geführt haben. Dies darf allerdings nicht so verstanden werden, als ob dem subjektiven Wert in der Geldlehre nicht dieselbe Bedeutung zukäme, die er sonst beansprucht. Auch für die ökonomische Beurteilung des Geldes bildet die subjektive Wertschätzung des Individuums die Grundlage. Diese subjektiven Werturteile gehen auch beim Gelde geradeso wie bei den anderen wirtschaftlichen Gütern in letzter Linie auf die Bedeutung zurück, die ein Gut oder Güterkomplex als erkannte Bedingung eines sonst zu entbehrenden Nutzens für die Wohlfahrtszwecke eines Subjektes erlangt 1. Doch wenn die Nützlichkeit der anderen Güter von gewissen äußeren Tatsachen (objektiver Gebrauchswert) und gewissen inneren Tatsachen, der Rangordnung der menschlichen Bedürfnisse, abhängt, also von Bedingungen, die nicht de~ Kategorie des Wirtschaftlichen angehören, sondern teils technologischer, teils psychologischer Natur sind, ist für den subjektiven Wert des Geldes sein objektiver Tauschwert, also ein dem Bereiche des Sozialökonomischen angehörendes Merkmal, Voraussetzung. Subjektiver Gebrauchswert und subjektiver Tauschwert, bei den Waren zwei verschiedene Begriffe, fallen beim Gelde zusammen 2. Beide führen auf VgI. Böhm-Bawerk, a. a. 0., 11. Abt., S. 211 H. VgI. Walsh, The fundamental Problem in Monetary Science, New York 1903, S. 11; ähnlich S pie t hof f, Die Quantitätstheorie insbesondere 1
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Erstes Kapitel.
seinen objektiven Tauschwert zurück. Denn der Nutzen des Geldgebrauches ist durch die Möglichkeit, im Austaus<:h für das Geld andere wirtschaftliche Güter zu erlangen, erschöpft. Keine funktion des Geldes als Geld ist denkbar, die von der Tatsache seines objektiven Tauschwertes losgelöst werden könnte. für den Gebrauchswert der Ware ist es belanglos, ob sie auch' Tauschwert hat oder nicht; für den Gebrauchswert des Geldes ist das Vorhandensein des Tauschwertes unumgängliche Voraussetzung~' Diese Besonderheit der Geldwertgestaltung kann man auch in der Weise ausdrücken, daß man dem Gelde den subjektiven Gebrauchswert in der Einzelwirtschaft überhaupt abspricht und ihm bloß subjektiven Tauschwert zugesteht. Dies tun zum Beispiel Rau 1 und Böhm-Bawerk 2. Es bleibt für das Ergebnis der wissenschaftlichen Untersuchung, die von der geschilderten Eigentümlichkeit des Geldwertes ihren Ausgangspunkt nehmen soll, ohne Belang, ob man die eine oder die andere Ausdrucksform verwendet. Zu einer Diskussion über diesen Punkt ist kein Anlaß vorhanden, zumal da der Unterscheidung zwischen Gebrauchswert und Tauschwert bei dem gegenwärtigen Stande der Wertlehre überhaupt nicht jene WJchtigkeit zukommt, die ihr von der älteren Schule beigelegt wurde 3. Worauf eS uns allein ankommt" ist die feststellung, daß d1e Aufgabe der Volkswirtschaftslehre gegenüber dem Geldwert eine weitere ist als gegenüber dem Warenwert. Wenn sie sich bei diesem wohl damit begnügen kann und muß, beil dem subjektiven Gebrauchswert stehenzubleiben und die Aufdeckung seiner tieferen Wurzeln der Warenkunde und der Psychologie zu überlassen, fängt beim Geldwert ihre eigentliche Arbeit erst dort an, wo sie beim Warenwert aufhört, nämlich bei der Aufspürung der objektiven Bestimmungsgründe seines subjektiven Wertes, die in seinem objektiven Tauschwert gegeben erscheinen. Es ist nicht Sache des Nationalökonomen, sondern in ihrer Verwertbarkeit als Haussetheorie (festgaben für Adolf Wagner, Leipzig 1905), S. 256. 1 Vgl. Ra u, Grundsätze der Volkswirtschaftslehre, 6. Ausgabe, Leipzig 1855, S. 80. 2 Vgl. Böhm-Bawerk, a. a. 0., 11. Abt., S. 275. Ähnlich auch Wieser, Der natürliche Wert, a. a. 0., S. 45; Der Geldwert und seine Veränderungen (Schriften des Vereins für Sozialpolitik, 132. Bd.), S. 507. 3 Vgl. Böhm-Bawerk, a. a. 0., 11. Abt., S. 273ff; Schumpeter, a. a. 0.) S. 108.
Das Wesen des Geldwerts.
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des Naturforschers, zu erklären, warum Getreide dem Menschen nützlich ist und von ihm geschätzt wird; aber es ist allein 6ache des Nationalökonomen, den Nutzen des Geldes zu erklären. Eine Betrachtung des subjektiven Geldwertes ist ohne Eingehen auf seinen objektiven Tauschwert unmöglich; im Gegensatz zu den Waren ist beim Gelde das Vorhandensein eines objektiven Tauschwertes, einer Kaufkraft, unerläßliche Voraussetzung des Gebrauches. Der subjektive Geldwert führt immer auf den subjektiven Wert der für das Geld im Austausch erhältlichen anderen wirtschaftlichen Güter zurück; er ist ein abgeleiteter Begriff. Wer die Bedeutung, die ~ine bestimmte Summe Geldes mit Rücksicht darauf, daß er eine Bedürfnisbefriedigung von ihr abhängig weiß, abschätzen will, kann dies nicht anders tun als durch Zuhilfenahme eines bestimmten objektiven Tauschwerts des Geldes. "Der Tauschwert des Geldes ist der antizipierte Gebrauchswert der für das Geld anzuschaffenden Dinge 1." Jeder Schätzung des Geldes liegt so eine bestimmte Ansicht von seiner Kaufkraft zugrunde. Es könnte vielleicht eingewendet werden, es genüge nicht das bloße Vorhandensein eines objektiven Tauschwertes des Geldes überhaupt, um die Möglichkeit zu gewähren, von dem Gelde den bestimmungsmäßigen Gebrauch! zu machen. Es sei vielmehr notwendig, daß diese Kaufkraft in einer bestimmten, weder allzu großen, noch a.llzu geringen Höhe vorhanden sei, so daß zwischen den Werten der Geldeinheit und der einzelnen Gütereinheiten ein solches Verhältnis bestehe, daß die im täglichen Verkehr vorkommenden Austauschoperationen bequem vor sicb gehen können. Denn wenn auch die Hälfte des in einer Volkswirtschaft vorhandenen Geldes bei doppeltem Wert gegenüber den anderen Gütern die gleichen Dienste leisten könnte wie der ganze Geldvorrat, sei doch zu bezweifeln, ob man dies auch für den fall behaupten darf, daß der Geldwert durch Veränderungen des Geldvorrates auf das Millionenfache des gegenwärtigen Standes gesteigert oder auf den millionsten Teil verringert werden sollte? Ein derartiges Geld wäre wohl nicht imstande, die funktionen des allgemeinen Tauschmittels in gleich vollkommener Weise zu erfüllen wie unser heutiges Geld. Man stelle sich etwa ein Sachgeld vor, von dem schon ein Tausendstel eines Milligramms, oder ein anderes, von dem erst eine Tonne eine dem Dollar ent1
Vgl. Wieser, Der natürliche Wert, a. a. 0., S. 46.
Erstes Kapitel.
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sprechende Kaufkraft besitzt, und denke an die Unbequemlichkeiten~ ja geradezu unüberwindlichen Hindernisse, die aus einer solchen Einrichtung dem Verkehr erwachsen müßten. Die frage nach der tatsächlichen Größe des Austaus<:hverhältnisses zwischen Geld und Waren gehört jedoch nicht unter die volkswirtschaftstheoretischen Erörterungen des Geldproblems. Sie fällt in die Besprechung der technischen Voraussetzungen für die Eignung eines bestimmten Gutes zum Geldgebrauch. Geradeso wie andere Eigenschaften der Edelmetalle, zum Beispiel ihre praktisch unbegrenzte Teilbarkeit, ihre Widerstandsfähigkeit gegen zerstörende äußere Einflüsse, ihre fähigkeit zur Annahme eines Gepräges dafür ausschlaggebend waren, daß gerade sie als die absatzfähigsten Güter erkannt wurden und als Geld in Verwendung kamen, so ist auch ihre relative Seltenheit, als deren folge ihr verhältnismäßig hoher objektiver Tauschwert erscheint, eine Seltenheit, die immerhin nicht so groß ist wie die der Edelsteine oder des Radiums und die daher auch nicht zu einem übermäßig hohen Tauschwert führte, als eine solche Voraussetzung zu betrachten. In der weiteren Entwicklung des Geldwesens hat dann die Werthöhe der Edelmetalle ihre Bedeutung für deren Verwendung als Geld verloren. Die moderne Organisation des Abrechnungswesens und die Institution der Umlaufsmittel haben den Verkehr vom Volumen und Gewicht des Geldstoffes unabhängig gemacht.
§ 2. Jede Betrachtung des Geldwertproblems weist somit auf den objektiven Tauschwert hin. Der Tauschwert im objektiven Sinne, von Wies er auch als Verkehrswert bezeichnet, ist, insoweit es sich um die Anwendung handelt, die wichtigste Wertform, weil er das größte Gebiet, die Volkswirtschaft, beherrscht. Die Nationalökonomie hat sich, von dem Kapitel abgesehen, in dem die Theorie des Wertes zu geben ist, fast ausschließlich mit ihm zu befassen 1. Gilt dies schon von allen anderen Gütern, bei denen die Möglichkeit des Gebrauchs von dem Bestand eines Verkehrswertes unabhängig ist, so gilt es in noch weit stärkerem Maße für das Geld. "Der objektive Tauschwert der Güter ist die objektive Geltung der Güter im Tausch oder, mit anderen Worten, die auf den gegebenen tatsächlichen Verhältnissen beruhende Befähigung der1
Vgl. Wieser, Der natürliche Wert, a. a. 0., S. 52.
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selben, im Tauschverkehr eine bestimmte Menge anderer Güter als Gegengabe zu verschaffen 1." Es ist zu beachten, daß auch der objektive Tauschwert in Wirklichkeit keine Eigenschaft der Güter ist, die ihnen von Natur aus zukommt, sondern daß auch er in letzter Linie auf die subjektive Wertschätzung der einzelnen Güter durch die Menschen zurückzuführen ist. Das im Verkehr in Erscheinung tretende Austauschverhältnis der Güter, dessen Bildung unter dem Einfluß der subjektiven Wertschätzung aller am Marktverkehr beteiligten Individuen steht, tritt dem einzelnen, der in der Regel auf die Gestaltung dieses Verhältnisses nur einen verschwindend kleinen Einfluß nehmen kann, als eine vollendete Tatsache gegenüber, die in den meisten Fällen unbedingt anerkannt werden muß. So konnte durch falsche Abstraktion leicht die Ansicht entstehen, jedes Gut komme mit einem bestimmten, von der Schätzung der einzelnen Individuen unabhängigen Wertquantum ausgestattet auf den Markt2. Nicht die Menschen sind es nach dieser Ansicht, die die Güter austauschen, sondern die Güter tauschen sich aus. Der objektive Tauschwert, wie ihn die subjektive Wertlehre auffaßt, hat mit dem alten Begriff eines den Dingen anhaftenden Tauschwertes, wIe ihn die klassische Schule ausgebildet hat, nichts gemein als eine Namensähnlichkeit. In der Wertlehre von Smith und Ricardo und in der ihrer Nachfolger nimmt der Tauschwert die führende Stellung ein; vom Tauschwert ausgehend, den sie als Arbeits- und Produktionskostenwert erklären, suchen sie eine Deutung aller Wertphänomene zu finden. Für die moderne Werttheorie kann ihre Terminologie nur noch historische Bedeutung beanspruchen; eine Vermengung der heiden Tauschwertbegriffe ist nicht mehr zu befürchten. Damit entfallen auch die Bedenken, die in jüngster Zeit gegen di·e Beibehaltung des Ausdrucks "objektiver Tauschwert" erhoben wurden 3. Ist der objektive Tauschwert die Möglichkeit, für ein Gut im Austausch ein bestimmtes Quantum anderer Güter zu erlangen, so ist der Preis dieses Güterquantum selbst. Die Begriffe "Preis" und "objektiver Tauschwert" sind mithin keineswegs identisch. "Wohl aber fallen die Gesetze beider zusammen. Denn indem uns das GeVgl. Böhm-Bawerk, a. a. 0., H. Abt., S. 214f. Vgl. Helfferich, Das Geld, a. a. 0., S. 301 f. a So von Schumpeter, a. a. 0., S. 109.
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setz der Güterpreise aufklärt, daß und warum! ein Gut einen gewissen Preis wirklich erlangt, gibt es uns von selbst auch die Aufklärung" daß und warum jenes fähig ist, einen bestimmten Preis zu erlangen_ Das Gesetz der Preise enthält das Gesetz des Tauschwertes in sich 1." Unter dem objektiven Tauschwert des Geldes ist sonach die Möglichkeit zu verstehen, für ein bestimmtes Quantum Geld im Austausch ein bestimmtes Quantum anderer wirtschaftlicher Güter zu erhalten, unter Preis des Geldes aber dieses Güterquantu111' selbst. Man kann den Tauschwert der Geldeinheit in Einheiten einer beliebigen Ware ausdrücken und vom Sach- oder Warenpreis des Geldes reden. Im Leben ist diese Ausdrucksweise und die Vorstellung, die ihr zugrunde liegt, unbekannt. Denn nur das Geld allein ist heute Preisindikator.
§ 3. Die Theorie des Geldwertes muß der grundsätzlichen Verschiedenheit Rechnung tragen, die zwischen der Wurzel des Geldwertes und der des Warenwertes besteht. In der Lehre vom Warenwert ist auf den objektiven Tauschwert vorerst keine Rücksicht zu nehmen; vom subjektiven Gebrauchswert ausgehend können hier alle Phänomene der Wert- und Preisbildung erklärt werden. In der Theorie des Geldwertes ist dies anders. Denn da das Geld i!n Gegensatz zu den anderen Gütern seine wirtschaftliche Funktion nur erfüllen kann, wenn es objektilVen Tauschwert besitzt, muß auf diesen näher eingegangen werden. Der Weg der Geldwerttheorie führt über den subjekÜ'ven Tauschwert zurück auf den objektiven Tausch''Wert. In der Wirtschaftsverfassung der Gegenwart, die auf der Arbeitsteilung und dem freien Austausch der Produkte beruht, arbeiten die Produzenten in der Regel nicht für ihren eigenen Bedarf, sondern für den Markt. Für ihren Wirtschaftskalkul ist daher nicht der subjektive Gebrauchswert der Produkte, sondern ihr subjektiver Tauschwert ausschlaggebend. Schätzungen, bei denen der subjektive Tauschwert und mithin auch der objektive Tauschwert beiseite gelassen werden und die Wertung allein nach dem subjektiven Gebrauchswerte erfolgt, gehören heute zu den seltenen Ausnahmen; sie beschränken sich in der Hauptsache auf jene Fälle, wo die 1
Vgl. Böhm-Bawerk, a. a. 0., ll. Abt., S. 217.
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Schätzung nach dem Affektionswerte, dem Werte der besonderen Vorliebe, vorgenommen wird. Sieht man aber von den Objekten ab, denen als Andenken an teuere Personen und als Sinnbilder der Erinnerung an wichtige Erlebnisse vom einzelnen symbolische Bedeutung beigelegt wird, während sie in den Augen der Mitmenschen, denen diese persönliche Beziehung mangelt, nur einen weit niedrigeren Wert oder keinerlei Wert haben, dann kann nicht bestritten werden, daß die Güter von den Menschen nach Tauschwert geschätzt werden. Nicht der Gebrauchswert, sondern der Tauschwert beherrscht die moderne Wirtschaftsverfassung. Verfolgt man jedoch den subjektiven und dann den objektiven Tauschwert der Waren weiter zurück und sucht man seine letzten Wurzeln aufzuspüren, so ergibt sich, daß in letzter Linie doch immer der subjektive Gebrauchswert der Schätzung zugrunde liegt. Denn ganz abgesehen davon, daß jedermann die Waren, die er im Austausche für die fortzugebenden Produkte empfangen soll, nach subjektivem Gebrauchswert schätzt, ist für die Bildung der Preise und des objektiven Tauschwertes allein der subjek1:ive Gebrauchswert jener maßgebend, die sie im Verkehr als letzte erwerben und schließlich konsumieren. Beim Gelde liegt die Sache anders. Sein objektiver Tauschwert kann auf keinen von der Existenz dieses objektiven Tauschwertes unabhängigen Gebrauchswert zurückgeführt werden. In den An-fängen des Geldwesens ist das Geld noch eine Ware, die in ihrem Umlauf schließlich in die Hände eines letzten Abnehmers, eines Konsumenten gelangt 1. Es gab in der ältesten Geldgeschichte Geldstoffe, deren natürliche Beschaffenheit schon eine länger dauernde Verwendung als Tauschmittel ausschloß. Ein Stück Vieh oder ein Sack Getreide können nicht ewig als Geld im Umlauf bleiben; sie müssen früher oder später der Konsumtion zugeführt werden, soll nicht eine Veränderung der Substanz eintreten, die ihren sonstigen, nicht auf dem Geldgebrauch beruhenden Wert verringert. Im ausgebildeten Geldwesen gibt es dagegen Sachgeld, von dem große Mengen stets in der Zirkulation bleiben und niemals industrielle Verwendung finden, niemals konsumiert werden, Kreditgeld, dessen Substrat, die Forderung, nie geltend gemacht wird, und schließlich 1 Vgl. Wieser, Der Geldwert und seine geschichtlichen Veränderungen (Zeitschrift für Volkswirtschaft, Sozialpolitik und Verwaltung, XIII. Bd•• 1904) S. 45.
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ist Zeichen geld, das überhaupt nur als Geld dienen kann, nicht un· möglich. Es galt vielen der hervorragendsten Nationalökonomen für ausgemacht, daß der Wert des Geldes und des Geldstoffes auf der industriellen Verwendung allein beruhe und daß zum Beispiel die Tauschkraft unseres Edelmetallgeldes und mithin die Möglichkeit, es weiter als Geld zu verwenden, sofort verschwinden würde, wenn der Charakter des Geldstoffes als Nutzmetall durch irgendein Er· eignis beseitigt würde 1. Diese Ansicht läßt sich heute nicht mehr aufrechterhalten, nicht nur, weil sie eine ganze Reihe von Erschei· nungen nicht zu deuten vermag, sondern vor allem schon deshalb, weil sie mit den Grundgesetzen der Theorie des wirtschaftlichen Güterwertes in Widerspruch steht. Wenn man behauptet, daß der Wert des Geldes in der nicht monetären Verwendung seiner Sub· stanz liege, weicht man dem eigentlichen Problem aus 2. Es gilt nicht nur zu erklären, wieso Zeichengeld möglich ist, dessen Stoff ohne Stempel weit geringeren Tauschwert hat als mit Stempel; es muß auch die Frage beantwortet werden, ob und inwieweit die Möglichkeit einer monetären Verwendung den Geldstoff des Sach· geldes in der Nützlichkeit und mithin in seinem Werte beeinflußt; das gleiche Problem erscheint dann beim Kreditgelde. Der eine Teil des den Menschen zu Gebote stehenden Gold· vorrates dient monetären Zwecken, der andere teil industriellen Zwecken. Aus der einen Verwendungsmöglichkeit ist der Übergang in die andere stets offen. Barren wandern von den Kellern einer Noten- oder Girobank in die Werkstatt des Goldschmieds oder eines Vergolders, die mitunter s·elbst Kurantmünzen aus dem Verkehr ziehen und einschmelzen. Andererseits gelangen selbst solche Goldgegenstände, die einen bedeutenden Kunstwert darstellen, in die Münze, wenn eine dringende Veräußerung zu einem höheren als dem Metallpreise nicht möglich ist. Ein und dasselbe Metallstück kann gleichzeitig auch beiden Zwecken dienen; man denke an das Schmuckgeld oder an eine Münze, die von dem Besitzer solange als Schmuck getragen wird, bis er sie wieder als Geld ausgibt 3. 1 So noch Menger, Grundsätze der Volkswirtschaftslehre, Wien 1871, S. 259, Anm.; ebenso K nie s, a. a. 0., I. Bd. S. 323. I Vgl. Simmel, a. a. 0., S. 130. a Im allgemeinen sind aus Edelmetall hergestellte Kunstwerke, Schmuckstücke und dgl. jedoch nicht als Bestandteil des Metallvorrates anzusehen, der den Sachgelddienst verrichtet. Sie sind Güter erster Ordnung, im Ver-
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Die Untersuchung der Wurzeln des Geldwertes muß jene Bestimmungs gründe, die sich aus der Wareneigenschaft des Geldstoffes ergeben, ausschalten, denn diese weisen keine Eigentümlichkeit auf, die sie von der Wertgestaltung der anderen Waren unterscheiden würden. Für die Geldwerttheorie kommt der Wert des Sachgeldes nur soweit in Betracht, als er auf der eigenartigen Stellung des Geldes in der Volkswirtschaft, auf seiner Funktion als allgemeines Tauschmittel beruht. Veränderungen im Werte des Geldstoffes, die von seiner Wareneigenschaft ausgehen, sind dabei nur insofern zu berücksichtigen, als sie geeignet erscheinen, auch von der Geldeigenschaft her Veränderungen hervorzurufen. Hiervon abgesehen hat die Geldwerttheorie den aus der industriellen Brauchbarkeit entspringenden Wert des Geldstoffes als gegeben zu betrachten. Der Geldstoff des Sachgeldes kann im Geld und im sonstigen Gebrauch nur den gleichen Wert haben. Ob der Wert des Goldes sich von der Geldeigenschaft oder von der Wareneigenschaft her verändert, in jedem Falle verändert sich der Wert des gesamten Vorrates in gleichem Maße 1. Anders beim Kreditgeld und beim Zeichengeld. Bei diesem ist der Stoff, der den Stempel trägt, für die Wertgestaltung grundsätzlich bedeutungslos. Er mag unter Umständen einen relativ hohen Tauschwert haben, der einen beträchtlichen Bruchteil des gesamten ,Tauschwertes des Geldstückes ausmacht. Zu einer praktischen Bedeutung kann jedoch dieser, nicht in der Geldeigenschaft des Stückes begründete Wert erst in dem Augenblick gelangen, in dem der auf der Geldeigenschaft beruhende Wert verschwindet, das ist in dem Augenblick, in dem die Übung der am Tauschverkehr teilnehmenden Individuen, die fraglichen Stücke als allgemeines Tauschmittel zu gebrauchen, aufhört. Solange dies nicht der Fall ist, müssen die das Geldzeichen tragenden Stücke einen höheren Tauschwert darsteIlen als die anderen, nicht etwa durch irgendwelche sonstige besondere Eigenschaften ausgezeichneten Stücke des gleichen Stoffes. Beim Kreditgeld wieder sind die als Geld verwendeten Forderungen in ähnlicher Weise von den sonstigen Forderungen gleicher Art, die nicht als Geld verwendet werden, im Tauschwerte verschieden. hältnis zu denen das rohe oder geprägte Edelmetall als Gut höherer Ordnung erscheint. 1 VgI. Wie se r, Der Geld wert und seine geschichtlichen Veränderungen, a. a. 0., S. 46. v. Mises, Theorie des Geldes. 2. AufL
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Hundert Einguldennoten, die in Österreich-Ungarn bis zur Durchführung der Valutaregulierung als Geld umliefen, standen im Tauschwerte höher als etwa eine Staatsrentenobligation von hundert GU'lden Nominale, trotzdem diese Zinsen trug, jene aber nicht. Bis das Gold Geld wurde, war es allein wegen seiner Verwendbarkeit zu Schmuckzwecken geschätzt; wäre es nie Geld geworden, oder wäre es wieder demonetisiert worden, dann würde man es auch heute nur soweit wertvoll finden, als seine erkannte industrielle Brauchbarkeit es bedingt. Durch die neue Verwendungsmöglichkeit trat zu den alten Gründen für die Wertschätzung des Metalles Gold ein weiterer hinzu; Gold wurde fortan auch gewertet, weil man es als allgemeines Tauschmittel verwenden konnte. Es ist einleuchtend, daß dadurch der Wert dieses Metalles stieg oder zumindest ein Rückgang seines Wertes, der etwa aus anderen Grunden hätte erfolgen müssen, ein Gegengewicht fand. Heute beruht der Wert des Goldes, des Geldstoffes unserer Zeit xrn' e.~ox.ljy, auf den beiden Verwendungsmöglichkeiten, auf der zu Geldzwecken und auf der zu industriellen Zwecken 1. 1 Das hat schon vor mehr als zweihundert Jahren der Schotte John La w, seiner Zeit weit vorauseilend, mit genialem Blick erfaBt: ,,11 est raisonnable de penser que l'argent s'echangeait sur le pied de ce qu'il etait evalue pour les usages, comme metal, et qu'on le donnait camme monnaie dans les echanges a raison de sa valeur. Le nouvel usage de la monnaie, auquel l'argent tut applique, dut ajouter a sa valeur, parce que, camme monnaie, il abivait aux desavantages et aux incanvenients de I'echange; et consequemment les demandes d'argent venant a s'augmenter, il rer;ut une valeur additonnelle, egale a l'accroissement de la demande occasionnee par son usage comme monnaie. Et cette valeur additionnelle n'est pas plus imaginaire que la valeur que l'argent avait dans les echanges comme metal, parce que teile ou telle valeur derivait de son application a tels ou tels usages, et quelle etait plus grande ou moindre, suivant les demandes d'argent comme metal, en proportion de sa quantite. La valeur additionnelle que l'argent rer;ut de son usage comme monnaie provient de ses qualites, qui le rendaient propre a cet usage; et cette valeur fut en raison de la demande additionnelle occasionnee par son usage comme monnaie. Si I'une et l'autre de ces valeurs sont imaginaires, alors toutes les valeurs le sont; car aucune chose n'a de valeur que par I'usage auquel on l'applique, et a raison des demandes qu'on en tait, proportionellement a sa quantite." (Considerations sur Je numeraire et le commerce, Ausgabe von Daire, t:conomistes financiers du XVlIl e siecle, Deuxieme edition, Paris 1851, S. 447f.) - Vgl. ferner Walras, Theorie de la monnaie, Lausanne 1886, S. 40; K nie s, a. a. 0., I. Bd., S. 324. - Die objektiven Werijheorien sind
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Wie weit der augenblickliche Geldwert auf der monetären Verwendung und wie weit er auf der industriellen Verwendung beruht, dies zu sagen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. In den Anfängen des Geldwesens mochte die industrielle Grundlage des Edelmetallwertes die überwiegende gewesen sein, bis später mit dem ,fortschreiten der Geldwirtschaft die monetäre Verwendung immer mehr und mehr an Bedeutung gewann. Sicher ist, daß der Goldwert heute zum großen Tei'l seine Stütze in der monetären Verwendung' findet, und daß eine Demonetisierung des gelben Metalles seinen Preis auf das heftigste erschüttern müßte 1. So ist bekanntlich der scharfe Rückgang des Silberpreises seit 1873 zum größten Teil auf Rechnung der Demonetisierung dieses Metalles in der Mehrzahl der Länder zu setzen. Als zwischen 1914 und 1918 viele Länder das Gold durch Staats- und Banknoten ersetzten, so daß das Gold in die Länder abströmte, dIe beim Goldgeld verblieben waren, sank die Kaufkraft des gelben Metalls sehr beträchtlich. Auch der Wert jener Stoffe, dIe zur Herstellung von Zeichengeld und von Scheidemünzen verwendet werden, wird durch diese Verwendung wie durch jede andere beinflußt. Die Verwendung des Silbers zur Ausbringung von Scheidemünzen ist heute eine der wichtigsten Verwendungen dieses Metalls. Als man vor mehr als fünf Jahrzehnten Scheidemünzen aus Nickel zu prägen begann, stieg der Preis dieses Metalls so stark, daß der englische Münzdirektor 1873 fand, bei einer fortsetzung der Nickelausprägungen werde der bloße Materialpreis den Nominalwert der auszuprägenden Stücke übersteigen 2. Wenn wir jedoch diese Verwendung als industrielle und nicht als monetäre auffassen, so geschieht dies, weil Scheidemünzen nicht Geld, sondern Geldsurrogate sind und bei ihnen daher die eigenartigen Wechselwirkungen zwischen den Geldwertveränderungen und den Veränderungen des Wertes des geldstoffes fehlen. Der Theorie des Geldwertes ist die Aufgabe gestellt, die Gesetze nicht imstande, dieses Grundprinzip der Geldwertlehre zu erfassen. Das zeigt am besten die Verständnislosigkeit, mit der Marx den zitierten Ausführungen Laws gegenüber steht. Vgl. M a rx, Das Kapital, a. a. 0., I. Bd., S. 56, Anm. 46. 1 Vgl. He y n, Irrtümer auf dem Gebiete des Geldwesens, Berlin 1900, S. 3; Simmel, a. a. 0., S. 116ff. 2 Vgl. Jevons, Money and the Mechanism of Exchange, 13 th ed., London 1902, S. 49 1.
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Erstes Kapitel.
der Gestaltung des objektiven Tauschwertes des Geldes darzulegen. Es ist nicht ihre Sache, sich mit der Wertgestaltung der Stoffe des Sachgeldes zu befassen, soweit dieser Wert nicht auf der monetären, sondern auf der anderweitigen Verwendung dieser Stoffe beruht. Es ist ebensowenig ihre Aufgabe, sich mit der Bildung des Wertes jener Stoffe zu befassen, die bei der Schaffung von konkreten Erscheinungsformen des Zeichengeldes auftreten. Der objektive Tauschwert des Geldes ist nur soweit Gegenstand ihrer Betrachtung, als er auf der Geldfunktion beruht. Die übrigen Erscheinungsformen des Wertes bieten der Geldwerttheorie keinerlei besondere Aufgabe. Über den subjektiven Wert des Geldes läßt sich nichts aussagen, das irgendeine Abweichung von dem enthielte, was die Wissenschaft vom subjektiven Werte der anderen wirtschaftlichen Güter lehrt. Und vom objektiven Gebrauchswert des Geldes ist alles Wissenswerte in dem einen Satze zusammenzufassen, daß er seine Wurzeln wieder im objektiven Tauschwerte des Geldes hat.
Zweites Kapitel.
Die Bestimmungsgründe des objektiven Tauschwertes (der Kaufkraft) des Geldes. A. Die geschichtlich überkommene Grundlage des objektiven Tauschwertes des Geldes. § 1. Der modernen Wert- und Preistheorie erscheint der Preis als das Ergebnis der auf dem Markte sich begegnenden subjektiven Wertschätzungen von Ware und Preisgut; er ist von Anfang bis zu Ende das Produkt von subjektiven Wertschätzungen. Die tauschenden Individuen schätzen die auszutauschenden Güter nach subjektivem Gebrauchswert, und die Höhe der Tauschrelation stellt sich in derjenigen Zone fest, für welche Angebot und Nachfrage si.ch quantitativ gerade die Wage halten. Das Menger-Böhmsche Preisgesetz reicht für die Erklärung der Tauschrelationen in ihrer zahlenmäßigen Bestimmtheit vollkommen aus; es deutet restlos alle Erscheinungen des direkten Tausches. Bei beiderseitigem Wettbewerb stellt sich der Marktpreis innerhalb eines Spielraumes fest, der nach oben begrenzt wird durch die Wertschätzungen des letzten noch zum Tausche kommenden Käufers und des tauschfähigsten ausgeschlossenen Verkaufsbewerbers, nach unten durch die Wertschätzungen des mindest tauschfähigen noch zum Tausche gelangenden Verkäufers und des tauschfähigsten vom Tausch ausgeschlossenen Kaufbewerbers. Das Preisgesetz gilt für den indirekten Tausch gerade so wie für den direkten Tausch'. Auch die Bildung der Geldpreise ist in letzter Linie von den subjektiven Wertschätzungen der Käufer und Verkäufer abhängig. Nun ist aber, wie früher ausgeführt wurde, der subjektive Gebrauchswert des Geldes, der mit seinem subjektiven Tauschwert zusammenfällt, nichts anderes als der antizipierte Gebrauchswert der für das Geld anzuschaffenden Dinge; seine Größe ist zu bemessen am Grenznutzen der für das Geld einzutauschenden Güter 1. Eine Schätzung des subjektiven Geldwertes ist somit nur 1 Vgl. oben S. 75; Böhm-Bawerk, a. a. 0., H. Abt., S. 274; Wieser, Der natürliche Wert, a. a. 0., S. 46.
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Zweites Kapitel.
unter der Annahme eines bestimmten objektiven Tauschwertes des Geldes möglich; sie bedarf eines solchen Stützpunktes, um die Brücke zwischen der Bedürfnisbefriedigung und dem "nutzlosen" Gelde Zt1 schlagen. Da dem Geld als solchem jede direkte Beziehung zu einem menschlichen Bedürfnis fehlt, kann das Individuum sich eine Vorstellung von seinem Nutzen und mithin von seinem Werte nicht anders bilden, als indem es von einer bestimmten Kaufkraft ausgeht. Diese Annahme aber wird begreiflicherweise keine andere sein können als die, welche dem augenblicklich auf dem Markte herrschenden Austauschverhältnis zwischen Geld und Ware entspricht 1. Das einmal auf dem Markt in Kraft stehende Austauschverhältnis zwischen Geld und Ware übt also auch noch über den Augenblick hinaus eine Wirkung aus; es gibt die Grundlage, den Ausgangspunkt ab für die weitere Schätzung des Geldes. So erlangt der objektive Tauschwert der Vergangenheit für die gegenwärtige und künftige Schätzung des Geldes eine bestimmte Bedeutung. Die Geldpreise von heute sind mit den Geldpreisen von gestern und vorgestern und mit denen von morgen und übermorgen durch ein Band verknüpft. Mit dieser feststellung allein ist jedoch eine vollständige Erklärung des historisch überlieferten Geldwertes nicht erreicht, sie ist nur hinausgeschoben. Wenn der Geldwert von heute auf den Geldwert von gestern, der von gestern auf den von vorgestern zurückgeführt wird, dann muß die frage nach den Bestimmungsgründen des ersten Geldwertes aufgeworfen werden. Zur Beantwortung dieser Frage leiten uns zwanglos die Erwägungen über die Entstehung des Geldgebrauches und der besonderen, auf der funktion als Geld beruhenden Komponente des Geldwertes. Der älteste historisch überkommene Geldwert ist offenbar der Wert der Geldgüter, den sie im Augenblick, als man sie zuerst als allgemeine Tauschmittel zu verwenden begann, wegen ihrer sonstigen Brauchbarkeit zur Befriedigung bestimmter Bedürfnisse besaßen. Als das Individuum das erstemal in di.e Lage kam, einen Gegenstand nicht für den eigenen Konsum, sondern als Tauschmittel zu erwerben, da schätzte es diesen nach dem objektiven Tauschwerte, der ihm auf Grund seiner industriellen Brauchbarkeit auf dem Markte bereits 1
Vgl. Wieser, Der Geldwert und seine Veränderungen, a. a. 0., S.513ff.
Die BestimmungsgTÜnde der Kaufkraft des Geldes.
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zukam, und dann weiter erst wegen der Möglichkeit, ihn als Tauschmittel zu verwenden. Der älteste Geldwert führt auf den Warenwert des Geldstoffes zurück. Auf den historisch übernommenen Geldwert der Vergangenheit und Gegenwart wirken aber nicht nur jene Momente ein, welche die Wertgestaltung des Stoffes des Sachgeldes wegen seiner anderweitigen Verwendungsmöglichkeit beeinflussen, sondern auch jene, welche sich aus dem Geldgebrauch ergeben. Nicht nur Nachfrage und Angebot zu industriellen Zwecken, sondern auch Nachfrage und Angebot zum Tauschmitteldienst beeinflussen den Wert des Goldes von dem Augenblick an, da man begonnen hatte, das Gold als Geld zu gebrauchen 1.
§ 2. Aus der Tatsache, daß der objektive Tauschwert des Geldes stets einer Anknüpfung an ein auf dem Markte zwischen dem Geld und den übrigen wirtschaftlichen Gütern bereits bestehendes Austauschverhältnis bedarf, da das wirtschaftende Individuum anders nicht in der Lage wäre, ein Werturteil über das Geld abzugeben, folgt weiter, daß als Geld nur ein Objekt in Verwendung genommen werden kann, das in dem Augenblick des Beginnes seiner Tauschmitteifunktion bereits auf Grund anderweitiger Verwendung objektiven Tauschwert besessen hat. Darin liegt eine Zurückweisung jener Theorien, welche die Entstehung des Geldes auf ein Übereinkommen zurückführen, in dem sich die Menschen dazu verstanden hätten, an sich wertlosen Dingen durch eine Fiktion imagi.nären Wert beizulegen 2, und eine Bestätigung der Mengerschen Hypothese vom Ursprung des Geldgebrauches. Die Anknüpfung an einen bereits gegebenen Tauschwert ist nicht nur für das Sachgeld erforderlich, sondern gerade so auch für das Kreditgeld und für das Zeichengeld 3. Niemals wird ein Zeichengeld entstehen können, das dieser Bedingung nicht entspricht. Nehmen wir an, daß unter jenen Geldarten der Vergangenheit und Gegenwart, bei denen man im Zweifel darüber sein kann, ob man sie dem Kreditgeld oder dem Zeichengeld zurechnen soll, sich auch Repräsentanten des echten Zeichengeldes befunden hätten. Wie ist dieses Geld entstanden? Entweder in der Weise, daß Geldsurrogate, 1
Vgl. Knies, a. a. 0., I. Bd., S. 324.
a So Locke, Some Considerations of the Consequences of the Lowering
of Interest and Raising the Value of Money, 11. ed., London 1696, S. 31. a Vgl. Subercaseaux, a. a. 0., S. 17f.
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Zweites Kapitel.
das heißt jederzeit in Geld einlösliche Forderungen, die im Verkehr an Stelle des Geldes bereits umliefen, ihres Forderungscharakters entkleidet wurden und dennoch im Verkehr weiter als Tauschmittel verwendet wurden. Der Ausgangspunkt für die Bewertung lag in diesem falle in dem objektiven Tauschwerte, den diese Stücke als forderungen in dem Augenblick hatten, da sie ihren Charakter als forderungen verloren. Der zweite fall wäre der, daß Münzen, die im Verkehr als Sachgeld umliefen, durch Einstellung des freien 'Prägerechtes - sei es, daß überhaupt keine weitere Vermehrung 'des vorhandenen Vorrates eintrat oder daß die Prägungen für Rechnung des Staatsschatzes fortgesetzt wurden - zu Zeichengeld wurden, wenn angenommen wird, daß von keiner Seite eine Umtauschverpflichtung rechtlich oder tatsächlich übernommen wurde und niemand die Hoffnung hegen durfte, daß jemals eine soIche Umtauschverpflichtung von irgend jemand übernommen werden wird. Hier ist der Ausgangspunkt für die Wertschätzung in dem objektiven Tauschwerte gegeben, den die Münzen in dem Augenblick der EinsteIlung der freien Prägung hatten. Das Geld muß im Augenblkk des Beginnes seiner Geldfunktion bereits objektiven Taus'chwert besitzen, der auf anderweitige Ursachen, nicht auf seine Geldfunktion zurückzuführen ist. Geld, das bereits als solches fungiert, kann aber au<:h dann wertvoIl bleiben, wenn jene ursprüngliche QueUe seines Tauschwertes hinweggefalIen ist. Sein Wert stützt sich dann ausschließlich auf seine funktion als aIIgememes TauschmitteIl.
§ 3. Aus dem eben Gesagten folgt nun die wichtige Erkenntnis, daß im objektiven Taus'chwert des Geldes eine historisch überkommene Komponente enthalten ist. Der Geldwert der Vergangenheit wird in die Gegenwart mitgenommen und von ihr umgestaltet; der Geldwert der Gegenwart geht in die Zukunft über, die ihn wieder umbildet. Darin liegt ein Gegensatz zwischen der Bildung des Tauschwertes des Geldes und des der anderen wirtschaftlichen Güter. für die konkrete Höhe der wechselseitigen Austauschverhältnisse der übrigen wirtschaftlichen Güter untereinander sind alle geschichtlich überlieferten Austauschverhältnisse belanglos. Zwar bemerken wir, wenn wir, durch die verhülIenden formen des Geldverkehrs hindurchblickend, die gegenseitigen Austauschverhältnisse 1 Vgl. Simmel, a. a. 0., S. 115f.; vor allem aber Wieser, Der Geldwert und seine Veränderungen, a. a. 0., S. 513.
Die Bestimmungsgründe der Kaufkraft des Geldes.
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der Güter betrachten, eine gewisse Kontinuität; die Preisveränderungen gehen in der Regel nur langsam vor sich. Aber diese Beständigkeit der Preise hat ihre Ursache in der Beständigkeit der Preisbestimmungsgründe, nicht in dem Gesetz der Preisbildung selbst. Die Preise verändern sich nur langsam, weil sich: auch die subjektiven Schätzungen der Menschen nur langsam verändern. Die Bedürfnisse der Menschen und ihre Ansichten von der Tauglichkeit der Güter, diese Bedürfnisse zu befriedigen, sind ebenso wie die den Menschen zur Verfügung stehenden Gütervorräte und die gesellschaftliche Verteilung des Einkommens plötzlichen einschneidenden Änderungen nur selten unterworfen. Daß der Marktpreis von heute in der Regel von dem von gestern nicht stark abweicht, findet seine Erklärung darin, daß die Verhältnisse, die den gestrigen Preis geschaffen haben, über Nacht keine wesentlichen Veränderungen erleiden, so daß der heutige aus nahezu identischen Komponenten hervorgeht. Wären auf dem Markte schnelle und sprunghafte Preisveränderungen auf der Tagesordnung, dann hätte der Begriff des objektiven Tauschwertes nicht jene Bedeutung erlangen können, die ihm in der Praxis sowohl im Wirtschaftsplan der Konsumenten als im Unternehmungsplan der Produzenten zukommt. Wenn man in diesem Sinne von einem Beharrungsvermögen, von einer Trägheit der Preise spricht, dann wäre gegen diese Ausdrucksweise nichts einzuwenden. Es empfiehlt sich allerdings, in der Nationalökonomie Ausdrucksformen, die der Mechanik entlehnt sind, zu meiden; für die Darstellung sind sie entbehrlich, und die Gefahr einer "mechanischen", das ist von den subjektiven Werturteilen der Individuen fehlerhaft abstrahierenden Auffassung liegt nahe. Die Irrwege der älteren Nationalökonomie sollten hier zu größter Vorsicht mahnen. Wird jedoch von einer kausalen Abhängigkeit der Marktpreise der Gegenwart von jenen der Vergangenheit gesprochen, so muß eine derartige Behauptung, die geradezu die Preisgabe des Grundprinzips der subjektiven Wertlehre und einen Rückfall in überwundene Theorien bedeutet, mit Entschiedenheit bekämpft werden. Das Trägheitsmoment in der Verkehrswelt äußert sich nach Zwiedineck zunächst darin, daß die außermarktlichen Preise überwiegend nach dem Marktpreise gebildet werden und daß die nächste Marktpreisbildung von der vorhergegangenen ihren Ausgang nimmt; die Einwirkung der vorhergegangenen Preise beherrsche auch den
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Zweites Kapitel.
Wirtschaftsplan der Konsumenten und den Unternehmungsplan aller derjenigen, die auf der Befriedigung der Bedürfnisse Dritter ihre Erwerbswirtschaft aufbauen und zu diesem Zweck Aufwendungen machen 1. In keinem der von Zwiedineck angeführten Momente kann ein Beweis für die behauptete übergreifende Wirkung der Marktpreise erblickt werden. Daß überall dort, wo überhaupt nur eine halbwegs rege Beziehung zum Markt besteht, bei isolierten oder verhältnismäßig isolierten Tauschvorgängen der letzte bekannt gewordene Marktpreis übernommen wird, kann auch vom Standpunkt der subjektiven Preistheorie vollkommen befriedigend erklärt werden. Bei derartigen Abschlüssen handelt es sich nämlich nicht um solche Quantitäten, welche einen maßgebenden Einfluß auf die Preisbildung selbst auszuüben imstande wären, sondern um kleine Umsätze, die zu unbedeutend sind, um nennenswerte Schwankungen hervorzurufen. Daß diese Transaktionen auf Grund der letzten Marktpreise erfolgen, bietet gerade eine Gewähr dafür, daß Käufer und Verkäufer ihren Tausch in ökonomischer Weise bewerkstelligen und so an den VorteHen des Marktes partizipieren, während ein ohne Rücksicht auf diesen abgeschlossener Handel allen Zufälligkeiten, dte aus den augenblicklichen Verhältnissen der beiden Teide hervorgehen, ausgesetzt wäre 2. Aber auch solche gänzlich isolierte Verkehrsvorgänge kommen vor, und schon der Umstand, daß auch bei ihnen ein Preis gebildet wird, steht mit der Zwiedineckschen Theorie in Widerspruch. Wenn die Rechtsordnung vielfach zur Ermittlung des Wertes von Vermögenschaften eine Berechnung auf Grund der letzten Marktpreise vorschreibt und die kaufmännische Übung ihr in der Bilanzaufstellung darin häufig folgt, so hat dies, abgesehen von dem Umstande, daß ein anderer Weg nicht gangbar wäre, denn auch die Schätzung kann sich nur an die letzten Preise des Marktes halten, seinen Grund in der Annahme, daß diese Preise sich nicht jäh verändern werden. In der Regel erweist sich diese Annahme auch als richtig; aber auch das Gegenteil kann emtreten; denn der Preis von gestern ist für den von heute ohne jede Bedeutung, wenn die ihm zugrunde liegenden Tatsachen eine Verschiebung erfahren haben. Die Bedeutung, die den Marktpreisen für den Haushaltungs1 Vgl. Zwiedineck, Kritisches und Positives zur Preislehre (Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 65. Jahrgang), S. 91 f.; Simmel, a. a. 0., S. 144. ! Vgl. Menger, Grundsätze, a. a. 0., S. 236.
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plan der Konsumenten zukommt, beruht gleichfalls auf der Voraussetzung, daß ein jäher Wechsel nicht eintreten werde. In ihr will Zwiedineck eine wichtige Energ1equelle für die Weiterbildung der Preise erblicken und schreibt ihr die Kraft zu, jeder aufwärts, das ist preissteigernd wirkenden Tendenz entgegenzuarbeiten; denn jede Abweichung der Preise, die in diesem Haushaltungsplan vorkommt, störe diesen Plan und selbstverständlich die Aufwärtsbewegung vor allem 1. Man war bisher nicht mit Unrecht der Anschauung gewesen, daß die Tatsache der auf Preissteigerungen folgenden Konsumeinschränkungen sich recht wohl mit der rein subjektivistischen Erklärung der Marktvorgänge in Übereinstimmung bringen lasse. Am bedenklichsten wird jedoch die Argumentation Zwiedinecks, wo er von der Bedeutung des Preisbeharrungsvermögens für die Unternehmerkalkulation spricht; hier nähert er sich mehr als zulässig der Kostenpreistheorie. Es ist zunächst unrichtig, wenn Zwiedineck hehauptet, Neugründungen von Unternehmungen setzten vielfach im Vertrauen auf die Möglichkeit der billigeren ProdukHon bei gleichbleibendem Produktpreis ein. Ganz im Gegenteil rechnet jedes Rentabilitätskalkul für neu zu errichtende Unternehmungen mit dem Umstand, daß infolge des erhöhten Angebotes der Preis des Produktes eine Senkung erleiden oder daß eine etwa aus anderen Gründen zu erwartende Preissteigerung ein Gegengewicht finden werde. Dies gilt natürlich nur von Unternehmungen bedeutenden Umfanges. Kleine Unternehmungen pflegen freilich Konstanz der Preise vorauszusetzen und gehen darin nicht fehl, solange ihr Angebot nur gering ist. Soweit ist Zwiedineck recht zu geben, daß vermehrtes Angebot bei gleichbleibender Nachfrage nicht immer ei.ne Preisermäßigung auslöse; aber daß der steigenden Konkurrenz die Tendenz zur Preisermäßigung innewohnt und daß diese zum Durchbruch gelangt, wenn entgegenwirkende Kräfte fehlen, kann wohl nicht geleugnet werden. Es sind zweifellos gesellschaftliche Kräfte wirksam, die Preisveränderungen, die durch die geänderte Wertschätzung notwendig wären, einen Widerstand entgegensetzen, und denen es zuzuschreiben ist, wenn Preisveränderungen, die die Veränderungen von Angebot und Nachfrage bedingen würden, hinausgeschoben und wenn kleinere oder nach kürzerer Zeit wieder verschwindende Veränderungen in 1
Vgl. Zwiedineck, a. a. 0., S. 92.
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dem Verhältnisse von Angebot und Nachfrage überhaupt keine entsprechenden Preisveränderungen auslösen. Von einem Beharrungsvermögen der Preise mag in diesem Sinne allenfalls gesprochen werden. Wenn gesagt wird, bei den Marktverhandlungen bilde der überkommene Tauschwert den Ausgangspunktl, so mag auch dies hingenommen werden, wenn man es in jenem Sinne versteht, der oben angedeutet wurde: weil die allgemeinen Verhältnisse, die den gestrigen Preis geschaffen haben, sich über Nacht nur wenig verändert haben, dürfte der heutige Preis vom gestrigen nur wenig verschieden sein, und es scheint praktisch nicht unrichtig zU sein, an ihn anzuknüpfen. Ein kausales Verhältnis zwischen den Preisen der Vergangenheit und jenen der Gegenwart besteht jedoch, soweit das wechselseitige Austauschverhältnis der wirtschaftlichen Güter (mit Ausschluß des Geldes) untereinander in Betracht kommt, nicht. Daß Bier gestern hoch im Preise stand, kann für den Bierpreis von heute nicht die geringste Bedeutung haben; man denke nur an die folgen, die ein Sieg der Antialkoholbewegung für den Preis der geistigen Getränke nach sich ziehen würde. Täglich hört derjenige, der den Vorgängen des Marktes seine Aufmerksamkeit schenkt, von Umwälzungen in den Austauschverhältnissen der Güter; kein Kenner des Wirtschaftslebens wird einer Theorie zustimmen, die die Preisbildung unter der Annahme einer kausalen Konstanz der Preise erklären will. Nur nebenbei sei festgestellt, daß die Zurückführung der Preisbildung auf ein Beharrungsvermögen der Preise zunächst, wie ja auch Zwiedineck zugestehen muß, einen Verzicht auf die Klarlegung der letzten psychologischen Grundlagen der Preisbildung und ein Begnügen mit sekundären Erklärungsgründen bedeutet 2. Es ist ohne weiteres zuzugeben, daß die Deutung der ältesten nachweisbaren Tauschvorgänge, eine Aufgabe, zu deren Lösung die Wirtschaftsgeschichte bisher nur wenig beigetragen hat, zeigen wird, daß die Kräfte, die plötzlichen Preisveränderungen entgegenwirken, einst stärker waren als heute. Aber es muß entschieden in Abrede gesteIlt werden, daß zwischen jenen Preisen der ältesten: Zeit und deneti der Gegenwart irgendein Zusammenhang besteht. Oder glaubt jemand allen Ernstes die Behauptung aufrechterhalten zu können, daß 1 Vgl. Sc h moll er, Grundriß der allgemeinen Volkswirtschaftslehre, Leipzig 1902, 11. Bd., S. 110. I Vgl. Zwiedineck, a. a. 0., S. l00ff.
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die Austauschverhältnisse der wirtschaftlichen Güter (nicht ihre Geldpreise), die heute auf den deutschen Börsen bestehen, in irgendeiner kausalen Verknüpfung mit jenen verbunden sind, die in den Tagen Hermanns oder Barbarossas Geltung hatten? Wenn heute alle Erinnerung an die Austauschverhältnisse der Vergangenheit in den Menschen ausgelöscht würde, so könnte dies die Preisbildung auf dem Markte wohl erschweren, da alle Güter von neuem von jedermann in eine neue Skala gebracht werden müßten, aber nicht un'möglich machen. Nehmen doch die Menschen überall auf dem Erdenrund täglich und stündlich jene Operation vor, aus der alle Preise hervorgehen: die Entscheidung über die Rangordnung der Bedeutung, die konkreten Gütermengen für ihre Bedürfnisbefriedigung zukommt. Lediglich in den Geldpreisen der Güter, soweit diese von seiten des Geldes her gebildet werden, ist eine historische Komponente enthalten, ohne welche die konkrete Höhe der Geldpreise nicht zu erklären wäre. Auch diese Komponente führt auf Austauschverhältnisse zurück, deren Erklärung aus den subjektiven Wertschätzungen der am Tausche beteiligten Individuen heraus zur Gänze möglich ist, wenn auch diese Wertschätzungen nicht nur in dem spezifischen Gelddienste dieser Güter ihre Wurzel hatten. Die Schätzung des Geldes durch die Marktparteien muß an einen bereits vorhandenen Geldwert der Vergangenheit anknüpfen können. Diese Anknüpfung beeinflußt die Höhe des nun neu gebildeten objektiven Tauschwertes des Geldes. Der geschichtlich überkommene Geldwert wird vom Markte ohne Rücksicht auf seinen geschichtlich gewordenen Inhalt umgestaltet 1. Aber er ist nicht nur der Ausgangspunkt, er ist ein unentbehrliches Element für die Bildung des objektiven Tauschwertes des Geldes von heute. Das Individuum benötigt den objektiven Tauschwert des Geldes, wie er sich gestern auf dem Markte gebildet hat, um sich ein Urteil über die Geldmenge, deren es heute bedarf, zu bilden. Nachfrage und Angebot von Geld sind daher von dem Geldwert der Vergangenheit beeinflußt; sie selbst aber gestalten diesen historisch überlieferten Geldwert um, bis sie sich zur Deckung gebracht haben.
§ 4. Die Feststellung der Tatsache, daß die Suche nach den Bestimmungsgründen des objektiven Tauschwertes des Geldes stets 1
Vgl. Wieser, Der Geldwert und seine Veränderungen, a. a. 0., S.513.
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auf einen Punkt zurückführt, auf welchem der Wert des Geldes lediglich durch seine anderweitigen Gebrauchsfunktionen, nicht auch durch seinen Tauschmitteldienst bestimmt ist, eröffnet den Weg zur Entwicklung einer auf der subjektiven Wertlehre und der ihr eigentümlichen Theorie vom Grenznutzen aufgebauten lückenlosen Oeldwerttheorie. Bisher war dies der Schule nicht gelungen. Einige der wenigen Forscher, die dem Problem ihre Aufmerksamkeit zugewendet haben, statt ihm behutsam in weitem Bogen auszuweichen, glaubten selbst die Unmöglichkeit seiner Lösung erweisen zu können. Die subjektive Wertlehre stand ratlos vor der Aufgabe, die ihr hier entgegentritt. Es gibt zwei Geldtheorien, welchen - mag man auch sonst über sie wie immer denken - die Anerkennung nicht zu versagen ist, daß sie eine Deutung des gesamten Geldwertproblems zu bieten versuchen. Die objektiven Werttheorien haben eine formal vorzügliche Geldlehre in ihr System einzufügen verstanden, die den Wert des Geldes aus seinen Produktionskosten herleiteP. Daß man diese Lehre verlassen mußte, war allerdings nicht lediglich der Unzulänglichkeit der objektiven Werttheorie zuzuschreiben, die zu ihrer Verdrängung durch die moderne Schule führte. Die Produktionskostentheorie des Geldwerts wies auch, abgesehen von diesem Grundmangel, einen Punkt auf, an dem die Kritik mit Erfolg anzusetzen vermochte. Sie gab nämlich zwar eine - wenn auch nur formal in sich geschlossene - Theorie des Sachgeldes, aber sie versagte bei dem Problem des Kredit- und des Zeichengeldes. Sie war jedoch in dem Sinne eine erschöpfende Theorie, als sie den Wert des Sachgeldes vollständig zu erklären versuchte. Die andere in gleicher Weise vollständige Theorie des Geldwertes war jene Spielart der Quantitätstheorie, die mit dem Namen Davanzatis verknüpft ist 2. Danach sind alle Dinge, welche zur Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse dienen, durch Konvention allem Geldmetall gleich. Daraus ergibt sich dann, da sich die Teile wie das Ganze verhalten, die 1 Vgl. Senior, Three Lectures on the Value of Money, London 1840, S. 1 ff.; Three Lectures on the Cost of Obtaining Money, London 1830, S. 1 ff. 2 Vgl. Oavanzati, Lezione delle monete, 1588 (in: Scrittori c1assici italiani di economia politica, parte antica, tomo 11, Milano 1804), S. 32; L 0 c k e und dann vor allem Mon te s q u i eu (Oe I'Esprit des Lois, Edition Touquet, Paris 1821, H. Bd., S. 458 f.) teilen diese Anschauung. VgI. Will i s, The History and Present Application of the Quantity Theory (Journal of Political Economy, 1896) IV, S. 419 ff.
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Austauschrelation zwischen der Geldeinheit und den Wareneinheiten. Wir haben hier eine Hypothese vor uns, die keinerle~ Stützpunkt in den Tatsachen findet und deren Unhaltbarkeit neuerdings zu beweisen heute überflüssige Zeitvergeudung wäre. Aber man darf nicht übersehen, daß Davanzati der erste ist, der das Problem in seiner Gänze anzupacken und eine Theorie aufzustellen versucht hat, die nicht bloß die Veränderungen eines zwischen dem Gelde und den übrigen wirtschaftlichen Gütern schon bestehenden Austauschverhältnisses, sondern auch seine ursprüngliche Entstehung erklären soll. Den anderen Abarten der Quantitätstheorie kann in diesem Punkte nicht die gleiche Anerkennung gezollt werden. Sie setzen eine bestimmte Höhe des Geldwertes stillschweigend als gegeben voraus und lassen sich gar nicht darauf ein, mi( ihren Untersuchungen weitter zurückzugehen. Daß es gelte, die Bildung des AustauschverhäItnisses zwischen dem Gelde und den Waren und nicht bloß seine Veränderungen zu erklären, wurde vergessen. Darin begegnet sich die Quantitätstheorie mit verschiedenen allgemeinen Werttheorien, zum Beispiel mit manchen fassungen der Lehre von Angebot und Nachfrage, welche darauf verzichtet haben, den Preis als solchen zu erklären, und sich damit begnügten, seine Veränderungen auf ein Gesetz zurückzuführen 1. Sie ist eben nichts anderes als die Anwendung des Gesetzes von Angebot und Nachfrage auf das Problem des Geldwertes; sie bringt die Vorzüge, aber auch die Mängel dieser Theorie in die Geldlehre 2. Auch die Umwälzung der Nationalökonomie, die sich in den letzten fünf Jahrzehnten vollzogen hat, hat di,eses Problem der Geldwerttheorie bis nun noch nicht ganz befriedigend gelöst. Das ist natürlich nicht in dem Sinne zu verstehen, als ob der fortschritt der Wissenschaft an der Geldlehre im allgemeinen und der Geldwertlehre im besonderen spurlos vorübergegangen wäre. Es ist eines der vielen Verdienste des werttheoretischen Subjektivismus, daß er den Weg zu einer tieferen Erkenntnis vom Wesen und vom Wert des Geldes gebahnt hat. Die Untersuchungen Mengers haben die Theorie auf eine neue Grundlage gestellt. Aber eines ist bisher unterlassen worden. Weder Menger noch einer der vielen forscher, die ihm nachstrebten, hat es auch nur versucht, das Grundproblem des Geld1
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Vgl. Zuckerkoandl, Zur Theorie des Preises, Leipzig 1889, S. 124. Vgl. Wies er, Der Geldwert und seine Veränderungen, a. a. 0., S.514.
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werts zu lösen. Sie haben im großen und' ganzen sich damit begnügt, die überkommenen Anschauungen zu überprüfen, zu entwickeln, stellenweise korrekter und präziser vorzutragen. Aber eine Antwort auf die Frage: welches sind die Bestimmungsgründe des objektiven Tauschwertes des Geldes, haben sie nicht erteilt. Menger und Jevons haben das Problem überhaupt nicht berührt, Carver 1 und Kinley 2 nichts Wesentliches zu seiner Lösung beigetragen. Walras 3 und Kemmerer 4 gehen bei ihren Untersuchungen von einem gegebenen Niveau des Geldwertes aus und entwickeln lediglich eine Theorie der Veränderungen des Geldwerts, wobei der letztgenannte allerdings dicht vor der Lösung des Problems steht, sie jedoch achtlos beiseite schiebt. Wies er weist ausdrücklich auf das Lückenhafte der bisherigen Behandlung hin. In seiner Kritik der Quantitätstheorie führt er aus, daß das Gesetz von Angebot und Nachfrage in seiner alten Fassung. als deren Übertragung auf das Geld diese Theorie sich darstelle, nur einen sehr dürftigen Inhalt habe, daß es nichts darüber aussage, wie sich der Wert eigentlich bilde, noch auf welche Höhe er sich jeweils stellen müsse, sondern sich darauf beschränke, ohne genauere Erklärung ploß die Richtung zu bezeichnen, nach welcher hin er durch Veränderungen des Angebots bzw. der Nachfrage fortbewegt wird, daß er nämlich durch die ersteren in einer Richtung entgegengesetzten Sinnes, durch die letzteren in übereinstimmendem Sinne fortbewegt werde. Es gehe heute nicht mehr an, sich für den volk~wirtschaft1ichen Wert des Geldes bei einer Theorie zu beruhigen, die das Problem so dürftig behandele. Nachdem das alte Gesetz von Angebot und Nachfrage bei der Ware, für die es ursprünglich gebildet worden war, theoretisch überwunden ist, müsse auch beim Gelde ein eindrirngenderes Gesetz gesucht werden 5. Aber indem Wieser im weiteren Verlauf seiner Ausführun-gen die Vorstellungen von Angebot und Nachfrage für das Geld als Tauschmittel unanwendbar erklärt und eine Theorie aufstellt, welche die Veränderungen 1 Vgl. Carver, The Value üf the Money Unit, (The Quarterly Journal of Economics, Vol. XI, 1897), S. 429 ff. 2 Vgl. Kinley, Money, New York 1909, S. 123 ff. a Vgl. Walras, Theorie de la Monnaie, a. a. 0., S. 25 ff. I Vgl. Kemmerer, Müney and Credit Instruments in their Relation to General Prices, New York 1907, S. 11 ff. 6 Vgl. Wie s er, Der Geldwert, und seine Veränderungen, a. a. 0., S. 514 ff.
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des objektiven inneren Tauschwertes des Geldes aus den Veränderungen in dem Verhältnis, das in der Volkswirtschaft zwischen Geldeinkommen und Realeinkommen besteht, zu erklären sucht, läßt er das Problem, dessen Lösung er selbst als das 'Ziel der Unter:suchung bezeichnet hat, abseits liegen. Denn aus den Beziehungen zwischen Geldeinkommen und Realeinkommen vermag Wieser wohl die Veränderungen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes zu erklären, er macht jedoch nicht einmal den Versuch, der, wenn die Faktoren Angebot und Nachfrage ausgeschaltet werden, freilich zweifellos hätte mißlingen müssen, eine vollständige Theorie des Geldwertes zu erbringen. Denselben Vorwurf, den er gegen die alte Quantitätstheorie erhebt, daß sie nichts darüber aussage, wie sich der Wert eigentlich bildet, noch auf welche Höhe er sich jeweils stellen müßte, muß man auch seiner Lehre machen; und das ist um so auffälliger, als gerade Wieser durch die Aufdeckung der geschichtlichen Zusammenhänge der Kaufkraft des Geldes die Grundlagen für das weitere Fortschreiten der subjektiven Geldwerttheorie geschaffen hat. Angesichts der unbefriedigenden Ergebnisse der Arbeiten der subjektiven Werttheorie konnte die Ansicht entstehen und Zustimmung finden, daß diese Lehre und insbesondere ihr Satz von, der Bedeutung des Grenznutzens dem Gelde gegenüber notwendig versagen müßten. Charakteristischerweise ist mit dieser Behauptung zuerst ein Vertreter der neuen Schule, WickseIl, hervorgetreten. Wicksell meint, daß das Prinzip, welches den modernen Forschungen auf dem Gebiete der Werttheorie zugrunde liege, nämlich der Begriff des Grenznutzens, wohl geeignet sei, die Bildung des zwischen den einzelnen Waren untereinander bestehenden Austauschverhältnisses zu erklären, daß es aber für die Deutung des zwischen dem Gelde u.nd den übrigen wirtschaftlichen Gütern bestehenden Austauschverhältnisses so gut wie gar keine oder nur eine ganz mittelbare Bedeutung habe. Wicksell scheint aber in dieser Feststellung keineswegs einen Vorwurf gegen die Grenznutzentheorie zu erblicken. Seiner Auffassung nach ist der objektive Tauschwert des Geldes nämlich überhaupt nicht durch Vorgänge des Marktes, auf dem Geld und die übrigen wirtschaftlichen Güter zum Austausch gelangen, bestimmt. Wird der Geldpreis einer einzelnen Ware oder Warengruppe auf dem Markte falsch angesetzt, so trete durch das hieraus entstehende Mißverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage, Produktion und Konsumtion v. Mises, Theorie des Oeldes. 2. Auf!.
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dieser Ware oder Warengruppe über kurz oder lang die notwendige Korrektion ein. Werden dagegen aus irgendwelcher Veranlassung sämtliche Warenpreise oder das durchschnittliche Preisniveau in die Höhe getrieben bzw. herabgedrückt, so liege eben in den Umständen des Warenmarktes kein Moment, welches eine Reaktion hervorzubringen imstande wäre. Die Reaktion gegen eine allzu hohe oder allzu niedrige Preisbemessung müsse somit, wenn überhaupt, irgendwie von außerhalb des Warenmarktes auftreten. Im Verlauf seiner Untersuchungen gelangt nun Wicksell zum Schluß, den Regulator der. Geldpreisbildung in den Beziehungen des Warenmarktes zum Geldmarkt, im weitesten Sinne dieses Wortes, zu suchen. Die Ur· sache, welche die Nachfrage nach Rohstoffen, Arbeit, Boden leistWJgen und sonstigen Produktivmitteln beeinflußt und dadurch mittelbar die Bewegung der Güterpreise nach oben oder nach unten bestimmt, sei das Verhältnis des Darlehnszinses zum natürlichen Kapitalzins, unter welchem Ausdruck diejenige Zinsrate zu verstehen sei, die durch Angebot und Nachfrage festgestellt werden würde, falls die Realkapitalien ohne Vermittlung des Geldes in natura dargeliehen würden 1. Wicksell glaubt damit eine Theorie der Bildung des objektiven Tauschwertes des Geldes gegeben zu haben. In der Tat aber versucht er bloß nachzuweisen, daß vom Darlehensmarkte her Kräfte auf den Tauschmarkt wirken, welche verhindern, daß der objektive Tauschwert des Geldes zu hoch steige oder zu tief falle. Daß der Darlehenszins in irgendeiner Weise die konkrete Höhe dieses Wertes bestimme, behauptet er nicht einmal; dergleichen wäre auch widersinnig. Wenn aber von "zu hohem" oder "zu niedrigem" Nitveau der Geldpreise gesprochen werden soll, muß zunächst gesagt werden t wie sich jenes N~veau, mit dem der Vergleich angestellt wird. heraus-' gebildet habe. Es genügt keineswegs zu zeigen, daß, der gestörte Gleichgewichtszustand sich wiederherstelle, wenn nicht vorerst festgestellt wurde, worin dieser Gleichgewichtszustand besteht. Zweifel· los ist dies die primäre Aufgabe und mit ihrer Lösung ist unmittelbar auch die andere gelöst; ein weiteres Nachforschen muß. ergebnislos bleiben. Denn der Gleichgewichtszustand kann nur durch jene Kräfte aufrecht erhalten werden, die ihn hergestellt haben und immer wieder von neuem herstellen. Wenn aus den Verhältnissen des Darlehens1
Vgl. Wicksell, Geldzins und Güterpreise, Jena 1898, S. IVf., 16ff.
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marktes heraus keine Erklärung für die Entstehung der Austauschrelation zwischen dem Gelde und den übrigen wirlschaftIichell Gütern erbracht werden kann, dann ist es auch unmöglich, aus ihnen heraus Gründe dafür zu suchen, warum diese Relation sich nicht verändere. Der objektive Tauschwert des Geldes bildet sich auf dem Markte, auf dem Geld gegen Waren und Waren gegen Geld ausgetauscht werden. Seine Bildung zu erklären, ist Aufgabe der Geldwerttheorie. Wicksell aber meint, "daß die Gesetze des Warentausches als solchen ni,chts enthalten, was für die absolute Höhe der Geldpreise maßgebend sein könnte 1". Darin liegt eine Verneinung der Möglichkeit jeder wissenschaftlichen Untersuchung auf diesem Gebiete. Auch Helfferich glaubt, daß der Anwendung der Grenznu,tzentheorie auf das Geld ein unüberwindliches Hindernis entgegenstehe. Denn während diese Theorie den Verkehrswert der Güter aus dem Grade ihrer Nützlichkeit innerhalb der Einzelwirlschaften zu bestimmen suche, sei umgekehrt der Gra~ der Nützlichkeit des Geldes für die Einzelwirtschaften ganz offem,ichtlkh durch seinen Verkehrswert gegeben, denn das Geld könne nur unter der Voraussetzung Nutzwirkungen üben, daß es Verkehrswert hat, und der Grad seiner Nützlichkeit ist durch die Höhe dieses Verkehrswertes bestimmt. Die Schätzung des Geldes richtet skh danach, was man für das Geld an Gütern, die dem unmittelbaren Verbrauch oder Gebrauch dienen, bekommen kann, oder danach, was man zur Beschaffung des für allfällige Zahlungen benötigten Geldes an anderen Gütern hingeben muß. Der Grenznutzen des Geldes in einer gegebened Einzelwirtschaft, das ist der geringste Nutzen der mit den Gütern, die durch das zur Verfügung stehende Geld beschafft werden können oder für das benötigte Geld hingegeben werden müssen, noch zu erzielen ist, habe bereits einen bestimmten Verkehrswert des Geldes zur Voraussetzung, so daß der letztere nicht vom ersteren abgeleitet werden könne 2. Wem die Bedeutung des geschichtlich überlieferten Geldwertes für die Bildung des objektiven Tauschwertes des Geldes klar geworden ist, dem kann es nicht schwer fallen, einen Ausweg aus diesem scheinbaren Zirkel zu finden. Es ist richtig, daß die Wert1 I
Vgl. WiekseIl, a. a. 0., S. 35. VgI. Helfferich, Das Geld, a. a. 0., S. 577.
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schätzung der Geldeinheit durch das Individuum nur unter der Voraussetzung möglich ist, daß auf dem Markte ein Austauschverhältnis zwischen dem Gelde und den übrigen wirtschaftlichen Gütern bereits besteht. Doch man irrt, wenn man daraus auf die Unmöglichkeit einer erschöpfenden Erklärung der Bestimmungsgründe des objektiven Tauschwertes des Geldes durch die Grenznutzentheorie schließen will. Daß es dieser Theorie nicht ge:ingen kann, den objektiven Tauschwert des Geldes ganz aus der Geldfunktion heraus zu erklären, daß sie dabei, wie wir zeigen konnten, auf den ursprünglichen Tauschwert des Geldobjektes, der nicht in seiner Geldverwendung, sondern in seiner anderweitigen Verwendung begründet war, zurückgehen muß, darf ihr keineswegs als Mangel angerechnet werden; es entspricht dies dem Wesen und der Gestaltung dieses objektiven Tauschwertes. Wenn man von der Geldwerttheorie verlangt, daß sie das Austauschverhältnis zwischen Geld und Waren ohne Zuhilfenahme des historisch überkommenen objektiven Tauschwertes ganz aus der Geldfunktion erkläre, stellt man an sie Anforderungen, die ihrem Wesen und ihrer Aufgabe zuwiderlaufen. Die Geldwerttheorie als solche kann den objektiven Tauschwert des Geldes nur bis zu jenem Punkte zurückführen, wo er aufhört Geldwert zu sein und nur noch Warenwert ist; dort muß sie die weitere Arbeit der allgemeinen Werttheorie übergeben, welcher die Lösung dieser Aufgabe keine Schwierigkeit mehr bereitet. Es ist richtig, daß die subjektive Wertschätzung des Geldes bereits einen bestimmten Verkehrswert zur Voraussetzung hat. Aber dieser vorauszusetzende Wert ist nicht derselbe, den wir zu erklären haben; es ist der Verkehrswert von gestern, und es gilt, den von heute zu erklären. Der objektive Tauschwert des Geldes, der heute auf dem Markt besteht, bildet sich aus dem von gestern unter dem Einfluß von subjektiven Wertschätzungen der Marktsubjekte, sowie dieser wieder durch das Spiel der subjektiven Wertschätzungen aus dem objektiven Tauschwert von vorgestern entstanden ist. Wenn wir in dieser Weise immer weiter zurückgehen, gelangen wir notwendigerweise schließlich an einen Punkt, wo wir im objektiven Tauschwert des Geldes keine Komponente mehr finden, die aus solchen Wertschätzungen hervorgegangen wäre, die aus der funktion des Geldes als allgemeines Tauschmittel entspringen, wo der Geldwert nichts anderes ist als der Wert eines anderweitig nützlichen Objekts. Dieser Punkt ist aber kein lediglich gedankliches Hilfsmittel der Theorie; er ist in
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der Wirtschaftsgeschichte tatsächlich gegeben in dem Augenblick der Entstehung des indirekten Tausches. Als es noch nkht Übung war, auf dem Markte Güter nicht zum Zwecke der eigenen Konsumtion, sondern lediglich zu dem Zwecke zu erwerben, um sie gegen jene, welche benötigt werden, wiederum auszutauschen, kam jedem einzelnen Gute nur jener Wert zu, der das Ergebnis der auf seiner unmittelbaren Nützlichkeit beruhenden subjektiven Schätzungen war. Erst als sich der Brauch entwickelte, im indirekten Tausch einzelne Güter lediglich als Tauschvermittler zu erwerben, da begann man, diese Güter überdies auch noch wegen ihrer Verwendbarkeit zum indirekten Tausch zu schätzen; das Individuum schätzte sie, einmal, weil sie nützlich im gewöhnlichen Sinne waren, dann noch aus dem Grunde, daß sie als Tauschmittel verwendet werden konnten. Beide Schätzungen stehen unter der Herrschaft des Gesetzes vom Grenznutzen. So wie jener ursprüngliche Ausgangspunkt des Geldwerts nichts anderes ist als das Ergebnis subjektiver Wertschätzungen, so ist auch der heutige Geldwert nichts anderes. Helfferich weiß aber noch ein weiteres Argument für die Unanwendbarkeit der Grenznutzentheorie auf das Geld geltend zu machen. fasse man die Gesamtheit der Volkswirtschaft ins Auge, so ergebe sich, daß der Begriff des Grenznutzens darauf beruht, daß mit einer gegebenen Gütermenge nur ein bestimmter Bedarf befriedigt und damit nur eine bestimmte Reihe von Nutzwirkungen herbeigeführt werden kann; der geringste noch erzielbare Nutzen stehe bei gegebenem Bedarf und Vorrat fest. Dieser bestimme nach der Grenznutzentheorie den Wert des Gutes im Verhältnis zu den anderen Gütern, die als Gegenwert angeboten werden, und zwar in der Weise, daß derjenige Teil der Nachfrage, der durch den gegebenen Vorrat nicht befriedigt werden kann, dadurch ausgeschaltet wird, daß er einen dem Grenznutzen entsprechenden Gegenwert nkht zu bieten vermag. Die Voraussetzung, daß mit einer gegebenen Gütermenge an sich schon auch die mögliche Nutzwirkung gegeben ist, die dann ihrerseits den Wert der Waren bestimmen könne, treffe nun zwar für alle anderen Güter zu, aber nicht für das Geld. Die Nutzwirkung einer gegebenen Geldmenge stehe nicht nur für die Einzelwirtschaften, sondern auch innerhalb der gesamten Volkswirtschaft in unmittelbarer Abhängigkeit von dem Verkehrswert des Geldes. Je höher der Wert der Geldeinheit gegenüber den übrigen Gütern sei, desto größere Gütermengen könnten durch die Ver-
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mittlung der gleichen Summe von Geldeinheiten umgesetzt werden. Während bei allen Gütern der Wert aus der Beschränkung der bei einem gegebenen Vorrat möglichen Nutzwirkung resultiert und im allgemeinen um so höher ist, je höhere Grade von Nutzwirkungen durch die Beschränkung des Vorrates ausgeschlossen sind, die Nutzwirkungen des Vorrates selbst aber durch seinen Wert nicht erhöht werden, könne beim Geld die Nutzwirkung eines gegebenen Vorrates durch Erhöhung des Wertes der Geldeinheit eine beliebige Ausdehnung erfahren 1. Der Fehler dieser Argumentation ist darin zu erblicken, daß sie die Nutzwirkung des Geldes vom Standpunkt der Gesamtheit der Volkswirtschaft aus Wld nicht von dem des einzelnen Wirtschaftssubjektes betrachtet. Jede Wertsetzung muß notwendigerweise von einem Subjekt ausgehen, das in die Lage kommt, mit dem zu wertenden Objekt im Tausch zu disponieren. Nur wer die Wahl zwischen zwei wirtschaftlichen Gütern hat, kann ein Werturteil abgeben, indem er das eine dem anderen vorzieht. Wenn man von einer Wertung vom Gesichtspunkt der Gesamtheit der Volkswirtschaft ausgeht, dann nimmt man auch stillschweigend an, daß eine gemeinwirtschaftliche tauschlose Organisation besteht, in der der Wille des hierzu berufenen Organs Werturteile setzt. Die Gelegenheit zur Setzung von Werturteilen ergibt sich hier bei der Leitung der Produktion und Konsumtion, zum Beispiel wenn entschieden werden soll, ob bestimmte Produktivgüter, die eine mehrfache Verwendung zulassen, in die eine oder die andere gebracht werden sollen. Für das Geld, das allgemeine Tauschmittel, ist in einer solchen Gesellschaft überhaupt kein Platz; es erfüllt in eitler solchen Gesellschaft überhaupt keine Nutzwirkung und kann daher auch nicht geschätzt werden. Es ist daher unstatthaft, bei einer Betrachtung des Geldwertes vom Standpunkt der Gesamtheit einer Volkswirtschaft auszugehen. Jede Betrachtung des Geldes muß naturgemäß einen verkehrswirtschaftlichen Zustand der Volkswirtschaft voraussetzen und von den Subjekten, die in einer solchen Wirtschaftsverfassung selbständig wirtschaften, das heißt Wert setzen, ihren Ausgangspunkt nehmen 2. Vgl. Helfferich, Das Geld, a. a. 0., S. 578. B. M. Anderson hat in seinem ausgezeichneten Werke The Value of Money (New York 1917) auf S. 100-110 gegen meine oben vorgetragene Theorie eingewendet, sie gebe an Stelle einer logischen Analyse einen zeitlichen Regressus. Doch alle scharfsinnigen Einwendungen, die Anderson 1
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§ 5. Jetzt erst, da der erste Teil des Geldwertproblems seiner Lösung zugeführt worden ist, kann man den Plan für das weitere Vorgehen entwerfen. Es gilt nicht mehr die Entstehung des objektiven Tauschwertes des Geldes zu erklären; diese Aufgabe ist durch den bisherigen Gang der Untersuchung bereits erledigt. Jetzt müssen die Gesetze ergründet werden, welche die Veränderungeq des einmal gegebenen Austauschverhältnisses zwischen dem Gelde und den übrigen wirtschaftlichen Gütern beherrschen. 'Dieser Teil des Geldwertproblems hat seit jeher die Nationalökonomen beschäftigt, trotzdem der andere logischerweise zuerst hätte in Bearbeitung genommen werden müssen. Aus diesen, aber auch aus manchen anderen Gründen ist das, was zu seiner KlarsteIlung getan wurde, nicht allzuviel. Freilich' ist auch seine Aufgabe weitaus komplizierter als die des ersten Teiles. Man pflegt bei Untersuchung des Wesens der Geldwertveränderungen gewöhnlich zwischen den auf der Se~te des Geldes wirksamen Bestimmun~gründen für das zwischen dem Gelde und den übrigen wirtschaftlichen Gütern bestehende Austauschverhältnis und den auf Seite der Waren wirksamen zu unterscheiden. Es ist außerordentlich zweckmäßig, diese Unterscheidung vorzunehmen, ja ohne sie müßte jeder Lösun~versuch von vornherein als aussichtslos bezeichnet werden. Doch muß man sich auch stets genau \'or Augen halten, was ihre eigentHche Bedeutung ist. Die Austauschverhältnisse der Güter - und dasselbe gilt natürlich auch von dem Austauschverhältnis der Kaufgüter und des Geldes - sind das Ergebnis von Bestimmun~gründen, welche auf beiden Seiten der Tauschobjekte wirksam sind. Bereits bestehende Austauschverhältnisseder Güter können jedoch durch eine Änderung von Bestimmungsgründen modifiziert werden, die ledigUch auf einer Seite der Tauschobjekte hervortritt. Wenn alle Momente, welche die Wertschätzung eines Gutes bedingen, die gleichen geblieben sind, kann nichtsdestoweniger eine Änderung in seinem Austauschverhältnis gegenüber vorzubringen weiB, richten sich aIlein gegen die Auffassung, die in der Bildung der zwischen den Waren bestehenden Austauschverhältnisse eine historisch überkommene Komponente zu finden glaubt, eine Auffassung, die auch ich (vgl. oben S. 88ff.) entschieden ablehne. Die logische Grundlage meiner Theorie erkennt aber auch Anderson an, wenn er erklärt, ,,1 shaIl maintain that value from some source other than the monetary employment is an essential precondition of the monetary employment." (a. a. 0., S.l26.)
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einem zweiten Gute eintreten, wenn die Momente, welche die Wertschätzung jenes bedingen, eine Wandlung durchgemacht haben. Wenn ich von zwei Personen den Adern B vorziehe, so kann dies, auch wenn meine Gefühle dem A gegenüber unverändert bleiben, sich in das umgekehrte Verhältnis verwandeln, wenn ich mittlerweile in engere freundschaft zu B getreten bin. Ähnliches gilt von dem Verhältnis der Menschen zu den Sachgütern. Wer heute den GenruB einer Schale Tee dem einer Dosis Chinin vorzieht, kann, auch wenn seine Lust am Teetrinken nicht gemindert ist, morgen das umgekehrte WerturteiI fällen, wenn er etwa über Nacht am fieber erkrankt ist. Während die konstituierenden faktoren der Preisbildung in ihrer Gesamtheit niemals nur auf der einen Seite der auszutauschenden Güter vorhanden sind, können die bloß modifizierenden unter Umständen nur auf der einen Seite vorhanden sein 1. Man pflegt die frage na'Ch der Natur und dem Maße des Einflusses, welchen die Änderung der auf Seite des Geldes liegenden Bestimmungsgründe der Preisbildung auf die Austauschverhältnisse des Geldes und der Kaufgüter ausübt, als das Problem des inneren Tauschwertes des Geldes und seiner Bewegung zu bezeichnen, während man unter dem Ausdruck: Bewegung des äußeren Tauschwertes des Geldes das Problem der örtlichen und zeitlichen Veränderungen des objektiven TallS<:hwertes des Geldes überhaupt zusammenfaßt 2. Beide Ausdrücke sind nicht gerade glücklich gewählt. Aber sie haben einmal in der Wissenschaft das Bürgerrecht erlangt, seit Menger sie verwendet hat; darum sollen sie auch in den folgenden Untersuchungen dort gebraucht werden, wo dies mit Nutzen geschehen kann. Schließlich ist ja heute nicht mehr zu befürchten, daß die Ausdrücke "äußerer und innerer objektiver Tauschwert des Geldes" etwa in dem Sinne aufgefaßt werden, in' dem die romanischkanonistische Doktrin von valor extrinsecus und valor intrinsecus sprach 3, oder in jenem, in dem die englischen Autoren des 17. und 18. Jahrhunderts die Begriffe extrinsic value und intrinsic value gebrauchten 4. Vgl. Menger, Grundsätze, a. a. 0., S. 304ff. Ebendort, S. 304 ff. 3 VgI. Seid!er, a. a. 0., S. 686. , VgI. Zuckerkand!, a. a. 0., S. 13 ff., 126 ff. 1
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B. Die durch Änderungen im Verhältnis von Geldangebot und Geldnachfrage hervorgerufenen Bewegungen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes. § 6. Daß auf den geschichtlich überkommenen objektiven Tauschwert des Geldes ni'cht nur von der industriellen Verwendung des Geldstoffes, sondern auch von der Tauschmittelverwendung des Geldes her Kräfte einwirken, wird heute wohl von keinem Nationalökonomen mehr in Abrede gestellt. In Laienkreisen herrschte freilich die entgegengesetzte Auffassung bis in die allerjüngste Zeit hinein durchaus vor. Dem naiven Betrachter schien das Edelmetallgeld "gutes Geld" zu sein, weil das Edelmetallstück ein "an sich" wertvoller Gegenstand sei, während er das Papiergeld als "schlechtes Geld" bezeichnete, da sein Wert nur ein "künstlicher" sei. Aber auch der Laie, der diese Ansicht teilt, nimmt die Geldstücke im Verkehr nicht wegen ihres industriellen Gebrauchswertes, sondern wegen ihres objektiven Tauschwertes, der zum großen Teil auf ihrer monetären Verwendung beruht. Er schätzt das Goldstück nicht allein wegen seines industriellen Gebrauchswertes, etwa wegen seiner Brauchbarkeit als Schmuckstück, sondern vor allem wegen seines objektiven Tauschwertes, somit in letzter Linie wegen seiner monetären Verwendung. Es ist eben ein anderes, zu handeln, und ein anderes, sich über die Gründe und den Verlauf des eigenen HandeIns Rechenschaft zu geben 1. Man wird diese Mängel der volkstümlichen Anschauungen über Geld und Geldwert nachsichtig beurteilen, da auch die wissenschaftlichen Ansichten über dieses Problem von Mißgriffen nicht frei blieben. Erfreulicherweise ist in den letzten Jahren ein allmählich sich vollziehender Umschwung in den populären Geldtheorien festzustellen. Die Erkenntnis, daß der Wert des Geldes auch in seiner Geldfunktion wurzle, wird allgemein. Dies ist das Ergebnis der erhöhten Aufmerksamkeit, die man seit dem Beginn des großen Währungsstreites den Fragen der Geldpolitik zuwendete. Die alten Theorien erwiesen sich als unzulänglich; es war nicht möglich, Erscheinungen wie die des österreichischen oder des indischen Geldwesens anders zu deuten als durch Zuhilfenahme einer Hypothese, welche auch aus der Geldfunktion Wert entstehen läßt. Die zahlreichen Schriften, welche diese Anschauungen verfechten, mögen in ihrer 1
Vgl. Wieser, Wirtschaftlicher Wert, a. a. 0., S. IlI.
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-durch keinerlei werttheoretische Kenntnisse getrübten naiven Unbefangenheit dem Nationalökonomen mitunter recht unbedeutend erscheinen, sie können doch das Verdienst für sich in Anspruch nehmen, alteingewurzelte Vorurteile erschüttert und die Menge zum Nach-denken über Preisprobleme angeregt zu haben. Sie sind' ohne Zweifel ein erfreuliches Zeichen des erwachenden Interesses an nationalökonomischen Fragen; und wenn man sich dies vor Augen hält, dann mag man über manche Geldtheorie milder denken. Es fehlt freilich auch rucht an Versuchen, jene eigentümlichen Erscheinungen des modernen Geldwesens auf andere Weise zu erklären. Sie sind alle mißglückt. So krankt vor allem auch die Theorie Laughlins an der NichtbeTÜcksichtigung des besonderen, auf der Geldfunktion beruhenden Wertes des Geldes. Laughlin hebt das charakteristische Merkmal des Geldsurrogates, die jederzeitige prompte Einlösbarkeit in Geld richtig hervor 1. Er irrt jedoch in einem entscheidenden Punkte, wenn er auch solche Erscheinungen wie die Rupie von 1893 bis 1899 und den russischen Rubel und den österreichischen Gulden zur Zeit der Sistierung der Barzahlungen -als token money auffaßt. Daß ein Stück Papier, das nicht in Gold eingelöst wird, überhaupt einen Wert hat, sei auf die Möglichkeit, .daß es einmal doch noch eingelöst werden wird, zurückzuführen. Das uneinlösliche Papiergeld sei hierin der Aktie einer augenblicklich kein Erträgnis abwerfenden Unternehmung zu vergleichen, die doch im Hinblick auf künftige Ertragsmöglichkeiten einen gewissen Tauschwert verkörpern könne. Die Schwankungen, denen der Tauschwert solchen Papiergeldes unterliegt, seien in den Veränderungen in der Aussicht auf die endliche Einlösung begründet 2. Der Fehler dieser Schlußfolgerung kann am einfachsten an einem konkreten Beispiel nachgewiesen werden. Wir wählen dafür die öster·reichische Geldgeschichte, die auch Laughlin als Exempel dient. Seit 1859 war die österreichische Nationalbank von der Pflicht, ihre Noten auf Verlangen unverzüglich in Silber einzulösen, enthoben, und die Einlösung des 1866 ausgegebenen Staatspapiergeldes stand in weiter Ferne. Erst in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre des 19. J ahrhunderts wurde der Übergang zum Sachgelde durch die faktische Aufnahme der Barzahlungen von seiten der österreichisch-ungari1 2
Vgl. Laughlin, a. a. 0., S. 513 f. Ebendort S. 530 f.
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sehen Bank vollzogen. Laughlin sucht nun die Wertgestaltung der österreichischen Valuta während der Zwischenzeit durch die Aussicht auf künftige Einlösung der Noten in metallischem Sachgeld zu erklären. Anfänglich sei es die Erwartung, daß sie in Silber, dann die, daß sie in Gold eingelöst würden, gewesen, die die Stütze für ihren Wert abgegeben habe. Die Schwankungen ihrer Kaufkraft seien auf die wechselnden Chancen der endlichen Einlösung zurückZI\lführen 1. Das Unstichhaltige dieser Deduktion kann schlagend erwiesen werden. Im Jahre 1884 - wir greifen dieses Jahr aufs Geratewohl heraus - notierte die 5 ojoige österreichische Notenrente an der Wiener Börse durchschnittlich 95,81, mithin 4,19 % unter Pari. Die Notiz bezieht sich auf Gulden österreichiseher Währung Noten. Die Staatsrentenobligationen stellten mit 5 % verzinsliche Forderungen wider den österreichischen Staat dar, also gegen dasselbe Subjekt, das auch als Schuldner der in den Staatsnoten enthaltenen Forderung erschien. (Die aus dem Verhältnisse des Dualismus sich ergebenden subtilen staatsrechtlichen Differenzen können als für unser Problem gänzlich irrelevant füglieh vernachlässigt werden.) Allerdings waren diese Staatsschuldverschreibungen nicht rückzahlbar, das heißt von seiten des Gläubigers nicht zur Rückzahlung kündbar. Dies bedeutete jedoch im Hinblick auf ihre Verzinsung keine Beeinträchtigung ihres Wertes gegenüber den unverzinslichen und gleichfalls von seiten der Inhaber nicht kündbaren Staatsnoten, zumal die Schuldverpflichtung der Obligationen auf Staatsnoten lautete und eine eventuelle Rückzahlung nur in diesen zu erfolgen hatte. Tatsächlich sind die fraglichen Renten lange, bevor die Staatsnoten in Gold eingelöst wurden, im Jahre 1892 in Gestalt einer freiwilligen Konversion zurückgezahlt (Worden. Nun entsteht die Frage: Wie konnte es kommen; daß die mit 5 % verzinslichen Staatsschuldverschreibungen niedriger bewertet wurden als die unverzinslichen Staatsnoten ? Unmöglich kann dies etwa darauf zurückzuführen sein, daß man etwa die Hoffnung hegte, die Staatsnoten würden früher in Gold eingelöst werden, als die Rückzahlung der Renten erfolgen werde. Von solchen Erwartungen war nicht die Rede. Ausschlaggebend war ein ganz anderer Umstand. Die Staatsnoten waren allgemein gebräuchliches Tauschmittel, sie waren Geld, und als solches 1
Vgl. Laughlin, a. a. 0., S. 531 ff.
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hatten sie nebst dem Werte, den sie als forderung gegen den Staat darstellten, auch noch als Geld Wert. Ihr Wert als forderung allein hätte zweifellos nicht hingereicht, einem auch nur einigermaßen beträchtlichen Teil ihres effektiven Tauschwertes als Stütze zu dienen. Der fälligkeitstermin der forderung, die in diesen Papierscheinen verkörpert war, war ja gänzlich ungewiß, befand sich jedenfalls in weiter ferne. Als forderung hätten sie unmöglich einen höheren Tauschwert repräsentieren können, als dem jeweiligen Gegenwartswert der Anwartschaft entsprach. Nun konnte es aber seit Einstellung der freien Silberprägung keinem Zweifel mehr unterliegen, daß die endliche Einlösung des Papierguldens (und mithin auch des Silberguldens) nicht zu einem Kurs erfolgen werde, welcher seinen Durchschnittskurs in dem der Einlösung unmittelbar vorangehenden Zeitraum um ein Nennenswertes übersteigen werde. Jedenfalls stand es seit der gesetzlichen festlegung der Übergangsrelation durch die Valutaregulierungsgesetze vom 2. August 1892 fest, daß die Einlösung der Staatsnoten mit keinem höheren Betrage erfolgen werde. Wie hätte es dann kommen können, daß der Goldkurs der Krone (des halben Guldens) sich bereits im zweiten Halbjahre des Jahres 1892 um diesen Kurs herum bewegte, trotzdem der Zeitpunkt der Einlösung noch völlig im Dunkeln lag? Sonst pflegt doch eine auf einen bestimmten Betrag lautende forderung, deren fälligkeitstermin in ungewisser ferne Hegt, beträchtlich niedriger eingeschätzt zu werden als der Betrag, auf den sie lautet. Auf diese frage vermag Laughlins Theorie keine Antwort ZU geben; nur unter Berücksichtigung der Tatsache, daß auch die Geldfunktion wertbildend ist, kann eine befriedigende Erklärung gefunden werden. Die Versuche, die bisher unternommen wurden, um Maß und Bedeutung der von der Geldseite auf das zwischen dem Gelde und den übrigen wirtschaftlichen Gütern bestehende Austauschverhältnis einwirkenden Kräfte festzustellen, folgen durchaus den Gedankengängen der Quantitätstheorie. Damit soll nicht etwa gesagt sein, daß alle Anhänger der Quantitätstheorie zur Erkenntnis gelangt waren, daß der Wert des Geldes nicht lediglich durch die anderweitige, die industrielle Verwendung, sondern auch oder nur durch die Geldfunktion bestimmt werde. Viele ihrer Verfechter waren in diesem Punkte anderer Meinung und glaubten, daß der Geldwert lediglich auf der industriellen Verwendung des Geldstoffes beruhe. Die Mehrzahl hatte in dieser frage überhaupt keine klare Vorstel-
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lung, nur wenige kamen der richtigen Lösung nahe. In welche Klasse {jer eine oder der andere Autor einzureihen ist, läßt sich oft schwer entscheiden; ihre Diktion ist oft undeutlich und ihre Theorien nicht selten widerspruchsvoll. Doch wir wollen annehmen, daß alle Quantitätstheoretiker die Bedeutung der Geldfunktion für die Wertbildung des Geldgutes erkannt haben und davon ausgehend die Brauchbarkeit dieser Theorie kritisch prüfen. Als man begonnen hatte, nach den Bestimmungsgründen der Austauschverhältnisse der wirtschaftlichen Güter zu forschen, wandte man seine Aufmerksamkeit frühzeitig zwei Momenten zu, deren Bedeutung für die Preisbildung nicht zu verkennen war. Man konnte nicht umhin, einen offenkundigen Zusammenhang zwischen den Veränderungen in der Menge des verfügbaren Gütervorrates und den Veränderungen in den Preisen zu finden, und man hatte bald den Satz formuliert, ein Gut steige im Preise, wenn die verfügbare Menge sinke. Ebenso erkannte man auch die Bedeutung des Absatzes für die Preisbildung. So gelangte man zu einer mechanischen Theorie der Preisbildung, jener Lehre von Angebot und N
Vgl. Zuckerkand), a. a, 0.) S. 123ft.
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rungen von Geldangebot und Geldnachfrage zu erblicken. Die Kritik~ die an der Quantitätstheorie - viel häufiger mit Leidenschaft als mit jener Objektivität, die allein das Kennzeichen wissens<:haftlicher Untersuchung sein sollte - geübt wurde, hatte gegenüber ihrer ältesten, unvollkommenen Gestalt allerdings leichtes Spiel. Es war nicht schwierig, nachzuweisen, daß die Annahme, die Veränderungen des Geldwertes müßten verhältnismäßig den Veränderungen der Geldmenge entsprechen, so daß zum Beispiel eine Verdopplung der Geldmenge auch die Preise verdoppeln müsse, weder den Tatsachen entspreche noch auch irgendwie theoretisch begründet werden könne 1. Noch leichter war es zu zeigen, daß die naive Auffassung, wonach einfach die gesamte Geldmenge und der gesamte Geldvorrat als wertgleich angenommen wurden, nicht zutrifft. Aber alle diese Einwendungen treffen nicht den Kern der Lehre. Es kann auch nicht als' Widerlegung oder Einschränkung der Quantitätstheorie aufgefaßt werden, wenn eine Reihe von Schriftstellern sie nur unter der Voraussetzung gelten lassen will, daß alle sonstigen Umstände gleichbleiben; auc'h dann nicht, wenn hinzugefügt wird, daß diese Voraussetzung niemals zutreffen könne und niemals zutrifft 2. Die Voraussetzung caeteris parihus ist der selbstverständliche Zusatz einer jeden wissenschaftlichen Lehre, und es gibt kein nationalökonomisches Gesetz, das diesen Zusatz entbehren könnte~ Einer solchen Kritik gegenüber, die stets nur an der Oberfläche haften bleibt, wuBte si:ch die Quantitätstheorie siegreich durch die Jahrhunderte hindurch zu behaupten. Von den einen verworfen, von den anderen als eine nicht zu bezweifelnde Wahrheit hingestellt,. steht sie noch immer im Mittelpunkte wissenschaftlicher Diskussion~ Eine unübersehbare Literatur, deren Bewältigung die Kräfte eines. einzelnen weit übersteigt, hat sich mit ihr beschäftigt. Die wissenschaftliche AuSibeute dieser Schriften ist freilich nur gering. Da wird mit den Urteilen "richtig" und "falsch" operiert, dann werden, statistische Daten, meist unvollständig und unrichtig aufgefaBt, hier für, dort gegen herangezogen, wobei selten eine genügende Ausscheidung der durch Nebenumstände bewirkten Veränderungen Platz greift. Ein Eingehen auf werttheoretische Grundlagen wird dagegen nur selten versucht. Vgl. Mill, a. a. 0., S. 299. Vgl. Marshall vor dem Indian Currency Comitee (Report, London, 1898/99, Q. 11759), zitiert von Kemmerer, a. a. 0., S. 3, Anm. 1
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Will man zu einer gerechten Würdigung der Quantitätstheorie gelangen, dann muß man sie im Rahmen der jeweiligen Werttheorie betrachten. Den Kern der Lehre bildet die Erkenntnis, daß von Geldangebot und Geldnachfrage Einwirkungen auf den Geldwert stattfinden. Diese feststellung reicht wohl aus, um eine Hypothese für die Erklärung der großen Preisrevolutionen zu geben; sie enthält aber noch lange keine vollständige Geldwerttheorie. Sie gibt eine Ursache der Geldwertveränderungen an; sie ist jedoch nicht imstande, das Problem erschöpfend zu behandeln. Allein für sich betrachtet, bildet sie noch keine Erklärung des Geldwertes, sie muß. sich erst auf dem Boden einer allgemeinen Wertlehre aufbauen. Nacheinander haben die Lehre von Angebot und Nachfrage, die Produktionskostentheorie und die subj ektive Wertlehre die Grundlagen: für die Quantitätstheorie abgeben müssen. Wenn wir aus der Quantitätstheorie nur den einen Grundgedanken herausnehmen, daß zwischen den Veränderungen des Geldwertes einerseits und zwischen den Veränderungen des Verhältnisses von Geldbedarf und Geldnachfrage anderseits eine Beziehung bestehe, so geschieht dies nicht aus dem Grunde, weil darin der geschichtlich richtigste Ausdruck für den I nhalt der Theorie erblickt werden kann, sondern weil dies jener Kern der Theorie ist, den auch der moderne forscher als brauchbar anerkennen kann und muß. Mag der Dogmenhistoriker die formulierung auch ungenau finden und sie mit Zitaten widerlegen, so wird er doch zugestehen müssen, daß sie den richtigen Ausdruck für das enthält, was an der Quantitätstheorie von Wert ist und als Baustein für eine Theorie des Geldwertes verwendet werden kann. Mehr als diese Feststellung liefert uns die Quantitätstheorie nicht. Ihr fehlt vor allem eine Erklärung für den Mechanismus der Geldwertveränderungen; ein Teil ihrer Vertreter berührt dieses Problem überhaupt nicht, die anderen verwenden ein unzureichendes Erklärungsprinzip. Daß gewisse Beziehungen der gedachten Art vorhanden sind, lehrt die Beobachtung; sie aus den Grundgesetzen des Wertes abzuleiten und so erst in ihrer wahren Bedeutung zu erfassen, ist die Aufgabe. § 7. Der Prozeß, durch den Angebot und Nachfrage sich solange anzupassen suchen, bis der Gleichgewichtszustand hergestellt ist und beide sich sowohl quantitativ als auch qualitativ decken, ist das Um und Auf der Vorgänge auf dem Markte. Angelbot und
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Nachfrage sind aber nur die vom Markte aus sichtbaren Schluß glieder von Verknüpfungen, die tief in die menschliche Seele hineinreichen. Von den subjektiven Wertschätzungen hängt es ab, ob sie mit stärkerer oder schwächerer Intensität auftreten, mithin auch, in welcher Höhe die Austauschrelation gefunden wird, in der beide zur Deckung gebracht werden. Das gilt nicht nur von der Bildung des zwischen den anderen wirtschaftlichen Gütern untereinander im direkten Tausche bestehenden Austauschverhältnisses, sondern in der gleichen Weise auch von der Gestaltung des Austauschverhältnisses zwischen dem Gelde einerseits und den einzelnen Tauschgütern anderseits. Lange Zeit hindurch hat man geglaubt, der Geldbedarf sei eine von objektiven Tatsachen bestimmte Größe und von subjektiven Momenten unabhängig. Man meinte, der Geldbedarf der Volkswirtschaft werde einerseits durch die Gesamtmenge der in einem gegebenen Zeitraum umzusetzenden Waren, anderseits durch die Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes bestimmt. In dieser Anschauungsweise, die zuerst von Menger mit Erfolg bekämpft wurde 1, ist schon der Ausgangspunkt verfehlt. Es ist unzulässig, vom Geldbedarf der Volkswirtschaft auszugehen. Die unorganisierte Volkswirtschaft, in der allein für das Geld ein Platz bleibt, ist als solche kein Subjekt wirtschaftlicher Beziehungen. Sie benötigt nur insofern Geld, als ihre einzelnen Glieder es benötigen. Der Geldbedarf der Volkswirtschaft ist nichts anderes als die Summe des Geldbedarfes der EinzeIwirtschaften. Für die Einzelwirtschaften aber ist es nicht möglich, eine Konstruktion aufzustellen, die jener Formel: Umsatzmenge durch Umlaufsgeschwindigkeit nachgebildet erschiene. Will man dazu gelangen, den Geldbedarf eines Individuums zu umschreiben, so muß man an jene Gesichtspunkte anknüpfen, nach denen dieses vorgeht, wenn es Geld empfängt und ausgibt. Jedes Wirtschaftssubjekt ist genötigt, einen Vorrat des allgemein gebräuchlichen Tauschmittels zu halten, um dem voraussichtlichen Bedarf seiner Erwerbs- und seiner Aufwandswirlschaft zu genügen. Die Größe dieses Bedarfes ist von einer Reihe von individuellen Umständen abhängig. Sie ist in gleich hohem Maße beeinflußt von der Art der Wirtschaftsführung der betreffenden Wirtschafts einheit und von der gesamten Organisation des gesellschaftlichen Produktions- und Tauschapparates. 1 Vgl. Menger, Grundsätze, a. a. 0., S. 325ff.; vgl. ferner Helfferich, Das Geld, a. a. 0., S. 500 ff.
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Immer aber kommen alle diese objektiven Momente nur als Motivationen der Individuen in Betracht, ohne einer direkten Einwirkung auf die konkrete Höhe ihres Geldbedarfs fähig zu sein. Die subjektive Wertschätzung der Wirtschaftssubjekte bleibt, wie überall im Wirtschaftsleben, so auch hier allein maßgebend. Die Kassenhaltung zweier Wirtschaften, bei denen alIe objektiven Voraussetzungen gleich sind, kann verschiedener Größe sein, wenn ihre Vorteile und Nachteile von den Wirtschaftssubjekten verschieden beurteilt werden. Der Kassenbestand eines Individuums muß keineswegs durchaus aus Geld bestehen. Sind im Verkehr auf Geld lautende, jederzeit fällige sichere Geldforderungen als Geldsurrogate in der Art in Gebrauch, daß sie an StelIe des Geldes gegeben und 'genommen werden, dann kann auch' der Geldvorrat der Einzelwirtschaften ganz oder zum Teil durch einen entsprechenden Vorrat dieser Surrogate ersetzt werden; aus technischen Gründen (z. B. Notwendigkeit, Geld in verschiedener Stückelung vorrätig zu halten) kann dies unter Umständen selbst unumgänglich erforderlich sein. Man kann somit von einem Geldbedarf im weiteren und einem Geldbedarf im engeren Sinne sprechen. Der erste umfaßt den gesamten Bedarf des Individuums an Geld und Geldsurrogaten, der andere lediglich den an Geld. Der erste ist für jede Wirtschaft eine durch den Willen ihres Subjekts gegebene Größe. Der zweite ist von individuellen Einflüssen ziemlich unabhängig, wenn wir von dem oben berührten Momente der Stückelung absehen. Ob ein größerer oder geringerer T eil der Kassenbestände einer Einzelwirtschaft aus Geldsurrogaten besteht, berührt die Interessen, des Individuums, abgesehen von jenem Umstand, nur in dem falle, daß sich ihm die Möglichkeit bietet, zinstragende Geldsurrogate (zinstragende Banknoten oder zinstragende Kassenführungsguthaben) zu erwerben. In allen übrigen fällen ist ihm dies völlig gleichgültig. Aus diesen Erscheinungen der Einzelwirtschaft entstehen Geldnachfrage und Geldangebot, Geldbedarf und Geldvorrat in der Volkswirtschaft. Solange keine Geldsurrogate in Verwendung stehen, charakterisieren sich volkswirtschaftlicher Geldbedarf und volkswirtschaftlicher Geldvorrat als die Summe von Geldbedarf und Geldvorrat der Einzelwirtschaften. Das ändert sich mit der Entstehung der Geldsurrogate. Der Geldbedarf der Volkswirtschaft im engeren Sinne ist dann nicht mehr die Summe des einzelwirtschaftlichen Geldbedarfes im engeren Sinne, und der Geldbedarf der Volkswirtschaft v. Milts, Th~rie des Geldes. 2. Auf!.
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im weiteren Sinne ist keineswegs die Summe des einzelwirtschaftlichen Geldbedarfs im weiteren Sinne. Ein Teil der Geldsurrogate, die in den Kassen der Einzelwirtschaften die Stelle des Geldes vertreten, sind durch Geldbeträge gedeckt, die in den Kassen der Umtauschstellen, die gewöhnlich, aber nicht immer, mit den Ausgabestellen identisch sind, als "Einlösungsfonds" oder "Deckung" angesammelt werden. Wir führen für diejenigen Geldsurrogate, die durch Hinterlegung von entsprechenden Geldbeträgen voll gedeckt erscheinen, die Bezeichnung Geldzertifikate, für diejenigen, die nicht in dieser Weise gedeckt sind, die Bezeichnung Umlaufsmittel ein. Diese Terminologie, die im Hinblick auf jene Probleme gewählt ist, deren Behandlung dem dritten Teile unseres Buches vorbehalten ist, wird dort ihre Zweckmäßigkeit zu erweisen haben. Sie ist nicht bankteclmisch und ebensowenig juristisch gedacht; ist sie doch lediglich für die Zwecke einer nationalökonomischen Erörterung bestimmt. Ein bestimmtes Geldsurrogat kann in den seltensten fällen ohne weiteres der einen oder anderen Gruppe beigezählt werden. Das ist nur bei jenen Geldsurrogaten möglich, deren ganzer Typus durch Geld entweder voll gedeckt oder ganz ungedeckt ist. Bei allen anderen Geldsurrogaten, deren Gesamtheit zu einem Teile durch Geld gedeckt, zu einem Teile nicht durch Geld gedeckt ist, kann lediglich eine ideelle Zuweisung eines aliquoten Teiles an jede der beiden Gruppen Platz greifen. Das bietet weiter keine Schwierigkeiten. Sind zum Beispiel Banknoten im Umlauf, die zu einem Drittel durch Geld, zu zwei Drittel nicht dUrch Geld gedeckt sind, dann ist jede einzelne Note zu zwei Drittel als Umlaufsmittel, zu einem Drittel als Geldzertifikat anzusprechen. Es leuchtet somit ohne weiteres ein, daß der Geldbedarf einer Volkswirtschaft im weiteren Sinne nicht als die Summe des Bedarfes der Einzelwirtschaften an Geld und Geldsurrogaten erscheinen kann, weil durch die Zählung des Bedarfes sowohl an Geldzertifikaten als auch an jenem Gelde, das als Deckung dieser bei den Banken usw. dienen soll, eine zweimalige Einstellung eines und desselben Postens erfolgen würde. Der Geldbedarf einer Volkswirtschaft im weiteren Sinne ergibt sich vielmehr richtig als Summe des Bedarfes der Einzelwirfschaften (einschließlich der Deckungsfonds) an Geld und Umlaufsmitteln. Der Geldbedarf der Volkswirtschaft im engeren Sinne wieder ist die Summe des Bedarfes der Einzelwirtschaften (worunter diesmal die Deckungsfoncts nicht inbegriffen sind) an Geld und Geldzertifikaten.
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Wir wollen in diesem Teile unseres Buches von der Existenz der Umlaufsmittel absehen und annehmen, daß der Geldbedarf der einzelnen wirtschaftenden Individuen lediglich durch Geld und Geldzertifikate, mithin der Geldbedarf der gesamten Volkswirtschaft, lediglich durch Geld befriedigt werden könne 1. Der Behandlung der wichtigen und schwierigen Probleme, die durch die Umlaufsmittelschaffung und -zirkulation entstehen, ist der dritte Teil dieses Buches gewidmet. Vom Geldbedarf und seinem Verhältnis zum Geldvorrat nimmt die Erklärung der Bewegungen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes ihren Ausgang. Wer das Wesen des Geldbedarfes verkennt, muß bei dem Versuch, dem Problem der Geldwertveränderungen näher zu kommen, gleich am Beginn scheitern. Wenn man von einer Formel ausgeht, die den Geldbedarf von der Volkswirtschaft her statt von der Einzelwirtschaft her zu erklären sucht, so findet man nicht den Weg, der den Geldvorrat mit den subjektiven Wertschätzungen der Individuen, der Grundlage alles wirtschaftlichen Tun und Lassens, verbindet. Unschwer läßt sich hingegen diesem Problem beikommen, wenn man die Erscheinungen in der Einzelwirtschaft zum Ausgangspunkt nimmt. Es bedarf keiner weitläufigen Auseinandersetzung, um darzutun, wie sich ein Individuum, dessen Geldbedarf seinen Geldvorrat übersteigt, bei dem Abschluß von Tauschakten verhalten wird. Wer mehr Geld in der Kasse liegen hat, als er zu benötigen glaubt, wird kaufen, um' den überflüssigen Geldvorrat, der ihm nutzlos daliegt, herabzusetzen. Ist er se'bst Unternehmer, dann wird er vielleicht sein Unternehmen erweitern; ist ihm diese Verwendung nicht möglich, dann wird er etwa z;r.~ tragende Papiere erwerben; es ist auch möglich, daß er leii1lich Gebrauchsgüter zu erwerben trachten wird. In jedem Fa'le aber bringt er den Umstand, daß er seinen Kassenstand für zu gr03 hält, durch entsprechendes Verhalten auf dem Markte zum Au:., druck. Und gerade entgegengesetzt wird sich der benehmen, d~$sen Ce:C:bedarf hinter dem Geldvorrat zurückbleibt. Sinkt dei Ge:dvo.rat eines 1 Die Verwandtschaft dieser Annahme rr.i cer Lei rc ven Ger pUTely metallic currency, wie sie die Currency-Schule aufgcs.ellt hat, würde ein Eingehen auf die Kritik, welche von der Banking-Schule an jener geübt wurde, erfordern; doch sollen im dritten Teile Erörterungen über Umlaufsmittel und Abrechnungswesen eingeschaltet werden, welche die Lücke, die hier offen bleibt, ausfülIen werden. 8*
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Individuums (bei gleichbleibendem Besitz oder Einkommen), dann wird es bemüht sein, die gewünschte Höhe des Kassenstandes durch entsprechendes Verhalten beim Abschluß von Käufen und Verkäufen zu erreichen. Geldmangel ist eine Erschwerung des Umsatzes der übrigen Tauschgüter gegen Geld. Wer genötigt ist, im Tausch ein Gut fortzugeben, wird in erster Linie hierfür das alIgemeine Tauschmittel begehren und erst, wenn die Erwerbung dieses mit zu großen Opfern verbunden wäre, sich mit einem anderen wirtschaftlichen Gute begnügen, das zwar absatzfähiger ist als dasjenige, das er veräußern möchte, aber weniger absatzfähig ist als das allgemein gebräuchliche Tauschmittel. Bei der gegenwärtigen Organisation des Marktes, welche zwischen der Absatzfähigkeit des Geldes einerseits und der der anderen Güter anderseits eine tiefe Kluft offen läßt, kommt als Tauschvermittler überhaupt nur noch das Geld in Frage; nur in AusnahmefälIen werden auch noch andere wirtschaftliche Güter zu diesem Dienst herangezogen. Jeder Wirt wird daher gegebenenfalls bereit sein, eine geringere Geldmenge anzunehmen, als er sonst gefordert hätte, nur um den neuerlichen Verlust zu ersparen, den er sonst beim ferneren Umtausch des eingetauschten, weniger gangbaren Tauschgutes gegen das gewünschte Gut seines unmittelbaren Bedarfes erleiden müßte. Den älteren Theorien, die von einer fehlerhaften Konstruktion des volkswirtschaftlichen Geldbedarfs ausgehen, konnte die Lösung dieses Problems nie glücken. Was sie bringen, beschränkt sich auf die Paraphrase der Tatsache, daß eine Vermehrung des der Volkswirtschaft zur Verfügung stehenden Geldvorrates bei gleichbleibendem Bedarf den inneren objektiven Tauschwert des Geldes vermindert, daß eine Vermehrung des Bedarfs bei gleichbleibendem Vorrat die entgegengesetzte Wirkung hat und so fort. Das hatten schon die Begründer der Quantitätstheorie mit genialem Blick erkannt. Es kann durchaus ~icht als ein Fortschritt bezeichnet werden, wenn man jene formel für die Größe des Geldbedarfes: Umsatzmenge durch Umlaufsgeschwindigkeit, zergliederte oder den Begriff Geldvorrat genau zu präzisieren suchte, zumal dies stets unter Verkennung des Wesens der Umlaufsmittel und des Abrechnungsverkehres geschah. Dem zentralen Problem dieses Teiles der Geldwerttheorie kam man um keinen Schritt näher, solange man nicht den Weg zu zeigen vermochte, auf dem Veränderungen im Verhältnis von Geldvorrat und Geldbedarf die subjektiven Wertschätzungen
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beeinflussen. Das aber konnte diesen Theorien nie gelingen; im' entscheidenden Punkte versagen sie 1. In jüngster Zeit hat sich Wieser gegen die Verwendung des "Sammelbegriffes des Geldbedarfs" als Ausgangspunkt einer Theorie der Bewegungen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes ausgesprochen. Bei einer Untersuchung über den Geldwert komme nicht der gesamte Geldbedarf in frage. Der Bedarf für Steuerzahlungen zum Beispiel bleibe außer Betracht, denn bei diesen Zahlungen werde nicht Geldwert gebildet, sondern es werde nur Geldrnacht bestimmten Wertes vom Steuerpflichtigen auf den Steuerherrn übertragen. Ebenso werde durch Zahlung von Kapital und Zinsen im Kreditverkehr und bei der Auszahlung von Geschenken und Widmungen nur Geldmacht persönlich verschoben. Eine funktionstheorie des Geldwerts müsse sich in der Problemstellung auf diejenigen Mengenbeziehungen beschränken, von denen aus der Wert des Geldes bestimmt werde. Der Geldwert werde im Tausch gebildet; in der Theorie des Geldwerts seien daher nur diejenigen Mengenbeziehungen zu untersuchen, die im Tausch hervorkommen 2. Gegen diese Einwendungen Wiesers spricht aber nicht nur der Umstand, daß auch die Hingabe von Geld bei der Leistung von Steuern, bei der Zahlung von Kapital und Zinsen und von Geschenken und Widmungen unter die nationalökonomische Kategorie des Tausches fällt. Auch wenn man Wiesers engeren Tauschbegriff gelten läßt, muß man seinen Ausführungen entgegentreten. Es ist nicht nur dem Gelde eigentümlich, daß sein Wert (gemeint ist natürlich der objektive Tauschwert) im Tausch gebildet wird; das gleiche gilt von allen anderen wirtschaftlichen Gütern. für alle müßte es daher richtig sein, daß die Werttheorie nur bestimmte Mengenbeziehungen zu untersuchen hat, nämlich nur diejenigen, die im Tausch hervorkommen. Demgegenüber muß nun festgestellt werden, daß es wirtschaftlich relevante Mengenbeziehungen der Güter, die im Tausch nicht hervorkämen, nicht gibt. Ein Gut hat, nationalökonomisch betrachtet, überhaupt keine anderen Beziehungen als die, weIche die Wertschätzungen der tauschenden Individuen beeinflussen. Zugegeben selbst, daß der Wert nur im Tausch - dieses Wort in der engeren 1 Es ist auffällig, daß auch solche forscher, die sonst auf dem Boden der subjektiven Wertlehre stehen, in diese fehler verfallen konnten. So fisher und Brown, The Purchasing Power of Money, New Vork 1911, S. 8ff. a Vgl. Wieser, Der Geldwert und seine Veränderungen, a. a. 0., 5.515 f.
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Auffassung Wiesers gebraucht - zum Vorschein komme. Aber der, der tauscht und dabei Geld erwerben oder fortgeben will, schätzt die Geldeinheit nicht lediglich mit Rücksicht darauf, daß er sie zu anderen Tauschakten (in jenem engeren Sinne des Wortes) verwenden kann, sondern auch, weil er Geld benötigt, um Steuern zu zahlen, Schuldkapitalien und Zinsen zu erstatten, Schenkungen zu machen. Mit Rücksicht auf die Notwendigkeit, für alle diese Zwecke Geld bereit zu halten, beurteilt er die Höhe seines Kassenvorrates, und dieses Urteil über die Höhe seines Geldbedarfs entscheidet übep die Nachfrage nach Geld, mit der er auf den Markt tritt.
§ 8. Jene Veränderungen des in den einzelnen Wirtschaften zwischen Geldbedarf und Geldvorrat bestehenden Verhältnisses, die sich aus individuellen Ursachen vollziehen, können in der Regel quantitativ auf dem Markte nicht stark ins Gewicht fallen. In der Mehrzahl der Fälle dürften sie durch entgegengesetzte Veränderungen, die sich in anderen am Verkehr teilnehmenden Wirtschaften ergeben, ganz oder wenigstens zum T eH kompensiert werden. Zu einer Veränderung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes kann es aber nur insofern kommen, als nach der einen oder anderen Richtung ein Zug ausgeübt wird, der durch keine nach der anderen Richtung entgegenwirkende Kraft aufgehoben wird. Liegen die Ursachen, welche das Verhältnis zwischen Geldvorrat und Geldbedarf innerhalb der Einzelwirtschaften verschieben, lediglich in zufälligen ·und persönlichen Momenten, die' nur bei ihnen in Erscheinung; treten, dann wird nach dem Gesetz der großen Zahlen anzunehmen sein, daß die von hier ausgehenden, auf dem Markte nach den beiden Richtungen ziehenden Kräfte einander die Wage halten werden; die Wahrscheinlichkeit, daß eine völlige Kompensation eintreten wird, ist um so größer, je größer die Zahl der am Verkehr teilnehmenden Einzelwirtschaften ist. Anders ist es, wenn in der Volkswirtschaft .Ereignisse eintreten, die das innerhalb der Einzelwirtschaften bestehende Verhältnis zwischen Geldbedarf und Geldvorrat zu verschieben geeignet sind. Solche Ereignisse können natürlich nicht anders wirksam werden als dadurch, daß sie innerhalb der Einzelwirtschaften die subjektiven Wertschätzungen umgestalten; sie sind aber volkswirtschaftliche Massenerscheinungen in dem Sinne, daß sie die subjektiven Wertschätzungen einer großen Anzahl von Individuen, wenn auch nicht gleichzeitig und nicht im gleichen Maße,
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aber in derselben Richtung beeinflussen, so daß als Resultante eine Wirkung auf den inneren objektiven Tauschwert des Geldes nicht ausbleiben kann. In der Geschichte des Geldes spielen jene Veränderungen seines inneren objektiven Taus<:hwertes, die sich als folge der Vermehrung des Geldvorrates bei gleichbleibendem oder nicht im gleichen Maße steigendem Geldbedarf ergeben haben, eine besonders große Rolle. Sie waren es denn auch, die zuerst die Aufmerksamkeit der Nationalökonomen angezogen haben; um sie zu erklären, wurde zuerst die Quantitätstheorie aufgestellt. Alle Schriftsteller haben sich mit ihnen auf das eingehendste befaßt. Es mag daher gerechtfertigt erscheinen, sie genauer zu besprechen und an ihnen einige wichtige Punkte der Theorie zu beleuchten. In welcher Weise auch immer wir uns die Vermehrung des Geldvorrates vorstellen wollen, ob durch erhöhte Produktion oder Einfuhr von Geldstoff beim Sachgeld oder durch Neuausgabe von Zeichen- oder Kreditgeld, immer vermehrt das neue Geld den bestimmten Wirtschaften zur Verfügung stehenden Geldvorrat. Die Vermehrung der Geldmenge in der Volkswirtschaft bedeutet immer eine Erhöhung des Geldeinkommens einer Anzahl von Wirtschaftssubjekten; sie muß aber nicht unbedingt zugleich auch eine Vermehrung des der gesamten Volkswirtschaft zur Verfügung stehenden Gütervorrates, nicht eine Erhöhung des Volkseinkommens bedeuten. Die Vermehrung des Zeichen- oder Kreditgeldes ist nur dann auch als Vergrößerung der der Volkswirtschaft zur Verfügung stehenden Gütervorräte anzusehen, wenn dadurch einem Geldbedarf Genüge getan wird, der sonst anderweitig durch Sachgeld befriedigt worden wäre. Denn der Geldstoff für das Sachgeld hätte durch die Hingabe anderer Güter im Wege des Tausches beschafft oder unter Verzicht auf eine bestimmte andere Produktion hergestellt werden müssen. Hätte hingegen das Unterbleiben der Neuausgabe von Zeichen- oder Kreditgeld zu keiner Vermehrung des Sachgeldes geführt, dann kann in der Geldvermehrung eine Vermehrung des Volksvermögens oder des Volkseinkommens nicht erblickt werden. Die Vermehrung des Geldvorrates der Volkswirtschaft bedeutet stets Vermehrung des Geldbesitzes einer Anzahl von Wirtschaftssubjekten, sei es der Emittenten des Zeichen- oder Kreditgeldes, sei es der Produzenten des Geldstoffes für das Sachgeld. Bei diesen Personen wird das Verhältnis zwischen Geldbedarf und Geldvorrat
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verschoben; sie haben verhältnismäßig Oberfluß an Geld, verhältnismäßig Mangel an anderen wirtschaftlichen Gütern. Die nächste Folge beider Umstände ist die, daß der Grenznutzen der Geldeinheit für sie sinkt. Das muß ihr Verhalten auf dem Markte beeinflussen. Sie sind "tauschfähiger", "kaufkräftiger" geworden. Sie müssen nun auf dem Markte ihre Nachfrage nach den Gegenständen ihres Bedarfes stärker zum Ausdruck bringen als bisher; sie können mehr Geld für die Waren bieten, welche sie zu erwerben wünschen. Es wird die selbstverständliche Folge davon sein, daß die betreffenden Güter im Preise steigen werden, daß der objektive Tauschwert des Geldes ihnen gegenüber sinkt. Die Preissteigerung auf dem Markte bleibt aber keineswegs auf jene Güter beschränkt, nach denen sich der Begehr der ersten Besitzer des neuen Geldes richtet. Auch diejenigen, die diese Güter zu Markte gebracht haben, sehen ihr Einkommen und ihren verhältnismäßigen Geldvorrat vergrößert und sind ihrerseits wieder in der Lage, nach den Gütern ihres Bedarfes eine stärkere Nachfrage zu entfalten, so daß auch diese Güter im Preise steigen. So setzt sich die Preissteigerung, sich dabei verflachend, so lange fort, bis alle Waren, die einen in stärkerem, die anderen in schwächerem Maße, von ihr erfaßt sind 1. Nicht für alle Individuen bedeutet die Geldvermehrung auch eine Einkommensvermehrung. Diejenigen Schichten der Gesellschaft, an die die zusätzliche Geldmenge zuletzt gelangt, erfahren vielmehr eben im Gefolge der durch die Geldvermehrung hervorgerufenen Geldwertverminderung eine Einkommensschmälerung; das wird noch später erwähnt werden. Von der Einkommensschmälerung dieser Schichten geht nun eine Tendenz aus, die jener zur Verringerung des Geldwertes, die von der Einkommensvermehrung der anderen Schichten ausgeht, entgegenarbeitet, ohne ihre Wirkung ganz aufheben zu können. Der Anhänger der mechanischen Auffassung der Quantitätstheorie wird um so leichter zur Ansicht neigen, daß die Geldvermehrung schließlich zu einer gleichmäßigen Preissteigerung aller wirtschaftlichen Güter führen müsse, je weniger klar seine Vorstellung von der Art ihrer Einwirkung auf die Preisbildung ist. Mit einem tieferen Einblick in den Mechanismus, mitte1st dessen die Geldmenge auf 1 Vgl. Hume, Essays, (Ausgabe Frowde, London) a. 'a. 0., S. 294ff.; Mill, a. a. 0., S. 298ff.; Cairnes, Essays.in Political Economy, Theoretical and Applied, London 1873, S. 57ff.; Spiethoff, Die Quantitätstheorie, a. a. 0., S. 250 ff.
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die Warenpreise wirkt, ist eine solche Anschauung nicht verträglich. Da die vermehrte Geldmenge zunächst stets einer mehr oder minder beschränkten Anzahl von Wirtschaftssubjekten, nicht allen, zufließt, erfaßt die Preissteigerung zu~hst jene Güter, die von diesen Personen nachgefragt werden, und kommt bei diesen Gütern auch am stärksten zum Ausdruck. Wenn die Preissteigerung dann weiterschreitet, werden, wenn die Vermehrung der Geldmenge nur als eine einmalige vorübergehende Erscheinung auftritt, diese Güter ihren in stärkerem Maße erhöhten Preisstand nur zum Teil aufre;chterhalten können; es wird bis zu einem gewissen Grade eine Ausgleichung eintreten. Zu einer vollständigen Ausgleichung der Preiserhöhung, so daß alle Güter im gleilchen Maße eine Verteuerung erfahren, kann es aber nicht kommen. Die Geldpreise der Waren stehen nach dem Eintritt der Preissteigerung nicht mehr in demselben Verhältnis untereinander wie vor ihrem Beginn, die Verminderung der Kaufkraft des Geldes ist den einzelnen wirtschaftlichen Gütern gegenüber keine glekhmäßige. Hume legt seinen Ausführungen gelegentlich die Annahme zugrunde, daß ein Wunder jedem einzelnen Engländer in einer Nacht fünf Goldstücke zustecke 1. Mill weist mit Recht darauf hin, daß dies zu keiner gleichmäßigen Steigerung der Nachfrage nach den einzelnen Waren führen könnte; die Gegenstände des Luxus für die minderbemittelten VolksSIChichten würden nämlich stärker im Preise steigen als die anderen. Doch er glaubt, daß eine gleichmäßige Erhöhung aller Warenpreise, und zwar genau in dem Verhältnis der Vermehrung des Geldvorrats, stattfinden müsse, wenn die Bedürfnisse des Gemeinwesens zusammengenommen (the wants and inclinations of the oommunity collectively in respect to consumption) dieselben blieben. Er nimmt, nicht weniger künstlich als Hume, an, daß eines Morgens jedem Pfund, Schilling oder Penny, das jemand besitzt, ein anderes Pfund, Schilling oder Penny auf einmal hinzugelegt wird 2. Aber auch dann könnte, was Mill 'übersieht, keine gleichmäßige Preissteigerung eintreten, selbst wenn wir annehmen, daß der Geldvorrat eines jeden Individuums in einem bestimmten, bei allen Angehörigen der Volkswirtschaft identischen Verhältnis zu seinem gesamten Besitz steht, so daß durch das Auftreten der zusätzlichen Geldmenge eine Verschiebung des verhältnis1 2
Vgl. Hume, a. a. 0., S. 307. Vgl. MiIl, a. a. 0., S. 299.
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mäßigen Güterbesitzes der Einzelwirtschaften nicht erfolgt. Denn auch in diesem ganz unwahrscheinlichen fall müßte jede Vermehrung ,der Geldmenge eine Verschiebung in den Nachfrageverhältnissen des Marktes bewirken, die zu einer ungleichmäßigen Steigerung der Geldpreise der einzelnen wirtschaftlichen Güter führen muß; es werden ja nicht alle Waren stärker nachgefragt werden, und nicht alle, die stärker nachgefragt werden, werden es in dem gleichen Verhältnis sein 1. Völlig unhaltbar ist die weitverbreitete Annahme, als müßten Veränderungen in der Größe der Geldmenge verkehrt proportionale Veränderungen in der Größe des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes auslösen, so daß zum Beispiel eine Verdoppelung der Geldmenge zu einer Verringerung der Kaufkraft des Geldes auf die Hälfte führen müsse. Nehmen wir selbst an, daß auf irgendeine Weise - wir wüßten freilich nicht anzugeben, auf was für eine - jedes Individuum eine Vermehrung seines Geldvorrates erfährt, die das Verhältnis seines Besitzstandes zu dem aller übrigen Individuen unberührt läßt, so fällt es nicht schwer, zu erweisen, daß auch in diesem fall keine der Veränderung der Geldmenge proportionale Veränderung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes eintreten würde. Die Beurteilung, weIche die Veränderung der Größe des zur Verfügung stehenden Geldvorrates von seiten der einzelnen Individuen erfährt, ist nämlich keineswegs von der Größe dieser Veränderung abhängig, wie man annehmen müßte, wenn man auf eine proportionale N eränderung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes schließen will. Wenn dem Besitzer von a Geldeinheiten b Geldeinheiten neu zufließen, dann wird er keineswegs den gesamten Vorrat a H- b nunmehr geradeso hoch einschätzen wie früher den Vorrat a allein. Er wird die Einheit jetzt, da er über einen größeren Vorrat verfügt, 'geringer werten als früher, da ihm lediglich ein kleinerer Vorrat ZU Gebote stand. Um wieviel er die Geldeinheit nun weniger schätzen wird, hängt von einer ganzen Reihe von individuellen Umständen, von subjektiven Schätzungen ab, die bei jedem Individuum verschieden sind. Zwei Individuen, die in ganz der gleichen Vermögenslage leben und je einen Geldvorrat a besitzen, werden durch die 1 Vgl. Conant, What determines the Value of Money? (The Quarterly Journal of Economics, Vol. XVIII, 1904) S. 559 f.
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Vermehrung ihres Geldvorrates um je b Einheiten durchaus nicht zu denselben Veränderungen in der Wertschätzung des Geldes ver-anlaßt werden. Es ist geradezu absurd, anzunehmen, daß etwa die Verdoppelung der einem Individuum zur Verfügung stehenden Geldmenge zu einer Verminderung des von ihm der Geldeinheit beigelegten Tauschwertes auf die Hälfte führen müsse. Man stelle sich zum Beispiel ein Individuum vor, das gewöhnt ist, einen Kassenvorrat von 100 Kronen zu halten und nehme an, daß diesem Individuum nun ein Betrag von 100 Kronen von irgendeiner Seite zugewendet wurde. Es genügt, sich dieses Beispiel lediglich vor Augen zu halten, um zu erkennen, wie völlig alle jene Theorien von der gleichmäßig proportionalen Wirkung der Quantitätsveränderungen der Geldmenge auf die Kaufkraft des Geldes in der Luft schweben. Denn ~ wird doch im Wesen an unserem Beispiel nichts geändert, wenn wir annehmen, daß jene Geldvermehrung in der gleichen Weise auch bei allen anderen Individuen der Volkswirts-chaft eintritt. Der Fehler der Argumentation derjenigen, die eine entgegengesetzte proportionale Veränderung dl:r Kaufkraft des Geldes als Folge seiner Mengenveränderungen annehmen, liegt im Ausgangspunkt. Wer zu einem korrekten Ergebnis gelangen will, muß vc,n den Wertschätzungen der einzelnen Individuen ausgehen; er muß prüfen, wie die Geldvermehrung oder -verminderung auf die Wertskalen der Individuen einwirkt, denn von hier aus allein vollziehen sich die Veränderungen in den Austauschverhältnissen der Güter. An der Spitze der Argumentation der Anhänger der Theorie von der proportionalen Wirkung der Geldmengenänderung auf die Kaufkraft des Geldes steht die Behauptung, daß die Hälfte des einer Volkswirtschaft zur Verfügung stehenden Geldvorrates bei doppeltem Wert der Einheit dieselbe Nutzwirkung vollbringe wie der ganze Vorrat. Die Richtigkeit dieser Behauptung soll nicht bestritten werden; doch beweist sie keineswegs das, was mit ihrer Hilfe bewiesen werden soll. Zunächst muß festgestellt werden, daß die Größe des Geldvorrates und des Wertes der Geldeinheit für die Größe der vom Geldgebrauche ausgehenden Nutzwirkung überhaupt gleichgültig ist. Die Volkswirtschaft steht stets im Genuß der größten durch das Geld errekhbaren Nutzwirkung. Die Hälfte des der Volkswirtschaft zur Verfügung stehenden Geldvorrates würde auch dann die gleiche Nutzwirkung vollbringen wie der ganze Vorrat, wenn die Veränderung des
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Wertes der Geldeinheit nicht proportional zu der Veränderung der Größe des Vorrates eintritt. Dann aber ist zu beachten, daß aus jener Behauptung durchaus noch nicht der Satz folgt, daß die Verdoppelung der Geldmenge zu einer Verringerung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes auf die Hälfte führt. Es müßte gezeigt werden, daß, von den Wertschätzungen der Einzelwirtschaften ausgehend, Kräfte wirksam werden, die eine solche proportionale Veränderung herbeizuführen imstande wären. Dieser Beweis kann nie gelingen, wohl aber der des Gegenteils. Wir haben dies für den Fall, daß die Vermehrung der Geldmenge in den Einzelwirtschaften zugleich auch als Besitz- oder Einkommensvermehrung zur Geltung kommt, bereits ausgeführt. Aber auch dann, wenn die Vermehrung der Geldmenge den Besitz oder das Einkommen der Einzelwirtschaften nicht berührt, ist die Wirkung keine andere. Nehmen wir an, ein Mann beziehe sein Einkommen zur Hälfte in zinstragenden Papieren, zur Hälfte in Geld; er pflege drei VIertel seines Einkommens zu sparen, und zwar tue er dies in der Weise, daß er die Wertpapiere behalte und die in barem eingehende Hälfte zu gleichen Teilen zur Bestreitung der laufenden Bedürfnisse und zum Ankauf weiterer Effekten verwende. Nun trete eine Änderung in der Zusammensetzung seines Einkommens ein, das jetzt nur noch zu einelfn Viertel in Effekten, zu drei Vierteln in barem einfließe. Unser Mann wird nun fortan zwei Drittel seiner Bareingänge zum Einkauf von zinstragenden Papieren verwenden. Steigt der Preis der Effekten oder sinkt, was dasselbe ist, ihr Zinsfuß, dann wird er in beiden Fällen Zurückhaltung üben und den Geldbetrag, den er für den Ankauf sonst verwendet hätte, reduzieren; er wird eher finden, daß der Vorteil, den er aus einer um einen kleinen Betrag vergrößerten Kassenhaltung hat, denjenigen, den er durch den Erwerb der Papiere erzielen kann, übersteigt. Dabei wird er im zweiten Fall zweifellos geneigt sein, einen höheren Preis zu zahlen, oder richtiger gesagt, ein.en größeren Posten zu dem erhöhten Preis zu erwerben als im ersten Fall. Er wird aber gewiß nicht im zweiten Fall bereit sein, doppelt soviel für die Einheit der Wertpapiere zu zahlen als im ersten Fall. Bei den älteren Vertretern der Quaatitätstheorie mag die Annahme einer der Geldmengenveränderung verkehrt proportionalen Wirkung auf die Kaufkraft des Geldes noch entschuldbar sein. Wer vom Tauschwert aus die Werterscheinungen des Marktes zu er-
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klären suchte, konnte hier leicht in die Irre gehen. Unerklärlich bleibt es aber, wie auch solche Forscher, die auf dem Boden der subjektiven Wertlehre zu stehen vermeinen, ähnliche Mißgriffe begehen konnten. Nur der mechanischen Auffassung der Marktvorgänge ist hier die Schuld beizumessen. So müssen auch Fisher und Brown, die eine rein mechanische Auffassung der Quantitätstheorie vertreten und mathematische Gleichungen aufstellen, in denen ihnen das Gesetz der Geldpreisbildung enthalten zu sein scheint, notwendigerweise zu dem Schluß gelangen, daß die Wirkung der Veränderungen :im Verhältnis von Geldmenge und Geldbedarf zu proportionalen Veränderungen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes führe 1. Wie und auf welchem Wege es dazu kommt, ist aus der Formel nicht näher zu entnehmen, da ihr jede Verbindung mit den für Veränderungen der Austauschverhältnisse allein ausschlaggebenden Momenten, mit den Veränderungen der subjektiven Wertschätzungen der Einzelwirtschaft abgeht. Drei Beispiele führen Fisher und' Brown für die Richtigkeit ihrer Konklusionen an: Bei dem ersten gehen sie davon aus, daß die Benennung des Geldes durch die Regierung geändert werde, daß zum Beispiel das, was bisher ein halber Dollar genannt wurde, nun als ein ganzer Dollar bezeichnet werde. Es sei klar, daß dadurch die Zahl der im Verkehr befindlichen Dollars vermehrt wird und die Geldpreise, in neuen Dollars gerechnet, doppelt so hoch stehen müssen, als sie sonst stünden. Hierin ist ihnen wohl recht zu geben, nicht aber in den Folgerungen, die sie daraus ziehen. Es handelt sich bei ihrem Beispiel faktisch nicht um eine Vermehrung der Quantität des Geldes, sondern bloß um eine Änderung der Benennung. Was ist eigentlich in diesem Beispiel "Geld"? Ist es der Stoff, aus dem die Dollars bestehen, die Forderung, die einem Kreditdollar zugrunde liegt, das Zeichen, das als Geld verwendet wird, oder ist es das Wort "Dollar"? Das zweite Beispiel, das Fisher und Brown anführen, wird nicht minder unrichtig interpretiert. Sie gehen von der Voraussetzung aus, daß die Regierung jeden Dollar in zwei zerschneide und aus jeder Hälfte einen Neudollar präge. Auch hier liegt aber nichts anderes vor als nur eine Veränderung des Namens. Beim dritten Beispiel, das sie anführen, handelt es sich allerdings um eine wirkliche Geldvermehrung. Aber dieses Beispiel ist geradeso künstIkh und unglaub1
Vgl. fisher-Brown, a. a. 0., S. 28ff.; 157ff.
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würdig, wie das von Hume und Mill, über das wir früher ausführlich sprachen. Sie gehen davon aus, daß die Regierung jedermann zu jedem Dollar, den er besitzt, einen zweiten Dollar schenkt. Wir haben schon gezeigt, daß auch in diesem Falle keine proportionale Veränderung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes eintreten kann. So nur kann man verstehen, wie Fisher seine mechanische Quantitätstheorie aufrechtzuerhalten vermag. Ihm erscheint eben die Quantitätstheorie als eine der Gestaltung des Geldwertes besonders eigentümliche Lehre, und er stellt sie geradewegs den Gesetzen der Wertgestaltung der anderen wirtschaftlichen Güter entgegen. Wenn der Zuckervorrat der Welt, meint er, von einer Million Pfund auf eine Million Zentner steigt, so müsse daraus nicht folgen, daß ein Zentner nun den Wert haben müsse, den früher ein Pfund besessen hat. Nur beim Gelde sei dies anders. Den Beweis dafür bleibt er aber schuldig. Mit derselben Berechtigung, mit der Fisher und Brdwn ihre mechanischen Formeln für den Geldwert aufstellen, ließe sich auch eine solche Formel für den Wert einer jeden beliebigen Ware aufstellen und daraus ähnliche Folgerungen ableiten. Wenn man das nicht tut, so ist der Grund einzig und allein in dem Umstande .zu. suchen, daß eine solche Formel unseren Erfahrungen über die Nachfragekurve der meisten Waren allzusehr widerspricht, als daß sie auch nur einen Augenblick lang aufrechterhalten werden könnte. Wenn wir zwei Wirtschaftssysteme, die sich durch nichts anderes voneinander unterscheiden, als daß in dem einen doppelt soviel Geld vorhanden ist als in dem anderen, im statischen Zustande vergleichen, dann ergibt sich, daß die Tauschkraft der Geldeinheit in dem einen System gleich sein muß der Hälfte der Tauschkraft der Geldeinheit in dem anderen System. Doch daraus darf man nicht den Schluß ziehen, daß die Verdoppelung der Geldmenge zur Herabsetzung der Kaufkraft der Geldeinheit auf die Hälfte führen müsse. Denn jede Geldmengenveränderung bringt in das ruhende Wirtschaftssystem ein dynamisches Agens. Der neue Gleichgewichts- und Ruhezustand, der sich einstellt, bis die Auswirkungen der dadurch ausgelösten Bewegungen vollendet sind, wird nicht dem gleichen können, der vor dem Eindringen der zusätzlichen Geldmenge bestanden hat. Für ihn wird daher auch die Höhe des Geldbedarfs bei einemt gegebenen Tauschwert der Geldeinheit eine andere sein. Die Einheit der nun verdoppelten Geldmenge würde bei halber Tauschkraft nicht dasselbe
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bedeuten, was sie im ruhenden System vor der Geldmengenvermehrung bedeutet hat. Alle die, die den Veränderungen der Geldmenge verkehrt proportionale Wirkung auf den Wert der Geldeinheit zuschreiben, wenden eine nur der Statik angemessene Betrachtungsweise auf die Dynamik an. Es ist auch durchaus verfehlt, die Quantitätstheorie so aufzufassen, als ob es sich um die Feststellung von Besonderheiten der WertgestaItung handeln würde, welche nur dem Gelde eigentümlich sind. In diesen Fehler ist die Mehrzahl der älteren und jüngeren Anhänger dieser Theorie verfallen, und die heftigen und vielfach ungerechten Angriffe, welche gegen die Quantitätstheor~e gerichtet wurden, erscheinen in einem milderen Lichte, wenn man diesen und ähnliche Irrtümer ihrer Anhänger kennt.
§ 9. Eine der Einwendungen, die gegen die Quantitätstheorie erhoben wurden, den Vorwurf, daß sie nur caeteris paribus gelte, haben wir bereits gewürdigt. Nicht stichhaltiger als dieser Einwand gegen die Schlüssigkeit unserer Deduktionen ist der Hinweis auf die Möglichkeit, daß die zusätzliche Geldmenge auch thesauriert werden könne. Dieses Argument hat in der Geschichte der Geldwerttheorie eine hervorragende Rolle gespielt; es war eine der schärfsten Waffen in der Rüstkammer der Gegner der Quantitätstheorie. In den Ausführungen der Gegner der Currencytheorie kommt es gleich: nach dem Theorem von der Elastizität der bargeldsparenden Zahlungsmethoden, mit dem es auch in einem inhaltlich engen Zusammenhang steht. Wir wollen es abgesondert betrachten; was wir hier an dieser Stelle darüber sagen, können, wird jedoch erst durch die Ausführungen des dritten, der Lehre von den Umlaufsmitteln gewidmeten Teiles unseres Buches ins rechte Licht gerückt werden. Bei Fullarton sind die Horte der regelrechte deus ex machba. Si~ nehmen die überschüssige Geldmenge auf und lassen sie erst in den Verkehr strömen, wenn der steigende Ge!dbedarf es erfordert 1. Sie bilden damit gewissermaßen ein Reservoir, welches den Zu- u:ld Ab· fluß des Geldes auf den Markt den jeweiligen Veränderu:1g~n d{.$ Geldbedarfes anpaßt. Die in den Horten angesammclte:1 Ge~c.m2.ssen liegen müßig da und harren des Augenblicks, da der Verkehr sie 1 Vgl. F u 11 a rto n, On the Regulation of Currencies, Second Edition, London 1845, S. 69 ff., 138 f.; W a g ne r, Die Geld- und Kredittheorie der Peelschen Bankakte, Wien 1862, S. 97 ff.
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zur Aufrechterhaltung der gefährdeten Stabilität des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes benötigt, und aus der Zirkulation kehren alle jene Geldbeträge, die bei Verminderung des Bedarfes diese Stabilität bedrohen könnten, wieder in die Horte zurück, um ruhig zu schlafen, bis sie wieder geholt werden. Die grundsätzliche Richtigkeit der Ausführungen der Quantitätstheorie wird damit stillschweigend zugegeben 1, jedoch die Behauptung aufgestellt,
S. 284ff.
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ob der Zeitpunkt des nächsten Geldbedarfes, in dem das fragliche Geld ausgegeben werden wird, früher oder später eintritt. In jeder Wirtschaft, deren Subjekt in nur halbwegs besseren Verhältnissen lebt, gibt es einen Mindestkassenvorrat, der niemals ausgeht und stets durch Ergänzung auf seiner Höhe erhalten wird. (Daß für die Größe des einzelwirtschaftlichen Geldbedarfes neben den objektiven Voraussetzungen subjektive, in der Person des wirtschaftenden Individuums gelegene Momente ausschlaggebend sind, wurde bereits erwähnt.) Das sogenannte Thesaurieren ist ein System der Vermögensanlage. Die Unsicherheit der zukünftigen Verhältnisse läßt es rätlich erscheinen, einen größeren oder geringeren' Teil seines Besitzes in einer form zu erhalten, die den Wechse! der Anlage, den Übergang vom Besitz eines Gutes zu dem eines anderen, erleichtert, um sich so die Möglichkeit offen zu halten, künftig etwa auftretenden dringenden Bedarf an Gütern, die erst im Austausch gegen andere erworben werden müssen, ohne Schwierigkeiten zu befriedigen. Solange der Marktverkehr noch nicht eine derartige Ausbildung erfahren hat, daß alle oder wenigstens gewisse wirtschaftliche Güter jederzeit zu nicht allzu ungünstigen Bedingungen veräußert, das heißt zu Geld gemacht werden können, kann dieses Ziel nur durch Haltung eines entsprechend großen Geldvorrates erreicht werden. Je reger das Marktleben wird, desto mehr kann dieser Vorrat verringert werden. In der Gegenwart kann der Besitz bestimmter Wertpapiere, die einen großen Markt haben, so daß sie wenigstens in ruhigen Zeiten ohne Verzug und ohne beträchtlicheren Verlust realisiert werden können, bis zu einem gewissen Grade die Haltung größerer Kassenbestände überflüssig erscheinen lassen. Der Geldbedarf zu Thesaurierungszwecken ist von dem sonstigen Geldbedarf nicht zu trennen. Das Thesaurieren von Geld ist nichts anderes als die Gewohnheit, eine größere Kasse zu halten, als sonst in anderen Wirtschaften, ZU anderen Zeiten oder an anderen Orten üblich ist. Die thesaurierten Geldbeträge liegen nicht müßig, gleichviel ob vom Standpunkte des Individuums oder von dem der Volkswirtschaft betrachtet. Sie dienen geradeso zur Befriedigung eines Geldbedarfes wie jedes andere Geldstück. Die Anhänger des Banking-Principle scheinen nun der Ansicht zu sein, daß die Nachfrage nach Geld zu Thesaurierungszwecken elastisch sei und sich den Wandlungen in der Größe des Geldbedarfs für sonstige Zwecke derart anschmiege, daß der gesamte Geldbedarf, nämlich der zu. v. Mi ses, Theorie des Oeldes. 2. Auf!.
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Thesaurierungszwecken. und der zu anderen Zwecken zusammengenommen, sich ohne Veränderung des inneren objektiven Tauschwertes der Geldeinheit dem jeweiligen Geldvorrat anpasse. Diese Anschauung ist durchaus verfehlt. Die Größe des Geldbedarfes, einschließlich des zur Thesaurierung, ist vielmehr von den Verhältnissen des Geldangebotes unabhängig. Zur gegenteiligen Annahme kann man nur gelangen, wenn man einen Zusammenhang zwischen der Geldmenge und der Höhe des Kapitalzinses supponiert 1, also behauptet, daß die dUrch Veränderungen in den Verhältnissen von Geldnachfrage und Geldangebot auftretenden Veränderungen die Preise der Güter höherer Ordnung und die der Güter erster Ordnung verschieden stark beeinflussen, so daß das zwischen den Preisen dieser beiden Güterkategorien bestehende Verhältnis eine Verschiebung erleidet. Auf die Unstichhaltigkeit dieser Behauptung, die die Anschauung, daß die Höhe des Zinsfußes von der größeren oder geringeren Menge des Geldbestandes abhänge, zur Grundlage hat, wird im dritten Teil noch zurückzukommen sein. Dort wird sich auch Gelegenheit bieten, zu zeigen, daß die Barschätze der Umlaufsmittel ausgebenden Banken ebensowenig eine derartige Pufferrolle ausüben wie jene sagenhaften Horte. "Reservebestände" an Geld, aus denen der Verkehr seinen Bedarf jederzeit ergänzen und in die er seinen Überschuß leiten könnte, gibt es nicht. Die Lehre von der Bedeutung der Horte für die Stabilisierung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes hat im Laufe der Jahre ihre Anhänger nach und nach verloren. Sie wird heute nur noch von wenigen aufrechterhalten. Zu diesen gehört auch Diehl nur scheinbar. Diehl stimmt zwar der Kritik, die Fullarton an der Currency-Lehre geübt hat, zu. Er räumt zwar ein, daß die Ausdrücke Fullartons "inert" und "dormant" für die Kassenreserven verfehlt seien, denn die Beträge seien nicht müßig, sondern dienten nur einem anderen Zweck als das flüssige Geld; auch sei zuzugeben, daß der Betrag des Geldes, der für solche Kassenreserven dient, und der Betrag, der für Umsatzzwecke dient, nicht scharf zu trennen ist, sondern dieselben Beträge einmal diesen, einmal jenen Zwecken dienen: dennoch behalte Fullarton recht gegenüber Ricardo. Wenn auch die den Reservebeständen entnommenen Beträge wieder aus den in der Volkswirtschaft vorhandenen Geldvorräten ersetzt werden 1
Vgl. fullarton, a. a. 0., S. 71.
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müssen, so brauche dies doch nicht momentan zu geschehen; es könne lange Zeit vergehen, bis dies nötig ist. Jedenfalls sei daher der mechanische Zusammenhang, wie ihn Rkardo zwischen der im Um lau f befindlichen Geldmenge und den Warenpreisen annimmt, auch gerade im Hinblick auf die hoards zu bestreiten 1. Warum lange Zeit vergehen könne, bis die den vermeintlichen Reservebeständen entnommenen Geldbeträge ersetzt werden, begründet Diehl nicht näher. Die prinzipielle Richtigkeit der an FuIlarton.; Ausführungen geübten Kritik gibt aber auch er zu; den einzigen Vorbehalt, den er übt, könnte man gelten lassen, wenn damit gesagt sein soll, daß Zeit vergehen könne und müsse, bis die Veränderungen in den Quantitätsverhältnissen des Geldes sich überall auf dem Markte in einer Veränderung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes äußern. Denn daß die Vermehrung des Geldvorrates des Individuums, die als Folge des Zuströmens der zusätzlichen Geldmenge auftritt, eine Änderung seiner subjektiven Wertschätzungen herbeiführen muß, daß diese sogleich erfolgt und sogleich anfängt, auf dem Markte wlrksam zu werden, kann wohl nicht geleugnet werden. Umgekehrt führt ein Steigen des Geldbedarfs bei gleichbleibendem Geldvorrat oder ein Sinken des Geldvorrats bei gleichbleibendem Geldbedarf sogleich in jeder EinZ!elwirtschaft zu Änderungen der subjektiven Wertschätzungen, die auf dem Markte, wenn auch nicht mit einem Schlage, in einem Steigen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes zum Ausdruck gelangen müssen. Man mag zugeben, daß das Individuum durch jede Veränderung in den Mengenbeziehungen des Geldes sich veranlaßt sehen wird, sein Urteil über die Größe seines Geldbedarfs einer Überprüfung zu unterziehen, als deren Ergebnis bei sinkendem Geldvorrat eine Einschränkung, bei steigendem Geldvorrat eine Erweiterung des Geldbedarfs resultieren kann. Aber die Annahme, daß eine solche Einschränkung oder Erweiterung überhaupt oder gar in einem solchen Maße eintreten müsse, daß dadurch die Stabilität des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes erzielt werde, ist durch nichts begründet. Schwerer und gewichtiger ist der Einwand, der gegen die praktische Bedeutung der Quantitätstheorie erhoben wird, wenn der heul Vgl. Diehl, Sozialwissenschaftliehe Erläuterungen zu David Ricardos Grundsätzen der Volkswirtschaft und Besteuerung, 3. Aufl., Leipzig t 922, 11. Teil, S. 230.
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tigen Organisation des Geld-, Zahlungs- und Kreditwesens die Tendenz zugeschrieben wird, Veränderungen in den Quantitätsverhältnissen des Geldes auszugleichen und nicht zur Wirkung kommen zu lassen; die wechselnde Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes und die durch das Kreditwesen und die sich immer mehr verfeinernde Bankorganisation und -technik erreichte Elastizität des Zahlungswesens, das heißt seine leichte Anpassung an erweiterten oder eingeengten Verkehr, hätten die Preisbewegung nach Möglichkeit von den Veränderungen der Geldmenge unabhängig gemacht, zumal ein festes Quantitätsverhältnis zwischen Geld und seinen Ersatzmitteln, das heißt zwischen Geldvorrat und Tausch- und Zahlungsakten nicht bestehe. Wolle man unter solchen Umständen die Quantitätstheorie dennoch retten, so dürfe man sie nicht lediglich auf das Währungsgeld beziehen, sondern müsse sie "auf alles Geld schlechthin ausdehnen, sowohl auf jedes handgreifliche umlaufsfähige Geldsurrogat als auch auf jede Handlung des Bankwesens oder Abmachung zwischen zwei Kontrahenten, die eine Geldhingabe ersetzen." Ihre tatsächliche Erfaßbarkeit werde damit allerdings ins Unendliche hinausgeschoben, die AIlgemeingültigkeit aber gewahrt. Freilich tauche dabei ein fast unlösbares Problem auf, die Frage nach den Bedingungen, unter denen der Kredit in Kraft tritt, und nach der Art und Weise, in der er die Wert- und Preisbildung beeinflußP. Die Antwort auf diesen Einwand bringt der dritte Teil dieser Arbeit.
§ 10. Die Quantitätstheorie hat sich im aIlgemeinen nicht uamit befaßt, zu untersuchen, welche Folgen das Sinken des Geldbedarfs bei gleichbleibendem Geldvorrat nach sich ziehen müßte. Zur Aufwerfung dieses Problems fehlte die historische Veranlassung. Es ist nie aktuell gewesen, man hat nie in seiner Beantwortung auch nur mit einem Schein von Berechtigung die Lösung wirtschaftspolitischer Streitfragen suchen dürfen. Die Wirtschaftsgeschichte zeigt uns den Geldbedarf in einer aufsteigenden Bewegung. Der Grundzug der Entwicklung des Geldbedarfs ist seine Erweiterung; das Vordringen der Arbeitsteilung und damit des Tauschverkehres, der in immer steigendem Maße ein durch Geld vermittelter indirekter wird, wirken in dieser Richtung ebenso wie die Zunahme der Be1 Vgl. Spiethoff, a. a. 0., S. 263ff.; Kemmerer, a. a. 0., S.67ff.; Mill, a. a. 0., S. 316ff.
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völkerung und des Wohlstandes. Die Tendenzen, welche die Steigerung des Geldbedarfs zur folge haben, sind in den letzten Jahrzehnten vor dem Kriege so stark gewesen, daß sie selbst dann, wenn die Vermehrung des Geldvorrates in einem weitaus beträchtlicheren Umfang erfolgt wäre, zu einer Steigerung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes hätten führen müssen. Nur durch den Umstand, daß Hand in Hand mit diesem Steigen -des Geldbedarfs auch eine außerordentlich große Vermehrung der Umlaufsmittel gegangen ist, die gewiß über das steigende Maß des Geldbedarfs im weiteren Sinne hinauswuchs, kann es erklärt werden, daß der innere objektive Tauschwert des Geldes in dieser Zeit nicht nur nicht gestiegen, sondern im Gegenteil gesunken ist, wobei übrigens auch ein Moment mitwirkte, das wir erst im weiteren Verlauf dieses Kapitels besprechen werden. Wollte man die mechanische Auffassung der Quantitätstheorie auf den fall der Verminderung des Geldbedarfs bei unverändertem Geldvorrat anwenden, so müßte man auf ein gleichmäßiges Und den Bewegungen des Verhältnisses zwischen Geldvorrat und Geldbedarf zahlenmäßig entsprechendes Steigen aller Warenpreise schließen; wir hätten dieselben folgen zu erwarten, die eine Vermehrung des Geldvorrates bei gleichbleibendem Geldbedarf nach sich ziehen soll. Die mechanische, auf fehlerhafter Übertragung eines statischen Gesetzes auf die Dynamik beruhende Auffassung versagt aber· in diesem falle gerade so wie in jenem; sie kann UrllS nicht genügen, da sie UnS das nicht erklärt, was wir erklärt wissen wollen. Wir müssen eine Theorie aufstellen, die Uns zeigt, wie die Verringerung des Geldbedarfes bei gleichbleibendem Geldvorrat auf die subjektive Wertschätzung des Geldes durch die einzelnen Wirtschaftssubjekte und von da aus auf die Geldpreise wirkt. Ein Rückgang des Geldbedarfes bei gleichbleibendem Geldvorrat würde zunächst dazu führen, daß eine Anzahl von Wirten findet, ihre Barvorräte seien im Verhältnis zu ihrem Bedarf zu groß. Sie werden daher mit diesem Überschusse als Käufer auf den Markt kommen. Von hier aus wird sich eine allgemeine Preissteigerung, ein Rückgang des inneren Tauschwertes des Geldes ins Werk setzen. Der weitere Verlauf bedarf keiner näheren Erklärung. Ganz nahe verwandt mit diesem fall ist ein anderer, dessen praktische Bedeutung schon eine ungleich größere ist. Wenn auch die Nachfrage nach Geld beständig im Steigen begriffen ist, so kann
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es doch vorkommen, daß die Nachfrage nach einzelnen Geldarten zurückgeht oder auch, so weit sie auf der Eigenschaft dieses Gutes als allgemein gebräuchliches Tauschmittel beruht - und nur mit dieser haben wir uns hier zu befassen - völlig aufhört. Wird einer Geldart die Geldeigenschaft entzogen, dann schwindet damit natürlich der besondere Wert, der auf der Verwendung als allgemeines Tauschmittel beruht, und nur jener Wert, der auf der sonstigen Verwendung beruht, bleibt zurück. Dies ist im Laufe der geschichtlichen Entwicklung jedesmaI dann der Fall gewesen, wenn ein Gut aus dem sich beständig verengenden Kreise der allgemein gebräuchlichen Tauschmittel ausgeschieden ist. Wir wissen von diesem Prozesse, der sich zum größten T.eil in einer Zeit abgespielt hat, für die uns nur dürftige Geschichtsquellen zur Verfügung stehen, im allgemeinen nicht viel. Die letzten jahrzehnte aber haben ein großes Beispiel gebracht: die nahezu vollständige Demonetisierung des Metalles Silber. Das Silber, das früher eine große Verbreitung als Geld genoß, ist aus dieser Stellung fast gänzlich verdrängt worden, und es unterliegt keinem Zweifel, daß es in nicht allzu ferner Zeit, vielleicht schon in wenigen jahren, seine Geldrolle überhaupt ausgespielt haben wird. Die Folge davon war ein Rückgang des objektiven Tauschwertes des weißen Metalls. Der Londoner Silberpreis ist von 609 / 10 d im Durchschnitt des jahres 1870, auf 23 i2 / 16 d im Durchschnitt des jahres 1909 gesunken. Der Wert des Silbers mußte fallen, da das Gebiet seiner Verwendung enger geworden war. Auch aus der Geschichte des Kreditgeldes können ähnliche Beispiele gebracht werden. Es sei etwa auf die Noten der Südstaaten im amerikanischen Sezessionskriege verwiesen, die in dem Maße, in dem die Erfolge der Nordstaaten wuchsen, sowohl ihren monetären Wert als auch den als forderung einbüßten 1. Eingehender als mit dem Problem der Folgen sinkenden Geldbedarfs bei gleichbleibendem Geldvorrat, dem nur eine geringere praktische Bedeutung zukommt, haben sich die Anhänger der Quantitätstheorie mit dem Problem des sinkenden Geldvorrates bei gleichbleibendem Geldbedarf und jenem des steigenden Geldbedarfs bei gleichbleibendem Geldvorrat befaßt. Beide Fragen glaubte man im Sinne der mechanischen Auffassung der Quantitätstheorie über1 Vgl. White, Money and Banking illustrated by American History, Boston 1895, S. 166 ff.
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aus einfach lösen zu können, wenn man die allgemeine Formel, die das Wesen des Problems zu enthalten schien, auf sie anwendete. Dann erschienen beide Fälle als Umkehrungen des Falles der Vermehrung der Geldmenge bei gleichbleibendem Geldbedarf; daraus zog man die entsprechenden Schlüsse. So wie man die Entwertung des Kreditgeldes einfach durch den Hinweis auf die massenhafte Vermehrung der Geldmenge zu erklären suchte, wollte man die Preisdepression der siebziger und achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts mit dem Steigen des Geldbedarfs bei ungenügendem Steigen der Geldmenge erklären. Diese Theoreme lagen den meisten währungspolitischen Maßnahmen des 19. Jahrhunderts zugrunde. Durch Vermehrung oder Verminderung der Geldmenge wollte man die Wertgestaltung des Geldes regulieren. Die Wirkungen dieser Maßregeln schienen einen induktiven Beweis für die Richtigkeit dieser oberflächlichen Auffassung der Quantitätstheorie zu erbringen und verhüllten damit die logische Schwäche ihrer Deduktionen. Denn nur so ist es zu erklären, daß man nicht einmal den Versuch unternommen hat, den Mechanismus der Geldwerterhöhung als Folge der Verminderung der Umlaufsmenge darzustellen. Auch hier muß die alte Theorie ergänzt werden, wie es in unseren obenstehenden Ausführungen geschehen ist. Das Steigen des Geldbedarfs geht gewöhnlich nur langsam vor sich, so daß eine Einwirkung auf das zwischen dem Gelde und den Tauschgütern bestehende Austauschverhältnis nur schwer erkennbar wird. Doch gibt es auch Fälle, in denen der Geldbedarf im engeren Sinne plötzlich und in außerordentlich starkem Maße steigt, so daß ein vehementes Sinken der Warenpreis'e eintritt. Ein solcher Fall ist das Versagen der Umlaufsmittelzirkulation in Krisenzeiten, wenn das Vertrauen des Publikums in die Emittenten schwindet. Die Geschichte kennt viele derartige Beispiele (zum Beispiel die Vereinigten Staaten im Spätherbst 1907), und auch in Zukunft könnte ähnliches wieder vorkommen.
c.
Eine besondere, in den Eigentümlichkeiten des indirekten Tauschverkehres wurzelnde Ursache von Veränderungen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes. § 11. Die Bestimmungsgründe des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes, die wir bisher betrachtet haben, weisen keinerlei besondere Eigentümlichkeiten auf. Soweit sie mitspielen, vollzieht
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Zweites Kapitel.
sich die Bildung des inneren Tauschwertes des Geldes in derselben .Weise wie die des inneren Tauschwertes der übrigen wirtschaftlichen Güter. Es gibt aber auch Bestimmungsgründe der Veränderungen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes, welche einem besonderen Gesetze folgen. Keine Klage ist mehr verbreitet als die über die "Verteuerung des Lebens". Es gibt kein Geschlecht, das nicht über "teuere Zeiten" gejammert hätte. Daß "alles" teuerer wird, heißt aber nichts anderes, als daß der innere objektive Tauschwert des Geldes sinkt. Es ist außerordentlich schwer, wenn nicht ganz unmöglich, derartige Behauptungen historisch und statistisch zu überprüfen. Von den Schranken, welche unserer Erkenntnis in dieser Richtung ges,etzt sind, wird in dem Kapitel, das von dem Problem, der Meßbarkeit der Geldwertveränderungen handelt, noch die Rede sein. Hier muß es uns genügen, das Ergebnis vorweg zu nehmen und, festzustellen, daß wir von preisgeschichtlichen forschungen und Methoden keine Unterstützung zu erwarten haben. fast könnten wir für die Konstatierung der Tatsache der fortsc;hreitenden Senkung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes auf jene Äußerung des Durchschnittsmenschen, so leicht es auch zutreffen mag, daß sie auf Selbsttäuschung beruht, und so sehr sie unter den Veränderungen der subjektiven Wertschätzung des Individuums leiden muß, mehr Gewicht legen als auf das umfangreiche Zahlenmaterial der bändereichen statistischen Publikationen. Gewißheit kann uns nur der Nachweis von Kausalreihen geben, welche eine derartige Bewegung des objektiven Tauschwertes des Geldes hervorzurufen imstande wären und, wenn sie durch keine entgegenwirkenden Kräfte aufgehoben werden, auch hervorrufen müssen. Diesen Weg, der allein zum Ziele führen kann, haben bereits mehrere forscher betreten. Wir werden sehen, mit welchem Erfolg.
§ 12. Mit vielen anderen nimmt auch Wagner in Übereinstimmung mit der allgemeinen Volksanschauung das Obwalten einer Tendenz zur Minderung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes an. Die Erklärung dieser Erscheinung liege darin, daß die Seite des Angebotes doch ziemlich durchweg die stärkere sei, die, weIche ihre Erwerbsinteressen mehr verfolgen könne. Auch von eigentlichen Kartellen, Ringen, Verbindungen selbst abgesehen und trotz aUer Konkurrenz der einzelnen Verkäufer untereinander trete die Angebot-
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seite einheitlicher auf als die Gegenseite der Nachfrage. Die auf Absatz im Konsumentenverkehr angewiesenen Geschäftsleute seien auch mehr an den Preissteigerungen interessiert als die Abnehmer am Festhalten alter Preise und an PreisermäBigungen. Denn für sie hänge die Höhe ihres Erwerbes, damit ihre ganze wirtschaftliche und soziale Lage, wesentlich mit davon ab, bei den Abnehmern drehe es sich doch regelmäßig nur um ein kleineres Spezialinteresse von geringerer Bedeutung für ihre Gesamtlage. Daher bilde sich eben die Tendenz zum Hochhalten und Erhöhen der Preise auf der Angebotseite und wirke als eine Art beständiger Druck in der Richtung der Preiserhöhung, energischer, allgemeiner als der entgegengesetzte Widerstand auf der Nachfrageseite. Absichtliches Niedrighalten und Ermäßigen der Preise komme im Kleinverkehr zur Erhaltung und Erweiterung des Absatzes und zur Erhöhung des Gesamtgewinnes gewiß auch vor, und die Konkurrenz könne dazu nötigen und tue es vielfach. Aber beides mache sich auf die Dauer nicht so allgemein und stark geltend, als das Interesse an und das Streben nach höheren Preisen und wisse eben auch im Konkurrenzsystem die Widerstände zu überwinden. In der dauernden Übermacht der Angebotseite über die Nachfrageseite sei eine der Ursachen der allgemeinen Verteuerung zu erblicken 1. Wagner sieht mithin die Ursache des fortschreitenden Sinkens des inneren objektiven Tauschwertes des Geld,es in einer Reihe von Preisbestimmungsgründen, die nicht bei der Bildung der Großhandelspreise, sondern lediglich bei der der Kleinhandelspreise zur Geltung kommen. Es ist in der Tat eine allbekannte Erscheinung, daß die Detailpreise der Genußgüter unter der Einwirkung zahlreicher Momente stehen, die sie hindern, den Bewegungen der Großhandelspreise schnell und vollständig zu folgen. Unter den besonderen Bestimmungsgründen der Kleinhandelspreise haben diejenigen~ welche auf ihre Erhöhung über das durch die Großhandelspreise gegebene Niveau hinzielen, das Übergewicht. Die Erscheinung, daß sich die Detailpreise den Rückgängen der GroBhandelspreise langsamer anpassen als ihren Hinaufsetzungen, ist zum Beispiel allbekannt. Das aber darf nicht übersehen werden, daß eine solche Anpassung nach einiger Zeit doch erfolgen muß und daß die Kleinpreise der Genußgüter die Bewegungen der Preise der Produktiv1
Vgl. W a g n er, Theoretische Sozialökonomik, a. a. 0., 11. Bd., S. 245.
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güter stets, wenn auch in einem gewissen Abstande, mitmachen, und daß lediglich kleinere, minder nachhaltige und nach kurzer Zeit wieder verschwindende Änderungen im Großhandel ohne Wirkung auf den Konsumentenverkehr bleiben. Selbst wenn man zugeben wollte, daß eine dauernde Übermacht der Angebotseite über die Nachfrageseite besteht, muß entschieden in Abrede gestellt werden, daß daraus das Obwalten einer auf eine allgemeine Verteuerung gerichteten Tendenz deduziert werden kann. Wenn nicht zugleich auch eine Ursache nachgewiesen wird, welche die Verteuerung der Großhandelspreise erklären könnte - und diesen Versuch unternimmt Wagner überhaupt nicht -, dürfte man aus jener Eigentümlichkeit der Preisbildung im Konsumentenverkehr nur dann auf eine fortschreitende Verteuerung der Kleinhandelspreise schließen, wenn man annehmen wollte, daß der Abstand, in dem diese den Bewegungen der Großhandelspreise folgen, immer größer wird, daß sie immer mehr hinter jenen zurückbleiben. Aber eine solche Behauptung stellt Wagner gar nicht auf; sie ließe sich auch kaum verteidigen. Es kann im Gegenteil gesagt werden, daß die moderne Entwicklung des Handels eine Tendenz zur schnelleren Anpassung der Preise des Konsumentenverkehres an jene des Produzenten- und Händlerverkehres geschaffen hat. Warenhäuser und Filialgeschäfte, dann Konsumvereine folgen den Veränderungen der Großmarktpreise weit schneller nach als Krämer und Hausierer. Ganz unverständlich ist es, wenn Wagner jene aus der Übermacht der Angebotseite über die Nachfrageseite entspringende Tendenz zur allgemeinen Verteuerung in Verbindung bringt mit' den Verhältnissen im privatwirtschaftlichen System der freien Konkurrenz, im System der Gewerbefreilheit, und erklärt, daß sie hier am deutlichsten hervortrete und sich leichter und stärker durchsetze. Eine Begründung dieser Behauptung, die wohl Wagners Abneigung gegen den wirtschaftspolitischen Liberalismus entsprungen ist, wird nicht gegeben; sie wäre auch kaum aufzustellen. Je mehr die Freiheit des Wettbewerbs entwickelt ist, desto leichter und schneller setzen sich die Veränderungen der Großhandelspreise, insbesondere ihre rückläufigen Bewegungen, im' Konsumentenverkehr durch. Wo durch gesetzliche und andere Beschränkungen der Gewerbefreiheit den Handwerkern und DetaiHisten eine Vorzugsstellung eingeräumt ist, vollzieht sich die Anpassung langsamer, da kann mitunter die Ausgleichung zum Teil selbst verhindert werden. Die österreichische
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Gewerbepolitik des letzten Menschenalters mit der für die Zeit von 1890 bis 1914 recht beträchtlichen Preissteigerung, die in ihrem Gefolge eingetreten ist, bietet ein treffliches Beispiel dafür. Nicht im' System der freien Konkurrenz unter der Herrschaft der Gewerbefreiheit treten die von Wagner als dauernde Übermacht der Angebotseite über die Nachfrageseite bezeichneten Verhältnisse am stärksten hervor, sondern gerade dort, wo der Entfaltung des freien Wettbewerbs die größten Hindernisse entgegenstehen.
§ 13. Auch die Erklärung der wachsenden Teuerung, des Steigens des Geldwertes der Güter bei einer gewissen Stabilität ihres Sachpreises, welche Wieser 1 versucht, kann nicht ganz befriedigen. Wieser meint, daß der größte Teil der geschichtlichen Wertveränderungen des Geldes auf den Wechsel in den Beziehungen zwischen Geldwirtschaft und Naturalwirtschaft zurückzuführen sei. Das Aufblühen der Geldwirtschaft vermindert den Geldwert, ihr Verfall erhöht ihn wieder. In den Anfängen der Geldwirtschaft wird die überwiegende Masse des Bedarfes immer noch naturalwirtschaftlich gedeckt; die eigene Produktion nährt die Familie, die im eigenen Hause wohnt und sich sonst den größten Teil dessen, was sie braucht, selber schafft; der Verkauf gibt nur gewisse Zuschüsse. Man rechnet deshalb in die Kosten der verkauften Erzeugnisse seine Lebenshaltung oder, was auf dasselbe hinauskommt, den Wert seiner Arbeitskraft nicht oder kaum hinein; man rechnet nur den verbrauchten Rohstoff und die Abnutzung der für den besonderen, Fall eigens beschafften Werkzeuge oder sonstigen Hilfsmittel hinein, die übrigens bei der extensiven Art der Erzeugung von geringem Belange sind. So ist es auch beim Käufer; es ist kein wichtigerer Bedarf, den dieser durch den Einkauf zu decken braucht, kein höherer Gebrauchswert, den er einzuschätzen hat. Dies alles ändert sich dann allmählich. Die Ausdehnung des geldwirtschaftlichen Prozesses bezieht neue Elemente in die Kostenrechnung ein, die in ihr vorher nicht enthalten waren, sondern naturalwirtschaftlich erledigt wurden. Die in Geld anzuschlagende Liste der Kosten wird verlängert und jedes neu hinzukommende Element der Kostenrechnung 1 Vgl. Wie s er, Der Geldwert und seine geschichtlichen Veränderungen, a. a. 0., S. 57 ff.; Der Geldwert und seine Veränderungen, a. a. 0., S. 527ff.; Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft, (GrundriB der Sozialökonomik, 1. Abt., Tübingen 1914) S. 327 ff.
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Zweites Kapitel.
wird nach dem Maßstab der bisher bereits in Geld verrechneten Elemente bewertet und preis erhöhend zugeschlagen. So trete eine allgemeine Erhöhung des Preisstandes ein, die nicht als Folge des Standes der Güterversorgung, sondern als eine Veränderung des Geldwertes empfunden werde. Wenn man die zunehmende Verteuerung der Warenpreise, die wir die Jahrhunderte hindurch wahrnehmen, nicht als vom Gelde (nämlich von den Veränderungen im Verhältnis von Geldangebot und Geldnachfrage) allein ausgehend erklären könne, müsse man nach einem anderen Grunde für die Änderung des ganzen Preisrnaßstabes suchen. Aus der Bewegung des inneren Warenwertes könne nämlich die Deutung nicht gefunden werden; denn wir seien heute nicht mangelhafter versorgt als unsere Vorfahren. Keine zweite Erklärung liege aber näher als die, die Verminderung der Kaufkraft des Geldes auf die sie geschichtlich begleitende Ausbreitung der Geldwirtschaft zurückzuführen. Die beharrende Kraft des Geldwertes gerade habe in jeder Epoche des Fortschritts den Geldwert revolutionieren helfen; sie habe es bewirken müssen, daß die alten Preise nach Maß der neu auszudrückenden Werte erhöht wurden, so oft neue Elemente in den geldwirtschaftlich kontrollierten Abschnitt des Produktionsprozesses aufgenommen wurden. Je höher aber die Geldpreis,e der Waren steigen, um so niedriger stelle sich im Verhältnis der Geldwert. Die wachsende Teuerung erscheint so als ein notwendiges Entwicklungssymptom der um sich greifenden Geldwirtschaft. Zweifellos hat Wies er mit diesen Ausführungen wichtige Zusammenhänge des Marktes und der Preisbildung aufgedeckt, die man nur weiter verfolgen muß, um zu bedeutsamen Ergebnissen für die Bildung der zwischen den wirtschaftlichen Gütern (mit Ausschluß des Geldes) untereinander bestehenden Austauschverhältnisse zu gelangen. Soweit jedoch die Schlußfolgerungen auf die Bildung der Geldpreise hinzielen, weisen sie schwere Mängel auf. Übrigens müßte man, wenn die Argumentation als richtig zu bezeichnen wäre, feststellen, daß hier keineswegs von der Geldseite her wirkende Kräfte, sondern solche, die von der Warenseite her wirken, vorliegen. Nicht die Wertschätzung des Geldes, sondern die der Tauschgüter allein könnte jene Veränderung erfahre,n haben, die in der Wandlung des Austauschverhältnisses zutage treten soll. Aber die ganze Deduktion als solche muß als irrig zurückgewiesen werden. Die Entwicklung des Tauschverkehres erhöht die subjek-
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tive Wertschätzung der neu in den Verkehr eintretenden Personen für jene Güter, welche sie im Tausche weggeben sollen. üüter, welche früher lediglich als Gegenstände des eigenen Gebrauchs geschätzt wurden, erhalten, soweit sie gegen andere Güter eintauschbar werden, eine neue Ursache des Geschätztwerdens. Damit muß ihr subjektiver Wert in den Augen ihrer Besitzer, die sie fortgeben sollen, steigen. Das im' Tausche hinzugebende Gut wird jetzt nicht mehr nach dem Gebrauchswert, den es für den Eigentümer bei Verwendung in seiner eigenen Wirts,chaft hätte, geschätzt, sondern nach dem Gebrauchswerte des dafür im Tausche zu erlangenden Gutes; dieser ist ja immer höher als jener. Denn der Tauschakt kommt doch nur dann zustande, wenn er jedem der heiden Partner einen Zuwachs an Nutzen bringt. Anderseits sinkt aber - und daran scheint Wieser nicht gedacht zu haben - der subjektive Wert jener Güter, die im Tausch erworben werden saHen. Diejenigen Individuen, die sie erwerben saHen, legen ihnen ja nieht mehr jene Bedeutung bei, welche ihrer Stellung in der subjektiven Wertskala (Nutzenskala) beikommt, sondern jene geringere, welche jenem Gute beikommt, das sie hingeben saHen, um das andere zu erlangen. Die Wertskala eines Individuums, welches sich im Besitz eines Apfels, einer Birne und eines Glases Limonade befindet, laute: 1. ein Apfel; 2. ein Stück Kuchen; 3. ein Glas' Limonade; 4. eine Birne. Bietet sich diesem Manne nun die Gelegenheit, die in seinem Besitz befindliche Birne gegen ein Stück Kuchen auszutauschen, so wird diese Möglichkeit die Bedeutun'g, die er der Birne beilegt, erhöhen; er wird diese nun höher schätzen als die Limonade. Stellt man ihn vor die Wahl, entweder auf die Birne oder auf die Limonade zu verziehten, so wird er den Verlust der Limonade als das kleinere Übel ansehen. Dem gegenüber steht nun die niedrigere Schätzung des Kuchens. Nehmen wir an, unser Mann besitze, bei unveränderter Nutzenskala, außer Birne, Apfel und Limonade auch ein Stück Kuchen. Wird ihm dann die frage vorgelegt, ob er den Verlust des Kuchens oder der Limonade leichter werde verschmerzen können, dann wird er jedenfaHs den Verlust des Kuchens vorziehen, da ,er diesen Verlust dunch die fortgabe der Birne, die in seiner We'rtskala erst auf die Limonade folgt, wettmachen kann. Die Erschließung der Tauschmöglichkeit veranlaßt jedes Individuum, sich bei seinen wirtschaftlichen Entschließungen auch von Rücksichten auf den objektiven Tauschwert der Güter leiten zu lassen; an Stelle
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der ursprünglichen primären Gebrauchswerlskala tritt die von ihr abhängige sekundäre Tausch- und Gebrauchswertskala, in der die wirtschaftlichen Güter auch mit Rücksicht auf die Tauschmöglichkeit nach dem Werte der dafür zu erlangenden Güter geschätzt werden. Es ist eine Umstellung der Güter erfolgt; die Reihenfolge ihrer Wichtigkeit ist eine andere geworden. Wenn aber ein Gut höher hinaufgesetzt wurde, muß - darüber kann kein Zweifel bestehen - ein anderes tiefer hinunterkommen. Das ergibt sich schon aus dem ganzen Charakter der Wertskala, welche nichts anderes darstellt als eine Ordnung der subjektiven Wertschätzungen nach der Wichtigkeit der geschätzten Objekte. Die folgen der Ausdehnung des Tauschverkehres auf die Gestaltung des objektiven Tauschwertes sind keine anderen als die auf die Gestaltung des subjektiven Wertes. Auch hier muß jeder Werterhöhung auf der einen Seite eine Werterniedrigung auf der anderen Seite gegenüberstehen. Ist es doch undenkbar, ein Austauschverhältnis zwischen zwei Gütern in der Weise zu verändern~ daß beide Güter teurer werden. Daran kann auch durch das Dazwischentreten des Geldes nichts geändert werden. Wenn behauptet wird, daß der objektive Tauschwert des Geldes eine Veränderung erfahren habe, so müßte dafür eine besondere, nicht in der nackten Tatsache der Ausdehnung des Tauschverkehres enthaltene Ursache nachgewiesen werden. Dies ist aber von keiner Seite geschehen. Wieser geht davon aus, daß er in der bei den Wirtschaftshistorikern üblichen Weise Naturalwirtschaft und Geldwirlschaft einander gegenüberstellt. für die theoretische Untersuchung, die Isolierung verlangt, erweisen sich diese Begriffe nicht als genug deutlich. Es bleibt ungewiß, ob eine Gegenüberstellung eines tauschlosen Zustandes und einer auf dem Tauschverkehr beruhenden Gesellschaftsordnung beabsichtigt ist oder eine Gegenüberstellung eines Zustandes des direkten und eines solchen des indirekten, durch Geld vermittelten Tausches. Die Vermutung spricht dafür, daß Wieser einen tauschlosen Zustand einem Zustand des durch Geld vermittelten Tausches gegenüberstellen wollte. In diesem Sinne werden ja die Ausdrücke Naturalwirtschaft und Geldwirtschaft von den Wirtschaftshistorikern gebraucht; auch entspricht diese Auffassung dem tatsächlichen Verlauf der volkswirtschaftlichen Entwicklung nach Ausbildung des Geldgebrauches. Wo heute neue geographische Gebiete oder neue Seiten der Bedürfnisbefriedigllng in den Tauschverkehr
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einbezogen werden, da erfolgt der Übergang vom tauschlosen Zustand unmittelbar in den des Geldverkehrs. Das war nicht immer so; vor allem muß festgestellt werden, daß die isolierende Betrachtungsweise hier genau unterscheiden muß. Wies er spricht von dem Städter, der auf das flache Land zum Sommeraufenthalt zu gehen pflegt und gewohnt ist, dort stets billige Preise zu finden. Eines Jahres aber, als er wiederkehrt, findet er, daß alle Preise auf einmal höher geworden sind; das Dorf ist mittlerweile in den Geldverkehr einbezogen worden; die Bauern verkaufen ihre Milch, ihre Eier, ihr Geflügel in die Stadt; sie fordern nun auch von den Sommergästen die höheren Preise, die sie dort zu erhalten hoffen. Aber das, was Wieser hier schildert, ist nur die eine Hälfte des Prozesses. Die andere Hälfte spielt in der Stadt, wo Milch, Eier und Geflügel, die aus dem neu für die Versorgung der Bürger erschlossenen Dorfe auf den Markt kommen, eine Tendenz zur Preisermäßigung auslösen. Die Einbeziehung eines bis dahin naturalwirtschaftlichen Gebietes in den Tauschverkehr bringt keine einseitige Preiserhöhung mit sich, sondern eine Ausgleichung der Preise. Die entgegengesetzte Wirkung müßte eine jede Einengung des. Tauschverkehres hervorrufen; ihr würde die Tendenz innewohnen, die Preisdifferenzen zu erhöhen. Man darf also nicht, wie es Wies er tut, aus dieser Erscheinung auf Veränderungen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes schließen.
§ 14. Die fortschreitende Steigerung der Warenpreise und ihr Reflex, das Sinken des Geldwertes, lassen jedoch ganz wohl auch eine Erklärung von der Geldseite, aus dem Wesen des Geldes und des Geldverkehrs heraus zu. Die moderne Preistheorie hat alle ihre Sätze fur den Fall des direkten Tausches entwickelt. Auch dort, wo sie den indirekten Tausch in den Kreis ihrer Betrachtungen einbezieht, nimmt sie nicht genügend Rücksicht auf die Eigenart des durch das allgemein gebräuchliche Tauschmittel, durch das Geld vermittelten Tausches. Daraus darf ihr allerdings kein Vorwurf gemacht werden. Die Gesetze der Preisbildung, die sie für den unvermittelten Tausch aufgestellt hat, haben auch für den vermittelten Tausch Geltung, und das Wesen des Verkehrsaktes wird durch den Gebrauch des Geldes nicht verändert. Doch die Geldwerttheorie muß hier ansetzen, um eine bedeutungsvolle Feststellung zu machen.
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Zweites Kapitel.
Scheint dem Kauflustigen der vom Verkauflustigen geforderte Preis zu hoch, weH er seinen subjektiven Schätzungen der beiden in frage kommenden Güter nicht entspricht, dann wird ein direkter Tausch nicht zustande kommen können, außer der Verkauflustige verringert seine Forderung. Bei dem durch Geld vermittelten indirekten Tausch ist jedoch die Tauschmöglichkeit, auch wenn kein solcher Nachlaß erfolgt, gegeben. Der Kauflustige kann sich unter Umständen dazu entschließen, auch den geforderten höheren Preis zu bezahlen, wenn er hoffen darf, in ähnlicher Weise auch für diejenigen Waren und Dienstleistungen, die er feil hält, eine bessere Vergütung zu erzielen. Ja, in sehr zahlreichen fällen wird dies für den Kauflustigen der vorteilhafteste Weg zur Erreichung des größtmöglichen Tauschvorteiles sein. Gewiß nicht dort, wo, wie bei den öffentlichen Versteigerungen, beim börsenmäßigen Handel oder beim feilschen, beide Teile bei der Bestimmung des Kaufpreises unmittelbar mitwirken und somit ihre subjektiven Schätzungen von Ware und Preisgut ohne Umweg zur Geltung zu bringen wissen. Es gibt jedoch fälle, in denen die festsetzung des Preises scheinbar .einseitig durch den Verkäufer erfolgt und der Käufer sich gezwungen sieht, vom Kaufe abzustehen, wenn ihm der geforderte Preis zu hoch ist. Wird dann der Verkäufer durch die Zurückhaltung der Käufer darauf aufmerksam gemacht, daß er seine forderung überspannt hat, dann setzt er seine Preisforderung wieder herab, wobei es freilich wieder geschehen kann, daß er damit entweder nicht weit genug oder zu weit geht. An Stelle dieses umständlichen Verfahrens kann unter gewissen Voraussetzungen ein anderes treten. Der Käufer kann den geforderten Preis bewilligen und versuchen, sich anderweitig, das heißt durch Hinaufschrauben der Preise jener Güter, die er zum Verkauf anbietet, schadlos zu halten. Ein Steigen der Lebensmittelpreise mag die Arbeiter veranlassen, höheren Lohn zu fordern. Wenn die Unternehmer diese forderungen der Arbeiter bewilligen werden, dann werden sie die Preise der Produkte hinaufsetzen, und die Lebensmittelproduzenten werden vielleicht ihrerseits die Erhöhung der Preise der fabrikate zum Anlaß einer neuen Steigerung der Lebensmittelpreise nehmen. So schließen die Preissteigerungen sich zu einer Kette zusammen, und niemand vermag anzugeben, wo der Anfang, wo das Ende, was Ursache, was Wirkung. In der modernen Absatzorganisation spielen die "festen Preise"
Die Bestimmungsgrunde der Kaufkraft des Geldes.
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eine große Rolle. Die Kartelle und Trusts, dann alle Monopolisten, unter ihnen auch der Staat, pflegen die Preise ihrer Produkte einseitig ohne Befragung der Käufer festzusetzen, sie jenen scheinbar vorzuschreiben. Im Kleinhandel gilt vielfach das gleiche. Diese Einrichtung ist nun keine zufällige. Sie ist eine notwendige :Erscheinung des unorganisierten Marktes. Auf dem unorganisierten Markte steht dem Verkäufer nicht die Gesamtheit der Käufer, sondern immer nur einzelne Individuen oder Gruppen gegenüber. Ein Handelr: und Feilschen mit diesen hätte keinen Sinn; denn nicht die Wertschätzungen dieser wenigen Personen, sondern die aller jener Personen, welche das betreffende Gut zu erwerben wünschen, sind für die Preisbildung maßgebend. Der Verkäufer setzt daher einen Preis fest, der seiner Ansicht nach ungefähr dem Preise entspricht, der zu erzielen sein wird, wobei er begreiflicherweise eher zu hoch als zu tief greift, und wartet, wie sich die Käufer verhalten werden. Ihm fehlt in allen diesen Fällen, in denen er die Preise scheinbar allein festsetzt, die genaue Kenntnis der Schätzungen der Käufer. Er kann darüber mehr oder weniger richtige Vermutungen anstellen, und es gibt Kaufleute, die darin durch genaue Beobachtung des Marktes und der Psychologie der Käufer eine ganz hervorragende Fertigkeit erworben haben. Gewißheit gibt es aber hier nicht; handelt es sich doch vielfach um ein Abschätzen der Wirkungen möglicher und zukünftiger Vorgänge. Der einzige Weg, auf dem die Verkäufer Verläßliches über die Werturteile der Konsumenten erfahren können, ist der des Tastens und Tappens. Sie erhöhen die Preise so lange. bis ihnen die Zurückhaltung der Käufer anzeigt, daß sie zu weit gegangen sind. Der Käufer aber zahlt den ihm unter den augenblicklichen Verhältnissen des Geldwertes zu hoch erscheinenden Preis, weil er hoffen darf, die Preise, die er "festsetzt", ebenfalls erhöhen zu können, und der Meinung ist, so schneller zum Ziele zu gelangen als durch Zurückhaltung, die vielleicht erst nach einem längeren Zeitraum ihre Wirkung voll äußern und ihm auch mancherlei Unannehmlichkeiten bringen könnte. So fehlt dem Verkäufer die einzige sichere Kontrolle über die Angemessenheit der von ihm geforderten Preise. Er sieht, daß diese Preise gezahlt werden, glaubt, daß sein Geschäftserfolg entsprechend wachse, und merkt erst allmählich, daß das Sinken der Kaufkraft des Geldes ihn um ein Stück des erzielten Vorteils bringt. Wer die Preisgeschichte aufmerksam verfolgt hat, wird zugeben müssen, daß diese ,. Mises. Theorie des Oeldes. 2. Auf!.
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Erscheinung sich unzählige Male wiederholt. Es ist nicht zu leugnen, daß ein großer Teil der Preis erhöhungen durch die Überwälzung zwar den Geldwert herabgedrückt, keineswegs aber in dem Maße das Austauschverhältnis . zwischen den übrigen wirtschaftlichen Gütern verschoben hat, in dem es beabsichtigt war. Um jedes Mißverständnis zu verhüten, sei übrigens ausdrücklich bemerkt, daß es durchaus ungerechtfertigt wäre, aus diesen Tatsachen auf eine vollständige Weiterwälzung aller Preiserhöhungen zu schließen und so etwa zur Annahme einer Beständigkeit der wechselseitigen Austauschverhältnisse der wirtschaftlichen Güter und der Arbeit zu gelangen. Folgerichtig müßte man dann die Erhöhungen der Geldpreise der Güter den vergeblichen Bemühungen der menschlichen Habsucht zuschreiben. Die Geldpreiserhöhung einer Ware verschiebt in der Regel auch ihr Austauschverhältnis zu den übrigen Waren, wenn auch nicht immer in demselben Maße, in dem sie ihr Austauschverhältnis zum Geld verändert hat. Die Verfechter der mechanischen Auffassung der Quantitätstheorie werden die prinzipielle Richtigkeit dieser Ausführungen vielleicht zugeben, jedoch einwenden, daß jede Veränderung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes, die nicht von Veränderungen im Verhältnis von Geldangebot und Geldnachfrage ihren Ausgang nimmt, automatisch rückgängig gemacht werden müsse. Sinke der innere objektive Tauschwert des Geldes, dann steige notwendigerweise der Geldbedarf, da nun zur Bewältigung der Güterumsä.tze ein gröBerer GeJdbetrag erforderlich sei. Wäre es zulässig, den Geldbedarf der Volkswirtschaft als Quotient von Umsatzziffer durch Umlaufsgeschwindigkeit aufzufassen, dann wäre dieser Einwand gerechtfertigt. Aber das Fehlerhafte dieser Formulierung ist bereits dargelegt worden. Der Geldbedarf ist von objektiven Voraussetzungen, wie etwa von der Zahl und Größe der zu bewältigenden Zahlungen nur indirekt durch das Medium der subjektiven Schätzungen der Individuen ilbhängig. Wenn die Geldpreise der Waren gestiegen sind und jeder einzelne Kauf nun mehr Geld erfordert als früher, dann muß dies noch keineswegs die Individuen notwendigerweise zu einer Vermehrung ihrer Geldvorräte veranlassen. Es ist ganz gut möglich, daß die Einzelwirtschaften trotz der Preissteigerung nicht die Absicht haben, den Kassenbestand zu vergrößern, daß sie ihren Geldbedarf nicht erhöhen. Sie werden wohl danach trachten, ihr Geldeinkommen zu vergrößern; eben darin äußert sich
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ja ein Stück der allgemeinen Preissteigerung. Vergrößerung des Geldeinkommens ist jedoch durchaus nicht identisch mit Vergrößerung der Kassenhaltung. Es ist ja möglich, daß mit den Preisen auch der Geldbedarf der Individuen nun steigt, es liegt aber nicht der geringste Anlaß vor, anzunehmen, daß dies eintreten müsse, am allerwenigsten, daß es in einem solchen Maße eintreten müsse, daß dadurch die Wirkung jener Verminderung der Kaufkraft des Geldes zur Gänze aufgehoben wird. Mit derselben Berechtigung könnte aber auch das Gegenteil vermutet werden, daß nämlich gerade der durch die Preisstei'gerung auf die Einzelwirtschaften ausgeübte Zwang, überflüssige Ausgaben zu vermeiden, zu einer Überprüfung der Anschauungen über die notwendige Höhe der Kassenhaltung führen wird und daß dabei: die Entscheidung gewiß nicht zu einer Vergrößerung, vielleicht eher noch zu einer Verminderung der zu haltenden Geldbestände fällt. Auch hier ist zu beachten, daß es sich UIllj eine durch die Dynamik bewirkte Änderung handelt. Der statische Zustand, für den der Einwand der Anhänger der mechanischen Auffassung der Quantitätstheorie stichhaltig wäre, wird dadurch gestört, daß sich Verschiebungen in den zwischen den einzelnen :Waren untereinander bestehenden Austauschverhältnissen als notwendig herausgestellt haben. Die Technik des Marktes bewirkt es, daß daraus unter gewissen Voraussetzungen auch eine Verschiebung des zwischen dem Gelde und den übrigen wirtschaftlichen Gütern bestehenden Austauschverhältnisses entspringen kann 1.
D. Exkurse. § 15. Man begegnet nicht selten der Behauptung, daß der Größe der Geldeinheit ein gewisser Einfluß auf die Bildung des zwischen dem Gelde und den übrigen wirtschaftlichen Gütern bestehenden AustauschverhäItnisses zukomme. Es wird da der Meinung Ausdruck verliehen, daß eine größere Geldeinheit die Tendenz habe, die Geldpreise der Tauschgüter in die Höhe zu treiben, während eine kleinere Geldeinheit geeignet sei, die Kaufkraft des Geldes zu heben. Erwägungen dieser Art haben vor alIem in österreich bei der Valutaregulierung des Jahres 1892 mitgespielt und den Ausschlag dafür gegeben, daß an Stelle der überlieferten größeren Geldeinheit, des Guldens, der Halbgulden unter der Bezeichnung "Krone" gesetzt wurde. Soweit diese Behauptung die Bildung der Preise im Großhandel betrifft, 1 Vgl. auch meine Abhandlung: "Die allgemeine Teuerung im Lichte der theoretischen Nationalökonomie." (Archiv für Sozialwissenschaft, 37. Bd., S. 563 ff.) 10*
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kann sie wohl kaum ernstlich aufrechterhalten werden. Im :Kleinverkehr hat die Größe der Geldeinheit allerdings eine gewisse Bedeutung, die freilich auch nicht überschätzt werden darf 1. Die Teilbarkeit des Geldes ist keine unbegrenzte. Auch mit Zuhilfenahme von Geldsurrogaten zum Ausdruck von technisch in handlicher Form nicht herstellbaren Bruchteilen des Geldstoffes, wie dies im modernen Scheidemünzwesen in vollendeter Weise der Fall ist, erscheint es ganz und gar unmöglich, jeden beliebigen Teil der Geldeinheit dem Verkehr in einer den Bedürfnissen einer schnellen und sicheren Geschäftsabwicklung entsprechenden Form zur Verfügung zu stellen. Im Kleinverkehr muß daher notwendigerweise zu Abrundungen gegriffen werden. Die Preise des Detailhandels mit weniger wertvollen Gütern - und hierher gehören die Preise der wichtigsten Artikel des täglichen Bedarfs und die gewisser geringfügiger Dienstleistungen, wie zum Beispiel Briefbeförderung, Personenbeförderung auf Klein-, Stadt- und Straßenbahnen - müssen sich in irgendeiner Weise an die gangbaren Münzsorten anpassen. Nur bei Waren, deren Natur beliebige Teilung gestattet, wie zum Beispiel beim Brot, kann davon abgesehen werden. Bei nicht in gleichem Maße teilbaren Waren müssen die Preise der kleinsten zur selbständigen Veräußerung gelangenden Warenmengen mit einer dieser Münzsorten in Übereinstimmung gebracht werden. Bei beiden Gruppen von Waren liegt die Sal:he so, daß die weitere Teilung der Warenmengen für den Einzelverkauf an dem Umstande scheitert, daß für kleinere Wertquanten der Ausdruck in gangbaren Münzen mangelt. Ist die kleinste gangbare Teilmünze zu groß, um den Preis irgendeines Gebrauchsgegenstandes entsprechend zum Ausdruck zu bringen, dann kann die Anpassung in der Art erfolgen, daß einerseits mehrere Einheiten der Ware, anderseits eine oder mehrere Münzeinheiten zum Austausch gelangen. Auf den Detailmärkten für Obst, Gemüse, Eier und dergleichen mehr sind Preisansätze wie 2 Stück um 3 Heller, 5 Stück um 8 Heller und ähnliche alltägliche Erscheinungen. Bei alledem bleiben aber immerhin noch genug Feinheiten, die nicht herausgearbeitet werden können. 10 Pfennige der deutschen Reichswährung (Surrogat für
27~
kg Gold) waren in Münzen der öster-
reichischen Kronenwährung nicht auszudrücken; 11 Heller (Surrogat für
~~
kg Gold) waren kleiner, 12 Heller (Surrogat für
82~
kg Gold)
schon wieder größer. Daher mußten bei Preisen, weiche im übrigen in beiden Ländern in gleicher Höhe gehalten würden, kleine Differenzen entstehen 2. Dies wird noch durch den Umstand verschärft, daß die Preise besonders häufig vorkommender Güter und Dienstleistungen nicht nur überhaupt durch in Münzen dargestellte Bruchteile der Geldeinheit, sondern auch in einer möglichst der Stückelung der Münzen angepaßten Größe aus1 Vgl. Me n ger, Beiträge zur Währungsfrage in österreich-Ungarn, jena 1892, S. 53 ff. a Man vergleiche zum Beispiel die Briefportosätze der Weltpostvereinsstaaten.
Die Bestimmungsgründe der Kaufkraft des Geldes.
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gedrückt zu werden pflegen. Es ist eine jedermann geläufige Erscheinung, daß die Preise des Detailverkehrs die Tendenz zur "Abrundung" aufweisen, die sich fast durchaus an die Stückelung des Geldes und der Geldsurrogate anschließt. Noch größer ist die Bedeutung der Stückelung der Münzen für gewisse Preise, für welche die Sitte Zahlung in "runden Summen" vorschreibt. Hierher gehören vor allem Trinkgelder, Honorare und dergleichen.
§ 16. Professor Walter Lotz beschäftigt sich in einer Besprechung, die er der ersten Auflage dieses Werkes gewidmet hat 1, auch mit der Kritik, die ich an Laughlins Erklärung der Wertgestaltung des österreichischen Silberguldens in den Jahren 1879-1892 geübt habe 2. Seine Ausführungen erwecken ganz besonderes Interesse, weil sie eine ausgezeichnete Gelegenheit bieten, an einem Beispiel den Unterschied aufzuweisen, der in der Auffassung und Lösung der Probleme durch die theoretische Arbeit der modernen, auf der subjektivistischen Werttheorie aufgebauten N ationalökonomie einerseits und durch die empirisch-realistische Behandlung der historisch und sozialpolitisch orientierten Schulen von Schmoller und Brentano anderseits besteht. Lotz meint, es sei eine "Geschmacksfrage", ob man meinen Argumenten "irgendwelchen Wert zuerkennen will"; er könne sie "nicht imponierend finden". Er selbst habe sich der Anschauung von Laughlin anfangs nicht anschließen können, bis ihm "Laughlin Tatsachen erzählt hat, die allerdings seine Meinung sehr annehmbar machen". Laughlin habe ihm nämlich erzählt, daß "er in den 80er Jahren in Wien vom führenden Hause der Hochfinanz die Auskunft bekommen hat, man rechne damit, daß irgend wann der Papiergulden in Gold zu einem möglichen Kurse eingelöst werde". Dazu fügt Lotz bei: "Gewiß ist auch von Bedeutung gewesen, daß der Umlauf von Papiergulden und Silbergulden quantitativ recht mäßig war, und daß diese Zahlungsmittel von den öffentlichen Kassen zum Nennwert angenommen wurden; immerhin kann es für die internationale Bewertung des österreichischen Papierguldens keineswegs ganz unerheblich gewesen sein, welche Erwartungen das führende Haus der Wiener Hochfinanz für die Zukunft zu hegen Anlaß hatte; so dürfte es berechtigt sein, seit dieser Mitteilung der Auffassung von Laughlin trotz v. Mises einiges Gewicht beizulegen." Die geheimnisvolle Mitteilung, die Laughlin "vom führenden Hause der Wiener Hochfinanz" gemacht wurde und die er an Lotz weitergegeben hat, war ein secret de Polichinelle. In den zahllosen Artikeln, die die österreichischen und die ungarischen Blätter, vor allem die "Neue freie Presse" in den SOer Jahren dem Valutaproblem gewidmet haben, wird durchaus damit gerechnet, daß österreich-Ungarn zur Goldwährung übergehen werde; der Vorbereitung dieses Schrittes hatte schon die Einstellung der freien Silberprägung im Jahre 1879 gedient. Doch die feststellung dieser von nie1 Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, BI. folge, XLVII. Bd., S.86-93. 2 Vgl. oben S. 107 f.
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Zweites Kapitel.
mand, am wenigsten von mir, bestrittenen Tatsache löst keineswegs, wie Lotz wohl meint, das Problem, das uns beschäftigt; sie steIlt uns erst das Problem, das wir lösen sollen. Daß der Gulden "irgendwann" und ,.zu einem möglichen Kurse" in Gold eingelöst werden sollte, erklärt noch nicht, warum er schon damals gerade so und nicht höher oder tiefer bewertet wurde. Wenn der Gulden in Gold und die Staatsschuldverschreibungen in Gulden eingelöst werden sollten, wie kam es dann, daß die verzinslichen Staatsschuldverschreibungen niedriger geschätzt wurden als die unverzinslichen Guldenstücke und Guldennoten ? Darauf haben wir zu antworten. Man sieht, das Problem beginnt für uns erst dort, wo es für Lotz bereits endet. Freilich, Lotz ist auch bereit zuzugestehen, daß es "auch von Bedeutung" gewesen sei, daß der Umlauf von Papiergulden und Silbergulden "quantitativ recht mäßig" war; U!nd er läßt noch eine dritte Erklärung daneben gelten, daß nämlich diese Zahlungsmittel von den öffentlichen Kassen zum Nennwert angenommen wurden. Es bleibt dabei aber unklar, in weIchem Verhältnis diese Erklärungswege stehen. Daß der erste und der zweite sich schwer vertragen, scheint Lotz entgangen zu sein. Denn wenn der Gulden nur im Hinblick auf seine einstige Einlösung in Gold bewertet wurde, so hätte, soIlte man meinen, es keinen Unterschied ausmachen dürfen, ob mehr oder wenig,er Gulden im Umlauf waren, wofern nicht etwa für die Einlösung nur ein Fonds von gtgfbener Höhe zur Verfügung stand. Der dritte Erklärungsversuch ist überhaupt unzulänglich, da der "Nennwert" des Guldens eben nur wieder der "Gulden" war und es gerade gilt, die liöhe des Guldenwertes zu erklären. Das Verfahren, das Lotz hier einschlägt, um ein Problem der nationalökonomischen Wissenschaft zu lösen, kann nicht zum Ziele führen. Es genügt nicht, die Meinungen von Geschäftsleuten - und seien es auch "führende" Häuser und Männer - einzuholen und sie dann, mit einigen "einerseits" und "anderseits", mit einigen "gewiß auch" und "immerhin" versehen, der Öffentlichkeit zu übergeben. Das Sammeln von" Tatsachen" ist noch lange nicht Wissenschaft. Ganz und gar verfehlt ist es, Äußerungen der im Geschäftsleben stehenden Männer autoritäre Bedeutung beizulegen; auch sie sind für die Nationalökonomie nichts als Material, mit dem sie zu arbeiten hat. W,enn der Geschäftsmann erklären will, wird er gerade so zum "Theoretiker" wie jeder andere; und es liegt kein Grund vor, den Theorien des praktischen Kaufmanns oder Landwirts ein Vorrecht einzuräumen. Auch die Produktionskostentheorie der älteren Schule kann nicht damit bewiesen werden, daß man sich auf die ungezählten Behauptungen der Geschäftsmänner beruft, die die Preisveränderungen durch die Veränderung der Produktionskosten "erklären". Ober öder Stoffhuberei ist manchen heute das Verständnis für das spezifisch Nationalökonomische an den Problemstellungen und Problemlösungen verlorengegangen. Es wäre hoch an der Zeit, sich darauf zu besinnen, daß Nationalökonomie etwas anderes ist als die Arbeit des Reporters, der den Bankier X. und den Großkaufmann Y. darüber befragt, was sie sich über die wirtschaftliche Lage denken.
Drittes Kapitel.
Die vermeintlichen örtlichen Verschiedenheiten des objektiven Tauschwertes des Geldes. § 1. Wir wollen vorerst davon absehen, daß mehrere Geldarten nebeneinander in Verwendung stehen und annehmen, daß in einem bestimmten Gebiet ausschließlich eine einzige Geldart als allgemein gebräuchliches Tauschmittel dient. Das Problem der wechselseitigen Austauschverhältnisse mehrerer Geldarten wird dann im nächsten Kapitel den Gegenstand der Untersuchung bilden. In diesem Kapitel aber fassen wir ein isoliertes geographisches Gebiet von beliebiger Ausdehnung ins Auge, dessen Bewohner in wechselseitigem Verkehr stehen und ein einziges Gut als allgemeines Tauschmittel verwenden. Es macht für unsere Zwecke zunächst keinen Unterschied aus, ob wir uns dieses Gebiet als Territorium mehrerer Staaten oder als Teil eines größeren Staatsganzen oder als besondere staatHche Individualität vorstellen. Erst im Verlauf der Darstellung wird sich die Notwendigkeit herausstellen, einige nebensächliche Modifikationen der allgemeinen Formel zu erwähnen, die sich aus der Ve'rschiedenheit des rechtlichen Geldbegriffes in den verschiedenen Staaten ergeben. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß zwei wirtschaftliche Güter von im übrigen glei-cher Beschaffenheit nicht als Angehörige derselben Gütergattung zu bezeichnen sind, wenn sie nicht an demselben Ort genußbereit liegen; es erscheint in mehrfacher Beziehung zweckmäßiger, sie als Individuen verschiedener Gütergattungen anzusehen, die wechselseitig in dem Verhältnis von Gütern höherer und niederer Ordnung stehen 1. Lediglich beim Gelde ist es zulässig, unter Umständen von der örtlichen Lage abzusehen. Denn im Gegensatz zu den Gebrauchsmöglichkeiten der anderen wirtschaftlichen Güter ist die des Geldes bis zu einem gewissen Grade von den Schranken der geographischen Entfernung befreit. Die Einrichtungen des Scheck- und Giroverkehres und ähnliche Institutionen haben mehr 1
Vgl. oben S. 57 f.
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Drittes Kapitel.
oder minder die Tendenz, den Geldgebrauch von den Schwi,erigkeiten und Kosten der Versendung unabhängig zu machen; sie haben es bewirkt, daß etwa Gold, das in den Kellern der Bank von England lagert, in der ganzen Welt als allgemeines Tauschmittel verwendet werden kann. Wir können uns sehr wohl eine Organisation der Geldmanipulationsabwicklung denken, welche bei ausschließlichem Notengebrauch oder Giroverkehr alle Übertragungen durch Vermitt:ung von Geldbeträgen vollziehen läßt, die ihre Lage unverändert beibehalten; nehmen wir dabei noch an, daß die mit jeder Transaktion verbundenen Unkosten von der Entfernung zwischen den beiden Kontrahenten untereinander und zwischen jedem von ihnen und dem Ort, an dem das Geld lagert, nicht beeinflußt werden - bekanntlich ist dies mitunter, zum Beispiel in den Tarifen, die die Postanstalten und Postscheck anstalten einheben, schon verwirklicht - dann i:.t die Abstraktion von der verschiedenen Lage des Geldes genügend gerechtfertigt. Hingegen müßte eine ähnliche Abstraktion bei den übrigen wirtschaftlichen Gütern als unzulässig bezeichnet werden. Keine Einrichtung kann es ermöglichen, daß Kaffee, der in Brasilien lagert, in Europa konsumiert wird; damit aus dem Produktivgut "Kaffee in Brasilien" das Genußgut "Kaffee in Europa" werde, muß mit jenem noch das komplementäre Gut "Transportmittel" kombiniert werden. Sehen wir nun in dieser Weise von den durch die örtliche Lage des Geldes bedingten Differenzen ab, dann ergibt sich für das zwischen dem Gelde und den übrigen wirtschaftlichen Gütern bestehende Austauschverhältnis nachstehendes Gesetz: Jedes wirtschaftliche Gut, welches nach dem üblichen Sprachgebrauch der Warenkunde im technologischen Sinne genußbereit ist, erhält subjektiven Gebrauchswert als Genußgut an dem Orte, an dem es 'lagert, und als Produktivgut an jenen Orten, in die es zum Konsum gebracht werden kann. Die beiden Wertschätzungen sind ihrer Entstehung nach voneinander unabhängig. für die Bildung des Austauschverhältnisses zwischen dem Gelde und den Waren kommen sie jedoch beide in gleicher Weise in Betracht. Der Geldpreis einer jeden Ware an jedem Orte muß, unter Annahme völlig ungehinderten Verkehrs und wenn wir von den durch die Dauer des Transportes entstehenden Differenzen absehen, gleich sein dem an jedem beliebigen anderen Orte gebildeten Preise, vermehrt oder vermindert um den Geldpreis des Transportes. Nun bereitet es weiter keine Schwierigkeiten, in diese formel
Die örtlichen Verschiedenheiten der Kaufkraft des Geldes.
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den Preis des Geldtransportes einzuführen und ein weiteres Moment, auf welches der Bankier und Geldwechsler großes Gewicht legt, nämlich die durch die etwa erforderliche Umprägung von Münzen entstehenden Kosten. Alle diese Faktoren, deren umständliche Aufzählung weiter kein Interesse bietet, vereinigen sich in ihrer Wirkung auf den Wechselkurs (Scheckkurs, Auszahlungskurs u. dgl.) zu einer Resultante, die dann mit ihrem positiven oder negativen Vorzeichen als besondere Größe in unsere Rechnung einzuführen ist. Um. jedes Mißverständnis auszuschließen, sei nochmals ausdrücklich bemerkt, daß wir hier nur den Wechselkurs zwischen Orten, an denen die gleiche Geldart üblich ist, im' Auge haben, wobei es wieder gleichgültig ist, ob auch dieselben Geldstücke in beiden Orten gesettliche Zahlungskraft haben. Der seinem Wesen nach anders gestaltete Wechselkurs zwischen verschiedenen Geldarten soll uns erst im folgenden Kapitel beschäftigen.
§ 2. Im Gegensatz zu dem eben entwickelten Gesetz vom interlokaIen Preisniveau steht die volkstümiJiche Anschauung von den örtlichen Verschiedenheiten der Kaufkraft des Geldes. Die Behauptung, daß die Kaufkraft des Geldes auf den verschiedenen Märkten zur gleichen Zeit eine vers<:hiedene sei, wird immer wieder aufgestellt und mit statistischen Daten belegt. Wenig nationalökonomische Ansichten haben in der Laienwelt so feste Wurzeln gefaßt wie diese. Reisende pflegen sie in der Regel als durch eigene Beobachtung gewonnene Erkenntnis mit nach Hause zu bringen. Wenig Deutsche aus dem Reiche, die im Anfang des 20. Jahrhunderts Österreich besucht haben, haben daran gezweifelt, daß der Wert des Geldes in Deutschland höher stehe als in Österreich. Daß der objektive Tauschwert des Goldes, unseres Sachge~des xac' igOX~l" sich in den ,einzelnen Ländern der Erde vers·chieden hoch stelle, gilt auch in der nationalökonomischen Literatur als feststehende Wahrheit 1. Wir haben gesehen, wo hier der Trugschluß steckt und dürfen uns überflüssige Wiederholungen sparen. Es ist die Außerachtlassung des Momentes der örtlichen Lage der wirtschaftlichen Güter, ein Überbleibsel der grobsinnlichen Auffassung der wirtschaftlichen Probleme, die die Schuld an der Begriffsverwirrung trägt. Alle jene angeblichen lokalen Verschiedenheiten der Kaufkraft des Geldes lassen sich auf diese Weise einfach erklären. Es ist unzulässig, aus 1 Vgl. Senior, Three Lectures on the Cost of Obtaining Money, a. a. S. 1 ff.
O.~
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Drittes Kapitel.
der verschiedenen Höhe des Weizenpreises in Deutschland und in Rußland auf eine 'Verschiedenheit der Kaufkraft des Geldes in beiden Ländern zu schließen, da doch Weizen in Rußland und Weizen in Deutschland zwei verschiedene Gütergattungen darstellen. Zu welch .absurden Schlüssen würde man gelangen, wenn man Waren, die in Zoll- und Steuerfreilagern unverzollt oder unversteuert liegen, und solche von technologisch gleicher Gattung, die bereits verrollt oder versteuert sind, als Angehörige der gleichen Gattung im wirtschaftlichen Sinne ansehen wollte. Man müßte dann wohl annehmen, daß die Kaufkraft des Geldes in einzelnen Gebäuden oder Bezirken einer Stadt verschieden sein könne. Wer es vorzieht, bei dem Sprachgebrauch der Warenkunde zu bleiben, und es für zweckmäßiger erachtet, die Gütergattungen lediglich nach äußeren Momenten zu trennen, dem kann man solches Vorgehen allerdings nicht verwehren. über terminologische Fragen zu streiten, wäre ein müßiges Beginnen. Nicht um die Worte handelt es sich uns, sondern um die Sache. Es müßte also bei Anwendung jener, wie wir glauben, minder entsprechenden Ausdrucksweise' in einer anderen Form für die volle Berücksichtigung der aus der Verschiedenheit des Ortes, an dem die Ware genußbereit gestellt ist, sich ergebenden Unterschiede Sorge getragen werden. Es genügt dabei nicht, lediglich die Transportkosten und die Zölle und indirekten Abgaben in Betracht zu ziehen. Es müssen zum Beispiel auch die Wirkungen der direkten Steuern, die ja zum größten Teil ebenfalls überwälzt werden, in die Rechnung eingestellt werden. Uns scheint unsere Terminologie die zweckmäßigere zu sein. Sie hebt mit größter Deutlichkeit hervor, daß die Kaufkraft des Geldes allüberall auf Erden die Tendenz zur Ausgleichung aufweist und daß ihre vermeintlichen Verschiedenheiten fast durchaus durch die Verschiedenheit der Qualität der angebotenen und verlangten Waren erklärt werden können, so daß nur ein kleiner, kaum eine besondere Berücksichtigung erheischender Rest übrig bleibt, den die Verschiedenheit der Qualität des angebotenen und nachgefragten Geldes erklärt. Das Bestehen jener Tendenz selbst wird kaum in Abrede gestellt. Die Kraft, mit der sie wirkt, und dementsprechend auch ihre Bedeutung werden jedoch verschieden beurteilt, und der alte Satz der Klassiker, daß das Geld wie jede andere Ware stets den Markt des höchsten Wertes aufsuche, wird als Irrtum bezeichnet. Wies er hat darauf
Die örtlichen Verschiedenheiten der Kaufkraft des Geldes.
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hingewiesen, daß der Geldverkehr im Tausch durch den Warenverkehr induziert werde, daß er eine Hilfsbewegung sei, die nur in dem Maße vollzogen würde, als sich' die Hauptbewegung vollziehen lasse. Die internationale Bewegung der Waren sei aber im Vergleich zum inländischen Verkehr auch heute noch überall merklich geringer; der volkswirtschaftlich ausgeglichene Preisstand, der geschichtlich überliefert sei, werde nur für verhältnismäßig wenige Waren durchbrochen, deren Preis weltwirtschaftlich festgestellt werde, der geschichtlich überlieferte nationale Geldwert behaupte daher überwiegend noch seinen Platz. Erst dann, wenn an Stelle der heute noch dominierenden nationalen eine volle weltwirtschaftlkhe Produktions- und Arbeitsgemeinschaft sich durchgerungen hätte, würde es anders werden, aber bis dahin habe es noch geraume Zeit. Vorläufig sei das Hauptelement der Produktion, die Arbeitskraft, überall noch national gebunden; ein Volk nehme die technischen und organisatorischen Fortschritte des Auslandes doch nur in dem Grade auf, als seine geschichtliche Eigenart der durchschnittlichen Bildung und Willensenergie es zulasse, es wende sich auch im allgemeinen - von einigen Ausnahmen abgesehen - nicht so leicht den Arbeitsgelegenheiten des Auslandes zu, während innerhalb der Heimat Unternehmer und Lohnarbeiter in großen Zügen wandern. Daher behaupte der Lohn überall seinen geschichtlich bedingten nationalen Stand und damit bleibe das wichtigste Element der Kostenrechnung geschichtlich national bedingt, und dasselbe gelte von den meisten anderen Elementen des gesellschaftlichen Abrechnungsprozesses. In der Hauptsache gelte der geschichtlich überlieferte Geldwert als Maßstab der gesellschaftlichen Kostenrechnung und Wertabrechnung weiteT. Die internationalen Berührungen seien einstweilen noch nicht stark genug, um die nationalen Produktionsweisen durchaus auf den gleichen weltwirtschaftlichen Maßstab zu heben und die Abstände der geschichtlich überlieferten nationalen Tauschwerte des Geldes zu verwischen 1. Man wird diesen Ausführungen, die sich den Gedankengängen der Produktionskostenwerttheorie nähern und daher mit den Grundsätzen der subjektiven Wertlehre nicht zu vereinbaren sind, kaum zustimmen können. Daß die Produktionskosten örtlich stark von1 Vgl. Wies er, Der Geldwert und seine Veränderungen, a. a. 0., S. 531 f.
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Drittes Kapitel.
einander abweichen, wird niemand bestreiten wollen. Daß dies einen Einfluß auf den Preis der Waren und auf die Kaufkraft des Geldes ausübt, muß jedoch verneint werden. Die entgegengesetzte Tatsache folgt zu klar aus den Grundsätzen der Preistheorie, wird uns tagtäglich allzu deutlich auf dem Markte vor Augen geführt, als daß sie noch eines besonderen Beweises bedürfte. Der Konsument, der die billigste Versorgung, und der Produzent, der den lohnendsten Absatz sucht, begegnen einander in dem Bestreben, den Preis von den Bedingungen des lokalen Marktes zu befreien. Wer kaufen will, fragt wenig nach den nationalen Produktionskosten, wenn die des Auslandes tiefer sind. Und weil dem so ist, ruft der mit höheren Produktionskosten arbeitende Produzent nach Schutzzöllen. Daß die Verschiedenheit des Arbeitslohnes in den einzelnen Ländern nicht imstande ist, den Preisstand der Waren zu beeinflussen, zeigt am besten der Umstand, daß auch die Länder mit hohem Lohnniveau in der Lage sind, die Märkte der Länder mit niedrigem Lohnniveau zu beschicken. Die örtlichen Verschiedenheiten der Preise für Waren von technologisch gleicher Beschaffenheit sind einerseits durch die Verschiedenheit der Kosten ihrer Bereitstellung zum Genuß ('Transportspesen, Kosten des Verschleißes an Ort und SteIle u. dgl.) zu erklären und andererseits durch faktische und rechtliche Umstände, welche die Freizügigkeit der Menschen und Waren hemmen.
§ 3. In einer gewissen Verwandtschaft zu der Behauptung von den örtlichen Verschiedenheiten der Kaufkraft des Geldes steht die weit verbreitete Anschauung von den örtlichen Verschiedenheiten der Kosten der Lebenshaltung; hier "lebe man" biIIiger, dort teuerer. Malt könnte annehmen, daß die beiden Aussagen sich decken, daß es dasselbe sei, ob (1913) gesagt wird, die österreichische Krone sei weniger "wert" als 85 Pfennig, welcher Betrag der Goldparität entspricht, oder ob gesagt wird, das "Leben" sei in Österreich teuerer als im Reiche. Dies ist jedoch nicht richtig. Die beiden Sätze sind keineswegs identisch. Wird die Meinung "ertreten, daß das Leben an einem Orte kostspieliger sei als an einem anderen, so ist darin noch keineswegs auch die Behauptung einer Verschiedenheit der Kaufkraft des Geldes enthalten. Auch bei voIlständiger Gleichheit des Austauschverhältnisses zwischen dem Gelde und den übrigen wirtschaftlichen Gütern kann es vorkommen, daß die Erzielung des gleichen Standes der Bedürfnisbefriedigung demselben Subjekt an verschiedenen Orten
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ungleiche Kosten bereitet. Dies kann vor allem dann der Fall sein, wenn der Aufenthalt an einem bestimmten Orte Bedürfnisse weckt, die demselben Individuum an einem anderen Orte unbekannt geblieben wären. Derartige Bedürfnisse können sozialer oder physischer Art sein. So meint der Engländer der höheren Stände auf dem Kontinente billiger zu leben, da er zu Hause genötigt ist, einer Reihe von gesellschaftlichen Verpflichtungen nachzukommen, die für ihn in der Fremde nicht bestehen. Das Leben in der Großstadt ist auch schon deshalb teuerer als das auf dem Lande, weil die unmittelbare Nähe mannigfacher Genußmöglichkeiten das Verlangen reizt und Bedürfnisse hervorruft, die dem Provinzler fremd sind. Wer häufig Theater, Konzerte, Kunstausstellungen und ähnliche Darbietungen genießt. gibt natürlicherweise mehr Geld aus als jemand, der sonst in ähnlichen Verhältnissen lebt, auf diese Genüsse jedoch verzichten muß. Dasselbe gilt von den physischen Bedürfnissen des Menschen. Der Europäer muß in tropischen Gegenden eine Reihe von Vorsichtsmaßregeln zum Schutze seiner Gesundheit ergreifen, die in der gemäßigten Zone überflüssig wären. ArIe' diese Bedürfnisse, deren Entstehung von örtlichen Verhältnissen abhängt, fordern zu ihrer Befriedigung einen bestimmten Gütervorrat, der sonst zur Deckung anderer Bedürfnisse verwendet worden wäre, und vermindern damit das dem Menschen mittels eines bestimmten Gütervorrates erzielbare Maß von Befriedigung. Die Behauptung, daß die Kosten der Lebenshaltung örtlich verschieden seien, bedeutet mithin nichts anderes, als daß dasselbe individuum mit dem gleichen Gütervorrat an verschiedenen Orten nicht das gleiche Maß von Bedürfnisbefriedigung erzielen kann. Einen Grund dieser Erscheinung haben wir eben angedeutet. Die Anschauung von der örtlichen Verschiedenheit der Kosten der Lebenshaltung wird aber außerdem noch mit dem Hinweis auf die örtlichen Verschiedenheiten der Kaufkraft des Geldes gestützt. Wir konnten nachweisen, daß diese Auffassung unkorrekt ist. Ebensowenig wie man aus der Verschiedenheit der Hotelpreise auf den Berggipfeln und in den Tälern der Alpen auf eine Verschiedenheit des objektiven Tauschwertes des Geldes' schließen und etwa den Satz formulieren darf, die Kaufkraft des Geldes sinke mit zunehmender Meereshöhe, ebensowenig empfiehlt es sich, von einer Verschiedenheit der Kaufkraft im Deutschen Reiche und in Österreich zu sprechen. Die Kaufkraft ist überall die gleiche, aber die angebotenen
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Drittes Kapitel.
Waren sind nicht dieselben; sie sind in einem für ihre wirtschaftliche Qualität bedeutsamen Punkte, in der örtlichen Lage der Stelle, an der sie zum Konsum bereitstehen, verschieden. Wenn nun aber auch die Austauschverhältnisse zwischen dem Gelde und den wirtschaftlichen Gütern völlig gleicher Beschaffenheit an allen Orten eines einheitlichen Marktgebietes, welches die gleiche Geldart verwendet, zur selben Zeit die gleichen sind und alle scheinbaren Ausnahmen sich auf die Verschiedenheit ihrer Lagequalität zurückführen lassen, so ist nichtsdestoweniger festzustellen, daß die durch die verschiedene Lage und die dadurch bedingten Qualitätsv.erschiedenheiten der wirtschaftlichen Güter hervorgerufenen Preis differenzen unter gewissen Umständen zur subjektiven Rechtfertigung der Behauptung von der Verschiedepheit der Kosten der Lebenshaltung geeignet sind. Wer freilich Karlsbad seiner Gesundheit wegen aufsucht, folgert mit Unrecht aus dem höheren Preis der Wohnungen und Lebensmittel, daß man in diesem Bade um dasselbe Geld weniger genießen könne als anderwärts und daß daher das Leben dort teurer sei. Dieser Schluß beachtet nicht die verschiedene Qualität der Darbietungen, deren Preise verglichen werden. Gerade diese Qualitätsverschiedenheit ist es ja, um derentwillen der Fremde Karlsbad aufsucht, da sie für ihn einen bestimmten Wert hat. Wenn er in Karlsbad für dieselbe Menge von Genüssen mehr zahlen muß, so hat dies seinen Grund eben darin, daß er bei jedem Genuß auch den Preis dafür entrichtet, daß er ihn in der nii.chsten Nähe der heilbringenden Quellen zu sich nehmen kann. Anders liegt die Sache beim Geschäftsmann, beim Arbeiter,. beim Beamten, die lediglich ihr Beruf in Karlsbad festhält. Für ihre Bedürfnisbefriedigung hat die Nachbarschaft des Sprudels keine Bedeutung, und daß sie zu jedem Gute und zu jeder Dienstleistung, die sie kaufen, ihretwegen einen Aufschlag entrichten müssen, wird ihnen, da ihre Bedürfnisbefriedigung dadurch nicht erhöht wird, als Schmälerung ihrer sonstigen Genußmöglichkeiten erscheinen. Wenn sie ihre Lebenshaltung mit derjenigen vergleichen, die sie bei gleichem Aufwande in einem Nachbarort führen könnten, werden sie zum Schluß gelangen, daß das Leben im Badeort wirklich teurer sei als anderwärts. Sie werden ihre Tätigkeit nur dann nach dem teuren Badeort verlegen, wenn sie annehmen, hier ein entsprechend höheres Geldeinkommen erzielen zu können, welches ihnen erlaubt, den gleichen Versorgungsstand zu erreichen wie anderwärts. Bei der Vergleichung
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des erreichbaren Zustandes der Bedürfnisbefriedigung werden sie abeJ' den Vorteil, die Genüsse gerade im Badeort und nicht anderwärts befriedigen zu können, außer acht lassen, da diesem Umstand in ihren Augen kein Wert zukommt. Jede Art von Arbeitslohn wird daher, bei Annahme voller Freizügigkeit, im teuereren Badeorte höher stehen. Vom Unternehmerlohn ist dies allgemein bekannt. Es gilt aber auch von den Beamtengehalten. Die Regierung gewährt daher ihren Angestellten, die ihren Amtssitz in "teueren" Orten nehmen müssen, eine besondere Zulage, um sie jenen Funktionären gleichzustellen, die in billigeren Orten wohnen dürfen. Auch die Handarbeiter müssen durch' höheren Lohn für die teuerere Lebenshaltung entschädigt werden. Jetzt verstehen wir auch die Bedeutung des Satzes: man lebe in Österreich teuerer als in Deutschland, dem ein bestimmter Sinn zukommt, trotzdem eine Verschiedenheit der Kaufkraft des Geldes zwischen den beiden Ländern nicht besteht. Nicht Waren gleicher Beschaffenheit sind es, deren verschiedener Preis in den beiden Gebieten uns auffällt. Sie sind vielmehr in einem wesentlichen Punkt verschieden: es sind andere Orte, an denen sie dem Verbrauch zur Verfügung stehen. Physikalisch-geographische Ursachen einerseits, sozial-rechtliche anderseits verleihen diesem Unterschied eine entscheidende Bedeutung für die Preisbestimmung. Wem es von Wert ist, als ÖSterreicher in ÖSterreich unter Österreichern zu wirken, wer hier die Wurzeln seiner Kraft hat, und anderwärts wegen Unkenntnis der Spra.che, Landessitten, wirtschaftlichen Verhältnisse und dergleichen gar nicht leben könnte, würde jedoch mit Unrecht aus einem Vergleich der Warenpreise im Ausland und LU Hause den Schluß ziehen, daß die Lebenshaltung im Inlande teuerer sei. Er darf nicht vergessen, daß er in jedem Preise auch den Preis dafür zahlt, den Genuß gerade in Österreich befriedigen zu dürfen. Wer als unabhängiger Rentner die freie Wahl des Aufenthaltsortes hat, ist in der Lage, sich zu entscheiden, ob er ein Leben mit äuß,erlich schlechterer Bedürfnisversorgung im Heimatlande im Kreise der Stammesgenossen einem solchen mit äußerlich besserer Bedürfnisversorgung in der Fremde unter Fremden vorzieht oder nicht. Die Mehrzahl der Menschen ist der Qual solcher Wahl allerdings enthoben; für sie ist das "bleibe zu Hause" eine Existenzfrage, eine Auswanderung unmöglich. Fassen wir es zusammen: Das zwischen den Waren und dem
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Drittes Kapitel.
Gelde bestehende Austauschverhältnis ist allenthalben dasselbe. Aber die Menschen und ihre Bedürfnisse sind nicht überall dieselben und ebensowenig die Waren. Nur wer diese Verschiedenheiten nicht beachtet, spricht davon, daß die Kaufkraft des Geldes örtlich verschieden und das Leben hier teuerer und dort wohlfeiler sei.
Viertes Kapitel.
Das wechselseitige Austauschverhältnis mehrerer Geldarten. § 1. Die Entstehung eines Austauschverhältnisses zwischen zwei Geldarten setzt voraus, daß beide gleichzeitig von denselben Wirtschaftssubjekten nebeneinander als allgemeines Tauschmittel gebraucht werden. Man könnte allenfalls annehmen, daß zwei im übrigen in keinem Verkehr stehende Volkswirtschaften durch eine einzige Tauschbeziehung in der Weise verbunden sind, daß jede ihr Geldgut gegen das der anderen wegen seiner anderweitigen Verwendungsmöglichkeiten austauscht; aber in diesem Falle würde es sich nicht um ein lediglich aus dem monetären Gebrauch entstandenes Austauschverhältnis handeln. Wollen wir unsere Untersuchung mit Erfolg als geldtheoretische führen, dann müssen wir auch in diesem Kapitel von den anderweitigen Verwendungsmöglichkeiten des Geldstoffes beim Sachgeld absehen und sie lediglich dort in Betracht ziehen, wo dies im Interesse der vollständigen KlarsteIlung aller mit unserem Problem zusammenhängenden Vorgänge von Wichtigkeit ist. Wenn wir nun behaupten, daß, abgesehen von den durch die industrielle Verwendung des Geldstoffes entstehenden Beziehungen, ein Austauschverhältnis zwischen zwei Geldarten nur dann entstehen kann, wenn beide gleichzeitig nebeneinander als Geld gebraucht werden, so treten wir damit in Gegensatz zur üblichen Auffassung. Die herrschende Meinung unterscheidet nämlich zwei Fälle: das Nebeneinanderbestehen zweier oder mehrerer inländischer Geldarten in der Parallelwährung und den ausschließlichen Gebrauch einer von den Geldarten des Auslandes verschiedenen Geldart im Inlande; Die beiden Fälle werden selbständig behandelt, obwohl sie für die theoretische Betrachtung der Bildung des wechselseitigen Austauschverhältnisses der beiden Geldarten identisch sind. Wenn ein Land der Goldwährung und ein solches der Silberwährung im Tauschverkehr stehen, mithin für eine Reihe von wirtschaftlichen Gütern einen einheitlichen Markt bilden, dann ist es offenbar unrichtig, zu lehaupten, daß für die Bewohner des Goldlandes nur das Gold, '. Mlsu, Theorie des Oeldes. 2. Aufl.
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Viertes Kapitel.
für die des Silberlandes nur das Silber allgemeines Tauschmitte1 sei. Für jedes der beiden Gebiete kommen vielmehr ökonomisch beide Metalle als Geld in Betracht. Vor 1873 war für den Deutschen, der englische Waren bezog, das Gold ebenso Tauschmittel wie für den Engländer, der deutsche Waren bezog, das Silber. Der deutsche Landwirt, der Getreide gegen englische Stahlwaren eintauschen wollte, konnte diesen Tausch nur dann bewirken, wenn er den Tauschakt sowohl durch Silber als auch durch Gold vermittelte. Ausnahmsweise konnte daneben auch der Fall vorkommen, daß ein Deutscher in England gegen Gold verkaufte und wieder mit Gold kaufte, oder daß ein Engländer in Deutschland gegen Silber verkaufte und mit Silber kaufte; hier tritt die Geldeigenschaft jedes der beiden Metalle für die Einwohner beider Gebiete nur noch deutlicher hervor. Ob es sich um einfach oder mehrfach durch Geld vermittelten Tausch handelt, allein die Feststellung ist von Wichtigkeit, daß die internationalen Verkehrsbeziehungen die Folge haben, daß das Geld eines jeden an ihnen teilnehmenden Einzelgebietes auch für alle anderen Einzelgebiete Geld wird. Wichtige Unterschiede bestehen freilich zwischen jenem Gelde, welches im inländischen Verkehr die erste Stelle einnimmt, die große Masse aller Tauschakte vermittelt, im Verkehr der Konsumenten mit den Verkäufern gebrauchsfertiger Güter und im Darlehensverkehr vorherrscht und von der Rechtsordnung als gesetzliches Zahlungsmittel anerkannt ist, und jenem Gelde, welches nur für einen recht kleinen Teil der Umsätze in Verwendung kommt, vom Konsumenten kaum jemals zum Einkaufe verwendet wird und auch nicht als Vermittler des Darlehensverkehres und als gesetzliches Zahlungsmittel fungiert. In der Meinung der großen Menge ist nur jenes Geld des Inlandes, das andere aber ausländisches Geld. Muß man auch diese Auffassung hier ablehnen, wenn man sich nicht den Weg zur Erkenntnis des Problems, das uns an dieser Stelle beschäftigt, versperren will, muß doch betont werden, daß ihr in anderer Beziehung eine große Bedeutung zukommt; davon wird in dem Kapitel, das von den sozialen Begleiterscheinungen der Bewegungen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes handelt, noch die Rede sein.
§ 2. Für das wechselseitige Austauschverhältnis zweier oder mehrerer Geldarten, gleichviel ob es sich um in einem und demselben Lande koexistierende Geldarten (Parallelwährung) oder um,
Das wechselseitige Austauschverhältnis mehrerer Oeldarten.
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populär gesprochen, das Verhältnis von Auslandsgeld und Inlandsgeld handelt, ist das zwischen den einzelnen wirtschaftlichen Gütern und den einzelnen Geldarten bestehende Austauschverhältnis maßgebend. Die Geldarten werden in dem Verhältnisse ausgetauscht, das dem zwischen jeder von ihnen und den übrigen wirtschaftlichen Gütern bestehenden Austauschverhältnisse entspricht. Wenn 1 kg Gold gegen m kg Waren einer bestimmten Gattung und 1 kg Silber m
gegen 15 1 /2 kg Waren derselben Gattung ausgetauscht werden, dann wird sich das Austauschverhältnis des Goldes und Silbers wie 1 : 15 1/2 stellen. Tritt eine Störung ein, welche dieses Austauschverhältnis zwischen den beiden Geldarten, das wir das statische oder natürliche nennen wollen, nach der einen oder nach der anderen Seite zu verschieben trachtet, dann werden automatisch Kräfte ausgelöst, die es wiederherzustellen suchen 1. ,Wir betrachten den fall zweier Länder, von denen jedes im inländischen Verkehr nur ein Geldgut verwendet, und zwar ein von dem im anderen Lande als Geld verwendeten verschiedenes. Wenn die Angehörigen zweier Gebiete mit verschiedener Währung, die ihre Waren bis nun ohne Dazwischentreten des Geldes direkt ausgetauscht haben, anfangen, sich zur Durchführung ihrer Geschäfte des Geldes zu bedienen, dann werden sie das Austauschverhältnis der beiden Geldarten an das zwischen dem Gelde und den Waren bestehende Austauschverhältnis anknüpfen lassen. Nehmen wir an. ein Goldwährungsland und ein Silberwährungsland hätten Tuch und ,Weizen in direktem Tausche getauscht, wobei für einen Meter Tuch ein Zentner Weizen gegeben worden sei. Der Preis des Tuch.es im Ursprungslande sei ein Gramm Gold für den Meter, der des Weizens 15 Gramm Silber für den Zentner. Geht nun auch der internationale Verkehr zum Geldgebrauch über, dann muß sich der Preis des Goldes, in Silber ausgedrückt, auf 15 stellen. Würde er sich höher, etwa auf 16 stellen, dann würde der indirekte, durch Geld vermittelte Tausch für die Weizenbesitzer gegenüber dem direkten Tausch mit einem Nachteil verknüpft sein; sie würden im indirekten Tausch für den Zentner Weizen nur 15/16 Meter Tuch 1 Die von mir vertretene, von Ricardo stammende Theorie. wird jetzt besonders eindringlich von Cassel vertreten. Casse1 nennt das statische Austauschve~hältnis purchasing power parity. Vgl. Cassel, Money and Foreign Exchange after 1914, Lortdon 1922, S. 181 f.
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Viertes Kapitel.
erzielen gegenüber einem ganzen Meter im direkten Tausch. Derselbe Nachteil entstünde für die Tuchbesitzer, wenn sich der Preis des Goldes tiefer, etwa auf 14 g Silber stellen würde. Mit dieser Darlegung soll natürlich nicht etwa gesagt sein, daß sich das Austauschverhältnis der verschiedenen Geldarten historisch in dieser Weise entwickelt habe. Sie wiII als logische, nicht als historische Erklärung verstanden sein. für die beiden Edelmetalle Gold und Silber muß besonders bemerkt werden, daß ihre wechselseitigen Austauschverhältnisse langsam gleichzeitig mit der Entwicklung ihrer GeldsteIlung herausgewachsen sind. Bestehen zwischen den Einwohnern zweier Gebiete keine anderen Beziehungen als die des naturalen Tausches, dann können sich Überschüsse zugunsten des einen oder anderen Teiles nicht ergeben. Der objektive Tauschwert der von jedem der beiden kontrahierenden Teile hingegebenen Warenmenge, gleichviel, ob es sich um Gegenwartsgüter oder Zukunftsgüter handelt, und Dienstleistungen muß gleich sein. Jede stellt den Preis der anderen dar. Daran ändert sich auch nichts durch den Umstand, daß der Tausch nicht mehr unvermittelt vor sich geht, sondern als indirekter Tausch durch ein oder mehrere allgemeine Tauschmittel vermittelt wird. Man hat lange Zeit die Überschüsse. der Zahlungsbilanz, die nicht durch Leistung von Waren und Diensten, sondern durch Geldversendung gedeckt werden, lediglich als folge der Gestaltung der Verhältnisse des internationalen Austausches von Gütern und Dienstleistungen angesehen. Es ist eine der Großtaten der klassischen Nationalökonomie, den fundamentalen Irrtum, der in dieser Auffassung steckt, aufgedeckt zu haben. Sie hat den Nachweis dafür erbracht, daß die internationalen Geldströmungen nicht die folgeerscheinung der Gestaltung des Warenaustausches sind, daß sie die Ursache und nicht die folgen der günstigen oder ungünstigen Zahlungsbilanz darstellen. Die Edelmetalle verteilen sich auf die einzelnen Individualwirtschaften und mithin auch auf die einzelnen Volkswirtschaften nach Maßgabe der Größe und Intensität ihres Geldbedarfes. Kein Individuum und keine Volkswirtschaft muß fürchten, jemals weniger Geld zu besitzen, als ihrem Geldbedarf entspricht. Staatliche Maßregeln, welche die internationalen Geldströmungen regu:ieren wollen, um der Volkswirtschaft die benötigten Geldbeträge zu sichern, sind ebensowenig erforderlich und zweckdienlich wie etwa Eingriffe zur Sicherung des Getreidebedarfes, des Eisenbedarfes und dergleichen. Der merkanti-
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listischen Theorie war damit der Todesstoß versetzt worden 1. Dennoch bereitet das Problem der Verteilung des Geldes unter die Völker den Staatsmännern noch heute viel Sorge. Die Midas-Theorie, vom Merkantilismus in ein System gebracht, hat jahrhundertelang die Richtschnur für die handelspolitischen Maßnahmen der Regierungen gebildet. Sie beherrscht, trotz Hume, Smith und Ricardo, noch immer die Geister mehr, als man glauben sollte. Dem Phönix gleich erhebt sie sich immer wieder aus der Asche. Mit sachlichen Argumenten dürfte ihr auch kaum beizukommen sein; denn sie zählt ihre Anhänger unter jenen großen Scharen der Halbgebildeten, die sich selbst den einfachsten Gedankengängen verschließen, wenn sie fürchten, Iiebgewordene, alteingewurzelte Vorstellungen opfern zu müssen. Bedauerlich ist nur, daß diese laienhaften Ansichten nicht nur in der wirtschaftspolitischen Diskussion der Gesetzgeber, der Presse - auch der Fachblätter - und der Geschäftsleute 'Vorherrschen, sondern auch noch immer in der wissenschaftlichen literatur einen breiten Raum einnehmen. Schuld daran trägt wieder die Unklarheit über das Wesen der Um:aufsmittel und die Bedeutung, die diesen für die Gestaltung der Preise zukommt. Die Gründe, welche seinerzeit, zuerst in England und dann in allen übrigen Ländern, für die Begrenzung des nicht durch Geld gedeckten Noten~ umlaufes geltend gemacht wurden, sind von den modernen Schriftstellern, die sie nur aus zweiter und dritter Hand kennen, nie verstanden worden. Daß sie im allgemeinen für ihre Beibehaltung eintreten oder doch wenigstens nur solche Modifikationen fordern, die das Prinzip unangetastet lassen, entspricht lediglich der Scheu, eine Einrichtung, die sich im großen und ganzen doch zweifellos bewährt hat, durch ein System zu ersetzen, dessen Wirkungen sie, denen die Erscheinungen des Marktes ein unlösbares Rätsel bilden, natürlich am allerwenigsten absehen können. Wenn diese Schriftsteller nach einer Motivierung für die Bankpolitik der Gegenwart suchen, dann finden sie keine andere als die, welche unter dem Schlagwort vom Schutze des nationalen Edelmetallvorrates bekannt ist. Wir können über diese Ansichten an dieser Stelle um so leichter hinweggehen, als wir im dritten Teile noch Gelegenheit haben wer1 Vgl. Senior, Three Lectures on the Transmission of the Precious Metals from Country to Country and the Mercantile Theory of Wealth, London 1828, S. 5 ff.
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Viertes Kapitel.
den, uns mit dem eigentlichen Sinn der Bankgesetze, die den Notenumlauf begrenzen, zu befassen. Das Geld strömt nicht dorthin, wo der Zinsfuß am höchsten steht; es ist auch nicht richtig, daß es die reichsten Völker seien, die das Geld an sich ziehen. Wie für jedes andere wirtschaftliche Gut, so gilt auch für das Geld der Satz, daß seine Verteilung unter pie einzelnen wirtschaftenden Subjekte dem Grenznutzen folgt. Wir müssen zunächst von den geographischen und politischen Begriffen wie Land und Staat völlig absehen und einen Zustand ins Auge f~sen, in dem Geld und Waren in einem einheitlichen Marktgebiete frei beweglich sind. Wir setzen ferner voraus, daß alle Zahlungen, die nicht durch Kompensation oder durch Konfusion von Forderungen getilgt werden, nur durch Geldübertragung und nicht auch durch Zession von Umlaufsmitteln vollzogen werden, daß also ungedeckte Noten und Kassenführungsguthaben nicht bekannt sind. Mit dieser Annahme nähern wir uns wieder der einer purely metallic currency der englischen Theoretiker der Currencyschule, wobei wir jedoch mit Hilfe unseres präzisen Begriffes des Umlaufsmittels die Unklarheiten und Mängel, die jener Auffassung anhafteten, vermeiden. In einem Zustand, in' dem diese unsere Voraussetzungen jlUtreffen, strebt die Verteilung aller wirtschaftlichen Güter, also auch del> Geldes, unter die einzelnen Individuen einer Gleichgewichtslage zu, die dann erreicht ist, bis kein Individuum weiter einen Tauschakt vornehmen kann, der ihm einen Gewinn, einen Zuwachs an subjektivem Wert bringen kann. Der gesamte Geldvorrat ist dann - gerade so wie die Gesamtvorräte der einzelnen Waren - unter die wirtschaftenden Subjekte nach Maß der Intensität verteilt, mit der sie ihre Nachfrage auf dem! Markte zum Ausdruck zu bringen wußten. Eine jede Verschiebung der auf das zwischen dem Geld und den übrigen wirtschaftlichen Gütern bestehende AustauschverhäItnis einwirkenden Kräfte bringt auch eine entsprechende Änderung in dieser Verteilung hervor, bis wieder der neue Ruhestand eintritt. Das gilt von den einzelnen Individuen, das gilt aber auch von der Gesamtheit aller Individuen eines bestimmten Gebietes. Denn der Güterbesitz und der Güterbedarf der Nationen sind nichts anderes als die Summe des Güterbesitzes und des Güterbedarfes aller wirtschaftenden Subjekte jeder Nation, sowohl der privaten als auch der öffentlichen, unter denen der Staat als solcher zwar eine wichtige, ,aber doch lange keine überragende Stellung einnimmt.
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Die Saldi der Zahlungsbilanz sind nicht die Ursache, sondern bloße Begleiterscheinungen der Geldströmungen. Denn wenn man durch den Schleier, mit dem die Formen des Geldverkehres das Wesen des Gütertausches verhüllen, hindurch blickt, dann werden auch im internationalen Verkehr Waren gegen Waren durch Vermittlung des Geldes getauscht. Wie das einzelne Individuum, so will auch die Summe aller Individuen einer Volkswirtschaft in letzter Linie nicht Geld, sondern andere wirtschaftliche Güter erwerben. Ist der Stand der Zahlungsbilanz ein solcher, daß Geldströmungen von einem Lande in das andere, die nicht durch die geänderte Wertschätzung der Bewohner für das Geld bedingt sind, entstehen müßten, dann werden Geschäfte ausgelöst, welche die beiden Seiten der Wage wieder zum Einstand bringen. Diejenigen Personen, denen mehr Geld zufließt, als ihrem Bedarf entspricht, werden sich beeilen, die überschüssige Menge so schnell als möglich wieder auszugeben, sei es, daß sie Produktivgüter, oder sei es, daß sie Genußgüter einkaufen. Anderseits werden diejenigen Personen, deren Geldvorrat unter die durch ihren Geldbedarf bezeichnete Höhe gesunken ist, genötigt sein, durch Einschränkung ihrer Einkäufe oder durch Veräußerung von in ihrem Besitz befindlichen Waren ihren Geldvorrat zu vermehren. Aus den Preisveränderungen, die sich aus diesen Gründen auf den Märkten der in Frage kommenden Länder ergeben, resultieren Geschäfte, welche das Gleichgewicht der Zahlungsbilanz immer wieder herstellen müssen. Nur vorübergehend kann es zu einer aktiven oder passiven Gestaltung der Zahlungsbilanz kommen, die nicht auf der Veränderung der Verhältnisse des Geldbedarfes beruht 1. Die internationalen Geldbewegungen sind mithin, soweit sie nicht vorübergehender Natur sind und daher in kürzester Zeit durch Bewegungen entgegengesetzter Richtung in ihrem Effekte wieder aufgehoben werden, stets durch die Verhältnisse des Geldbedarfes hervorgerufen. Daraus folgt nun, daß ein Land, in welchem Umlaufsmittel nicht verwendet werden, überhaupt nie Gefahr läuft, seinen Geldvorrat an die anderen Länder zu verlieren. Geldmangel und 1 Vgl. Ricardo, Principles of Political Economy and Taxation, (Works, ed. Mac Culloch, Second Edition, London 1852), S. 213 ff.; He rt z k a, Das Wesen des Geldes, Leipzig 1887, S. 42ff.; Kinley, a. a. 0., S. 78ff.; Wieser, Der Geldwert und seine Veränderungen, a. a. 0., S. 530ff.
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Geldüberfluß treten ebensowenig dauernd als nationale wie als persönliche Erscheinungen auf; sie erstrecken sich im letzten Ende stets gleichmäßig auf alle Wirtschaften, weIche ein und dasselbe wirtschaftliche Gut als allgemein gebräuchliches Tauschmittel verwenden, und naturgemäß treten auch ihre Wirkungen auf den inneren objektiven Tauschwert des Geldes, weIche zur Anpassung des Geldvorrates an den Geldbedarf führen, schließlich gleichmäßig für alle Wirtschaften zutage. Wirtschaftspolitische Maßnahmen, weIche die Vermehrung der in einem Lande umlaufenden Geldmenge zum Zwecke haben, könnten, wenn es sich um ein auch in anderen Ländern zirkulierendes Geld handelt, nur dann von Erfolg begleitet sein, wenn es ihnen gelänge, eine verhältnismäßige Verschiebung des Geldbedarfes zu bewirken. Durch die Verwendung von Umlaufsmitteln wird daran grundsätzlich nichts geändert; soweit ein Geldbedarf im engeren Sinne trotz des Gebrauches solcher bestehen bleibt, wird er sich in der gleichen Weise zum' Ausdruck bringen. Die klassische Lehre vom internationalen Handel weist manche Lücke auf. Sie ist in einer Zeit entstanden, in der die Tausch'beziehungen der Völker sich vorwiegend auf den wechselseitigen Austausch von Gegenwartsgütern beschränkten. Kein Wunder, daß sie hauptsächlich diesen im' Auge hatte und die Möglichkeit des internationalen Austausches von Dienstleistungen, dann von Gegenwartsgütern gegen Zukunftsgüter außer acht ließ. Es ist Einer späteren Generation vorbehalten geblieben, hier die erforderlichen Ergänzungen und Berichtigungen vorzunehmen, was um so leichter fiel, als es sich lediglich darum handelte, die Prinzipien der Theorie auch auf diese Erscheinungen folgerichtig anzuwenden. Die klassische Lehre hat sich ferner ausschließlich mit jenem Teile des Problems befaßt, den das internationale edelmetallische Sachgeld bietet. Die Behandlung, die sie dem Kreditgelde hat angedeihen lassen, kann nicht befriedigen, und dieses Versäumnis ist bis heute noch nicht ganz nachgeholt worden. Man hat das Problem zu sehr vom Gesichtspunkte der Technik des Geldwesens und zu wenig von dem der Theorie des Gütertausches betrachtet. Hätte man das letztere getan, dann hätte man nicht umhin können, an die Spitze der Untersuchung den Satz zu stellen, daß die Zahlungsbilanz zweier Gebiete mit verschiedener Währung sich stets im Gleichgewichtszustand befinden muß, ohne daß ein durch Geldsendungen zu berichtigen-
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des Saldo auftritt 1. Nehmen wir ein Gold- und ein Silberwährungsland als Beispiel, dann bleibt immerhin noch die Möglichkeit offen, daß das Geld des einen Landes im anderen nicht monetärer Verwendung zugeführt wird; davon muß natürlich abgesehen werden. Die Beziehungen zweier Länder mit Zeichengeld würden für die Exemplifikation am geeignetsten sein; wählt man aber die zweier Länder mit verschiedener Geldart überhaupt, worunter auch Sachgeld inbegriffen sein kann, dann darf eben lediglich die monetäre Verwendung des Sachgeldes berücksichtigt werden. Wir sehen dann ohne weiteres, daß die Waren und Dienstleistungen wieder nur mit Waren und Dienstleistungen bezahlt werden können, daß die Bezahlung mit Geld in letzter Linie nicht in Frage kommen kann. 1 Vorübergehend sind Verschiebungen möglich, wenn Auslandsgeld in spekulativer Absicht erworben wird, weil man mit seinem Steigen rechnet.
fünftes Kapitel.
Das Problem der Messung des objektiven Tauschwertes des Geldes und seiner Veränderungen. § 1. Das Problem der Messung des objektiven Tauschwertes des Geldes und seiner Veränderungen hat die Geister weit stärker beschäftigt, als seiner Bedeutung entsprochen hätte. Würden jene Kolonnen von Zahlen, jene Tabellen und Kurven uns das leisten, was man sich von ihnen versprochen hat, dann müßte man freilich zugeben, daß die gewaltige Arbeit, die auf ihre Zusammenstellung verwendet wurde, nicht nutzlos verschwendet wurde. Hat man doch von ihnen nichts weniger erwartet als die Lösung der schwierigen Fragen, die das Problem des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes bietet. Wir wissen aber sehr wohl - diese Erkenntnis ist fast so alt wie jene Methoden -, daß hier alle ähnlichen Behelfe versagen müssen. Daß trotzdem mit dem größten Eifer an dem Ausbau der Methoden des index number fortgearbeitet wurde, daß sie selbst eine gewisse Popularität zu erlangen vermochten, die nationalökonomischen Forschungen sonst versagt bleibt, mag wohl rätselhaft erscheinen. Es wird erklärlich, wenn wir gewisse Eigentümlichkeiten des menschlichen Geistes in Betracht ziehen. Gleich jenem König in Rückerts "Weisheit des Brahmanen" sucht der Laie stets nach Formeln, welche die Ergebnisse der wissens-<:haftlichen forschung in wenigen Worten zusammenfassen. Der prägnanteste und kürzeste Ausdruck für solche Fundamentalsätze aber ist die Zahl. Nach einfacher, zahlenmäßig faßbarer Erkenntnis wird auch dort gestrebt, wo das Wesen der Sache eine solche ausschließt. Die wichtigsten Ergebnisse sozialwissenschaftlicher Forschung lassen die Menge kalt, während jeder zahlenmäßige Ausdruck ihr Interesse erweckt. Die Geschichte wird: ihr zu einer Sammlung von Jahreszahlen, die Ökonomie zu einer Zusammenstellung von statistischen Daten. Kein Vorwurf wird von den Laien gegen die Nationalökonomie öfter erhoben als der, daß es keine nationalökonomischen Gesetze gebe, und will man diesen Vorwurf entkräften, dann erhält man wohl regelmäßig zur Antwort, man möge doch schnell ein solches Gesetz nennen
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und darlegen; als ob Teilstücke von Systemen, deren Studium vom Fachmann jahrelanges Nachsinnen verlangt, dem Neuling in wenigen Minuten begreiflich gemacht werden könnten. Nur durch Hinwerfen statistischer Brocken vennag der Theoretiker der politischen Ökonomie Fragen dieser Art gegenüber sein Ansehen zu behaupten.. Große Namen der Wissenschaft sind mit den Systemen der Indexzahlen verknüpft Es mußte in der Tat gerade den Besten verlockend erscheinen, ihren Scharfsinn an diesen außerordentlich schwierigen Problemen zu versuchen. Es blieb vergebens. Sehen wir genauer zu, so frnden wir, wie wenig die Schöpfer der .verschiedenen Indexmethoden selbst von diesen Versuchen hielten, wie richtig sie im allgemeinen ihre Bedeutung einzuschätzen wußten. Wer ihren Unwert für die Probleme der Geldtheorie und die konkreten Aufgaben der Geldpolitik zu erweisen sich bemühen will, wird einen guten Teil der Waffen dazu aus den Schriften eben jener Männer holen können.
§ 2. Der objektive Tauschwert der Geldeinheit kann in Einheiten jeder einzelnen Ware ausgedrückt werden. So wie wir von einem Geldpreis der übrigen Tauschgüter zu reden pflegen, so können wir umgekehrt von dem Sachpreis des Geldes sprechen und haben dann so viele Ausdrucksfonnen für den objektiven Tauschwert des Geldes, als Waren im Verkehr stehen und gegen Geld ausgetauscht werden. Aber diese Tauschwertgleichungen besagen uns wenig; die Fragen, die wir lösen wollen, lassen sie unbeantwortet Zwei Ziele schweben uns beim Problem der Messung des objektiven Tauschwertes des Geldes vor. Es soll einmal die Tatsache der Veränderungen des objektiven Tauschwertes des Geldes rechnungsmäßig festgestellt werden; dann aber soll die Frage entschieden werden, ob es möglich sei, bestimmte Preisbewegungen auf ihre Ursachen hin in Maß und Zahl zu prüfen, wobei insbesondere zu untersuchen wäre, ob es gelingen könne, den Nachweis für solche Veränderungen der Kaufkraft des Geldes zu erbringen, welche auf Seite des Geldes gelegen sind. Das erste der beiden Probleme kann man mit Menger als das Problem der Meßbarkeit des äußeren objektiven Tauschwertes des Geldes, das zweite als das der Meßbarkeit des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes bezeichnen. Was nun das erstgenannte Problem anbelangt, so leuchtet unmittelbar ein, daß seine Lösbarkeit den Bestand eines Gutes (oder
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fünftes Kapitel.
eines Komplexes von Gütern) von unwandelbarem objektiven Tauschwert voraussetzen müßte.' Daß ein solcbes Gut undenkbar ist, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Denn ein Gut dieser Art würde die Stabilität der Austauscbverhältnisse aller Güter, auch derjenigen der Marktgüter untereinander, zur notwendigen Voraussetzung haben. Bei dem ewig schwankenden Grunde, auf dem die Austauschverhältnisse des Marktes in letzter Linie beruhen, kann diese Vorbedingung in einer auf dem freien Gütertauscb beruhenden Gesellschaftsordnung niemals zutreffen 1. Messen heißt das Verhältnis einer Größe zu einer andeTen, ;unveränderlichen oder als unveränderlich angenommenen feststellen. Die Unveränderlichkeit der als Vergleichsmaßstab gewählten Größe in bezug auf die zu messende Eigenschaft oder zumindest die Zulässigkeit der fiktion ihrer Unveränderlichkeit ist ein wesentliches Erfordernis der Messung. Nur wenn diese Voraussetzung zutrifft, wird es möglich, die zu messenden Veränderungen festzustellen. Wenn das Verhältnis zwischen dem Maßstab und dem zu messenden Objekt sich verschiebt, so kalln' dies dann nur auf solche Gründe, die von Seite des letztgenannten wirken, zurückgeführt werden. Die beiden Probleme der Messung des äußeren und des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes fließen mithin zusammen. Erweist sich das eine als lösbar, dann ist es auch das andere. Der Nachweis der Unlösbarkeit des einen erbringt auch zugleich den deT Unlösbarkeit des anderen.
§ 3. Nahezu alle Versuche, die bisher zur Lösung des Problems der Messung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes unternommen wurden, gingen von dem Gedanken aus, daß bei gewissen rechnungsmäßigen Zusammenfassungen der Preisbewegung einer Vielheit von Kaufgütern die Einwirkungen der auf Seite der Kaufgüter liegenden Bestimmungsgründe der Preisbewegung sich zum größten Teil wieder aufheben und daß sich daher aus derartigen Zusammenfassungen die Wirkungen der auf Seite des Geldes liegenden Bestimmungsgründe der Preisbewegung nach Richtung und Maß erkennen ließen. Diese Annahme würde sich als richtig erweisen, und die mit ihrer Hilfe angestellten Erhebungen könnten zum Ziel führen, wenn die wechselseitigen Austauschverhältnisse der übrigen wirtschaftlichen Güter untereinander konstant wären. Da diese Vor1
Vgl. Me n ger, Grundsätze, a. a. 0., S. 298 ff.
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aussetzung nicht zutrifft, muß man zu allerlei künstlichen Hypothesen Zuflucht nehmen, um sich wenigstens einigermaßen einen Überblick über die Bedeutung der gewonnenen Resultate zu verschaffen. Damit aber verläßt man den exakten Boden der Statistik und betritt ein Gebiet, auf dem man ohrte einen sicheren Wegweiser, den nur die vollständige Erkenntnis aller Gesetze des Geldwertes bieten könnte, notwendigerweise in die Irre gehen muß. Solange die Bestimmungsgründe des inneren objektiven Taus'Chwertes des Geldes nicht auf anderem Wege in befriedigender Weise klargestellt sind, fehlt dieser einzig verläßliche Wegweiser durch das Gestrüpp der statistischen Materialien. Aber auch wenn die Untersuchung der Bestimmungsgründe der Preisbildung und Preisbewegung, ihre Trennung und Zerlegung in einzelne Faktoren mit aller erreichbaren Exaktheit gelungen sein wird, wird die preisstatistische Forschung gerade dort allein auf sich angewiesen sein, wo sie der Stütze am meisten bedarf. Wie in jedem anderen Zweige der nationalökonomischen Forschung wird es nämlich auch auf dem Gebiet der Geldtheorie niemals möglich sein, zur Bestimmung der quantitativen Bedeutung der einzelnen Faktoren zu gelangen. Die Prüfung der Einwirkung der einzelnen Preisbestimmungsgründe wird niemals dahin kommen, die zahlenmäßige Zurechnung an die verschiedenen Faktoren vorzunehmen. Alle Preisbestimmungsgründe wirken nur durch das Medium der subjektiven Wertschätzungen der Individuen; wie stark ein bestimmtes Moment die subjektiven Werturteile beeinflußt, kann aber niemals vorausgesagt werden. Die Beurteilung der Ergebnisse preisstatistischer Untersuchungen wird somit auch dann, wenn sie sich bereits auf gesicherte Resultate der Theorie wird stützen können, immer noch zum großen Teil von ungefähren Schätzungen der Bearbeiter abhängig bleiben, ein Umstand, der ihren Wert wesentlich herabzusetzen geeignet ist. Als Hilfsmittel für preisgeschichtliche und preisstatistische Untersuchungen mögen die Indexzahlen unter Umständen recht brauchbare Dienste leisten; für die Fortbildung der Theorie vom Gelde und vom Geldwert bedeuten sie leider nicht viel.
§ 4. Jüngst hat Wieser eine Anregung gegeben, die sich als eine Ausgestaltung der besonders von Falkner angewendeten Budgetmethode der Indexzahlen darstellt!. Wenn der Nominallohn sich 1 Ober Falkners Methode vgl. Laughlin, a. a. 0., S. 213-221; Kinley, a. a. 0., S. 253ff.
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verändert, aber dabei immerfort den gleichen Reallohn deckt, so habe sich der Geldwert verändert, weil er die gleiche reale Wertgröße anders ausdrückt oder weil sich das Verhältnis der Geldeinheit zur realen Werteinheit geändert hat. Dagegen habe sich der Geldwert nicht geändert, wenn der Nominallohn höher oder geringer wird, aber ganz parallel dazu auch der Reallohn sich bewegt. Setze man statt des Gegensatzes von Nominallohn und Reallohn den von Geldeinkommen und Realeinkommen und an Stelle eines Individuums die ganze Summe der Individuen der Volks- und Weltwirtschaft, so werde man zu. sagen haben, daß solche Veränderungen des gesamten Geldeinkommens, die von entsprechenden Veränderungen des gesamten Realeinkommens begleitet sind, durchaus nicht Änderungen des Geldwertes anzeigen, auch wenn dabei die Preise der Güter, den geänderten Verhältnissen der Güterversorgung entsprechend, andere geworden sind. Nur wenn das gleiche Realeinkommen sich mit anderem Geldeinkommen ausdrückt, dann sei der spezifische Geldwert ein anderer geworden. Zur Messung des. Geldwertes wäre eine Anzahl von Einkommenstypen auszuwählen, für jede hätte man die realen Ausgaben, das heißt also die Menge von Dingen in allen Hauptabteilungen des Haushaltes, die aus diesem Einkommen bestritten werden, festzustellen; neben den Realausgaben wären die betreffenden Geldausgaben aufzuweisen, dies alles für ein bestimmtes Ausgangsjahr, und nun hätte man Jahr für Jahr zu verfolgen, in welchen Geldsummen nach Maß der bestehenden Preise sich die gleichen Realwertmassen darstellen. Das Ergebnis wäre, daß man in einer Durchschnittszahl für das ganze Land den Geldausdruck kennenlernen würde, der für das als Grundlage angenom'mene Realeinkommen Jahr für Jahr auf dem Markte gebildet wird. Man würde also erfahren, ob für denselben Realwert ein gleicher, ein höherer oder ein niedrigerer Geldausdruck Jahr für Jahr erscheint, und man würde darin einen Maßstab für die Veränderungen des Geldwerts erhalten haben 1. Die technischen Schwierigkeiten, die der Anwendung dieser am meisten vollendeten und am tiefsten durchdachten aller Index Number-Methoden entgegenstehen, sind wohl unüberwindlich. Aber 1 Vgl. Wieser, Ober die Messung der Veränderungen des Geldwerts, (Schriften des Vereins für Sozialpolitik, 132. Bd., Leipzig 1910), S. 544ff. Ähnliches scheint Joseph L 0 w e schon 1822 vorgeschlagen zu haben; vgl. darüber Wal s h, The Measurement of General Exchange-Value, New Vork 1901, S. 84.
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selbst wenn es gelingen sollte, ihrer Herr zu werden, könnte sie sich doch nie für den Zweck brauchbar erweisen, dem sie dienen soll. Sie würde unter derselben Voraussetzung zum Ziele führen, die alle anderen Systeme rechtfertigen würde: daß nämlich die zwischen den einzelnen wirtschaftlichen Gütern mit Ausnahme des Geldes be· stehenden Austauschverhältnisse konstant sind und lediglich das zwischen dem Gelde und jedem einzelnen der übrigen wirtschaft.. lichen Güter bestehende Austauschverhältnis Schwankungen unterliegt. Das würde natürlich eine Starrheit aller gesellschaftlichen Einrichtungen, der Bevölkerung, der Vermögens- und Einkommensverteilung und der subjektiven Wertschätzungen der Individuen bedingen. Wo alles fließt, versagt sie vollkommen. Das konnte Wies er nicht entgehen, und er verlangt, daß auch darauf Rücksicht genommen wird, daß die Einkommenstypen und die Klassenschichtung sich allmä.hlich verä.n.dern und daß gewisse Konsumtionen im Laufe der Zeit wegfallen, daß andere hinzukommen. Für kürzere Zeiträume, meint er, böte dies keine besonderen Schwierigkeiten, es. wäre leicht durch Ausschaltung der sich nicht deckenden Ausgaben die Hauptsumme immer vergleichbar zu erhalten. Für längere Zeiträume empfiehlt er nach Marshalls Vorgang, immer eine genügende Zahl von Obergangsformen heranzuziehen und immer nur von einer Form auf die zeitlich nächste den Vergleich zu machen. Damit kann jene Schwierigkeit wohl nicht behoben werden. Man würde, je weiter man in der Geschichte zurückgeht, zu immer größeren Ausscheidungen genötigt sein; zuletzt blieben wohl nur noch die Teile des Realeinkommens übrig, die zur Befriedigung der wichtigsten Gattungen von Existenzbedürfnissen dienen. Auch da verbietet sich jeder Vergleich, etwa der Kleidung des 20. Jahrhunderts und jener des 10. Jahrhunderts. Noch weniger ist die historische Zurückführung der Einkommenstypen, die sich an die bestehende Klasseneinteilung anschließen soll, möglich. Die fortschreitende soziale Differenzierung vermehrt beständig deren Zahl. Keineswegs vollzieht sich dies einfach durch Spaltung einheitlicher Typen; der Vorgang ist viel komplizierter: von Gruppen eines einheitlichen Typus lösen sich Teile los, verschmelzen mit anderen Gruppen oder Gruppenteilen, kurz es herrscht hier die bunteste Mannigfaltigkeit. Mit welchen Einkornmenstypen der Vergangenheit sollte etwa die des modernen Fabrikarbeiters verglichen werden? Aber selbst wenn man sich über alle diese Bedenken hinwegsetzen wollte, würden neue Schwierigkeiten
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auftauchen. Es ist leicht möglich, ja sogar höchst wahrscheinlich, daß die subjektive Wertschätzung gleicher Realeinkommensteile im Laufe der Zeiten gewechselt hat. Veränderungen der Lebensweise, des Geschmackes, der Ansichten über den objektiven Gebrauchswert der einzelnen wirtschaftlichen Güter rufen hier schon in kürzeren Perioden ganz außerordentlich große Schwankungen hervor. Nimmt man bei der Beurteilung der Veränderung des Geldwertes dieser Einkommensteile darauf keine Rücksicht, dann ergeben sich neue Fehlerquellen, die das Ergebnis wesentlich beeinflussen können; andererseits mangelt jeder Anhaltspunkt für ihre Berücksichtigung. Allen Index Number-Systemen liegt, soweit sie für die Geldtheorie mehr sein wollen als bloße Zahlenspielerei, der Gedanke einer Messung des Nutzens einer bestimmten Geldmenge zugrunde 1. Man will feststellen, ob ein Gramm Gold heute mehr oder weniger nützt als vor Jahr und Tag. Für den objektiven Gebrauchswert mag diese Untersuchung vielleicht zu Ergebnissen führen. Man fingiere, wenn man will, daß etwa ein Laib Brot stets denselben Nutzen in objektivem Sinne zu stiften vermöge, stets denselben Nährwert umschließe; wir wollen uns gar nicht erst näher mit der Frage beschäftigen, 'ob solches zulässig ist oder nicht. Denn sicher ist nicht dies der Zweck der Untersuchung, sondern die Feststellung der subjektiven Bedeutung der in Frage kommenden Geldmenge. Da muß nun zu einer ganz nebelhaften und unzulässigen Fiktion eines ewigen Menschen mit ewig unveränderlichen Wertschätzungen gegriffen werden. In Wiesers Einkommenstypen, die durch die Jahrhunderte zurückverfolgt werden sollen, erkennen wir den Versuch, diese Fiktion zu veredeln und von den Schlacken, die ihr anhaften, zu befreien. Aber auch dieser Versuch kann das Unmögliche nicht möglich machen, mußte notwendigerweise mißlingen. Er stellt die denkbar vollkommenste Ausgestaltung der Index Number-Systeme dar, und die Erkenntnis, daß auch sie zu keinem brauchbaren Ergebnis führt, bricht den Stab über die ganze Richtung. Das alles konnte natürlich auch Wieser nicht entgehen. Wenn er es unterlassen hat, es besonders hervorzuheben, so dürfte dies wohl lediglich in dem Umstande seinen Grund haben, daß es ihml eben nicht so sehr um die Aufzeigung eines Weges zur Lösung des unlösbaren Problems als darum zu tun war, aus einer üblichen Methode alles das herauszuholen, was sich aus ihr herausholen läßt. 1
Vgl. Weiß, a. a. 0., S. 546.
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§ 5. Die Unzulänglichkeit der zur Messung der Geldwertveränderungen vorgeschlagenen Methoden macht sich nicht allzu stark fühlbar, wenn man sie zur Lösung von Aufgaben verwenden will, die das Bedürfnis der Wirtschaftspolitik stellt. Mögen die Indexzahlen auch den Ansprüchen, die die Theorie erheben muß, nicht entsprechen, so können sie, ungeachtet ihrer grundsätzlichen Mängel und der Ungenauigkeiten ihrer praktischen Ermittlung, dem Politiker doch für die tägliche Arbeit wertvolle Dienste leisten. Setzt man sich nichts anderes zum Ziel als den Vergleich nahe beieinanderliegender Zeitpunkte, dann werden die Fehler, die jeder Methode der Indexzahlen anhaften, so weit vernachlässigt werden können, daß es gestattet ist, aus ihnen gewisse rohe Schlüsse zu ziehen. So wurde es zum Beispiel möglich, bis zu einem bestimmten Grade die zeitliche Spannung zu erfassen, die im Zuge der Geldwertveränderung zwischen der Höhe des Valutenkurses der Börsen und der Höhe der in den Warenpreisen zum Ausdruck gelangenden Kaufkraft liegt 1. Ebenso konnte man das Fortschreiten der Kaufkraftveränderungen von Monat zu Monat statistisch verfolgen. Die praktische Verwertbarkeit aller dieser Berechnungen für einige Aufgaben steht außer Zweifel; sie hat sich bei den jüngsten Vorgängen bewährt. Man hüte sich aber, von ihnen mehr zu verlangen, als sie leisten können. 1
Vgl. weiter unten S. 198 f.
'. Mi 5 es. Theorie des Oeldes. 2. Auf!.
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Die sozialen Begleiterscheinungen der Veränderungen des inneren objektiven Tauschwertes des Gelde~. § 1. Daß die Veränderungen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes Verschiebungen in der Einkommens- und Vermögensverteilung hervorrufen, ist einerseits darauf zurückzuführen, daß den wirtschaftenden Individuen die Tatsache der Veränderlichkeit des Geldwerts zu entgehen pflegt, anderseits darauf, daß die Geldwertveränderungen sich nicht gleichmäßig und gleichzeitig allen wirtschaftlichen Gütern und Dienstleistungen gegenüber durchsetzent Jahrhunderte, ja Jahrtausende hindurch ist den Menschen die Tatsache, daß der innere objektive Tauschwert des Geldes Veränderungen unterliegt, völlig entgangen. Alle Preisveränderungen suchte man ausschließlich von der Warenseite her zu erklären. Es ist die große Tat Bodins, die erste Bresche in diese Auffassung gelegt zu haben, die dann schnell aus der wissenschaftlichen Literatur verschwand. In der Meinung der Laien ist sie noch lange herrschend geblieben; heute dürfte sie auch hier erschüttert sein. Nichtsdestoweniger berücksichtigt das Werturteil der Individuen, die Gegenwartsgüter gegen Zukunftsgüter tauschen, nicht die Veränderungen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes. Wer ein Darlehen gewährt oder empfängt, pflegt seine Entschließungen nicht im Hinblick auf etwaige künftige Schwankungen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes zu fassen. Geschäfte, in denen gegenwärtige Güter gegen künftige Güter getauscht werden, kommen auch in der Art vor, daß eine künftige Leistung nicht in Geld, sondern in anderen Gütern zu erfüllen ist. Häufiger noch sind Verabredungen über Tauschgeschäfte, die von beiden Teilen erst in einem späteren Zeitpunkt zu erfüllen sind. Alle diese Geschäfte sind mit Risiko verbunden, und diese Tatsache ist jedem Kontrahenten wohl bekannt. Wer Getreide, Baumwolle, Zucker auf Zeit kauft oder verkauft, wer langfristige Lieferungsverträge über Kohle, Eisen, Holz abschließt, weiß wohl, welche Gefahren mit derartigen Geschäften verknüpft
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sind. Er wird die Chancen der voraussichtlichen Preisveränderungen genau erwägen und sich nicht selten durch Versicherung oder durch Abschluß anderweitiger Deckungsgeschäfte, wie sie die Technik der modernen Börsen herausgebildet hat, bemühen, das aleatorische Moment seines HandeIns zu vermindern. Beim Abschluß von langfristigen auf Geld lautenden Verträgen fehlt den Kontrahenten regelmäßig das Bewußtsein, daß sie ein Spekulationsgeschäft eingehen. Die Vorstellung, daß das Geld "wertstabiI" sei, daß es keinen Schwankungen des objektiven Tauschwertes, oder zumindest nicht des inneren objektiven Tauschwertes unterliege, leitet die Individuen in ihrem wirtschaftlichen Handeln. Dies wird am klarsten, wenn man die Stellung, die die Rechtssysteme dem Problem des objektiven Tauschwertes des Geldes gegenüber einnehmen, l;>etrachtet. Der Rechtsordnung gilt das Geld als wertstabil. Es ist mitunter behauptet worden, daß die Rechtssysteme die Stabilität des inneren Tauschwertes des Geldes fingieren. Das ist jedoch nicht richtig. Durch die Aufstellung einer Fiktion fordert das Gesetz, daß man bei einem gewissen Tatbestande Tatsachen hinzudenkt oder wegdenkt, damit die Rechtssätze, weIche sich an den gedachten Tatbestand knüpfen, Anwendung finden. Sie soll die analoge Anwendung von Rechtssätzen herbeiführen. Durch diesen Zweck wird ihr ganzes Wesen bestimmt; sie wird nur so weit aufrechterhalten, als er es erfordert. Gesetzgeber und Richter bleiben sich dabei stets dessen bewußt, daß der fingierte Tatbestand der 'wirklichkeit nicht entspricht. Nicht anders ist es bei der sogenannten dogmatischen Fiktion, weIche die Wissenschaft entwickelt, um die rechtlichen Tatsachen unter einheitlichen Gesichtspunkten systematisch zu verknüpfen. Auch hier wird der fingierte Tatbestand als bestehend gedacht, nicht aber angenommen 1. Anders stellt sich die Rechtsordnung zum Geld. Der Jurist kennt das Problem des Geldwertes überhaupt nicht. Er weiß nichts von den Schwankungen des inneren Tauschwertes des Geldes. Der naive Volksglaube von der Wertbeständigkeit des Geldes hat in all seiner Unklarheit in das Recht Eingang gefunden, und kein großes Ereignis gab durch große und plötzliche Veränderungen des geschichtlich überkommenen Geld1 Vgl. Dernburg, Pandekten, 6. Aufl., Berlin 1900, I. Bd., S. 84. Vgl. darüber, daß ein Hauptmerkmal der normalen fiktion das ausdrücklich ausgesprochene Bewußtsein der fiktivität ist, jetzt auch Va i hi ng er, Die Philosophie des Als ob, 6. Aufl., Leipzig 1920, S. 173.
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wertes Veranlassung zu einer Überprüfung der Ansichten über den Gegenstand. Das System der Privatrechtswissenschaft war schon lange abgeschlossen, als Bodin als erster die Veränderungen iM der Kaufkraft des Geldes auf Gründe zurückzuführen versuchte, die von Seite des Geldes her wirken. Im Rechte haben in diesen Fragen die Erkenntnisse der neueren Volkswirtschaftslehre keine Spuren hinterlassen. Das Recht fingiert nicht das Geld als wertbeständig, es hält es in jedem Belange dafür. Allerdings schenken die Gesetze einigen Nebenfragen des Geldwertes Aufmerksamkeit. Sie erörtern eingehend, welche Bedeutung dem Übergange von einer Währung zu einer anderen für bestehende Rechtsverhältnisse und Schuldverpflichtungen zukomme. Die Jurisprudenz hat seinerzeit den Münzverschlechterungen der Könige dieselbe Aufmerksamkeit zugewendet, wie später den durch das Schwanken der Staaten zwischen Kreditgeld und Sachgeld überhaupt und dann zwischen Gold und Silber aufgetauchten Problemen. Doch die Behandlung, die diese Fragen von den Juristen erfahren, führte nicht zur Erkenntnis des beständigen Schwankens des Geldwerts. Die Situation, vor die sich die Rechtswissenschaft hier gestellt sieht, und die ganze Art, in der der Kampf der Meinungen sich bewegt, haben dies schon von Anbeginn ausgeschlossen. Das Problem lautet nicht, wie hat sich das Recht der Geldwertveränderung gegenüber zu verhalten, sondern: darf der Fürst (der Staat) nach Belieben bestimmen, daß bestehende Schuldverbindlichkeiten geändert und damit erworbene Rechte verletzt werden? Für die ältere Zeit knüpft sich daran die Frage, ob für das rechtliche Wesen des Geldes der landesherrliche Stempel oder der Gehalt der Münze maßgebend sei, für die spätere, ob für die rechtliche Zahlkraft des Geldes der Befehl des Gesetzes oder die Übung im freien Verkehr entscheidend sei. Die Antwort, die das auf dem Boden des Privateigentums und des Schutzes erworbener Rechte fußende allgemeine Rechtsbewußtsein erteilt, lautet in beiden Fällen gleich: Prout quidque contractum est, ita et solvi debet; ut cum re contraximus, re solvi debet, veluti cum mutuum dedimus, ut retro pecuniae tantundem solvi debeat 1. Daß dabei als Geld nur dasjenige anzusehen sei, was zur Zeit des Verkehrsabschlusses als solches galt, l I. 80 Dig. de solutionibus et liberationibus 46,3. Pomponius Iibro quarta ad Quintum Mucium. - Vgl. ferner Seidler, a. a. 0., S. 685ff.; Endemann, a. a. 0., 11. Bd., S. 173.
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daß die Schuld nicht nur in jenem Metall, sondern auch in jener Münzsorte zu zahlen sei, welche beim Vertragsabschluß ausbedungen worden war, ergab sich aus der volkstümlichen, von allen Kreisen der Bevölkerung, insbesondere aber auch von den Kaufleuten, als allein richtig angesehenen Auffassung, daß das eigentliche Wesen der Münze ihr Metallgehalt sei und daß dem Stempel keine andere Bedeutung zukomme als die einer obrigkeitlichen Bestätigung eines bestimmten Schrot und Korns. Niemand fiel es ein, im Tauschverkehr die Münze anders zu behandeln als andere Stücke Metall von gleichem Gewicht und Gehalt. Es herrschte eben, woran kein Zweifel mehr zulässig ist, Sachgeldwährung. Die Auffassung, daß der Metallgehalt des Geldes allein für die Erfüllung der auf Geld lautenden Verbindlichkeiten maßgebend sei, siegte über die von den Münzherren vertretene nominalistische Doktrin. Sie tritt in den gesetzlichen Maßnahmen zur Stabilisierung des Metallgehaltes der Münzen hervor, und als dann später, seit dem Ende des 17. Jahrhunderts, die Ausbildung der geschlossenen Münzsysteme erfolgte, gab sie die Richtsc.hnur für die Regelung des Verhältnisses zwischen den einzelnen Münzsorten des gleichen Metalls, sowohl für ihr gleichzeitiges Nebeneinanderbestehen als auch für ihre zeitliche Aufeinanderfolge und für die, freilich mißlungenen, Versuche, die beiden Edelmetalle in ein einheitliches Geldsystem zu vereinigen. Auch das Aufkommen des Kreditgeldes und die Probleme, die es brachte, haben die Rechtswissenschaft nicht zum Probleme des Geldwertes zu führen vermocht. Eine dem allgemeinen Rechtsgefühle entsprechende Ordnung des Papiergeldsystems meinte man nur dort zu erblicken, wo das Papiergeld dem Metallgelde, mit dem es in seinen Anfängen wertgleich gewesen war und an dessen Stelle es trat, dauernd gleichwertig blieb, oder wo für den Inhalt von Schuldverträgen der Metallgehalt oder Metallwert der Leistungen entscheidend blieb. Die Tatsache aber, daß auch der innere Tauschwert des Edelmetallgeldes Veränderungen unterworfen sei, ist mit bezug auf das Gold, das heute noch allein in Betracht kommt, der Rechtsordnung und dem Rechtsbewußtsein des Volkes bis nun fremd geblieben; kein Rechtssatz nimmt auf sie Rücksicht, trotzdem sie den Volkswirten seit mehr als drei Jahrhunderten geläufig ist. In ihrem naiven Glauben an die Wertstabilität des Geldes befindet sich die Rechtsordnung in voller Übereinstimmung mit der
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öffentlichen Meinung. Wenn zwischen der Auffassung der Rechtsordnung und dem Rechtsgefühle der Bevölkerung irgendwelche Verschiedenheiten auftauchen, dann kann die Reaktion dagegen nicht ausbleiben. Es wird eine Bewegung ausgelöst, die sich gegen die als ungerecht empfundene Gesetzesbestimmung richtet. Solche Kämpfe pflegen stets mit einem Erfolg des Rechtsbewußtseins über das Gesetz zu enden; die Anschauung der herrschenden Kreise des Volkes weiB sich schließlich den Eingang in das Recht zu erzwingen. Daß wir nirgends die Spuren einer Opposition gegen jene Stellungnahme des Rechtes zum Problem des Geldwertes zu entdecken vermögen, zeigt deutlich, daß es sich hier unmöglich um Bestimmungen handeln kann, die mit dem Empfinden der Menschen im Widerspruch stehen. Auch die öffentliche Meinung zweifelt eben nicht im' geringsten an der" Wertbeständigkeit" des Geldes, wie man denn auch im Gelde die längste Zeit hindurch den Maßstab des Wertes zu erblicken vermeinte. Und so fällt es beim Abschluß von Kreditverträgen, bei denen die künftige Leistung in Geld zu entrichten ist, keinem Kontrahenten ein, auf die künftigen Bewegungen der Kaufkraft des Geldes Rücksicht zu nehmen. Jede Veränderung des zwischen dem Gelde und den übrigen wirtschaftlichen Gütern bestehenden Austauschverhältnisses verschiebt die Stellung, welche die Parteien beim Abschluß von derartigen Kreditgeschäften eingenommen haben. Das Steigen der Kaufkraft des Geldes benachteiligt die Schuldner, begünstigt die Gläubiger; das Sinken seiner Kaufkraft übt die umgekehrten Wirkungen aus. Würden die Kontrahenten beim Tausch gegenwärtiger gegen künftige Güter auf die zu erwartenden Veränderungen des Geldwertes Rücksicht nehmen, dann wäre dies nicht der Fall. Freilich lassen sich diese Veränderungen weder nach Art noch nach Maß voraussehen. Eine Berücksichtigung der Veränderlichkeit der Kaufkraft des Geldes findet nur dort statt, wo das Nebeneinanderbestehen zweier oder mehrerer Geldarten, deren wechselseitiges Austauschverhältnis stärkeren Schwankungen unterliegt, die Aufmerksamkeit auf das Problem hinlenkt. Es ist allgemein bekannt, daß die möglichen zukünftigen Verschiebungen der Valutenkurse beim Abschluß von Kreditgeschäften aller Art voll berücksichtigt werden. Man weiß, welche Rolle Erwägungen dieser Art in Ländern, in denen mehrere Geldarten gebräuchlich sind, und im internationalen Verkehr zwischen
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Ländern verschiedener Währung spielen. Aber die Art und Weise, in der diese Berücksichtigung der Veränderlichkeit des Geldwertes erfolgt, steht mit der Vorstellung von der Wertstabilität des Geldes nicht im Widerspruch. Die Schwankungen des Wertes der einen Geldart werden in dem Wertäquivalent ihrer Einheit in Einheiten einer anderen Geldart gemessen, diese letztere selbst aber wieder als wertstabil angenommen. Man mißt die Schwankungen der in ihrer .,Wertbeständigkeit" angezweifelten Valuta in bezug auf das Gold; daß aber auch die Goldwährung Schwankungen unterworfen ist, wird nicht beachtet. Die Individuen berücksichtigen in ihrem wirtschaftlichen Handeln die Tatsache der Veränderlichkeit des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes, soweit sie sich ihrer bewußt sind. Das ist nur in bezug auf einige Geldarten der Fall, nicht in bezug auf alle zugleich. Das Gold, dasrheute in erster Linie gebräuchliche allgemeine Tauschmittel, wird als "wertstabil" betrachtet 1. Soweit sich die Veränderungen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes voraussehen lassen, beeinflussen sie die Bedingungen, unter denen Kreditgeschäfte abgeschlossen werden. Wenn mit dem künftigen Rückgang der Kaufkraft der Geldeinheit zu rechnen ist, muß der Geldverleiher darauf gefaßt sein, daß die Geldsumme, die ihm der Schuldner nach Beendigung des Kreditverhältnisses zurückerstattet, geringere Kaufkraft besitzen wird als jene Summe, die er ausgeliehen hatte. Würde er das Geld nicht kreditieren, sondern dafür andere Güter kaufen, so würde er besser fahren. Umgekehrt liegt die Sache für den Schuldner. Kauft er für das geborgte Geld Waren und verkauft er sie nach einiger Zeit, dann bleibt ihm nach Abzug der zurückzuerstattenden Leihsumme ein 1 Die Ausführungen im Text fand Hilferding in einer Rezension der ersten Auflage "nur komisch". (Vgl. "Die Neue Zeit", 30. Jahrg., Bd. 11., S. 1027.) Die durch die Geldentwertung geschädigten Schichten des deutschen Volkes dürften es heute weniger komisch finden. Doch noch vor ein oder zwei Jahren werden auch sie nicht mehr Verständnis für das Problem gehabt haben; fis her, (Hearings before the Commitee on Banking and Currency of the House of Representatives, 67. Congress, 4. Session, on H. R. 11788, Washington 1923, S. 5 ff., 25 ff.) bringt dafür charakteristische Belege. Es war freilich ein böses Verhängnis, daß die deutsche Währungs- und Wirtschaftspolitik der letzten Jahre von Männern wie Hilferding und Havenstein geführt wurde, deren Begabung und Kenntnisse nicht einmal hinreichten, das Problem der Entwertung der Mark gegenüber dem Golde zu erfassen.
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Überschuß. Das Kreditgeschäft ergibt für ihn einen Gewinn. Es ist daher nicht schwer zu verstehen, daß, solange mit dem fortschreiten der Geldentwertung zu rechnen ist, die Geldverleiher höhere Zinsen verlangen und die Geldborger bereit sind, höhere Zinsen zu zahlen. Ist aber mit einer künftigen Geldwertsteigerung zu rechnen, dann wird der Zinsfuß niedriger sein, als er sonst wäre 1. Würden sich sohin die Veränderungen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes nach Richtung und Maß voraussehen lassen, dann könnten sie das Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner nicht berühren; auf die kommenden Veränderungen der Kaufkraft könnte schon bei Abschluß der Kreditgeschäfte entsprechend Rücksicht genommen werden 2. Da diese Voraussetzung aber auch bezüglich der Schwankungen des Kredit- und des Zeichengeldes gegenüber dem goldenen Sachgelde nur in höchst unvollkommener Weise erfüllt wird, kann auch die Berücksichtigung der kommenden Geldwertveränderungen beim Abschluß von Schuldverträgen nur unzureichend sein. Was aber die Wertschwankungen des Goldes anbelangt, so ist es doch wohl auch heute noch - selbst nach 'den starken und jähen Bewegungen, die der Goldwert seit Ausbruch des Großen Krieges gemacht hat - so, daß der weitaus überwiegenden Mehrzahl, ja man kann sagen, von einigen wenigen freunden der theoretischen Nationalökonomie abgesehen, allen im wirtschaftlichen Leben stehenden Personen die Tatsache der Veränderlichkeit des Goldwertes fremd ist. Noch wird das Goldgeld als "wertstabil" angesehen. Die Nationalökonomen, die die Tatsache der Veränderlichkeit des inneren objektiven Tauschwertes auch des besten Geldes erkannten, haben vorgeschlagen, beim Abschluß von Kreditgeschäften, also beim Tausche von gegenwärtigen Gütern gegen zukünftige, !licht wie heute üblich ein Gut allein als Tauschmittel zu gebrauchen, sondern eine zu einem einheitlichen Komplex verbundene Mehrheit von Gütern; es ist denkbar, wenn auch praktisch undurchführbar, hierbei alle wirtschaftlichen Güter heranzuziehen. Beim Tausche von Gegenwartsgütern soll das Geld nach wie vor als Tauschmittel dienen; in Kreditgeschäften aber soll die künftige Leistung anstatt 1 Vgl. Knies, a. a. 0., H. Bd'., IJ. Teil, S. 105ff.; F~sher, The Rate of Interest, New York 1907, S. 77 ff., 257 ff., 327 ff., 356 ff. 2 Vgl. CI a r k, Essentials, a. a. 0., S. 542 ff.
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mit der Nominalgeldsumme, die im Vertrag genannt ist, mit jenem Betrag erfüllt werden, der der Kaufkraft im Augenblick des Vertragsabschlusses entspricht. Hat sich also mittlerweile der objektive Tauschwert des Geldes erhöht, so wird eine entsprechend geringere, hat er sich verringert, eine entsprechend höhere Geldsumme zu leisten sein. Die Ausführungen, die wir oben dem Problem der Messung der Geldwertveränderungen gewidmet haben, zeigen die grundsätzliche Unzulänglichkeit dieser Vorschläge. Werden die Preise der verschiedenen wirtschaftlichen Güter bei der Bildung des Reduktionsquotienten ohne Berücksichtigung der Mengenverhältnisse in gleicher Weise verwendet, dann können die Übelstände, die man bekämpfen will, in weit stärkerem Maße auftreten. Wenn den Preisveränderungen, die bei den Artikeln Weizen, Roggen, Baumwolle, Kohle, Eisen vorgekommen sind, dieselbe Bedeutung verliehen wird wie jenen, die die Artikel Pfeffer, Opium, Astrachanpelz, Diamanten. Nickel betreffen, dann müßte die Einführung des tabular standard den Inhalt 'langsichtiger Verträge noch unsicherer machen, als dies heute der Fan ist. Wendet man das wgenannte gewogene Mittel an, wobei die einzelnen Waren nur nach Maßgabe ihrer Bedeutung zur Geltung gelangen 1, dann treten die gleichen Erscheinungen auf, sobald sich Veränderungen im Verhältnis von Produktion und Konsumtion vollziehen. Die Wertschätzung, die die Menschen den verschiedenen wirtschaftlichen Gütern entgegenbringen, ist ebenso wie die Produktionsverhältnisse beständigen Schwankungen unterwarfen; es ist unmöglich, dem bei der Bildung des Reduktionsquotienten Rechnung zu tragen, da dieser unveränderlich sein muß. um die Anknüpfung an die Vergangenheit zu ermöglichen. Wenn von den Einwirkungen der Geldwertveränderung auf bestehende Schuldverhältnisse gesprochen wird, denkt heute wohl jeder in erster Linie an die Folgen der ungeheuerlichen Inflationen, die die europäische WährungsgesChichte des letzten Jahrzehntes kennzeichnen. Die Rechtsgelehrten haben sich in den letzten Jahren dieses Zeitraumes in allen Ländern überaus eingehend mit der Frage beschäftigt, ob es nicht möglich gewesen wäre oder gar noch möglich sei, mit den Mitteln des geltenden Rechtes oder durch Schaffung neuer Gesetze der Schädigung der Gläubigerinteressen entgegen1 Vgl. Walsh, The Measurement of General Exchange-Value, a. a. 0 .• S. 80 ff.: 2: iZ e k, Die statistischen Mittelwerte, Leipzig 1908, S. 183 ff.
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.zutreten. Man hat dabei meist nicht beachtet, daß die Veränderung des Inhaltes der Schuldverträge durch die Geldentwertung g,erade aus der Behandlung sich ergibt, die die Rechtsordnung derni Problem zuteil werden läßt. Es ist nicht etwa so, daß man vom Recht Hilfe fordert zur Abstellung eines Mißstandes, der unabhängig von der Rechtsordnung entstanden ist. Das, was als Mißstand empfunden wird, ist eben das Verhalten der Rechtsordnung, ist eben der Umstand, daß die Regierung die Geldentwertung herbeigeführt hat. Denn der Rechtssatz, der der uneinlösIichen Banknote dieselbe Zahlkraft zuschreibt wie dem vor dem Kriegsausbruch umlaufenden goldenen Sachgeld, mit dem es nur die Bezeichnung "Mark" gemein hat, ist ein Bestandteil des gesamten Systems von Rechtsnormen, die dem Staate die Möglichkeit bieten sollten, die Schaffung neuen Geldes als finanzielle Hilfsquelle auszuwert~n. Man kann ihn aus diesem System ebensowenig herausreißen wie die Bestimmungen, die die Verpfichtung der Banken zur Einlösung ihrer Noten aufheben und sie nötigen, der Regierung durch Ausgabe neuer Noten Darlehen ZU gewähren. Wenn die Juristen und die Geschäftsleute darauf hinweisen, daß die Geldentwertung alle Schuldverhältnisse auf das stärkste beeinflußt, daß sie allen Verkehr erschwert, ja unmöglich macht, daß sie überall Folgen hat, die niemand gewollt hat und alle als ungerecht empfinden, so ist ihnen dabei zuzustimmen. In einer Gesellschaftsordnung, die durchaus auf dem Geldgebrauch und auf der Geldrechnung aufgebaut ist, bedeutet die Zerrüttung des Geldwesens eben Zerrüttung der Grundlage des Tauschverkehres. Doch es geht nicht an, diesem Übelstand damit entgegenzutreten, daß man Einzelverfügungen trifft, die einzelne Personen, Personengruppen oder Bevölkerungsschichten vor den Folgen der Geldentwertung bewahren und sie anderen um so schwerer auferlegen. Wenn man diese verderblichen Folgen der Geldentwertung nicht will, dann hat man sich eben darüber klar zu werden, daß man sich gegen die Politik der Inflation wenden muß, die die Geldentwertung schafft. Es ist vorgeschlagen worden, für die Höhe der Geldschulden nicht den Nennbetrag, sondern den Goldkurs als maßgebend zu erklären. Ein in Mark aufgenommenes Darlehen wäre in dem Betrage zurückzuzahlen, der seinem Goldmarkwerte zur Zeit der Begründung entspricht!. Daß solche Vorschläge nun auftauchen und Zustim1
Vgl. Mügel, Geldentwertung und Gesetzgebung, Berlin 1923, S. 24.
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mung finden, zeigt, daß der etatistische Gedanke im Geldwesen bereits erschüttert ist und daß wir uns notwendigerweise dem Ende der Inflationspolitik nähern. Vor einigen Jahren noch wäre ein ähnlicher Vorschlag verlacht oder als hochverräterisch gebrandmarkt worden. Es ist übrigens charakteristisch, daß mit der Verwirklichung der Idee, die Zahlkraft des Papiergeldes auf seinen Kurswert zu beschränken, allenthalben zuerst zugunsten des Staatsschatzes - bei Steuer- und Zollzahlungen - der Anfang gemacht wurde. Um die Folgen grenzenloser Inflationspolitik zu beseitigen, braucht es nichts weiter als den Verzicht auf alle inflationistischen Maßnahmen. Das Problem, das die Anreger des "tabular standard" (der die Edelmetallwährung ergänzenden "WarenwährungH ) und Irving Fisher in seinen Vorschlägen zur Festlegung der Kaufkraft des Geldes beschäftigt, ist ein anderes: das der Wertveränderungen des Goldes.
§ 2. Die naive Vorstellung, daß das Geld "wertstabilH oder daß es ein "Maßstab des Wertes" sei, liegt auch der Verwendung der Oeldrechnung als Wirtschaftsrechnung zugrunde. Die Buchführung ist auch sonst nicht vollkommen. Die Genauigkeit ihrer Aufstellungen ist nur scheinbar. Die Bewertung von Gütern und Rechten, mit der sie arbeiten muß, ist immer auf Schätzungen aufgebaut, die auf Erfassung von mehr oder weniger ungewissen und unbekannten Elementen beruhen. Soweit diese Unsicherheit von der Warenseite herstammt, sucht die kaufmännische Übung, die durch rechtliche Bestimmungen gebilligt wird, dadurch vorzubeugen, daß sie möglichst vorsichtig vorgeht. Daher fordert sie niedrige Bewertung der Aktivposten und hohe Bewertung der Schuldposten, um den Kaufmann vor Selbsttäuschungen über den Erfolg seiner Unternehmungen zu bewahren und seine Gläubiger zu schützen. Doch die Mängel der Buchführung rühren auch daher, daß die Bewertungen von der Geldseite her unsicher sind, weil auch der Geldwert Veränderungen unterworfen ist. Davon ahnen aber der Kaufmann, der Buchhalter und der Handelsrichter nichts. Sie halten das Geld für einen Preisund Wertmesser und rechnen ebenso unbefangen mit den Geldeinheiten wie mit den Längen-, Flächen-, Raum- und Gewichtsmaßen. Macht sie ein Nationalökonom' auf die Bedenken aufmerksam, die dieses Verfahren mit sich bringt, dann verstehen sie nicht einmal seine Bemerkungen 1. 1
In den im März 1892 in Wien abgehaltenen Sitzungen der zur Vor-
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Die Nichtberücksichtigung der Geldwertveränderungen in der Wirtschaftsrechnung fälscht die Gewinn- und Verlustrechnung. Sinkt der Geldwert, dann errechnet die die Geldentwertung nicht berücksichtigende Buchführung Scheingewinne, weil sie den bei Verkäufen erzielten Gelderlös den in höherwertigem Gelde errechneten Anschaffungskosten gegenübertreten läßt und weil sie bei den Abschreibungen von den im höherwertigen Gelde erstellten Buchwerten ausgeht. Was so als Gewinn angesehen wird, obwohl es als Bestandteil des Stammkapitals angesehen werden sollte, wird als solcher vom Unternehmer verzehrt oder in Gestalt von Preisnachlässen, die sonst bereitung der österreichischen Valutaregulierung einberufenen WährungsEnquete-Kommission, bemerkte earl Menger: "Ich möchte hinzufügen, daß nicht nur die Gesetzgebung, sondern auch das gemeine Leben, daß wir al1e, die Schwankungen der Tauschkraft des Geldes unbeachtet zu lassen g1ewöhnt sind. Selbst so ausgezeichnete Bankleute wie Sie, meine Herren, es sind, ziehen am Ende des Jahres die Bilanz, ohne zu berücksichtigen, ob die das Aktienkapital darstelJende Geldsumme möglicherweise an Tauschkraft gewonnen oder eingebüßt hat." Diese Ausführungen Mengers wurden von dem Direktor der Bodencreditanstalt, Theodor von Taussig, dem hervorragendsten Manne, der je im österreichischen Bankwesen tätig war, nicht verstanden. Er entgegnete nämlich: "Eine Bilanz ist eine Gegenüberstel1ung) des Vermögens, der Aktiven einer Gesellschaft oder eines Individuums gegen die Passiven, beide ausgedrückt in dem Werte, der als Maßstab für die Bewertung angenommen ist, in der Währung, das ist bei uns im Gulden. Wie nun bei diesem Ausdruck des Vermögens und der Schulden in dem einheitlich angenommenen MaBstabe auf die Veränderung in dem Maßstabe statt auf die Veränderung in dem zu messenden Objekte, wie es unsererseits geschieht, Rücksicht genommen werden soIl, das ist mir nicht klar." Taussig fand also gar nicht heraus, daß es sich um die Bewertung der Sachgüter und die Höhe der Abschreibungen und nicht um die Gegenüberstellung der Geldforderungen und Geldschulden handelte, und daß die Gewinn- und Verlustrechnung, um nicht al1zu ungenau zu sein, auf die Veränderungen des Geldwertes Rücksicht nehmen müßte. In seiner Antwort kam Menger darauf nicht zu sprechen, da er vor aIlem festzustel1en hatte, daB seine Ausführungen nicht als ein gegen die Bankleiter erhobener Vorwurf unehrenhaften HandeIns, wie es Taussig verstehen wollte, anzusehen seien. Er führte dabei aus: "Was ich sagte, ist lediglich, daß wir a 11 e, nicht nur die Herren von den Banken - ich sagte, selbst solche Männer, die an der Spitze von Banken stehen - einem Irrtume folgen, indem wir im gemeinen Leben den Wechsel des Geldwertes nicht berücksichtigen." (VgJ. Stenographische Protokolle über die vom 8. bis 17. März 1892 abgehaltenen Sitzungen der nach Wien einberufenen Wähl'ungs-Enquete-Kommission, Wien 1892, S. 211, 257, 270).
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unterblieben wären, an die Abnehmer oder in Gestalt von Lohnerhöhungen an die Arbeiter weitergegeben, wird von der Regierung .als Einkommen oder Geschäftsertrag fortgesteuert. In jedem falle wird ein Teil des Kapitals aufgezehrt, weil die Geldentwertung die Kapitalsrechnung verfälscht. Es mag sein, daß unter bestimmten Voraussetzungen der daraus entspringenden Kapitalsvernichtung und Verbrauchssteigerung zum Teil dadurch entgegengewirkt wird, daß die Geldentwertung auch echte Gewinne - der Schuldner zum Beispiel - entstehen läßt, die nicht verzehrt, sondern zurückgelegt werden. Doch dies kann immer nur einem Teil der durch die Geldentwertung hervorgerufenen Kapitalsaufzehrung die Wage halten 1. Die Abnehmer der Waren, die auf Grund der durch die Geldentwertung verf.älschten Kalkulation zu billig verkauft wurden, müssen nicht immer lediglich Bewohner des Gebietes sein, in dem das im Werte sinkende Geld als Landeswährung gebraucht wird. Die durch die Geldentwertung bewirkten Preisnachlässe fördern ganz besonders die Ausfuhr in Gebiete, deren Geld entweder ,überhaupt nicht oder zumindest in geringerem Maße im Werte sinkt. Der in einem wertbeständigeren Gelde rechnende Unternehmer ist nicht in der Lage, mit dem Unternehmer in Wettbewerb zu treten, der einen Teil seines Kapitals an seine Abnehmer geradezu verschenkt. In den Jahren 1920 und 1921 konnte es geschehen, daß Holländer Waren, die sie nach Österreich verkauft hatten, nach einiger Zeit weit billiger wieder erwerben konnten, als sie sie seinerzeit verkauft hatten, weil die österreichiscben Händler gar nicht bemerkten, daß sie unter den Gestehungskosten verkauften. Solange man diesen Sachverhalt nicht erkennt, pflegt man sich in naiv merkantilistischer Weise über die Steigerung der Ausfuhr zu freuen und in der Geldentwertung eine willkommene "Exportprämie" zu erblicken. Hat man aber einmal entdeckt, daß die Quelle, aus der diese Prämie fließt, das Kapitalvermögen ist, dann pflegt man den Vorgang als "Ausverkauf" weniger günstig zu beurteilen. In den Einfuhrländern wieder schwankt die öffentliche Meinung zwischen der Einschätzung als "Valuta-Dumping" und der Genugtuung über die günstige Einkaufsmöglichkeit. 1 Vgl. mein Buch "Nation, Staat und Wirtschaft", Wien 1919, S. 129 ff. Seither ist in Deutschland und österreich eine ganze Reihe von Schriften erschienen, die sich mit diesen Fragen befaßt.
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Wo die Geldentwertung Folge der von der Regierung durch Ausgabe von Noten betriebenen Inflation ist, kann man sich von ihrer die Wirtschaftsrechnung zerrüttenden Wirkung dadurch befreien, daß man zur Rechnung in wertbeständigerem Gelde übergeht. Soweit aber die Geldentwertung Entwertung des Weltgeldes. des Goldes, ist, gibt es keinen so einfachen Ausweg 1.
§ 3. Sehen wir jetzt von der Tatsache ab, daß ein Austausch gegenwärtiger und zukünftiger Güter stattfindet und beschränken wir unsere Betrachtung nun auf die Fälle, in denen nur gegenwärtiges Geld und gegenwärtige Güter zum Austausch gelangen, so finden wir sogleich einen wesentlichen Unterschied zwischen den Wirkungen der isolierten, von der Warenseite ausgehenden Veränderung eines einzelnen Warenpreises und der von der Geldseite ausgehenden Veränderung des zwischen dem Gelde und den übrigen wirtschaftlichen Gütern bestehenden' Austauschverhältnisses. Die Änderung eines einzelnen Warenpreises beeinflußt die Verteilung der Güter unter die Individuen in erster Linie aus dem Grunde, weil die fragliche Ware, wenn sie überhaupt ein im Tausche vorkommendes Gut ist, schon ex definitione unter die einzelnen Individuen nicht nach Verhältnis ihres Bedarfes verteilt ist. Es gibt Wirtschaften, weIche sie produzieren (im weitesten Sinne des Wortes, so daß darunter auch die Händler miteingeschlossen erscheinen) und veräußern, und es gibt Wirtschaften, die sie lediglich kaufen und konsumieren. Und es leuchtet ohne weiteres ein, weIcher Art die Wirkungen leiner Verschiebung des zwischen dieser Ware und den übrigen wirtschaftlichen Gütern einschließlich des Geldes bestehenden Austauschverhältnisses sein werden, wer durch sie begünstigt, wer durch sie benachteiligt erscheint. Beim Gelde kann die gleiche Wirkung nicht eintreten. Rücksichtlich des Geldes sind ja alle Wirtschaften gewissermaßen Händler 2; jede Einzelwirlschaft unterhält einen Geldvorrat, der der Größe und' Stärke, mit der sie ihre Nachfrage danach auf dem Markte zum Ausdruck zu bringen vermag, entspricht. Würden mit einem Schlage all~ Geldvorräte der Welt in dem gleichen Verhältnisse eine Verminderung oder Steigerung ihres inneren objektiven Tauschwertes erfahren, würden mit einem Male die Geld1 2
Vgl. weiter unten S. 411 H. Vgl. Ricardo, Letters to MaIthus, ed. Bonar, Oxford 1887, S. 10.
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preise aller Waren und Dienstleistungen gleichmäßig steigen oder fallen, dann könnte dies die Vermögenslage der Einzelwirtschaften nicht beeinflussen. Man würde in Hinkunft die Geldrechnung in größeren oder kleineren Ziffern führen, das wäre alles. Die Geldwertveränderungen hätten keine andere Bedeutung als die Änderungen der Maße und Gewichte oder des Kalenders. Die sozialen Verschiebungen, die als Begleiterscheinung der Geldwertveränderungen auftreten, sind lediglich durch den Umstand bedingt, daß diese Voraussetzung nie zutrifft. Es ist in dem Kapitel, das von den Bestimmungsgründen des inneren objektiven Tauschwertes des. Geldes handelte,' gezeigt worden, daß die Geldwertveränderungen von einer bestimmten Stelle ihren Ausgang nehmen und sich von da aus stufenweise in der ganzen Volkswirtschaft durchsetzen. Und allein darin liegt die Ursache ihrer Wirkung auf die gesellschaftliche Einkommensverteilung. Auch die von der Warenseite ausgehenden Veränderungen der auf dem Markte herrschenden Austauschverhältnisse vollziehen sieb in der Regel nicht mit einem Male; auch sie gehen von einer bestimmten Stelle aus und pflanzen sich erst von hier, schneller oder langsamer, fort. Und auch bei diesen Preisveränderungen stellen. sich demzufolge Begleiterscheinungen ein, deren Ursache in dem Umstand gelegen ist, daß die Preisveränderungen sich nicht mit einem Schlage, sondern nur schrittweise durchsetzen. Das sind aber Folgen, von denen nur eine beschränkte Anzahl von Wirtschaftssubjekten in stärkerem Maße betroffen wird, nämlich nur diejenigen, welche als Händler oder Produzenten Veräußerer der fraglichen Ware sind. Und dann sind dies nicht die alleinigen .Folgen der Veränderung des inneren objektiven Tauschwertes einer Ware. Wenn der Kohlenpreis fällt, weil die Produktion bei gleichbleibendem Bedarfe gesteigert wurde, dann sind zum Beispiel auch die Kleinhändler davon betroffen, die ihre Bestände zu den alten höheren Preisen bei den Großhändlern ergänzten, sie aber nur zu den neuen niedrigeren Preisen abzusetzen vermögen. Aber solche Wirkungen erklären niemals das Um und Auf der durch die Steigerung der Kohlenproduktion bewirkten sozialen Verschiebungen. Die Vermehrung des Kohlenvorrates hat den Versorgungsstand der Volkswirtschaft verbessert. Der Preisfall der Kohle bedeutet nicht lediglich eine Einkommens- und Besitzverschiebung zwischen Produzenten und Konsumenten, er bringt auch eine Erhöhung des Volkseinkommens
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und -vermögens zum Ausdruck. Manche haben gewonnen, was keiner verloren hat. Anders beim Gelde. " Als die wichtigste Ursache der Geldwertverringerung kommt die Vermehrung des Geldvorrates bei gleichbleibendern, sinkendem oder zumindest nicht gleich stark wachsendem Geldbedarf in Betracht. Diese geht, wie wir gesehen haben, von jenen Personen aus, in deren Vermögen die zusätzliche Geldmenge zuerst auftritt, und überträgt sich dann auf diejenigen, die mit ihnen in Verkehr treten und so fort. Diese Übertragung der niedrigeren subjektiven "Einschätzung des Geldes vollzieht sich in der Weise, daß die Besitzer der zusätzlichen Geldmenge als Käufer auf dem Markte höhere Preise zu bewilligen geneigt sind als vorher. Hohe Preise führen zu vermehrter Produktion und steigenden Löhnen, und weil alles dies von der Menge als Zeichen des wirtschaftlichen Wohlstandes angesehen wird, galt und gilt das Sinken des Geldwertes von jeher als ein außerordentlich wirksames Mittel zur Beförderung der wirtschaftlichen Wohlfahrt!. Das ist ein Irrtum, denn die Geldvermehrung zieht keine Vermehrung der den Menschen zur Verfügung stehenden Gebrauchsgütervorräte nach sich. Ihre Wirkungen können wohl in einer Änderung der Verteilung der wirtschaftlichen Güter unter die Menschen bestehen, keinesfalls aber, von jenem oben auf S. 119 angeführten nebensächlichen Umstand abgesehen, direkt den Gesamtgüterbesitz und den Wohlstand der Menschen mehren. Indirekt kann dies allerdings auf dem Wege geschehen, auf dem jede Änderung der Verteilung auch die Produktion beeinflussen kann: Wenn diejenigen Schichten, zu deren Gunsten die Verschiebung erfolgt, die ihnen neu zufließenden Gütermengen in größerem Maße zur Kapitalbildung verwenden, als jene es getan hätten, denen sie entzogen werden. Doch dies kommt hier nicht in Frage. Für uns ist maßgebend, ob die durch die Geldwertveränderung hervorgerufene Änderung der Verteilung den ganzen Inhalt ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung ausmacht oder nicht. Ist dies der Fall, so kann die Hebung des Wohlstandes nur scheinbar sein; denn sie kann nur einem Teile der Bevölkerung zugute kommen, wogegen der andere Teil einen entsprechenden Verlust erleiden muß. Und so ist es auch. Die Zeche müssen diejenigen Schichten oder Völker bezahlen, zu denen die Geldwertverringerung zuletzt gelangt. 1
Vgl. Hume, a. a. 0., S. 294ff.
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Nehmen wir etwa an, in einem isolierten Staate werde eine neue Goldmine erschlossen. Die zusätzliche Goldmenge, die von ihr in den Verkehr strömt, fließt zunächst den Minenbesitzern und dann der Reihe nach den mit ihnen in Verkehr tretenden Personen zu. Teilen wir schematisch die ganze Bevölkerung in vier Gruppen ein: die Minenbesitzer, die Produzenten von Luxusgütern, die übrigen Gewerbetreibenden und die Landwirte, so werden die ersten beiden Gruppen sich der durch die Geldwertverringerung geschaffenen Vorteile voll erfreuen können, und zwar die erste in höherem Maße als die zweite. Für die dritte Gruppe liegt die Sache schon anders. Bei ihr wird der Gewinn, den sie durch erhöhte Nachfrage von seiten der ersten beiden Gruppen erlangt, schon zum Teil dadurch geschmälert, daß sie für Luxusgüter bereits früher höhere Preise bezahlen mußte, da hier die Geldwertverringerung bereits voll zum Ausdruck gekommen war, als sie bei ihren Produkten erst einsetzte. VoIlends die vierte Gruppe wird aus dem ganzen Prozeß nur Nachteile ziehen. Die Landwirte sind bereits genötigt, alle Erzeugnisse des Gewerbefleißes teuerer zu bezahlen, bevor die Preissteigerung der landwirtschaftlichen Produkte ihnen hierfür eine Entschädigung bietet. Wenn diese endlich eintritt, stellt sie für die Landwirte zwar das Ende einer Zeit wirtschaftlichen Notstandes dar; Vorteile, die sie für die früher erlittenen Verluste entschädigen, können sie aber daraus nicht mehr ziehen. Sie können ja für die erzielten höheren Geldbeträge keine Waren einkaufen, die noch zu den alten, dem früheren Niveau des Geldwertes angepaßten Preisen erhältlich sind; denn die Preissteigerung hat sich bereits in der ganzen Volkswirtschaft durchgesetzt. So bleiben die Verluste, die die Landwirte zu jener Zeit erlitten, als sie ihre Produkte noch zu den alten niedrigeren Preisen verkauften, die der anderen aber bereits zu den neuen höheren Preisen bezahlen mußten, unausgeglichen. Diese Verluste der Gruppen, zu denen die Geldwertänderung zuletzt gelangt, sind es eben, aus denen in letzter Linie derspezifische Gewinn der Minenbesitzer und der ihnen zunächst stehenden Gruppen herstammt. Die Wirkungen der Geldwertveränderungen auf die Einkommensund Vermögensverteilung, die dadurch hervorgerufen wurden, daß die Veränderungen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes sich nicht zur gleichen Zeit und nicht in gleichem Maße den einzelnen Waren und Dienstleistungen gegenüber durchsetzen, treten beim metallischen Sachgelde nicht in anderer Weise zutage als beim v. Mises, Theorie des Geldes. 2. Aufl.
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Zeichen- und beim Kreditgelde. Auch wenn die Geldvermehrung durch die Ausgaben von Staats noten oder von nicht einlösbaren Banknoten vor sich geht, kommt sie zunächst nur einem Teil der Einzelwirtschaften zugute, und nur allmählich verbreitet sich die zusätzliche Geldmenge über die ganze Volkswirtschaft. Wird zum Beispiel im Kriege Papiergeld' ausgegeben, so werden die neuen Noten zunächst in die Taschen der Heereslieferanten strömen. "Infolgedessen wird die Nachfrage dieser Personen nach verschiedenen Artikeln zunehmen und somit auch der Preis und der Absatz der letzteren, namentlich aber der Luxusartikel steigen. Dadurch verbessert sich die Situation der Produzenten aller dieser Artikel; es werden auch ihre Nachfragen nach anderen Waren zunehmen, die Preis- und Absatzsteigerung also immer weitere Fortschritte machen und sich auf eine immer größere Anzahl von Artikeln und zuletzt auf alle erstrecken. 1." Auch in diesem Falle gibt es Inflationsgewinner und Inflationsverlierer; je früher jemand in der Lage ist, sein Geldei.nkommen der neuen Gestaltung des Geldwertes anzupassen, desto günstiger verläuft der ProzeB für ihn. Welche Personen. Personengruppen und Bevölkerungsschichten dabei besser und welche schlechter fahren, richtet sich nach den konkreten Daten jedes einzelnen Falles, ohne deren Kenntnis man nicht in der Lage ist, zu urteilen. Lassen wir das Beispiel des isolierten Staates und wenden wir uns der Betrachtung der internationalen Verschiebungen zu, die sich durch die aus der Vermehrung des Geldes fließenden Geldwertsteigerung ergeben. Auch hier vollzieht sich dasselbe. Eine Vermehrung des den Völkern zur Verfügung stehenden Gütervorrates hat nicht stattgefunden, nur seine Verteilung ist eine andere geworden. Das Land, in dem' die neuen Minen liegen, und jene Gebiete. die mit ihm zunächst in' Verkehr traten, sind dadurch in eine günstige Lage gekommen, daß sie in den anderen Ländern Waren noch zu den alten niedrigeren Preisen einkauften, als die Geldwertverringerung bei ihnen sich bereits vollzogen hatte. Jene Länder, in welche der neue Geldstrom sich später ergießt, sind es, welche die Kosten des erhöhten Wohlstandes der anderen Länder in letzter Linie tragen müssen. So hat Europa das Nachsehen gehabt, als die neuentdeckten Goldfelder Amerikas, Australiens und Südafrikas in jenen Ländern einen gewal1 Vgl. Auspitz und Lieben, Untersuchungen über die Theorie des Preises, Leipzig 1889, S. 65.
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tigell Aufschwung hervorriefen. Wo noch wenige Jahre vorher Urwald und Wildnis vorherrschten, entstanden über Nacht Paläste, durCh die Prärie wurden Schienen gelegt und, was die alte Welt nur an Luxusgütern erzeugen konnte, fand in Gegenden Absatz, die kurz vorher noch von halbnackten Nomaden bevölkert waren, und an Leute, die vielfach noch eben zuvor am Notwendigsten Mangel gelitten hatten. Alles das hatten die neuen Ansiedler, die glücklichen Goldsucher, aus den alten Industrieländern bezogen und dafür ihr schnell erworbenes Gold leicht hingegeben. Die Preise, zu denen sie alle diese Waren erhalten hatten, waren wohl höher, als der früheren Kaufkraft des Geldes entsprochen hätte; den neuen Verhältnissen trugen sie jedoch nicht ganz Rechnung. Die Europäer hatten Schiffe und Schienen, Geschmeide und Gewebe, Möbel und Maschinen exportiert und dafür Gold erhalten, dessen sie wenig oder gar nicht bedurften, denn auch die früher vorhandene Goldmenge hatte für den Geldverkehr ausgereicht 1. Ganz in derselben Weise wirkt die Geldwertverringerung, die durch irgendwelche andere Ursachen hervorgerufen ist. Denn nk:ht das ursächliche Moment ist für die wirtschaftlichen Folgen der Geldwertveränderung ausschlaggebend, sondern ihr langsames Fortschreiten von Person zu Person, von Schicht zu Schicht, von Land zu Land. Ziehen wir insbesondere jene Geldwertveränderungen in Betracht, welche sich aus dem im zweiten Kapitel dieses Teiles beschriebenen Steigern der Preise durch die Verkäufer ergeben, dann finden wir in dem geschilderten Erfolg der schrittweise vor sich gehenden Geldwertverminderung einen der Gründe, welche die die Preis erhöhung scheinbar diktierenden Gruppen zu ihrem Vorgehen veranlassen. Jene Gruppen, welche mit der Erhöhung der Preise vorangehen, finden dabei selbst dann ihre Rechnung, wenn die anderen nachträglich eine entsprechende Erhöhung der von i·hnen begehrten Preise durchzusetzen wissen; haben sie doch schon zu f'iner Zeit die höheren Preise bezahlt erhalten, als die Preise der Produkte, welche sie ankaufen müssen, noch auf dem niedrigeren Niveau beharrten. Dieser Gewinn bleibt ihnen; er findet sein Gegenstück in dem Verlust jener Gruppe, die die Preise ihrer Güter oder Leistungen zuletzt erhöhte. Diese mußte nämlich die höheren Preise schon zu einer Zeit bezahlen, als sie selbst für ihre zum' Verkauf gebrachten Produkte nur die niedrigeren Preise erzielte. Wenn sie 1
Vgl. Cairnes, a. a. 0., S. 77 ff.
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Sechstes Kapitel.
dann schließlich auch ihrerseits zu Preissteigerungen schritt, so hatte sie als die letzte, keine Mög:ichkeit mehr, ähnliche Vorteile anderen Schichten gegenüber zu erringen und so ihre früheren Einbußen wettzumachen. In dieser Lage befanden sich früher die Lohnarbeiter, da der Preis der Arbeit in der Regel erst spät die aufsteigende Preisbewegung mitmachte; was den Arbeitern hier entging, gewannen die Unternehmer. In der gleichen Lage befanden sich lange die öffentlichen Angestellten. Die vielfältigen Klagen der Beamten beruhten zum Teil darauf, daß sie, die eine Erhöhung des Einkommens nicht leicht durchsetzen können, die Kosten der beständig vor sich gehenden Preissteigerungen zum guten Teil zu tragen hatten. In der allerjüngsten Zeit ist allerdings durch die gewerkvereinsähnliche Organisation der öffentlichen Angestellten, die es ihnen ermöglicht, ihre die Steigerung der Bezüge betreffenden Wünsche schneller durchzusetzen, hierin eine Wandlung eingetreten. Die Umkehrung dessen, was von der Geldwertverminderung gilt, trifft für die Geldwertsteigerung zu. Auch diese vollzieht sich nicht plötzlich und gleichmäßig in der gesamten Volkswirtschaft, sondern geht in der Regel von einzelnen Schichten aus und pf:anzt sich dann schrittweise in der Gesellschaft fort. Wäre dies nicht der fall, und würde die Geldwertsteigerung ziemlich g:eichzeitig in der ganzen Volkswirtschaft platzgreifen, dann wäre sie von besonderen wirtschaftlichen folgen der uns hier angehenden Art nicht begleitet. Man nehme etwa an, der Zusammenbruch der Umlaufsmittel emittierenden Kreditinstitute eines Landes führe zu einer Panik, jedermann sei bereit, Waren um welchen Preis immer zu verkaufen, um sich in den Besitz von Bargeld zu setzen, wogegen Käufer erst bei stark ermäßigten Preisen zu finden sind. Es ist immerhin denkbar, daß die Steigerung des Geldwertes, die sich im Gefolge einer so:chen Panik ergebe~ würde, gleichmäßig und gleichzeitig von allen Personen vorgenommen und allen Waren gegenüber zur Anwendung gebracht wird. In der Regel aber greift die Geldwertsteigerung nur allmählich um sich. Diejenigen, welche sich zuerst genötigt sehen, sich beim Verkauf ihrer Waren mit niedrigeren Preisen zu begnügen als früher, während sie selbst für die Waren ihres Bedarfes die höheren Preise, die der alten Preislage entsprechen, zahlen müssen, sind es, die das Steigen des Geldwertes schädigt. Diejenigen aber, welche zuletzt an die Herabsetzung der Preise der von ihnen auf den Markt gebrachten Waren schreiten müssen, während sie selbst schon vorher
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von dem Sinken der Preise der übrigen Waren profitieren konnten, ziehen aus der Veränderung einen Gewinn.
§ 4. Unter den Begleiterscheinungen der Geldwertveränderungen haben vor allem die der Veränderungen des zwischen zwei Geldarten bestehenden Austauschverhältnisses die Aufmerksamkeit der Wissenschaft erregt. Die Ereignisse der Geldgeschichte haben den äußeren Anlaß dazu geboten. Der internationale Verkehr hatte sich im Laufe des 19. jahrhunderts in ungeahnter Weise entwickelt und die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den einzelnen Staaten waren außerordentlich enge geworden. Gerade in dieser Zeit des Beginnes regerer Handelsverbindungen wuchs die Verschiedenheit in der Währung der einzelnen Staaten. Eine Anzahl von Ländern ging für kürzere oder längere Zeit zum Kreditgeld über, und für die anderen, die teils goldenes, tei:s silbernes Sachgeld hatten, entstanden Schwierigkeiten aus dem Umstande, daß das Wertverhältnis zwischen diesen beiden Edelmetallen, das sich seit jahrhunderten nur langsam verschoben hatte, plötzlich jähen Veränderungen zu unterliegen begann. In den letzten jahren hat das Problem noch weit größere praktische Bedeutung gewonnen durch die Ereignisse, die Kriegs- und Nachkriegszeit auf dem Gebiete des Geldwesens zur folge hatten. 1 kg Silber habe früher gegen 10 q Weizen eingetauscht werd~ können; nun sei der innere objektive Tauschwert des Silbers, etwa weil ergiebige neue Minen erschlossen wurden, auf die Hälfte ge~ sunken, so daß 1 kg davon nur noch 5 Meterzentner Weizen kaufen könne. Aus dem, was oben über das natürliche Austauschverhältnis mehrerer Geldarten gesagt wurde, ergibt sich, daß nun auch der objektive Tauschwert des Silbers gegenüber den anderen Geldarten in dem gleichen Verhältnis sinken muß. Hat man früher schon mit 15 kg Silber 1 kg Gold kaufen können, so werden jetzt erst 30 kg Silber die gleiche Kaufkraft besitzen. Denn der objektive Tauschwert des Goldes den Waren gegenüber ist unverändert geblieben, während der des Silbers auf die Hälfte gesunken ist. Nun vollzieht sich die Veränderung der Kaufkraft des Silbers den Waren gegenüber nicht mit einem Male, sondern allmählich; es ist oben des näheren dargelegt worden, wie sie von einem bestimmten Punkte ihr~n Ausgang nimmt und allmählich weiterschreitet, und welche Begleiterscheinungen sich daraus ergeben. Wir haben bisher diese Begleiterscheinungen lediglich so weit untersucht, als sie schon innerhalb eines Gebietes mit einheitlicher Währung auftreten; es ist not-
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Sechstes Kapitel.
wendig, auch jene weiteren Konsequenzen zu verfolgen, die sich aus den Verkehrsbeziehungen zu Gebieten, in denen andere Geldarten verwendet werden, ergeben. Auch für diesen Fall können wir zunächst dasselbe feststellen, das wir im anderen gefunden haben: würden sich die Veränderungen des inneren objek:iven Tauschwertes des Geldes mit einem Male gleichmäßig in der ganzen Volkswirtschaft vollziehen, dann würden solche BegleiterscheiilUngen gar nicht auftreten können. Daß sich jene Veränderungen stets nur sukzessive durchsetzen, das allein ist die Wurzel ihrer auffälligen voikswirtschaftlichen Wirkungen. Veränderungen des inneren objektiven Tausch Ner~es einer Geldart werden für die Gestaltung des Austauschverhältnisses zwischen dieser und den anderen Geldarten erst in dem Augenblick wirksam, da sie sich Waren gegenüber äußern, die entweder schon Gegenstand von Verkehrsbeziehungen zwischen den beiden Gebieten bilden oder doch schon bei Auftreten nicht allzugroßer Preisveränderungen werden können. Der Zeitpunkt, in dem dieser Fall eintritt, ist bestimmend für die Wirkung der Veränderungen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes auf die Gestaltung der Verkehrsbeziehungen der beiden Gebiete. Diese sind verschieden, je nachdem sich die Preise der für den Außenhandel in Betracht kommenden Waren frühzeitig oder erst spät der neuen Geldwertgestaltung anpassen. In der modernen Organisation des Geldwesens vollzieht sich die Akkommodation regelmäßig zuerst auf der Valutenbörse. Die Spekulation auf dem Valuten- und Devisenmarkt nimmt die kommenden Veränderungen der Austauschrelation der Geldarten bereits in einem Augenblick vorweg, in dem die Geldwertveränderung ihren Lauf durch die Volkswirtschaft noch lange nicht vollendet, vielleicht gerade erst begonnen, jedenfalls schon, bevor sie die für den Außenhandel maßgebenden Güter erreicht hat. Das wären schlechte Börsenhändler, die diese Entwicklung nicht rechtzeitig erfassen und in ihrem Tun und Lassen berücksichtigen würden. Sobald sich aber die Veränderung des Valutenkurses auf der Börse vollzogen hat, wirkt sie in eigentümlicher Weise auf den Außenhandel solange zurück, bis sich die Anpassung der Preise sämtlicher Güter und Dienstleistungen an die neue Gestaltung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes vollzogen. hat. In dieser Zwischenzeit bilden die Differenzen der Preise und Dienstleistungen einen Fonds, der bestimmten Personen zufließen, anderen entgehen muß; mit einem
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Wort: wir haben hier wieder Verschiebungen in der Verteilung vor uns, die ihre besondere Note lediglich durch den Umstand erhalten, daß sie mit ihren Wirkungen über das Gebiet, in dem das im inneren objektiven Tauschwert sich verändernde Gut als Inlandsgeld verwendet wird, hinausgehen. Es leuchtet ein, daß die Folgen der Geldwertveränderungen keine anderen sein können als diese. Der gesellschaftliche Gütervorrat ist ja in keiner Weise vermehrt worden; die Summe dessen, was zur Verteilung gelangen kann, ist unverändert geblieben. Sobald die im Gange befindliche Veränderung des inneren objektiven Tauschwertes einer Geldart in dem Valutenkurse der Börsen zum Ausdruck gelangt ist, eröffnet sich den Exporteuren oder Importeuren, je nachdem es sich um eine Verminderung oder Steigerung der Kaufkraft des Geldes handelt, eine neue Gewinnchance. Bleiben wir beim ersten FaH, bei der Geldwertverminderung. Da sich nach unserer Annahme die Preisveränderungen auf den inländischen Märkten in diesem Zeitpunkt noch nicht ganz vollzogen haben, erwächst dem Exporteur ein Vorteil aus dem Umstande, daß die Waren, die er zu Markte bringt, ihm bereits zu den neuen, höheren Preisen abgenommen werden, während er seinerseits die Waren und Dienstleistungen seiner Nachfrage und, was besonders wichtig ist, auch seinen sachlichen und persönlichen Produktionsaufwand noch zu den alten, niedrigeren Preisen bezahlen kann. Wer der "Exporteur" ist, der diesen Gewinn einstreicht, ob es der Produzent oder der Händler ist, bleibt für unsere Untersuchung ohne Bedeutung; es ist nur festzustellen, daß hier im Tauschverkehr des Marktes Gewinn für die einen, Verlust für die anderen entsteht. Jedenfalls aber teilt der Exporteur seinen Gewinn mit dem ausländischen Importeur und dem ausländischen Verbraucher. Es kann aber - das hängt von der Organisation des Ausfuhrhandels ab sein, daß auch der Exporteur nicht echte, sondern lediglich Scheingewinne erzielt. Das Ergebnis ist also stets das, daß Gewinnen der ausländischen Käufer, die in bestimmten Fällen auch mit inländischen Exporteuren geteilt werden, Verluste gegenüberstehen, die allein von Inländern getragen werden. Damit ist klargestellt, daß auch von der aus dieser Quelle stammenden "Exportprämie" dasselbe gilt, was zur Beurteilung der aus der Verfälschung der Geldrechnung fließenden Ausfuhrbegünstigung gesagt wurde.
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Geldwertpolitik. § 1. Die volkswirtschaftlichen Begleiterscheinungen der Bewegungen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes sind von solch großer Bedeutung für das Leben der Gesamtheit und der einzelnen, daß der Gedanke ihrer planmäßigen Beeinflussung zur Erreichung bestimmter sozialpolitischer Zwecke nahe lag, sobald einmal die Anschauung von der fiskalischen Ausnutzung der staatlichen Stellung auf dem Gebiete des Geldwesens zurückgetreten war und die Ausbildung der modernen großen Volkswirtschaften dem Staate die Kraft verschafft hatte, bei der Wahl der Geldart durch die Teilnehmer am Marktverkehr ausschlaggebend mitzuwirken. Die moderne Währungspolitik ist eine Erscheinung, die ihrem Wesen nach völlig neu und von der Tätigkeit, welche die Staaten früher auf dem Gebiete des Geldwesens entfalteten, grundsätzlich verschieden ist. Der Staat suchte früher, wenn er - im Sinne seiner Bürger - gut handelte, durch die Münzprägung dem Verkehr Münzen zur Verfügung zu stellen, die jedermann ohne weitere Prüfung als Stücke von bestimmtem Gehalt an Geldstoff ansehen durfte; handelte er - wieder im Sinne und der Anschauung seiner Bürger gemäß gesprochen - schlecht, dann täuschte er betrügerisch das allgemein in ihn gesetzte Vertrauen. Immer aber leiteten ihn, wenn er die Münze leichter machte, ausschließlich fiskalische Erwägungen. Die Regierung wollte ihren finanzen aufhelfen, sonst nichts. Währungspolitische Ziele lagen ihr fern. Währungspolitische fragen sind fragen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes. für den Währungspolitiker hat das Geldwesen nUr insofern eine Bedeutung, als es mit diesen Problemen des Geldwertes in Verbindung steht; die rechtlichen und technischen Eigenschaften des Geldes sind für ihn nur in ihrer Rückwirkung auf diese fragen von Wichtigkeit. Alle währungspolitischen Maßnahmen können nur unter dem Gesichtspunkt der beabsichtigten Beeinflussung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes verstander' werden. Sie stellen sich mithin als das Gegenstück jener
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wirtschaftspolitischen Aktionen dar, welche die Umgestaltung der Geldpreise einzelner Waren oder Warengruppen zum Ziel haben. Nicht jedes Wertproblem, das mit dem inneren objektiven Tauschwert des Geldes in Zusammenhang steht, ist ein währungspolitisches Problem. Es gibt in den währungspolitischen Kämpfen auch Inter.essenten, denen nicht die Veränderung des Geldwertes als solche~ am Herzen liegt. In dem großen Streit, der sich an die Demonetisierung des Silbers und die dadurch bewirkte Verschiebung in dem gegenseitigen AustauschverhäItnis der beiden Edelmetalle Gold und Silber geknüpft hat, haben die Besitzer der Silberminen und die übrigen Freunde der Doppel- oder der Silberwährung nicht die gleichen Beweggründe geleitet. Wenn diese Veränderungen des Geldwertes anstrebten, um eine aIIgemein aufsteigende Bewegung der Warenpreise hervorzurufen, wünschten jene bloß den Preis des Metalles Silber als Ware durch Schaffung, richtiger gesagt Wiedergewinnung eines großen Absatzgebietes zu heben. Ihr Interesse war in keiner Weise von dem der Mineralöl- oder Eisenproduzenten verschieden, die für die Erweiterung der Absatzmöglichkeiten für Mineralöl oder Eisen eintreten, um die Rentabilität ihrer Betriebe zu erhöhen. Es liegt hier aIIerdings ein Wertproblem vor, aber kein Geldwert-, sondern ein Warenwertproblem, das Problem der Hebung des Tauschwertes des MetaIIes Silber 1. Doch dieses Motiv hat im Währungsstreit nur eine ganz untergeordnete RoIIe gespielt. Selbst in den Vereinigten Staaten, dem wichtigsten Produktionsgebiet des. weißen MetaIIs, ward es nur insofern von Bedeutung, als die reichliche materieIIe Unterstützung durch die Silbermagnaten die bimetal1 Auch bei der Herstellung von Papiergeld können ähnliche Interessen, etwa die der Drucker, Lithographen und dergleichen mitspielen. Vielleicht haben solche Motive bei Benjamin FrankIin mitgespielt, als er 1729 in seiner in Pi.iladelphia (anonym) erschienenen politischen Erstlingsschrift : A modest Inquiry into the Nature and Necessity of a Paper Currency (The Works of Benjamin Fra n k Ii n by Sparks, Chicago 1882, Bd. 11, S. 253 - 277) für die Vermehrung des Papiergeldes eintrat. Er hatte schon kurz vorher - wie er in seiner Selbstbiographie (ebendort Bd. I, S. 73) erzählt - die Herstellung der Noten für New Jersey besorgt, und als seine Schrift den Erfolg hatte, daß in Pennsylvanien trotz der Opposition der "rich men" die Ausgabe neuer Noten beschlossen wurde, ward ihm deren Ausführung übertragen. Er bemerkt darüber in seiner Selbstbiographie: A very profitable job, and a great help to me. This was an other advantage gained by me beeing able to write (ebendort Bd. I, S. 92).
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listische Agitation auf das kräftigste gefördert hat. Die große Menge aber zog nicht die Aussicht auf die Wertsteigerung der Minen, die ihnen gleichgültig waren, in das Lager der Silberfreunde, sondern
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gegen das Papier Um' die Herrschaft auf dem Markte. Niemand wird indes- ernstlich behaupten wollen, daß es andere als geldwertpolitische Fragen waren, die jene großen Kämpfe zeugten.
§ 2. Das erste Mittel, das dem Staate zur Erreichung geldwertpolitischer Zwecke zur Verfügung steht, ist die Ausriützung seines Einflusses auf die Wahl der Geldart. Es ist oben gezeigt worden, daß die Stellung des Staates als Münzherr und als Emittent von Geldsurrogaten in der neu esten Zeit dahin geführt hat, daß der Staat die Individuen bei der Wahl des allgemein gebräuchlichen Tauschmittels entscheidend zu beeinflussen vermag. Gebraucht der Staat diese Macht planmäßig, um den Verkehr zur Annahme einer Geldart zu drängen, deren Verwendung ihm aus geldwertpolitischen Motiven wünschenswert scheint, dann liegt eine geldwertpolitische Maßnahme vor. Die Staaten, die im letzten Menschenalter den Übergang zur Goldwährung vollzogen haben, taten dies aus geldwertpolitischen Motiven. Sie haben die Silberwährung oder die Kreditgeldwährung aufgegeben, weil sie die Wertgestaltung des Silbers oder des Kreditgeides im Hinblick auf die von ihnen verfolgte Wirtschaftspolitik als ungeeignet erkannt haben; sie haben die Goldwährung angenommen, weil sie die Wertgestaltung des Goldes zur Erreichung ihrer geldwertpolitischen Ziele relativ am geeignetsten hielten. Besteht in einem Lande Sachgeldwährung, dann ist es dem einzelnen Staate nicht möglich, Geldwertpolitik anders als durch Übergang zu einer anderen Geldart zu betreiben. Anders beim Kreditgeld und beim Zeichengeld. Hier kann der Staat durch Vermehrung oder Verminderung der Geldmenge die Bewegung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes beeinflussen. Das Mittel ist freilich recht roh und das Maß seines Erfolges niemals im voraus abzusehen. Aber es ist leicht anzuwenden und wegen seiner drastischen Wirkung populär.
§ 3. Inflationismus ist die Geldwertpolitik, die die Vermehrung der Geldmenge anstrebt. Der naive Inflationismus fordert Vermehrung der Geldmenge ohne zu ahnen, daß die Vermehrung der Geldmenge die Kaufkraft der Geldeinheit vermindert. Er will mehr Geld sehen, weil Geldfülle in seinen Augen schon Reichtum ist. Fiat money! Der Staat möge Geld "schaffen", um die Armen reich zu machen und von der Zinsknechtschaft der Kapitalisten zu befreien. Wie töricht doch, wenn
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man auf die Möglichkeit, alle reich und damit glücklich zu machen, die dem Staat durch das Recht der Geldschöpfung verliehen wurde. verzichten wollte, weil es den Interessen der Reichen zuwiderläuftJ Wie verbrecherisch von den Nationalökonomen, zu behaupten, es stünde nicht in der Macht des Staates, durch die Notenpresse Reichtum zu schaffen! Ihr wollt Bahnen bauen, Staatsmänner, und klagt über Ebbe in den öffentlichen Kassen? So bettelt doch nicht bei den Kapitalisten um Darlehen und rechnet nicht ängstlich nach, ob euere Bahnen so viel tragen werden, daß ihr die Schuld werdet verzinsen und abtragen können! Helft euch selbst und schaffet Geld 1 1 Andere Inflationisten erkennen sehr wohl, daß die Vermehrung der Geldmenge die Kaufkraft der Geldeinheit herabsetzt. Doch sie streben die Inflation gerade wegen ihrer Wirkung auf den Geldwert an, sie wollen die Geldentwertung, weil sie den Schuldner auf Kosten des Gläubigers begünstigen und weil sie die Ausfuhr fördern und die Ein fuhr erschweren wollen; andere wieder empfehlen die Geldentwertung im Hinblick auf die ihr zugeschriebene Wirkung, die Produktion anzuregen und den Unternehmungsgeist zu ermutigen. Die Geldentwertung kann dem Schuldner nur dann zugute kommen, wenn sie unvorhergesehen eintritt. Muß man mit inflationistischen Maßnahmen zur Herabsetzung des Geldwerts rechnen, dann werden die Geldverleiher höhere Zinsen fordern, um den voraussichtlichen Kapitalsverlust wettzumachen, und die Darlehenswerber werden bereit sein, die höhere Verzinsung zuzugestehen, weil ihnen ein Gewinn am Kapitalsbetrag winkt. Da es, wie wir gezeigt haben. nicht möglich ist, das Ausmaß der künftigen Geldentwertung vorauszusehen, mag im einzelnen falle der Gläubiger trotz der geforderten höheren Zinsen noch immer einen Verlust erleiden und der Schuldner einen Gewinn machen. Doch im allgemeinen wird es einer sich nicht bloß unerwartet in einem Schlage auswirkenden inflationistischen Politik nicht gelingen können, durch die Vermehrung der Geldmenge das Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner zugunsten dieses zu verschieben 2. Die Geldverleiher werden, um Verluste zu meiden, sich veranlaßt sehen, entweder Darlehen nur in einem wert1 Vgl. über die naiven inflationistischen Vorschläge, die im letzten Jahre vom Automobilfabrikanten Henry ford, vom berühmten Erfinder Edison und vom nordamerikanischen Senator Ladd gemacht wurden, Yves Guyot. Les probH~mes de la Deflation, Paris 1923, S. 281 f. 2 Das hat den Inflationisten schon William Do u g las s in seiner 174G
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beständigerem als dem Landesgelde zu erteilen oder aber in die Zinsforderung über die Vergütung hinaus, die sie für die voraussichtliche Geldentwertung und den durch sie zu gewärtigenden Verlust berechnen, noch eine Risikoprämie für eine weniger wahrscheinliche stärkere Geldentwertung einzuschließen. Wollten aber die Kreditsuchenden sich sträuben, die Leistung dieser weiteren Vergütung zu übernehmen, dann wird der Rückgang des Angebotes auf dem Leihmarkte sie dazu zwingen. Wir haben in der Inflation der letzten Jahre gesehen, wie die Spareinlagen gesunken sind, weil die Sparkassen nicht geneigt waren, die Verzinsung den geänderten Verhältnissen der Geldwertgestaltung anzupassen. Die Meinung, daß die Geldentwertung die Produktion anregt, konnten wir bereits im vorangehenden Kapitel als irrig erweisen. Wenn die besonderen Verhältnisse eines bestimmten Falles der Geldentwertung so liegen, daß Vermögensverschiebungen zugunsten der Reicheren und zu ungunsten der Ärmeren eintreten, dann wird freilich das Sparen und damit die Kapitalbildung gefördert, dadurch die Produktion angeregt und so der Wohlstand der kommenden Geschlechter erhöht. In den früheren Epochen der Wirtschaftsgeschichte mag dies mitunter die Wirkung einer nicht allzu starken Inflation gewesen sein. Je mehr aber durch die Entfaltung des Kapitalismus die Bedeutung der Geldleihe (Bank- und Sparkasseneinlagen, Schuldverschreibungen in Gestalt von Inhaberpapieren, Hypotheken) für die Spartätigkeit wuchs, desto gefährlicher lJ1ußte die Geldentwertung der Kapitalbildung werden, da sie den Anreiz zum Sparen minderte. Wie die Geldentwertung durch Verfälschung der Wirtschaftsrechnung zur Kapitalsaufzehrung führt, und wie die Konjunktur, die sie schafft, nur eine Scheinkonjunktur ist, und wie es in Wahrheit mit den Rückwirkungen der Geldentwertung auf den Außenhandel bestellt ist, wurde gleichfalls schon im vorangehenden Kapitel ausgeführt. Die dritte Gruppe der Inflationisten bestreitet nicht, daß mit der Inflation schwere Nachteile verbunden seien. Doch sie meint, es gebe höhere und wichtigere Ziele der Wirtschaftspolitik als geordnete Währungsverhältnisse. Die Inflation möge ein großes Übel sein, aber sie sei nicht das größte Übel. Der Staat könne unter ,Umin Boston anonym erschienenen Schrift "A Discourse concerning the Curreneies in the British Plantations in America" vorgehalten. Vgl. fis her, The Rate of Interest, a. a. 0., S. 356.
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ständen in eine Lage kommen, in der es vorteilhaft sei, größeren Übeln durch das kleinere Übel der Inflation entgegenzutreten. Wenn es gelte, das Vaterland gegen Feinde zu verteidigen oder Hungernde zu ernähren und vor dem Verderben zu bewahren, so möge die Währung immerhin zugrunde gehen. Man pflegt das Argument dieses bedingten Inflationismus mitunter auch in der Weise vorzutragen, daß man die Inflation als eine unter bestimmten Voraussetzungen angezeigte Art der Besteuerung erklärt. Es sei unter Umständen vorteilhafter, die Bedeckung des Staatsaufwandes durch Neuausgabe von Noten vorzunehmen, statt die Steuerlast zu erhöhen oder Anleihen aufzunehmen. So hat man während des Krieges argumentiert, als es galt, den Aufwand für Armee und Flotte zu bestreiten, so argumentierte man nach dem Kriege in Deutschland und Österreich, als es galt, einem Teil der Bevölkerung billige Nahrungsmittel zu liefern, die Betriebsabgänge der öffentlichen Unternehmungen (Eisenbahnen und so fort) zu decken und die Reparationszahlungen zu bewerkstelligen. Man nimmt die Inflation zur Hilfe, wo man nicht zur Erhebung von Steuern schreiten will und Anleihen nicht aufzunehmen vermag; das ist die Wahrheit. Und es gilt nun, zu untersuchen, warum man von den beiden sonst üblichen Mitteln der Beschaffung von Geld für die Staatswirtschaft nicht Gebrauch machen kann oder will. Man kann hohe Steuern nur dann erheben, wenn die Steuerträger mit dem Zweck, für den die aufgebrachten Mittel verwendet werden sollen, einverstanden sind. Dabei ist zu beachten, daß es, je höher die Gesamtsteuerlast wird, desto schwieriger wird, die öffentliche Meinung darüber zu täuschen, daß es nicht möglich ist, die Steuern allein durch die dünne Oberschicht der Bevölkerung tragen zu lassen. Auch die Besteuerung der Reichen und des Besitzes wirkt sich in der ganzen Volkswirtschaft aus, und ihre mittelbaren Folgen für die minderbemittelten Schichten sind oft empfindlicher als die einer unmittelbar gleichmäßig angelegten Besteuerung. Diese Zusammenhänge mögen bei niedrigeren Steuersätzen vielleicht schwerer zu erfassen sein, bei höheren lassen sie sich kaum verkennen. Es kann übrigens keinem Zweifel unterliegen, daß man das System der vorwiegenden "Besteuerung des Besitzes" kaum noch weiter treiben kann, als es in den Staaten, in denen Inflationismus herrscht, heute schon geschehen ist, und daß man sich mithin entschließen müßte, die weiten Massen unmittelbar zur
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Leistung von Abgaben heranzuziehen. Das aber kann eine Politik nicht wagen, die der Zustimmung der Massen nur solange sicher ist, als sie ihnen keine sichtbaren' Opfer auferlegt. Wer zweifelt daran, daß die kriegführenden Völker Europas viel schneller kriegsmüde geworden wären, wenn ihnen von ihren Regierungen die Rechnung über die Kriegsauslagen ohne Verzug klar und offen vorgelegt worden wäre? In keinem Lande Europas konnte es die Kriegspartei wagen, den Massen Steuern zur Bestreitung der Kriegskosten in beträchtlichem Umfang aufzuerlegen. Selbst in England, dem klassischen Lande des "Guten Geldes", wurde die Notenpresse in Bewegung gesetzt. Die Inflation hatte den großen Vorzug, daß sie einen Schein von wirtschaftlichem Wohlergehen und von Reichtumsvermehrung hervorrief, daß sie die Geldrechnung verfälschte und dadurch die Kapitalsaufzehrung verschleierte. Die Inflation ließ die Scheingewinne der Unternehmer und der Kapitalisten aufkommen, die man als Einkommen mit besonders hohen Steuern belegen konnte, ohne daß die Menge - vielfach selbst die Steuerzahler - es merkte, daß hier KapitaIteiie fortgesteuert wurden. Die. Inflation ermöglichte es, die Volkswut auf die "Kriegsgewinnler" Schieber und Spekulanten" zu lenken. So erwies sie sich als vortreffliches psychologisches Hilfsmittel der auf Zerstörung und Vernichtung gerichteten Kriegspolitik. Was der Krieg begonnen hatte, setzte die Revolution fort. Der sozialistische oder halbsozialistische Staat braucht Geld, um unrentable Betriebe zu führen, um Arbeitslose zu unterstützen und um dem Volke billige Lebensmittel zu liefern. Auch er kann die Mittel nicht durch Steuern aufbringen. Er wagt es nicht, dem Volke die Wahrheit zu sagen. Das etatistisch-sozialistische Prinzip, die Bahnen als Staats anstalt zu führen, würde schnell seine Volkstümlichkeit verlieren, wenn man etwa eine Spezialsteuer zur Deckung des Betriebsabganges der Staatsbahnen einheben wollte. Und die deutschen und österreichischen Massen hätten schneller erkannt, woher die Mittel fließen, die das Brot verbilligen, wenn sie selbst durch eine Brotsteuer dafür hätten aufkommen müssen. Ebenso konnte die deutsche Regierung, die die von der Mehrheit des deutschen Volkes bekämpfte "Erfüllungspolitik" gewählt hatte, sich die erforderlichen Mittel nicht anders als durch Notendruck beschaffen; und als dann die passive Resistenz im Rubrgebiet Unsummen erforderte, waren sie, wieder aus politischen Gründen, nur durch die Notenpresse aufzubringen.
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Eine Regierung sieht sich immer dann genötigt, zu inflationistischen Maßnahmen zu greifen, wenn sie den Weg der Anleihebegebung nicht zu betreten vermag und den der Besteuerung nicht zu betreten wagt, weil sie fürchten muß, die Zustimmung zu dem von ihr befolgten System zu verlieren, wenn sich seine finanziellen und allgemein wirtschaftlichen Folgen allzuschnell klar enthüllen. So wird die Inflation zu dem wichtigsten psychologischen Hilfsmi~tel einer Wirtschaftspolitik, die ihre Folgen zu verschleiern sucht. Man kann sie in diesem Sinne als ein Werkzeug nicht volkstümlicher, das ist antidemokratischer Politik bezeichnen, da sie durch Irreführung der öffentlichen Meinung einem Regierungssystem, das bei offener Darlegung der Dinge keine Aussicht auf die Billigung durch das Volk hätte, den Fortbestand ermöglicht. Das ist ihre politische Funktion. Das erklärt, warum sie seit jeher ein wichtiges Requisit der Kriegs- und Revolutionspolitik war und warum sie heute auch dem Sozialismus dient. Es ist eine Verhüllung der Ideologie des Absolutismus, wenn die Regierungen es nicht für notwendig erachten, ihre Ausgaben den Einnahmen anzupassen, und für sich das Recht in Anspruch nehmen, fehlende Mittel durch Notenausgabe zu ersetzen. Die verschiedenen Ziele, die die inflationistischen Politiker anstreben, verlangen eine besondere Einstellung der inflationistischen Maßnahmen. Will man die Geldentwertung, um den Schuldner auf Kosten des Gläubigers zu begünstigen, dann handelt es sich darum, unerwartet einen Schlag gegen die Gläubigerinteressen zu führen. Eine Geldentwertung, die man voraussehen kann, wird, wie gezeigt wurde, das Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner soweit nicht verschieben können, als man mit ihrem Eintreten rechnen konnte. Eine auf eine fortschreitende Verringerung des Geldwertes gerichtete Politik bringt dem Schuldner keinen Vorteil. Strebt man hingegen die Geldentwertung an, weil man "die Produktion anregen" und im Verhältnis zum Ausland die Ausfuhr fördern und die Einfuhr erschweren will, dann muß man beachte~, daß die absolute Höhe des Geldwertes - der Kaufkraft gegenüber den Waren und Dienstleistungen und des Austauschverhältnisses gegenüber anderen Geldarten - für den Außen- wie für den Binnenhandel bedeutungslos ist; nur die Veränderungen des inneren objektiven
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Tauschwertes des Geldes beeinflussen, solange sie im Gange sind, die Geschäfte. Die "wohltätigen Wirkungen" der Geldentwertung auf den Handel dauern nur so lange, als sich die Geldentwerttmg noch nicht allen Waren und Dienstleistungen gegenüber ganz durchgesetzt hat. Hat sich die Anpassung einmal vollzogen, dann verschwinden auch diese Wirkungen. Will man sie dauernd erhalten, dann muß man fortwährend zu neuer Verringerung der Kaufkraft des Geldes schreiten. Es genügt nicht, einmal eine Maßregel zur Herabsetzung der Kaufkraft des Geldes zu ergreifen, wie irrtümlicherweise von zahlreichen inflationistischen Schriftstellern angenommen wurde; nur die fortschreitende Verringerung des Geldwertes könnte den von ihnen angestrebten Zweck dauernd erfünen 1. Ein Geldwesen, das diesen Anforderungen entspricht, kann aber nie verwirklicht werden. Zwar nicht darin liegt die Schwierigkeit, daß eine fortschreitende Verminderung des Geldwertes bald bei so kleinen Wertgrößen anlangen müßte, daß sie für die Bedürfnisse des Verkehrs als nicht mehr entsprechend erscheinen würden. Da heute bei der Mehrzahl der Geldsysteme für die Rechnung das De2imalsystem üblich ist, könnte es selbst dem minder gewandten Teile des Publikums nicht schwer fallen, die neue Geldrechnung mitzumachen, wenn man zu einem System höherer Einheiten übergeht. Man könnte sich also ganz gut ein Geldwesen denken, bei dem ständig ein Sinken des inneren Geldwertes in gleichem Verhältnis stattfindet. Nehmen wir an, daß die Kaufkraft des Geldes "durch Veränderung der auf der Seite des Geldes liegenden Bestimmungsgründe im Laufe eines jeden Jahres um den hundertsten Teil jener Größe sinke, die sie zu' Beginn des betreffenden Jahres betragen hat. Die Geldwertbeträge am Jahreswechsel bilden dann eine fallende geometrische Reihe. Setzen wir den Geldwert zu Beginn des ersten Jahres gleich 100, dann ist der Quotient gleich o· 99 und der Geldwert am Ende des n ten Jahres gleich 100 X 0 . 99 n-l. Eine derartige konvergente geometrische Progression gibt eine unendliche Reihe, deren Glieder sich zu dem nächstfolgenden Nachbarglied stets wie 100:99 verhalten. Wir könnten uns recht wohl ein auf solcher Grundlage aufgebautes Geldwesen denken; vielleicht noch besser, wenn wir den Quotienten vergrößern, ihn etwa 0·995 oder gar 0·9975 sein lassen. 1
Vgl. Hertzka, Währung und Handel, Wien 1876, S. 42.
v. Mises, Theorie des Oeldes. 2. Aufl.
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So genau wir uns aber auch ein derartiges Geldwesen vorstellen können, so wenig liegt es in unseren Kräften, es wirklich zu schaffen. Wir kennen die BestimmungsgfÜnde des inneren Geldwertes oder glauben, sie zu kennen. Aber wir sind nicht Imstande, sie nach unserem Willen zu lenken, sie zu beherrschen. Denn uns fehlt die wichtigste Voraussetzung hierfür: einmal die Kenntnis der quantitativen Bedeutung der Veränderungen der Geldmenge. Wir können nicht errechnen, mit welcher Intensität quantitativ bestimmte Veränderungen im Verhältnis von Geldangebot und Geldnachfrage auf die subjektiven Wertschätzungen der Individuen und durch diese mittelbar auf den Markt einwirken. Das ist überaus mißlich j bei der Anwendung eines jeden Mittels, das den Geldwert beeinflussen soll, läuft man Gefahr, sich in der Dosierung zu vergreifen. Dies fällt um so schwerer insi Gewicht, als uns ja auch vor allem die Möglichkeit, die Veränderungen der Kaufkraft des Geldes zu messen, mangelt. Wenn wir also auch ungefähr beurteilen können, in welcher Richtung wir arbeiten müssen, um die angestrebte Veränderung zu erreichen, so fehlt uns jeder Anhaltspunkt dafür, wie weit wir gehen dürfen, und wir können niemals angeben, wo wir schon sind, welche Wirkungen unsere Eingriffe nach sich gezogen haben und wie sich diese zu den angestrebten Wirkungen verhalten. Nun ist aber die Gefahr, die mit einem Zuviel bei wiHkürlichen (politischen, das heißt aus einem bewußten Eingreifen menschlicher Organisationen entspringenden) Beeinflussungen des Geldwertes verbunder. ist, keineswegs zu unterschätzen und sicher nicht dort, wo es sich um Verminderung des Geldwertes handelt. Heftigere Veränderungen des Geldwertes bringen die Gefahr mit sich, daß sich der Verkehr von dem staatlicher Beeinflussung unterliegenden Geld emanzipiert und ein besonderes Geld wählt. Doch auch wenn es gar nicht dazu kommt, können alle Begleiterscheinungen der Geldwertveränderungen ausgeschaltet werden, wenn sich die wirtschaftenden Individuen die Tatsach'e, daß die Kaufkraft des Geldes beständig sinkt, klargemacht haben und demgemäß handeln. Wenn sie in allen Geschäftsabschlüssen die voraussichtliche künftige Gestaltung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes berücksichtigen, dann ist es um alle kredit· und handelspolitischen Wirkungen geschehen. In dem Maße, als die Deutschen anfingen, zur Goldrechnung überzugehen, konnte die weitere Geldentwertung weder das Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner verschieben noch auch den Handel beein-
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flussen. Mit der Annahme der Goldrechnung befreite sich die Volkswirtschaft von der InflationspoHtik der Regierung. Sie setzte dadurch die Inflationspolitik matt, und schließlich sah sich auch die Regierung genötigt, die Goldrechnung anzuerkennen. Eine Gefahr, die alle Versuche, eine inflationistische Politik durchzuführen, notwendig mit sichl bringen,·ist die der Übertreibung. Sobald einmal das Prinzip anerkannt ist, daß Maßregeln zur "Verbilligung" des Geldes ergriffen werden dürfen, können und sollen, wird 50gleich der heftigste und erbittertste Kampf darüber entbrennen, wie weit dabei zu gehen ist. Nicht nur darüber werden die Interessenten verschiedener Meinung sein, wie weit noch zu gehen ist, sondern auch über das Ergebnis ·der schon unternommenen Schritte. Heftige Kämpfe würden üben jede Maßnahme auf diesem Gebiet entbrennen. Von der festhaltung einer gemäßigten Politik könnte kaum die Rede sein. Diese Schwierigkeiten tauchen übrigens schon dann auf, wenn es sich nur darum handelt, durch eine einmalige, nicht !ZU wiederholende Geldverschlechterung jene Nebenwirkungen zu erreichen, die von den Infl'ationisten als wohltätig bezeichnet werden. Auch wenn, etwa nach einer schweren Krise, der "Produktion" oder den Schuldnern dadurch aufgeholfen werden soll, daß man den Geldwert einmal verschlechtert, sind die gleichen Probleme zu lösen. Mit diesen Schwierigkeiten müßte jede Politik der beabsichtigten Verringerung des Geldwertes rechnen. folgerichtig und unablässig fortgesetzte Inflation muß schließlich zum Zusammenbruch führen. Die Kaufkraft des Geldes wird immer mehr und mehr sinken, sie wird schließlich ganz schwinden. Man könnte sich zwar vorstellen, daß der Prozeß der Geldentwertung sich ins Endlose fortsetzt. Die Kaufkraft wird immer kleiner, ohne je ganz zu verschwinden; die Preise steigen immer mehr und mehr, doch immer bleibt es nocb möglich, gegen Noten Waren einzutauschen. Man gelangt schließlich dazu, auch im Kleinverkehr mit Milliarden und mit Billionen und dann mit noch höheren Beträgen zu arbeiten, doch das Geldsystem selbst bleibt bestehen. Aber das ist eine Vorstellung, der die Wirklichkeit kaum zu entsprechen vermag. Dem Verkehr wäre durch ein Geld, das immerfort im Werte sinkt, auf die Dauer nicht gedient. Als standard of deferred payments kann man es nicht verwenden. für alle Umsätze, bei denen Geld und Ware oder Dienstleistung nicht Zug um Zug getauscht werden, müßte man sich nach einem anderen Vermittler umsehen. 14-
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Doch auch für Bargeschäfte wird das sich immer weiter entwertende Geld unbrauchbar. Jedermann wird bestrebt sein, seinen Kassenbestand, an dem er beständig Verluste erleidet, so gering, als möglich zu halten; einfließendes Geld wird so schnell es geht fortgegeben werden, und in den Käufen, die abgeschlossen werden, um an Stelle des im Werte schrumpfenden Geldes wertbeständigere Güter einzutauschen, werden schon höhere Preise bewilligt, als im übrigen den augenblicklichen Verhältnissen des Marktes angemessen wäre. Wenn Waren, die man überhaupt oder zumindest im Augenblick nicht braucht, eingekauft werden, weil man die Noten nicht aufheben will, dann hat bereits der Prozeß begonnen, der die Noten aus der Verwendung als allgemein gebräuchliches Tauschmittel hinausdrängt. Es ist der Anfang der "Demonetisierung" der Noten. Der panikartige Charakter, der dem Vorgang anhaftet, muß seinen Verlauf abkürzen. Es kann einmal, zweimal, vielleicht auch dreimal und viermal gelingen, die aufgeregten Massen zu beschwichtigen; schließlich aber muß die Sache bis zum Ende ablaufen und dann gibt es kein Zurück mehr. Wenn einmal die Geldentwertung so rasche fortschritte macht, daß die Verkäufer fürchten müssen, selbst dann 'empfindliche Verluste zu erleiden, wenn sie mit der größten Eile wieder einkaufen, dann gibt es für die Währung keine Rettung mehr. Man hat in allen Ländern, in denen die Inflation schnell fortschreitet, festgestellt, daß die Entwertung des Geldes rascher vor sich geht als die Vermehrung seiner Menge. Wenn m die Nominalsumme des Geldes darstellt, die vor dem Beginn der Inflation im Land{~ vorhanden war, P den Goldwert, den die Geldeinheit damals hatte, M die Nominalsumme des Geldes, das in einern bestimmten Zeitpunkt der Inflation vorhanden ist, und p den Goldwert, den die Geldeinheit in diesem Zeitpunkt hat, dann ist, wie vielfach durch einfache statistische Untersuchungen ermittelt wurde, m P > M p. Man hat daraus folgern wollen, daß die Entwertung des Geldes zu schnell fortgeschritten und daß der Stand der Wechselkurse nicht "gerechtfertigt" sei. Manche haben den Schluß gezogen, daß offenbar die Quantitätstheorie nicht richtig und die Geldentwertung nicht durch die Vermehrung der Geldmenge bewirkt sein könne. Andere wieder haben, die Quantitätstheorie in ihrer primiJtivsten Gestalt anerkennend, die Zulässigkeit, ja die Notwendigkeit einer weiteren Vermehrung der Geldmenge befürwortet, die so lange fortzugehen
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habe, bis der Gesamtgoldwert der im Lande befindlichen Geldmenge wieder auf die Höhe gebracht worden ist, die er vor dem Beginn der Inflation gehabt hatte, also bis M p = m P. Der Irrtum, der in all dem steckt, ist nicht schwer zu erkennen. Wir wollen dabei ganz davon absehen, daß, wie schon ausgeführt wurde, der Valutenkurs der Börsen (damit auch das Metallagio) der in den Warenpreisen zum Ausdruck gelangenden Kaufkraft der Geldeinheit vorauseilt, so daß man nicht mit dem Goldwert operieren darf, sondern mit der vorläufig noch höheren Kaufkraft gegenüber den Waren. Denn auch diese Rechnung, in der P und p nicht den Goldwert, sondern die Kaufkraft den Waren gegenüber zu bedeuten hätten, würde in der Regel noch das Endergebnis m P > M p zeigen. Es ist vielmehr zu beachten, daß mit dem Fortschreiten der Geldentwertung allmählich der Geldbedarf (in bezug auf das in Rede stehende Geld) zu sinken beginnt. Wenn man desto größere Vermögenseinbußen erleidet, je länger man das Geld im Schrank liegen hat, trachtet man danach, seinen Kassenbestand auf das niedrigste Maß herabzusetzen. Weil jeder einzdne, auch wenn sich seine Verhältnisse sonst nicht geändert haben sollten, nun seinen Kassenbestand nicht länger auf derselben Werthöhe erhalten will, den er vor Beginn der Inflation hatte, vermindert sich der Geldbedarf der ganzen Volkswirtschaft, der doch nichts anderes sein kann als die Summe des Geldbedarfes der Einzelwirtschaften. Dazu kommt, daß in dem Maße, in dem der Verkehr allmählich dazu übergeht, sich ausländischen Geldes und effektiven Goldes an Stelle der Noten zu bedienen, die einzelnen anfangen, einen Teil ihrer Reserven in fremdem Gelde und in Gold und nicht mehr in Noten anzulegen. Geld, dessen künftige Wertgestaltung ungünstig beurteilt wird, wird in spekulativer Vorwegnahme der zu erwartenden Kaufkraftverringerung niedriger bewertet, als dem augenblicklichen Verhältnis von Geldangebot und Geldnachfrage entsprechen würde. Es werden Preise gefordert und gezahlt, die nicht der gegenwärtigen Höhe des Geldumlaufs und nicht dem gegenwärtigen Stand des Geldbedarfes entsprechen, sondern künftigen Tatsachen. Die Angstkäufe in den Läden, wo die Käufer sich drängen, um noch irgendein Stück zu ergattern, und die Panikkurse der Börse, wo die Preise der Effekten, die nicht Anspruch auf feste Geldsummen darstellen, und der Valuten sprunghaft emporgetrieben werden, eilen der Entwicklung voraus. für die Preise, die der vermuteten künftigen Lage
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des Angebots von Geld und der Nachfrage nach Geld entsprechen, ist aber im Augenblick nicht genug Geld vorhanden. So kommt es, daß der Verkehr unter dem Mangel an Noten leidet, daß zur Durchführung der abgeschlossenen Geschäfte nicht genug Noten zur Verfügung stehen. Der Marktmechanismus, der Gesamtnachfrage und Gesamtangebot durch Verschiebung des Austauschverhältnisses zur Deckung bringt, funktioniert für die Gestaltung des zwischen dem Gelde und den übrigen wirtschaftlichen Gütern bestehenden Austauschverhältnisses nicht mehr. Die Abwicklung des Geschäftsverkehrs leidet empfindlich unter dem Mangel an Noten. Diesem Übelstand kann, wenn die Dinge einmal soweit gediehen sind, in keiner Weise abgeholfen werden. Wollte man, wie manche vorschlagen, die Notenausgabe noch mehr steigern, so würde man die Sache nUr noch verschlimmern. Denn da die Panik dann noch wachsen würde, so würde das Mißverhältnis zwischen Geldentwertung und Geldumlauf noch verschärft werden. Der Mangel an Noten für die Bewältigung der Umsätze ist eine Erscheinung der weit vorgeschrittenen Inflation; er ist die Kehrseite der Angstkäufe und der Angstpreise, der Katastrophenhausse. Die Loslösung des Verkehrs von dem sich immer mehr als unbrauchbar erweisenden Gelde beginnt mit seiner V,erdrängung aus der Hortung. Man fängt an, anderes Geld - etwa Edelmetallgeld, ausländische Noten (mitunter auch höher geschätzte, weil von Staats wegen nicht vermehrbare Inlandsnoten, wie die Romanow·Rubel in Rußland oder das "blaue" Geld im kommunistischen Ungarn), dann auch Barrenmetall, Edelsteine und Perlen, selbst Bilder, andere Kunstgegenstände und Briefmarken - anzuhäufen, wenn man für unvorhergesehenen künftigen Bedarf absatzfähige Güter zur Verfügung haben will. Ein weiterer Schritt ist der Übergang des Kreditverkehrs zur Auslandswährung oder zum metallischen Sachgelde, das heißt praktisch zum Gold. Wenn dann auch im Warenhandel die Verwendung des inländischen Geldes aufhört, müssen endlich auch die Löhne in anderer Weise beglichen werden als durch Papierstücke, mit denen nichts mehr anzufangen 1St. Der Zusammenbruch der an die Spitze getriebenen I nflationspolitik - Vereinigte Staaten 1781, Frankreich 1796 - vernichtet nicht das Geldwesen, sondern bloß das Kredit- oder Zeichengeld des Staates, der seinen Einfluß verkannt hat. Der Zusammenbruch befreit den Verkehr vom Etatismus und setzt das Sachgeld wieder ein.
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Die Wissenschaft ist nicht berufen, ein Urteil über die politischen Ziele des InflationismuS' zu fällen. Ob Begünstigung der Schuldner auf Kosten der Gläubiger, ob Ausfuhrförderung und Einfuhrerschwerung, ob Anregung der Produktion durch Vermögens- und Einkommensverschiebungen zugunsten der Unternehmer zu empfehlen sei oder nicht, kann sie nicht entscheiden; bloß mit den Mitteln der Geldtheorie kann man diese fragen auch nicht soweit klären, als dies anderen Teilen der Nationalökonomie gelingt. Wohl aber hat unsere kritische Prüfung der Möglichkeiten der Inflationspolitik drei Ergebnisse gefördert: Alles, was der Inflationismus anstrebt, läßt sich auch durch andere Eingriffe in das Wirtschaftsleben erreichen, und zwar besser und ohne unerwünschte Nebenwirkungen. Wenn man die Schuldner entlasten will, kann man Moratorien verfügen oder die Verpflichtung zur Rückzahlung der Darlehen aufheben; wenn man die Ausfuhr fördern will, kann man Ausfuhrprämien gewähren; wenn man die Einfuhr erschweren will, kann man Verbote aussprechen oder Einfuhrzölle einheben. Alle diese Mittel ermöglichen es, Unterschiede in der Behandlung einzelner Schichten, Produktionszweige und Gebiete zu machen, was die Inflationspolitik nicht vermag. Die Inflationspolitik begünstigt alle Schuldner, auch die reichen, und schädigt alle Gläubiger, auch die armen; Schuldentlastungsgesetze vermögen Unterschiede zu machen. Die Inflationspolitik fördert die Ausfuhr aller Waren und erschwert allgemein die Einfuhr; Prämien, Zölle und Verbote können differenzieren. Dann ist festzustellen, daß die Inflationspolitik auch nicht in der Lage ist, im voraus das Ausmaß der Wirkung ihrer Maßnahmen abzusehen. Un~ schließlich muß jede unentwegt fortgesetzte Inflation zum Zusammenbruch führen. WiI sehen mithin: rein vom Standpunkt der Mittel der Politik betrachtet, ist der Inflationismus unzulänglich. Er ist, technisch gesehen, schlechte Politik, weil er die Ziele, die er anstrebt, nur unvollkommen zu erreichen vermag und weil er Nebenwirkungen auslöst, die er nicht, oder zumindest nicht immer, auslösen will. Seine Beliebtheit verdankt er allein dem Umstand, daß er es ermöglicht, die öffentliche Meinung die längste Zeit über seine Ziele und Absichten zu täuschen. Daß man ihn nicht leicht verstehen kann, hat ihm seine Volkstümlichkeit verschafft.
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§ 4. Die auf die Hebung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes gerichtete Politik wird nach dem wichtigsten Mittel, dessen sie skh bedienen kann, Restriktionismus oder Deflationismus genannt. Diese Bezeichnung deckt nicht alle auf die Geldwertsteigerung hinarbeitende Politik. Man kann das Ziel, das der Restriktionismus verfolgt, auch in der Weise erreichen, daß man die Geldmenge gar nicht oder nicht entsprechend vermehrt, während der Geldbedarf steigt. Diesen Weg hat die auf die Hebung des Oeldwertes bedachte Politik nicht seIten beschritten, wenn sie den Problemen einer entwerteten Kreditgeldwährung gegenüberstand; man stellte die weitere Geldvermehrung ein und gedachte, die Wirkung des steigenden Geldbedarfs auf die Oeldwertg,estaltung abzuwarten . .wir wollen im folgenden, einer verbreiteten Übung folgend, unter der Bezeichnung Restrilktionismus oder Deflationismus jede auf die Hebung des Geldwertes gerichtete Politik verstehen. Der Inflationismus verdankt seinen Ursprung und seine Beliebtheit dem Umstand, daß er der Regierung neue EinnahmsqueUen erschlieBt. Man hat Inflation aus fiskalischen Beweggründen schon getrieben, ehe man darauf gekommen war, daß man sie auch vom geldwertpolitischen Standpunkt billigen könnte. Immer ist es den inflationistischen Argumenten sehr zustatten gekommen, daß die Durchführung inflationistischer Maßnahmen dem Staatsschatz nicht nur keine Opfer auferlegt, sondern ihm Mittel zuführt. Vom fiskalischen Standpunkt betrachtet ist der Inflationismus nicht nur die billigste Wirtschaftspolitik, sondern zugleich auch ein besonders günstiger Weg, um der Ebbe in den Staatskassen abzuhelfen. ,oer Restriktionismus aber stellt an die Staatskassen Ansprüche, wenn es sich darum handelt, Noten (etwa durch Ausgabe von verzinslichen Schuldverschreibungen oder durch Steuern) aus dem Verkehr zu ziehen und zu vernichten, oder er verlangt von ihnen zumindest Verzicht auf Einnahmen, wenn er bei steigendem Geldbedarf Notenausgabe verbietet. Schon dies aHein vermag zu erklären, warum der Restriktionismus sich niemals an Macht mit dem Inflationismus messen konnte. Doch die geringe Volkstümlichkeit des Restriktionismus hat noch andere Ursachen. Bestrebungen zur Hebung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes müBten sich unter den gegebenen Verhältnissen entweder überhaupt auf einen einzelnen Staat oder einige
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Staaten beschränken oder hätten zumindest nur ganz geringe Aussicht auf gleichzeitige Verwirklichung in der ganzen Welt. Sobald jedoch ein einzelnes Land oder mehrere Länder ein Geld von steigender Kaufkraft einführen, während die übrigen Länder ein Geld von sinkendem, gleichbleibendem oder zumindest nur in geringerem Maße steigendem inneren Tauschwert beibehalten, verschieben sich, wie oben gezeigt wurde, die Bedingungen für den zwischenstaatlichen Handel. Für das Land mit steigendem Geldwert ergi:bt sich eine Erschwerung der Ausfuhr und eine Erleichterung der Einfuhr. Die Erschwerung der Ausfuhr und die Erleichterung der Einfuhr, kurz, die Verschlechterung der Handelsbilanz, ist aber meist als ein ungünstiger Zustand betrachtet und daher gemieden worden. Es liegt also schon hierin eine ausreichende Erklärung für die Unbeliebtheit der Maßnahmen zur Hebung der Kaufkraft des Geldes. Aber auch ganz abgesehen von jeder Beziehung auf den Verkehr mit dem Ausland ist das Steigen des inneren Geldwertes nicht im Interesse der maßgebenden politischen KreiSle gelegen. Es ziehen aus ihm zunächst alle diejenigen Vorteile, welche feste Beträge zu fordern haben. Die Gläubiger gewinnen auf Kosten der SchuldnC1". Die öffentlichen Abgaben werden in dem Maße drückender, als der Geldwert steigt; den Gewinn davon hat aber zum großen Teil nicht der Staat, sondern seine GläubIger. Politik zugunsten der Gläubiger auf Kosten der Schuldner ist aber nie populär gewesen. Bei allen Völkern und zu allen Zeiten haftet am Geldverleiher ein Odium 1. 'Die Klasse von Menschen, die ihr Einkommen ausschließlich oder doch zum größten Teil aus dem Zinsertrag ausgeliehener Kapitalien bezieht, war im allgemeinen zu keiner Zeit und in keinem Lande besonders zahlreich oder einflußreich. Ein nicht unbedeutender Teil des Kapitalrenteneinkommens fließt Personen zu, deren Einkommen zum größeren Teile aus anderen Quellen stammt und in deren Budget es nur eine untergeordnete Bedeutung besitzt. Man denke etwa an die Arbeiter, Bauern, Kleingewerbetreibenden und Beamten, die über Ersparnisse verfügen, die in Spardepositen oder in Renten angelegt sind, aber auch an die zahlreichen Besitzer großer Rentenbeträge, die sich aus den KreilSen der Großindustrie, des Großhandels oder der Aktienei·gner rekrutieren. Für alle diese kommt das Interesse als Rentner erst hinter dem als Grundbesitzer, Kaufmann, Fabrikant 1
VgJ. Bentham, Defence of Usury, Sec. ed., London 1790, S.102ff.
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oder Angestellter. Kein Wunder, daß sie für Bestrebungen zur Hochhaltung der Kapitalrenten nicht viel übrig haben 1. Restriktionistische Ideen haben stets nur nach einer Geldentwertung einigen Anklang gefunden, wenn die Entscheidung darüber fallen solIte, was an Stelle der aufgegebenen Inflationspolitik zu treten hätte. Sie wurden kaum je anders ernstlich erwogen als in der fragestellung: Stabilisierung der augenblicklichen Höhe des Geldwertes oder Zurückführung des Geldwertes auf jene Höhe, die er vor dem Einsetzen der Inflation gehabt hatte. Bei dieser fragestellung gehen die zugunsten der Wiederherstellung der alten Metallparität des. Geldes geltend gemachten Gründe von der Auffassung der Noten als einer auf Sachgeld lautenden Schuldverschreibung aus. Das Kreditgeld ist stets aus der Einstellung der Bareinlösung von im Umlauf befindlichen jederzeit auf Verlangen des Überbringers einlöslichen Staatsnoten oder Banknoten (mitunter auch Scheidemünzen oder Kassenführungsguthaben) entstanden. Ob nun die ursprüngliche Verpflichtung zur sofortigen Bareinlösung eine durch das Recht ausdrücklich festgelegte oder lediglich eine tatsächlich geübte war, immer erschien die Einstellung der Bareinlösung als ein Rechtsbruch, den man wohl zu entschuldigen, aber nicht zu rechtfertigen vermochte. Denn nie hätten die Stücke, die durch die Einstellung der Bareinlösung Kreditgeld wurden, anders in den Verkehr gelangen können, denn als Geldsurrogate, als sichere, jederzeit fällige forderungen auf einen Betrag von Sachgeld. Die Aufhebung der sofortigen Einlöslichkeit wurde dann stets als Maßregel von begrenzter Dauer verfügt, ihre Besdtigung für die Zukunft in Aussicht gestellt. Wer das Kreditgeld nur als Zahlungsversprechen betrachtet, kann in der "Devalvation" nichts anderes sehen als einen Rechtsbruch, als Staatsbankerott. Doch das Kreditgeld ist nicht bloß Schuldschein und Zahlungsversprechen. Es hat als Geld' eine andere Stellung im Tauschverkehr des Marktes. Es konnte Geldsurrogat nur werden, weil es forderungsrecht war. Doch in dem Augenblick, da es - wenn auch durch einen Rechtsbruch - Geld, Kreditgeld wurde, wurde es nicht mehr im Hinblick auf die mehr oder weniger ungewissen Aussichten künftiger Volleinlösung gewertet, sondern wegen des Gelddienstes, den 1 Vgl. (Wright and H arl'ow), S. 51 ff.
The Gernini Letters,
London 1844,
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es leistete. Der weitaus niedrigere Wert als unsichere Forderung auf eine künftige Bareinlösung hat so lange keine Bedeutung, als der höhere Wert als allgemein gebräuchliches Tauschmittel berücksichtigt wird. Es ist daher durchaus unzutreffend, in der "Devalvation" einen "Staatsbankerott" zu erblicken. Die Stabilisierung des augenblicklichen - niedrigen - Standes des Geldwertes ist, auch wenn man sie lediglich in Hinsicht auf ihre Wirkungen auf die oestehenden Schuldverhältnisse betrachtet, etwas anderes; sie ist zugleich mehr und weniger als Staatsbankerott. Sie ist mehr, insofern sie:' ni'cht nur die öffentlichen Schulden, sondern auch alle Privatschulden trifft; sie ist weniger, einmal insofern sie auf der einen Seite auch die auf Kreditgeld lautenden Forderungen des Staates trifft, auf der anderen Seite aber seine auf klingende Münze (Sachgeld) oder fremde Währung lautenden Verpflichtungen nicht berührt, dann aber, weil sie für alle jene Schuldverhältnisse, die in Kreditgeld schon zur Zeit des niedrigen Kursstandes eingegangen wurden, ohne daß die Parteien auf eine Hebung des Geldwertes gerechnet hätten, keine Verschiebung des Verhältnisses der Kontrahenten mit sich bringt. Wenn der Geldwert gehoben wird, dann werden die bereichert, die augenblicklich Kreditgeld oder auf Kreditgeld lautende Forderungen besitzen; für diese Bereicherung müssen die Schuldner und der Staat (die Steuerzahler) aufkommen. Doch die durch die Hebung des Geldwertes bereichert werden, sind nicht dieselben, die durch die Geldentwertung im Verlaufe der Inflation geschädigt wurden, und die die Kosten dieser Politik tragen müssen, sind nicht dieselben, die aus der Geldentwertung Vorteil gezogen haben. Man hebt dile Folgen der Inflation nicht auf, wenn man Deflationspolitik treibt. Man macht den Rechtsbruch von einst nicht gut, wenn man einen Ileuen Rechtsbruch begeht. Denn den Schuldnern gegenüber liegt in der Restriktion ein Rechtsbruch. Will man den Schaden, den die Gläubiger im Verlauf der Inflation erlitten haben, wieder gut machen, dann kann man dies gewiß nicht durch die Restriktion bewirken. Unter den einfacheren Verhältnissen unentwickelten Kreditverkehrs hat man den Versuch unternommen, durch die Umwandlung der vor und während der Inflationsperiode entstandenen Geldschulden Abhilfe zu schaffen. Jede Schuldsumme wurde nach dem Kurs, den das Kreditgeld dem Sachgeld gegenüber am Entstehungstage hatte, in das nun devalvierte
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Geld umgerechnet. Wer vor dem Beginn der Inflation 100 Gulden schuldig geworden war, hatte nach der Stabilisierung des auf den fünften Teil entwerteten Sachgeldes 500 Gulden zu verzinsen und zurückzuzahlen; wer zur Zeit, als das Kreditgeld bereits auf die Hälfte des Nennwertes gesunken war, 100 Gulden schuldig geworden war, sol1te 250 Gulden verzinsen und zurückzahlen 1. Damit wird aber nur in noch laufende Schuldverpflichtungen eingegriffen; die schon in leichterem Gelde getilgten Schulden werden nicht berührt. Ein Wechsel, der sich entgeltlich in der Person des Schuldners oder Gläubigers vollzogen hat, bleibt unberücksichtigt; das ist im Zeitalter der Inhaberpapiere ein ganz besonders schwerwiegender fehler. Schließlich ist die Regelung unanwendbar für den Kontokorrentverkehr. Es ist nicht unsere Aufgabe, zu erörtern, ob sich etwas Besseres ersinnen ließe. Doch wenn überhaupt für die Gutmachung der von den Gläubigern erlittenen Schäden eine Abhilfe möglich ist, so muß sie auf dem Wege derartiger Umrechnungsbestimmungen gesucht werden. Die Hebung der Kaufkraft des Geldes ist jedenfalls kein gf'eignetes Mittel zur Erreichung dieses Zieles. für die Hebung des Geldwertes bis zur Höhe der vor dem Beginn der Inflationszeit in Kraft gestandenen Metallparität werden auch kreditpolitische Umstände ins Treffen geführt. Ein Staat, der durch die vermittels der Inflation herbeigeführte Geldentwertung seine Gläubiger geschädigt hat, könne das erschütterte Vertrauen in seine Kreditwürdigkeit nicht anders wieder herstellen als durch die Rückkehr zum alten Preisstand. Damit allein könne er die, von denen er sich neue Anleihen gewähren lassen will, über die künftige Sicherheit ihrer forderung beruhigen; die Inhaber der Schuldverschreibungen werden annehmen dürfen, daß eine etwaige neuerliche Inflation schließlich ihre Rechte nicht schmälern werde, da man nach ihrem Abschluß voraussichtlich wieder zur früheren Metallparität zurückkehren werde. Dieses Argument gewinnt für England, zu dessen wichtigsten Erwerbszweigen die Stellung der Londoner City als Weltbankier gehört, eine erweiterte Bedeutung. Es sollen alle die, die sich des englischen Bankgewerbes bedient haben, über die Sicherheit ihrer englischen Depots für die Zukunft beruhigt 1 Vgl. Hof man n, Die Devalvierung des österreichischen Papiergeldes im Jahre 1811 (Schriften des Vereins für Sozialpolitik, 165. Bd., I. Teil).
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werden, damit der Umfang des englischen Bankgeschäftes nkht durch Mißtrauen in die Zukunft des englischen Geldes verkleinert werde. Wie bei allen kreditpolitischen Erwägungen dieser Art ist auch in diesem Gedankengang ein gutes Stück Psychologie enthalten. Es mag sein, daß man das Vertrauen für die Zukunft wirksamer auf anderem Wege wieder herstellen kann als gerade durch Maßnahmen, die einem Teil der geschädigten Gläubiger - allen, die sich ihrer Forderungsrechte schon entäußert haben - überhaupt nicht zugute kommen und manchen Gläubigern - denen, die die Forderungen schon nach Eintritt der Geldentwertung ·erworben haben - nützen, obwohl sie überhaupt keinen Schaden erlitten haben. Die Gründe, die für die Wiederherstellung der vor Einsetzen der Inflationspolitik bestandenen Höhe des Geldwertes geltend gemacht werden, können daher im allgemeinen nicht als durchschlagend erkannt werden, zumal noch die Rücksicht auf die handelspolitischen Folgen der Geldwertsteigerung zur Vorsicht mahnt. Nur dort und soweit, als die Preise sich noch nicht ganz an die durch die Gcidvermehrung angebahnte Gestaltung des Verhältnisses zwischen Geldvorrat und Geldbedarf angepaßt haben, kann man zur Wiederherstellung der alten Parität schreiten, ohne allzu heftigen Widerstand zu finden.
§ 5. Die Bestrebungen, die dahin zielen, den inneren objektiven Tauschwert des Geldes zu erhöheni oder zu verringern, erweisen sich also in der Praxis als undurchführbar. Sein Steigen führt zu folgen, die in der Regel nur einem geringen Teile der Bevölkerung erwünscht erscheinen; eine Politik, welche sich dieses Ziel setzt, verletzt zu große Interessen, um sich auf die Dauer behaupten zu können. Volkstümlicher erscheinen die Eingriffe, welche den inneren Geldwert verringern sollen; aber der Zweck, den sie erfüllen sollen, ,kann leichter und entsprechender auf anderem Wege erreicht werden, und ihre Durchführung begegnet vol1ends unüberwindlichen Schwierigkeiten. So bleibt denn schließlich nichts übrig, als sowohl die Erhöhung als auch die Verringerung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes abzulehnen. Es entsteht das Ideal des Geldes von unveränderlichem inneren Tauschwert. Doch wohlgemerkt: es ist dies da~ Geldideal erleuchteter Staatsmänner und Volkswirte, nicht das der großen Menge. Diese denkt viel zu unklar, um die Probleme, die im Spiele
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sind - es sind freilich die schwierigsten der Volkswirtschaftslehre -, zu begreifen; ihr scheint noch immer das Geld von unveränderlichem äußeren Tauschwert das beste zu sein, wofern sie nicht inflationistischen Gedankengängen folgt. Das I deal eines Geldes von unveränderlichem inneren Wert verlangt Eingriffe einer ordnenden Hand in die Gestaltung des Geldwertes. Und zwar fortgesetzte Eingriffe. Hier ergeben sich aber sofort die schwersten Bedenken aus dem schon früher besprochenen Umstande, daß uns über die quantitative Bedeutung von bestimmten Maßregeln zur Beeinflussung des Geldwertes keinerlei brauchbare Kenntnisse vorliegen. Noch schwerer ins Gewicht aber fällt der Umstand, daß wir überhaupt nicht imstande sind, genau festzustellen, ob und wie große Veränderungen im äußeren Tauschwert, geschweige denn im inneren Tauschwert des Geldes vor sich gegangen sind. Die Bemühungen, den inneren Tauschwert des Geldes konstant zu erhalten, müssen also schon daran scheitern, daß über Ziel und Weg dichtes Dunkel lagert, das die Strahlen menschlicher Erkenntnis niemals zu durchdringen imstande sein werden. Die Ungewißheit, die über die Notwendigkeit eines Eingreifens zur Erhaltung der Stabilität des inneren Tauschwertes des Geldes und über das notwendige Maß eines solchen Eingreifens bestünde, müßte aber wiederum den widerstreitenden Interessen der Inflationisten und Restriktionisten Tür und Tor öffnen. Sowie nur der Grundsatz anerkannt ist, daß der Staat den Geldwert beeinflussen darf und soll, und sei es auch nur, um seine innere Stabilität zu garantieren, taucht auch schon wieder die Gefahr von Mißgriffen und Übertreibungen auf. Diese Möglichkeiten und die Erinnerung an die staatsfinanziellen und inflationistischen Experimente der jüngsten Vergangenheit haben das nicht zu verwirklichende Ideal eines Geldes von unveränderlichem inneren Tauschwert zurücktreten lassen hinter der forderung: der Staat wen~gstens möge sich jeder Beeinflussung des inneren Geldwertes enthalten. Ein Sachgeld, bei dem die Vermehrung oder Verminderung der zu Geldzwecken zur Verfügung stehenden Stoffmenge von zielbewußtem menschlichem Eingreifen unabhängig ist, wird das Ideal des modernen Geldes. Die Bedeutung des festhaltens an einem System des Sachgeldes liegt in der dadurch gewährleisteten Unabhängigkeit des Geldwertes von staatlichen Einflüssen. Es ist zweifellos mit beträchtlichen Nach-
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teilen verbunden, daß nicht nur die Schwankungen im Verhältnis von Geldangebot und Geldnachfrag.e, sondern auch die in den Produktionsverhältnissen des Geldstoffes und die Veränderungen in seiner industriellen Nachfrage auf die Gestaltung des Geldwertes zurückwirken. Freilich sind diese Einwirkungen beim Gold (aber auch beim Silber), den beiden für die Neuzeit allein in Betracht kommenden Geldstoffen, nicht übermäßig groß. Aber selbst wenn sie größer wären, verdiente ein solches Geld noch immer den Vorzug gegenüber dem staatlicher Beeinflussung unterliegenden, da bei einem solchen weit stärkere Schwankungen auftreten können.
§ 6. Das Ergebnis der Untersuchung der Entwicklung und Bedeutung der Geldwertpolitik darf nicht überraschen. Daß der Staat, nachdem er eine Zeit hindurch die ihm heute zustehende Macht, die Gestaltung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes bis zu ·einem gewissen Grade zu beeinflussen, ausgeübt hat, um auf die Einkommensverteilung einzuwirken, auf ihre weitere Ausübung wird verzichten müssen, wird den nicht wundernehmen, der die wirtschaftliche Funktion des Staates in der auf dem Sondereigentum' an den Produktionsgütern beruhenden Gesellschaftsordnung richtig einschätzt. Der Staat ist nicht Herr des Marktes; er ist auf dem Markte, auf dem die Produkte ausgetauscht werden, wohl eine mächtige Partei, aber doch nur einet Partei neben vielen anderen, nichts weiter. Alle seine Versuche, die auf dem Markte gebildeten Austauschverhältnisse der wirtschaftlichen Güter umzugestalten, kann er nur mit den Mitteln des Marktes vornehmen. Wohin ein bestimmter Eingriff führen kann oder muß, vermag er nie ganz zu übersehen. Er kann einen gewünschten Erfolg nicht nach Gutdünken in dem beabsichtigten Ausmaße herbeiführen, weil die Mittel, die ihm durch Beeinflussung der Nachfrage und des Angebots hier zur Verfügung stehen, nur durch das Medium der subjektiven Wertschätzungen der Individuen auf die Preisgestaltung einwirken, ein Urteil darüber, mit welcher Intensität die Umbildung der Wertschätzungen erfolgt, aber nur bei Anwendung von kleinen Eingriffen, die sich auf eine oder wenige minder wichtige Warengruppen beschränken, und auch da nur annäherungsweise abgegeben werden kann. Alle Geldwertpolitik leidet unter dem Übelstand, daß die Wirkung der Maßregeln, die zur Beeinflussung der Bewegungen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes ergriffen werden können, weder im vor-
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hinein abgesehen, noch auch, wenn sie schon eingetreten ist, nach Art und Maß erkannt werden kann. Der Verzicht auf die Ausübung geldwertpolitischer Eingriffe, der im Festhalten an der metallischen Sachgeldwährung liegt, ist indes kein vollständiger. In der Möglichkeit, die Ausgabe von Umlaufsmitteln zu regulieren, steht noch ein weiteres Mittel zur Beeinflussung des inneren objektirven Tauschwertes des Geldes zur Verfügung. Diese Probleme müssen im folgenden Teil erst untersucht werden, ehe wir einen jüngst veröffentlichten Plan erörtern können, ein Geldwesen einzurichten, das wertbeständiger ist als das Goldgeld. § 7. Dem aufmerksamen Leser wird es vielleicht auffallen, daß in diesem Buche vermieden wird, die Begriffe Inflati'On und Deflation (Restriktion, Kontraktion) gen au zu umschreiben, ja daß sie überhaupt kaum, und dann nur an Stellen, wo es auf die Genauigkeit des Ausdruckes nicht besonders ankommt, Verwendung finden. Ich spreche nur von Inflationismus und von Deflationismus (Restriktionismus), und gebe eine gen aue Umschreibung der Begriffe, die ich mit jedem dieser Ausdrücke verbinde. 1 Dieses Verfahren bedarf augenscheinlich einer besonderen Rechtfertigung. Ich stimme nun durchaus nicht jenen außerordentlich gewichtigen Stimmen zu, die sich gegen den Gebrauch des Ausdruckes Inflation überhaupt ausgesprochen haben. 2 Wohl aber glaube ich, daß man auch ohne diesen Ausdruck auszukommen vermag, und daß es wegen einer schwerwiegenden Verschiedenheit, die seiner Bedeutung in der rein nationalökonomischen Theorie des Geld- und Bankwesens und in der geldwertpolitischen Diskussion des Alltags zukommt, höchst gefährlich wäre, von ihm auch dort Gebrauch zu machen, wo es auf scharfe wissenschaftliche Genauigkeit des Wortes ankommen muß. In der theoretischen Untersuchung kann man mi! dem Ausdruck Inflation vernünftigerweise nur einen Sinn verbinden: "Eine Vermehrung der Geldmenge (im weiteren Sinne des Wortes, so daß auch die Umlaufsmittel darin eingeschlossen erscheinen), der keine entsprechende Steigerung des Geldbedarfs (wieder im weiteren Sinne des Wortes) gegenübersteht, so daß ein Sinken des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes eintreten muß. Deflation (Restriktion, Kontraktion) wieder bedeutet: Eine Verminderung der Geldmenge (im weiteren Sinne), der kein entsprechender Rückgang des Geldbedarfs (im weiteren Sinne) gegenübersteht, so daß ein Steigen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes eintreten muß. Wenn wir diese Begriffe so auffassen, so ist festzustellen, daß beständig entweder Inflation oder Deflation im Gange ist, da ein Zustand, in dem der innere objektive Tauschwert des Geldes sich nicht verändert, wohl kaum jemals längere Zeit besteht. Es beeinträchtigt den theoretischen Wert unserer Begriffsbestimmung nicht im geringsten, daß wir nicht in der Lage sind, die Bewegungen 1 2
Vgl. oben S. 203 und 216. So vor allem Pigou, The Economics of Welfare, London 1921, S. 665f.
GeldwertpoJitik.
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des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes zu messen, ja, daß wir sie selbst nur zu erkennen vermögen, wenn sie quantitativ stark sind. Sind nun die Veränderungen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes, die sich aus diesen Ursachen ergeben, so große, daß sie nicht mehr unbemerkt bleiben können, dann pflegt man in der wirtschaftspolitischen Erörterung von Inflation und Deflation (Restriktion, Kontraktion) zu sprechen. In diesen Erörterungen, deren praktische Bedeutung außerordentlich groß ist, wäre es nun sehr wenig zweckmäßig, mit dem genauen und allein einen streng nationalökonomischen Maßstab vertragenden Begriff zu arbeiten. Es wäre lächerliche Pedanterie, wollte man als Nationalökonom in den Streit, ob in diesem oder in jenem Lande seit 1914 Inflation vorgekommen sei, damit einfallen, daß man sagt: Mit Verlaub, Inflation hat es wahrscheinlich schon seit 1896 in der ganzen Welt gegeben, wenn auch in kleinerem Ausmaße. In der Politik kommt es unter Umständen auch gerade auf das Ausmaß an, nicht wie in der Wissenschaft auf das Prinzip. Sobald aber der Nationalökonom einmal anerkannt hat, daß die Verwendung der Ausdrücke Inflation und Deflation zur Bezeichnung von Veränderungen der Geldmenge, die große Verschiebungen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes hervorrufen, nicht ganz unsinnig ist, muß er darauf verzichten, diese Ausdrücke in der reinen Theorie zu verwenden. Denn wo eine Verschiebung des Austauschverhältnisses anfängt, die Bezeichnung "groß" zu verdienen, ist eine Frage des politischen Empfindens und nicht der wissenschaftlichen Untersuchung. Es ist nicht zu bestreiten, daß mit diesem volkstümlichen Gebrauch der Ausdrücke Inflation und Deflation Vorstellungen verbunden werden, die als durchaus unzutreffend bekämpft werden müssen, wenn sie sich in eine nationalökonomische Untersuchung einschleichen. Man geht, wenn man diese Ausdrücke im Alltag gebraucht, von einem ganz und gar unhaltbaren Begriff der Wertbeständigkeit des Geldes aus und vielfach auch von Vorstellungen, die einem Geldwesen, in dem sich die Vermehrung und Verminderung der Geldmenge parallel mit der Vermehrung und Verminderung der Warenmenge vollzieht, die Eigenschaft zuschreiben, den Geldwert "stabil" zu erhalten. Doch so sehr auch diese Fehler. zu tadeln sind, man darf nicht leugnen, daß es jenen, die gegen volkstümliche Irrtümer in bezug auf die Ursachen der jüngsten gewaltigen Preisverschiebungen ankämpfen wollen, weniger darauf anzukommen hat, richtige Ansichten über die Probleme des Geldwesens überhaupt zu verbreiten, als zunächst jene Grundirrtümer zu bekämpfen, deren Festhalten zu katastrophalen Folgen führen muß. Wer zwischen 1914 und 1924 in Deutschland die Zahlungsbilanztheorie bekämpfte, um der Fortsetzung der Inflationspolitik entgegenzutreten, darf die Nachsicht der Mit- und Nachwelt für sich in Anspruch nehmen, wenn er im Gebrauche des Ausdruckes Inflation nicht immer ganz streng wissenschaftlich vorgegangen ist. Doch gerade diese Nachsicht, die wir mit dem wirtschaftspolitischen Schrifttum üben müssen, zwingt uns, auf den Gebrauch der zu allerlei Mißdeutungen Anlaß gebenden Ausdrücke in der wissenschaftlichen Arbeit zu verzichten. v. Mises, Theorie des Oeldes. 2. Auf!.
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Achtes Kapitel.
Die Geldpolitik des Etatismus. § 1. Der Etatismus ist als Theorie die Lehre von der Allmacht des Staates und als Praxis die Politik, die alle irdischen Dinge durch Gebote und Verbote der Obrigkeit zu ordnen bestrebt ist. Das GeseIlschaftsideal des Etatismus ist ein besonders gestaltetes sozialistisches Gemeinwesen; soweit dieses Gesellschaftsideal in Betracht kommt, pflegt man von Staatssozialismus, unter Umständen auch von Militärsozialismus oder von kirchlichem Sozialismus zu sprechen. Äußerlich betrachtet unterscheidet sich das Gesellschaftsideal des Etatismus nicht viel von der Gestalt, die die kapitalistische Gesellschaftsordnung an der Oberfläche zeigt. Es liegt dem Etatismus fern, durch einen vollkommenen Umsturz der geschichtlich überkommenen Rechtsordnung alles Eigentum an den Produktionsmitteln auch formell in Staatseigentum zu verwandeln. Nur die größten Unternehmungen des Gewerbes, des Bergbaus und des Verkehrwesens sollen verstaatlicht werden; in der Landwirtschaft und im Mittelund im Kleingewerbe soll das Sondereigentum dem Worte nach bestehen bleiben. Doch alle Unternehmungen sollen dem Wesen' nach Staatsbetriebe werden. Den Eigentümern werden zwar Namen und Ehren des Eigentums und das Recht auf den Bezug eines "angemessenen" oder "standesgemäßen" Einkommens gelassen; doch in Wahrheit wird jedes Geschäft in ein Amt, jeder Erwerb in einen Beamtenberuf verwandelt. Für Selbständigkeit des Unternehmers ist im Staatssozialismus aller Spielarten kein Raum. ~ie Preise werden obrigkeitlich geregelt; die Obrigkeit bestimmt, was, wie und in welcher Menge erzeugt werden soll. Es gibt keine Spekulation, keine "übermäßigen" Gewinne, keine Verluste. Es gibt keine Neuerung, es sei denn, die Obrigkeit babe sie verfügt. Die Behörde leitet und überwacht alles 1. Zu den Eigentümlichkeiten der etatistischen Lehre gehört es, daß sie sich das gesellschaftliche Zusammenleben der Menschen über1
Vgl. darüber mein Buch "Die Gemeinwirtschaft", a. a. 0., S. 229 ff.
Die Geldpolitik des Etatismus.
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haupt nicht anders als in der Gestalt ihres besonderen sozialistischen Ideals vorzustellen vermag. Die äußerliche Ähnlichkeit, die zwischen dem von ihr gepriesenen und angestrebten "sozialen Staat" und der auf dem Sondereigentum an den Produktionsmitteln beruhenden Gesellschaftsordnung besteht, läßt sie die Wesensunterschiede verkennen, die die beiden trennen. AUes, was der Annahme dieser Gleichheit der beiden Gesellschaffszustände widerspricht, hält der Etatist für vorübergehende Anomalie und für strafbare Übertretung behördlicher Verfügungen. Der Staat habe die Zügel der Regierung schleifen lassen; er brauche sie nur fester in die Hand zu nehmen; und alles werde wieder in schönster Ordnung sein. Daß das gesellschaftliche Leben der Menschen sich unter bestimmten Bedingungen abspielt, daß in ihm eine Gesetzmäßigkeit waltet, die der der Natur vergleichbar ist, das sind Vorstellungen, die der Etatist nicht kennt. Ihm ist alles Machtfrage ; und seine Vorstellung von Macht ist grob materialistisch. Die etatistischen Gedanken widersprechen in jedem Wort den Lehren der Gesellschaftslehre und der Nationalökonomie; darum ist es das Bestreben der Etatisten, die Möglichkeit dieser Wissenschaften zu bestreiten. Die gesellschaftlichen Dinge werden ihrer Meinung nach vom Staate gestaltet. Das Gesetz vermag alles, und nirgends gibt es ein Gebiet, auf dem die Intervention des Staates nicht alles richten könnte. Lange Zeit haben die modernen Etatisten es gescheut, ihre Grundsätze auch auf die Geldlehre offen anzuwenden. In den Ansichten, die besonders von Adolf Wagner und von Lexis über Binnenwert und Außenwert des Geldes und über den Einfluß der Zahlungsbilanz auf die Gestaltung der Wechselkurse vorgetragen wurden, finden sich zwar schon alle Elemente einer etatistischen Geldlehre, doch sie wurder: stets nur in vorsichtiger und zurückhaltender Weise gestaltet. Erst Knapp hat den Etatismus auch auf dem Gebiet der Geldlehre offen und uneingeschränkt verkündet. Die etatistische Politik erlebte ihre große Zeit im Weltkrieg, der das notwendige Ergebnis der Herrschaft der etatistischen Ideologie war. In der "Kriegswirtschaft" erfuhren die Postulate des Etatismus ihre Verwirklichung 1. I n der "Kriegswirtschaft" und in der "Übergangswirtschaftlt zeigte es skh, was der Etatismus wert ist und was etatistische Politik zu leisten vermag. 1
Vgl. mein Buch "Nation, Staat und Wirtschaft", a. a. 0., S. 108 ff. 15*
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Achtes Kapitel.
Die Prüfung der etatistischen Geldlehre und Geldpolitik hat nicht nur ideengeschichtliche Bedeutung. Denn der Etatismus ist trotz aller Mißerfolge auch heute noch die herrschende Lehre, zumindest auf dem europäischen Festlande. Er ist jedenfalls die Lehre der Herrscher; seine Ideen walten in der Geldpolitik vor. Man darf heute an ihnen nicht achtlos vorbeigehen, mag man auch übeneugt sein, daß sie wissenschaftlich wertlos sind 1.
§ Z. Der Etatist sieht im Geld ein Geschöpf des Staates; in der Bewertung des Geldes gelangt das Ansehen, das der Staat genießt, sein Prestige, zum wirts'Chaftlichen Ausdruck. Je mächtiger, je reicher der Staat, desto besser sein Geld. So ist im Laufe des Krieges behauptet worden, die "Valuta des Siegers" sei s'chließlich die beste. Doch Sieg und Niederlage im Felde können die Ge1dwertgestaItung nur mittelbar beeinflussen. Von einem siegreichen Staate ist im allgemeinen zu erwarten, daß er eher dazu gelangen werde, auf die Inanspruchnahme der Notenpresse zu venichten; es werde ihm leichter fallen, auf der einen Seite seine Ausgaben einzuschränken, auf der anderen Seite Kredit zu finden. Dieselben Gesichtspunkte sprechen aber auch für eine günstigere Bewertung der Valuta des Besiegten in dem Maße, in dem die Friedensausskhten wachsen. Im Oktober 1918 stieg die Mark und auch die Krone; man dachte, daß man nun mit Eindämmung der Inflation auch in Deutschland und Österreich rechnen könne, eine Erwartung, die sich freilich nicht erfüllt hat. Die Geschichte zeigt, daß die "Valuta des Siegers" auch sehr schlecht werden kann. Seiten hat es glänzendere Siege gegeben als die, die die amerikanischen Insurgenten unter Was hingtons Führung schließlich über die Truppen Englands erfochten. Die amerikanische Währung hatte davon keinen Nutzen. Je stolzer sich das Sternenbanner hob, desto tiefer sank der Kurs des Kontinentalgeldes, wie das von den revolutionären Staaten ausgegebene Papiergeld benannt wurde. Schließlich wurde es, gerade als der Sieg der 1 Mit Recht sagt Ca s seI: "A perfectly clear understanding of the monetary problem, brought about by the World War, can never be attained until officialdom's interpretation of affairs has been disproved point by point, and fuH light thrown on all the delusions with wh ich the authorities attempted as long es possible to obsess the public mind." (CasseI, Money and foreign Exchange after 1914, London 1922, S. 7 f.) Vgl. die Kritik der wichtigsten etatistischen Ausführungen zur Geldlehre bei G r ego ry, foreign Exchange before, during and after the War, London 1921, besonders S.65ff.
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Rebellen entschieden war, ganz wertlos. Nicht anders war es nicht lange später in frankreich. Trotz der Siege, die die Revolutionsheere erstritten, stieg das Metallagio immer mehr, bis schließlich 1796 der Nullpunkt des Geldwertes erreicht war. In beiden fällen hatte der siegreiche Staat die Inflation bis an die Spitze getri.eben. Auch der Reichtum des Landes ist ohne Bedeutung für die Bewertung des Geldes. Nichts ist verfehlter als die weitverbreitete Gepflogenheit, in der "Valuta" so etwas wie die Aktie des Staates oder der Volkswirts·chaft zu erblicken. Als die deutsche Mark in Zürich 10 francs notierte, sagten Bankiers: "Jetzt ist es an der Zeit, Mark zu kaufen. Die deuts'Che Volkswirtschaft ist heute zwar ärmer als vor dem Kriege, so daß eine niedrigere Bewertung der Mark gerechtfertigt ist. Doch das deutsche Volksvermögen ist gewiß nicht auf den zwölften TeiJ des Vorkriegsvermögens gesunken; die Mark muß also noch steigen." Und als die polnische Mark in Zürich auf 5 Francs gesunken war, sagten andere Bankiers: "Dieser tiefe Stand ist unerklärlich. Polen ist ein reiches Land; es hat eine blühende Landwirtschaft, es hat Holz, Kohle, Mineralöl; da müßte die Valuta doch ungleich höher stehen" 1. Diese Beurteiler verkennen, daß die Bewertung der Geldeinheit nicht vom Reichtum des Landes abhängt, sondern von dem Verhältnis zwischen Geldmenge und Geldbedarf, so daß auch das reichste Land eine schlechte und das ärmste Land eine gute Valuta haben kann.
§ 3. Das älteste und beliebteste Mittel etatlstischer Geldpolitik ist die behördHche Feststezung von Höchstpreisen. Die hohen Geldpreise, meint der Etatist, sind ni'Cht die Folge der Vermehrung der Geldmenge, sondern die Folge verbrecherischen Tuns der "Preistreiber" und "Schieber". Es genüge diese Machenschaften zu unterdrücken, um dem Steigen der Preise Einhalt zu gebieten. So wird das fordern und selbst das Gewähren "übermäßiger" Preise unter Strafe gestellt. Die österrei'Chische Regierung hat, wie die meisten anderen Re1 Ein führer der ungarischen Sowjet-Republik sagte mir im frühjahr 1919: "Das von der ungarischen Sowjet-Republik ausgegebene Papiergeld müßte eigentlich, nächst dem russischen Gelde, den höchsten Kurs haben, denn der ungarische Staat ist durch die Vergesellschaftung des Privateigentums aller Ungarn nächst Rußland zum reichsten und mithin auch zum kreditwürdigsten Staat der Welt geworden."
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Achtes Kapitel.
gierungen, im Kriege mit der strafgerichtlichen Bekämpfung der Preistreiberei an demselben Tage begonnen, an dem sie die Notenpresse in den Dienst der Staatsfinanzen stellte. Nehmen wir an, sie hätte damit zunächst Erfolg erzielt. Wir wollen dabei ganz davon absehen, daß der Krieg auch das Angebot von Waren vermindert hat, und annehmen, daß von der Warenseite her keine Kräfte zur Verschiebung des zwischen den Waren und dem Gelde bestehenden Austauschverhältnisses wirksam gewesen wären. Weiter müssen wir davon absehen, daß die Kriegsereignisse durch Verlängerung der zur Geldversendung erforderlichen Zeit und durch Einschränkung des Kompensationsverkehrs und noch auf andere Weise den Geldbedarf der Einzelwirtschaften erhöht haben. WÜ" wollen lediglich die Frage prüfen, welche Folgen sich einstellen müßten, wenn caeteris paribus bei steigender Geldmenge die Geldpreise durch behördlichen Zwang auf der alten Höhe erhalten werden. Durch die Vermehrung der Geldmenge ist neue Kauflust auf dem Markt aufgetreten, die früher nicht bestanden hat; "neue Kaufkraft", pflegt man zu sagen, ist geschaffen worden. Wenn diese neuen Käufer mit denen, die schon früher auf dem Markte waren, wetteifern, ohne daß die Preise erhöht werden dürfen, dann kann nur ein Teil der Kaufkraft befriedigt werden. Es gibt dann Kauflustige, die unverrichteter Dinge den Markt verlassen, obwohl sie bereit waren, den geforderten Preis zu bewilligen, Kauflustige, die mit dem Geld, mit dem sie ausgezogen waren, um zu kaufen, wieder nach Hause kommen. Ob ein Kauflustiger, der den behördlich festgelegten Preis zu zahlen bereit ist, die Ware, die er begehrt, erhält oder nicht, hlängt von irgendweIchen, von der Lage des Marktes aus betrachtet, unwesentlichen ZufäIIigkeiten ab, zum Beispiel davon, ob er rechtzeitig am Platze war oder ob er persönliche Beziehungen zum Verkäufer hat oder dergleichen mehr. Der Mechanismus des Marktes spielt nicht mehr wie sonst, um die Kauflustigen, die noch zum Zuge kommen können, VOll denen zu sondern, die nicht mehr zum Zuge kommen; er bringt nicht mehr wie vordem Angebot und Nachfrage durch Preisveränderung zur Deckung. Das Angebot bleibt hinter der Nachfrage zurück. Das Spiel des Marktes wird sinnlos; andere Kräfte müssen an seine Stelle treten. Die Regierung, die neugeschaffene Noten in den Verkehr setzt, will aber gerade damit Waren und Dienstleistungen aus den Wegen, in die sie bisher geleitet wurden, herausziehen, um sie der ihr er-
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wünschten Verwendung zuzuführen. Sie will diese Waren und Dienstleistungen kaufen, nicht, was ja auch denkbar wäre, zwangsweise einfordern. Sie muß also gerade wünschen, daß um Geld und nur um Geld alles zu haben ist. Es ist ihr nicht damit gedient, daß sich auf dem Markte ein Zustand herausbildet, der einen Teil der Kauflustigen unverrichteter Dinge wieder abziehen läßt. Sie will kaufen; sie will den Markt benutzen, nicht ihn zerstören. Der behördlich festgelegte Preis aber zerstört den Markt, auf dem Waren und Dienste gegen Geld gekauft und verkauft werden. Der Verkehr sucht sich, soweit es geht, auf andere Weise zu helfen. Es bildet sich wieder unmittelbarer Tausch heraus, in dem Waren und Dienstleistungen ohne Vermittlung des Geldes getauscht werden. Wer gezwungen ist, Waren und Dienste um den behördlich bestimmten Geldbetrag abzugeben, gibt sie nicht an jedermann ab, sondern bloß an die, die er begünstigen will. Die Kauflustigen stauen sich in langen Reihen vor den Verkaufsläden, um noch rechtzeitig ein Stück Ware zu erhaschen; sie rennen in atemloser Hast von Laden zu Laden, um einen zu finden, der noch nicht geleert wurde. Denn wenn die Ware verkauft ist, die schon auf dem Markte war, als der Preis von der Behörde unter jenem Ausmaß, das die Lage des Marktes verlangt, festgelegt wurde, füllen sich die geleerten Vorratskammern nicht aufs neue. Die Behörde hat verboten, mehr als einen bestimmten Betrag zu fordern; doch sie hat nicht befohlen, zu erzeugen und zu verkaufen. Die Verkäufer bleiben aus, der Markt hat aufgehört, seine Funktion zu erfüllen. Damit aber wird die arbeitsteilige Volkswirtschaft unmöglich. Die Beschränkung der Höhe der Geldpreise ist nicht durchzuführen, ohne das System der gesellschaftlichen Arbeitsteilung zu zertrümmern. Darum sind behördliche Taxen, die die Preise und Löhne allgemein unterhalb des Maßes, das sie auf dem freien Markt erreichen müßten, festlegen wollen, ganz und gar undurchführbar. Werden für einzelne Gattungen 'Von ,Waren und Diensten solche Preisbeschränkungen verfügt, dann treten Störungen ein, die durch die Anpassungsfähigkeit der auf dem Sondereigentum beruhenden Wirtschaftsverfassung so weit ausgeglichen werden, daß der Fortbestand des Systems ermöglicht wird. Werden sie allgemein verfügt und wirklich in Kraft gesetzt, dann erweist es sich, daß sie mit dem Bestand der auf dem Sondereigentum beruhenden Gesellschaftsordnung unvereinbar sind. Der Versuch, die Preise in Schranken zu
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Achtes Kapitel.
halten, muß aufgegeben werden. Eine Regierung, die den Marktpreis ausschalten will, muß notwendigerweise auf den Weg der Beseitigung des Sondereigentums gedrängt werden; sie muß erkennen, daß es zwischen dem System des Sondereigentums an den Produktionsmitteln mit der freien Preisbildung und dem System des Gemeineigentums an den Produktionsmitteln, dem Sozialismus, keine Vermittlung gibt. Sie muß schrittweise Zum Produktionszwang, zur allgemeinen Arbeitspflicht, zur Rationierung des Verbrauchs und schließlich zur behördlichen Leitung der gesamten Produktion und Verteilun g gelangen. Das ist der Weg, den die Wirtschaftspolitik im Kriege gegangen ist. Die Etatisten, die jubelnd verkündet hatten, der Staat könne alles, was er will, entdeckten, daß die Nationalökonomie doch recht behalten hat und daß mari mit Preistreibereiverordnungen allein nicht auskommen kann. Da sie das Spiel des Marktes ausschalten wollten, mußten sie weiter gehen, als sie im Anfang gewolIt hatten. Es fing mit der Rationierung der wichtigsten Bedarfsartikel an; bald aber war man bei der allgemeinen Arbeitspflicht und endlich bei der UnterstelIung der gesamten Erzeugung und des gesamten Verbrauchs unter die Leitung staatlicher Organe angelangt, Das Sondereigentum blieb nur dem Namen nach bestehen, im Wesen sollte es beseitigt werden~ Der Zusammenbruch des MilitarismusI riß auch den Kriegssozialismus mit. Doch die Revolution bewies nicht mehr Verständnis für die Probleme der Wirtschaft als die alte Regierung. Auch sie mußte \'on neuem die gleichen Erfahrungen machen. Die Versuche, der Preissteigerung durch strafgerichtIiche und polizeiliche Maßnahmen entgegenzutreten, sind nicht daran gescheitert, daß die Behörden nicht scharf genug vorgegangen sind und daß die Bürger es verstanden haben, die Vorschriften zu umgehen. Sie haben nicht darum Schiffbruch gelitten, weil die Unternehmer keinen "Gemeinsinn" gehabt haben, wie die sozialistischetatistische Legende es will. Sie mußten versagen, weil die auf dem Sondereigentum an den Produktionsmitteln beruhende arbeitsteilige Wirtschaftsverfassung nur funktionieren kann, wenn die Preisbildung des Marktes frei ist. Hätten die Preistaxen Erfolg gehabt. so hätten sie den ganzen Organismus der Volkswirtschaft lahmgelegt. Daß sie nicht ganz durchgeführt wurden, weil ihren Vollstreckern schließlich der Arm erlahmte, das allein hat das Weiterarbeiten des gesellschaftlichen Produktionsapparates ermöglicht.
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Im Laufe der Jahrtausende sind in allen Teilen der bewohnten Erde ungezählte Opfer dem Wahne vom gerechten und angemessenen Preis gebracht worden. Man hat die Übertreter der Taxgesetz~ schwer gestraft, ihr Hab und Gut eingezogen, sie selbst eingekerkert, gemartert, hingerichtet. An Kraft und EUer hat es den Anwälten des Etatismu'S gewiß nicht gefehlt. Doch mit Richtern und Polizisten läßt sich die Wirtschaft nicht in Gang halten.
§ 4. Die landläufige Auffassung glaubt, daß die Herstellung geordneter Währungsverhältnisse nur bei "aktiver Zahlungsbilanz" möglich sei. Ein Land mit "passiver Zahlungsbilanz" könne den Geldwert auf die Dauer nicht stabilisieren; die Verschlechterung der Valuta sei hier organisch begründet und könnte wirksam nicht anders bekämpft werden als durch Behebung der organischen Mängel. Die Zurückweisung dieser und verwandter Einwendungen ist in der Lehre der Quantitätstheorie und im Greshamschen Gesetz bereits enthalten. Die Quantitätstheorie zeigt, daß in einem Lande, in dem nur Sachgeld gebraucht wird (die purely metallic currency der Currency-Theorie), das Geld niemals ins Ausland auf die Dauer abströmen kann. Die Beengung auf dem Inlandsmarkte, die durch das Abfließen eines Teiles der Geldmenge hervorgerufen wird, ermäßigt die Warenpreise, hemmt damit die Einfuhr und fördert die Ausfuhr, bis die inländische Wirtschaft wieder mit Geld gesättigt ist. Die den Gelddienst versehenden Edelmetalle verteilen sich auf die einzelnen Individualwirtschaften und mithin auch auf die einzelnen Volkswirtschaften nach Maßgabe der Größe und der Intensität ihres Geldbedarfs. Staatliche Eingriffe, die durch Regulierung der internationalen Geldbewegungen der Volkswirtschaft die benötigten Geldmengen sichern wollen, sind überflüssig. Das unerwünschte Abfließen des Geldes kann immer nur die Folge einer staatlichen Intervention sein, die verschieden bewertetes Geld mit der gleichen gesetzlichen Zahlkraft ausstattet. Alles, was der Staat zu tun hat und tun kann, um die Ordnung des Geldwesens nicht zu zerstören, ist die Unterlassung solcher Eingriffe. Das ist der Kern der Geldtheorie der klassischen Nationalökonomie und ihrer unmittelbaren Nachfolger, der Currency-Theoretiker. Man konnte diese LehTe durch die modeme subjektivistische Theorie vertiefen und ausgestalten; doch man kann sie nicht umstoßen und nichts anderes an ihre Stelle setzen. Die sie vergessen konnten, zeigen nur, daß sie nicht nationalökonomisch denken können.
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Achtes Kapitel.
Wenn in einem Lande das Sachgeld durch Kredit- oder durch Zeichengeld ersetzt wurde, weil die durch das Gesetz verfügte Gleichsetzung des in Übermaß ausgegebenen Papiers und des Metallgeldes den Mechanismus, den das Greshamsche Gesetz beschreibt, ausgelöst hat, soll, wird vielfach behauptet, die Zahlungsbilanz die Valutenkurse bestimmen. Auch das ist durchaus unzutreffend. Die Valutenkurse sind durch die Kaufkraft, die der Einheit einer jeden Geldart zukommt, gegeben; der Kurs muß sich in der Höhe festsetzen, daß es keinen Unterschied ausmacht, ob man mit einem Geldstück unmittelbar Waren kauft oder ob man dafür erst ein Geldstück einer anderen Valuta erwirbt und dann mit diesem einkauft. Wollte sich der Kurs von dem Stande, den das Verhältnis der Kaufkraft bedingt und den wir den natürlichen oder statischen Kur,; nennen, entfernen, dann ergäbe sich die Möglichkeit, gewinnbringende Geschäfte durchzuführen. Es würde lukrativ werden, mit jenem Geld, das im Kurs gegenüber dem Verhältnis, das sich aus seiner Kaufkraft ergibt, unterwertet erscheint, Waren einzukaufen und sie gegen jenes Geld, das im Kurs seiner Kaufkraft gegenüber überwertet ist, zu verkaufen. Und weil sich solche Gewinstmöglichkeiten bieten, würden auf dem Valutenmarkte Käufer auftreten, die für das im Kurs unterwertete Geld eine Nachfrage entfalten, !~ie den Kurs so lange in die Höhe treibt, bis er seinen statischen Stand erreicht hat. Die Valutenkurse steigen, weil die Geldmenge vermehrt wurde und die Warenpreise gestiegen sind. Es ist, wie schon ausgeführt wurde, nur der Technik des Marktes zuzuschreiben, daß dieses ursächliche Verhältnis nicht auch in der zeitlichen Aufeinanderfolge der Ereignisse zum Ausdruck gelangt. Die Gestaltung der Valutenkurse auf der Börse nimmt eben unter dem Einfluß der Spekulation die erwarteten Veränderungen der Warenpreise vorweg. Die Zahlungsbilanztheorie vergißt, daß der Umfang des Außenhandels ganz und gar von den Preisen abhängt, daß weder ein- noch ausgeführt werden kann, wenn keine Preisunterschiede bestehen, die den Handel gewinnbringend machen. Sie haftet an der Oberfläche der Erscheinungen. Wer nur das beachtet, was täglich und stündlich an der Börse vorgeht, kann, das soll nicht bezweifelt werden, nichts anderes sehen, als daß der jeweilige Stand der Zahlungsbilanz für Angebot und Nachfrage auf dem Valutenmarkt maßgebend ist. Doch mit dieser Feststellung ist die Untersuchung der Bestimmungsgründe der Valutenkurse erst eingeleitet; sie muß sich
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nun fragen, was den jeweiligen Stand der Zahlungsbilanz bestimmt. Und da kann sie zu keinem anderen Ergebnis kommen als zu dem, daß die Preis gestaltung und die durch die Preisdifferenzen ausgelösten Käufe und Verkäufe erst die Zahlungsbilanz ausmachen. Die ausländischen Waren können bei steigenden Valutenkursen nur eingeführt werden, wenn sie trotz ihres hohen Preises Käufer finden. Eine Spielart der Zahlungsbilanztheorie will zwischen der Einfuhr lebenswichtiger und der entbehrlicher Artikel unterscheiden. Lebenswichtige Artikel müßten um jeden Preis bezogen werden, weil man sie schlechterdings nicht entbehren könne. Daher müsse sich die Valuta eines Landes, das auf die Einfuhr lebenswichtiger Waren aus dem Ausland angewiesen sei, selbst aber nur minderwichtige Waren auszuführen vermöge, fortgesetzt verschlechtern. Man vergißt dabei, daß die größere oder geringere Lebenswichtigkeit oder Entbehrlichkeit der einzelnen Güter bereits in der Intensität und in dem Umfang der nach ihnen auf den Märkten entwickelten Nachfrage und somit in der Höhe der für sie bewilligten Geldpreise restlos zum Ausdruck gelangt. Wenn die österreicher noch so starkes Verlangen nach ausländischem Brot, Fleisch, Kohle oder Zucker haben, so können sie es nur beziehen, wenn sie dafür bezahlen können. Wenn sie mehr einführen wollen, müssen sie mehr ausführen; wenn sie nicht Fabrikate und Halbfabrikate ausführen können, müssen sie Aktien, Schuldverschreibungen und Besitztitel verschiedener Art ausführen. Wenn man den Notenumlauf nicht vermehren würde, dann müßten die Preise dieser zum Verkauf ausgebotenen Objekte sinken, wenn die Nachfrage nach den Importgütern und damit ihre Preise steigen sollen. Oder aber es müßte der Aufwärtsbewegung der Preise der lebenswichtigen Artikel ein Niedergang der Preise der entbehrlicheren Artikel, deren Ankauf zugunsten des Ankaufs jener eingeschränkt wird, gegenüberstehen. Von einer allgemeinen Preissteigerung könnte dann nicht die Rede sein. Und die Zahlungsbilanz würde, entweder durch Effektenausfuhr und dergleichen oder durch Mehrausfuhr von entbehrlichen Gütern, ins Gleichgewicht kommen. Nur weil diese Voraussetzung nicht zutrifft, nur weil die Menge der umlaufenden Noten vermehrt wird, können trotz des Steigens der Devisenkurse di,e ausländischen Waren in demselben Umfang eingeführt werden; nur weil diese Voraussetzung nicht zutrifft, drosselt das Steigen der Devisenkurse nicht die Einfuhr und fördert es nicht die Ausfuhr, bis die Zahlungsbilanz wieder aktiv wird.
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Die alten merkantilistischen Irrtümer malen ein Gespenst an die Wand, vor dem wir uns nicht fürchten sollen. Kern Volk, auch nicht das ärmste, muB auf geordnete Währungsverhältnisse verzichten. Nicht die Armut des einzelnen und der Gesamtheit, nicht die Verschuldung an das Ausland, nicht die Ungunst der Produktionsbedingungen treibt die Valuten'kurse in die Höhe, sondern die Inflation. Darum sind auch alle Mittel, die zur Bekämpfung der Devisenhausse angewendet werden, wirkungslos. Wenn die Inflationspolitik fortgeht, bleiben sie ohne Erfolg, wenn es keine Inflationspolitik gibt, sind si,e überflüssig. Das wichtigste dieser Mittel ist das Verbot oder die Einschränkung der Einfuhr bestimmter Güter, die man für entbehrlich oder doch für weniger unentbehrlich hält. Die Beträge inländischen Geldes, die für den Ankauf dieser Waren aufgewendet worden wären, werden nun für andere Käufe verwendet; es werden dabei natürlich keine anderen Güter in Betracht kommen als solche, die sonst ins Ausland verkauft worden wären. Die werden nun zu höheren Preisen, als jene sind, die das Ausland dafür bietet, von Inländern gekauft. Es steht somit dem Rückgang der Einfuhr und damit der Nachfrage nach Devisen auf der anderen Seite ein gleich groBer Rückgang der Ausfuhr und damit des Angebotes an Devisen gegenüber. Die Einfuhr wird eben durch die Ausfuhr bezahlt, und nicht durch Geld, wie neomerkantilistischer Dilettantismus noch immer glaubt. Will man die Nachfrage nach Devisen wirklich eindämmen, dann muB man den Betrag, um den man die Einfuhr vermindern will, den Inländern - etwa durch Steuern - fortnehmen und gänzlich aus dem Verkehr ziehen, i'hn also auch nicht für Staatszwecke ausgeben, vielmehr vernichten. Das heißt, man muB Deflationspolitik treiben. Statt die Einfuhr von Schokolade~ Wein und Zigaretten einzuschränken, muß man den Leuten jene Beträge abnehmen, die sie für diese Waren bezahlen würden. Dann müssen sie entweder den Verbrauch dieser oder den irgendwelcher anderer Waren einschränken. In jenem Falle werden weniger Devisen gesucht, in diesem mehr Devisen angeboten werden als früher.
§ 5. Es ist nicht leicht festzustellen, ob die Lehre, die die Geldentwertung auf das Treiben der Spekulanten zurückführt, überhaupt noch gutgläubige Vertreter findet. Sie ist ein unentbehrliches Mittel der niedrigsten Demagogie; sie wird von den Regierungen benutzt, die nach einem Sündenbock suchen. Unabhängige Schriftsteller
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werfen sich heute kaum noch zu ihren Verteidigern auf; nur käufliche federn dienen ihr. Dennoch muß man auch dieser Lehre einige Worte widmen; denn die Geldpolitik der Gegenwart beruht zu gutem T eil auf ihr. Die Spekulation macht nicht die Preise; sie muß die Preise, die sich auf dem Markte bilden, hinnehmen. Ihr Bestreben ist darauf gerichtet, die künftige Preisgestaltung richtig einzuschätzen und danach zu handeln. Der Einfluß der Spekulation vermag die durchschnittliche Höhe der Preise innerhalb eines bestimmten Zeitabschnittes nicht zu verändern; doch er verkleinert den Abstand zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Preis. Die Preisschwankungen werden durch die Spekulation gemindert, nicht, wie die landläufige Legende meint, verstärkt. Es kann freilich vorkommen, daß die Spekulanten in der Beurteilung der künftigen Preisgestaltung fehlgehen. Man pflegt bei der Beurteilung dieses Falles gewöhnlich nicht zu beachten, daß es offenbar die Fähigkeiten der großen Masse bei weitem übersteigt, IUnter den gegebenen Bedingungen die künftig-e Entwicklung richtiger zu erfassen. Wäre dem nicht so, dann hatte die Gegenpartei die Oberhand auf dem Markt gewonnen;' daß die Meinung, die vorgewaltet hat, sich später als falsch erwiesen hat, beklagt niemand schmerzlicher als gerade die Spekulanten, die in die Irre gegangen sind. Aus böser Absicht haben sie nicht fehlgegriffen; denn sie wollen doch gewinnen und nicht verlieren. Auch der Preis, der unter dem Einfluß der Spekulation zustande kommt, entsteht stets durch das Zusammenwirken zweier Parte~en, der Haussepartei und der Baissepartei. Jede der beiden Parteien ist stets der anderen an' Stärke und Umfang der Engagements gi-eich; jede der beiden wirkt in gleichem Maße an der Bildung des Preises mit. Man ist nicht von vornherein und für alle Zeit Haussier o'der Baissier; man wird es immer erst durch die Beurteilung der Verhältnisse oder, genauer gesagt, durch die Handlungen, die auf Grund dieser Beurteilung erfolgen. Jeder kann jeden Augenblick seine Steilung verändern. Der Preis kommt auf jener Höhe zustande, auf der beide Seiten sich die Wage halten. Die Bewegungen der Valutenkurse werden nicht bloß durch die Abgaben der Baissepartei, sondern ebenso auch durch die Aufnahmen der Haussepartei besti:mmt. Die etatistische Legende führt das Steigen der fremden Valuten auf Machenschaften der Staatsfeinde im In- und im Ausland zurück.
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Die Feinde, wird behauptet, geben die Inlandsvaluta in spekulativer Absicht ab und kaufen in spekulativer Absicht fremde Valuten. Da sind zwei Fälle denkbar. Jene Feinde handeln in der Absicht, Gewinn zu erzielen; dann gilt von ihnen das gleiche wie von alleIl anderen Spekulanten. Oder aber sie wollen das Ansehen des Staates, dem sie feind sind, durch Herabdrückung des Wertes seiner Valuta schädigen, auch wenn sie selbst durch die Operationen, die darauf hinzielen, zu Schaden kämen. Man vergißt, wenn man an die Möglichkeit solcher Unternehmungen denkt, daß sie praktisch kaum durchführbar sind. Die Abgaben der Baissiers würden, wenn sie der Stimmung des Marktes zuwiderlaufen, sofort eine Gegenbewegung auslösen; die abgegebenen Beträge würden von den Haussiers in Erwartung des kommenden Rückschlages ohne nennenswerte Beeinträchtigung des Kurses aufgenommen werden. In Wahrheit gehören diese nicht in der Absicht, Gewinn zu erzielen, sondern zur Schädigung des staatlichen Ansehens· unter Opfern unternommenen Baissemanöver dem Reiche der Fabel an. W?hl werden auf den Valutenmärkten Operationen unternommen, die nicht auf Gewinn, sondern auf die Herstellung und Erhaltung eines den Marktverhältnissen nicht entsprechenden Kurses abzielen. Doch diese Interventionen gehen immer von den Regierungen aus, die sich für die Valuta verantwortlich erachten, und bezwecken immer die Herstellung und Erhaltung eines dem statischen Valutenkurse gegenüber gehobenen Standes der Valuta; sIe sind künstliche Hausse-, nicht künstliche Baissemanöver. Auch solche Interventionen müssen natürlich auf die Dauer wirkungslos bleiben. Es gibt schließlich und endlich nur ein Mittel, um das weitere Sinken des Geldwertes aufzuhalten: die Einstellung der weiteren Vermehrung des Notenumlaufs, und nur dn Mittel, um den Geldwert zu heben: die Verminderung des Notenumlaufs. Eine Intervention, wie die der deutschen Reichsbank im Frühjahr 1923, bei der nur ein kleineT Teil der ständig wachsenden Notenvermehrung durch die Devisenabgaben zur Bank zurückströmte, mußte notwendigerweise zu einem Mißerfolg führen. Von der Idee des Kampfes gegen die Spekulation geleitet, haben sich die Regierungen der Inflationspolitik zu Maßnahmen hinreiBen Jassen, deren Sinn kaum' noch zu verstehen ist. So wurde bald die Einfuhr, bald wieder die Ausfuhr, dann wieder Ausfuhr und Einfuhr der Noten verboten. Dem Ausfuhrhandel wurde verboten, gegen
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Noten des eigenen Landes zu verkaufen, dem Einfuhrhandel mit Noten des eigenen Landes zu kaufen. Der gesamte Handel mit ausländischem Geld und mit Edelmetallen wurde als Staatsmonopol erklärt. Die Notierung von Valutenkursen wurde an den inländischen Börsen verboten, die Mitteilung der außerhalb der Börsen im Inland gebildeten Kurse und der' Kurse der ausländischen Börsen unter strenge Strafe gestellt. Alle diese Maßnahmen erwiesen sich als nutzlos und wären wohl schneller, als es geschehen ist, beseitigt worden, wenn nicht gewichtige Momente für ihre Beibehaltung gesprochen hätten. Ganz abgesehen von der schon besprochenen politischen Bedeutung, die das festhalten des Satzes hatte, daß der Rückgang des Geldwertes nur den bösen Spekulanten zuzuschreiben sei. darf man nicht vergessen, daß jede Handelsbeschränkung Sonderinteressen schafft, die sich dann ihrer Beseitigung widersetzen. Man sucht mitunter die Ersprießlichkeit der gegen die Spekulation gerichteten Maßnahmen durch den Hinweis darzutun, daß den Baissiers auf dem Valutenmarkte zeitweilig niemand entgegentrete, so daß sie allein den Kurs bestimmen könnten. Das ist natürlich nicht richtig. Doch ist zu beachten, daß die Wirkung der Spekulation bei einer Währung, mit deren fortschreitender Entwertung zu rechnen ist, ohne daß abzusehen wäre, wann und ob iiberhaupt noch dem fortschreiten der Entwertung ein Damm gesetzt werden könnte, eine andere ist als sonst. Wenn im allgemeinen die Spekulation die Spannung zwischen den höchsten und den niedrigsten Preisen vermindert, ohne den Durchschnittspreisstand zu verändern. so kann dies hier, wo es sich um eine Bewegung von voraussichtlich einheitlicher Richtung handelt, naturgemäß nicht der fall sein. Die Wirkung der Spekulation äußert sich hier darin, daß sie die Bewegung, die ohne ihr Eintreten gleichmäßiger verlaufen würde, sich ruckweise mit Einschaltung von Ruhepausen vollziehen läßt. Beginnen die Kurse des ausländischen Geldes zu steigen, dann schließen sich den Spekulanten, die auf Grund eigener Beurteilung der Verhältnisse kaufen, massenhaft Außenstehende an. Diese Mitläufer verstärken die von den wenigen, die sich ein selbständiges UrteH zutrauen, eingeleitete Aktion und führen sie weiter, als es die marktkundigen Berufsspekulanten allein getan hätten. Denn dIe Gegenaktion kann nicht so schnell und wirkungsvoll einsetzen wie sonst. Daß die Geldentwertung noch weiter gehen wird, wird eben allgemein angenommen. Schließlich aber müssen doch Verkäufer
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Achtes Kapitel.
fremden Geldes auftreten. Dann kommt die aufsteigende Bewegung der Valutenpreise zum Stillstand, es tritt vielleicht zunächst selbst ein Rückschlag ein. Erst nach einiger Zeit "stabiler Valuta" beginnt das Spiel wieder von neuem. Die Gegenaktion setzt zwar verspätet ein, sie muß aber doch einsetzen, sobald die Valutenkurse den Warenpreisen allzu stark vorausgeeilt sind. Ist die Spannung zwischen dem statischen Valutenkurs und dem Börsenkurs groß genug, um gewinnbringenden Warengeschäften Raum zu lassen, so wird auch eine spekulative Nachfrage nach dem Inlandsnotengelde auftreten. Erst bis der Spielraum für solche Geschäfte durch Steigen der Warenpreise wieder verschwunden ist, setzt eine neue Valutenpreiserhöhung ein. Die etatistische Auffassung gelangt schließlich dazu, im BesiJtz von ausländischen Geld, Gutha:bungen an solchem und Devisen ein an sich verwerfliches Verhalten zu erblicken. Der Staatsbürger habe - so wird zwar nicht rundweg herausgesagt, so klingt aber aus aIlen Äußerungen der Amtsstellen und ihrer Parteigänger heraus - die Verpflichtung, die schädüchen folgen der Geldentwertung für sein Privatvermögen zu erdulden und keinen Versuch zu machen, sien ihr durch die Erwerbung solchen Besitzes, den die Geldentwertung nicht aufzehrt, zu entziehen. Es möge zwar privatwirtschaftlich vorteilhaft sein, wenn der einzelne sich durch die flucht vor der Mark vor der Verarmung rette, volkswirtschaftlich aber sei es schädlich und daher zu verwerfen. In Wahrheit bedeutet diese forderung nichts anderes als das Ansinnen der Nutznießer der Inflation, es möge jedermann sein Vermögen ganz der Vernichtung durch die staatliche Politi'k zur Verfügung stellen. Es ist in diesem faIle wie in allen anderen, in denen Ähnliches behauptet wird, nicht richtig, daß ein Gegensatz zwischen den Interessen des einzelnen und jenen der Gesamtheit besteht. Das Nationalkapital setzt sich aus dem Kapital der einzelnen Staatsbürger zusammen, und wenn dieses aufgezehrt wird, so bleibt auch von jenem nichts übrig. Der einzelne, der danach trachtet, sein Vermögen in einer solchen Weise anzu[.egen, daß es durch die Geldentwertung nicht aufgezehrt werden kann, schädigt nicht die Volkswirtschaft; im Gegenteil, indem er trachtet, sein Privatvermögen vor dem Untergang zu bewahren, bewahrt er auch ein Stück Volksvermögen vor dem Untergang. Würde er es den Inflationswirkungen widerstandslos preisgeben, so würde er die Aufzehrung eines Teiles
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des Nationalvermögens fördern und jene bereichern, denen die Inflationspolitik Nutzen bringt. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der besten Schichten des deutschen Volkes hat freilich den Beteuerungen der Inflationspolitiker und ihrer Presse Glauben geschenkt. Viele meinten ein patriotisches Werk zu vollbringen, wenn sie die Mark und die Krone und die Mark- und Kronenwerte nicht abstießen, sondern behielten. Sie haben dadurch dem Vaterland keinen Dienst erwiesen. Daß sie selbst und .ihre Familien darüber in Armut geraten sind, bedeutet nichts anderes, als daß ein TeH jener Schichten des deutschen Volkes, von denen man die kulturelle Wiederaufrichtung der Nation zu erwarten hatte, nUll in Elend und Armut verkommt, unfähig, sich selbst und der Gesamtheit zu nützen.
v. Mises, Theorie des Oeldes. 2. Auf\.
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Zur Klassifikation der Geldtheorien. § 1. Die Erscheinung des Geldes ragt so auffälIig aus den übrigen Erscheinungen des Wirtschaftslebens hervor, da8 über sie auch von Menschen, die den Problemen der Wirtschaftstheorie weiter keine Aufmerksamkeit schenken, und' schon zu einer Zeit, der eine eindringliche Untersuchung der Tauschvorgänge noch fern lag, gegrübelt wurde. Das Ergebnis dieses Nachdenkens war verschteden. Die Kaufleute und ihnen folgend die Juristen, die dem kaufmännischen Verkehr nahestanden, führten den Gebrauch des Geldes auf die Eigenschaften der Edelmetalle zurück; der Wert des Geldes beruhe auf dem Wert der Edelmetalle. Die weltfremde kanonistische Rechtslehre erbHcl
Zur Klassifikation der Oeldtheorien.
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der Austauschverhältnisse. Sie suchen das Wesen des Geldes in der Vermittlung des Tauschverkehres, sie erklären seinen Wert aus den Gesetzen des Tauschverkehres. Jede Werttheorie muß auch eine Geldwerttheorie bieten können, und jede Geldwerttheorie muß sich in eine allgemeine Wertlehre einfügen lassen. Daß eine allgemeine Werttheorie oder eine Geldwerttheorie diesen Bedingungen ·entspricht, ist noch lange kein Beweis ihrer Richtigkeit. Aber eine Theorie, die diesen Bedingungen nicht entspricht, kann das, was man von ihr verlangen muß, unmöglich leisten. Es erscheint auffällig, daß die akatallaktischen Ansichten über das Geld nicht durch das Aufkommen der katallaktischen Geldlehre völlig verdrängt wurden. Die Gründe dafür waren mannigfach. Die theoretische Nationalökonomie kann ihre Aufgabe nur dann bewältigen, wenn sie die Probleme der Preisbildung (Warenpreise, Lohn, Grundrente, Kapitalzins usw.) zunächst unter der Annahme bespricht, als ob direkter Tausch stattfinden würde, und den /Vermittelten Tausch vorerst außer acht läßt. Es ergibt sich daraus eine Gliederung der Theorie der Katallaktik in zwei Teile: in die Lehre vom direkten und in die vom indirekten Tausch. Nun ist aber die Fülle und die Schwierigkeit der Probleme der reinen Theorie eine so große, daß man froh war, einen Teil wenigstens vorläufig beiseite schieben zu können. So kam es, daß die Mehrzahl der Forscher in den letzten Jahrzehnten der Theorie des indirekten Tausches entweder gar keine oder nur wenig Beachtung schenkten; jedenfalls war sie das am meisten vernachlässigte Teilgebiet unserer Wissenschaft. Die Folgen dieser Versäumnis waren recht beklagenswert; sie äußerten sich nicht nur auf dem Gebiete der Theorie des indirekten Tausches, der Geld- und Banktheorie, sondern auch auf dem Gebiet der Theorie des direkten Tausches. Es gibt Probleme der Theorie, deren volles Verständnis nur durch die Lehre vom indirekten Tausch ersch~ossen werden kann. Strebt man die Lösung dieser Probleme, zu denen zum. Beispiel das Krisenproblem zählt, allein mit den Mitteln der Theorie des direkten Tausches an, dann muß man fehlgehen. Die Geldlehre blieb unterdes den Akatallaktikern überlassen. Selbst in den Schriften mancher Theoretiker finden sich einzelne Überreste akatallaktischer Ansichten; es begegnen uns dort mitunter Behauptungen, die mit den sonstigen Lehren des Verfassers über Tausch und Geld nicht übereinstimmen, die offenbar nur darum übernommen 16-
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Neuntes Kapitel.
worden waren, weil sie herkömmlich waren und der Verfasser den Widerspruch zwischen ihnen und seinem System nicht bemerkt hatte. Anderseits war wegen des Währungsstreites das Interesse für die fragen der Geldlehre niemals gröBer als gerade zu der Zeit, da die aufsteigende moderne Theorie ihr nur wenig Beachtung schenkte. Viele "Praktiker" versuchten sich auf diesem Gebiet. Der Praktiker, der ohne allgemeine nationalökonomische Vorbildung über Geldprobleme nachzusinnen beginnt, sieht zunächst nur diese und schränkt seine Untersuchung auf ein enges Gebiet ein, ohne auf den Zusammenhang der Dinge zu achten; seine Geldlehre kann daher leicht akatallaktisch werden. DaB der "Praktiker", auf den der bestallte "Theoretiker" stolz herabsieht, von der Untersuchung der Geldprobleme ausgehend, zu den tiefsten Erkenntnissen der nationalökonomischen Theorie vordringen kann, dafür ist der Entwicklungsgang Ricardos der beste Beweis. Die Jahre, von denen wir sprechen, haben einen solchen Aufstieg nicht gesehen. Aber sie haben Schriftsteller hervorgebracht, die in der Geldlehre alles das leisteten, was die Geldpolitik der Zeit benötigte. Es genügt aus der groBen Zahl zwei Namen zu nennen: Bamberger und Soetbeer. Einen beträchtlichen Teil ihres Wirkens machte der Kampf gegen dIe Lehren zeitgencssischer Akatallaktiker aus. Gegenwärtig finden akatallaktische Geldlehren willige Aufnahme bei jenen Nationalökonomen, die die "Theorie" ablehnen. Wer die Notwendigkeit theoretischer Untersuchung offen oder uneingestanden leugnet, kann von einer Geldlehre nicht verlangen, daB sie sich in ein System der Theorie einfügen lasse.
§ 2. Das gemeinsame Merkmal aller akatallaktischen Geldlehren ist negativ: sie lassen sich in keine Theorie der Katallaktik einfügen. Das heiBt nicht, daß ihnen jede Anschauung über den Geldwert fehlt. Ohne eine solche wären sie ja überhaupt nicht Geldlehren. Aber sie bilden ihre Geldwerttheorie nur im UnterbewuBtsein, sie sprechen sie nicht unverblümt aus, sie denken sie nicht durch. Denn würden sie sie folgerichtig bis zu Ende denken, dann müßten sie zur Erkenntnis ihres inneren Widerspruches kommen. Eine bis zu Ende gedachte Geldtheorie muB in eine Verkehrstheorie münden, sie hört damit auf akatallaktisch zu sein. für die ursprünglichste und naivste der akatallaktischen Auffas-
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sungen fällt der Geldwert mit dem Wert des Geldstoffes zusammen. Sobald man aber weiter zu gehen versucht und nach den Gründen der Schätzung der Edelmetalle zu fragen beginnt, gelangt man bereits zur Aufstellung von katallaktischen Systemen. Man sucht die Wurzel des Wertes der Güter entweder in der Nützlichkeit oder in der Schwierigkeit der Erlangung. In jedem falle hat man den Ausgangspunkt auch für eine Geldwerttheorie gefunden. So führt diese naive Auffassung, folgerichtig entwickelt, von selbst zu den Problemen hin. Sie ist akatallaktisch, aber sie leitet zur Katallaktik über. Eine andere akatallaktische Lehre sucht die Geltung des Geldes durch Befehle der Staatsrnacht zu erklären. Der Wert des Geldes beruhe auf der Autorität der höchsten Gewalt, nicht auf der Wertschätzung des Verkehres 1. Das Gesetz befiehlt, der Untertan gehorcht. Diese Lehre kann auf keine Weise in eine Tauschtheorie eingefügt werden. Denn sie hätte doch wohl nur dann einen Inhalt, wenr. der Staat die konkrete Höhe der Geldpreise aller wirtschaftlichen Güter und Dienstleistungen etwa durch allgemeine Taxen festsetzen würde. Da dies nicht behauptet werden kann, muß sich die staatliche Geldtheori'e auf die These beschränken, der staatliche Befehl setze nur die Geltung in nominelIen Einheiten, nicht aber die Geltung dieser nominelIen Einheit im Verkehr fest. In dieser Einschränkung liegt aber ein Verzicht auf jeden Versuch, das Problem des Geldes zu' erklären. Indem die Kanonisten den Gegensatz! zwischen valor impositus und bonitas intrinseca hervorhoben, machten sie es scholastischen Spitzfindigkeiten zwar möglich, das romanischkanonistische Rechtssystem mit den Tatsachen des Wirtschaftslebens zu versöhnen. Aber sie enthüllten zugleich die innere Nichtigkeit der Lehre vom valor impositus, sie zeigten die Unmöglichkeit, mit ihrer Hilfe die Vorgänge des Marktes zu erklären. Nichtsdestoweniger verschwand die nominalistische Geldlehre nicht aus der Literatur. Die fürsten, die in der GeldverschlecMerung ein wirksames Mittel zur Besserung ihrer finanzlage erblickten, bedurften dieser Theorie zu ihrer Rechtfertigung. Hielt sich die aufstrebende Wissenschaft der Nationalökonomie in ihrem Bestreben, eine geschlossene Theorie der menschlichen Wirtschaft aufzubauen, vom Nominalismus frei, so fand der fiskus doch noch immer genug 1 Vgl. End e man n, Studien in der romanisch-kanonistischen Wirtschaftsund Rechtslehre bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts, Berlin 1874/83,11. Bd., S. 199.
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Nominalisten. Noch ZU Beginn des 19. Jahrhunderts haben Adam Müller und Gentz im Dienste der österreichischen Geldpolitik der Bankozettelperiode den Nominalismus literarisch vertreten. Dann wurde der Nominalismus von den Inflationisten zur Begründung ihrer forderungen benützt. Seine Wiedergeburt aber sollte er in der deutschen "realistischen" Nationalökonomie des 20. Jahrhunderts erleben. für die empirisch-realistische Richtung in der Nationalökonomie ist eine akatallaktische Geldtheorie eine logische Notwendigkeit. Da diese Schu1e, aller "Theorie" abhold, darauf verzichtet, ein System der Katallaktik aufzustellen, so muß sie sich gegen jede Geldlehre sträuben, die in ein solches System überleitet. Sie hielt sich daher zunächst von jeder Behandlung des Geldproblems fern; soweit sie es behandelte (so auch In ihren oft trefflichen Arbeiten über Münzgeschichte oder in ihrer Stellungnahme zu den fragen der Politik), hielt sie an der überkommenen Werttheorile der Klassiker fest. Allmählich aber glitten ihre Ansichten über das Geldproblem unversehens in jene oben gekennzeichneten ursprünglichen akatallaktischen Ideen über, die im Edelmetallgeld ein "an sich" wertvolles Gut erblicken. Das war nun nicht folgerichtig. für eine Schule, die den Etatismus auf ihre fahne geschrieben hat, der alle volkswirtschaftlichen Probleme als Verwaltungsaufgaben erscheinen, ist di,e staatliche Theorie des Nominalismus angemessener 1. Knapp hat diese Verbindung vollzogen. Daher der Erfolg seines Buches in Deutschland. Daß Knapp über das Geldproblem der Katallaktik, über die Kaufkraft, nichts zu sagen weiß, kann ihm vom Standpunkt einer Lehre, die die Katallaktik verwirft und von vornherein auf jede kausale Erklärung der Preisbildung verzichtet hat, nicht zum Vorwurf gemacht werden. Die Schwierigkeit, an der die älteren Nominaltheorien gescheitert waren, bestand für ihn, für den nur die "realistische" Nationalökonomie und ihr Anhang alSi Publikum in Betracht kam, nicht; er konnte, ja mußte im Hinblick auf sein Publikum jeden Versuch, die Geltung des Geldes im Verkehr zu erklären, beiseite lassen. Wären freilich in den auf das Erscheinen des Knappsehen Werkes zunächst folgenden Jahren in Deutschland größere währungspoliti1 Vgl. Voigt, Die staatliche Theorie des Geldes (Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 62. Jahrgang), S. 318 f.
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sehe Fragen auf der Tagesordnung gestanden, dann hätte die Unzulänglichkeit einer Lehre, die über den Geldwert nichts zu sagen weiB, bald auffallen müssen. Nur durch den mißglückten Versuch, die Währungsgeschichte vom Standpunkt der Akatallaktik zu behandeln, hat sIeb die neue staatliche Theorie gleich bei ihrem Auftreten kompromittiert. Knapp selbst hat im vierten Kapitel seines Werkes die Geldgeschichte Englands, Frankreichs, Deutschlands und Österreichs kurz geschildert; von Mitgliedern seines Seminars folgten dann Arbeiten über einige andere Länder. Alle diese Darstellungen sind rein Jormal. Sie bestreben sich, das Knapps<:he Schema auf die Verhältnisse der einzelnen Staaten zu übertragen. Sie geben eine Geldgeschichte in Knappscher Terminologie. Es konnte kein Zweifel darüber obwalten, zu welchem Ergebnis diese Versuche führen mußten. Sie decken die Schwächen der "staatlichen Theorie" auf. Währungspolitik ist Geldwertpolitik, und eine Lehre, die über die Kaufkraft des Geldes nichts auszusagen weiß, ist nicht geeignet, währungspolitische Fragen zu klären. Knapp und seine Schüler zählen Gesetze und Verordnungen auf, wissen aber über ihre Motive und Wirkungen nichts zu sagen. Daß es währungspolitische Parteien gegeben hat, wird nicht erwähnt. Sie wissen nichts oder nUr Nebensächliches über Bimetallisten, Inflationisten, Restriktionisten. Für Goldwährung war man aus "metallistisehern Aberglauben", gegen Goldwährung, wer von "Vorurteilen" frei war. Jede Erwähnung der Warenpreise und Arbeitslöhne, der Einwirkungen der Geldverfassung auf Produktion und Verkehr wird auf das ängstlichste gemieden. Die Beziehungen zwischen Währung und Außenhandel, dieses Problem, das in der Währungspolitik eine große Rolle gespielt hat, werden nicht einmal gestreift; ein paar Bemerkungen über den "festen Kurs" sind alles. Nie hat es ärmlichere, inhaltslosere Darstellungen der Währungsgeschichte gegeben. Durch den Weltkrieg haben die währungspolitischen Fragen wieder große Bedeutung erlangt. Nun sieht sich die "staatliche Theorie" genötigt, auch über währungspoIitische Zeitfragen etwas vorzubringen. Daß sie darüber nicht mehr zu sagen weiß als über die Währungsfragen der Vergangenheit, zeigt Knapps Abhandlung "Die Währungsfrage bei einem deutsch-österreichischen Zollbündnis" im ersten Teil der vom Verein für Sozialpolitik: herausgegebenen Arbeiten über "Die wirtschaftliche Annäherung zwischen dem Deut-
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sehen Reiche und seinen Verbündeten"; die Meinungen über diesen Aufsatz dürften kaum geteilt sein. Zu welch absurden Ergebnissen die nominaIistische Geldlehre gelangen muß, sobald sie sich mit den Problemen der Geldpolitik zu befassen beginnt, zeigen die Ausführungen Bendixens, eines Anhängers von Knapp. Bendixen hält den Umstand, daß die deutsche Währung während des Krieges im Ausland unterwertig geworden ist, für "in gewissem Grade sogar wünschenswert, weil es uns den Verkauf fremder Effekten zu günstigen Kursen ermöglicht" 1. Diese ungeheuerliche Behauptung ist vom nominaIistischen Standpunkt nur folgerichtig. Bendixen ist übrigens nicht bloß Anhänger der staatlichen Theorie des Geldes; er vertritt gleichzeitig auch die Lehre, die im Gelde eine Anweisung erblickt. Die akatallaktischen Anschauungen lassen sich eben nach Belieben kombinieren. So ist Dühring, der im übrigen im Edelmetallgeld eine "Einrichtung der Natur" erblickt, ein Vertreter der Anweisungstheorie, wogegen er den Nominalismus ablehnt 2. Die Behauptung, die staatliche Theorie sei durch die währungsgeschichtlichen Ereignisse seit 1914 widerlegt worden, ist nicht etwa dahin zu verstehen, daß sie durch die" Tatsachen" widerlegt worden sei. Tatsachen an sich können weder beweisen noch widerlegen; es kommt ledigHch darauf an, welche Deutung man den Tatsachen zu geben weiß. Wenn eine Theorie nicht überhaupt ganz unzulänglich durchdacht und ausgearbeitet ist, dann ist es nicht mehr allzu schwer, sie so auszugestalten, daß sie, wenn auch nur auf den ersten Schein und für jeden feineren Kopf ganz und gar unbefriedigend, alle "Tatsachen" erklärt. Es ist nicht so, wie die naive Wissenschaftslehre der empirisch-realistischen Schule es sich vorstellt, daß man das Denken sparen könne, wenn man nur die Tatsachen sprechen läßt. Die Tatsachen sprechen nicht, sie wollen von einer Theorie beleuchtet werden. Das Versagen der staatlichen Theorie des Geldes - wie überhaupt jeder akatallaktischen Geldtheorie - liegt nicht schon in den Tatsachen, sondern darin, daß sie nicht imstande ist, auch' nur den 1 Vgl. Bendixen, Währungspolitik und Geldtheorie im Lichte des Weltkriegs, München und Leipzig 1916, S. 37 (2. Auf!. 1919, S. 44). t VgI. D ü h ri n g, Cursus der National- und Sozialökonomie, 3. Auf!. Leipzig 1692, S. 42 ff., 401.
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Versuch zu machen, die Tatsachen zu erklären. Zu all den großen Fragen, die uns die Geldpolitik seit 1914 gestellt hat, haben die Anhänger der staatlichen Theorie des Geldes geschwiegen. Sie haben wohl auch noch in dieser Zeit mit emsiger Geschäftigkeit dicke Bücher veröffentlicht, docb zu den Problemen, die uns heute beschäftigen, haben sie nichts zu. sagen gewußt. Was hätten auch' sie, die das Problem des Geldwertes bewußt ablehnen, zu den Wertund Preisproblemen, die allein das ausmachen, was im Geldwesen VOll Bedeutung ist, zu sagen gehabt? Mit ihrer wunderlichen Terminologie kommt man bei Beurteilung der Fragen, die die Welt heute bewegen, nicht einen Schritt weiter 1. Knapp meint, daß diese Fragen erst von den "Okonomisten" zu lösen wären und gesteht zu, daß seine Lehre über diese Dinge nichts zu sagen weiß 2. Wenn aber die "staatliche Theorie" die Klärung der Fragen, die uns wichtig scheinen, nicht fördert, wozu dient sie überhaupt? Die "staatliche Theorie" ist nicht etwa eine schlechte Geldtheorie, sie ist überhaupt keine Geldtheorie 3. Wenn man der "staatlichen Theorie" einen großen Teil der Schuld an dem Zusammenbruch des deutschen Geldwesens iZUschreibt, so ist damit nicht etwa gemeint, daß Knapp zur inflationistischen Politik unmittelbar aufgefordert hätte. Das tut er freilich nicht. Doch eine Lehre, die die Geldmenge überhaupt nicht erwähnt, von dem Zusammenhang zwischen Geld und Preisen nicht spricht und als das allein Wesentliche am Geld die staatliche Begültigung erklärt, führt unmittelbar zu fiskalischer Ausnützung des "Rechtes" zur Geldschöpfung. Was sollte denn eine Regierung davon abhalten, Noten und immer wieder Noten in den Verkehr zu pumpen, wenn die Preise dadurch nicht berührt werden, da doch alle Preissteigerungen aus "gestörten Handelsbeziehungen" und "Störungen auf dem inneren Markte", aber beileibe nicht von Seite des Geldes her zu erklären sind? Knapp ist nicht so unvorsichtig, vom valor impositus des Geldes zu sprechen wie die Kanonisten und Hof juristen 1 Vgl. auch Palyi, Der Streit um die staatliche Theorie des Geldes, München und Leipzig 1922, S. 88 H. 2 Vgl. K n a pp, Staatliche Theorie des Geldes, 3. AufI.. 1921, S. 445 ff. a Wenn jemand die staatliche Theorie etwa für eine juristische Theorie halten sollte. dann weiß er nicht, was eine juristische Geldlehre zu leisten hat. Er möge doch ein beliebiges Werk über Obligationenrecht nachschlagen und sehen, welche fragen dort im Kapitel "Geld" behandelt werden.
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vergangener Geschlechter. Doch seine Lehre führt zu denselben Schlußfolgerungen. Knapp ist gewiß kein Soldschreiber im Dienste der Regierung gewesen wie einzelne von denen, die sich ihm mit Begeisterung angeschlossen haben. Er hat alles, was er gesagt hat, aus innerer echter Überzeugung vorgetragen. Das kommt dem Bilde seines Charakters zugute, doch nircht seiner Lehre. Man kann von der Lehre Knapps nicht einmal sagen, daß sie die Geldlehre des Etatismus seL Die Geldlehre des Etatismus ist die Zahlungsbilanztheorie, die Knapp nur flüchtig erwähnt, indem er von der "pantopolischen Entstehung des intervalutarischen Kurses" spricht 1. Die Zahlungsbilanztheorie ist, wenn auch eine unhaltbare, so doch immerhin eine katallaktische Geldwerttheorie. Aber sLe war lange vor Knapp da, sie ist mit ihrer Scheidung von Binnenwert und Außenwert des Geldes von den Etatisten (z. B. von Lexis 2) schon lange vorgetragen worden. Knapp und seine Schule haben zu ihrer Ausgestaltung nichts beigetragen. Doch die etatistis,che Schule trifft die Verantwortung dafür, daß die staatliche Theorie des Geldes in Deutschland, Österreich und Rußland leicht und schnell zur herrschenden Lehre werden konnte. Sie hat die Katallaktik, die Lehre vom Tausch und von den Preisen, als überflüssig aus dem Kreis der Probleme gestrichen, mit denen sich die Sozialökonomie zu befassen hat, sie hat den Versuch unternommen, alle Erscheinungen des Gesellschaftslebens lediglich als Ausfluß des Machtringens von fürsten und anderen Machthabern hinzustellen. Es ist nur eine folgerichtige fortbildung ihrer Lehre, wenn man schließlich auch das Geld als ein Geschöpf der Macht und als sonst nichts darzustellen versucht. Das jüngere Geschlecht der Etatisten hatte schon so wenig Ahnung von dem, worauf es in der Nationalökonomie ankommt, daß sie die dürftigen Ausführungen Knapps für eine Geldtheorie nehmen konnten.
§ 3. Wenn man das Geld eine Anweisung nennt, so liegt darin eine Analogie, gegen die schließlich nichts einzuwenden ist. Wenn auch dieser Vergleich, wie jeder andere, hinkt, so mag er es doch manchem erleichtern, skh das Wesen des Geldes zu veranschauVgl. Knapp, a. a. 0., S. 206, S. 214. Vgl. Lexis, Art. "Papiergeld" im "Handwörterbuch der Staatswissenschaften", 3. Aufl., VI. Bd., S. 987 ff. 1
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lichen. freilich, zur Klarheit kann die Analogie niemals führen, und es war eine arge Übertreibung, von einer Anweisungstheorie des Gelde!: zu sprechen, da von der bloßen feststellung der Analogie kein Weg Zu irgendeiner auch nur halbwegs mit verständigen Argumenten vertretbaren Geldwerttheorie führte. Die einzige Möglichkeit, eine Geldwerttheorie von der "Anweisungs"-Analogie her in Angriff zu nehmen, war die, di.e Anweisung etwa als eine "Eintrittskarte" in einem beschränkten Raum aufzufassen, so daß bei vermehrter Kartenausgabe der dem Inhaber einer jeden Karte zur Verfügung stehende Raum entsprechend kleiner wird. Das Mißliche an diesem Gedankengang war aber, daß man, von diesem Bilde ausgehend, nur zu einer Gegenüberstellung der gesamten Geldrnasse und der gesamten Warenmasse gelangen konnte, was aber doch nichts anderes sagt als eine der ältesten und primitivsten Auffassungen der Quantitätstheorie, deren Unhaltbarkeit keiner weiteren Erörterung mehr bedarf. So fristete denn die Anweisungsanalogie ein kümmerliches Dasein in den Darstellungen der Geldlehre, ohne daß sie dort mehr Bedeutung erlangt hätte als die eines, wie man meinte, allgemein leicht verständlichen Ausdrucksmittels. Selbst in den Schriften von Bendixen, der seine unklaren Ausführungen gerne als Anweisungstheorie hätte bezeichnet sehen wollen, kommt der Anweisungsvorstellung keine größere Bedeutung zu. Erst in der allerjüngsten Zeit ist von Schumpeter ein geistreicher Versuch unternommen worden, von der Anweisungsanalogie aus zu einer wirklichen Geldwerttheorie zu gelangen, eine katallaktische Anweisungstheorie auszubauen. Die Grundschwierigkeit, mit der jeder Versuch, von der Anweisungstheorie aus eine Geldwerttheorie aufzubauen, rechnen muß, ist die, daß man der Geldmenge eine andere Gesamtheit gegenüberstellen muß, so ähnlich wie in dem Bilde von der Eintrittskarte der Gesamtzahl der Eintrittskarten der gesamte zur Verfügung stehende Raum gegenübertritt. Eine solche Gegenüberstellung ist notwendig für eine Lehre, die in dem Geld "Anweisungen" erblickt, deren Eigentümlichkeit darin besteht, daß sie nicht auf bestimmte Objekte, sondern auf Anteile an einer Güterrnasse lauten. Diese Schwierigkeit sucht Schumpeter dadurch zu umgehen, daß er in Ausgestaltung eines Gedankenganges, den Wies er zuerst entwickelt hat, nicht von der Geldmenge, sondern von der Summe aller Geldeinkommen ausgeht,
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der er die Preissumme aller Genußgüter gegenüberstellt 1. Die Berechtigung einer derartigen Gegenüberstellung wäre vielleicht vorhanden, wenn das Geld keine andere Verwendung hätte als ,die, Genußgüter zu kaufen. Diese Voraussetzung trifft aber, wie ohne weiteres klar ist, durchaus nicht zu. Das Geld tritt nicht nur den Genußgütern gegenüber, sondern auch den Produktivgütern und, worauf besonderes Gewicht zu legen ist, es dient nicht lediglich dem Tausch von Produktivgütern gegen Genußgüter, sondern viel häufiger noch dem Umsatz von' Produktivgütern gegen Produktivgüter. So kann denn Schumpeter seine Theorie nur dadurch! aufrechterhalten, daß er einen großen Teir dessen, was als Geld zirkuliert, einfach aus der Betrachtung ausscheidet Den Waren stehe tatsächlich nur jener Teil der Geldmenge gegenüber, der zirkuliert. Nur dieser Teil habe eine unmittelbare Beziehung zur Einkommenssumme, nur er erfülle die Grundfunktion des Geldes. Es seien daher "aus der zirkulierenden Geldmenge, auf die es uns ankommt", neben anderem auch auszuschließen: 1. die Horte, 2. "Unbeschäftigte aber auf Verwendung wartende Summen", 3. Die Kassenreserven, worunter jene Summen zu verstehen seien, "unter die die Wirtschaftssubjekte, um .gegen unerwartete Ansprüche gesichert zu sein, ihre Kassenbestände nie sinken lassen" . Aber selbst die Ausschließung dieser Beträge genüge noch nicht, man müsse noch weiter gehen; denn die "Theorie der Eink0mmenssumme" habe es "nicht einmal mit der ganzen zirkulierenden Geldmengt> zu tun". Es seien auch alle "die Summen auszuscheiden, die auf den Märkten der Einkommensträger, auf dem Grundstücks-, Hypotheken-, Effektenmarkt usw. zirkulieren" 2. Mit diesen Einschränkungen hat Schumpeter nicht nur, wie er glaubt, die statistische Erfaßbarkeit des in der Zirkulationssphäre wirkenden Geldes als unmöglich erwiesen, sondern auch seiner eigenen Theorie den Boden entzogen. Das, was über die Unterscheidung der Horte, der unbeschäftigten Summen und der Kassenreserven von der übrigen Geldmenge zu sagen ist, wurde bereits 1 Vgl. Sc h u m pet er, Das Sozialprodukt und die Rechenpfennige, (Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, 44. Bd.), S. 635, 647 f. 2 Vgl. ebendort S. 665 f.
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an früheren Stellen erwähnt 1. Es ist unzulässig, von "unbeschäftigten, aber auf Verwendung wartenden Summen" zu sprechen. Streng und gen au genommen - und die Theorie hat alles streng und genau zu nehmen - wartet alles Geld, das nicht gerade im Augenblick seinen Eigentümer wechselt, auf Verwendung. Dennoch wäre es wieder unrichtig, es "unbeschäftigt" zu nennen; es
Vgl. oben S. 127 ff.
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So sehen wir denn, daß es auch Schumpeter nicht gelingen konnte, aus der Anweisungstheorie eine vollständige katallaktische Geldtheorie zu machen. Daß er bei dem Versuch, die Anweisungstheorie zu einer katallaktischen Geldtheorie zu machen, das Problem so außerordentlich einschränken muBte, zeigt am besten, daß eine umfassende katallaktische Geldlehre auf der Anweisungsanalogie nicht aufgebaut werden kann. Daß die Ergebnisse, zu denen Schumpeter im übrigen in seinen vortrefflichen Ausführungen gelangt, nicht wesentlich davon abweichen, was auf anderen Wegen und mit anderen Mitteln von den katallaktischen Geldlehren gefunden wurde, ist nur darauf zurückzuführen, daß Schumpeter sie eben in der Geldtheorie bereits vorgefunden hat und daher übernehmen konnte. Aus der fragmentarischen Geldtheorie, die er selbst zu bringen weiß, ergeben sie sich keineswegs.
§ 4. Es ist nicht mehr notwendig, die Polemik gegen die nominalistische Geldlehre wieder aufzunehmen. Für die theoretische Nationalökonomie ist sie längst erledigt. Doch der Streit um den Nominalismus hat dogmengeschichtliche Irrtümer großgezogen, die man berichtigen muß. Da ist zunächst der Gebrauch des Ausdruckes "Metallismus". Der Ausdruck "Metallismus" stammt von Knapp. ,,) ene Schriftsteller, welche mit dem Gewicht und Feingehalt anfangen und in dem Stempel nur eine Beglaubigung dieser technischen Eigenschaften sehen", nennt Knapp Metallisten. "Der Metallist definiert die Werteinheit als eine bestimmte Metallmenge" 1. Diese von Knapp gegebene Definition des Metallismus ist durchaus unklar. Daß es wohl kaun, einen nennenswerten Schriftsteller gegeben haben wkd, der sich die Werteinheit als eine Metallmenge vorgestellt hat, dürfte bekannt sein. Freilich ist mit Ausnahme der nominalistischen Geldtheorie keine Schule so genügsam in der Deutung der Wertvorstellung gewesen wie Knapp, für den die Werteinheit "nichts anderes ist als die Einheit, in welcher man di'e Größe der Zahlungen ausdrückt" 2. Was Knapp sich unter Metallismus denkt, ist allerdings leicht 1 Vgl. K n a pp, Staatliche Theorie des Geldes, a. a. 0., S. 281; Die Beziehungen Oesterreichs zur' staatlichen Theorie des Geldes (Zeitschrift für Volkswirtschaft usw. XVII. Bd.), S. 440. 2 Vgl. K n a pp. Staatliche Theorie, a. a. 0., S. 6 f.
Zur Klassifikation der Geldtheorien.
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zu erkennen, wenn er es auch nirgends ausdrücklich sagt. Metallismus sind für ihn alle Geldtheorien, die nicht nominalistiscb sind 1; und da er das nominalistische Dogma scharf formuliert, so ist damit ganz klar, was er unter MetaIJismus versteht. Daß die nicht nominalistischen Geldtheorien keine einheitliche Erscheinung darstellen, daß es unter ihnen katallaktische und akatallaktische gib1;, daß jede dieser Gruppen wieder in verschiedene widerstreitende Meinungen zerfällt, weiß er nicht oder übersieht es geflissentlich. Ihm sind alle nicht nominalistischen Geldtheorien eine Einheit. Nirgends findet sich in seinen Schriften ein Hinweis darauf, daß er von der Existenz anderer Geldlehren als der, die im Metallgeld die "an sich u wertvolle Materie erblickt, eine Kenntnis hätte. Auch von der Existenz der nationalökonomischen Werttheorien, nicht einer' bestimmten, sondern aller, nimmt er nirgends Notiz. Er polemisiert immer nur gegen die ihm allein bekannte Geldtheorie, von der er glaubt, daß sie die einzige ist, die dem Nominalismus entgegensteht, und nennt sie Metallismus. Darum ist seine Polemik nutzlos, da sie immer nur jener einen akatallaktischen Lehre gilt, die die Nationalökonomie mit allen anderen akatallaktischen Theorien, auch mit dem Nominalismus, schon seit langem überwunden hat. Jeder Schriftsteller muß sich in der Polemik Beschränkungen auferlegen. Es geht nicht an, auf einem viel bearbeiteten Gebiet alle gegenteiligen Ansichten zu widerlegen. Man muß die wichtigsten, die typischen Gegenmeinungen auswählen, die, welche man für die eigene Auffassung am gefährlichsten erachtet; die anderen übergeht man mit Stillschweigen. Knapp schreibt für das deutsche Publikum der Gegenwart, das im Banne der etatistischen Auffassung der Nationalökonomie nur akatallaktische Geldlehren - und unter diesen auch nur die von ihm als metallistisch bezeichnete - kannte. Der Erfolg, den er hier gefunden hat, zeigt, daß er recht hatte, als ',er seine Kritik allein gegen diese, in der Literatur kaum vertretene Auffassung richtete, hingegen Bodin, Law, Hume, Senior, Jevons, Menger, Walras und alle anderen ignorierte. Knapp sucht gar nicht festzustellen, was die Wissenschaft über das Geld sagt. Er fragt nur: "Was denkt sich der gebildete Mensch, 1 "Alle unsere Nationalökonomen sind Metallisten". Knapp, Über die Theorien des Geldwesens, (jahrbuch für Gesetzgebung usw. XXXlII. Jahrgang), S. 432.
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Neuntes Kapitel.
wenn er nach dem Wesen des Geldes gefragt wird" 1? Gegen die Auffassung des "gebildeten Menschen", also wohl des Laien, richtet er dann seine Polemik. Das Recht dazu wird ihm niemand abstreiten. Aber es geht nicht an, dann hinterher jene Auffassung des gebildeten Menschen als die der wissenschaftlichen Nationalökonomie hinzustellen. Das tut aber Knapp, indem er die Geldlehre von Adam Smith und David Ricardo als "durchaus metallistisch" bezeichnet und hinzufügt: "Dort wird gelehrt, daß die Werteinheit (Pfund Sterling) definierbar s,ei als eine Gewichtsmenge Metalls" 2. Das Gelindeste, was man über diese Behauptung Knapps sagen kann, ist das, daß sie völlig aus der Luft gegriffen ist. Sie steht in schroffstem Widerspruch zu Smiths und Ricardos werttheoretischen Anschauungen, sie findet in keiner ihrer Schriften den mindesten Anhaltspunkt. Wer die Wertlehre der Klassiker und ihre Geld theorie auch nur flüchtig kennt, muß sofort sehen, daß Knapp hier einen unbegreiflichen Irrtum begangen hat. Die Klassiker sind aber auch nicht in dem Sinne "Metallisten", daß sie über das "Papiergeld" weiter nichts vorzubringen wüßten als "Entrüstung" 3. Adam' Smith hat wie kaum ein zweiter Schriftsteller vor ihm oder nach ihm die Vorteile dargelegt, die für die Volkswirtschaft aus der "substitution of paper in the room of gold and silver money" erwachsen 4. Ricardo aber war es, der in seiner 1816 erschienenen Schrift "Proposals for an Economical and safe Currency" diese Auffassung vertiefte und eine Geldverfassung vorschlug, in der das Edelmetallgeld aus dem effektiven Umlauf des Inlandes ganz ausgeschaltet sein sollte. Auf diesem Ricardoschen Entwurf beruht das Endel des- vorigen Jahrhunderts zuerst in BritischIndien, dann in den Straits-Settlements, in den Philippinen, schließlich in ÖSterreich-Ungarn eingerichtete Geldsystem, das man heute als den Gold Exchange Standard (Goldkernwährung) zu bezeichnen pflegt. Knapp und die mit ihm für "moderne Geldtheorie" schwärmen, hätten die fehler, die sie in der Beurteilung der von der ÖSterreichisch-Ungarischen Bank zwischen 1900 und 1911 be1 Vgl. K n a PP. Die Währungsfrage vom Staat aus betrachtet, (Jahrbuch für Gesetzgebung usw. XXXXI. Jahrgang), S. 1528. 2 Vgl. Knapp, Über die Theorien des Geldwesens, a. a. 0., S. 430. 8 Ebenda S. 432. , Vgl. weiter unten S. 302f.
Zur Klassifikation der Geld theorien.
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folgten Politik begangen haben, leicht vermeiden können, wenn sie diese Zusammenhänge beachtet hätten 1.
§ 5. Knapps dogmengeschichtliche Irrtümer haben bedauerlicherweise bereits Aufnahme bei anderen Schriftstellern gefunden. Den Ausgangspunkt hierfür gab das Bestreben, Knapps Theorie möglichst wohlwollend auszulegen, das heiBt ihre Schwächen milde zu beurteilen und ihr womöglich ein Verdienst in irgendeiner Richtung zuzubilligen. Das war nun allerdings nicht möglich, ohne in die staatliche Theorie Dinge hineinzulegen, die in ihr schlechterdings nicht zu finden sind, ja ihrem Gedankengang und Wortlaut geradezu widersprechen, und anderseits Knapps dogmengeschichtli'Che Irrtümer zu übernehmen. Da ist zunächst Wieser zu nennen. Wieser stellt zwei Geldtheorien einander gegenüber. "Für den Metallisten hat das Geld einen selbständigen Wert, aus sich heraus, aus seinem Stoffe heraus, für die modeme Richtung ist sein Wert aus dem der Tauschobjekte, der Waren abgeleitet" 2. An anderer Stelle wieder führt Wies er aus: "Der Wert des Geldstoffes fiieBt aus zwei verschiedenen Quellen zusammen. Er ist zusammengesetzt aus dem Gebrauchswert, welchen der Geldstoff durch seine mannigfachen industriellen Verwendungen empfängt - zu Schmuck, zu Geräten, zu technischen Verwendungen aller Art -, und aus dem Tauschwert, welchen das Geld als Mittel der Preiszahlungen empfängt... Die Wirkung des Dienstes, welchen die Münze als Tauschmittel leistet, und die Wirkung, welche das Geld durch seine industriellen Verwendungen leistet, flieBen zu einem gemeinsamen Anschlag des Wertes zusammen . .. Wir 'können ... behaupten, daB jeder der beiden Dienste 1 Aus der obenerwähnten Schrift von Ricardo sei nur folgende Stelle zitiert: .A weIl regulated paper currency ist so great an improvement in commerce, that I should greatly regret if prejudice should induce us to return to a system of less utility. The introduction of the precious metals for the purposes of money may with truth be considered as one of the most important steps towards the improvement of commerce and the arts of civilized life: but it is no less true, that with the advancement of knowledge and science, we discover that it would be another improvement to banish them again from the employment to which, during a less enlightened period, they had been so advantageously applied.. (Works, Second edition, London 1852, S. 404.) So sieht Ricardos "metallistische Entrüstung" in Wahrheit aus. 2 Vgl. Wieser, Über die Messung der Veränderungen des Geldwerts, a. a. 0., S. 542
v. Mises, Theorie des Oeldes. 2. Auf!.
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so selbständig ist, daß er weiter bestehen könnte, auch wenn der andere wegfiele. Gerade so wie der Gebrauchsdienst des Goldes nicht aufgehoben wäre, wenn man aufhören sollte, Gold auszumünzen, so würde sein Gelddienst dadurch nicht aufgehoben sein, wenn der Staat seine industrielle VelWendung verbieten wollte, weil er alles Gold für die Ausmünzung in Beschlag nimmt... Die herrschende metallistische Anschauung urteilt anders. für sie ist der Stoffwert des Geldes gleichbedeutend mit dem Gebrauchswert des Geldstoffes, er hat nur die eine Quelle der industriellen VelWendungen, und wenn der Tauschwert des Geldes mit dem Stoffwert übereinstimmt, so gibt er also schlechthin den Gebrauchswert des Geldstoffes wieder. Ein Geld aus wertlosem Stoff ist nach der herrschenden metallistischen Auffassung nicht denkbar; denn das Geld, so sagt man, könnte den Wert der Waren doch nicht messen, wenn es nicht selber durch seinen Stoff Wert hätte" 1. Wieser stellt hier zwei Geldwerttheorien einander gegenüber: die modeme und die metallistische. Die Theorie, die er die moderne nennt, ist die Geldtheorie, die logisch aus jeder Werttheori'e folgt, die den Wert auf den Nutzen zurückführt. Da nun die Nutzentheorie erst in den letzten Jahrzehnten ihre wissenschaftliche Ausgestaltung erfahren hat (wozu beigetragen zu haben eines der großen Verdienste Wiesers ist), da sie heute unzweifelhaft als die herrschende (was im Gegensatz zu Wieser, der die metallistische Lehre als die herrschende bezeichnet, festzustellen ist) Lehre angesehen werden kann, so mag es wohl angehen, eine auf ihr beruhende Geldwerttheorie als die moderne Auffassung xat' t;ox~y zu bezeichnen. Man darf aber darüber nicht vergessen, daß so wie die subjektive Wertlehre auf eine lange Geschichte zurückblickt, so auch die ihr adäquate Geldwerttheorie schon eine mehr als zweihundertjährige Geschichte hat. So hat ihr zum Beispiel schon im Jahre 1705 J ohn Law in seiner Schrift Money and Trade einen klassischen Ausdruck verliehen. Wer die Ausführungen Laws mit denen Wiesers vergleicht, wird die Übereinstimmung der Grundanschauung feststellen können 2. Aber diese Lehre, die Wieser hier als die moderne bezeichn.et.. ist durchaus nicht die Lehre Knapps; bei Knapp findet sich von ihr nicht die leiseste Andeutung. Sie hat mit seinem Nominalismus, 1 Vgl. Wie s er, Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft, (Orundriß der Sozial ökonomik, I. Abteilung, Tübingen 1914), S. 316. 2 Vgl. die oben S. 82f. zitierte Stelle.
Zur Klassifikation der Oeldtheorien.
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der das Problem des Geldwertes ignoriert, nichts gemein, als daß sie auch nicht "metallistisch" ist. Daß seine Theorie mit der Knapps nichts zu schaffen hat, darüber ist sich Wieser auch vollkommen klar. Er übernimmt aber bedauerlicherweise von Knapp die Meinung, daß für die "herrschende metallistische Anschauung" der "Stoffwert des Geldes gleichbedeutend ist mit dem Gebrauchswert des Geldstoffes". Da unterlaufen gleich mehrere schwere dogmengeschichtliche Irrtümer. Zunächst ist festzustellen, daß Wieser unter Metallismus etwas anderes versteht als Knapp. Wieser stellt die "moderne" Geldwerttheorie der "metallistischen" gegenüber und umschreibt genau, was er darunter versteht. Danach sind die beiden Anschauungen einander entgegengesetzt, die eine schließt die andere aus. Knapp aber sieht die Lehre, die Wies er die moderne nennt, gleichfalls als metallistisch an. Daß dem so ist, kann man unschwer zeigen. Knapp nennt in seinem Hauptwerk überhaupt keine Namen von Schriftstellern, ,die sich mit dem Geldproblem beschäftigt haben, er führt dort auch kein Werk an, das d,uüber handelt. Nirgends richtet sich seine Polemik gegen einen der in der reichen Geldliteratur üblichen Gedankengänge. Er kämpft immer nur gegen den "Metallismus", den er als die allgemeine Ansicht über das Geld hinstellt. noch im Vorwort bezeichnet Knapp zwei Schriftsteller ausdrücklich als Metallisten: Hermann und Knies 1. Sowohl Hermann als auch Knies bekennen sich aber zu der von Wieser vorgetragenen "modernen" Lehre. Das kann nicht sonderlich auffallen; standen doch beide auf dem Boden der subjektiven Wertlehre 2, aus der folgerichtig jene Lehre über den Geldwert folgt, so daß beide die Wurzel des Oebrauchswertes der Edelmetalle in ihrer doppelten Verwendung zu Geldstücken und für "anderweitigen" Gebrauch erblicken 3. Zwischen Wieser und Knies besteht nur insoweit ein Unterschied, als es sich um die Rückwirkung der Möglichkeit des Fortfallens des "anderweitigen" Gebrauches für die Geldfunktion handelt. Doch kann Knapp unmöglich darin das entscheidende Merkmal erblickt haben, sonst hätte er es doch irgendwie erwähnen müssen. Er weiß Vgl. K na pp, Staatliche Theorie, 1. Aufl., S. V und VII. Vgl. Zuckerkandl, Zur Theorie des Preises mit besonderer Berücksichtigung der geschichtlichen Entwicklung der Lehre, Leipzig 1899, S.98, 115f. 8 Vgl. Her man n, Staatswirtschaftliche Untersuchungen, 2 Aufl., München 1870, S. 444; Knies, Das Geld, 2. Auf!., Berlin 1885, S. 324. 17* 1 2
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Neuntes Kapitel.
aber darüber ebensowenig zu sagen wie über die anderen Geldwertprobleme. Den "Metallisten", wie ihn Knapp und seine Schule schildern, darf man eben nicht unter den Nationalökonomen suchen. Knapp weiß recht wohl, warum er immer nur gegen ein willkürlich konstruiertes Zerrbild eines "Metallisten" polemisiert und es wohlweislich unterläßt, Belegstellen für die Meinungen anzuführen, die er seinem "Metallisten" in den Mund legt. Der "Metallist", den Knapp im Auge hat, ist eben niemand anderer als Knapp selbst, nicht der Knapp, der die "Staatliche Theorie" schrieb, sondern der Knapp, der "unter Hintansetzung jeder Theorie", wie er selbst sagt, über das "Pragmatische" des Geldwesens Vorlesungen hielt 1, der Knapp, der als einer der Bannerträger des Historismus in der Nationalökonomie dachte, man könne die Beschäftigung mit den Problemen der Nationalökonomie durch die Veröffentlichung alter Verwaltungsakten ersetzen. Hätte Knapp weniger hochmütig auf die Arbeiten der vielgeschmähten "Theoretiker" geblickt, hätte er es nicht verschmäht, sich mit ihren: Arbeiten zu befassen, dann hätte er gefunden, daß er eine durchaus falsche Meinung von ihren Ideen gehegt hat. Das gilt auch von Knapps Anhängern. Ihr Führer, Bendixen, gesteht sogar offen zu, daß er früher "Metallist" gewesen sei 2. Es empfiehlt sich keineswegs, mit Wieser die Lehre, daß der Wert des Geldstoffes nur aus der industriellen Verwendung herstamme, als die herrschende zu bezeichnen. Darf man eine Anschauung über das Geld, die von Knies abgelehnt wird, als die herrschende ansehen 3? Davon, daß die ganze Geldliteratur, soweit sie sich auf die Ergebnisse der modernen Theorie stützt, auch nicht "metallistisch" in jenem Sinne ist, ebensowenig übrigens wie alle anderen katallaktischen Geldtheorien, gar nicht zu reden. Wieser ist eben durch die Übernahme des Ausdruckes "Metallismus" zu einer schiefen Beurteilung der Geldwerttheorien seiner Vorgänger gelangt. Das ist ihm selbst nicht entgangen; denn er ergänzt seine oben zitierten Ausführungen durch folgende Worte: "Die herrschende Lehre wird sich selber untreu, indem sie ... eine Vgl. K n a pp, Staatlich e Theorie, a. a. 0, S. V. Vgl. Bendixen, a. a. 0., S. 134. 3 Adolf W a g n ernennt in seiner 1909 erschienenen nSozialökonomischen Theorie des Geldes und Geldwesens" (a. a. 0., S. 112) das Knies'sche Werk "das deutsche theoretische Hauptwerk, auch gegenwärtig noch." 1
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eigene Theorie vom Tauschwert des Geldes entwickelt. Wenn der Geldwert immer durch den Gebrauchswert des Geldstoffes gebunden wäre, weIchen Einfluß könnten dann die Tatsachen des Geldbedarfs, der Umlaufsgeschwindigkeit oder der Menge der Kreditsurrogate noch üben" I? Die Lösung dieses scheinbaren Widerspruchs ist in der Tatsache zu suchen, daß zwischen dem, was Wieser als die herrschende metallistische Lehre bezeichnet und den katallaktischen Geldwerttheorien, die "eine eigene Theori·e vom Tauschwert des Geldes entwickeln", der schärfste Gegensatz besteht. Ebenso wie Wieser stellt auch Philippovich zwei Geldwerttheorien einander gegenüber, die nominaIistische (von Adam Müller, Knapp und anderen vertretene, auch Adolph Wagner rechnet Philippovich zu dieser Gruppe) und die, weIche die nominalistische Auffassung ablehnt; als Vertreter dieser zweiten Ansicht nennt er nur meine "Theorie des Geldes und' der Umlaufsmittel". Er fügt dazu die Bemerkung. bei Erörterung des Geldwertes müßte ich doch zugeben, daß für die Geldwerttheorie der Wert des Sachgeldes nur insoweit in Betracht komme, als er auf seiner Funktion als allgemeines Tauschmittel beruht 2. Philippovich verfällt hier, indem er den dogmengeschichtlichen Ansichten Knapps folgt, denselben Irrtümern wie Wieser. Während aber Wieser die Chartal- und Nominaltheorie des Geldes ablehnt, erklärt sich PhiHppovich als ihr Anhänger, gibt ihr jedoch einen besonderen Inhalt, der den Unterschied zwischen der katallaktischen und der nominalistischen Auffassung ganz verwischt. Er erklärt einerseits: "Das Wesen der Münzeinheit (Geldeinheit) ist ihre nominelle Geltung als Werteinheit". Anderseits wieder: "Die Geldeinheit (Münzeinheit) ist tatsächlich nicht jene technisch bestimmte Menge edlen Metalles, sondern deren Kauf- (Zahlungs-) Kraft" 3. Das sind zwei Thesen, die unvereinbar sind. Die erste ist uns oben als die Knappsche Definition begegnet, die zweite ist der Ausgangspunkt aller katallaktischen Geldtheorien. Man kann sich kaum einen schärferen Gegensatz denken. Daß die Gleichsetzung von Kaufkraft und Geldeinheit nicht Knapps Ansichten ausdrückt, vielmehr ihnen vollständig widerspricht, Vg!. Wieser, Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft, a. a. 0., S. 317. Vgl. Philippovich, Orundriß der politischen Ökonomie, I. Bd. (11. Auf!.), Tübingen 1916, S. 275. 3 Ebenda. 1
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geht aus zahlreichen Stellen seiner Schriften deutlich hervor 1. Darin liegt ja gerade das Charakteristische des Nominalismus - wie überhaupt jeder akatallaktischen Theorie -, daß sie vom Geldwert, von der Kaufkraft des Geldes nicht spricht. Wie unverträglich jene beiden von Philippovich aufgestellten Thesen sind, kann leicht gezeigt werden. Knapp ist formal im Sinne seiner Theorie im Recht, wenn er die Mark definiert: "Die Mark ist der dritte Teil der vorausgegangenen Werteinheit, des Talers" 2. So nichtssagend diese Definition auch ist, sie enthält keinen Widerspruch in sich selbst. Anders ist es, wenn Philippovich erklärt: "Die Mark in Silber, als der dritte Teil eines Talers, war die Einheit des Geldes, mit der man bisher rechnete und welche nach den Erfahrungen der Wirtschaftenden eine bestimmte Kaufkraft darstellte. Diese Kaufkraft s01l in der Münzeinheit aus dem neuen Geldstoff beibehalten werden, das heißt die Mark als Goldmünze soll dieselbe Wertmenge repräsentieren wie früher die Mark in Silber. Die technische fixierung der Münzeinheit hat daher den Zweck der Aufrechterhaltung der Werteinheit des Geldes" 3. Diese Sätze ergeben in Verbindung mit den früher zitierten wohl nur den Sinn, daß die Reform des deutschen Geldwesens eine fixierung der historisch überlieferten Kaufkraft des Talers beabsichtigt habe. Das kann aber doch wohl nicht die Ansicht Philippovichs sein. Noch einen anderen dogmengeschichtlichen Irrtum übernimmt Philippovich von Knapp, nämlich den, daß die katallaktische Geldlehre "die Wirklichkeit, die Beispiele genug für staatliches Zwangspapiergeld hat", übersehe 4. Jede beliebige Schrift eines Katallaktikers - auch meine "Theorie", die Philippovich an jener Stelle allein erwähnt - beweist das Gegenteil. Man kann behaupten, die Katallaktiker hätten das Problem des staatlichen Zwangspapiergeldes nicht befriedigend gelöst - darüber läßt sich immerhin noch streiten -; aber es g.eht nicht an, zu erklären, sie hätten seine Existenz übersehen. Diese feststellung ist deshalb besonders wichtig, 1 Vgl. so auch besonders K n a pp s Äußerungen in den Schriften des Vereins für Sozialpolitik, 132 Hd., S. 560 ff.; ferner Erläuterungen zur staatlichen Theorie des Geldes Oahrbuch für Gesetzgebung usw., XXX. Jahrgang). S. 1695H. iI Vgl. Knapp, Art. nGeldtheorie, staatliche" im Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 3. Auf!., IV. Bd., S. 611. 8 Vgl. Philippovich, a. a. O. , Ebenda, S. 272 H.
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weil manche Anhänger Knapps meinen, die katallaktischen Geldtheorien seien durch die Papiergeldwirtschaft der Kriegszeit widerlegt worden. Als ob sich nicht seit Ricardo alle Geldtheorien mit diesem Problem befaßt hätten. Wenn die Knappschen Irrtümer über die geldtheoretischen Anschauungen der älteren und zeitgenössischen Nationalökonomen bei zwei so hervorragenden Kennern der Geschichte und Literatur der politischen Ökonomie wie Wieser und PhiHppovich Aufnahme gefunden haben, so darf man nicht staunen, wenn die Mehrzahl der deutschen Bearbeiter der Geldprobleme sich' heute dogmengeschichtlich ausschließlich an Knapp orientiert. 116. Ein Schriftsteller setzt die metalIistische Theorie dem currency principle gleich und bezeichnet die Chartaltheorie als "eine Abart des alten banking principle".1 Ein anderer Schriftsteller wieder meint, es ließe sich "mit einer gewissen Berechtigung die Lehre der Currency-Schule, sofern sie sich auf eine Gleichstellung von Metall- und Papiergeld gründet, als ökonomischer Nominalismus bezeichnen". 2 Beide irren. Das, was den Gegensatz der beiden beriihmten Schulen der Umlaufsmitteltheorie ausmacht, liegt auf ganz anderem Gebiete 8. Die Probleme, mit denen sie sich befaßt haben, haben weder Knapp noch seine Anhänger jemals auch nur gesehen, geschweige denn zu lösen gesucht. Bendixens Geldschöpfungslehre , die mit Knapps Nominalismus nur in einem zufälligen und lockeren Zusammenhang steht, ist freilich nichts anderes als eine vergröberte und im höchsten Grade naive Abart des banking principle. Es ist ein besonders charakteristisches Zeichen des Tiefstandes deutscher nationalökonomischer Theorie, daß man viele Jahre lang Bendixens Lehre als neu ansehen konnte und gar nicht bemerkte, daß sie sich höchstens in der Darstellungsform von der Lehre unterscheidet, die seitjahrzehnten in Deutschland vorherrschte. 1 Vgl. L ans bu rgh, Die Kriegskostendeckung und ihre Quellen, BerHn 1915, S. 52 H. 2 Vgl. Bortkiewicz, Die frage der Reform unserer Währung und die Knapp'sche Geldtheorie (Annalen für soziale Politik und Gesetzgebung VI. Bd., S. 98), 8 Vgl. weiter unten S. 351 ff.
Dritter Teil.
Die Umlaufsmittel und ihr Verhältnis zum Gelde. Erstes Kapitel.
Die Bankgeschäfte. § 1. Die Banktätigkeit - dem Deutschen fehlt eine Wortform, die gleich dem englischen Banking einen zutreffenden Ausdruck für den Betrieb des .eigentlichen Bankgeschäftes darstellt - zerfällt in zwei verschiedene Arbeitszweige: die Vermittlung von Kredit durch das Verleihen fremder Gelder und die Kreditgewährung durch Ausgabe von Umlaufsmitteln, das sind Noten und Kassenführungsguthaben, die nicht durch! Geld gedeckt sind. Die beiden Geschäftszweige stehen seit jeher in engem Zusammenhang. Sie sind auf einem gemeinsamen historischen Boden erwachsen, und wir finden noch heute ihren Betrieb vielfach in einheitlichen Unternehmungen verbunden. Diese Vereinigung ist nicht bloß auf äußerliche und zufällige" Momente zurückzuführen; sie ist in der Eigenart der Umlaufsmittel und im geschichtlichen Werdegang des Bankgeschäftes begründet. Die nationalökonomische Theorie muß jedoch die beiden Tätigkeitszweige der Banken streng auseinanderhalten ; denn nur die gesonderte Betrachtung eines jeden einzelnen der beiden kann zu einer Einsicht in ihr Wesen und ihre Funktion führen. Die unbefriedigenden Ergebnisse der bisherigen banktheoretischen Untersuchungen sind in erster Lini.e auf die ungenügende Beachtung des grundlegenden Unterschiedes, der zwischen heiden besteht, zurückzuführen. Die modernen Banken betreiben neben dem eigentlichen Bankgeschäft noch eine Reihe von anderen Geschäftszweigen, die mit jenem in einem mehr oder weniger losen Zusammenhang stehen. Hierher gehört zum Beispiel das Geldwechselgeschäft, auf dessen Grundlage sich die Anfänge des Bankwesens im Mittelalter entwickelt haben und dem der Wechsel, eines der wichtigsten Instru-
Das Bankgeschäft.
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mente der Banktätigkeit, seine Entstehung verdankt. Die Banken des europäischen Kontinentes pflegen diesen Geschäftszweig auch noch heute; außer ihnen widmen sich Wechselstuben, die keine Bankgeschäfte betreiben, ausschließlich diesem Ges'chäft und daneben noch einigen anderen Geschäften, zum Beispiel dem An- und Verkauf von Effekten. I n Großbritannien wird das Geldwechselgeschäft nicht mehr als zum Geschäftskreis einer Bank oder eines Bankhauses gehörig gerechnet und bleibt den Filialen der fremden Banken und den Reiseagenturen überlassen; an den Kassen der großen englischen Banken würde man umsonst versuchen, fremdes Geld einzuwechseln 1. In Verbindung mit den eigentlichen Bankgeschäften haben die Banken ferner eine Anzahl von funktionen der allgemeinen Vermögensverwaltung ihrer Kunden übernommen. Sie nehmen \Vertpapiere als "offene Depots" in Aufbewahrung und Verwaltung, trennen an den fälligkeitsterminen die Zins- und Dividendenscheine ab und ziehen die darauf entfallenden Beträge ein. Sie überwachen die Auslosungen der Stücke, besorgen den Umtausch der Kouponbogen und dergleichen mehr. Sie führen für ihre Kunden Börsenaufträge aus, aber auch den Ankauf und Verkauf von nicht börsengängigen Effekten. Sie vermieten Stahlkammern, die unter Verschluß der Kunden der sicheren Unterbringung von Wertsachen dienen. Alle diese Geschäfte, so wichtig sie auch im Einzelfall für die Rentabilität des Gesamtunternehmens sein können und so groß auch ihre volkswirtschaftliche Bedeutung sein mag, stehen mit dem eigentlichen Bankgeschäft, wie wir es oben gekennzeichnet haben, in keinem inneren Zusammenhang. Äußerlich und lose ist auch das Band, weIches die eigentliche Banktätigkeit mit dem Spekulations- und Gründungsgeschäft verbindet. Auf diesem beruht heute die allgemeine volkswirtschaftliche Bedeutung der Banken, die auf dem europäischen festland und in den Vereinigten Staaten damit diel führende Stellung in der nationalen Produktion errungen haben, nicht weniger als auf der Kreditgewährung. Man wird die Wichtigkeit der Wandlung, die sich mit der Veränderung des Verhältnisses der Banken zu Industrie und Handel in der Organisation der Wirtschaft vollzogen hat, nicht leicht überschätzen können; man übertreibt vielleicht nicht, wenn man sie als 1
VgI. Ja ff e, Das englische Bankwesen, 2. Auf;age, leipzig 1910, S. 144 f.
Erstes Kapitel.
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das wichtigste Ereignis der jüngsten Wirtschaftsgeschichte bezeichnet. Für die Betrachtung der Einwirkungen der Banktätigkeit auf das zwischen dem Gelde und den übrigen wirtschaftlichen Gütern bestehende Austauschverhältnis, die uns allein beschäftigen soll, ist sie ohne Bedeutung.
§ 2. Die Tätigkeit der Banken als Kreditvermittler ist durch die Verleihung fremder, das ist geliehener Gelder charakterisiert. Die Bankhäuser und Banken entleihen Geld, um es zu verleihen; die Differenz zwischen dem Z~nssatz, der ihnen gezahlt wird, und jenem, den sie bezahlen, ist dre Quelle ihres Gewinnes, der noch durch die K03ten ihres Betriebes geschmälert wird. Das Bankgeschäft ist Vermittler zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer. Nur der, der fremde Gelder verleiht, ist Bankier; wer lediglich sein ei'genes Kapital verleiht, ist Kapitalist, aber nicht Bankier 1. Wenn wir diese Auffassung der klassischen Schule übernehmen, so soll dies keinen Grund für terminologische Streitigkeiten abgeben. Man mag den Ausdruck Banktätigkeit wie immer ausdehnen oder einengen, obzwar wir glauben, daß kein Anlaß vorliegt, von einer Terminologie abzugehen, die seit Smith und Ricardo üblich geworden ist. Eines aber tut not: man muß jene Tätigkeit der Banken, die im Verleihen fremder Gelder besteht, scharf von allen anderen Geschäftszweigen trennen und sie gesondert zum Gegenstand der Betrachtung machen. Für die Tätigkeit der Banken' als Kreditvermittler giU die goldene Regel, welche verlangt, daß zwischen den Aktivgeschäften und den Passivgeschäften ein organischer Zusammenhang hergestellt werde. Der Kredit, den die Bank erteilt, soH in Maß und Art jenem Kredit entsprechen, den sie selbst in Anspruch nimmt. Genauer ausgedrückt: "Es darf der Termin für die fälIigen Zahlungsverbindlichkeiten der Bank nicht diesseits des Termines für die Realisierung entsprechender Forderungen fallen 2." Nur dann kann sie die Gefahr der Insolvenz vermeiden. Ein Risiko bleibt freiHch bestehen. Unvorsichtige Kreditgewährung muß eine Bank geradeso ins Verderben bringen wie jeden anderen Kaufmann. Das liegt schon in der juristischen Konstruktion Vgl. Bagehot, Lombardstreet, Ausgabe London 1906, S. 21. Vgl. Knies, a. a. 0., II. Bd., 11. Teil, S. 242; vgI. ferner Weber, Depositen- und Spekulationsbanken, Leipzig 1902, S. l06f.; Sayous, Les banques de depot, les banques de credit et les societes financieres, Deuxieme ed., Paris 1907, S. 219 ff.; Ja ffe, a. a. 0., S. 203. 1
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Das Bankgeschäft.
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ihrer Geschäfte begründet; rechtlich besteht zwischen ihren Aktivund ihren Passivgeschäften kein Zusammenhang, und ihre Verpflichtung zur Rückzahlung der fremden Gelder wird durch das Schicksal ihrer Anlagen nicht berührt, besteht fort, auch wenn diese uneinbringlieh werden. Aber dieses Risiko ist es eben, welches das Eintreten der Bank als Vermittler zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer wünschenswert erscheinen läßt; aus seiner Übernahme fließt ihr Gewinn, entspringt ihr Verlust. Das ist alles, was hier über diesen Zweig der Banktätigkeit zu sagen ist. Denn für das Geld und seine Theorie ist auch die Stellung der Banken als Kreditvermittler nur insoweit von Bedeutung, als sie die Ausgabe von Umlaufsmitteln, von der im folgenden ausschließlich die Rede sein wird, zu beeinflussen vermag.
§ 3. Um das Wesen der Umlaufsmittel zu erfassen, muß man weiter ausholen. Die Tauschakte können, gleichviel ob es sich um unvermittelte oder um vermittelte handelt, entweder in der Weise durchgeführt werden, daß die Leistungen beider T eile zur gleichen Zeit erfolgen, oder in der Weise, daß die beiden Leistungen zeitlich auseinanderfallen. Im ersten Fall pflegen wir von Bargeschäften zu sprechen, im zweiten Fall von Kreditgeschäften. Ein Kreditgeschäft ist ein Tausch gegenwärtiger gegen künftige Güter. Die Kreditgeschäfte zerfallen in zwei Gruppen, deren Scheidung den Ausgangspunkt für jede Theorie des K-redites und vor al1em auch für jede Untersuchung des Verhältnisses zwischen Geld und Kredit und der Einwirkungen des Kredites auf die Geldpreise der Sachgüter bilden muß. Auf der einen Seite stehen diejenigen Kreditgeschäfte, für die charakteristisch ist, daß sie jenem T eil, dessen Leistung in der Zeit vorausgeht, ein Opfer auferlegen: den Verzicht auf die sofortige Erlangung der VerfügungsgewaIt über das eingetauschte Gut, oder, wenn man diese Fassung vorzieht, den Verzicht der Verfügungsgewalt über das fortgegebene Gut bis zum Erhalt des dagegen eingetauschten. . Diesem Opfer steht ein entsprechender Gewinn des anderen Kontrahenten gegenüber: der Vorteil, die Verfügung über das im Tausch erworbene Gut früher zu erhalten, oder, was dasselbe ist, mit der eigenen Leistung zuwarten zu dürfen. Beide Teile ziehen die Vorteile und Nachteile, die sich aus der Zeitdifferenz; zwischen ihren Erfüllungsleistungen ergeben, bei der Wertkalkulation
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Erstes Kapitel.
in Betracht. In der Austauschrelation des Geschäftsabschlusses kommt auch die Bedeutung des Zeitmomentes für die Wertschätzung der Individuen zum Ausdruck. Die zweite Gruppe von Kreditgeschäften ist dadurch charakterisiert, daß hier dem Gewinn desjenigen, dem früher geleistet wi'I'd, kein Opfer dessen gegenübersteht, der früher leistet. Die Zeitdifferenz zwischen Leistung und Gegenleistung, die das Wesen auch dieser Art von Geschäften ausmacht, beeinflußt mithin bloß das Wertkalkul des einen Teiles, während der andere Kontrahent sie als bedeutungslos ansehen darf. Das erscheint im ersten Augenblick rätselhaft, unerklärlich, und manche ökonomische Theorie ist an dieser Klippe zerschellt; doch fällt die Erläuterung nicht schwer, wenn man die Besonderheit der in dem Verkehrsakt ausgetauschten Güter in Betracht zieht. Bei der ersten Art von Kreditgeschäften werden Geld oder Sachgüter hingegeben, über die zu verfügen Lust, die zu entbehren Unlust erweckt. In den Kreditgeschäften der zweiten Gruppe wird von demjenigen, der Kredit gewährt, auf den Besitz einer Geldsumme zeitweilig Verzicht geleistet; dieser Verzicht legt ihm unter gewissen Voraussetzungen, die hier verwirklicht werden, keine Schmälerung seiner Wohlfahrtsempfindungen auf. Wird dem Gläubiger die Möglichkeit geboten, die Darlehen durch die Ausgabe von jederzeit fäl'ligen Schuldforderungen zu erteilen, dann ist für ihn mit der Kreditgewährung kein wirtschaftliches Opfer verbunden. Er könnte den Kredit in dieser Form, wenn wir von den technischen Kosten absehen, die etwa durch die Notenausgabe und dergleichen erwachsen, unentgeltlich erteilen. Ob er sofort in Geld bezahlt wird oder zunächst nur Forderungen erhält, welche erst später fällig werden, bleibt für ihn gleichgültig 1. Es dürfte sich empfehlen, für die beiden Gruppen von Kreditgeschäften besondere Bezeichnungen zu wählen, um jede Verwirrung der Begriffe zu vermeiden. Wir schlagen für die erste Gruppe die Bezeichnung Sachbedit, für die zweite die Bezeichnung Zirkulationskredit vor. Es ist zuzugeben, daß die Ausdrücke nicht ganz das Wesen des Unterschiedes, den sie kennzeichnen sollen, wiedergeben. Dieser Vorwurf, der mehr oder weniger gegen alle technischen Ausdrücke erhoben werden kann, hat jedoch nicht allzuviel 1 Vgl. Mac I e 0 d, The Elements of Banking, New Impression, London 1904, S. 153.
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zu bedeuten. Es genügt, ihm gegenüber darauf hinzuweisen, daß eine bessere und zutreffendere Bezeichnung für den in 'Rede stehenden Unterschied, der überhaupt nicht die gebührende Berücksichtigung erhalten hat, nicht in Gebrauch steht. Jedenfalls gibt der Ausdruck Zirkulationskredit zu weniger Irrtümern Veranlassung als der mitunter gebrauchte Ausdruck Emissionskredtt, welcher lediglich auf die Verhältnisse der Notenausgabe zugestutzt ist. Übrigens ist auch dieser terminologischen Streitigkeit gegenüber wieder festzustellen, was für alle ähnlichen Meinungsverschiedenheiten gilt: nicht auf die Worte kommt es an, sondern auf das, was unter den Worten !verstanden werden soll. Die Eigentümlichkeiten des Zirkulationskredites sind selbstverständlich der Aufmerksamkeit der Volkswirte nicht entgangen. Wir finden kaum einen Theoretiker, der zu den Grundproblemen des Geldwertes und des Kredites Stellung genommen hätte, ohne dabei auf die Besonderheiten in der Verwendung von Noten und Schecks hingewiesen zu haben. Daß diese Erkenntnis der Eigenart~gkeit gewisser Kreditgeschäfte nicht in der Folge zur Scheidung des Sachkredites und des Zirkulationskredites führte, ist wohl gewissen Zufälligkeiten in der Geschichte unserer Wissenschaft zuzuschreiben. Der Kampf gegen vereinzelte dogmatische und wirtschaftspolitische Irrtümer der Currency-Theorie, der die bank- und kredittheoretischen Untersuchungen des größten Teiles des 19. Jahrhunderts ausfüllt, brachte es mit sich, daß man, alle diejenigen Momente betonte, weIch'e die Wesensgleichheit der Noten und der anderen Mittel bankmäßiger Kreditgewährung darzutun vermochten, und die wichtigen Differenzen, die zwischen den beiden oben gekennzeichneten Gruppen des Kredits bestehen und die zuerst erkannt zu haben em unvergängliches Verdienst der klassischen Schule und ihrer Nachfahren, der Currencytheoretiker, bildet, leicht übersehen konnte. Das eigenartige psychologische Verhalten der Individuen in den Geschäften des Zirkulationskredites hat seinen Grund in dem Umstand, daß die Forderungsrechte des Zirkulationskredites in jeder Beziehung an Stelle des Geldes verwendet werden können. Wer Geld bedarf, um damit zu kaufen oder um es zu verleihen, um Schulden zu tilgen oder um Steuern zu entrichten, ist nicht erst genötigt, die Geldforderungsrechte (Noten oder Kassenführungsguthaben) zu Oeld zu machen; er kann sie auch unmittelbar für die Zahlungen verwenden. für den einzelnen sind sie daher wirklich Geldsurrogate,
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sie leisten Geldesdienst wie das Geld, sie sind ihm ready money, gegenwärtiges, nicht künftiges Geld. Der Kaufmann, der seine Noten und seine Scheidemünzen, aber auch sein Bankguthaben, über das er jederzeit mittels Scheck oder sonstwie verfügen kann, rzu seinen Barmitteln rechnet, ist darum' ebenso im Recht wie der Gesetzgeber, der diese Umlaufsmittel mit gesetzlicher Zahlungskraft für alle auf Geld lautenden Leistungen ausstattet, womit er nur einen Brauch sanktioniert, den der Verkehr geschaffen hat. An dem allen ist noch nichts Besonderes, dem Gelde allein Eigentümliches. Der objektive Tauschwert einer unzweifelhaft sicheren fälligen Forderung, welche die Leistung einer individuell bestimmten Sache oder einer bestimmten Menge vertretbarer Sachen zum Inhalt hat, ist von dem objektiven Tauschwert dieser Sache oder dieser Menge von Sachen nicht im geringsten verschieden. Das für uns Bedeutsame ist vielmehr erst darin gelegen, daß solche Geldforderungen, bei denen weder hinsichtlich der Sicherheit noch auch bezüglich der sofortigen Erfüllbarkeit der mindeste Zweifel obwaltet, eben aus dem Grunde, daß sie im objektiven Tauschwert dem Geldbetrag, auf den sie lauten, gleichkommen, im Verkehr die Stelle des Geldes ganz zu vertreten vermögen. Wer Brot erwerben will, hat seine Absicht zunächst auch durch die Erlangung einer fälligen sicheren Forderung auf die Ausfolgung von Brot erreicht. Wollte er das Brot nur erwerben, um es im Tausch wieder zu, veräußer~ dann kann er diese Forderung weitergeben und ist nicht genötigt, sie erst geltend zu machen. Will' er aber das Brot verzehren, dann bleibt ihm nichts anderes übrig, als es sich durch Einlösung der Forderung zu verschaffen. Mit Ausnahme des Geldes gelangen alle wirtschaftlichen Güter im Tauschverkehr notwendigerweise an ein Individuum, das sie gebrauchen oder verbrauchen wiII; alle Forderungen, welche die Leistung solcher Güter zum Inhalt haben, werden daher früher oder später realisiert werden müssen. Wer die Verpflichtung auf sich nimmt, ein individuell' bezeichnetes Gut oder eine bestimmte Menge von vertretbaren Gütern (mit Ausnahme des Geldes) jederzeit auszufolgen, ist daher gezwungen, damit zu rechnen, daß er, und zwar voraussichtlich in recht kurzer Zeit, zu ihrer Erfüllung verhalten werden wird. Er kann es daher nicht wagen, mehr zu versprechen, als er jederzeit leisten kann. Wer tausend Laib Brot zur sofortigen Verfügung hat, wird nicht mehr als tausend Marken ausgeben dürfen, von denen jede einzelne den Inhaber berechtigt, jederzeit die Aus-
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folgung eines Laibs Brot zu fordern. Anders ist es beim Geld. Da das Geld von jedermann nur begehrt wird, um im Verkehr weitergegeben zu werden, da es nur dann an einen Gebraucher oder Verbraucher gelangt, wenn es aufgehört hat, allgemein gebräuchliches Tauschmittel zu sein, ist es recht wohl möglich, daß an seiner Stelle forderungen, die auf die jederzeitige Ausfolgung eines bestimmten Geldbetrages lauten und bei denen weder hinsichtlich ihrer Einlöslichkeit überhaupt, noch auch hinsichtlich des Umstandes, daß diese auch wirklich sofort auf Verlangen des Bere<:htigten stattfinden werde, Bedenken obwalten, verwendet werden und von Hand zu Hand gehen, ohne daß der Versucht unternommen wird, das ihnen inwohnende Recht dem Verpflichteten gegenüber geltend zu machen. Der Verpflichtete kann erwarten, daß diese Forderungsrechte, solange ihre Inhaber nicht das Vertrauen in die prompte Einlösung verlieren oder sie an Personen begeben wollen, denen dieses Vertrauen mangelt, im Verkehr verbleiben werden. Er ist daher in der Lage, größere Verpflichtungen zu übernehmen, als er in jedem Augenblick zu erfüllen vermag; es genügt, wenn er Vorsorge trifft, jenen Teil der Forderungen prompt befriedigen zu können, der ihm gegenüber gerade geltend gemacht wird. Nicht das ist dem Gelde allein eigentümlich, daß fällige sichere Oeldforderungen im Verkehr geradeso hoch geschätzt werden wie die Geldbeträge, auf die sie lauten, vielmehr das, daß solche Forderungen als vollkommene Surrogate des Geldes allen Dienst des Geldes in jenen Marktgebieten, in denen ihre wesentlichen Eigenschaften: fälligkeit und Sicherheit, erkannt sind, ohne vorherige Realisierung versehen können. Auf diesem Umstand erst beruht die Möglichkeit, mehr derartige Surrogate auszugeben, als der Emittent jederzeit einzulösen in der Lage ist. Neben das Geldzertifikat tritt das Umlaufsmittel. Das Umlaufsmittel vermehrt den Geldvorrat im weiteren Sinne des Wortes; damit aber ist es imstande, die Bewegung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes zu beeinflussen. Der Untersuchung dieser Einwirkungen sind die folgenden Kapitel gewidmet.
§ 4. Die Umlaufsmittel sind auf dem Boden des Depositenwesens entstanden; Depositen sind die Grundlage gewesen für die Ausgabe \"on Noten und die Eröffnung von Guthaben, über die mit Scheck verfügt werden kann. Unabhiingig hiervon hat sich dann die Aus-
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bildung der kleineren, dann auch der mittleren Münzen zu Umlaufsmitteln vollzogen. Man pflegt die Annahme von Depositen, über die mittels Noten oder Schecks jederzeit verfügt werden kann, :zu den Kreditgeschäften zu rechnen, und juristisch ist diese Auffassung gewiß gerechtfertigt. Wirtschaftlich liegt aber hier kein Kreditgeschäft vor. Wenn wir nationalökonomisch unter Kredit den Tausch eines gegenwärtigen Gutes oder einer gegenwärtigen Leistung gegen ein künftiges Gut oder eine künftige Leistung verstehen, dann ist es wohl nicht möglich, das fragUche Geschäft unter den Begriff des Kredites einzureihen. Der Hinterleger von Geldbeträgen, der im Austausch für die hinterlegte Summe eine jederzeit fällige Geldforderung erwirbt, die ihm ganz die gleichen Dienste leistet wie jene Summe, hat kein Gegenwartsgut gegen ein Zukunfts gut ausgetauscht. Auch die forderung, die er durch die Deponierung erworben hat, stellt für ihn ein Gegenwartsgut dar. Die Hinterlegung des Geldes bedeutet für ihn keineswegs. den Verzicht auf die unmittelbare augenblic'kliche Verfügung über seine Nutzwirkung. Darum schätzt er auch die forderung, welche er im Austausch für die Geldsumme erhält, nicht anders ab, ob er sie früher, später oder überhaupt niemals einzieht, und nur darum kann er, ohne seine wirtschaftlichen Interessen zu schädigen, derartige forderungen gegen die Hingabe von Geld erwerben, ohne eine Vergütung für eine aus einer - eben nicht vorhandenen - Zeitdifferenz zwischen Leistung und Gegenleistung herrührende Wertungleichheit zu fordern. Daß dies immer wieder übersehen werden konnte, ist vor allem jener lange Zeit hindurch weitverbreiteten Anschauung zuzuschreiben, welche das Wesen des Kredites im Vertrauen, das der Kreditgeber gewährt und der Kreditnehmer genießt, erblicken wollte. Daß jemand einer Bank Gelder übergibt und dafür ihr gegenüber einen jederzeit fälligen Rückforderungsanspruch erwirbt, zeigt freilich, daß er Vertrauen in ihre jederzeitige Zahlungsbereitschaft besitzt. Ein Kreditgeschäft liegt hier aber nicht vor, da das wesentliche Moment, der Tausch gegenwärtiger gegen künftige Güter, fehlt. Aber auch der Umstand hat zur Entstehung der bezeichneten irrtümlichen Meinung mitgewirkt, daß das Geschäft der Banken, Geld gegen jederzeit fällige Geldforderungen zu vertauschen, die an Stelle der Übertragung des Geldes zediert werden können, im innigsten Zusammenhang mit jenem eigentümlichen Kreditges'chäft der Banken steht, welches den Geldumlauf auf das tiefste beeinflußt und das ganze Geldwesen der Gegenwart um-
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gestaltet hat, nämlich mirt: der Gewährung von Zirkulationskredit. Allein dieses eine Geschäft der Banken, die Ausgabe von nicht durch Geld gedeckten Noten und die Eröffnung von nicht durch' Geld gedeckten Kassenführungsguthaben, soll uns beschäftigen. Denn nur dieses Geschäft ist für das Geld und den Geldwert von Bedeutung, wogegen alle anderen Kreditgeschäfte keinen Einfluß auf den Geldumlauf äußern. Wenn alle anderen Kreditgeschäfte auch vereinzelt vorkommen können und sowohl aktiv als auch passiv etwa auch von Personen ~urchgeführt werden können, welche sich nicht regelmäßig damit befassen, ist jenes Geschäft der Kreditgewährung durch Ausgabe von Umlaufsmitteln nur innerhalb eines Unternehmens möglich, welches sich gewerbemäßig mit Kreditgeschäften befaßt. Es müssen in einem bestimmten, nicht allzu geringen Umfang Depositen entgegengenommen und Darlehen erteilt werden, damit die Voraussetzungen für dieses Geschäft gegeben seien. Noten können nur dann zirkulieren, wenn ihr Aussteller dne bekannte und vertrauenswürdige Persönlichkeit ist. Die Oiroübertragung vollends setzt entweder einen großen Kreis von Kunden dner und derselben Bankunternehmung oder eine solche Verbindung mehrerer Bankunternehmungen voraus, daß die Gesamtzahl der am Giroverkehr teilnehmenden Personen groß ist. Die Schaffung von Kreditumlaufsmitteln ist daher lediglich' Bankiers und Banken möglkh; aber sie ist nicht das einzige Geschäft, das von Bankiers und Banken betrieben werden kann. Ein Geschäft der Banken muß besonders erwähnt werden, weil es, obgleich es auch mit jenem Kreis von Bankgeschäften, die wir zu besprechen haben, nahe verwandt ist, für den Geldumlauf bedeutungslos ist. Es sind dies jene Depositengeschäfte, welche der Bank nicht als GrundlagCi für die Ausgabe von Umlaufsmitteln dienen. Die Tätigkeit, welche die Bank hier entfaltet, ist lediglich eine vermittelnde, und auf sie trHft die englische Definition des Bankiers als eines Mannes, der fremde Gelder verleiht, vollkommen zu. Die Geldbeträge, welche der Bank in diesem Geschäft von ihren Kunden übergeben werden, sind nicht Teile ihres Kassenvorrates, sondern Anlage von für die Kassenführung entbehrlichen Geldern. Im allgemeinen sind die beiden Gruppen von Depositen schon an ihrer banktechnischen form zu erkennen. Die Kassenführungsguthaben sind jederzeit, das heißt ohne vorherige Kündigung fämg, für sie v. Mis es, Theorie des Geldes. 2. Aufl.
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werden vielfach überhaupt keine Zinsen gewährt; wenn aber Zinsen gewährt werden, dann sind diese niedriger als die für die Anlagedepositen gewährten. Demgegenüber sind die Anlagedepositen stets verzinslich und gewöhnlich nur nach vorausgegangener Kündigung fällig. Im Laufe der Zeit sind die banktechnischen Unterschiede zwischen den beiden Arten von Depositen stark verwischt worden. Die Entwicklung des Spardepositenwesens hat es den Banken ermcglicht, die Verpflichtung auf sich zu nehmen, kleinere Spareinlagenbeträge ohne Kündigung jederzeit auszufolgen. Je größer die Summen sind, welche den Banken im Anlagedepositengeschäft zugeführt werden, desto größer wird nach dem Gesetz der großen Zahlen die Wahrscheinlichkeit, daß die an einem Tag zur Einzahlung gelangenden Beträge jenen die Wage halten werden, deren Rückzahlung begehrt wird, mit desto geringerer Kassenreserve kann die Bank die Möglichkeit, jenes Versprechen einhalten zu können, sicherstellen. Die Haltung dieser Reserve fällt ihr um so leichter, als sie mit der Reserve des Kassenführungsgeschäftes vereinigt wird. Kleinere Geschäftsleute oder minder reiche Private, deren Geldgebarung für die Übertragung an eine Bank zu unbedeutend ist, machen sich nun diesen Umstand' in der Weise zunutze" daß sie einen Teil ihrer Kassenbestände den Banken in der Form einer Spareinlage anvertrauen. Andererseits hat der Umstand, daß die Konkurrenz der Banken allmählich die Zinsen für Kassenführungsguthaben gesteigert hat, dazu geführt, daß zeitweilig Geldbeträge, welche für die Kassenführung überflüssig sind und daher Anlagezwecken zugeführt werden könnten, auf Kassenführungskonto belassen werden. Dies alles kann am Wesen der Sache nichts ändern; nicht die banktechnischen Äußerlichkeiten, sondern der wirtschaftliche Charakter des Geschäfts bleibt für die Beurteilung seiner Bedeutung maßgebend. Vom Standpunkt der Banken besteht zwischen den beiden Arten von Depositengeschäften ein Zusammenhang, der durch die Möglichkeit gegeben ist, die Reserve für beide Geschäftszweige zU vereinigen, die dann kleiner gehalten werden kann, als die beiden Reserven bei voller Selbständigkeit wären. Das ist vom banktechnischen Standpunkt überaus wichtig und erklärt zum Teil die Überlegenheit der Depositenbanken, wekhe beide Zweige betreiben, über die Sparkassen, die nur Spardepositen entgegennehmen; der Konkurrenzkampf treibt daher dioe Sparkassen dazu, ihre Tätigkeit auch auf die
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Kassenführung auszudehnen. Für die Organisation des Bankwesens ist dieser Umstand von Bedeutung; für die theoretische Untersuchung der Probleme ist er belanglos. Das Wesen jenes Bankgeschäftszweiges, der für den Geldumlauf allein in Betracht kommt, ist das: Die Banken, welche die Kassenführung für ihre Kunden besorgen, sind aus den erwähnten Gründen in der Lage, einen Teil der deponierten Geldbeträge aus2'1Uleihen. Es ist gleichgültig, in welcher Form sie di.es tun, ob sie faktisch einen Teil der deponierten Gelder ausleihen oder ob sie an die Kreditsuchenden Noten ausgeben oder ihnen Kassenführungsguthaben eröffnen. Wichtig ist hier allein der Umstand, daß Darlehen erteilt werden aus einem Fonds, der vor der Darlehensgewährung nicht bestand. Wo immer wir auch sonst Darlehen gewährt sehen, werden diese aus bestehenden und verfügbaren Vermögensmassen erteilt. Eine Bank, die weder das! Recht zur Notenausgabe besitzt noch auch das Geschäft der Kassenführung für ihre Kunden betreibt, kann nie mehr Geld ausleihen, als ihre eigenen Mittel und die von ihr aufgenommenen fremden Mittel zusammen betragen. Anders jene Banken, die Noten ausgeben oder Guthaben, über die jederzeit verfügt werden darf, eröffnen. Ihnen. steht ein Fonds zur Darlehensgewährung über ihre eigenen und die ihnen zur Verfügung stehenden fremden Mittel hinaus zu.
§ S. Nach der herrschenden Auffassung tritt eine Bank, welche Darlehen in ihren ei:genen NotellJ gewährt, als Vermittlerin des Kredits zwischen den Darlehensnehmer und diejenigen, in deren Hände die Noten jeweils gelangen. Die Bankkredite werden mithin nicht von der Bank erteilt, sondern in letzter Linie von den Noteninhabern. Das Dazwischentreten der Bank habe nur den Zweck, an Stelle eines unbekannten und vielleicht weniger vertrauenswürdigen Schuldners ihre allbekannte und über allen Zweifel erhabene Vertrauenswürdigkeit treten zu lassen und so dem Darlehensnehmer die Aufnahme eines Darlehens beim "Publikum" zu erleichtern. Werden von der Bank zum Beispiel Wechsel diskontiert und die Eskomptevaluta in Noten ausbezahlt, so treten diese in den Umlauf nur an Stelle der Wechsel, die sonst eben unmittelbar von Hand zu Hand an Zahlungsstatt gegeben würden. Man glaubt dies auch historisch durch den Hinweis auf die Tatsache begründen zu können, daß vor Ausbildung des Notenbankwesens besonders in England Wechsel in großer 18*
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Menge umliefen, daß zum Beispiel in Lancashire bis zur Eröffnung einer Filiale der Bank von England in Manchester neun Zehntel der Umsätze durch Wechsel und nur ein Zehntel durch Geld oder Banknoten vermittelt wurde 1. Diese Auffassung entspricht nun keineswegs dem Wesen der Sache. Wer Noten nimmt und besitzt, gewäh~t keinen Kredit, tauscht kein Gegenwartsgut gegen ein Zukunftsgut ein. Die jederzeit einlösHche Note einer solventen Bank ist als Umlaufsmittel im Verkehr überaIl an SteIle des Geldes verwendbar, und niemand macht daher einen Unterschied, ob er in seiner Kasse Geld oder Noten liegen hat. Die Note ist geradeso ein gegenwärtiges Gut wie etwa das Geld. Noten können von der Bank in doppelter Weise ausgegeben werden. Einmal im Umtausch gegen Geld. Buchmäßig handelt es sich für die Bank hier um ein Aktiv- und ein Passivgeschäft; faktisch ist das Geschäft jedoch irrelevant, da der neuen Belastung ein vollkommen entsprechendes Aktivum gegenübersteht. Gewinn kann die Bank aus dIesem Geschäft nicht erzielen. Im Gegenteil: es ist verlustbringend, da den Auslagen für die Herstellung der ~oten und die Aufbewahrung der Geldvorräte keine Erträgnisse gegenüberstehen. Die Ausgabe vollgedeck:ter Noten kann daher nur in Verbindung mit der Ausgabe von Umlaufsmitteln betrieben werden. Das ist die zweite Möglichkeit, daß die Noten von der Bank als Darlehen an Kreditsuchende ausgegeben werden. Auch hier li·egt, buchmäßig betrachtet, ein Passiv- und ein Aktivgeschäft vor; wirtschaftlich ist lediglich ein Aktivgeschäft vorhanden 2. Aus der Bilanz' einer Bank geht dies freilich nicht hervor; da stehen: auf der Aktivseite die gewährten Darlehen und der Kassenbestand, auf der Passivseite die Noten verzeichnet. Näher kommt man schon der Erkenntnis des eigentlichen Wesens des ganzen Vorganges, wenn man die Gewinn- und Verlustrechnung ins Auge faßt. Da steht ein Gewinn verzeichnet, dessen Herkunft zu denken gibt: Gewinn aus dem Darlehensgeschäft. Ein Teil dieses Gewinnes stammt, wenn die Bank auch die Verleihung fremder Gelder vornimmt, aus der Differenz zwischen dem Zinsfuß ihrer Aktiv- und jenem ihrer Passivgeschäfte. Der andere Teil meßt aus der Gewährung von Zirkulationskredit. Diesen Gewinn macht die Bank, nicht der Noteninhaber; sie kann ihn daher zur Gänze zu1 Vgl. fullarton, a. a. 0., S. 39; Mill, a. a. 0., S. 314; Jaffe, a. a. 0., S. 175. 2 Vgl. Jaffe, a. a. 0., S. 153.
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rückbehalten ; mitunter teilt sie ihn - seltener bei der Notenausgabe, öfter bei der Führung von Kassenführungsguthaben - mit dem Inhaber der Noten oder des Kontos. In jedem Fall aber finden wir hier einen spezifischen Gewinn vor 1. Stellen wir uns ein Land vor, dessen Geldumlauf aus hundert Millionen Dukaten besteht. In d~esem Lande werde eine Notenbank errichtet. Der Einfachheit halber wollen wir annehmen, daß ihr eigenes Kapital als Reserve außerhalb des Betriebes ihres Bankgeschäftes angelegt ist und' daß sie die Zinsen dieses Kapi,tals alljährlich dem Staate als Entgelt für die Gewährung des Notenemissionsrechtes überlassen muß, eine Annahme, die den tatsächlichen Zuständen einiger Notenbanken nahekommt. Nun werden von der Bank im Austausch gegen 50 Millionen Dukaten, die bei ihr eingezahlt werden, ebenso viele Noten, die jede auf einen Dukaten lautet, ausgegeben. Die Bank aber läßt nicht die ganze Summe von 50 MiIIionen in ihren Kassen liegen; 40 Millionen leiht sie an ausländische Geschäftsleute verzinslich aus. Die Zinsen dieser Darlehen bHden ihren Bruttogewinn, der sich lediglich um die Kosten der Notenfabrikation~ der Verwaltung und dergleichen mehr vermindert. Kann man hier wohl davon sprechen, daß die Noteninhaber den auswärtigen Schuldnern der Bank oder ihr selbst Kredit gewährt haben? Jetzt verändern wir unser Beispiel unwesentlich. Die Bank leihe jene 40 Millionen Dukaten nicht an Ausländer, sondern an Inländer. Da sei der A, der dem B eine Zahlung zu leisten schuldig dst, etwa den Preis für gekaufte Waren. A hat kein Geld zur Verfügung, sei aber bereit, dem B eine in drei Monaten fällige Forderung zu zedieren, die ihm selbst gegen den P zusteht. . Kann B darauf eingehen? Doch nur dann, wenn er selbst die Geldsumme, die er heute bereits fordern darf, erst in' drei Monaten benötigt, oder wenn er Aussicht hat, jemand zu finden, der eine entsprechende Geldsumme für drei Monate entbehren kann und daher bereit ist, die Forderung an den P sogleich zu erwerben. Auch der Fall kann eintreten, daß B heute Waren von C kaufen will, dieser aber mit einer Hinausschiebung der Zahlung um drei Monate einverstanden ist. Trifft dies aber zu, ist C wirklich mit diesem Aufschub der Zahlung einverstanden, dann kann er dies nur aus einern jener drei Gründe sein, die auch den B veranlassen können, sich an Stelle der sofortigen Bezah1 Das ist der nÜbergewinn" der Bankgeschäfte, von dem Hermann (a. a. 0., S. 500 f.) spricht.
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lung mit einer erst nach Ablauf von drei Monaten fälligen zu begnügen. In allen diesen Fällen handelt es sich ja um echte Kreditgeschäfte, um den TauS<:h von gegenwärtigen gegen künftige Güter. Die Zahl und der Umfang dieser Geschäfte ist aber von der Menge der zur Verfügung stehenden Gegenwartsgüter abhängig; die Gesamtsumme der möglichen Darlehenssummen ist durch die Summe der für diesen Zweck zur Verfügung stehenden Geld- und sonstigen Gütermengen begrenzt. Darlehen kann nur der gewähren, der über Geld oder über andere wirtschaftliche Güter verfügt, die er eine Zeitlang entbehren kann. Nun tritt die Bank auf den Plan und bietet 40 Millionen Du'katen auf dem DarIehensmarkte aus. Der für Darlehenszwecke verfügbare Fonds wird um eben diesen Betrag vermehrt; welchen Einfluß dies auf Zinshöhe zunächst äußern muß, braucht wohl nicht näher ausgeführt zu werden. Ist es da wohl richtig zu sagen, daß unsere Bank, wenn sie We{:hsel eskomptiert, nichts anderes tue, als an Stelle des unbequemen Wechselumlaufes den bequemen Notenumlauf setzen? 1 Ist denn die Banknote wirklich nichts anderes als eine handlichere Form des Wechsels? Keineswegs. Die Note, die das Verspre{:hen einer solventen Bank enthält, dem Überbringer auf Verlangen jederzeit, also auch sogleich, einen bestimmten Betrag auszuzahlen, ist von dem We{:hsel, der das Versprechen enthält, eine Geldsumme nach Ablauf einer Frist zu bezahlen, in ei.nem witchtigen Punkte verschieden. Nur der Sichtwe{:hsel, der im Kreditwesen bekanntlich keine Rolle spielt, ist der Note vergleichbar, nicht aber auch der Zeitwechsel, dessen Gestalt der im Kreditverkehr übliche Wechsel regelmäßig trägt. Wer den Preis einer gekauften Ware durch Geld, durch Noten oder durch Übertragung einer anderen jederzeit fälligen Forderung entrichtet, hat ein Bargeschäft durchgeführt; wer den Kaufpreis durch Akzeptierung eines Dreimonatswe{:hsels entrichtet, hat ein Kreditgeschäft abgeschlossen 2. Der größeren Deutlichkeit halber wollen wir an unserem Beispiel noch eine unwesentliche Variante anbringen, die den Sachverhalt vielleicht für manchen klarer erscheinen lassen wird. Die Bank habe zunächst 50 Millionen Noten ausgegeben und dafür 50 Millionen Dukaten in effektivem Gelde eingenommen; dann aber gebe sie weitere Wie dies z. B. selbst Wie k seil (a. a. 0 .• S. 57) tut. Vgl. Torr e n s. The Principles and Practical Operation of Sir Robert Peels Act of 1844 Explained and Defended, Second Edition, London 1857, S.16ff. 1
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40 Millionen Dukaten in ihren Noten auf dem Darlehensmarkt aus. Dieser fall ist in jeder Beziehung mit den beiden oben besprochenen identisch. Die Tätigkeit der Notenausgabe darf keineswegs dahin charakterisiert werden, daß durch sie der Kredit stärker in Anspruch genommen werde, gerade so wie etwa durch Vergrößerung des Wechselumlaufes. Ganz im Gegenteil. Die Notenbank nimmt nicht Kredit in Anspruch, sie gewährt Kredit. Wenn eine zusätzliche Menge von Wechseln auf den Diskontmarkt kommt, so vergrößert dies die Nachfrage, treibt daher den Zinsfuß in die Höhe. Die umgekehrten Wirkungen treten zunächst ein, wenn eine zusätzliche Menge von Noten auf den Darlehensmarkt gebracht wird; diese billden eine Vermehrung des Angebotes und haben daher die Tenden7!, den Zinsfuß vorerst zu ermäßigen 1. Es ist eine der merkwürdigsten Erscheinungen in der Geschichte der Nationalökonomie, daß dieser Wesensunterschied zwischen Noten und Wechseln unbeachtet bleiben konnte. Der dogmenhistorischen forschung ist hier ein wichtiges Problem gestellt. Es wird vor allem ihre Aufgabe sein, zu zeigen, wie die Ansätze zur Erkenntnis des richtigen Sachverhaltes, die schon in den Schriften der Klassil<er enthalten sind und von der Currencytheorie weiter ausgebaut wurden, durch die Arbeit der Epigonen vernichtet, nicht fortgebildet wurden 2.
§ 6. Aus dem Gesagten erhellt zur Genüge, wie wenig di,e herkömmliche Betrachtungsweise den Eigentümlichkeiten der UmIaufsmittel gerecht wird. Man versperrt sich den Weg zu einer zutreffenden Auffassung ihres Wesens, wenn man Noten und Kassenführungsguthaben, gleichviel ob sie durch Geld gedeckt sind oder nicht, als einheitliche Erscheinung ansieht. Man verkennt die Bedeutung der Kreditgeschäfte, wenn man den Inhaber der Noten oder des Kassenführungskontos als Kreditgeber ansieht. Man verzichtet auf Ebendort S. 18. Auch nach dem Erscheinen der ersten Auflage dieses Buches sind noch zahlreiche Arbeiten veröffentlicht worden, die das Problem des Zirkulationskredites nicht erkennen. Von den Arbeiten, die das Wesen dieses Problems erlaBt haben, sind zu nennen: Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, Leipzig 1912, S. 219ft; Schlesinger, Theorie der Oeld- und Kreditwirtschaft, München und Leipzig 1914, S. 133 ff.; Ha h n, Volkswirtschaftliche Theorie des Bankkredits, Tübingen 1920, S. 52 H. 1
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jedes Eindringen in den Kern der Dinge, wenn man den Wechse! schlechtweg - also nicht nur den reinen Sichtwechsel - als "Umlaufsmittel" der Note gleichsetzt. Andererseits ist es durchaus verfehlt, zu behaupten, daß das Wesen des Tauschaktes durch den Gebrauch der Umlaufsmittel verändert werde. Nicht nur der Tauschakt, der durch Zession von durch Geld gedeckten Noten oder Kassenführungsguthaben, sondern auch jener, der durch die Verwendung von Umlaufsmitteln durchgeführt wird, ist ein dUrch Geld vermittelter indirekter Tausch. Mag es auch juristisch von Bedeutung sein, ob die Zahlung der auf Grund eines Tauschaktes geschuldeten Geldsumme durch physische Übergabe von Geldstücken oder durch Zession einer auf die sofortige Ausfolgung von Geldstücken lautenden forderung, eines Geldsurrogates, erfolgt, für das Wesen des Tauschaktes ist dies irrelevant. Es wäre unrichtig, etwa zu behaupten, daß bei Zahlung durch Schecks der Sache nach Waren gegen Waren eingetauscht würden, aber mit völUger Überwindung der rohen Schwerfälligkeit des primitiven Naturaltausches 1. Zwischen Ware und Ware steht hier geradeso wie bei jedem anderen durch Geld vermittelten indirekten Tausche und eben im Gegensatz zum direkten Tausche das Geld als Mittelsgut. Das Geld aber ist ein wirtschaftliches Gut mit selbständiger Wertbewegung; wer Geld oder Geldsurrogate erworben hat, wird von allen Veränderungen seines objektiven Tauschwertes betroffen. Das ist bei der Zahlung durch Noten oder Schecks geradeso der fall wie bei der durch physische Übergabe von Geldstücken. Darauf allein aber kommt es an und nicht auf den nebensächlichen Umstand, ob beim ganzen Handel Geld auch physisch "ins Rollen" kommt. Wer Waren verkauft und durch Überhändigung eines Schecks bezahlt wird, dann den Scheck selbst oder das durch diesen ihm zur Verfügung gestellte Guthaben sofort zur Bezahlung von Waren, die er in einem zweiten Kaufakt erstanden hat, benützt, hat keineswegs Waren unmittelbar gegen Waren getauscht; er hat zwei selbständige Tauschakte vorgenommen, die in keinem innigeren Zusammenhange stehen als zwei Kaufgeschäfte in jedem anderen falle. I So Lexis, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, Berlin 1910 (Hinneberg, Die Kultur der Gegenwart, TeilII, Bd.X, 1.), S. 122; Lexis, Geld und Preise (RieBer-Festgabe, Berlin 1913) S. 83 f.; ähnlich in Beziehung auf den Abrechnungsverkehr Sc h um ach er, Weltwirtschaftliche Studien, Leipzig 1911 > S. 53 f. und die dort Zitierten.
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Man mag eine andere Terminologie als die vorgeschlagene zweckmäßiger finden. Das soll ohne weiteres zugegeben werden. Aber eine Anerkennung nehmen wir für die von uns gewählte in Anspruch: daß s.ie für die Erkenntnis des Wesens der zu erklärenden Erscheinungen geeigneter ist als die bisher gebräuchlichen. Denn wenn die ungenaue und lediglich äußerliche Merkmale berücksichtigende Terminologie nicht gerade die Hauptursache der vielfach unbefriedigenden Ergebnisse der ban'ktheoretischen Forschung war, so ist ihr doch ein gutes Stück ihrer Mißerfolge zur Last IZU schreiben. Daß die nationalökonomische Theorie die juristischen und banktechnischen Momente in den Hintergrund treten läßt und ihre Grenzlinien anders zieht als Rechtslehre oder Handelskunde, ist wohl selbstverständlich. Der Hinweis auf Verstöße gegen die rechtliche oder handelstechnische Struktur der einzelnen Vorgänge könnte daher gegen unsere Theorie ebensowenig ins Treffen geführt werden, wie etwa umgekehrt juristische Streitfragen nach wirtschaftstheoretischen Erwägungen zu entscheiden sind.
Zweites Kapitel.
Die Entwicklung der Umlaufsmittel. § 1. Das Umlaufsmittel ist sohin charakterisiert als eine nicht durch Gelddepots gedec:k:te, jederzeit fällige forderung auf Auszahlung eines bestimmten Geldbetrages, die vermöge ihrer rechtlichen und technischen Ausstattung geeignet ist, an SteIle des Geldes in ErfülIung von auf Geld lautenden Zahlungsverpflichtungen gegeben und genommen zu werden. Daß es dabei nicht so sehr auf den toten Buchstaben des Gesetzes als auf die lebendige Praxis des Lebens ankommt, so daß auch solche Dinge, welche juristisch nicht als Geldversprechen anzusehen sind, faktisch jedoch als solche von irgendeiner SteIle honoriert werden, als Umlaufsmittel fungLeren, wurde bereits erwähnt; es konnte gezeigt werden, daß auch die moderne ScheLdemünze und solche Gebilde, wie etwa die deutschen Taler in der Zeit nach der Durchführung der Goldwährung bis zu ihrer Einziehung, soweit sie nicht Geldzertifikate sind, Umlaufsmittel und nicht Geld darsteIlen. Die Ausgabe von Umlaufsmitteln erfolgt in doppelter Weise: bankmäßig oder nicht bankmäßig. Das Kennzeichen der bankmäßigen Ausgabe ist das, daß die ausgegebenen Umlaufsmittel als Schuldverpflichtungen der emittierenden Stelle behandelt werden. Sie werden als Verpflichtungen gebucht, und die emittierende Stelle betrachtet den ausgegebenen Betrag nicht als Einkommens- oder Vermögensvermehrung, sondern als Vergrößerung ihrer Schuldverpflichtungen, der eine entsprechende Vergrößerung der Aktiva gegenübertreten muß, solI nicht die ganze Transaktion als verlustbringend erscheinen. Aus dieser Behandlung ergibt sich für den Emittenten die Notwendigkeit, die Umlaufsmittel als Bestandteil seines Erwerbskapitals zu betrachten und ihren Erlös niemals konsumtiv, sondern stets werbend anzulegen. Diese Anlagen müssen nicht gerade Darlehen sein; der Emittent kann mit dem Betriebsfonds, den ihm die Ausgabe von Umlaufsmitteln in die Hand gibt, auch selbst eine produktive Unternehmung betrerben. Es ist bekannt, daß manche
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Bank, die für ihre Kunden' die Kassenführung besorgt, mitunter nicht durch Geld gedeckte Kassenführungsguthaben nicht nur als Darlehen eröffnet, sondern solche unmittelbar auch zur Beschaffung von Produktivmitteln für eigene Produktion verwendet. Mehr als eine der modernen Kredit- und Handelsbanken hat auf diese Weise einen Teil ihrer Mittel festgelegt, und die Frage, wie sich die Inhaber der Geldsurrogate und die staatliche Gesetzgebung, die sich berufen fühlt, jene zu schützen, demgegenüber verhalten sollen, ist noch offen. Auch bei Notenbanken kam früher Ähnliches vor l , bis die Bankpraxis oder die Gesetzgebung Darlehen mit kurzer Verfallsfrist als "Deckung" vorschrieb. Der Emittent, der Umlaufsmittel in Verkehr setzt, kann aber auch den Wert eines jeden einzelnen ausgegebenen Umlaufsmittefs als Vermögens- oder Einkommenszuwachs ansehen. Er unterläßt es dann, für die Bedeckung der ihm durch die Ausgabe erwachsenen Verpflichtungen durch Ausscheidung eines besonderen Aktivfonds aus seinem Vermögen Sorge zu tragen. Den Emissionsgewinn, der, wenn es sich um Scheidemünzen handelt, Münzgewinn genannt wird, streicht er ruhig wie jede andere Einnahme ein. Zwischen den beiden Arten der Inverkehrsetzung von Umlaufsmitteln besteht somit lediglich insofern ein Unterschied, als das Verhalten des Emittenten in Frage kommt. Von irgendwelcher Bedeutung für die Wertgestaltung der Umlaufsmittel kann dies natürlich nicht sein. Die Verschiedenheit der Emissionsmethoden ist auf historische Ursachen zurückzuführen. Die Umlaufsmittel sind aus zwei verschiedenen Wurzeln entsprungen: aus, der Tätigkeit der Depositen- und Girobanken einerseits und aus dem staatlichen Münzregal anderseits. Aus jener kommen die Noten- und Kassenführungsguthaben her, aus diesem die einlös lichen Staatsnoten, die Scheidemünzen und jenes Kurantgeld gesperrter Prägung, welches weder als Kredit- noch als Zeichengeld angesehen werden kann, weil es faktisch jederzeit mit dem vollen Betrage in Geld eingelöst wird. Heute verwischen sich die Unterschiede zwischen den beiden Emissionsarten allmählich, je mehr auch der Staat als Emittent von Umlaufsmitteln seine Gestion der bankmäßigen anzunähern sucht. Eine Reihe von Staaten pflegt bereits den Münzgewinn besonderen 1 Vgl. Latz, Geschichte und Kritik des deutschen Bankgesetzes, a. a. 0., S.72f.
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Zwecken zuzuführen und keineswegs als Vermögens zuwachs zu behandeln 1. Von den beiden Typen der von Banken ausgegebenen Geldsurrogate ist das Kassenführungsguthaben das ältere. Aus ihm erst hat sich die Banknote entwickelt. Die Banknote ist zwar juristisch und banktechnisch, aber keineswegs auch wirtschaftlich von dem Kassenführungsguthaben verschieden; was sie auszeichnet, sind lediglich bank- und handelstechnische und rechtliche Besonderheiten, welche sie für den Verkehr besonders geeignet, besonders zirkulationsfähig machen. Die Banknote ist leicht übertragbar und in der Form ihrer Übertragung dem Geld am meisten ähnlich. Darum konnte die Banknote das ältere bankmäßige Geldsurrogat, das Kassenführungsguthaben, überflügeln und in den Verkehr mit außerordentlicher Vehemenz eindringen. Für mittlere und kleinere Zahlungen bietet sie so große Vorteile, daß sich das Kassenführungsguthaben neben ihr nur schwer zu behaupten vermochte. Erst in der zweiten Hälfte des 19. .Jahrhunderts tritt neben der Banknote das Kassenführungsguthaben wieder mehr in den Vordergrund. Im Großverkehr sind Scheck- und Girozahlung technisch den Noten vielfach überlegen. Der vorzüglichste Grund für die teilweise Verdrängung der Banknote durch das Kassenführungsguthaben ist aber keineswegs in einem inneren Bedürfnisse des Verkehrs zu suchen. Das Kassenführungsguthaben i'st nicht, wie mitunter ohne jede Begründung und Beweisführung behauptet zu werden pflegt, eine "höhere" Form des Geldsurrogates als die Banknote. Die Banknote ist in manchen Ländern durch das Kassenführungsguthaben verdrängt worden, weil man sie in ihrer Entwicklung künstlich gehemmt, das Kassenführungsguthaben künstlich gefördert hat, da man, von den Lehren der Currencytheorie ausgehend, allein in der ÜberEmission von Noten, nicht aber auch in der allzu starken Vermehrung der Kassenführungsguthaben eine Gefahr für die Stabilität des zwischen dem Geld und den übrigen wirtschaftlichen Gütern bestehenden AustauschverhältniS'ses erblickte. Für die nationalökonomische Betrachtung des Systems der Umlaufsmittel tritt der Gegensatz zwischen Note und Kassenführungsguthaben in den Hintergrund. Es gibt Zahlungen, für welche die 1 Vgl. z. B. über den durch Art. 8 des Münzgesetzes vom 31. Januar 1860 errichteten schweizerischen Münzreservefonds Altherr, Eine Betrachtung über neue Wege der schweizerischen Münzpolitik, Bem 1908; S. 61 ff.
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eine Form die geeignetere ist, und Zahlungen, für welche sich heide Formen eignen. Hätte man der Entwicl
§ 2. Die Unklarheit über das Wesen der Umlaufsmittel, welche das Hauptmerkmal der Schriften der Banking-Theoretiker und ihrer Epigonen, der modernen Bearbeiter banktheoretischer Probleme, bildet, führt zu einer fortwährenden Verwechslung der Geldsurrogate und einer Reihe von' Einrichtungen zur Verminderung des Geldbedarfes im engeren Sinne und weiter dazu, daß innerhalb der Geldsurrogate wieder nicht genügend Rücksicht auf die Unterschiede genommen wird, die zwischen Geldzertifikaten und Umlaufsmitteln bestehen. Der wirtschaftliche Erfolg eines durch eine bestimmte Menge eines fungiblen Gutes vermittelten Tauschaktes kann, wenn Geschäfte mehrerer Personen zur gleichen Zeit zu erfüllen sind, auch mitunter auf Umwegen erreicht werden, die sich zwar, formal betrachtet, als rechtlich verwickeltere Gebilde darstellen, die technische Durchführung des Aktes jedoch wesentlich vereinfachen und die physische Anwesenheit von Stücken des Tauschmittels im konkreten Falle entbehrlich machen. Wenn A ein Stück Tuch an B geben und von diesem dafür ein Schaf erhalten soU, und wenn A zur gleichen Zeit dem C ein Schaf geben und von ihm ein Pferd erhalten soll, so können diese bei den Tauschakte auch in der Weise durchgeführt werden, daß B im Auftrag und für Rechnung des A dem C ein Schaf übergibt, womit er sich selbst von der ihm obliegenden Verpflichtung, dem A für das empfangene Stück Tuch ein Schaf zu geben, und den A von der diesem obliegenden Verpflichtung, dem C für das empfangene Pferd ein Schaf zu geben, befreit. Während sonst zur Durchführung der beiden Tausch'akte vier Übertragungen erforderlich gewesen wären, sind es bei der Einhaltung dieses Vorganges nur drei. Die Möglichkeit, die Vollziehung von Tauschakten auf diese Weise zu erleichtern, erfährt durch' die Ausbildung der Übung, bestimmte Güter als allgemeine Tauschvermittler zu verwenden, eine außerordentliche Erweiterung. Denn die fälle, in denen jemand ein bestimmtes vertretbares Gut gleichzeitig schuldet
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und zu fordern hat, mehren sich, je häufiger eine und dieselbe vertretbare Sache - der allgemeine Tauschvermittler - als Tauschobjekt in den einzelnen Verkehrsakten erscheint. Die vollkommene Ausbildung des Geldgebrauches führt zunächst zu einer Zerlegung auch solcher Geschäfte, welche allenfalls durch einen direkten Tauschakt hätten erfüllt werden können, in zwei indirekte Tauschakte. Der Fleischer und der Bäcker, die ihre Erzeugnisse :luch direkt austauschen könnten, ziehen vielfach auch für ihre gegenseitigen Beziehungen die Form des durch Geld vermittelten Tausches vor, die sie bei ihren sonstigen Geschäften anwenden. Der Fleischer verkauft dem Bäcker Fleisch gegen Geld, der Bäcker verkauft dem' Fleischer Brot gegen Geld. Hieraus entstehen gegenseitige Geldforderungen und Geldverpflichtungen. Es ist aber klar, daß hier eine OIattsteIlung nicht bloß in der Weise erfolgen kann, daß jeder Teil dem anderen tatsächlich Geld übereignet, sondern auch durch Aufrechnung, wobei lediglich das verbleibende Saldo durch Geldzahlung getilgt wird. Wird das Geschäft auf diese Weise durch gänzliche oder teilweise Kompensation der Gegenforderungen abgewickelt, so bietet es gegenüber dem direkten Tausch bedeutende Vorteile: alle Freiheit, die mit dem Geldgebrauch verknüpft ist, verbindet sich mit der Einfachheit der technischen Durchführung, die den direkten Tausch auszeichnet. Die abrechnungsmäßige Durchführung der indirekten Tauschakte nimmt einen ganz außerordentlichen Aufschwung in dem Augenblick, in dem durch die Einbürgerung des Kreditgeschäftes, pes Tausches gegenwärtiger gegen künftige Güter, die Fälle ihrer Anwendungsmöglichkeit gemehrt werden. Wenn alle Verkehrsakte lediglich Tauschgeschäfte sind, die Zug um Zug erfüllt werden müssen, dann ist die Möglichkeit einer abrechnungsmäßigen Durchführung auf jenen Fall des Bäckers und des Fleischers beschränkt, wobei noch überdies die naturgemäß nur selten zutreffende Voraussetzung zu machen ist, daß der Bedarf bei beiden Teilen zu gleicher Zeit auftritt. Man kann sich allenfalls denken, daß durch Hinzutritt mehrerer weiterer Personen ein kleiner Kreis gebildet wird, innerhalb dessen durch Anweisung eine OIattstellung von Geschäften ohne den effektiven Gebrauch von Geld erfolgt. Aber auch hier bliebe dit: bei einer Mehrheit von Personen noch seltener zutreffende Voraussetzung der Gleichzeitigkeit bestehen. Eine Überwindung dieser Schwierigkeiten war erst möglich, als
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der Kredit den Verkehr von der Bindung an die Gleichzeitigkeit des Auftretens von Nachfrage und Angebot löste. Darin eben liegt die große Bedeutung des Kredites für das Geldwesen. Sie konnte allerdings nicht recht zur Geltung kommen, solange aller Tausch noch direkter Tausch war, ja solange sich nicht das Geld als allgemeines Tauschmittel herausgebildet hatte. Durch Dazwischentreten des Kredites allein wird es möglich, Geschäfte, die sich zwischen zwei Personen abspielen, für die Abwicklung als gleichzeitige zu behandeln, auch wenn sie zeitlich auseinanderJi:egen. Wenn der Bäcker dem Schuster im Laufe eines Jahres täglich Brot verkauft und von ihm einmal (zum Beispiel am Ende des Jahres) ein Paar Schuhe kauft, dann müßte die Bezahlung durch den Bäcker und naturgemäß auch die durch den Schuster bar erfolgen, wenn nicht im Kredit ein Mittel gegeben wäre, welches zunächst die Stundung der dem einen Teil obliegenden Leistung und dann deren Tilgung durch Aufrechnung an Stelle der baren Erfüllung ermöglicht. Eine teilweise Tilgung von durch Geld vermittelten Tauschgeschäften durch Aufrechnung ist auch in der Art möglich, daß Abtretungen von Forderungen solange vorgenommen werden, bis sich Forderung und Gegenforderung zwischen denselben Personen ergeben, die dann kompensiert werden, oder bis die Forderung vom Schuldner erworben wird und dann durch Konfusion erlischt. Im interIokaIen und internationalen Wechselverkehr, der in den letzten Jahrzehnten durch Hinzutritt des Scheckgebrauches und anderer Methoden eine Ausgestaltung erfahren hat, die sein Wesen unberührt läßt, wird dergleichen im großartigsten Maßstab durchgeführt. Auch hier vermehrt der Kredit in ganz außerordentlicher Weise die Zahl der Fälle, in denen solche Abrechnungen durchführbar erscheinen 1. In allen diesen Fällen haben wir durch Geld vermittelte Tausch'akte vor uns, welche ohne effektive Verwendung von Geld oder Geldsurrogaten lediglich durch Abrechnung zwischen den Parteien durchgeführt werden. Hier erscheint das Geld zwar noch immer als Tauschvermittler, aber seine Verwendung wird unabhängig von seiner realen Existenz. Man macht vom Geld Gebrauch. ohne daß wirklich existierende Geldstücke oder Geldsurrogate faktisch gebraucht werden. Geld, welches nicht vorhanden ist, leistet wirtschaftliche Dienste; es wirkt bloß durch die Möglichkeit, im geI
Vgl. K nie s, a. a. 0., 11. Bd., I. Teil, S. 268 ff.
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gebenen Augenblick aus dem Hintergrunde wirklich hervortreten zu kennen. Die durch die Anwendung der abrechnungsmäBigen Methoden der Abwicklung von durch Geld vermittelten Tauschakten bewirkte Herabminderung des Geldbedarfes im weiteren Sinne bei ungestörtem funktionieren des Tauschmitteldienstes des Geldes beruht auf der Kompensation von Geldforderungen. Die Ersparung von Geldgebrauch wird nur dadurch hervorgerufen, daß an Stelle der effektiven Übertragung von Geld Geldforderungen übertragen werden. Dies wird solange fortgesetzt, bis forderung und Schuld zusammentreffen, Gläubiger und Schuldner sich in derselben Person vereinigen. Dann erlischt die Geldforderung durch Konfusion, da niemand sein eigener Gläubiger oder sem eigener Schuldner sein kann 1. Der gleiche Erfolg kann schon früher durch Kompensation, das ist durch Tilgung von Gegenforderungen durch Aufrechnung erreicht werden 2. In beiden fällen geht die Geldforderung unter, und damit erst ist der Tauschakt, aus dem sie entsprungen ist, vollkommen abgeschlossen. Die Zession einer forderung, die diese nicht dem Erlöschen durch Aufrechnung oder durch Konfusion näherbringt, kann den Geldbedarf nicht vermindern. Im Gegenteil; wird die Übertragung der forderung nicht an Zahlungsstatt vorgenommen, dann ist sie selbst die Quelle für das Entstehen eines neuen Geldbedarfs. Die Zession "an Zahlungsstatt" hat jedoch im geschäftlichen Verkehr, von dem Gebrauch der Geldsurrogate abgesehen, nie eine besonders große Bedeutung besessen. Handelt es sich um bereits fällige forderungen, dann wird es der Inhaber in der Regel vorziehen, die ausstehende Geldsumme einzuziehen, da es ihm jedenfalls leichter gelingen wird, mit Geld (oder Oeldsurrogaten) auf dem Markte Kauf- und andere Verträge abzuschließen, als durch Zession einer forderung von nicht zweifellos feststehender Güte; hat er aber ausnahmsweise eine solche forderung zu Zahlungszwecken abgetreten, dann wird der Erwerber in der gleichen Lage sein. Die Abtretung von noch nicht fälligen Geldforderungen an Zahlungsstatt begegnet noch dem weiteren Hemmnis, daß sie nur von solchen Personen angenommen werden 1 VgI. I. 21 § 1 D. de liberatione legata 34, 3. Terentius Clernens libro XII. ad legern Juliarn et Papiarn. 2 Vgl. I. 1 D. de cornpensationibus 16, 2. Mo des ti n u s !ibro sexto pandectarurn.
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kann, die sich mit einem Aufsclrub der Zahlung einverstanden erklären können; wer sich mit einer noch nicht fälligen forderung begnügt, wo er auf sofortige Bezahlung dringen könnte, gewährt Kredit Das Bedürfnis des Verkehrs hat von dem Rechtsinstitut des Wechsels früher einen Gebrauch gemacht, der die Zirkulation des Wechsels der der Umlaufsmittel äußerlich ziemlich gleich machte. Gegen Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts liefen in den europäischen Handelszentren Wechsel um, welche die Kaufleute an Zahlungsstatt indossierten 1. Da es allgemein üblich war, Zahlungen auf diese Weise zu leisten, konnte jedermann einen Wechsel, der noch eine gewisse Laufzeit vor sich hatte, auch dann annehmen, wenn er sogleich bares Geld benötigte; konnte man doch mit ziemlicher Sicherheit darauf rechnen, daß auch diejenigen, denen man Zahlungen zu leisten hatte, einen noch nicht fälligen Wechsel an Zahlungsstatt annehmen werden. Es muß wohl als selbstverständlich nicht erst besonders angeführt werden, daß alle diese Übertragungen unter angemessener Berücksichtigung des Zeitmoments, mithin unter Berechnung eines Diskonts, vor sich gingen. Dies mochte wohl die technische Handhabung des Zirkulationsapparates, die auch aus anderen Gründen, zum Beispiel wegen der verschiedenen Größe der Abschnitte, nicht leicht war, erschweren, bot aber andererseits dem jeweiligen Inhaber, der den Wechsel nicht gleich weiter gab, sondern, wenn auch nur ganz kurze Zeit, im Portefeuille behielt, einen Gewinn. Bei dieser Verwendung konnte der Wechsel den Mangel an Umlaufsmitteln bis zu einem gewissen Grade ersetzen. Mochte er auch noch' lange nicht fällig sein, der Inhaber durfte ihn doch, da er ihn jederzeit weitergeben konnte, als liquid ansehen. Ein Umlaufsmittel in dem Sinne, in dem es die Note oder das Kassenführungsguthaben sind, soweit sie nicht durch Geld gedeckt erscheinen, waren derartige Wechsel trotzdem nicht. Es fehlten die charakteristischen Merkmale und Eigentümlichkeiten, die das Umlaufsmittel, das unbegrenzt vermehrbare Produkt der willkürlichen Emissionstätigkeit der Banken, im Verkehr die Stelle des Geldes als vollkommenes Surrogat einnehmen lassen. Zwar ist auch der Wechselumlanf bei Zusamme,"!wir'ken von Ausstellern und Akzeptanten durch Wechselreiten und regelmäßige Prolongationen 1 Vgl. Thornton, An Enquiry into the Nature and Effects of the Paper Credit of Great Britain, London 1802, S. 39 ff. \". Mises, Theorie des Geldes. 2. Auf!. 19
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schrankenloser Vermehrung und unbegrenzter Umlaufszeit fähig, mag er auch schon vermöge technischer Schwierigkeiten niemals so stark in den Verkehr eindringen können wie dk Geldsurrogate. Aber jede Vermehrung des Wechselumlaufes erschwert die Unterbringung des einzelnen Wechsels, verengert die Mittel des Marktes. Der Wechselinhaber ist eben - zum Unterschied vom Noten- oder Girokontoinhaber - Kreditor. Wer den Wechsel nimmt, muß die Kreditwürdigkeit seines unmittelbaren Vormannes, vor allem auch die des primär haftenden Akzeptanten, aber auch die des Ausstellers und der übrigen Wechselverpflichteten prüfen. Wer ihn weitergibt, übernimmt mit dem Indossament auch die Haftung für den richtigen Eingang der Wechselsumme. Die Indossierung des Wechsels ist eben keine endgültige Zahlung, der Schuldner wird durch sie nur bedingt liberiert; wird der Wechsel nicht eingelöst, dann lebt seine Verpflichtung in erweitertem Maße wieder auf. Die Wechselstrenge und die eigentümliche Solidarhaft aller Wechselverpflkhteten konnten aber aus dem Institut nicht entfernt werden; denn gerade sie waren es ja allein, die den Wechsel zu einem geeigneten, Instrument für die Zession von noch nkht fäHigen Forderungen an Zahlungsstatt gemacht hatten, wofür sich die Obligationenverhältnisse des gemeinen Rechts nur wenig eignen. Wie sehr sich auch di'e Übung, Wechsel an Zahlungsstatt auszustellen oder zu indossieren, eingebürgert haben mochte, jede einzelne Zahlung, die auf diese Weise geregelt wurde, bewahrte dennoch den Charakter des Kreditgeschäftes. Die Höhe des Oegenwartspreises, der für die erst künftig fällig werdende Forderung entrichtet wurde, mußte erst in jedem einzelnen falle durch besondere Vereinbarung der Parteien festgestellt werden; war der Wechselumlauf stark angewachsen oder tauchten etwa Besorgnisse über die Solidität der Geschäftsgebarung der Wechselverpflichteten auf, dann wurde es schwieriger, die Wechsel noch zu halbwegs erträglichen Bedingungen zu plazieren. Aussteller und Akzeptant mußten überdies rechtzeitig für die Deckung des Wechsels am Verfallstage Sorge tragen, sei es auch nur durch Begebung eines Prolongationswechsels. Das alles entfällt beim Umlaufsmittel, das ohne alle Reibung wie das Geld von Hand zu Hand geht. Die moderne Organisation des Zahlungswesens kennt Einrichtungen zum Zwecke der planmäßigen Herbeiführung von fällen der Tilgung von Forderungen durch Aufrechnung. Einzelne Ansätze dazu
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hat es schon im Mittelalter gegeben, die großartige Entwicklung der Abrechnungsstellen gehört jedoch dem letzten Jahrhundert an. Im Clearing House werden die zwischen den Teilnehmern fort und fort entstehenden forderungen abgerechnet, und nur die Überschüsse verbleiben zur Tilgung durch Übertragung von Geld oder Umlaufsmitteln. Das Abrechnungssystem ist die wichtigste Institution zur Herabminderung des Geldbedarfes im weiteren Sinne. In der Literatur des Bankwesens pflegt man in der Regel die durch die Abrechnung der Clearinghäuser eintretende Verminderung des Geldbedarfes im weiteren Sinne nicht genügend von der durch Ausdehnung des Gebrauches der Umlaufsmittel eintretenden Verminderung des Geldbedarfes im engeren Sinne zu unterscheiden, worauf manche Unklarheit zurückzuführen ist.
§ 3. Im inländischen Verkehr der überwiegenden Mehrzahl der Kulturstaaten haben die Geldsurrogate heute die faktische Verwendung von Geld zur Durchführung von durch Geld vermittelten Tauschakten zum größten Teile verdrängt. Innerhalb der Geldsurrogate wieder nimmt das Umlaufsmittel einen immer größeren Platz ein. Gleichzeitig wächst die Zahl der durch Geld vermittelten Verkehrsakte, die durch Aufrechnung von Gegenforderungen abgewickelt werden. Es gibt Länder, in denen nahezu alle inländischen Umsätze, die nicht im Abrechnungsverkehr zur Abwicklung gelangen, ohne Gebrauch von Geld lediglich mit Hilfe von nicht durch Geld gedeckten Banknoten und Kassenführungsguthaben, dann von Scheidemünzen im eigentlichen Sinne des Wortes und anderen, jederzeit gegen Geld eintauschbaren Münzen vorgenommen werden. In anderen Ländern wieder hat die Entwicklung der Umlaufsmittel noch nicht die gleiche Stufe erreicht. Sieht man jedoch von den Ländern ab, in denen die Rechtsunsicherheit das Entstehen jenes Vertrauens in die Solidität des Emittenten, das die unumgängliche Voraussetzung für die Zirkulation der Geldsurrogate bildet, hemmt, dann findet man kein Gebiet, in dem nicht ein großer Teil der inländischen Umsätze ausschließlich unter Benutzung der Umlaufsmittel mit Vermeidung jeder effektiven Geldübertragung erfolgt. Lediglich im m~ttleren Verkehr ist noch ein Platz für die Verwendung von Geldstücken im Umsatz. In Deutschland und England pflegte man vor dem Kriege Zahlungen zwischen 20-100 Mark und 1-5 Pfund vielfach durch Übergabe von Goldstücken durchzuführen; kleinere und größere 19*
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Zahlungen wurden nahezu ausschließlich durch Zession von Noten oder Kassenführungsguthaben, von denen nur ein Teil durch Geld gedeckt war, geleistet. Ähnlkh war es in anderen Ländern. Daß in einer Reihe von Staaten wie in Deutschland und England der effektive Geldumlauf überhaupt noch eine Rolle spielte, daß er hier nicht durch die Umlaufsmittel und Geldzertifikate verdrängt worden war, war allein auf das Eingreifen der Gesetzgebung zurückzuführen. Aus Gründen, die mit gewissen theoretischen Anschauungen über das Wesen der Noten in Verbindung standen, glaubte man dem Umlauf von Noten, die auf kleine Beträge lauten, entgegentreten zu müssen 1. Der Kampf gegen die Einpfundnoten in England endete mit einem vollen Sieg des Sovereigns, und dieser Sieg gewann über die Grenzen Englands hinaus Bedeutung. Denn die ungünstige Auffassung, die auf dem Kontinent von dem Wesen der kleinen Banknoten jahrzehntelang vorherrschte, führte auf englische Anschauungen zurück Sicher ist, daß in den Staaten mit geordneter Rechtspflege und entwicl:eltem Bankwesen die Verwendung von effektivem Geld im Verkehr ohne Schwierigkeit durch Ausgabe einer entsprechenden Anzahl kleiner Notenappoints ersetzt werden könnte. In einer Reihe von Ländern, in denen die Verdrängung der effektiven Geldübertragung durch die Umlaufsmittel und daneben durch Geldzertifikate vollständig durchgeführt wurde, hat man dieses Ziel unter ganz besonderen Verhältnissen in eigenartiger Weise planmäßig angestrebt und erreicht. Die Länder der Silberwährung - wir nennen da in erster Linie Britisch-Ostindien, aber ähnlich lagen die Verhältnisse in den anderen asiatischen Staaten (mit Ausnahme von Japan), ferner in manchen amerikanischen Staaten - sahen sich, nachdem der große Währungsstreit zugunsten des Goldmonometallismus entschieden worden war, genötigt, ihren Anschluß an die Weltgoldwährung zu vollziehen. Der Übergang zu einer den englischen oder deutschen Einrichtungen nachgebildeten Geldverfassung begegnete jedoch außerordentlichen Schwierigkeiten. Hätte man das Goldgeld in den Umlauf jener Länder einfügen wollen, dann hätte man enorme Massen Goldes dahin leiten müssen, was nicht ohne 1 VgJ. Baird, The One Pound Note, its History, Place and Power in Scotland, and Hs Adaptability for England, Second Edition, Edinburgh 1901, S. 9ff.; Oraham, The One Pound Note in the History of Banking in Oreat Britain, Second Edition, Edinburgh 1911, S. 195 ff.; Nie hol s 0 n, a. a. 0., S. 177ff.; ]evons, Investigations in Currency and finance. New Edition, London 1909, S. 275 H.
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schwere Erschütterung der europäischen Geldmärkte und nur unter großen Opfern durchführbar gewesen wäre. Die Regierungen aber mußten um jeden Preis trachten, einerseits den Goldwert nicht zu erhöhen, um die europäischen Märkte nicht zu beunruhigen, andererseits auch den Silberwert nicht mehr als nötig zu drücken. Die englische Verwaltung Indiens durfte nichts unternehmen, was den Geldmarkt des Mutterlandes ungünstig hätte beeinflussen können; ebensowenig durfte sie, aus Rücksicht auf die vorläufig bei der Silberwahrung verbleibenden asiatischen Konkurrenzländer Indiens, irgendeine Maßregel ergreifen, weIche den Rückgang des Silberpreises beschleunigt und damit die Konkurrenzfähigkeit des Landes gegenüber China, Japan, den Straits Settlements, sowie den übrigen Silberländern vorübergehend, wenn auch nur scheinbar, ges'Chwächt hätte. Ihre Aufgabe war es daher, den Übergang des ausgedehnten Kolonialreiches zur Goldwährung zu bewerkstelligen, ohne Gold in beträchtlichen Mengen anzukaufen oder Silber zu verkaufen. Das Problem war nicht allzu schwer zu lösen. Bis zu einem gewissen Grade lagen die Verhältnisse ähnlich wie in jenen Doppelwährungsländern, die Ende der siebziger Jahre die freie Silberprägung eingestellt hatten. Eine genauere wissenschaftliche Betrachtung vollends mußte zeigen, daß es möglich sei, eine Goldwährung auch ohne Goldumlauf zu schaffen; daß es genüge, die freie Prägung der Silberrupie einzustellen und ihre Einlösbarkeit in Gold zu einem bestimmten Satz auszusprechen und durch Einrichtung eines entsprechenden Konversionsfonds auch durchzuführen, um dem Lande eine Goldwährung zu geben, die sich von der des Mutterlandes nur durch die geringere Höhe des Goldvorrates unterscheidet. Man brauchte nur in den Schriften Ricardos nachzusehen, um den Plan einer solchen Währungsordnung genau ausgearbeitet vorzufinden. Lindsay 1 und Probyn l! haben diesen Weg betreten und, auf Ricardo aufbauend, Entwürfe für diese Art der Regelung ausgearbeitet. Beide wollten die Münzstätten für Silber schließen und die Rupie in Gold zu einem festen Verhältnis einlösbar machen. Gesetzliche Zahlkraft !Jollte auch fernerhin nur die Rupie besitzen. Zwischen den beiden Vorschlägen 1 Vgl. Li n d s a y, A Go!d Standard without a Gold Coinage in England and India, Edinburgh 1879, S. 12 ff.; eine zweite, 1892 anonym unter dem Titel: Ricardos Exchange Remedy erschienene Schrift desselben Verfassers war mir nicht zugänglich. ! Vgl. Probyn, Indian Coinage and Curren;:y, London 1897, S. 1ff.
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gab es in einigen nebensächlichen Punkten Verschiedenheiten, von denen die wichtigste die war, daß Probyn es für erforderlich hielt, daß die Rupie in Indien selbst in Gold eingelöst werde, während Lindsay meinte, es sei ausreichend, wenn die Einlösung in London aus dem Bestand einer dort anzulegenden Goldreserve erfolge. Beide Vorschläge wurden sowohl von der indischen Regierung als auch VOll den zum Studium der Probleme des indischen Geldwesens eingesetzten Kommissionen verworfen. Man gab der Meinung Ausdruck, daß eine normale Goldwährung auch einen effektiven Goldumlauf erfordere, und daß der Mangel eines solchen Mißtrauen erwecken werde 1. Der Bericht der Kommission von 1898 war von den hervorragendsten Fachmännern gezeichnet; ihre Äußerungen über die Vorschläge Probyns und Lindsays stützten sich im entscheidenden Punkt auf die Gutachten der größten Bankiers des britischen Reiches. Der Verlauf der Ereignisse aber gab den Männern der Theorie recht, nicht den Staatsmännern und Finanzgrößen, die auf jene mitleidig lächelnd hinabsahen. Das, was in Indien tatsächlich durchgeführt wurde, entspricht im großen und ganzen den Vorschlägen von Probyn und Lindsay, wenn auch in den Einzelheiten Abweichungen vorkommen. Und ganz ähnlich ist die Geldverfassung anderer Gebiete, in denen früher die Silberwährung herrschte, eingerichtet worden. Die heutige Währungsverfassung Indiens, der Straits Settlements, der Philippinen und der anderen asiatischen Länder, welche ihrem Beispiel gefolgt sind, ist äußerlich dadurch charakterisiert, daß im inländischen Verkehr Umsätze in Geld, das heißt in Gold, überhaupt nicht vorkommen oder doch weitaus seltener sind' als in den europäischen und amerikanischen Goldwährungsländern, in denen der effektive Goldumsatz auch nur recht gering ist im Verhältnis zur Summe aller durch das Geld vermittelten Zahlungen. Der Zahlungsverkehr bedient sich neben Noten, Schecks und Giroüberschreibungen vorwiegend der Silbermünzen, die teils noch aus der Zeit der Silberwährung herI Vgl. Report of the Indian Currency Comittee 1898 (in Stability of International Exchange, Report on the Introduction of the OoldExchange Standard in to China and other Silverusing Countries submitted to the Secretary of State Ociober 1, 1903, by the Commission on International Exchange, Washington 1903, Appendix 0.) S. 315ff.; H eyn, Die indische Währungsreform, a. a. 0, S. 54 H.; Bot he, Die indische \X'ährungsreform seit 1893, Stuttgart 1904, S. 199 ff.
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stammen, teils von der Regierung für Rechnung des Staates und zugunsten der Staatskasse, der der beträchtliche Münzgewinn zufließt, ausgeprägt werden. Ein Konversionsfonds, der von der Regierung angelegt und verwaltet wird, tauscht diese Silbermünzen zu einem festen Satz gegen Gold, Golddevisen oder andere jederzeit fällige Goldforderungen um, während er anderseits zu demselben Satz - kleine Differenzen sind wegen der Kosten der Aufbewahrung, Transportierung usw. vorgesehen - Gold unbeschränkt gegen solche Silbermünzen umtauscht. Die näheren Einzelheiten dieser Verfassung sind in den verschiedenen Ländern nicht gleich. Die rechtlichen und banktechnischen Details sind aber für die Beurteilung ihres Wesens auch gleichgültig. Es ist zum Beispiel nicht weiter von Belang, ob die Einlösung der Silbermünzen von der Konversionskasse auf Grund einer bindenden gesetzlichen Vorschrift oder ohne solche Verpflichtung besorgt wird; ausschlaggebend ist allein der eine Umstand, daß die Einlösung tatsächlich erfolgt, wenn sie begehrt wird 1. Zwischen der Währungsverfassung jener Länder Asiens und Amerika~ und der einstigen der europäischen Goldwährungsstaaten besteht durchaus kein grundsätzlicher Unterschied. Hier wie dort wird der Zahlungsverkehr ohne effektive Geldübertragung durch Abtretung von Umlaufsmitteln abgewickelt. Daß in England und Deutschland daneben für mittlere Zahlungen auch noch die effektive Geldübertragung eine gewisse Rolle spielte, wogegen in Indien und in den Philippinen die Zahl der effektiven Geldübertragungen kaum nennenswert ist, und daß in den erstgenannten Ländern die Quote des nicht durch Geld gedeckten Notenumlaufes geringer war als in den letztgenannten, muß als ganz unwesentlich bezeichnet werden; hier liegt ein quantitativer, kein qualitativer Unterschied vor. Ebensowenig ist der Umstand von Belang, daß die Umlaufsmittel hier vorwiegend Banknoten und Schecks waren, dort vorwiegend Silbermünzen sind. Die Silberrupie ist eben in Wahrheit nichts anderes als eine metallische Note, für deren Einlösung der Emittent, der Staat, Sorge trägt 2. Im Anschluß an Gedankengänge Ricardos, der vor mehr als 1 Über die Schicksale der indischen Währung in der Zeit der groBen Kriegsinflation vgI. S pa I d i n g, Eastern Exchange, Currency and Finance, Third Edition, London 1920, S. 31 ff. 2 Vgl. Conant, The Gold Exchange Standard in the Light of Experience, (The Economic Journal, Vol. XIX, 1900.) S. 200.
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100 Jahren den Plan dieser Geldverfassung zuerst entwickelt hat 1, pflegt man von ihr als von dem Gold Exchange Standard (Ooldkernwährung) zu sprechen. Man kann diese Bezeichnung nur dann gelten lassen, wenn sie die bank- und währungstechnischen Besonderheiten hervorheben soll, die diese Verfassung auszeichnen. Man muß sie jedoch zurückweisen, wenn beabsichtigt wird, damit eIne pnnzipielle Verschiedenheit von dem einstigen englisch-deutschen Typus der Goldwährung auszudrücken. Es ist nicht richtig, zu behaupten, daß Gold in jenen Ländern lediglich als Maßstab der Preise fungiert, während die Silbermünzen als allgemeines Tauschmittel verwendet werden. Wir wissen, wie wenig gerechtfertigt es ist, von einer preisrnessenden Funktion des Geldes zu sprechen. Im Sinne Ricardos konnte von Wertmessung und Wertmaß gesprochen werden; vom Standpunkt der subjektiven Werttheorie muß man diese und ähnliche Anschauungen zurückweisen. Auch in Indien und in ÖSterreichUngarn und in allen anderen Ländern mit ähnlicher Geld- und Bankverfassung ist oder war das Gold ebenso allgemeines Tauschmittel wie in England oder Deutschland; der Unterschied der beiden Systeme ist nur graduell, nicht prinzipiell.
§ 4. Die Übung, Zahlungen im Wege der Aufrechnung von Gegenforderungen oder durch Konfusion von Forderungen durchzuführen, ist nicht an die Staats- oder Landesgrenzen gebunden. Gerade im interlokalen Verkehr hat sich das Bedürfnis danach zuerst und am stärksten fühlbar gemacht. Die Versendung von Geld ist stets mit nicht unbeträchtlkhen Kosten, mit Zinsverlust und mit einem Risiko verbunden. Werden die aus verschiedenen Geschäften entspringenden Forderungen nicht durch effektive Geldübertragung, sondern durch Aufrechnung oder Konfusion getilgt, dann können alle diese Auslagen und Gefahren vermieden werden. Darin lag ein außerordentlich wirksamer Antrieb für die Ausbreitung der geldumsatzsparenden Zahlungsmethoden im Fernverkehr. Schon frühzeitig finden wir den Gebrauch der Wechsel für interlokale Zahlungen eingebürgert; daneben treten dann später Schecks, Auszahlungen und Kabelüberweisungen, alle die Grundlage eines interlokalen Abrechnungsverkehrs bildend, der sich ohne Vermittlung einer besonderen 1 In der 1816 veröffentlichten Schrift Proposals for -an EconomicaI an Secure Currency with Observations on the Profits of the Bank of England. VgI. Works, a. a. 0., S. 404ff.
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Abrechnungsstelle im freien Spiel des Marktes vollzieht. Im lokalen Zahlungsverkehr sind die Vorteile, die dem einzelnen aus der abrechnungsmäßigen, daher bargeldlosen Abwicklung der Geschäfte erwachsen, geringer als im interlokaIen, und daher hat es hier länger gedauert, bis das Kompensationssystem durch die Einrichtung von Abrechnungsstellen zum Durchbruch gelangte. Wenn der Abrechnungsverkehr die politischen Grenzen ohne Schwierigkeit überschreitet und im internationalen Wechsel- und Scheckverkehr sich eine weltumspannende Organisation geschaffen hat, ist das Umlaufsmittel, wie überhaupt jedes Geldsurrogat, in seiner Geltung national gebunden. Es gibt keine Geldsurrogate, mithin auch keine Umlaufsmittel, welche international anerkannt sind und demgemäß im zwischenstaatlichen Verkehr dort die Stelle des Gelde.; vertreten könnten, wo es gilt, die Überschüsse, die bei der Abrechnung verbleiben, zu tilgen. Das wird vielfach übersehen, wenn man von dem gegenwärtigen Stande des internationalen. Zahlungsverkehrs und von den Möglichkeiten seiner zukünftigen Entwicklung spricht. Es unterläuft hier eben wieder jene bereits gerügte Verwechslung des Kompensationssystems und der Umlaufsmittelzirkulation. Am deutlichsten wird dies in den üblichen Ausführungen über den internationalen Giroverkehr. Im nationalen Giroverkehr werden Zahlungen durch Übertragung von Geldsurrogaten, die vielfach Umlaufsmittel sind, nämlich der bei der Girobank geführten Kassenführungsguthaben der Teilnehmer bewi'l"kt. Im internationalen Verkehr fehlt das Geldsurrogat, und auch der von verschiedenen Seiten vorgeschlagene internationale Giroverkeh'l" soll kein solches einführen. Es muß vielmehr festgestellt werden, daß dieser sogenannte internationale Giroverkehr - den übrigens die Kriegsinflation wieder beseitigt hat - wohl die äußerliche Gestalt, nicht aber das Wesen der hergebrachten Art der Abwicklung internationaler Geldforderungen geändert hat. Wenn die Banken verschi'edener Länder übereinkommen, ihren Kunden das' Recht einzuräumen, Überweisungen von ihren Guthaben direkt an die Guthaben der Kunden der ausländischen Bank vorzunehmen, so tritt damit wohl zu den älteren Methoden der internationalen Skontration eine neue hinzu. Der Wien er, der einem Berliner eine Geldsumme zahlen will, konnte sich früher der internationalen Postanweisung bedienen oder er konnte auf der Börse einen Wechsel auf Berlin kaufen und diesen an seinen Gläubiger senden. In der Regel wird er die Vermittlung einer
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Zweites Kapitel.
Bank in Anspruch genommen haben, die wieder ihrerseits das Geschäft durch Ankauf einer Devise oder eines Schecks durchgeführt hat. Später konnte er, falls er als Mitglied dem Scheckverkehr der österreichischen Postsparkassa und sein Gläubiger dem der deutschen Reichspost angehörte, die Überweisung einfacher durch Erteilung der entsprechenden Order an das Postsparkassenamt in Wien vornehmen. Das mochte bequemer sein und den Anforderungen des regen Geschäftslebens besser entsprechen als die einst allein üblich gewesene Methode. Neue Wege im internationalen Geldverkehr hat man aber mit der gewiß sehr lobenswerten Einrichtung dieses Verkehrs nicht betreten. Denn die Saldi dieses internationalen Giroverkehrs mußten, wenn ihre Begleichung nicht durch Wechsel erfolgen konnte, durch effektive Geldübertragung getilgt werden. Man kann nicht einmal behaupten, daß der internationale Giroverkehr die internationalen Geldsendungen vermindert hat. Auch vor seiner Einführung hat der Wiener, der dem Berliner zahlen wollte, nicht Zwanzigmarkstücke gekauft und in einem Paket nach Berlin geschickt. Die Errichtung einer internationalen Noten- oder Girobank wäre allein geeignet, internationale Geldsurrogate und in weiterer folge internationale Umlaufsmittel zu schaffen. Wenn die von der Weltbank ausgegebenen Noten und die von ihr eröffneten Giroguthaben überall zur Tilgung von Geldforderungen jeder Art verwendet werden könnten, entfiele die Notwendigkeit, die Saldi der internationalen Zahlungsbilanz durch Geldsendungen zu decken. An die Stelle der effektiven Geldübertragung könnte die Übermittlung von Noten der Weltbank oder von Schecks, mit denen über das Konto des Ausstellers bei der Weltbank verfügt wurde, oder auch die einfache Umschreibung in den Büchern der Weltbank treten. Die Saldi des internationalen Clearing, das schon heute besteht, wenn es auch nicht örtlich konzentriert ist und der straffen Organisation der nationalen Abrechnungsstellen ermangelt, würden dann in ähnlicher Weise getilgt werden wie bereits gegenwärtig die des nationalen. Vorschläge, welche auf die Schaffung von international zirkulationsfähigen Umlaufsmitteln durch Errichtung einer zwischenstaatlichen Bankstelle abzielen, sind schon wiederholt gemacht worden. Nicht jedes Projekt freilich, welches sich mit der Ausgestaltung des internationalen Giroverkehrs in jenem Sinne be~chäftigt, in dem dieses Wort gewöhnlich gebraucht wird, kann hierher gerechnet werden. Immerhin schimmert in einzelnen Schriften, welche die Gründung
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einer Weltbank oder doch einer zwischenstaatlichen Bankorganisation fordern, die Idee des internationalen Umlaufsmfttels durch 1. Die organisatorischen Probleme, welche die Errichtung einer solchen länderumspannenden Institution bietet, könnten auf verschiedene Weise gelöst werden. Die Bildung der Weltbank als besondere Organisationsform und als selbständige Rechtspersönlichkeit wäre wohl die einfachste form für das neue Gebilde. Es wäre aber auch möglich, davon abzusehen, eine besondere Zentralstel1e für die Verwaltung und Deponierung der zur Eröffnung der Konti eingezahlten Geldbeträge und die Ausgabe der Geldsurrogate zu errichten. Man könnte die Hindernisse, welche die leicht verletzbare nationale Eitelkeit der örtlichen Konzentration der Bankgestion voraussichtlich entgegensetzen dürfte, dadurch zu vermeiden suchen, daß die Geldbestände der Weltgirostel1e und Weltnotenausgabestelle in Verwahrung der einzelnen Nationalbanken belassen werden. In dem Ge1dbestand einer jeden Zentralbank wären dann zwei Massen zu unterscheiden; eine, welche als Grundlage für die Weltorganisation des Zahlungsverkehres zu dienen hätte und über welche nur von den Organen dieser verfügt werden könnte, und eine zweite, die auch fernerhin dem nationalen Geldverkehr dienstbar wäre. Man könnte selbst noch weiter gehen und auch die Ausgabe der internationalen Noten und anderen Geldsurrogate den Einzelbanken überlassen, welche nur gehalten wären, dabei die von dem Organ der Weltorganisation erteilten Vorschriften zu beachten. Es ist nicht unsere Aufgabe, zu untersuchen, welche von den verschiedenen Möglichkeiten die praktischste ist; ihr Wesen al1ein bietet für uns Interesse, nicht ihre konkrete Ausgestaltung. Auf einen Punkt muß jedoch besonders hingewiesen werden. Wenn die Guthaben in den Büchern der Weltbank nur gegen Erlag der vol1er. Summe in Geld oder durch Umschreibung zu Lasten eines anderen, nur gegen Erlag der vollen Summe in Geld entstandenen Guthabens erworben werden können, wenn sie Noten nur im Austausch für Geld hergeben wird, dann wird sie wohl den Transport von Geldbeträgen, der heute noch einen großen Raum im internatio1 Vgl. Patt e r s 0 n, Der Krieg der Banken, Aus dem Englischen von Holtzendorff, Berlin 1867, S. 17ff.; Wo I f, Verstaatlichung der Silberproduktion und andere Vorschläge zur Währungsfrage, Zürich 1892, S 54ft.; Wolf, Eine internationale Banknote. (Zeitschrift für SOZialwissenschaft, XI. Bd., 1908) S. 44ff.
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Zweites Kapitel.
nalen Zahlungsverkehr einnimmt, überflüssig machen, geldumsatzsparend könnte sie aber in diesem Falle nicht wirken. Sie wäre freilich auch dann imstande, den Geldbedarf herabzudrücken, da die Übertragungen sich vielleicht schneller und mit weniger Reibung vollziehen würden. Aber nach wie vor würde jeder Umsatz, der sich durch die Vermittlung der Bank vollzieht, mit effektivem Geldgebrauch verbunden sein. Die Geldstücke blieben freilich ruhig in den Kellern der Weltbank liegen, und nur das Recht, ihre Herausgabe zu fordern, würde übertragen werden. Aber die Höhe der Umsätze wäre ziffernmäßig durch die Höhe der Gelddepots in der Bank begrenzt. Die Möglichkeit, Geldbeträge umzusetzen, wäre an das Vorhandensein dieser Geldbeträge in wirklicher Geldgestalt gebunden. Um den internationalen Geldverkehr von dieser Fessel zu befreien, müßte der Weltbank das Recht zugestanden werden, Noten auch als Darlehen auszugeben und Guthaben im Kreditwege zu eröffnen, das heißt ihre Geldbestände zum Teil auszuleihen. Damit erst wäre dem zwischenstaatlichen Zahlungsverkehr ein Umlaufsmittel gegeben worden, wie es der binnenländische bereits besitzt; er würde unabhängig werden von der vorhandenen Geldmenge. Der Verwirklichung eines derartig ausgestalteten Weltbankprojektes stehen gewaltige Hindernisse entgegen, die zu überwinden schwerlich in der nächsten Zeit gelingen dürfte. Das kleinste dieser Hindernisse bildet die Verschiedenheit der in den einzelnen Staaten üblichen Geldarten ; nähern wir uns doch, trotz der Inflation, die der Weltkrieg und seine Folgen geschaffen haben, mit jedem Tage mehr und mehr dem Zustande der Weltgeldeinheit auf Grund des Sachgeldes Gold. Stärker fallen schon die Schwierigkeiten ins Gewicht, die in den politischen Verhältnissen liegen. Die Gründung einer Weltbank könnte an der Ungewißheit über ihre völkerrechtliche Stellung scheitern. Kein Staat wird sich der Gefahr aussetzen wollen, daß im Kriegsfalle die Guthaben seiner Angehörigen bei der Weltbank gesperrt werden. Hier stehen Existenzfragen auf dem Spiel, und darum könnte keine noch so sehr mit Kautelen umgebene Völkerrechtssatzung die einzelnen Staaten so weit beruhigen, daß sie ihren Widerstand gegen den Anschluß an eine solche Organisation aufgeben 1. Die größte Schwierigkeit, die der Ausgabe internationaler Um1
Diesen, 1911 niedergeschriebenen, Worten ist heute nichts hinzuzufügen.
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laufsmitiel entgegensteht, liegt jedoch in dem Umstande, daß unter den Staaten, die dem Weltbanksystem beizutreten hätten, eine Einigung über die von der Bank bei der Ausgabe von UmlaufsmitieIn einzuhaltende Politik kaum zu erzielen sein wird. Schon die festsetzung der Menge der auszugebenden Umlaufsmittel würde unüberbrückbare Gegensätze zutage treten lassen. Vorschläge, welche auf die Errichtung einer umlaufsmittelausgebenden Weltbank abzielen 1, finden daher unter den gegenwärtigen Verhältnissen kaum Beachtung. 1 Vgl. De Oreef, La Monnaie, le Credit et le Change dans le Commerce international, (Revue Economique internationale. 8e Annee, Vol. IV 1911) S. 58ff.
Drittes Kapitel.
Umlaufsmittel und Geldbedarf. § 1. Die Ausbildung des Abrechnungssystems, wie sie vor allem durch den Ausbau der Clearinghäuser angestrebt wird, vermindert den Geldbedarf im weiteren Sinne: ein Teil der durch das Geld vermittelten Tauschakte kann abgewickelt werden, ohne daß Geldstücke oder Geldsurrogate körperlich in Umlauf gesetzt werden. Damit wird eine Tendenz zur Herabdrückung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes geschaffen, die der zu seiner Erhöhung, welche aus der gewaltigen Steigerung des Geldbedarfes im Gefolge der fortschreitenden Ausbreitung der Verkehrswirtschaft entspringen müßte, entgegengewirkt. In der gleichen Richtung arbeitet au{:h die Entwicklung der Umlaufsmittel; die Umlaufs mittel, die im Verkehr als Geldsurrogate an die Stelle des Geldes zu treten vermögen, vermindern den Geldbedarf im engeren Sinne. Hier ist die große Bedeutung der Umlaufsmittel, hier ihre Einwirkung auf das zwischen dem Geld und den übrigen wirtschaftlichen Gütern bestehende Austauschverhältnis zu suchen. Ebenso wie die Errichtung und Ausgestaltung der Abrechnungsstellen, der wichtigsten Institution zur Herabminderung des Geldbedarfes im weiteren Sinne, ist auch die Entwicklung der Umlaufsmittel, der wichtigsten Institution zur Herabminderung des Geldbedarfes im engeren Sinne, nicht lediglich dem freien Spiel der wirtschaftlichen Kräfte überlassen geblieben. Das Kreditbedürfnis der Kaufleute und Gewerbetreibenden, der Fürsten und Staaten und das Gewinnstreben der Bankiers waren nicht die alleinigen treibenden Kräfte der Entwicklung. Auch die Wirtschaftspolitik hat bewußt in den Prozeß eingegriffen, um' ihn zu fördern und zu beschleunigen. In dem Maße, in dem der naive Midasglaube von der Ersprießlich'keit eines großen Edelmetallbestandes schwand und durch eine nüchterne Betrachtung des Geldproblems ersetzt wurde, erstarkte die Anschauung, daß die Herabminderung des nationalen Oeldbedarfes im engeren Sinne ein eminentes volkswirtschaftlkhes Interesse bilde. Adam Smith weist darauf hin, daß die Verdrängung von Gold und
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Silber durch Papier, das heißt Noten, an Stelle eines kostspieligen Verkehrsmittels ein weniger kostspieliges setze, das im übrigen die gleichen Dienste leiste. Er vergleicht das Gold und Si.Jbergeld, das in einem Lande umläuft, mit einer Landstraße, auf der alles futter und Korn zu Markt gebracht wird, auf der selbst jedoch auch nicht das Mindeste davon wächst. Die Notenausgabe aber schaffe gleichsam einen fahrweg durch: die Lüfte und ermögliche es, einen großen Teil deI' Straßen in Äcker und Weiden zu verwandeln und auf diese Weise den jährlichen Ertrag von Land und Arbeit beträchtlich zu steigern 1. Ähnliche Anschauungen hegt Ricardo. Auch er erblickt den wesentlichsten Vorteil des Notengebrauches in der Verminderung der der Volkswirtschaft durch! den Zirkulations~pparat erwachsenden Kosten. Sein Ideal' einer Geldveriassung ist ein Zustand, in welchem der Volkswirtschaft der Gebrauch eines Geldes von unveränderlichem Wert mit den geringsten Kosten gesichert wird. Von diesem Gesichtspunkt ausgehend, formuliert er seine Vorschläge, die auf Verdrängung des Edelmetallgeldes aus dem effektiven Umlauf des Inlandes hinzielen 2. Die Ansichten, welche die Klassiker über das Wesen der geldbedarfvermindernden Zahlungsmethoden entwickelten, hatte schon das 18. Jahrhundert gekannt. Die Aufnahme in die Schriften der Klassiker und die glänzende Darstellung, die ihnen hier zuteil wurde, sicherten i~nen auch im 19. und 20. Jahrhundert die aUgemeine Anerkennung. Der Widerspruch, der sioch mitunter gegen sie geltend gemacht hat, ist verstummt. Die möglichste Ausbildung der geldsparenden Zahlungsmethoden bildet in allen Ländern ein Ziel der Bankpolitik. Wird Sachgeld verwendet, dann liegen die Vorteile der Verminderung des Geldbedarfes durch die Ausbreitung der geldsparenden Zahlungsmethoden auf der Hand. Wir sehen dabei ganz davon ab, daß die Entwicklung des Abrechnungssystemes und der Umlaufsmittel mit dem durch die Ausbildung der Geldwirtschaft bewirkten potentiellen Ansteigen des Geldbedarfes zumindest Schritt gehalten hat, so daß die gewaltige Erhöhung des inneren Tauschwertes des Geldes, die sonst im Gefolge der Erweiterung des Geldgebrauches Vgl. Smith, a. a. 0.,11. Bd .. S.28, 78. Vgl. Ricardo, The High Price of Bullion a Proof of the Depreciation of Bank Notes (Works, a. a. 0.) S. 263ff.; Proposals for an Economical and Safe Currency (ebendort) S. 397 ff.; siehe oben S. 293 ff. 1
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Drittes Kapitel.
eingetreten wäre, mit ihren als ungünstig angesehenen Begleiterscheinungen vollkommen vermieden wurde. Die Steigerung des Tauschwertes des Geldes und somit auch des Geldstoffes hätte einen erhehten Anreiz für die Produktion des Geldstoffes gegeben. Kapital und Arbeit aus anderen Produktionszweigen hätten sich der Geldstoffproduktion, konkret gesprochen der Edelmetallgewinnung, zugewendet. Für einzelne Unternehmungen hätte dies zweifellos eine vermehrte Rentabilität bedeutet Aber der Versorgungsstand der Volkswirtschaft hätte darunter gelitten. Die Vermehrung des monetären Zwecken dienenden Edelmetallvorrates hätte die Lage der Individuen nicht verbessert, ihre Bedürfnisbefriedigung nicht erhöht; denn den Gelddienst hätte ebenso auch eine geringere Menge bewältigen können. Anderseits aber wäre die Versorgung der Menschen mit wirtschaftlichen Gütern, welche unmittelbar der Befriedigung ihrer Bedürfnisse dienen, quantitativ verschlechtert worden, wenn ein Teil der sonst zu ihrer Hervorbringung verwendeten Kapitalien und Arbeitskräfte der Edelmetallgewinnung zugeführt worden wäre. Auch abgesehen von den Verschiebungen in der Richtung der Produktion tritt eine Verschlechterung des Versorgungsstandes dadurch ein, daß infolge der aus der monetären Verwendung entspringenden Wertsteigerung der Edelmetalle der für die industrielle Verwendung zur Verfügung stehende Vorrat abnimmt, da gewisse Mengen aus dieser Verwendung in die andere übergeführt werden. Besonders deutlich wird dies alles, wenn wir an eine Volkswirtschaft denken, die die Edelmetalle nicht selbst produziert, sondern einführt. Hier drückt sich der Kostenbetrag in der Warenmenge aus, die an das Ausland zum Zwecke des Eintausches der zusätzlichen Geldstoffmenge abgegeben werden muß. In einem Lande, das die Edelmetalle selbst erzeugt, ist die Sache im Prinzip die gleiche, nur die Berechnung der durch die Vernachlässigung der anderen Produk.. tionszweige und die Bevonugung der Edelmetallgewinnung eintretenden Schädigung des Versorgungsstandes ist eine andere; sie ist vielleicht weniger sichtbar, aber theoretisch ebenso genau erfaßbar. Die Größe der weiteren Schädigung durch Abströmen von Geldstoff in die monetäre Verwendung ist stets durch jene Stoffmenge, die der anderweitigen Verwendung zugunsten der monetären entzogen wurde, gegeben. Wird Kredit- oder Zeichengeld verwendet, dann spricht für die Ausdehnung der abrechnungsmäßigen Zahlungsmethoden und des
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Gebrauches der Umlaufsmittel lediglich das allerdings durchschlagende Moment der Vermeidung von Steigerungen des inneren Tauschwertes des Geldes. Die anderen Gründe entfallen jedoch in dieser Geldverfassung. Das ökonomische Prinzip, den nationalen Geldapparat mit den geringsten Kosten einZ'llrichten und in Tätigkeit Z'Il erhalten, ist hier auf anderem Wege zu erreichen. Es muß zum Beispiel getrachtet werden, die Papiergeldnoten mit den geringsten Produktionskosten herzustellen. Man sieht sofort, daß diesem Problem auch nicht im entferntesten jene quantitative Bedeutung zukommen kann wie dem der Verminderung des monetären Edelmetallbedarfes. Wenn auf die Ausstattung der Noten auch noch so große Sorgfalt verwendet wiJrd, können die Kosten ihrer Erzeugung niemals auch nur annähernd so groß werden wie die der Edelmetallproduktion. Wird dabei noch berücksichtigt, daß die kunstreiche Herstellung der Noten auch eine Schutzmaßregel gegen ihre verbrecherische Nachahmung bildet, so daß schon aus diesem Grunde an Ersparungen auf diesem Gebiete nicht gedacht werden darf, so ergibt sich, daß das Problem der Verminderung der Kosten des Zirkulations apparates bei Verwendung von Kredit- oder von Zeichengeld ein ganz anderes Wesen zeigt als bei Verwendung von Sachgeld.
§ 2. Um die Bedeutung der abrechnungsmäßigen Zahlungsmethoden und der Umlaufsmittel für die Entwicklung des Geldbedarfe::. erschöpfend Z'Il würdigen, muß man sich über die Natur der Veränderungen des Geldbedarfes 'klar werden. Die Bewegungen des Geldbedarfes lassen, was die objektiven Voraussetrungen seiner Entwicklung anbelangt, in allen Volkswirtschaften die Geltung des gleichen Gesetzes erkennen. Die Verbreitung des durch Geld vermittelten Tausch:verfahrens erhöht den Geldbedarf, der Rückgang des indirekten Tausches, die Rückkehr zum Naturaltausch vermindert ihn. Aber auch abgesehen von den Veränderungen in der Anwendung des indirekten Tausches, die in der Gegenwart keine Rolle spielen, vollziehen sich große Änderungen im Geldbedarf, die durch die allgemeine volkswirtschaftliche Entwicklung bedingt sind. Zunahme der Bevölkerung, Fortschreiten der Arbeitsteilung und die damit Hand in Hand gehende Ausbreitung des Tauschverkehres lassen den Geldbedarf der einzelnen und daher auch den der Volkswirtschaft, der sich lediglich als die Summe des v. Mlses, Theorie des Oeldes. 2. Auf(.
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Geldbedarfes der Einze\wirtschaften darstellt, anwachsen, Abnahme der Bevölkerung und Rückbildung der Verkehrswirtschaft bewirken seine Einschränkung. Das sind die großen Wandlungen in der Gestaltung des Geldbedarfes. Innerhalb dieser großen Veränderungen können kleinere periodische Schwankungen beobachtet werden. Solche werden zunächst durch den Wechsel der Konjunktur hervorgerufen, durch den dem modernen Wirtschaftsleben eigentümlichen Wechsel von Aufschwung und Niedergang, gutem und schlechtem Geschäftsgang 1. Wellenberg und Wel1ental der Konjunktur umfassen stets eine mehrjährige Periode. Aber auch innerhalb der einzelnen Jahre, Vierteljahre, Monate, Wochen, ja selbst Tage, gibt es beträchtliche Schwankungen in der Höhe des Ge\dbedarfes. Der Abschluß von Geschäften, die durch Geld vermittelt werden, drängt sich auf bestimmte Zeitpunkte zusammen; und auch wo dies nicht der Fall ist, da wirkt die Übung, die Erfüllung der Geschäfte von seiten des Käufers an gewissen Terminen zu häufen, auf eine Differenzierung des Geldbedarfes. Auf den täglichen Märkten mag es im al1gemeinen wenig zur Geltung kommen, daß der Geldbedarf während der Marktstunden stärker ist als vorher und nachher. Weit deutlicher ist die periodische Steigerung und Verminderung des Geldbedarfes dort zu erkennen, wo sich die Verkehrsakte auf Wochen-, Monats- und Jahresmärkten zusammendrängen. In gleicher Richtung wirkt die Übung, die Löhne der Arbeiter und die Besoldungen der Angestel\ten nicht täglich, sondern wöchentlich, monatlich oder vierteljährlich auszuzahlen. Auch Pachtschi\linge und Mietzinse, Darlehenszinse und Amortisationsquoten werden in der Regel an bestimmten Terminen entrichtet. Die Rechnungen der Schneider, Schuhmacher, Fleischhauer, Bäcker, Buchhändler u. dgl., die Honorare der Ärzte und so fort pflegen vielfach nicht täglich, sondern ·periodisch glatt gestellt zu werden. Die Tendenz, die al1en diesen Einrichtungen innewohnt, erfährt eine gewaltige Verstärkung durch den kaufmännischen Gebrauch, bestimmte Tage als Abwicklungstage, als Zahltage festzusetzen. Medio und Ultimo haben als solche besondere Bedeutung gewonnen, unter den Monatsletzten wieder die Quartalsletzten. Vor allem aber drängen sich die innerhalb einer Vol'kswirtschaft im Jahre zu leistenden Zahlungen im Herbst zusammen, wofür der Umstand ausschlaggebend ist, daß die Land1 Darüber, daß die Konjunkturschwankungen von der Umlaufsmittelpolitik abhängen, vgl. unten S. 374 f.
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wirtschaft aus natürlichen Gründen ihre Hauptgeschäftszeit im Herbst hat. Alle diese Tatsachen sind wiederholt in der eingehendsten Weise statistisch belegt worden; sie sind heute ein Gemeingut aller Ausführungen über Bank- und Geldwesen 1.
§ 3. Man pflegt der durch das Kreditwesen und die sich immer verfeinernde Bankorganisation und -technik angeblich erreichten Elastizität des Zahlungswesens gewöhnlich die Fähigkeit zuzuschreiben, die Größe des vorhandenen Geldvorrates ohne Beeinflussung des zwischen dem Gelde und den übrigen wirtschaftlichen Gütern bestehenden Austauschverhältnisses der jeweiligen Höhe des Geldbedarfs anzupassen. Zwischen der Menge der Kreditumlaufsmittel und der Handlungen des Bankwesens oder der Abmachungen zwischen zwei Kontrahenten, die eine Geldhingabe ersetzen können, einerseits, und ~er Menge des Geldes andererseits, fehle eine feste Beziehung, welche jene von dieser in starre Abhängigkeit bringen könnte. Statt eines festen Quantitätsverhältnisses zwischen Geld und seinen Ersatzmitteln, das heißt also zwischen Geldvorrat und Tauschund Zahlungsakten, sei der Verkehr durch die Organisation der Bankeinrichtungen und des Kreditwesens im allerweitesten Maße von der Geldmenge unabhängig gemacht. Die heutige Organisation des Geld-, Zahlungs- und Kreditwesens habe die Tendenz, Veränderungen in den Quantitätsverhältnissen des Geldes auszugleichen und nicht zur Wirkung kommen zu lassen und die Preise nach Möglichkeit vom Geldvorrat unabhängig zu machen 2. Von anderen wieder wird diese Anpassungsfähigkeit lediglich den Umlaufsmitteln zugeschrieben, der ungedeckten Banknote 3, dem ungedeckten Kassenführungsguthaben 4. Will man die Stichhaltigkeit dieser Behauptungen prüfen, dann muß man sie zunächst von jener Unklarheit befreien, die durch die Vermengung der Wirkungen des Abrechnungssystems und der Umlaufsmittelausgabe entspringt; jede von beiden muß 'einer gesonderten Betrachtung unterzogen werden. 1 Vgl. J evons, ln\'estigations in Currency and finance, a. a. 0., S. 8, 151 H.; Pa I g r ave, Bank Rate and the Money Market in England, france, Germany, Holland and Belgium 1844-1900, London 1903, S. 10M., 138f.; Laughlin, The Principles of Money a. a. O. S. 409 H. 2 Vgl. S pie t hoff, Die Quantitätstheorie, a. a. 0., S. 263 f. a Vgl. Helfferich, Studien, a. a. 0., S. 151f.; Schumacher, a.a.O., S. 5H. 4 Vgl. White, An Elastic Currency, New-York 1893, S.4. 20*
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Der Verringerung des Geldbedarfes im weiteren Sinne, welche die Übung, Gegenforderungen durch Aufrechnung zu tilgen, mit sich bringt, ist eine Grenze zunächst in der Zahl und Größe der mit ihren fälligkeitsterminen zusammenfallenden forderungen und Gegenforderungen gesetzt. Zwischen zwei Subjekten können nicht mehr forderungen und in keinem höheren Betrage kompensiert werden, als zwischen ihnen im gegebenen Augenblick wechselseitig bestehen. Durch Zession an Zahlungsstatt von forderungen an dritte Personen, die vom Zessionar und vom debitor cessus mit forderungen, die diesem gegen jenen zustehen, kompensiert werden, kann das Anwendungsgebiet der Aufrechnung erweitert werden; die Abrechnungsstellen, die heute in allen wichtigeren Handelsplätzen bestehen, beseitigen die technischen und juristischen Schwierigkeiten, die derartigen Zessionen entgegenstehen, und haben damit der Ausbreitung des Kompensationssystems ganz außerordentliche Dienste geleistet. Doch das Abrechnungssystem ist noch einer weiteren Vervollkommnung fähig. Sehr viele Zahlungen, die im Wege der Kompensation getilgt werden könnten, werden noch durch effektive Geldzahlung beglichen. Denken wir uns den Abrechnungsverkehr ganz ausgebaut, so daß bei allen Zahlungen, selbst bei denen des täglichen Kleinverkehrs der Konsumenten und Detaillisten, was wohl aus praktischen Gründen nicht leicht wirklich eintreten kann, zuerst die Tilgung durch Aufrochnung versucht wird, dann stoßen wir auf eine zweite Grenze der Entwicklung des Abrechnungssystems, die jedoch im Gegensatz zur ersten nicht übersteigbar ist. Vollständige Kompensation aller in einem gegebenen Augenblick zu leistenden Geldübertragungen wäre selbst im Beharrungszustand der Volkswirtschaft, in dem keine Verschiebungen in den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Einzelwirtschaften und in der Größe ihrer Kassenhaltungen eintreten, nur dann möglich, wenn die Geldeinnahmen und Oeldausgaben der Individuen zeitlich zusammenfallen würden, so daß jedermann die empfangenen Geldbeträge sogleich wieder verausgabt, und niemand für unvorhergesehene und unbestimmte Ausgaben einen Geldbetrag als "Kassa" bereit zu halten gewillt wäre. Da nun aber diese Voraussetzungen nicht zutreffen, ja niemals zutreffen können, solange noch überhaupt Geld als allgemeines Tauschmittel nachgefragt wird, ergibt sich, daß die Höchstsumme der einer Abwicklung im Abrechnungsverkehr fähigen Übertragungsakte starr begrenzt ist. Der Geldbedarf einer Volkswirt-
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schaft im weiteren Sinne kann auch durch die vollkommenste Ausgestaltung des Kompensationssystems nicht unter ein aus den Verhältnissen gegebenes Mindestmaß hinunter gedrückt werden. Wieweit sich innerhalb dieses Spielraumes, der unter den jeweils obwaltenden Umständen für die Entwicklung des Abrechnungsverkehres frei ist, tatsächli<:h ein solcher entwickelt, hängt nun in keiner Weise von der Gestaltung des Verhältnisses zwischen Geldbedarf und Ge1dvorrat ab. Ein verhältnismäßiges Sinken des einen oder des anderen kann selbsttätig weder einen unmittelbaren noch einen mittelbaren Einfluß auf die Ausbildung des Kompensationswesens ausüben. Diese ist stets auf besondere Ursachen zUTÜdczuführen. Man ist ebensowenig berechtigt, anzunehmen, daß die fortschreitende Ausbreitung der abrechnungsmäßigen Abwicklung in eben dem Maße den Geldbedarf hinabdrückt, in dem ihn die steigende Entwicklung des Verkehrs hinauftreibt, wie zu vermuten, daß das Umsichgreifen des Abrechnungssystems das Tempo der Steigerung des Geldbedarfes niemal5. überflügeln kann. Beide Entwicklungsreihen sind vielmehr voneinander vollkommen unabhängig. Eine Beziehung zwischen ihnen besteht nur insofern, als in einer Periode, in der Tendenzen zur Steigerung des inneren objektilven Tauschwertes des Geldes stärker hervortreten, Bestrebungen, die diesen Tendenzen zielbewußt durch Verminderung des Geldbedarfes im Wege einer besseren Ausgestaltung des Abrechnungsverkehres entgegenzuarbeiten trachten, kräftiger gefördert werden dürften als in einer Periode, in der Tendenzen zur Verminderung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes obwalten; vorausgesetzt natürlich, daß die Verhinderung einer Steigerung der Kaufkraft des Geldes als Ziel der Geldwertpolitik erkannt wurde. Dabei aber handelt es sich nicht mehr um eine automatische Korrektur der Bewegungselemente des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes, sondern um politische Experimente zu seiner Beeinflussung, und es bleibt zweifelhaft, wie weit diese Maßregeln von Erfolg begleitet werden. Man erkennt somit unschwer, wie wenig gerechtfertigt es ist, dem Abrechnungssystem die Kraft zuzuschreiben, das Auftreten eines Mißverhältnisses zwischen Geldvorrat und Geldbedarf, welches sonst nur durch entsprechende, sich automatisch auslösende Veränderungen des zwischen dem Geld und den übrigen wirtschaftlichen Gütern bestehenden Austauschverhältnisses beseitigt werden könnte, bei konstantem inneren objektiven Tauschwert des Geldes auszu-
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gleichen. Die Entwicklung des Abrechnungsverkehrs ist von den übrigen Faktoren, die das Verhältnis zwischen Geldangebot und Geldnachfrage bestimmen, unabhängig. Die Einwirkungen der Ausbreitung oder Rückbildung des Kompensationsystems auf den Geldbedarf sind mithin eine selbständige Erscheinung, weIche die aus anderen Ursachen auf dem Markte das Austauschverhältnis zwischen Geld und Ware beeinflussenden Tendenzen ebensogut stärken als schwächen kann. Es ist wohl selbstverständlich, daß ein Steigen der Zahl und Größe der Umsätze nicht ganz auf die Gestaltung des Geldbedarfs einzuwirken vermag. Ein Teil der neuen Umsätze wi·rd im Abrechnungsverkehr zur Abwicklung gelangen; denn auch dieser wird caeteris paribus eine solche Erweiterung erfahren, daß er auch fernerhin denselben aliquoten Teil aller Umsätze wie früher zur Abwicklung bringt. für den anderen Teil der Umsätze könnte eine abrechnungsmäßige Tilgung nur dann platzgreifen, wenn eine Erweiterung des Abrechnungsverkehrs über das hergebrachte Maß hinaus platzgreift; eine solche Erweiterung kann aber niemals automatisch durch die Steigerung des Geldbedarfs ausgelöst werden.
§ 4. Die Lehre von der Elastizität der Umlaufsmittel, richtiger ausgedrückt von ihrer automatischen Anpassung an den augenblicklichen Geldbedarf im weiteren Sinne, steht im Mittelpunkte der modernen banktheoretischen Auseinandersetzungen. Es wird zu zeigeR sein, daß sie den Tatsachen nicht, oder zumindest nicht in der form, in der sie gewöhnlich verkündet und verstanden wird, entspricht; mit diesem Nachweis fällt auch zugleich eines der wichtigsten Argumente der Gegner der Quantitätstheorie 1. Tooke, fullarton, Wilson und ihre älteren englischen und deutschen Anhänger lehren, daß es nicht in der Macht der Notenbanken stehe, ihren Notenumlauf zu vergrößern oder zu vermindern. Die zirkulierende Notenmenge sei durch den Bedarf der Volkswirtschaft an Umsatzmitteln gegeben. Wenn die Zahl und Größe der Umsätze im Wachsen sei, dann müßten auch die Umsatzmittel in Zahl und Größe wachsen; wenn die Zahl und Größe der Umsätze zurückgehe, dann müßten notwendigerweise auch. die Umsatzmittel in Zahl und Größe eine Verminderung erleiden. Ausdehnung und Zusammenziehung der umlaufenden Notenmenge sei niemals die Ursache, stets nur die Wirkung von Veränderungen, die sich im 1
Vgl. oben S. 131 f.
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Geschäftsleben vollziehen. Das Verhalten der Banken sei dabei lediglich passiv; sie beeinflussen nicht die Umstände, welche die Höhe des Gesamtumlaufes bestimmen, sondern werden von ihnen beeinflußt. Jeder Versuch, die Notenausgabe über die durch die allgemeinen Produktions- und Preisverhältnisse bedingten Grenzen auszudehnen, werde sofort durch die Rückströmung der überschüssigen Noten vereitelt, weil der Verkehr ihrer zur Bewältigung der Umsätz~ nicht bedürfe. Umgekehrt bewirke jeder Versuch einer willkürlichen Verminderung des Notenumlaufes einer Bank nur das, daß die Lücke sofort von einer anderen konkurrierenden Bank ausgefüllt werde; sei dies aber nicht möglich, etwa weil die Notenausgabe gesetzlich beschränkt werde, dann schaffe sich der Verkehr selbst andere Zirkulationsmittel, zum Beispiel Wechsel, die an Stelle der Noten treten 1. Es entspricht den von den Banking-Theoretikern vorgetragenen Anschauungen von der Wesensgleichheit der Kassenführungsguthaben und der Noten, wenn man das, was sie in diesem Punkte von den Noten sagen, auch von den Kassenführungsguthaben gelten läßt. In diesem Sinne wird die Lehre von der Elastizität der Umlaufsmittel heute allgemein verstanden 2; nur in diesem Sinne allein kann sie überhaupt auch nur mit einern Schein von Berechtigung verteidigt werden. Als allgemein zugegeben wird ferner angenommen, daß die Umlaufsmittel ni~ht aus Mißtrauen des Publikums gegen die ausgebendf" Bank zu dieser zurückkehren, um, sei es als Noten zur Bareinlösung präsentiert, sei es als Guthaben zurückgezogen zu werden. Auch diese Annahme stimmt mit den Lehren Tookes und seiner Anhänger überein. Der Grundirrtum der Banking-Schule liegt in dem Verkennen des Wesens der Umlaufsmittelausgabe. Wenn die Bank einen Wechsel diskontiert oder sonst ein Darlehen gewährt, dann tauscht sie ein Zukunftsgut für ein Gegenwartsgut ein. Da die Emissionsstelle die gegenwärtigen Güter, die sie im Tausche hingibt, die Umlaufsmittel, gewissermaßen aus dem Nichts schafft, könnte von einer natürlichen Begrenzung ihrer Menge nur dann gesprochen werden, 1 Vgl. T 00 k e, An Inquiry into the Currency Principle, London 1844, S.6Off., 122f.; fullarton, a. a. 0., S. 82ff.; Wilson, Capital, Currency and Banking, London 1847, S. 67ff.; Mi 11, Principles, a. a. 0., S. 395ff.; Wagn er, Geld- und Kredittheorie, a. a. 0., S. 135 H. Über Mi 11 s geringe Konsequenz in dieser frage vgl. WiekseIl, a. a. 0., S.7Sf. 2 Vgl. Lau g h li n, Principles, a. a. 0., S. 412.
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wenn die Menge der künftigen Güter, die bereits jetzt auf dem Darlehensmarkte zum Austausch gegen gegenwärtige Güter gelangen, fest begrenzt wäre. Das ist aber keineswegs der fall. Durch äußere Umstände ist zwar die Menge der künftigen Güter beschränkt, nicht aber die der künftigen Güter, die bereits jetzt auf dem Markte in Geldform angeboten werden. Die Emittenten der Umlaufsmittel sind in der Lage, durch Herabsetzen der von ihnen verlangten Zinsenvergütung unter den natürlichen Kapitalzins, das heißt unter jenen Zinssatz, der durch Angebot und Nachfrage festgestellt werden würde, falls die Realkapitalien ohne Vermittlung des Geldes in natura dargeliehen würden 1, die Nac:hfrage nach Umlaufsmitteln ru steigern, wogegen diese umgekehrt vollkommen aufhören müßte, sobald der Bankzinsfuß über den natürlichen Kapitalzins hinaus gesteigert werden würde. Die Nachfrage nach Geld und Geldsurrogaten, die auf dem Darlehensmarkte auftritt, ist in letzter Linie Nachfrage nach Kapitalgütern oder, wenn es sich um Konsumtivkredite handelt, nach Genußgütern. Wer "Geld" zu leihen sucht, benötigt dieses ausschließlich zur Beschaffung anderer wirtschaftlicher Güter. Auch wenn er nur seinen Kassenbestand ergänz:en will, hat dies keinen anderen Zweck, als sicb die Möglichkeit zu verschaffen, im gegebenen Augenblick andere Güter einzutauschen. Nicht anders ist es, wenn er das Geld zur Leistung fälliger Zahlungen benötigt; in diesem falle ist es eben der Zahlungs empfänger, der mit dem erhaltenen Gelde andere wirtschaftliche Güter einzukaufen beabsichtigt. Die spezifische Nachfrage nach Geld und Geldsurrogaten, welche für die Gestaltung des zwischen dem Geld und den übrigen ,wirtschaftlichen Gütern bestehenden Austauschverhältnisses maßgebend ist, gelangt nur im Verhalten der Individuen bei Käufen und Verkäufen von anderen wirtschaftlichen Gütern zum Ausdruck. Nur da, wenn es sich etwa um den Tausch von Geld gegen Brot handelt, wird die Rangordnung, die den zum Austausch gelangenden wirtschaftlichen Gütern Geld und Ware in der Wertschätzung der beteiligten Individuen rukommt, ermittelt und danach gehandelt; daraus ergibt sich dann das konkrete Austauschverhältnis in seiner zahlenmäßigen Bestimmtheit. Wenn aber ein Darlehen in Geld begehrt wird, das wieder in Geld zurückerstattet werden soll, dann ist von solchen Erwägungen nicht die Rede. Dann wird eben nur 1
VIlI. WiekseIl, a. a. 0., S. V.
Umlaufsmittel und Geldbedarf.
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die Wertverschiedenheit gegenwärtiger und künftiger Güter in Betracht gezogen, und sie al~ein ist für die Bildung des Austauschverhältnisses, für die Höhe des Zinssatzes maßgebend. Die Banking-Theorie ist denn auch außerstande, den Nachweis dafür zu erbringen, daß nicht mehr Umlaufsmittel in den Verkehr gesetzt werden können, als durch bestimmte, nicht vom Willen der Emittenten abhängige Umstände bedingt ist. Sie hat daher ihr Hauptaugenmerk auf den Nachweis der Behauptung gerichtet, daß jede überzählige Umlaufsmittelmenge aus dem Verkehr wieder zur ausgebenden Stelle zurückgetrieben werde. Im Gegensatz zum Geld kommen Umlaufsmittel nicht als Zahlung, sondern als Darlehen auf den Markt, lehrt Fullarton; sie müssen daher automatisch zur Bank zurückströmen, wenn das Darlehen zurückgezahlt wird 1. Gewiß. Er übersieht jedoch dabei, daß der Schuldner die für die Rückzahlung der Darlehenssumme erforderliche Umlaufsmittelmenge sich auch durch Aufnahme eines neuen Darlehens verschafft haben kann. In Ausführung von Gedankengängen, die sich schon bei Fullarton und den anderen Schriftstellern seines Kreises finden, und in Anlehnung an gewisse Institutionen des englischen und des kontinentalen Bankwesens, die freilich eine ganz andere Bedeutung für die Praxis haben als jene, die ihnen fälschlich zugeschrieben wird, hat dann die neuere banktheoretische Literatur die Bedeutung des kurzfristigen Warenwechsels für die Fundierung eines elastischen Umlaufsmittelwesens in den Vordergrund treten lassen. Dem Zahlungswesen könne Anpassungsfähigkeit an den stark wechselnden Bedarf in vollkommenstem Maße verliehen werden, wenn es mit dem Bedarf an Zahlungsmitteln in unmittelbaren ursächlichen Zusammenhang gebracht werde. Das kann nach Schumacher nur durch die Banknoten geschehen, und sei in Deutschland dadurch erreicht worden, daß die Banknoten auf die Warenwechsel basiert werden, deren Menge mit der Intensität des Wirtschaftslebens zu- und abnimmt. Mittels des Diskontgeschäftes werden an Stelle der zinstragenden Warenwechsel, die nur beschränkt umlaufsfähig sind, weil sie auf stets verschiedene individuelle Beträge lauten, in ihrer Gültigkeit zeitlich begrenzt sind und in ihrer Güte vom Kredit zahlreicher Privatpersonen abhängen, Banknoten ausgegeben, die von einer allgemein bekannten halböffentlichen Anstalt in großen Mengen auf 1
Vgl. fullarton, a. a. 0., S.64.
Drittes Kapitel.
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stets die gleichen runden Beträge ohne zeitliche Beschränkung ausgestellt werden und deshalb eine weit umfassendere, dem Metallgeld ähnliche Umlaufsfähigkeit besitzen. Mit der Einlösung des eskomptierten Wechsels finde dann ein Umtausch in umgekehrter Richtung statt; die Banknoten - oder statt ihrer Metallgeld strömen, die Menge der umlaufenden Zahlungsmittel mindernd, zur Bank zurück. Wenn das Geld richtig als eine Anweisung auf Gegenleistungen für Vorleistungen definiert werde, dann entspreche eine Banknote, die auf d.en akzeptierten Warenwechsel gegri1ndet ist, diesem Begriff in vollkommenem Maße, da sie Leistung und Gegenleistung eng miteinander verknüpfe und nach vermittelter Gegenleistung aus dem Umlauf regelmäßig wieder verschwinde. Durch eine solche mittels des Warenwechsels hergestellte organische Verbindung der Banknotenausgabe mit dem Wirtschaftsleben werde es somit erreicht, daß die Menge der umlaufenden Zahlungsmittel sich dem wechselnden Bedarf an Zahlungsmitteln automatisch anpaßt. Je vollkommener dies geschehe, um so mehr sei es ausgeschlossen, daß das Geld :;elbst die Preise beeinflussende Wertveränderungen erleidet, und um so mehr werde die Preisbildung allein durch die Gestaltung von Angebot und Nachfrage auf dem Warenmarkte bestimmt werden 1. Demgegenüber muß man sich zunächst die frage vorlegen, womit die Aufstellung eines Wesensunterschiedes zwischen Banknoten und anderen Geldsurrogaten, zwischen nicht durch Geld gedeckten Banknoten und den übrigen Umlaufsmitteln, gerechtfertigt werden kann. Das Kassenführungsguthaben, über das mit Scheck jederzeit verfügt werden kann, ist, von einigen nebensächlichen technischen und juristischen Punkten, die es für den Kleinverkehr und bestimmte Zahlungen unverwendbar erscheinen lassen, abgesehen, ein ebenso taugliches Geldsurrogat wie die Banknote. Es ist für die nationalökonomische Betrachtung gleichgültig, ob die Bank einen Wechsel durch Ausbezahlung der Valuta in Noten oder durch Gutschrift auf Girokonto eskomptiert; banktechnisch mögen gewisse Unterschiede vorhanden sein, die dem Kassenbeamten wichtig erscheinen können. Ebensowenig ka~n es wesentlich sein, ob die Bank Umlaufsmittel lediglich im Wechseldh-,kontgeschäft ausgibt oder ob sie auch andere kurzfristige Darlehen gewährt. Der Wechsel ist nichts anderes als 1
Vgl. Schurnacher, a. a. 0., S.112i.
Umlaufsmittel und Geldbedarf.
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eine juristisch und handelstechnisch besonders qualifizierte Form eines Schuldscheines. Volkswirtschaftlich kann zwischen einer Wechselforderung und einer anderen Forderung gleicher Güte und gleicher Verfallszeit kein Unterschied gefunden werden. Und der Warenwechsel wieder ist nur juristisch von einer offenen Buchschuld, die durch den Abschluß eines Kreditkaufgeschäftes entstanden ist, verschieden. Es läuft mithin die Lehre von der Elastizität der auf den Warenwechsel basierten Notenzirkulation hinaus auf die Lehre von der Elastizität einer Umlaufsmittelzirkulation, die durch Belehnung von kurzfristigen, aus Kreditverkäufen stammenden Forderungen entsteht. Die Zahl und der Umfang der Kreditkäufe und Kreditverkäufe sind nun von der durch die Banken, die Emittenten der Umlaufsmittel, befolgten Kreditpolitik keineswegs unabhängig. Eine Erschwerung der Kreditbedingungen muß ihre Zahl vermindern, eine Erleichterung vergrößern. Nur der kann unter Stundung des Kaufpreises verkaufen, der augenblicklich kein Geld benötigt; in diesem Falle wird aber eine Inanspruchnahme des -Bankkredits überhaupt nicht eintreten. Wer aber momentan Geld benötigt, kann nur dann Kreditverkäufe abschließen, wenn er Aussicht hat, die ihm aus diesem Geschäft erwachsenden Forderungen sogleich zu Geld machen zu können. Die übrigen Kreditgeber können nur so viel gegenwärtige Güter auf dem Darlehensmarkte zur Verfügung stellen, als sie gerade besitzen. Anders die Banken, die sich durch Ausgabe von Umlaufsmitteln neue Gegenwartsgüter zu schaffen vermögen. Sie sind imstande, alle an sie herantretenden Kreditansprüche zu befriedigen. Die Größe dieser Ansprüche hängt aber lediglich von dem Preise ab, den sie für die Kreditgewährung fordern. Gehen sie mit ihrer Zinsforderung unter das Niveau des natürlichen Kapitalzinses hinunter - und das müssen sie tun, wenn sie überhaupt Geschäftc· durch Neuausgabe von Umlaufsmitteln machen wollen; sie kommen doch mit einem neuen Kreditangebot auf den Markt -, dann werden diese Ansprüche wachsen. Wenn die Darlehen, die von der Bank durch Ausgabe von Umlaufsmitteln gewährt wurden, zur Rückzahlung fällig werden, dann kehrt allerdings ein entsprechender Betrag von Umlaufsmitteln zu ihr zurück, wodurch die zirkulierende Menge vermindert wird. Gleichzeitig werden aber von der Bank neue Darlehen erteilt, und neue Umlaufsmittel strömen in den Verkehr. Der Anhänger der
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Drittes Kapitel.
Warenwechseltheorie wird freilich einwenden: Nur wenn neue Warenwechsel entstanden sind und zum Diskont eingereicht werden, kann eine weitere Ausgabe von Umlaufsmitteln Platz greifen. Das ist ganz richtig. Ob aber neue Warenwechsel entstehen, hängt eben VOll der Kreditpolitik der Banken ab. Vergegenwärtigen wir uns einmal den Lauf eines Warenwechsels oder, richtiger gesagt, einer Kette von Warenwechseln. Ein Baumwollhändler hat rohe Baumwolle an einen Spinner verkauft. Er zieht auf den Spinner und läßt das von diesem akzeptierte Dreimonatspapier diskontieren. Nach Ablauf der drei Monate wird das Akzept dem Spinner von der Bank zur Zahlung präsentiert und von ihm eingelöst. Den erforderlichen Barbetrag beschafft sich der Spinner, der die Baumwolle mittlerweile versponnen und das Garn an einen Weber verkauft hat, durch Begebung einer auf den Weber gezogenen und von diesem akzeptierten Tratte. Ob diese beiden Kauf-VerkaufOperationen zustandekommen, hängt nun hauptsächlich von der Höhe des Bankdiskonts ab. Der Verkäufer, einmal der Baumwollhändler, das zweite Mal der Spinner, benötigt das Geld sogleich; er kann den Verkauf nur dann unter Stundung des Kaufpreises durchführen, wenn die in drei Monaten fällige Kaufsumme nach Abzug des Diskonts jenen Betrag zumindest erreicht, unter dem er seine Ware zu verkaufen nicht gewillt ist. Es bedarf keiner weiteren Erläuterung, welche Bedeutung in diesem Kalkül der Höhe des Bankdiskonts zukommt. Unser Beispiel verliert auch dann nicht an Beweiskraft, wenn wir annehmen, daß die verkaufte Ware im Laufe der drei Monate, die der Wechsel läuft, bis zum Konsumenten gelangt und von diesem ohne direkte Inanspruchnahme von Kredit bezahlt worden sei. Denn auch die Beträge, welche die Konsumenten zu diesem Zweck verwenden, sind ihnen als Arbeitslohn oder als Unternehmergewinn aus jenen Geschäften zugeflossen, die nur durch die Kreditgewährung der Banken ermöglicht wurden. Wenn wir die Menge der zum Diskont eingereichten Warenwechsel zu gewissen Zeiten anschwellen, zu anderen wieder abnehmen sehen, dann dürfen wir nicht schon voreilig den Schluß dahin ziehen, daß diese Schwankungen aus Veränderungen in dem Oeldbedarf der Einzelwirtschaften zu erklären seien. Die folgerung, die allein zulässig wäre, ist die, daß zu den von den Banken augenblicklich aufgestellten Bedingungen keine größere Anzahl von Kreditgesuchen gestellt werden. Nähern die Umlaufsmittelbanken den Zins-
Umlaufsmittel und Oeldbedarf.
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fuß ihrer Aktivgeschäfte an den natürlichen Kapitalzins an, dann sinkt der Umfang der an sie herantretenden Ansprüche; ermäßigen sie ihren Zinsfuß, so daß er sich vom natürlichen Kapitalzins stärker nach unten entfernt, dann wachsen diese Ansprüche. Die Ursache der Schwankungen der Inanspruchnahme des Zirkulationskredites der Umlaufsmittelbanken ist nirgends anders zu suchen als in der von ihnen befolgten Kreditpolitik. Die Banken haben es vermöge der ihnen zustehenden Macht, Zirkulationskredit durch Ausgabe von Umlaufsmitteln zu erteilen, in der Hand, die zirkulierende Gesamtmenge des Geldes und der Geldsurrogate ins Grenzenlose zu vermehren. Sie können durch die Ausgabe von Umlaufs mitteln den Geldvorrat im weiteren Sinne derart vermehren, daß eine Steigerung des Geidbedarfes, die sonst zu einer Steigerung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes führen müßte, in ihren Wirkungen auf die Geldwertgestaltung paralysiert wird. Sie können durch Einschränkung in der Darlehensgewährung die zirkulierende Geldmenge im weiteren Sinne derart vermindern, daß eine Verringerung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes, die aus irgendwelchen anderen Ursachen eintreten müßte, vermieden wird. Das kann, wie gesagt, unter Umständen eintreten. Aber in dem ganzen Mechanismus der Zirkulationskrediterteilung und der Art und Weise, in der die Umlaufs mittel entstehen und wieder zur Ausgabestelle zurückkehren, liegt nichts, das notwendigerweise zu einem solchen Erfolg führen müßte. Es kann zum Beispiel genau so gut geschehen, daß die Banken eine Vermehrung der Umlaufsmittelausgabe gerade in einem Augenblick eintreten lassen, in dem ein Rückgang des Geldbedarfes im weiteren Sinne oder eine Vermehrung des Geldvorrates im engeren Sinne zu einer Verringerung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes führt; dann werden sie durch ihr Eingreifen die bestehende Tendenz zur Umgestaltung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes verstärken. Die Umlaufsmittelzirkulation ist eben nicht in dem Sinne elastisch, daß sie automatisch den Geldbedarf dem Geldvorrat ohne Beeinflussung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes anpaßt, wie fälschlich behauptet wird; sie ist nur in dem Sinne elastisch, daß sie jede, auch völlig grenzenlose Ausdehnung der Zirkulation ebenso wie jede Einschränkung zuläßt. Die Menge der zirkulierenden Umlaufsmittel ist durch keine natürliche Schranke eingeengt. Will man sie aus irgendwelchen Gründen einschränken, dann muß man sie durch ziel-
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Drittes Kapitel.
bewußtes menschliches Eingreifen (Bankpolitik) in irgendeiner Weise binden. Dies alles gilt natürlich nur unter der Voraussetzung, daß alle Banken bei der Ausgabe von Umlaufsmitteln nach einheitlichen Grundsätzen vorgehen oder daß überhaupt nur eine einzige Bank Umlaufsmittel ausgibt. Eine einzelne Bank, die neben zahlreichen Konkurrenten ihre Geschäfte betreibt, ist nicht in der Lage, eine selbständige Diskontpolitik einzuschlagen. Kann sie mit Rücksicht auf das Verhalten ihrer Konkurrenten den Zinsfuß in den Geschäften des Zirkulationskredites nicht mehr weiter ermäßigen, dann vermag sie - ohne Erweiterung ihres! Kundenkreises - nur dann mehr Umlaufsmittel in den Verkehr zu bringen, wenn eine Nachfrage darnach auch bei einem gegenüber den Kreditbedingungen der mit ihr in Wettbewerb stehenäen Banken nicht geminderten Zinsfuß besteht. So sehen wir die Banken den periodischen Schwankungen des Geldbedarfes bis zu einem gewissen Grade Rechnung tragen. Sie vermehren ihre Zirkulation und vermindern sie parallel mit den Veränderungen des Geldbedarfes, soweit ihnen die Einhaltung einer unabhängigen Zinspolitik wegen des Mangels eines einheitlichen Vorgehens nicht mögHch ist. Damit aber tragen sie zur Stabilisierung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes bei. Darin hat also die Theorie von der Elastizität der Umlaufsmittelzirkulation recht; sie hat eine auf dem Markte zutage tretende Erscheinung richtig erfaßt, wenn sie auch die Ursache völlig mißverstanden hat. Und eben weil sie für die Erklärung der von ihr festgestellten Erscheinung ein falsches Prinzip verwendet hat, versperrte sie sich auch vollkommen den Weg zur Erfassung einer zweiten auf dem Markte herrschenden Tendenz, die von der Umlaufsmittelzirkulation ausgeht. Sie konnte übersehen, daß, soweit die Banken einheitlich vorgehen, ein beständiges Anschwellen der Umlaufsmittelzirkulation und demzufolge ein Sinken des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes eintreten muß.
§ S. Der durch das deutsche Bankgesetz vom 14. März 1875 (§ 17) statuierten gesetzlichen Beschränkung der bankmäßigen Notendeckung auf Wechsel, die von der Praxis vielfach dahin verstanden wurde, daß es sich stets um Warenwechsel handeln müsse, kommt in der Tat eine ganz andere Bedeutung zu, als landläufig behauptet wird. Sie macht die Notenausgabe nicht elastisch, sie bringt sie auch
Umlaufsmittel und Geldbedarf.
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nicht, wie irrtümlich geglaubt wird, in einen organischen Zusammenhang mit dem Geldbedarf des Landes; das alles sind Täuschungen. die längst überwunden sein sollten. Sie hat auch nicht die Bedeutung für die Aufrechterhaltung der Einlösungsmöglichkeit der Noten, die ihr zugeschrieben wird; dies wird noch später des näheren auszuführen sein. Die Beschränkung der metallisch nicht gedeckten Notenausgabe, also der Umlaufsmittelausgabe in Gestalt von Banknoten, ist die Grundtendenz des eine fortbildung der Peelschen Akte darstellenden deutschen Geseires. Und im Rahmen der zahlreichen und vielgestaltigen Erschwernisse", die zu diesem Zwecke aufgestellt wurden. nimmt auch die strenge Vorschrift über die Anlage der der Notenausgabe gegenüberstehenden Aktiva einen nicht ganz unwichtigen Platz ein. Daß diese nicht aus forderungen schlechthin, sondern aus Wechselforderungen bestehen müssen, daß die Wechsel eine Verfallszeit von höchstens drei' Monaten haben müssen, daß aus ihnen in der Regel drei, mindestens aber zwei als zahlungsfähig bekannte Verpflichtete haften müssen, das alles engt die Notenausgabe ein. Schon von vornherein wird ein beträchtlicher Teil des nationalen Kreditbedarfes von der Bank ferngehalten. In derselben Weise wirkt die noch weiter gehende Beschränkung der Notendeckung auf bloße Warenwechsel, wie sie zweifellos vom Gesetzgeber beabsichtigt war, wenn auch die Aufnahme einer ausdrücklichen Bestimmung darüber in das Bankgesetz, wohl wegen der Unmöglichkeit, den Begriff des Warenwechsels gesetzlich zu umschreiben, unterblieb. Daß in dieser Beschränkung immerhin eine Einengung der Ausgabe von Umlaufsmitteln gelegen ist, erhellt am' besten aus der Tatsache, daß die Zahl der Warenwechsel schon zur Zeit des lnslebentretens des Bankgesetzes eine begrenzte war und daß sie seither, trotzdem der Kreditbedarf mittlerweile bedeutend gestiegen ist, so sehr zurückgegangen ist, daß die Reichsbank auf Schwierigkeiten stößt, wenn sie für ihre Anlagen, ohne Verminderung des Umfanges ihrer Kreditgewährung, nur solche Wechsel aussuchen will 1 .
§ 6. Die Darlehensgesuche, die an die Banken herantreten, sind nicht Gesuche um Überlassung von Geld, sondern um Überlassung von anderen wirtschaftlichen Gütern. Der Darlehenswerber sucht I Vgl. Pr ion, Das deutsche Wechseldiskontgeschäft , Leipzig l1J07, S. 12Off., 291 H.
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Drittes Kapitel.
Kapital, nicht Geld; er sucht Kapital in Geldform, weil allein die Verfügung über Geld ihm die Möglichkeit bietet, auf dem Markte alle jene Realkapitalien zu erwerben, die er gerade benötigt. Die eigentümliche Erscheinung, deren Wesen den Nationalökonomen seit mehr als hundert Jahren die schwierigsten Rätsel aufgegeben hat, besteht nun darin, daß das Bedürfnis der Kreditsucher nach Kapital von den Banken durch Ausgabe' von Geldsurrogaten befriedigt wird; es ist klar, daß es sich dabei nur um eine vorläufige Befriedigung der Kapitalansprüche handeln kann. Aus dem Nichts können die Banken kein Kapital ins Leben rufen; wenn die Umlaufsmittel den Begehr nach Kapital stillen, somit den Darlehensempfängern wirklich die Herrschaft über Kapitalgüter sichern, dann müssen wir uns erst nach der Quelle umsehen, aus der dieser Kapitalzufluß kommt. Es wird nicht besonders schwer sein, sie aufzudecken: Wenn die Umlaufsmittel als Geldsurrogate alle Dienste des Geldes leisten, wenn sie den Geldvorrat der Menschen im weiteren Sinne vermehren, dann muß ihre Ausgabe von entsprechenden Einwirkungen auf die Gestaltung des zwischen dem Oelde und den übrigen wirtschaftlichen Gütern bestehenden Austauschverhältnisses begleitet sein. Die Kosten der Kapitalbeschaffung für die Empfänger der in Umlaufsmitteln gewährten Darlehen tragen alle jene, welche durch die eintretenden Veränderungen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes geschädigt werden; der Gewinn aus der ganzen Transaktion aber kommt sowohl den Emittenten der Umlaufsmittel, die ihn freilich mitunter mit anderen Subjekten teilen müssen (man denke zum Beispiel an die verzinslichen Kassenführungsguthaben oder an die Beteiligung der Staaten am Reingewinn der Notenbanken) als auch den Kreditnehmern zugute. Die Unternehmer, die sich an die Bank um Darlehen wenden, leiden immer an Kapitalmangel ; es' ist niemals Geldmangel im eigentlichen Sinne des Wortes, der sie zwingt, ihre Wechsel zum Eskompt einzureichell' Dieser Kapitalmangel kann unter Umständen bloß ein vorübergehender sein; er kann aber auch in anderen Fällen wieder dauernd sein. Bei den vielen Unternehmungen, die jahraus, jahrein ständig den kurzfristigen Bankkredit in Anspruch nehmen, ist der Kapitalmangel ein dauernder Zustand. Es ist für die Probleme, mit denen wir es hier zu tun haben, gleichgültig, in welchen Umständen der Kapitalmangel des Unternehmers seine Ursache hat. Selbst das mag zunächst als neben-
Umlaufs mittel und Oeldbedarf.
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sächlich außer Betracht bleiben, ob es sich um Mangel an Anlagekapital oder um Mangel an Betriebskapital handelt Man hört mitunter die Ansicht vertreten, es sei ungerechtfertigt, Teile des Anlagekapitals im Wege des Zirkulationskredites zu beschaffen, wogegen diese Art der Kapitalsbeschaffung für das Betriebskapital minder bedenklich erscheine. In den bankpolitischen Erörterungen der letzten Jahre haben ähnliche Argumente eine große Rolle gespielt. Man hat den Banken zum Vorwurf gemacht, daß sie einen wesentlichen Teil der von ihnen ausgegebenen Umlaufsmittel zur Kreditgewährung an industrielle Unternehmungen, die nicht Betriebs-, sondern Anlagekapital suchen, verwendet und damit die Liquidität ihres Status gefährdet haben; man hat gesetzliche Vorschriften verlangt, welche die Beschaffenheit der Aktiven, die als Gegenpost den aus der Umlaufsmittelausgabe entstandenen Verpflichtungen gegenüberstehen, auf leichtflüssige Anlagen beschränken sollen. Welche Bedeutung derartige Bestimmungen haben, die für diejenigen Umlaufsmittel, welche die form von Kassenführungsguthaben tragen, Ähnliches verfügen sollen, wie solches schon früher unter der Einwirkung der Lehren der Currency-Theorie für die Notenausgabe geschehen ist, ist schon erwähnt worden. Es konnte festgestellt werden, worauf noch in den weiteren Ausführungen zurückzukommen sein wird, daß auch diese wie alle ähnlichen Beschränkungen einen praktischen Wert lediglich als Hemmnis der grenzenlosen Vermehrung der Umlaufs mittel besitzen. Einen Bestandteil des Betriebskapitals einer jeden Unternehmung bildet auch der für ihre Zwecke bereit gehaltene Kassenvorrat Sieht sie sich aus irgendeinem Grunde genötigt, ihren Kassenbestand zu vermehren, so ist darin eine Vergrößerung des Unternehmungskapitals zu erblicken. Nimmt sie zu diesem Behufe Kredit in Anspruch, dann ist dies in keiner Weise anders zu beurteilen als ein Kreditbegehren, das aus einer beliebigen anderen Ursache geltend gemacht wird, zum Beispiel wegen Ausgestaltung der maschinellen Einrichtung oder dergleichen. Nun muß aber auf eine Ers'cheinung aufmerksam gemacht werden, wodurch, wenn auch nichts Neues zu dem schon früher Gesagten hinzugefügt wird, einige wichtige Vorgänge des Geld- und Kapitalverkehres in ein helleres Licht gerückt werden können. Es wurde schon wiederholt erwähnt, daß die Gepflogenheit des Verkehres die fälligkeitstermine für Zahlungen aller Art auf bestimmte Tage zuv. Mises, Theorie des Oeldes. 2. Auf!.
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Drittes Kapitel.
sammendrängt, SO daß an diesen dann ein weitaus stärkerer Geldbedarf auftreten muß als an anderen. Die Konzentration der Zahlungstermine an den Wochen-, Halbmonats-, Monats- und Quartalsenden ist ein Moment, welches den Geldbedarf, damit aber natürlich auch den Kapitalbedarf der Unternehmungen beträchtlich erhöht. Wer für einen bestimmten Tag mit Sicherheit auf Eingänge zu rechnen hat, welche seinen an diesem oder am folgenden Tage fälligen Verpflichtungen gleichkommen, ist in den seltensten fällen in der Lage, jene sofort zur Bestreitung dieser zu verwenden. Die Zahlungstechnik ist nicht so weit!: entwickelt, daß es immer möglich wäre, Verbindlichkeiten pünktlich zu erfüllen, ohne sich bereits einige Tage vorher die erforderlichen Mittel zur freien Verfügung verschafft zu haben. Wer am 30. September einen bei seiner Bank zahlbar gestellten Wechsel einlösen lassen muß, wird in der Regel schon vor diesem Tage für Deckung Vorsorge treffen müssen; Beträge, ",elche ihm erst am fälligkeitstage des Wechsels selbst zufließen, werden sich hierzu meist unverwendbar erweisen. Vömg undurchführbar aber ist es, Eingänge des Tages zur Bestreitung von Ausgaben, die an demselben Tage an räumlich entfernten Orten zu leisten sind, zu gebrauchen. An den kritischen Zahlungsterminen muß daher ein erhöhter Geldbedarf der einzelnen Unternehmungen auftreten, der ebenso rasch wieder verschwindet, wie er gekommen ist. Auch dieser Geldbedarf ist natürlich Kapitalbedarf. Spitzfindige Theoretiker pflegen im Anschluß an kaufmännische Redeweise einen subtilen Unterschied zwischen Geld- und Kapitalbedarf zu machen; sie stellen den Begehr nach kurzfristigem Kredit als Geldbedarf dem nach langfristigem Kredit als dem Kapitalbedarf gegenüber. Es hat wenig Sinn, diese Terminologie, die viel Verwirrung gestiftet hat, beizubehalten. Dieser sogenannte Geldbedarf ist nichts anderes als echter Kapitalbedarf ; das darf niemals vergessen werden. Wird von der Unternehmung ein kurzfristiges Darlehen zur Ergänzung des Kassenbestandes aufgenommen, dann liegt ein echtes Kreditgeschäft, Tausch von künftigen gegen gegenwärtige Güter, vor. Der erhöhte Bedarf der Unternehmer an Geld und mithin an Kapital, der an diesen Zahlungsterminen auftaucht, äußert sich in einer Vergrößerung der an die Umlaufsmittelbanken herantretenden Darlehensgesuche. Das wird in jenen Ländern, unter deren Umlaufsmitteln die Note und nicht das Kassenführungsguthaben die erste Rolle spielt, in einer Vermehrung der Menge der bei den Noteninstituten zum Diskont eingereichten Wechsel und, wenn diese auch
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wirklich eskomptiert werden, des Notenumlaufes sichtbar 1. Dieses regelmä ßige Anschwellen und Abschwellen des Notenumlaufes um die kritischen Zahlungstermine herum' kann nun keineswegs mit einer Vergrößerung der gesamten in der Volkswirtschaft vorhandenen Wechselmenge erklärt werden. Es werden keine neuen, besonders kurzfristigen Wechsel gezogen, die bei den Banken zum Eskompte eingereicht werden. Vielmehr werden Wechsel, welche die normale handelsübliche Laufzeit haben, kurz vor ihrem Verfall begeben. Bis dahin sind sie von Nichtbankiers oder von Banken, deren UmlaufsmitteIemission, sei es wegen der geringeren Ausdehnung ihres Kundenkreises, sei es wegen bestehender gesetzlicher Hindernisse, eine beschränkte ist, im Portefeuille gehalten worden; bei steigendem Geldbedarf erst kommen sie an die groBe Notenbank. Man sieht, wie wenig gerechtfertigt die Behauptung erscheint, die Ausdehnung des Notenumlaufes der mitteleuropäischen Zentralnotenbanken stehe in organischer Beziehung zu der Menge der in der Volkswirtschaft gezogenen Wechse\. Nur ein T eil der Wechsel wird von den Banken durch Ausgabe von Umlaufsmitteln eskomptiert; der andere beendet den Lauf ohne Inanspruchnahme von Zirkulationskredit. Wie sich das Größenverhältnis der beiden Teile gestaltet, hängt aber durchaus VOll der von Seite der Umlaufsmittelbanken befolgten Kreditpolitik ab. Die Bankgesetzgebung hat dem außergewöhnlichen Anschwellen des Geldbedarfes an den Quartalsenden besonders Rechnung getragen. Artikel 2 der deutschen Bankgesetznovelle vom 1. Juni 1909 erweiterte das im allgemeinen mit 550 Millionen Mark festgesetzte steuerfreie Notenkontingent für die auf Grund der Nachweisungen für den letzten des März, des Juni, des September und des Dezember jedes Kalenderjahres aufzustellende Steuerberechnung auf 750 Millionen Mark. Damit wurde ein Vorgehen, das die Banken seit Jahrzehnten einzuhalten pflegten, gebilligt. An jenen kritischen Zahlungs- und Abrechnungsterminen steigt der Kreditbedarf der Unternehmer und daher auch der Satz des natürlichen Kapitalzinses. Die Umlaufsmittelbanken aber haben dem Steigen des DarIehenszinses dadurch entgegenzuwirken gesucht, daß sie den Diskontsatz 1 Ein Teil der von den Privatbanken kurz vor den kritischen Geschäftsterminen bei der Reichsbank vorgenommenen Rediskontierungen entspringt nicht ihrem Kapitalmangel, vielmehr dem Bestreben, fast fällige Forderungen der Reichsbank zur Einziehung zu übergeben, die sich dieser Aufgabe vermöge ihres ausgebreiteten Filialnetzes am billigsten entledigen kann. Vgl. Prion, a. a. 0., S.l38f. 21 *
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Drittes Kapitel.
entweder überhaupt nicht oder doch nicht um jenen Betrag, der der Steigerung des natürlichen Kapitalzinses voll entspricht, hinaufsetzen; die folge davon mUßte natürlich ein Anschwellen ihrer Umlaufsmittelzirkulation sein. Die staatliche Bankpolitik hat dieser Praxis der Banken, die zweifellos zur Stabilisierung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes beiträgt, im allgemeinen kein Hindernis in den Weg gelegt. Das deutsche Bankgesetz von 1909 war das erste, welches sie direkt zu unterstützen bemüht war. § 7. Von einer automatischen Anpassung der Menge der zirkulierenden Umlaufsmittel an den schwankenden Geldbedarf ohne Beeinflussung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes ist somit keine Rede. Unrichtig bleiben daher auch alle jene Ausführungen, welche mit dem Hinweis auf die angebliche Elastizität des Geldumlaufes der Quantitätstheorie die praktische Bedeutung abzusprechen suchen. Vermehrung und Verminderung des Umlaufsmittelvorrates stehen im freien Bankwesen mit der Steigerung und dem Rückgang des Geldbedarfes im weiteren Sinne ebensowenig in einem direkten oder indirekten natürlichen Zusammenhang wie Vermehrung und Verminderung des Geldvorrates mit der Steigerung und dem Rückgang des Geldbedarfes im engeren Sinne. Nur soweit die Umlaufsmittelbanken ihn zielbewußt anstreben, besteht ein solcher Zusammenhang. Davon abgesehen kann nur künstlich eine Verbindung zwischen beiden, an sich voneinander unabhängigen Entwicklungsreihen durch die Politik hergestellt werden, welche etwa in einer Periode steigenden Geldbedarfes im weiteren Sinne auf Vermehrung der Umlaufsmittel hinarbeitet, um einer sonst zu gewärtigenden Steigerung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes entgegenzuarbeiten. Angesichts der Unmöglichkeit, die Bewegungen des inneren objektilven Tauschwertes des Geldes auch nur annäherungsweise zu messen, sind wir nicht imstande, ein Urteil darüber abzugeben, ob die Vermehrung der Umlaufsmittel, wie sie in nahezu allen Ländern der Erde im letzten Jahrhundert eingetreten ist, im Zusammenhalt mit der Vermehrung der Geldmenge mit der Steigerung des Geldbedarfes im weiteren Sinne Schritt gehalten, hinter ihr zurückgeblieben ist oder sie überflügelt hat. Nur das kann mit Sicherheit festgestellt werden, daß zumindest ein Teil der Steigerung des Geldbedarfes im weiteren Sinne durch die Vermehrung der zirkulierenden Menge an Geld und Umlaufsmitteln seiner Wirkung auf die Kaufkraft des Geldes beraubt wurde.
Viertes Kapitel.
Die Einlösung der Umlaufsmittel in Geld. § 1. Daran, daß die Geldsurrogate als jederzeit fällige Geldforderungen gegen Personen, deren Zahlungsfähigkeit über jeden Zweifel erhaben ist, gerade so hoch geschätzt werden wie die Geldsumme, auf die sie lauten, liegt nichts Auffälliges. Freilich, es taucht die Frage auf: Gibt es überhaupt Personen, deren Zahlungsfähigkeit so durchaus sicher ist, daß sie über jeden, auch den mindesten Zweifel erhaben ist? Man könnte darauf hinweisen, daß schon mehr als eine Bank, deren Solvenz noch am Vortage niemand zu verdächtigen wagte, schmählich zusammengebrochen ist. Die Erinnerung an derartige Vorkommnisse sei doch nicht ganz aus dem Gedächtnisse der Menschen entschwunden und müsse daher eine zumindest kleine Differenz in der Bewertung des Geldes und der auf Geld lautenden jederzeit fälligen Geldforderungen hervorrufen, selbst wenn diese nach menschlicher Voraussicht als vollkommen sicher anzusehen wären. Es ist zuzugeben, daß mit solchen Fragen eine Quelle aufgt'deckt wird, der ein gewisses MilBtrauen gegen Noten und Schecks entspringen könnte, woraus sich dann notwendigerweise eine niedrigere Bewertung der Geldsurrogate dem Geld gegenüber ergeben müßte. Aber anderseits sind wieder eine Reihe von Gründen vorhanden, welche die Individuen, veranlass'en könnten, die Geldsurrogate selbst höher zu bewerten als das Geld, wenn nicht jedes Verlangen, Geld gegen Geldsurrogate einzutauschen, sofortige Befriedigung finden würde; davon wird noch die Rede sein. Und auch ganz abgesehen von aUen diesen Umständen ist vor aIlem festzustellen, daB heute Zweifel an der Qualität der Umlaufsmittel nicht mehr aufrechtzuerhalten sind. Bei den Geldsurrogaten kleinerer und kleinster Stückelung, unter denen die Scheidemünzen die wichtigste SteIle einnehmen, kommen alle Bedenken ähnlicher Art überhaupt nicht in Betracht. Aber auch bei den Geldsurrogaten, die den Bedürfnissen des großen Verkehres zu dienen haben, ist die Möglichkeit eines Verlustes unter den gegenwärtigen Verhältnissen so gut wie ausgeschlossen; sie ist zumindest bei den von den groBen
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Viertes Kapitel.
Zentralbanken ausgegebenen nicht größer als die Gefahr, die den Geldbesitzern aus einer Demonetisierung einer bestimmten Geldart droht. Aus der völligen Gleichwertigkeit des Geldes und der auf die sofortige Ausfolgung der entsprechenden Geldsumme lautenden sicheren Forderun.gen ergibt sich nun die für das ganze Geldwesen außerordentlich wichtige Konsequenz: daß nämlich derartige Forderungen an Stelle des Geldes überall dort gegeben und genommen werden können, wo Geld gegeben und genommen werden soll. Die Tauschakte werden durch Geid vermittelt; darin tritt auch weiter keine Änderung ein. Wer kauft, kauft mit Geld, und wer verkauft, verkauft gegen Geld. Die Durchführung der Tauschakte aber erfolgt nicht immer durch' die Übereignung einer Geldsumme; sie kann auch durch die Abtretung oder durch die Überweisung einer entsprechenden Geldforderung erfolgen. Derartige Geldforderungen, die den aufgezählten Bedingungen entsprechen, wandern nun von Hand zu Hand, ohne daß einer ihrer Erwerber das Bedürfnis !Verspüren würde, sie auch wirklich geltend zu machen. Sie erfüllen ja vollkommen alle Dienste des Geldes; wozu sich dann die Mühe der Einlösung aufbürden? Die einmal in den Verkehr gesetzte Forderung bleibt nun im Verkehr; sie wird zum Geldsurrogate. Solange das Vertrauen in die Güte der Bank nicht ins Schwanken gerät und solange sie nicht mehr Geldsurrogate ausgibt, als ihre Kunden für den Verkehr untereinander benötigen, wobei als Kunde der Bank }edermann anzusehen ist, der ein von ihr ausgegebenes Geldsurrogat an Geldesstatt annimmt, kommt es überhaupt nicht dazu, daß das dem Geldsurrogat zugrunde liegende Forderungsrecht durch Präsentierung zur Einlösung (bei Noten) oder durch Zurückziehung (bei Kassenführungsguthaben) geltend gemacht wird. Die EmissionssteIle darf daher damit rechnen, daß die Geldsurrogate im Verkehr verbleiben, bis die Notwendigkeit, mit Personen außerhalb ihres Kundenkreises in Verkehr zu treten, den Besitzer zur Einlösung zwingt. Das eben ist es ja, was ihr die Möglichkeit bietet, über,haupt Umlaufsmittel zu emittieren, das heißt Geldsurrogate in Verkehr zu setzen, ohne den Betrag, der zur Befriedigung des in ihnen enthaltenen Versprechens sofortiger Einlösung erforderlich wäre, bereit zu halten. Die Stelle, welche die Umlaufsmittel emittiert und für ihre Gleichwertigkeit mit dem Geldbetrage, auf den sie lauten, achtet,
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Viertes Kapitel.
trotz der Vorliebe des Publikums für die Verwendung von Papier das Goldgeld in den Verkehr zu bringen 1. Viel häufiger kann es aus technischen Grunden im Interesse des Publikums liegen, sich der Noten, der Schecks oder der Giroübertragung selbst unter der Bedingung zu bedienen, daß hierfür eine besondere Vergütung an die Bank zu entrichten ist. Mit dem physischen Gebrauch der Geldstücke sind mitunter gewisse Schwierigkeiten verbunden, welche bei der Übertragung der Forderungsrechte aus deponierten Geldsummen entfallen. Die Aufbewahrung bedeutender Geldsummen und ihre Sicherung vor Feuers- und Wassergefahr, vor Diebstahl und Raub ist für den einzelnen Kaufmann, noch mehr für den Privatmann nicht jmmer eine leichte Sache. Auf den Namen lautende Depositenscheine und Scheckbücher, deren Blätter erst durch die Beisetzung der Unterschrift des hierzu: Berechtigten Bedeutung erhalten, sind den Angriffen Unredlicher weit weniger ausgesetzt als Münzen, an deren glatter Oberfläche keine Spuren des Unrechtes, durch das ihr augenblicklicher Besitzer sie erwarb, haften bleiben. Aber auch Banknoten, die jede individuelle Beziehung abgestreift haben, lassen sich leichter vor Elementarschäden bewahren und vor dem Auge des Verbrechers verbergen als die voluminösen Metallstücke. Die großen Depots der angesammelten Gelder, die Kassen der Banken, bilden dann freilich ein um so reizvolleres, weil lohnenderes Angriffsobjekt für verwegene Unternehmungen verbrecherischer Gesel'len; aber hier können Vorsichtsmaßregeln ergriffen werden, die nahezu vollkommene Sicherheit gewähren. Ebenso kann die Verhütung der Beschädigung durch zufällige Ereignisse, wie Feuersbrunst und Wassersnot, hier in höherem Grade erfolgen. Schwerer hielt es, die Bankschätze den Zugriffen politischer Machthaber zu entziehen; aber auch dies ist im Laufe der Zeiten gelungen, und solche Gewaltstreiche wie die der Stuarts oder Davousts sind in späteren Zeiten unterblieben. Eine weitere Veranlassung der Einführung der Zahlung durch Vermittlung der Banken bot die Schwierigkeit, Gewicht und Feingehalt der Münzen im flüchtigen Verkehr des Tages zu erkennen. So haben die Münzverschlechterungen zur Errichtung der berühmten Banken von Amsterdam und Hamburg geführt. Die Provision von 1/40 0/0, welche die Kunden der Bank von Amsterdam 1 VgI. Hepburn, History of Coinage and Currency in the United States, New York 1903, S.418.
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abgewickelten Giroverkehres; bald verbanden sie - was allein logisch ist - beide forderungen 1. Die Geschkhte ist über diese forderungen hinweggegangen. Die fortschreitende Ausbreitung des geldwirtschaftlichen Verkehrs hätte zu einer gewaltigen Steigerung des Geldbedarfes geführt, wenn die Leistungsfähigkeit des Geldes nicht durch die Schaffung von Umlaufsmitteln eine ganz außerordentliche Verstärkung erfahren hätte. Durch die Ausgabe von Umlaufsmitteln wurden und werden die Erschütterungen vermieden, die mit der Steigerung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes Hand in Hand gehen, und die Kosten des Geldapparates herabgesetzt. Das Umlaufsmittel erschließt dem Emittenten eine einträglkhe Erwerbsquelle; es bereichert ihn und das Land, in dem es an Stelle des Geldes umläuft. In der frühzeit des modernen Bankwesens spielte dies noch eine weitere Rolle, indem dadurch dem Kreditvermittlergeschäfte der Banken, das in jener Zeit, wenn allein für sich betrieben, kaum rentabel gewesen sein dürfte, eine feste Stütze verliehen wurde, die es über die mannigfachen Hindernisse, die seinen Anfängen entgegentraten, hinwegbrachte. Das Verbot, Noten ohne volle Bedeckung auszugeben und Depositen, welche als Grundlage für Scheck- und Giroverkehr dienen, auszuleihen, wäre gleichbedeutend mit der nahezu vollständigen Unterdrückung der Notenausgabe und mit starker Drosselung des Scheck- und Girowesens. Wenn trotz eines derartigen Verbotes Noten ausgegeben und Kassenführungsguthaben eröffnet werden, so muß sich jemand finden, der bereit ist, die damit verbundenen Kosten, denen kein Gewinn gegenübersteht, zu tragen. In den seltensten fällen wird dies die emittierende Stelle sein; doch kommt auch das vor. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben Silberzertifikate geschaffen, um die Unbequemlichkeit, welche die unhandlichen Silbermünzen dem Verkehr aufbürdeten, zu beheben und damit ein Hindernis für die Ausbreitung des Gebrauches des Silberdollars, welchen man aus währungspolitischen Gründen fördern wollte, aus dem Wege zu räumen. Sie haben auch, gleichfalls aus währungspolitischen Rücksichten, Goldzertifikate geschaffen, um 1 Vgl. z. B. Tellkampf, Die Prinzipie'k des Geld- und Bankwesens, Berlin 1867, S. 181 ff., Erfordernis voller Metall~eckung der Banknoten, Berlin 1873, S.23ff.; Geyer, Theorie und Praxis des Zettelbankwesens, 2 Aufl., München 1874, S.227.
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Die Geschichte der letzten zwei Jahrhunderte kennt mehr als ein Beispiel solcher Katastrophen. Man hat wider die Banken, die dem Ansturm der Noteninhaber und der Besitzer von Kassenführungsguthaben erlegen sind, den Vorwurf erhoben, daß sie durch unvorsichtige Kreditgewährung, durch f estlegung ihrer Mittel oder durch Erteilung von Vorschüssen an den Staat den Zusammenbruch herbeigeführt hätten; man hat gegen ihre Leiter die schwersten Anklagen laut werden lassen. Wo der Staat selbst als Emittent der Umlaufsmittel erschien, hat man meist die den Erfahrungsregeln der Banken widersprechende Art ihrer Ausgabe als Ursache der Unmöglichkeit, die Einlösung aufrechtzuerhalten, bezekhnet. Es liegt auf der Hand, daß diese Auffassung auf einem Mißverständnis beruht. Auch wenn die Bank alle ihre Aktiva in kurzfristigen, in verhältnismäßig kurzer Zeit realisierbaren Anlagen investiert hätte, könnte sie den Ansprüchen ihrer Gläubiger nicht nachkommen. Das liegt schon daran, daß ihre forderungen erst nach Ablauf gewisser fristen fällig werden, die ihrer Gläubiger aber sofort fällig sind. So liegt in dem Wesen des Umlaufsmittels ein unlösbarer Widerspruch. Seine Wertgleichheit mit dem Geld beruht auf dem Versprechen, daß es jederzeit auf Verlangen des Berechtigten in Geld eingelöst werden wird, und darauf, daß dieses Versprechen durch die Einrichtung entsprechender Vorkehrungen zu einem wirksamen gemacht werde. Das ist aber, und auch das folgt aus dem Wesen des Umlaufsmittels, insofern eine Unmöglichkeit, als die Bank niemals in der Lage sein kann, die ausgeliehenen Summen unverzüglich flüssig zu machen. Gleichviel ob die Ausgabe der Umlaufsmittel bankmäßig oder nicht bankmäßig erfolgt, die augenblickliche Einlösung ist immer undurchführbar, wenn das Vertrauen der Inhaber geschwunden ist.
§ 3. Aus der Erkenntnis, die schon von Ricardo ausgesprochen wurde, daß eine Stelle, die Umlaufsmittel ausgibt, sich in keiner Weise gegen die folgen einer Panik schützen könne, daß sie jedem ernsten run unterliegen müsse, mag man, wenn man will, dazu gelangen, das Verbot der Schaffung von Umlaufsmitteln zu fordern. Manche Autoren haben diesen Weg betreten. Sie verlangten bald das Verbot der Ausgabe von metallisch nicht gedeckten Noten, bald das Verbot des nicht auf Grundlage voller metallischer Deckung
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muß jedoch in der Lage sein, diejenigen Umlaufsmittel prompt einzulösen, welche von ihren Inhabern zum Umtausch in Geld eingereicht werden, wenn sie. an Personen, die diese Umlaufsmittel nicht als Geldsurrogat anerkennen, Zahlungen zu leisten haben. Nur auf diesem Wege kann das Auftauchen einer Wertdifferenz zwischen dem Geld einerseits und den Noten und Kassenführungsguthaben anderseits verhindert werden.
§ Z. Man hat mitunter die Auffassung vertreten, die Emissionsstelle, welche für die Gleichwertigkeit der Umlaufsmittel und des Geldes, auf das sie lauten, Sorge tragen wolle, müsse Vorkehrungen treffen, um die Einlösung jener Umlaufsmittel durchführen zu kennen, die aus Mißtrauen del'\ Inhaber zu ihr zuTÜckgelangen. Dieser Meinung kann nicht beigepflichtet werden; sie verkennt vollständig die Bedeutung und den Zweck der Einlösungsfonds. Es kann nicht die Aufgabe des Einlösungsfonds sein, der emittierenden Stelle die Möglichkeit der Einlösung der Umlaufsmittel zu bieten, wenn Mißtrauen die Inhaber an ihre Schalter treibt. Das Vertrauen in die Zirkulationsfähigkeit des Umlaufs mittels ist keine individuelle Erscheinung; es wird entweder von der Gesamtheit aller wirtschaftenden Subjekte eines Gebietes geteilt, oder es besteht überhaupt nicht. Die Voraussetzung der Verwendbarkeit der Umlaufs mittel ist die völlige Gleichwertigkeit mit dem Geldbetrag, auf den sie lauten; diese Gleichwertigkeit schwindet sofort, wenn auch nur bei einem Teil der Bevölkerung das Vertrauen in die Emittenten erschüttert ist. Das Bäuerlein, das seine Note zur Einlösung präsentiert, um sich VOll der Zahlungsfähigkeit der Bank, die sonst niemand in Zweifel zieht, zu überzeugen, ist nur eine komische Figur, welche die Bank nicht zu fürchten braucht; seinetwegen b~darf es keiner besonderen Vorkehrungen und Einrichtungen. Aber jede Bank, die Umlaufsmittel ausgibt, muß ihre Zahlungen einstellen, wenn jedermann Noten zur Einwechshmg zu präsentieren oder Kassenführungsguthaben zurückzuziehen beginnt. Der Panik steht sie machtlos gegenüber. Kein System und keine Politik kann ihr in solchen Augenblicken Hilfe gewähren. Das' liegt im Wesen des Umlaufsmittels, das sie zur Zahlung einer Geldsumme verpflichtet, über die sie nicht verfügen kann 1. 1 Vgl. Ricardo, Proposals, a. a. 0., S. 406; Walras, Etudes d'economie politique appliquee, lausanne 1898, S.365f.
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für jede Einzahlung und Auszahlung zu entrichten hatten 1, wurde durch die Vorteile, weIche die Verläßlichkeit der Bankvaluta bot, bei weitem überwogen. Die Ersparung von Transportkosten und die größere Handlichkeit waren schließlich gleichfalls Vorteile, die in Betracht kamen, besonders in den Ländern der Silberwährung oder gar der Kupferwährung. So erfreuten sich in Japan bereits in der Mitte des 14. Jahrhunderts Noten, die von rek:hen Kaufleuten ausgegeben worden waren, groBer Beliebtheit, da sie ein Mittel boten, die mit dem Transport der schweren Kupfermünzen verbundenen Kosten und Unbequemlichkeiten zu vermeiden 2. Das Aufgeld, das Banknoten vor der Ausbildung des interlokalen Giro- und Scheckverkehrs und des Postanweisungsdienstes mitunter gegenüber dem Hartgelde erzielten, findet hierin seine natürlichste Erklärung 3. Das Verbot der Ausgabe von Umlaufsmitteln würde somit keineswegs alle bankmäßige Ausgabe von Geldsurrogaten unterdrücken. Geldzertifikate könnten auch dann vorkommen. Auch bedeutet das Verbot der Schaffung von Umlaufsmitteln keineswegs, wie mitunter behauptet wird, ein Todesurteil für das Bankwesen. Den Banken bliebe noch immer das Geschäft der Kreditvermittlung, das Kreditnehmen zum Zwecke des Kreditierens. Nicht die Rücksichtnahme auf die Banken, sondern die\ Würdigung der Bedeutung -der Umlaufsmittel für die Gestaltung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes sprach gegen die Unterdrückung ihrer Ausgabe.
§ 4. Der Besitzer von Oeldsurrogaten, der mit Personen in Verkehr zu treten wünscht, weIche diese, weil sie sie nicht kennen, nicht an Geldesstatt im Verkehr annehmen wollen, muß danach trachten, die Oeldsurrogate in Geld zu verwandeln. Er tritt an die Stelle, weIche über die Gleichwertigkeit der Geldsurrogate mit dem Gelde wacht, heran, um das im Geldsurrogat enthaltene forderungsrecht geltend zu machen. Er präsentiert die Note (oder auch die Scheidemünze u. dgl.) zur Einlösung in Geld und zieht sein Kassenführungsguthaben zurück. Daraus folgt, daß eine Stelle, die Geldsurrogate ausgibt, niemals mehr davon in Verkehr zu s,etzen vermag, als dem Bedürfnisse i:hrer Kunden für den Verkehr unterein1 Vgl. Dun bar, Chapters on the Theory and History of Banking, Second :Edition, New-York 1907, S.99. ~ Vgl. Kiga, Das Bankwesen Japans, Leipziger Inaug_-Diss. o. J., S.9_ 3 VgI. Oppenheim, Die Natur des Geldes, Mainz 1855, S. 241 f.
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ander entspricht. Jeder darüber hinausgehende Betrag wird aus dem Verkehr zur Ausgabestelle zurückströmen, die ihn gegen Geld umtauschen muß, will sie nicht das Vertrauen erschüttern, das die Grundlage ihres ganzen Geschäftes blldet. Es ist nach dem, was im vorigen Kapitel gesagt wurde und im kommenden noch gesagt werden soll, wohl überflüssig, an dieser Stelle noch ausdrücklich zu bemerken, daß dies nur von einem Zustand gilt, in dem mehrere Banken nebeneinander bestehen, deren Geldsurrogate nur eine beschränkte Um1aufsfähigkeit haben. Besteht eine einzige Bank, die Geldsurrogate ausgibt, und haben ihre Geldsurrogate unbeschränkte Umlaufsfählgkeit, dann gibt es keine Grenzen für die Erweiterung der Umlaufsmittelausgabe. Das gleiche wäre der faIl, wenn aUe Banken bei der Ausgabe von Geldsurrogaten derart im Einverständnis vorgehen würden, daß sie die Ausdehnung der Zirkulation nach einheitlichen Grundsätzen vornehmen. Es ist der Bank also nicht möglich, mehr Geldsurrogate auszugeben, als ihre Kunden verwenden können; jedes Mehr muß zu ihr zurückströmen. Das ist ungefährlich, solange es sich um eine Mehrausgabe von Geldzertifikaten handelt; es wird katastrophal, sobald zu viel Umlaufsmittel ausgegeben werden. Die Hauptregel für die Geschäftsführung der Umlaufsmitteibanken lautet mithin klar und einfach, niemals mehr Umlaufs mittel auszugeben, als dem Bedarf der Kunden für den Verkehr innerhalb ihres Kreises entspricht. Die praktische Durchführung dieses Satzes bietet freilich ganz außerordentlich große Schwierigkeiten. Es fehlt nämlich an jedem Mittel, um die Größe dieses Bedarfes der Kunden festzustellen. An Stelle der unmöglichen exakten Erhebung muß ein unsicheres empirisches Verfahren gesetzt werden, das leicht zu Mißgriffen leiten kann. Vorsichtige und erfahrene Bankleiter - und die weitaus überwiegende Mehrzahl gehört in diese Kategorie pflegen damit allerdings ausgezeichnet auszukommen. Die Umlaufsmittelbanken erstrecken als solche nur vereinzelt ihren Kundenkreis über die politischen Grenzen. Selbst jene Banken, die in mehreren Staaten ihre Niederlassungen haben, gewähren den einzelnen Zweiganstalten für die Ausgabe von Geldsurrogaten volle Selbständigkeit. Unter den gegenwärtigen politischen Verhältnissen ist es nicht gut möglich, Bankunternehmungen, die ihren Sitz in verschiedenen Staaten haben, einheitlich zu verwalten; auch banktechnische und juristische, sochließlich währungstechnische Schwierig-
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keiten stehen hindernd im Wege. Innerhalb der einzelnen Staaten können in der Regel wieder zwei Kategorien von Umlaufsmittelbanken unterschieden werden. Auf der einen Seite eine privilegierte Bank, die das alleinige oder nahezu alleinige Recht der Notenausgabe besitzt und durch ihr Alter und ihre Kapitalskraft, mehr noch durch das außerordentHche Ansehen, das sie im ganzen Lande genießt, eine Sonderstellung einnimmt; auf der anderen Sdte eine Reihe von konkurrierenden Banken, denen das Notenrecht fehlt, und die, mag ihr Ansehen und das Vertrauen in ihre Solvenz noch so groß sein, sich mit jener, hinter der der Staat mit seiner ganzen Autorität steht, doch in bezug auf die Zirkulationsfähigkeit ihrer Geldsurrogate nicht messen können. Für die Politik der beiden Kategorien von Banken geiten verschiedene Grundsätze. Für die Banken der zweiten Gruppe genügt es, wenn sie zum Zwecke der Einlösung der zurückströmenden Geldsurrogate einen bestimmten Betrag von solchen Aktiven bereit halten, mit deren Hilfe sie den Zirkulationskredit der Zentralbank jederzeit für sIch in Anspruch nehmen können. Sie dehnen ihre Umlaufsmittelzirkulation soweit als mögJi.ch aus; überschreiten sie dabei die ihnen gezogene Grenzlinie, so daß ein Teil ihrer Umlaufsmittel zur Einlösung präsentiert wird, dann verschaffen sie sich die hierzu erforderlichen Mittel bei der Zentralbank durch Weiterbegebung der von ihnen eskomptierten Wechsel oder durch Verpfändung von Effekten. Das Um und Auf der Politik, die sie zur Aufrechterhaltung ihrer Stellung als Umlaufsmittelbank zu betreiben haben, liegt also darin, stets eine genügend große Menge von solchen Aktivposten zu besitzen, welche die Zentralbank als genügende Grundlage für die Gewährung von Kredit ansieht. Den Zentralbanken fehlt ein solcher Rückhalt an einem mächtigeren und angeseheneren Institut. Sie stehen auf sich selbst angewiesen da und müssen ihre Politik danach einrichten. Wenn sie zu viel Geldsurrogate in Verkehr gesetzt haben und von den Inhabern um ihre Einlösung angegangen werden, dann haben sie keinen anderen Ausweg offen als den, welchen ihnen ihr Einlösungsfonds bietet. Sie müssen mithin notgedrungen darauf achten, daß ihre Umlaufsmittelzirkulation nie mehr betrage, als dem Bedarf ihrer Kunden entspricht. Eine direkte Ermittlung dieses Betrages ist, wie SChOll erwähnt wurde, nicht möglich. Es kommt nur eine indirekte Ermittlung in Betracht; es muß festgestellt werden, wie groß der
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Teil des nationalen Geldbedarfes im weiteren Sinne ist, der nicht durch Umlaufsmittel bestritten werden kann. Das ist jene Geldmenge, die für den Verkehr mit Personen, die nicht zum Kundenkreise der Bank gehören, also für den Verkehr mit dem Ausland, erforderlich ist. Der Bedarf an Geld' für den internationalen Verkehr setzt sich aus zwei verschledenen Elementen zusammen. Zunächst aus denjenigen Geldbeträgen, welche infolge von Veränderungen, die sich' in dem Verhältnis der Größe und der Intensität des Geldbedarfes in den einzelnen Ländern vollzogen haben, solange zur Versendung gelangen, bis sich der Gleichgewichtszustand, in dem der objektive Tauschwert des Geldes allenthalben das gleiche Niveau behauptet, wieder hergestellt hat. Die Geldübertragungen, die aus diesem Grunde notwendig werden, können nicht vermieden werden. Man kennte sich freilich vorstellen, daß ein internationales Depositeninstitut errichtet werde, in dem große Geldbeträge, nehmen wir an, der ganze Geldvorrat der Welt, hinterlegt und zur Grundlage der Ausgabe von Geldzertifikaten. das heißt zur Emission von von durch Geld gedeckten Noten oder zur Eröffnung von voll durch Geld gedeckten Kassenführungsguthaben gemacht wird. Dann wird wohl die physische Verwendung der Geldstücke entfaIlen, wodurch unter Umständen eine wesentliche Verbilligung der Kosten eintreten kann; an ihre SteHe würde eben die Versendung der Noten oder die Umschreibung in den Büchern der Bank treten. Das Wesen des Vorganges wird durch derartige äußerliche Momente nicht berührt. Die andere Veranlassung für internationale Geldübertragungen bieten diejenigen Überschüsse der Zahlungsbilanz, welche durch die Verhältnisse des internationalen Austausches von Waren und Dienstleistungen hervorgerufen werden. Diese müssen durch entgegengesetzte Übertragungen wieder ausgeglichen werden. Es ist daher prinzipiell möglich, sie durch Ausgestaltung des Abrechnungsverkehres völlig auszuschalten. Im i:nternationalen Devisengeschäft und in den sich an dieses in jüngster Zeit anschließenden verwandten Geschäften ist ein feiner Mechanismus ausgebildet, weIcher nahezu alle derartigen Geldübertragungen kompensiert. Nur ausnahmsweise kommt es noch vor, daß sich auf dem Ozean zwei Schiffe begegnen, von denen das eine Gold von London nach New-York, das andere von New-York nach London führt. Die internationalen Geldübertragungen sind in der Regel lediglich durch Verschiebungen in dem
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Verhältnis zw.ischen Geldbedarf und Geldvorrat bedingt. Die praktisch größte Bedeutung darunter haben jene, weIche das neu gewonnene Edelmetall über alle Gebiete der Welt verteilen, ein Prozeß, in dem England vielfach eine Vermittlerrolle spielt. Davon abgesehen, können, wenn nicht außerordentliche Ursachen das wechselseitige Verhältnis zwischen dem Geldbedarf der einzelnen Länder jäh verschieben, die Geldübertragungen von Land zu Land nicht besonders umfangreich sein. Man kann annehmen, daß im allgemeinen die Veränderungen, die sich hier vollziehen, hinter jenen, die bei der Vermehrung der Geldbestände im Wege der Neuproduktion vor sich gehen, zurückbleiben oder sie zumindest nicht stark übertreffen. Stimmt dies, wofür allerdings nur ungefähre Schätzungen sprechen, dann werden die Verschiebungen, welche zur Ausgleichung des Niveaus der Kaufkraft des Geldes erforderlich sind, zum großen Teil oder ganz nur darin zum Ausdruck kommen, daß die Verteilung der zusätzlichen Geldmenge eine Änderung erfährt. Man kann empirisch zur schätzungsweisen Annahme gelangen, daß der relative Geldbedarf eines Landes, das heißt der Geldbedarf in Größe und Intensität im Verhältnis zu der Größe und Intensität des Geldbedarfes der anderen Länder, wobei der Geldbedarf jedesmai im weiteren Sinne verstanden wird, in absehbarer Zeit nicht so sehr zurückgehen wird, daß die umlaufende Menge des Geldes und der Umlaufsmittel zusammen unter einen bestimmten Teil der augenblicklichen Höhe dieser Gesamtmenge sinken werde. Eine solche Annahme beruht natürlich auf mehr oder minder willkürlichen Kombinationen, und es ist selbstverständlich niemals ausgeschlossen, daß unvorhergesehene Ereignisse alle derartigen Berechnungen nachträglich über den Haufen werfen. Wi:rd jedoch dieser Betrag recht vorsichtig angenommen, und wird überdies auch noch darauf entsprechend Rückskht genommen, daß auch aus den Verhältnissen des internationalen Austausches von Waren und Dienstleistungen die Notwendigkeit von Geld übertragungen von Land zu Land, mögen diese auch nur vorübergehender Natur sein, entstehen kann, dann könnte, solange die im Lande zirkulierende Umlaufsmittelmenge nicht über ihn hinaus vermehrt wird und auch keine Geldzertifikate ausgegeben werden, die Ansammlung eines Einlösungsfonds überhaupt überflüssig erscheinen. Denn solange diese Grenze in der Ausgabe der Umlaufsmittel nicht überschritten wird, können, vorausgesetzt, daß die Schätzung, weIche ihrer Annahme zugrunde liegt,
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sich als richtig erweist, Ansprüche auf Einlösung von Umlaufsmitteln nicht erhoben werden. Würde man zum Beispiel die Menge der im Deutschen Reiche in Zirkulation befindlichen Noten, Rekhskassenscheine, Scheidemünzen und Kassenführungsguthaben um jenen Betrag vermindern, der als Deckung für sie in den Kassen der Banken erliegt, dann würde sich in der Verfassung des Geld- und Umlaufsmittelwesens nichts ändern. Das Vermögen der deutschen Volkswirtschaft, mit dem Ausland in durch Geld vermittelten Tauschverkehr zu treten, würde dadurch in keiner Weise berührt werden 1. Nur die nicht durch Geld gedeckten Noten, Kassenführungsguthaben usw., haben den Charakter von Umlaufsmitteln, nur diesen, nicht aber auch den durch' Geld gedeckten kommen jene Wirkungen auf die Preisbildung zu, die darzustellen die Aufgabe dieses Teiles unseres Buches bildet. Wird die Höhe der zirkulierenden Umlaufsmittel unter jener Grenze, die durch das voraussichtliche Maximum des Geldbedarfes für den Auslandsverkehr gegeben ist, gehalten, dann könnte überhaupt auf dIe Haltung einer Einlösungsreserve verzichtet werden, würde nicht noch ein besonderer Umstand in frage kommen. Das ist nämlich folgendes: Wenn jemand, der einen Geldbetrag für auswärtige Zahlungen benötigt und sich in die Notwendigkeit versetzt sieht, Geldsurrogate gegen Geld einzutauschen, dies nur in der Weise tun könnte, daß er sich in zahlreichen Verwechslungsakten, vielleicht auch unter Aufwand von Mühe und Zeit, die erforderlichen Geldstücke verschafft, so daß ihm daraus Kosten erwachsen, so würde dies die volle Gleichwertigkeit der Geldsurrogate und des Geldes gefährden und zur Entstehung eines Disagios jener führen. Es muß also ein Einlösungsfonds von gewisser mäßi1ger Höhe schon aus diesem Grunde gehalten werden, auch wenn die in Zirkulation befindliche Geldmenge für den Verkehr mit dem Ausland ausreicht. Daraus ergibt sich, daß die vollgedeckte Note und das vollgedeckte Guthaben, wie sie ursprünglich notwendig waren, um das Publikum an den Gebrauch dieser formen des Geschäftsverkehres zu gewöhnen, auch noch heute neben dem dieselbe äußere form tragenden, jedoch wesensverschiede~en Umlaufsmittel fortbestehen müssen. Ein Notenumlauf oder ein Kassenführungsguthabenumlauf, von dem auch nicht ein Bruchteil in Geld gedeckt ist, der also ganz den 1 Das Beispiel legt die Verhältnisse zugrunde, die vor 1914 bestanden haben.
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Charakter von Umlaufsmitteln trägt, ist auch unter den heutigen Verhältnissen praktisch unmöglich. Sehen wir uns die Einlösungsfonds jener Banken an, welche auf sich selbst angewiesen dastehen, dann bemerken wir eine scheinbar völlig regellose Mannigfaltigkeit. Es gibt eine Reihe ganz verschieden aufgebauter Vorschriften über die Art und die Höhe der Deckung der Geldsurrogate, insbesondere der in Notenform emittierten, die teils durch die kaufmännische Praxis, teils durch die Gesetzgebung ausgebildet wurden. Es scheint nicht angebracht zu sein, hier von verschiedenen Systemen zu sprechen; diese prunkvolle Bezeichnung paßt wenig auf die empirisch gefundenen Regeln, deren Mehrzahl auf irrigen Anschauungen über das Wesen des Geldes und der Umlaufsmittel aufgebaut ist. Ein Gedanke aber ist es, der in ihnen allen zum Ausdruck kommt: daß die Umlaufsmittelausgabe durch irgendwelche künstliche Schranken gebunden werden müsse, da sie auf keine natürlichen stößt. Die geldwertpolitische Vorfrage, ob eine grenzenlose Vermehrung der Umlaufsmittel mit ihrer unausbleiblichen folgeerscheinung, der Verringerung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes, zu fördern sei, ist damit implicite verneinend beantwortet. Die Erkenntnis der Notwendigkeit, die Umlaufsmittelzirkulation künstlich zu beschränken, ist sowohl nach ihrer streng wissenschaftlichen, als auch nach ihrer wirtschaftspolitischen Grundlage ein Ergebnis der nationalökonomisehen forschung der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ihr Sieg bildet den Abschluß jahrzehntelanger erregter Diskussionen, wie ihrer die Geschichte unserer Wissenschaft nur wenige kennt; er beendet zugleich eine Periode unsicheren Experimentierens auf dem Gebiet der Umlaufsmittelausgabe. Die folgenden Jahrzehnte haben jene Grundlagen angegriffen und vielfach mit Unrecht kritisiert; sie haben dabei auch manche der Mängel enthüllt, die sie verunzieren. Sie haben aber davon Abstand genommen, das Prinzip der Beschränkung der Ausgabe ungedeckter Noten aus den Bankgesetzen zu entfernen. Es bildet noch heute einen wesentlichen Bestandteil der Ban~politik der Kulturstaaten, mag auch seine praktische Bedeutung im Hinblick auf den Umstand, daß im allgemeinen nur die Umlaufsmittelausgabe in Gestalt von Noten, nicht aber auch die an Umfang immer mehr zunehmende in Gestalt von Kassenführungsguthaben beschränkt wird, heute geringer sein als vor einigen Jahrzehnten. v. Mlses, Theorie des Geldes. 2. Aun. 22
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Die Geld- und Umlaufsmittelverfassung Ostindiens, der Philippinen und jener Gebiete, die sie nachgebildet haben, kennt gleichfalls eine Beschränkung der Umlaufsmittelausgabe, die freilich in eine andere Form gekleidet ist. Man hat es unterlassen, eine direkte zahlenmäßige Beziehung zwischen dem von der Regierung verwalteten Einlösungsfonds und der zirkulierenden Umlaufsmittelmenge herzustellen, was schon angesichts des Umstandes, daß die Größe des im Augenblick des Überganges zur neuen Währung vorhandenen Vorrates genau nicht zu ermitteln war, technischen Schwierigkeiten begegnet hätte. Doch ist die Neuausgabe von Umlaufsmitteln in Gestalt von Landesmünzen dem Staate (meist einem besonderen Akt der Legislative) vorbehalten, ähnlich wie in den anderen Staaten die Ausgabe der Scheidemünzen u. dgl. geregelt ist.
§ S. Die Ausdrücke Sicherheit und Liquidität werden in bezug auf die Verhältnisse einer Bank nicht immer korrekt angewendet. Sie werden mitunter als synonym betrachtet; die herrschende Anschauung versteht jedoch darunter zwei verschiedene Zustände. An einer klaren Begriffsumschreibung und Unterscheidung läßt man es freilich zumeist fehlen. Als sicher mag eine Bank bezeichnet werden, deren Aktiva so beschaffen sind, daß eine Liquidation mindestens zur vollständigen Befriedigung aller Bankgläubiger führen müßte. Liquidität ist ein Zustand der Bankaktiva, welcher es der Bank ermöglicht, aIle ihre Passiva nicht nur vollständig, sondern auch zeitgerecht einzulösen, das heißt ohne genötigt zu sein, von ihren Gläubigern etwa ein Moratorium anzusuchen. Die Liquidität ist eine qualifizierte Sicherheit. Jedes Unternehmen, - denn das gleiche gilt von jeder im Kreditverkehr stehenden Wirtschaft - das liquid ist, ist auch sicher, aber nicht umgekehrt jedes Unternehmen, das sicher ist, auch liquid. Wer eine Schuld am Fälligkeitstage nicht begleichen kann, dessen Status ist illiquid, auch wenn es über allen Zweifel erhaben ist, daß er drei oder sechs Monate später die Schuld samt den mittlerweile aufgelaufenen Zwischenzinsen und sonstigen, dem Gläubiger durch die Verzögerung erwachsenden Kosten wird bezahlen können. Das Wirtschaftsrecht legt seit alters her jedermann die Pflicht auf, in seiner ganzen Geschäftsführung auf die Liquidität zu achten. Den charakteristischsten Ausdruck findet diese Forderung im kaufmännischen Verkehr. Wer seine Gläubiger um Stundung angehen muß, wer
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es dahin kommen läßt, daß seine Akzepte protestiert werden, hat seine kaufmännische Ehre gefährdet, auch wenn es ihm später gelingt, alIe seine Außenstände voll zu berichtigen. für alle Unternehmungen gilt jene Regel, die wir oben als Grundsatz für die Geschäftsführung der Kreditvermittlerbanken kennen gelernt haben, daß danach getrachtet werden muß, jede forderung bei VerfalI pünktlich und genau zu berichtigen 1. Für die Umlaufsmittelbanken ist die Beobachtung jener Grundregel vorsichtiger Gebarung ein Ding der Unmöglichkeit. Es liegt in ihrem Wesen, darauf zU' bauen, daß ein Teil - der größte Teiol'der Umlaufsmittel im Verkehr verbleibt und daß die aus ihnen entspringenden forderungsrechte zumindest nicht gleichzeitig geltend gemacht werden. Sie müssen zusammenbrechen, sobald das Vertrauen in ihre Gebarung erschüttert ist und die Gläubiger ihre Schalter stürmen. Ihr Streben kann daher nicht so wie das jeder anderen Bank und jedes Unternehmens überhaupt nach Liquidität der Anlagen gehen; sie können lediglich die Sicherheit als Ziel ihrer Politik betrachten. Dies pflegt man zu übersehen, wenn man die Deckung der ausgegebenen Umlaufsmittel durch kurzfristige Darlehen als eine ihrem Wesen und ihrer funktion besonders angepaßte bezeichnet und ihr, weil sie angeblich bei folgerichtiger Anwendung der allgemeinen Liquiditätsregel auf die speziellen Verhältnisse der Umlaufsmittelbanken als das diesen entsprechende System der Anlage erscheine, die Bezeichnung bankmäßige Deckung xa't' !E/)X~\I beilegt 2• Ob die I Vgl. oben S. 266 f. Daß dieser "Grundsatz der bankmäBigen Deckung" nicht nur für Banken, sondern in gleicher Weise für alle Unternehmungen gilt, wird freilich meist nicht beachtet, so z. B. von Sc h u Jz e - G a e ver n i tz, Die deutsche Kreditbank (GrundriB der Sozialökonomik, V. Abt., 11. Teil) S. 13. ~ Vgl. Wagner, System der Zettelbankpolitik, freiburg 1873, S. 24Off.Ihren klassischen Ausdruck in Bezug lauf das Geschäft der Umlaufsmittelbanken fand die "goldene Regel" in der berühmten "Note expediee du Havre le 29 Mai 1810, a la Banque de france, par ordre de S. M. l'Empereur, et par I'entremise de M. le comte Mollien, ministre du Tresor" (ich zitiere nach dem Abdruck bei Wo 10 w ski, La Question des Banques, Paris 1864, S. 83 bis 87): "Il faut qu'une banque se maintienne en etat de se liquider a t 0 u t mo me n t, d'abord, vis-a-vis des porteurs de ses billets, par la realisation de son portefeuille, et, apres les porteurs de ses biIlets, vis-a-vis de ses actionnaires, par la distribution a faire entre eux de la portion du capital fourni par chacun d'eux. - Pour ne jamais finir, une banque doit etre toujours prete a finir." (S.87.) Doch Mollien war darüber nicht im Zweifel, daß eine Bank, die ihre Noten nicht anders ausgibt "qu'en echange 22*
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Aktiven einer Umlaufsmittelbank in Wechseln mit kurzer Verfallfrist oder in Hypothekardarlehen bestehen, bleibt für den Fall eines allgemeinen run gleichgültig. Wenn die Bank sogleich große Summen Geldes benötigt, dann kann sie diese nur durch Veräußerung ih1"er Aktiva beschaffen; sie kann ebensowenig den Verfall eines Wechsels, der noch dreißig Tage Laufzeit hat, wie den einer Hypothekarforderung, die noch ebensoviele Jahre unkündbar ist, abwarten, wenn die erregte Menge ihre Schalter belagert und die Noten zur Einlösung präsentiert oder die Kassenführungsguthaben zurückverlangt. In einem solchen Augenblick kann höchstens die größere oder geringere Realisierbarkeit der Außenstände in Betracht kommen. Da kann es sich nun aber unter Umständen erweisen, daß langsichtige, ja selbst unkündbare Forderungen leichter veräußerlich sind als kurzbefristete; Staatsrenten und Hypotheken mögen in Krisenzeiten vielleicht noch eher Abnehmer finden als Warenwechsel. Es wurde schon erwähnt, daß in den meisten Staaten, was das in der Öffentlichkeit genossene Vertrauen anbelangt, zwei Kategorien von Banken bestehen. Die Zentralnotenbank, gewöhnlich auch die einzige, der das Recht der Notenausgabe zusteht, genießt vermöge ihrer halb- oder ganzstaatlichen Verwaltung und der strengen Kontrolle, welcher ihre gesamte Gebarung unterworfen ist, eine besondere Ausnahmestellung 1• Sie erfreut sich eines höheren Ansehens als die anderen Umlaufsmittelbanken, deren Geschäfte nicht so wie ihre klar und durchsichtig sind, die um des Gewinnes willen nicht selten mehr wagen, als sie verantworten können, die, in einer Reihe von Staaten wenigstens, neben den eigentlichen Bankgeschäften, der Kreditvermittlung und der Kreditgewährung durch Ausgabe von Umlaufs mitteln, auch noch eine Reihe von riskanten Unternehmungen, zum Beispiel das Gründungsgeschäft, betreiben. Diese Banken zweiter Ordnung können unter Umständen das Vertrauen des Publikums verlieren, ohne daß die Stellung der Zentralbank erschüttert wird. Für diesen Fall können sie sich dadurch liquid erhalten, daß sie selbst als Kreditnehmer bei der Zentralbank auftreten - wie sie de bonnes et valable leUres de change, a deux et trois mois de terme au plus" ihre Noten aus dem Umlaufe nur "dans un espace de hois mois" zurückziehen kann (ebendort S.84). 1 In den Vereinigten Staaten wurde vor der Neuordnung des Bankwesens durch die federal Reserve Act der Mangel einer Hauptbank in Krisenzeiten durch von fall zu fall gebildete Organisationen der in den Clearinghäusern vereinigten Banken ersetzt.
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es ja auch sonst tun, weIln ihre Mittel erschöpft sind - und so in die Lage versetzt werden, ihren Verpflichtungen pünktlich und genau nachzukommen. Insofern kann man von diesen Banken behaupten, ihr Status sei liquid, wenn ihren täglich fälligen Verbindlichkeiten solche Aktiva gegenüberstehen, welche von der Hauptbank als ausreichende Unterlage für die Gewährung von Vorschüssen angesehen werden. Es ist bekannt, daß ein Teil der Banken auch nicht einmal in diesem Sinne liquid ist. Die Haupt- und Zentralbanken der einzelnen Länder könnten auf ähnliche Weise einen Zustand der Flüssigkeit erreichen, wenn sie als Deckung der ausgegebenen Umlaufsmittel nur solche Aktiva führen würden, welche von den Schwesteranstalten des Auslandes als belehnungsfähig angesehen werden. Aber auch dann bliebe der Satz von der begrifflichen Unmöglichkeit, das Umlaufsmittelbankwesen liquid zu erhalten, in Geltung. Eine gleichzeitige Erschütterung des Vertrauens in alle Banken müßte notwendigerweise zu einem allgemeinen Zusammenbruch führen. Die Anlage der Aktiven in Darlehen mit kurzer Verfallfrist gibt einer Bank allerdings die Möglichkeit) ihre Gläubiger innerhalb einer bestimmten, nicht allzulang bemessenen Zeit zu befriedigen. Das könnte sich jedoch gegenüber einer Erschütterung des Vertrauens nur dann als ausreichend erweisen, wenn die Inhaber der Noten und Kassenführungsguthaben ni,cht gleichzeitig mit dem Begehren nach sofortiger Berichtigung der ihnen geschuldeten Geldbeträge an die Bank herantreten würden. Eine solche Annahme ist wenig wahrscheinlich. Das Mißtrauen ist entweder überhaupt" nicht vorhanden oder allgemein. Nur ein Mittel gäbe es, welches vom Gesichtspunkt der besonderen Verhältnisse einer Umlaufsmittelbank aus die Liquidität des Status wenigstens formell sichern könnte. Wenn die Umlaufsmittelbanken ihre Darlehen nur unter der Bedingung ausleihen würden, daß ihnen das Recht zusteht, jederzeit die Rückzahlung zu fordern, dann wäre das Problem der Liquidität für sie allerdings einfach gelöst. Vom allgemeinen volkswirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet ist das freilich keine Lösung, sondern nur eine Verschiebung der Aufgabe. Der Bankstatus könnte nur scheinbar auf Kosten des Status der Darlehensnehmer liquid gestaltet werden, da für diese ganz dieselbe unüberwindliche Schwierigkeit entstünde. Denn die Debitoren der Banken haben die entliehenen Summen nicht im Kasten liegen lassen, sondern in produktive Anlagen gesteckt, aus denen sie sie keinesfalls ohne Verzug
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Viertes Kapitel.
zurückziehen können. Das Problem verändert sich also in keiner Weise, es bleibt unlösbar.
§ 6. Die Bedeutung, die dem Umstand zukommt, daß die Umlaufsmittelbanken für ihre Anlagen in der Regel den Darlehen mit kurzer Verfallfrist den Vorzug geben, wozu sie vielfach von der Gesetzgebung, zumindest aber von der öffentli'Chen Meinung verhalten werden, ist keineswegs in einer dadurch angeblich gesteigerten Erleichterung der Einlösung der Umlaufs mittel zu erblicken, wie allgemein, aber mit Unrecht angenommen wird. Wenn wir ,-ur feststellung gelangen, daß diese Politik der Banken das Umlaufsmittelwesen in der Vergangenheit vor s'Chweren Erschütterungen bewahrt hat, daß die Außerachtlassung dieser Grundsätze sich stets schwer gerächt hat, und daß ihre Beibehaltung auch für die Gegenwart und die Zukunft wichtig ist, so hat dies ganz andere Grunde als jene, welche die Verfechter der bankmäßigen Deckung der Umlaufsmittel ins Treffen zu führen pflegen. Der eine, weniger wichtige Grund ist der, daß die Sicherheit der Anlagen, die in kurzfristigen Darlehen erfolgen, besser beurteilt werden kann als die von langfristigen. Es gibt gewiß zahlreiche langfristige Anlagen, die an Güte recht viele der kurzfristigen übertreffen. Im allgemeinen aber kann die Sicherheit einer Anlage mit größerer Gewißheit beurteilt werden, wenn es lediglich gilt, die Verhältnisse des Marktes im allgemeinen und die des Kreditnehmers im besonderen für die nächsten Wochen oder Monate zu übersehen, als wenn es sich um Jahre oder Jahrzehnte handelt. Der zweite, ,entscheidende Grund wurde schon ausgeführt 1. Beschränkt sich die Kreditgewährung durch Ausgabe von Umlaufsmitteln auf Darlehen, welche nach kurzer frist zurückzuzahlen sind, so liegt darin auch eine gewisse Begrenzung der Höhe der Umlaufsmittelemission. Die Regel, daß es sich für Umlaufsmittelbanken empfehle, nur kurzfristige Darlehen zu gewähren, stellt sich als ein Niederschlag der Erfahrung von Jahrhunderten dar. Sie hat das Schicksal gehabt, stets mißverstanden zu werden. Ihre Befolgung aber erfüllt eine nicht unwichtige funktion zur Beschränkung der Umlaufsmittelemissionen. § 7. Die Lösung des Problems der Sicherheit hält für die Umlaufsmittelbanken nicht schwerer als für die Kreditvermittlerbanken. 1
Vgl. oben S. 318 f.
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Werden die Umlaufsmittel nur gegen gute Anlagen abgegeben und wird durch das Eigenkapital ein Oarantiefonds für Verluste, die auch bei vorsichtiger Gebarung nicht immer vermieden werden können, geschaffen, dann kann sich die Bank in die Lage versetzen, den Umtausch der von ihr ausgegebenen Umlaufsmittel vollkommen durchzuführen, wenn auch ohne Einhaltung des in ihrem Zahlungsversprechen bezeichneten Termines. Die Skherheit der Deckung hat jedoch für die Umlaufsmittel nur eine untergeordnete Bedeutung. Sie kann, in einem gewissen Sinne wenigstens, ganz entfallen, ohne ihrer Zirkulationsfähigkeit Abbruch zu tun. Umlaufsmittel können auch nicht bankmäßig ausgegeben werden. Das ist bei der Ausgabe von Scheidemünzen der Fall, wenn der Staat den Münzgewinn keinem besonderen, der Einlösung dieser gewidmeten Fonds zuführt; als partielle Sicherheit kann unter Umständen der Metallwert der Stücke angesehen werden. Allerdings liegt in der Vermögenskraft des Staates eine weitaus größere Sicherheit, als sie irgendein Spezialfonds bieten könnte. Anderseits kann auch der Umstand, daß al1e ausgegebenen Umlaufsmittel durch Aktiva des Emittenten vo1\ gedeckt sind, so daß ihre Einlösung nur der Zeit nach, nicht aber überhaupt in Frage stehen kann, in keiner Weise als Sfütze ihrer Zirkulationsfähigkeit in Betracht kommen. Denn diese beruht ausschließlich auf der Erwartung prompter Einlösung durch die Emittenten. Das übersehen zu haben, ist der Fehler al1er jener Vorschläge und Versuche, welche die Ausgabe von Umlaufsmitteln durch einen illiquiden Deckungsfonds (z. B. durch Hypotheken) zu garantieren gedachten. Werden die zum Umtausch präsentierten Geldsurrogate unverzüglich in Geld voll eingelöst, dann ist eine außer dem für diel>e Einlösung erforderlichen Barschatz angesammelte Gütermasse für die Aufrechterhaltung der Gleichwertigkeit der Umlaufsmittel und des Geldes überflüssig. Werden aber die Geldsurrogate nicht ohne Verzug vol1 in Geld eingelöst, dann kann auch der Hinweis darauf, daß irgendwo irgendwelche Güter zur Verfügung stehen, aus denen irgendeinmal die Ansprüche befriedigt werden sollen, die die Inhaber der Geldsurrogate aus dem in diesen enthaltenen Forderungsrechte zu stel1en haben, nicht bewirken, daß diese Forderungsrechte dem Gelde gleich gewertet werden. Man wird sie niedriger bewerten als die Geldsumme, auf die sie lauten, weil die Einlösung zweifelhaft ist und bestenfalls erst nach Ablauf einer Spanne Zeit
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Viertes Kapitel.
erfolgen wird. Sie hören damit auf, Geldsurrogate zu sein; dienen sie dem Verkehr dennoch' als Umsatzmittel, dann unterliegen sie einer selbständigen Bewertung, sind Kreditgeld und nIcht Geldsurrogat. Auch für Kreditgeld, das ist für nicht fällige Forderungen, die als allgemeines Tauschmittel dienen, ist "Deckung" durch einen besonderen Fonds überflüssig. Solange die Forderungen als Geld gegeben und genommen werden und dadurch einen Tauschwert erlangen, der den Wert, der ihnen als bloßen ~orderungen beigelegt wird, übersteigt, kommt es auf ihn nicht an. Die Bedeutung der Deckungsvorschriften und der Deckungsfonds ist auch hier wie bei den Umlaufsmitteln darin gelegen, daß sie mittelbar eine Begrenzung der auszugebenden Menge festsetzen 1.
§ 8. Da der Zweck des Einlösungsfonds nicht der ist, die Geldsurrogate einzulösen, die der Bank aus Mißtrauen in ihre Güte zurückgestellt werden, sondern lediglich der, den Kunden der Bank die für den Verkehr mit Ni.chtkunden erforderlichen Tauschmittel zur Verfügung zu stellen, lag der Gedanke nahe, ihn zum Teil wenigstens aus solchen Objekten zusammenzusetzen, die, ohne Geld zu sein, für den Verkehr mit Nichtkunden in der gleichen Weise wie Geld verwendet werden können. Hierher gehören nicht nur die Geldsurrogate des Auslandes, sondern auch alle jene Forderungsrechte, welche die Grundlage des internationalen Abrechnungsverkehres bilden, also in erster Reihe Devisen (Wechsel auf fremde Plätze). Die Ausgabe von Geldsurrogaten über das durch den Geldbedarf (im weiteren Sinne) der Kunden für den Verkehr innerhalb des Kundenkreises der Bank gegebene Maß ist nicht möglich. Lediglich die Erweiterung des Kundenkreises könnte den Boden für eine Ausdehnung der Zirkulation vorbereiten; den nationalen Zentralnotenbanken, deren Wirksamkeit an die politischen Grenzen gebunden ist, bleibt sie verwehrt. Wird jedoch ein Teil des Einlösungsfonds in ausländischen Banknoten, dann in Devisen, Auslandsschecks und mit kurzer Verfallfrist kündbaren Guthaben bei ausländischen Banken angelegt, dann kann ein größerer Teil der von der Bank ausgegebenen Geldsurrogate in Umlaufsmittel verwandelt werden, als wenn die Bank für den Auslandsverkehr ihrer Kunden lediglich Geld bereit 1
VgI. Nicholson, a. a. 0., S.67f.
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hielte. Auf diesem Wege kann eine Umlaufsmittelbank selbst dahin gelangen, nahezu alle von ihr ausgegebenen Geldsurrogate in Umlaufsmittel zu verwandeln. Die Privatbanken vieler Länder sind davon nicht mehr weit entfernt; sie pflegen für die prompte Einlösung der von ihnen ausgegebenen Geldsurrogate durch die Haltung eines aus Geldsurrogaten bestehenden Kassenstandes 'Vorzusorgen; nur soweit diese Geldsurrogate Geldzertifikate sind, tragen die auf Grund solcher Deckung ausgegebenen Geldsurrogate nicht den Charakter von Umlaufsmitteln. Die Zentralnotenbanken pflegen erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit den Geldsurrogaten und Devisen Zutritt in ihren Einlösungsfonds zu gewähren. So wie sich einst der Goldschmied dazu entschlossen hat, einen Teil der bei ihm verwahrten Gelder auszuleihen, so schritten auch die Zentralbanken dazu, ihren Metallschatz zum Teil in Devisen und sonstigen Guthaben im Auslande anzulegen. Die Hamburger Girobank, die einen Teil der Reserve in Devisen auf London zu halten pflegte, war mit dem Beispiel vorangegangen; im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts folgte eine Reihe von Zettelbanken nach. Wie für die Entstehung, so war auch für die Ausgestaltung des Devisenportefeuilles ausschließlich die Rücksichtnahme auf die Gewinninteressen der Banken maßgebend. Die Anlage eines Teiles des Einlösungsfonds in Devisen und anderen leicht und schnell realisierbaren Auslandsguthaben sollte die Kosten der Haltung der Reserve vermindern. In einigen Ländern sind die Zentralnotenbanken zur Erwerbung eines Portefeuilles von Auslandswechseln übergegangen, weil ihnen das inländische Eskomptegeschäft nicht genug Ertrag abwarf 1. Im alIgemeinen waren es die Zentral notenbanken und die staatlichen Konversionskassen der kleineren und finanziell schwächeren Länder, die auf diese Weise an Kosten zu sparen suchten. Nach dem Kriege, der die ganze Welt ärmer gemacht hat, hat dieser Vorgang viel Nachahmung gefunden. Es ist klar, daß die Politik, den ganzen Einlösungsfonds in Goldforderungen auf das Ausland anzulegen, nicht allgemeiln werden kann. Wollten alle Staaten der Welt zur Goldkernwährung übergehen und die Einlösungsfonds nicht in Gold, sondern in Goldforderungen auf das Ausland halten, dann würde es sich ergeben, daß der Gelddienst überhaupt kein 1 Vgl. Kai k man n, Hollands Geldwesen im 19. Jahrhundert, (Schmollers Jahrbuch, XXV. Bd.), S. 1249ff.; Witten, Die Devisenpolitik der Nationalbank von Belgien (ebend., XLII. Bd.) S.625ft.
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Viertes Kapitel.
Gold mehr in Anspruch' n.iJmmt. Jener Teil des Goldwertes, der auf der Verwendung als Geld beruht, würde ganz schwinden. Die Goldkernwährung mit der Anlage des Einlösungsfonds in Devisen untergräbt das System der Goldwährung. Darüber wird im letzten Kapitel noch zu sprechen sein.
Fünftes Kapitel.
Geld, Umlaufsmittel und Zins. § 1. Aufgabe dieses Kapitels ist es, die Beziehungen, welche zwischen dem Geldumlauf und der Höhe des Kapitalzinses bestehen, zu untersuchen. Daß die Veränderungen des zwischen der Geldmenge und dem Geldbedarf bestehenden Verhältnisses die Höhe des zwischen dem Geld und den übrigen wirtschaftlichen Gütern bestehenden Austauschverhältnisses beeinflussen, ist bereits dargelegt worden. Es erübrigt jetzt, zu prüfen, ob die so hervorgerufenen Veränderungen der Geldpreise der Tauschgüter bei den Gütern höherer Ordnung und bei denen erster Ordnung in gleichem Maße wirksam werden. Wir haben bisher lediglich die Veränderungen des zwischen dem -Geld und den GenuBgütern bestehenden Austauschverhältnisses ins Auge gefaBt und das zwischen dem Geld und den Produkti'Vgütern bestehende Austauschverhältnis außer acht gelassen. Dieses Vorgehen ist wohl gerechtfertigt, denn die Wertbildung der Genußgüter ist die ursprüngliche, die der Produktivgüter von jener abgeleitet. Die Kapital- oder Produktivgüter leiten ihren Wert von dem ihres voraussichtlichen Produktes ab; nichtsdestoweniger erreicht ihr Wert niemals den vollen Wert dieses voraussichtlichen Produktes, sondern bleibt hinter ihm regelmäßig zurück. Die Differenz, um welche der Wert der Kapitalgüter hinter jenem ihres voraussichtlichen Produktes zurückbleibt, ist der Kapitalzins; sein Ursprung liegt in der natürlichen Wertdifferenz zwischen gegenwärtigen und zukünftigen Gütern 1. Wenn jene Preisände1 Wenn in diesem ganzen Kapitel an der Terminologie und an den Gedankengängen der Böhm-Bawerkschen Kapitalzinstheorie festgehalten wird, so bedeutet dies nicht etwa, daß ich mich ihr anschließe und sie als eine dieses Hauptproblem unserer Wirtschaft befriedigend lösende Lehre anzusehen vermag. Doch der Rahmen dieses Werkes erlaubt es nicht, meine eigenen Anschauungen über das Zinsproblem in ihm vorzutragen; dies muß einer, wie ich hoffe, in nicht allzufernen Zukunft erscheinenden besonderen Arbeit vorbehalten bleiben. Unter solchen Umständen blieb mir nichts anderes übrig. als meine Ausführungen auf Grundlage der Böhm-Bawerkschen Theorie zu entwickeln. Auf Böhms gewaltiger Leistung ruht die Arbeit aller, die sich
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fünftes Kapitel.
rungen, wekhe von den auf der Seit~ des Geldes liegenden Bestimmungsgrunden des zwischen diesem und den Tauschgütern bestehenden Austauschverhältnisses ausgehen, bei den Produktivgütern und bei den Konsumgütern in verschiedenem Maße zum Ausdruck gelangen würden - und der Gedanke an diese Möglichkeit kann nicht ohne weiteres von der Hand gewiesen werden -, dann würden sie damit eine Änderung in der Höhe des Kapitalzinses im Gefolge haben. Mit diesem Problem ist ein zweites, das freilich meist selbständig behandelt wird, identisch: Ist die Höhe des Kapitalzinses einer Beeinflussung durch die Kreditpolitik der Banken, welche Umlaufsmittel in den Verkehr setzen, unterworfen? Sind die Banken in der Lage, den Zinsfuß ihrer durch die Umlaufs mittelausgabe ermöglichten Aktivgeschäfte bis zu jener Grenze hinabzudrücken, die durch die Kosten ihres technischen Betriebes gegebell ist? Es ist die vielbesprochene frage der Unentgeltlichkeit des Zirkulationskredites, die wir hier vor uns haben. Laien halten diese Probleme schon für längst gelöst. Das Geld verrichtet seinen Dienst als allgemein gebräuchliches Tauschmittel nicht nur dann, wenn es sic_h um den Umsatz von Gegenwarts-' gütern handelt, sondern auch dann, wenn gegenwärtige Güter gegen zukünftige Güter und zukünftige Güter gegen gegenwärtige Güter vertauscht werden. Wer Kapitalgüter und Arbeitsleistungen erwerben will, um einen Produktionsprozeß einzuleiten, bedarf zunächst Geld, um damit jene zu kaufen. Es ist schon lange nicht mehr üblich, die Kapitalgüter in direktem Tausch zu übertragen. Die Kapitalisten schießen den Produzenten Geld vor, welches diese erst zum Ankauf der Produktionsmittel und zur Entlohnung der Arbeiter verwenden. Die Nachfrage der Unternehmer, denen nicht genügend eigenes Kapital zur Verfügung steht, richtet sich nicht nach naturalen Produktivgütern, sondern nach Geld. Die Kapitalsnachfrage tritt in der form der Geldnachfrage auf; der Kapitalbedarf ist scheinbar ein Geldbedarf. Das darf uns über das Wesen der Erscheinung nicht täuschen. Das, was man OeldüberfIuß und Geldknappheit zu nennen pflegt, ist in Wahrheit Kapitalüberfluß und Kapitalknappheit. Ein wirklicher Mangel oder Überfluß an Geld nach ihm dem Zinsproblem zugewendet haben, und wohl auch jener, die es in Zukunft tun werden. Er erst hat den Weg freigelegt, der zur Erkenntnis des Zinsproblems führt; er erst hat es ermöglicht, das Zinsproblem in eine systematische Beziehung zum Geldwertproblem zu bringen.
Geld, Umlaufsmitlel und Zins.
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kann niemals direkt - das heißt ohne den Umweg über die Beeinflussung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes und deren folgeerscheinungen - in der Volkswirlschaft fühlbar werden. Denn da die Nutzwirkung des Geldes ausschließlich von seiner Kaufkraft abhängt, diese sich aber jederzeit so gestalten muß, daß Gesamtnachfrage und Gesamtangebot sich decken, steht die Volkswirtschaft stets im Genuß der höchsten durch das Geld für sie und ihre Glieder erzielbaren Nutz:wirkung. Das wurde lange verkannt und wird es vielfach noch heute. Der Unternehmer, der den Umfang seiner Geschäfte über den durch die Marktlage gegebenen Rahmen hinaus erweitern möchte, liebt es, über Geldmangel zu klagen. Jede Diskonterhöhung löst von neuem Beschwerden aus über die Engherzigkeit des Vorgehens der Banken oder über die Unvernunft der Gesetzgeber, welche diesen Vorschriften über die zulässige Ausdehnung ihrer Kreditgewährung machen. Die Vermehrung der Umlaufsmittel wird als das Universalheilmittel gegen alle Schäden des Wirtschaftslebens angepriesen. Die inflationistischen Tendenzen verdanken ein gut Teil ihrer Volkstümlichkeit ähnlichen Gedankengängen. Und nicht nur Laien sind es, die solchen Anschauungen huldigen. Mag auch seit David Humes und Adam Smiths berühmten Ausführungen 1 unter den fachleuten in diesem Punkte Einhelligkeit herrschen, so melden sich doch von Jahr zu Jahr immer wieder Schriftsteller, welche den Nachweis dafür zu erbringen suchen, daß die Größe und Zusammensetzung des Kapitalvorrates ohne Einfluß auf die Höhe des Zinses sei, daß der Zins in seiner Höhe durch Kreditangebot und Kreditnachfrage bestimmt werde, und daß die Banken in der Lage wären, auch den größten an sie herantretenden Kreditbedarf zu befriedigen, ohne den Zinsfuß erhöhen zu müssen, wenn ihre Leistungsfähigkeit nicht durch gesetzliche Bestimmungen geschwächt wäre 2. Der oberflächliche Beobachter, dessen Blick nicht in die Tiefe dringt, wird manche Anzeichen entdecken, welche diese und ähnähnliche Anschauungen zu bestätigen scheinen. Wenn die Notenbanken Diskonterhöhungen vornehmen, weil ihr Notenumlauf über das gesetzlich zulässige Maß hinaus zu wachsen droht, dann liegt die nächste Ursache für ihr Vorgehen in den Bestimmungen, welche 1 Vgl. Hume, a.a.O., S.303ff.; Smith, a. a. 0., 11. Bd., S.243ff.; vgl. auch Mill, a. a. 0., S. 296 f. 2 Vgl. z. B. Georg Sc h m i d t, Kredit und Zins, Leipzig 1910, S. 38 H.
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fünftes Kapitel.
der Gesetzgeber zur Regelung ihres Emissionsrechtes getroffen hat. Die allgemeine Versteifung des Zinssatzes auf dem sogenannten Geldmarkte, dem Markte für kurzfristige Kapitalsanlagen, welche als Folge der Diskonterhöhung eintritt oder doch eintreten soll, wird daher mit einem gewissen Anschein von Berechtigung der staatlichen Bankpolitik zur Last gelegt. Noch auffälliger wird das Vorgehen der Zentralbanken, wenn sie glauben, mit der bloßen Erhöhung des Bankzinses die gewünschte Verteuerung des allgemeinen Geldstandes nicht erreichen zu können; dann werden von ihnen Schritte eingeleitet, welche unmittelbar darauf abzielen, den Zinsfuß, den die anderen nationalen Umlaufsmittelbanken im kurzfristigen Darlehensverkehr fordern, in die Höhe zu treiben. Die Bank von England pflegte in diesem Falle auf dem offenen Markte Konsols belehnen zu lassen 1, die Deutsche Reichsbank Schatzscheine zum Diskont anzubieten. Betrachtet man alle diese Vorgänge für sich gesondert, ohne sich über ihre Funktion im Rahmen der Markterscheinungen Rechenschaft zu geben, dann liegt der Schluß nicht ferne, daß die Gesetzgebung und die von eigennützigen Rücksichten geleitete Politik der Banken an dem Steigen des Zinsfußes Schuld tragen. Die mangelhafte Erkenntnis der verwickelten Zusammenhänge des Wirtschaftslebens läßt alle jene gesetzlichen Vorschriften als Maßnahmen zugunsten des Kapitalismus und zuungunsten der produzierenden Klassen erscheinen 2• Aber auch die Verteidiger der herrschenden Bankpolitik sind in ihrer Argumentation nicht immer glücklich gewesen. Man vermißt bei ihnen jedes tiefere Eindringen in die Probleme, welche hinter den Schlagworten "Schutz der Währung" und "Bekämpfung der Überspekulation" liegen. In langatmigen Erörterungen, die mit zahlreichem statistischem Material, das nicltts beweisen kann, ausgestattet sind, wird jedes Berühren der im Hintergrund stehenden großen Fragen der Theorie ängstlich vermieden. Überblickt man die bankpolitische Literatur der letzten Jahrzehnte, so wird man zwar 1 Die Transaktion spielt sich in der Weise ab, daB die Bank einen Teil ihrer Konsols "für Geld" verkauft und sie zugleich "auf Rechnung" zurück· kauft. Der "auf Rechnung"-Preis ist höher, weil er einen gröBeren Teil der nächstfälligen Zinsen einschlieBt ; der Unterschied zwischen den beiden Preisen stellt die Vergütung dar, welche die Bank für diese Anleihe zahlt. Die Kosten, die ihr so erwachsen. werden dadurch wieder eingebracht, daß ihr jetzt eine gröBere Quote der Darlehensgeschäfte zufällt. Vgl. Ja f fe, a. a. 0., S.250. 2 Vgl. z B. Arendt, Geld Bank - Börse, Berlin 1907. S.19.
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zugeben müssen, daß neben dem groBen Haufen wertloser Veröffentlichungen sich auch ausgezeichnete Arbeiten deskriptiver Natur finden; man wird aber auch nicht in Abrede steIlen können, daß ihr theoretischer Gehalt, von wenigen rühmlichen Ausnahmen abgesehen, weit hinter den literarischen Denkmälern zurückbleibt, welche der groBe Kampf des Currency- und des Banking-Principle hinterlassen hat. Die älteren engHschen Theoretiker des Bankwesens haben mit Entschlossenheit den Kern des Problems zu erfassen gesucht. Die Frage, die sie in den Mittelpunkt ihrer Untersuchungen steIlten, ist die, ob es eine Grenze für die Kreditgewährung durch die Banken gebe; sie ist identisch mit der Frage nach der Entgeltlichkeit des Kredits, sie steht im innigsten Zusammenhang mit dem Problem des Kapitalzinses. Die Möglichkeit, ihre Krediterteilung durch Veränderung der Höhe des Eskomptesatzes zu regulieren, war für die Bank von England in den ersten vier Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts nur in beschränktem MaBe gegeben. Sie durfte im Hinblick auf die erst 1837 aufgehobene Zinsbeschränkung ihren Eskomptesatz nicht über 5 % erhöhen, sie hat ihn auch niemals unter 4 % sinken lassen 1. Ihr vorzüglichstes Mittel, das Portefeuille den Verhältnissen des Kapitalsmarktes anzupassen, war damals die Erweiterung und Einschränkung der Eskomptierungen. Das erklärt, warum die älteren Schriftsteller der Banktheorie meist nur von Vermehrung und Verminderung des Notenumlaufes sprechen, eine Redeweise, die noch lange beibehalten wurde, als die Zeitumstände es bereits gerechtfertigt hätten, mit Erhöhung und Erniedrigung des Diskontsatzes zu exemplifizieren. Am Wesen der Sache kann dies nichts ändern; bei beiden Fragen kommt es allein darauf an, ob die Krediterteilung der Banken über die zur Verfügung stehenden Kapitalsvorräte hinausgehen kann oder nicht 2. In der Verneinung dieser Frage waren beide Parteien einig. Man wird darüber nicht staunen. Die Erkenntnis des Wesens der wirtschaftlichen Vorgänge war bei jenen englischen SchriftsteIlern auBerordentlich vertieft; gründliche Kenntnis der theoretischen Lite1
Vgl. Gi I bar t, The History, Principles and Pradice of Banking, Revised
by Michie, London 1904, I. Bd .. S.93. I VgJ. Wicksell, a. a. 0., S. 74; an manchen Stellen besprechen allerdings auch schon die Schriftsteller jener Zeit das Problem der ZinsfuBveränderung; vgI. z. B. Tooke, a. a. 0., S.I24.
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fünftes Kapitel.
ratur ihrer Zeit verbanden sie mit einer auf eigene Beobachtung gestützten Einsicht des wirtschaftlichen Lebens. Die streng logische Schulung des Geistes ließ sie schnell und leicht das Wesentlkhe von dem Unwesentlichen trennen und bewahrte sie davor, Äußerlichkeiten für den Kern, den sie umschließen, zu nehmen. Wie weit ihre Ansichten über das Wesen des Kapitalzinses auseinandergehen mochten - viele hatten von diesem wichtigen Problem, dessen Bedeutung erst auf ein'er späteren Stufe der Entwicklung der Wissenschaft voll zum Ausdruck gelangte, überhaupt nur vage Vorstellungen -, darüber herrschte bei ihnen kein Zweifel, daß die durcli die allgemeine volkswirtschaftliche Entwicklung gegebene Höhe des Kapitalzinses durch Vermehrung oder Verminderung der umlaufenden Menge von Geld und Umsatzmitteln schließlich nicht beeinflußt werden könne, soweit nicht die durch die Verminderung des Geldbedarfes erzielte Vermehrung des für produktive Zwecke zur Verfügung stehenden aütervorrates in Betracht kommt. Weiter aber gingen die Wege der bei den Schulen auseinander. Tooke, Fullarton und ihre A C1hänger stellten es rundweg in Abrede, daß die Banken die Macht hätten, den Betrag ihrer Notenausgabe über den Bedarf des Verkehres hinaus zu vergrößern. Ihrer Meinung nach passen sich die bankmäßigen Umsatzmittel dem jederzeitigen Bedarf des Verkehres in der Weise an, daß die bei einem gegebenen Preisstande jeweils erforderlichen Umsätze durch das vorhandene Geldquantum mit ihrer Hilfe bewältigt werden können. Sobald die Zirkulation gesättigt ist, kann jede Bank, gleichviel ob sie das Recht hat, Zettel auszugeben oder nicht, nur noch aus ihrem eigenen Kapital oder aus dem ihrer Deponenten Kredit erteilen 1. Diesen Anschauungen waren die von Lord Overstone, Torrens und anderen schroff entgegengesetzt. Diese gehen davon aus, daß den Banken die Möglichkeit, die Emission ihrer Noten willkürlich auszudehnen, wohl gegeben sei; und sie suchen festzustellen, auf welchem Wege das gestörte Gleichgewicht des Marktes sich wiederherstelle 2. Die Currency-Schule stellte eine vollständig in sich geschlossene Theorie des Geldwertes und des Einflusses der Kredit1 Vgl. Tooke, a. a. 0., S. 121 ff.; fu lIa rto n, a. a. 0., S. 82ff.; Wil son, a. a. 0., S.67ff. In den Gedankengängen dieser Schriftsteller wandelt Wagn er, Die Geld- und Kredittheorie der Peelschen Bankakte, a. a. 0., S. 135ft. 2 Vgl. Torrens, a. a. 0., S. 57ff.; Overstone, Tracts and other Publi· cations on Metallic and Paper Currency, London 1858, passim.
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erteilung auf die Warenpreise und den Zinssatz auf. Ihre Lehren ruhten auf einer unhaltbaren Grundanschauung über das Wesen des wirtschaftlichen Wertes; ihre Auffassung der Quantitätstheorie war eine rein mechanische. Das darf ihr keineswegs zur Last gelegt werden; ihre Anhänger wollten und konnten sich nicht über das Niveau der nationalökonomischen Anschauungen ihrer Zeit erheben. Im engeren, noch immer weiten Kreis, den sie ihren Untersuchungen gezogen haben, ist ihr Wirken von großem Erfolge begleitet gewesen; dankbar sollte dies die Nachwelt anerkennen, die auf den von ihnen gelegten Fundamenten weiterbaut. Das muß "or allem gegenüber jenen Verkleinerungen ihres Wirkens festgestellt werden, die nun einmal zum eisernen Bestand aller banktheoretisch:en Schriften zu gehören scheinen. Die Mängel, welche das System der Currency-Theoretiker aufwies, boten der kritischen Arbeit ihrer Gegner leichtes Spiel. Die Anhänger des Banking-Principle haben sich damit unzweifelhaft große Verdienste erworben. Hätte sich ihr Tun darauf beschränkt, hätten sie sich lediglich als Kritiker jenes Systems bezeichnet, man könnte ihnen daraus keinen Vorwurf machen. Das Verhängnisvolle ihres Einflusses lag darin, daß sie mit dem Anspruch auftraten, eine umfassende Theorie des Geldund Bankwesens zu schaffen und ihre aphoristischen Bemerkungen für eine solche hielten. An Stelle der klassischen Theorie, deren Mängel nicht beschönigt werden sollen, der aber niemand logische Schärfe und tiefen Einblick in die verwickelten Zusammenhänge absprechen kann, setzten sie eine Reihe von nicht immer exakt formulierten und vielfach einander widersprechenden Behauptungen. Sie bahnten damit den Weg für jene Behandlung der Geldprobleme, wie sie in unserer Wissenschaft üblich war, ehe die Arbeiten Mengers ihre Früchte zu tragen begannen 1. Der verhängnisvolle Irrtum Fullartons und seiner Anhänger war es, zu übersehen, daß auch einlösliche Banknoten dauernd im Umlauf verbleiben und dann eine Überfüllung der Zirkulation mit Umlaufs mitteln bewirken können, deren Folgen jenen einer Vermehrung der umlaufenden Geldmenge gleichkommen. Wenn es auch richtig ist, was Fullarton hervorhebt, daß die Banknoten, die als Darlehen ausgegeben werden, nach Ablauf der Darlehensfrist automatisch wieder zur Bank zurückströmen, so ist damit noch nichts 1
VgI. Wi::ksell, a. a. 0., 5.1ff.
v. Mises, Theorie des Oeldes. 2. Auf!.
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darüber gesagt, ob nicht die Bank durch beständige Prolongation der Darlehen sie weiter im Verkehr erhalten kann. Die Behauptung, welche den Mittelpunkt der Stellung der Banking-Theoretiker bildet, daß nämlich niemals mehr Noten in die Zirkulation gesetzt und dauernd darin erhalten werden können, als der Nachfrage des Publikums entspricht, ist unhaltbar; denn die Nachfrage nach Kredit ist keine feste GröBe, sie wächst bei sinkendem und fällt bei steigendem Zinsfuß. Da aber die Emissionsbanken zunächst die Möglichkeit haben, den Zinsfuß für Darlehen, die sie durch eigens dazu neu geschaffene Umlaufsmittel gewähren, bis auf die durch den Grenznutzen der im Bankbetrieb verwendeten Kapitalien gesetzte Schranke, also faktisch bis nahe auf Null, zu ermäßigen, so fällt das ganze Gebäude der Tookeschen Schule zusammen. Es ist nicht unsere Aufgabe, eine dogmenhistorische Darstellung des Kampfes der beiden berühmten englischen Schulen zu versuchen, so verlockend auch ein solches Beginnen wäre. Nur darauf mußte hingewiesen werden, daß in den Schriften der vielverlästerten Currency-Schule weit mehr an brauchbaren Ideen und fruchtbaren Gedanken enthalten ist, als gemeiniglich angenommen wird, besonders in Deutschland, wo man si'e in der Regel lediglich aus den Schriften ihrer Gegner kennt, aus der deutschen Übersetzung der Tooke-Newmarchs<:hen Geschichte der Preise, aus Mißs Principles und aus deutschen Bearbeitungen der Banking-Theorie, denen das Verständnis für das Wesen der behandelten Probleme mangelt. Bevor wir an die Untersuchung der Einwirkung der Umlaufsmittelschaffung auf die Bildung des inneren objektiVen Tauschwertes des Geldes und die Höhe des Zinssatzes eingehen, müssen wir noch einen Augenblick bei dem Problem des Verhältnisses zwischen den Veränderungen der Geldmenge und jenen der Zinshöhe verweilen.
§ 2. Die Veränderungen im Verhältnis von Geldvorrat und Geldbedarf müssen in letzter Unie auch auf die Höhe des Zinses eine Einwirkung äußern; doch kommt es dazu auf einem anderen Wege, als die populäre Anschauung glaubt. Eine direkte Beziehung zwischen der Größe des Geldvorrates der am Marktverkehr teilnehmenden Wirtschaften und der Höhe des Zinssatzes besteht nicht; eine indirekte Beziehung bildet sich erst auf dem Umwege über die Verschiebungen in der gesellschaftlichen Einkommens- und Vermögensverteilung, die im Gefolge der Veränderungen des inneren objektiven Tauschwertes des Oeldes auftreten.
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Eine unmittelbare Einwirkung der Veränderungen im Verhältnis zwischen Geldvorrat und Geldbedarf und der aus ihnen entspringenden Veränderungen in dem zwischen dem Geld und den übrigen wirtschaftlichen Gütern bestehenden Austausch'Verhältnisse kann nur insoweit zutage treten, als sich, wenn Sachgeld verwendet wird, Veränderungen in der für industrielle Zwecke zur Verfügung stehenden Menge an Geldstoff ergeben. Die Vergrößerung oder Verminderung der Menge des für sonstige, nicht monetäre Verwendung verfügbaren Geldstoffes bedeutet eine Vergrößerung oder Verminderung des nationalen Subsistenzfonds und beeinflußt demgemäß die Höhe des Zinssatzes. Es bedarf kaum einer Erwähnung, daß die praktische Bedeutung dieser Erscheinung nur ganz geringfügig ist. Man, denke zum Beispiel daran, wie gering im Vergleich mit der täglich vor sich gehenden Kapitalbildung die Vermehrung ist, die der Subsistcnzfonds durch die jüngsten Goldfunde in Südafrika erfahren hat, oder selbst die, die er erfahren hätte, wenn das ganze neugewonnene Edelmetall ausschließlich in die industrielle Verwendung geflossen wäre. Allein sei dem wie immer, für UnS ist allein die Feststellung wichtig, daß es sich hier um eine Erscheinung handelt, die .lediglich mit der nichtmonetären Verwendungsmöglichkeit des Geldstoffes in Verbindung steht. Was nun aber die Geldfunktion selbst anbelangt, so braucht es nicht erst einer langen Auseinandersetzung, um zu zeigen, daß hier alles darauf ankommt, ob di.e zusätzliche Geldmenge gleichmäßig zur Beschaffung von Produktiv- und von Genußgütern Verwendung findet oder nicht. Würde die zusätzliche Geldmenge die auf dem Markte herrschende Nachfrage nach Genußgütern und nach den korrespondierenden Gütern höherer Ordnung in genau dem gleichen Verhältnisse erhöhen oder die abströmende Geldmenge diese Nachfrage in gen au dem gleichen Maße verringern, dann könnte von einer dauernden Einwirkung solcher Veränderungen auf die Höhe des Zinssatzes nicht die Rede sein. Wir konnten eine Verschiebung der gesellschaftlichen Einkommens- und Besitzverhältnisse als wesentliche Begleiterscheinung der Bewegungen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes erkennen. Jede Veränderung in der Einkommens- und Vermögensverteilung zieht aber auch Wandlungen in der Höhe des Kapitalzinses nach sich. Es ist nicht gleichgültig, ob ein Einkommensbetrag von einer Million Kronen unter tausend Personen dermaßen 23*
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verteilt wird, daß hundert Personen Beträge von je 2800 Kronen und 900 Personen Beträge von je 800 Kronen zufließen, oder dermaßen, daß jeder von den tausend Personen gleichmäßig Beträge von je 1000 Kronen zufließen. Im allgemeinen sorgt ein Individuum, das über ein größeres Einkommen verfügt, besser für die Zukunft als ein solches mit geringerem Einkommen. Je geringer das Einkommen eines Individuums ist, desto größer ist seine Überschätzung gegenwärtiger Güter im Verhältnis zu künftigen Gütern. Umgekehrt steigt mit zunehmendem Wohlstand die Fürsorge für die Zukunft, damit auch die Schätzung der künftigen Güter 1. Lediglich im Wege der durch sie veranlaßten Verschiebungen in der Vermögens- und Einkommensverteilung können die Veränderungen des Verhältnisses zwischen Geldvorrat und Geldbedarf die Höhe des Zinssatzes dauernd beeinflussen. Wird die Vermögensund Einkommensvertei1ung in einer Weise geändert, daß die Spartätigkeit erhöht wird, dann muß schließlich auch das Verhältnis der Bewertung gegenwärtiger und zukünftiger Güter eine Verschiebung zugunsten der letzteren erfahren. Muß sich doch ein für die Höhe des Zinses maßgebender Faktor, die Höhe des nationalen Subsistenzfonds, durch die Vermehrung der Rücklagen ändern. Der Zins steht in einer Volkswirtschaft um so tiefer, je größer der nationale Subsistenzfonds ist 1. Daraus ergibt sich nun ohne weiteres, daß es nicht angeht, bestimmten Veränderungen des Verhältnisses zwischen Geldvorrat und Geldbedarf stets die gleichen Wirkungen auf die Höhe des Zinssatzes zuzuschreiben, etwa zu behaupten, daß steigender Geldvorrat den Zinsfuß drücke, sinkender Geldvorrat ihn in die Höhe treibe. Ob die eine oder die andere Folge eintritt, hängt stets davon ab, ob die rieue Besitzverteilung der Kapitalansammlung günstiger ist oder nicht. Das aber kann in jedem einzelnen Falle je nach seiner besonderen quantitativen Gestaltung anders sein. Ohne Kenntnis der konkreten Daten kann eine bestimmte Aussage nicht abgegeben werden. Das sind die bleibenden Einwiorkungen der Veränderungen in dem zwischen Geldbedarf und Geldvorrat in der Volkswirtschaft bestehenden Verhältnisse auf den Zinsfuß. Sie stellen sich als Folge der durch die Bewegung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes ausgelösten Verschiebungen in der Einkommens- und Besitzver1 Z
Vgl. Fis her, The Rate of Interest, a. a. 0., S. 94 f. Vgl. Böhm-Bawerk, a.a.O., 11. Abt., S.622.
Geld, Umlaufsmittel und Zins.
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teilung dar und sind dauernd in ihrer Wirkung wie diese. Während der Übergangszeit treten aber noch andere Verschiebungen in der Höhe des Zinsfußes auf, die nur vorübergehender Natur sind. Es wurde schon darauf hingewiesen, daß die allgemeinen volkswirtschaftlichen Begleiterscheinungen der Veränderungen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes auch dadurch entstehen, daß die Ge1dwertveränderung nicht gleichzeitig und gleichmäßig überall auf dem Markte zum Durchbruch gelangt; sie geht von einem bestimmten Punkte aus und pflanzt sich nur allmählich fort, bis sie sich ganz durchgesetzt hat. Solange dieser Prozeß dauert, bilden sich Differentialgewinne oder Differentialverluste, die eben die Quelle sind, aus der jene Veränderungen der 5nkommens- und Besitzverteilung fließen. In der Regel sind es die Unternehmer, die davon in erster Linie betroffen werden. Sinkt der innere objektive Tauschwert des Geldes, dann gewinnt der Unternehmer; denn er konnte einen Teil seines Produktions aufwandes noch zu Preisen bestreiten, die dem erhöhten Nweau der Geldpreise noch nicht entsprachen, wogegen er das Produkt schon um einen Preis veräußern kann, der sich unter Berücksichtigung der mittlerweile eingetretenen Verschiebung geb.iddet hat. Steigt der innere objektive Tauschwert des Geldes, dann verliert der Unternehmer, da er dann für seine Produkte nur noch einen Preis erzielen kann, der der mittlerwei!le eingetretenen Senkung des Preisn.ilveaus entspricht, wogegen er selbst seinen Produktionsaufwand noch zu den höheren Preisen decken mußte. In dem ersten Fall steigt für di,e Übergangsperiode das Unternehmereinkommen, im zweiten Falle sinkt es. Das kann nicht ohne Einfluß auf die Zinshöhe bleiben. Der Unternehmer, der mehr verdient, wird bereit sein, höhere Zinsen zu vergüten und durch die Konkurrenz der Darlehenssucher, denen die gleiche Aussicht auf erhöhten Gewinn winkt, dazu gezwungen werden. Der Unternehmer, dessen Geschäfte schlechter gehen, wird nur geringere ,Zinsen gewähren können, und die Darlehensgeber werden sich unter dem Druck der Konkurrenz dem anbequemen müssen. Sinkender Geldwert geht daher Hand in Hand mit steigendem Zins, steigender Geldwert mit sinkendem Zins. Das dauert so lange, bis die Bewegung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes zum Stillstand gelangt ist. Dann stellt sich das durch die allgemeine volkswirtschaftliche Lage gegebene Niveau des Zinsfußes wieder ein 1. I
Vgl. Fisher.Brown, a. a.O., S.58ff.
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Zinsfußveränderungen treten mithin nicht als unmittelbare Folge der Veränderungen in dem Verhältnis zwischen Geldbedarf und Geldvorrat in Erscheinung, sie werden vielmehr erst durch die in Begleitung der dürch diese bewirkten Bewegungen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes auftretenden Verschiebungen in der gesellschaftlichen Besitzverteilung ausgelöst. Die oft aufgeworfene Frage, wie sich das Verhältnis zwischen den Veränderungen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes und jenen des Zinsfußes gestaltet, enthält vollends eine unglückliche Begriffsverwirrung. Die Veränderungen in dem Verhältnis der Wertung gegenwärtiger und künftiger Güter sind keine von den Veränderungen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes verschiedene Erscheinung; beide sind Teile einer einheitlichen, in letzter Linie durch die gleichen Faktoren bedingten Umwälzung bestehender ökonomischer Verhältnisse. Indem wir ihnen nun die gebührende Beachtung schenkten, haben wir ein Versäumnis nachgeholt und eine Lücke ausgefüllt, welche unsere im zweiten Teil entlta!ltenen Ausführungen offen gelassen haben.
§ 3. Die Vermehrung des Geldvorrates im weiteren Sinne durch Ausgabe von Umlaufsmitteln bedeutet eine Verschiebung der gesellschaftlichen Besitzv,erteilung zugunsten des Emittenten. Erfolgt die Ausgabe der Umlaufsmittel in bankmäßiger W~ise, dann ist diese Verschiebung der Kapitalbildung besonders günstig. Dann nämlich verwendet die emittierende Stelle den ihr aus dem Vorgang zufließenden Vermögenszuwachs ausschließlich in produktiver Weise, sei es unmittelbar zur Einleitung und Durchführung von Produktionsprozessen, sei es mi.ttelbar durch Verleihen an Produzenten. Es muß mithin in der Regel ein Teil der Zinsfußsenkung, die auf dem Darlehensmarkt als nächste Folge der durch die Umlaufsmittelausgabe eintretenden Vermehrung des Angebots an Gegenwartsgütern erscheint, von Dauer sein, das heißt nicht durch den im weiteren Verlauf sich aus der Verminderung des Besitzes anderer Personen ergebenden Rückschla,g aufgehoben werden. Es spricht ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit dafür, daß die starken UmlaufsmitteIemissionen der Banken einen mäclLtigen Impuls der Kapitalbildung darstellen und damit zur Senkung des Kapitalzinssatzes beigetragen haben. Eines muß nun genau beachtet werden: die Ermäßigung oder Er-
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höhung des Kapitalzinssatzes, weIche die Vermehrung oder Verminderung der bankmäßigen Umlaufsmittel auf dem Umwege über die Verschiebung der geselIschaftIichen Besitzverteilung nach sich zieht, steht in keiner direkten zahlenmäßigen Beziehung zu dieser Vermehrung oder Verminderung. Das ergibt sich schon aus dem Umstand, daß zwischen jener Verschiebung der BesitzverhäItnisse und den Veränderungen in der Richtung der Verwendung der augenblicklich vorhandenen Gütervorräte der Volkswirtschaft keine direkte Beziehung obwaltet. Die Verschiebung der Besitzverhältnisse veranlaßt die einzelnen Individualwirtschaften, ihre wirtschaftlichen Entschließungen anders zu fassen, als es sonst geschehen wäre. Die zu ihrer Verfügung stehenden Güter werden anders disponiert, in einer anderen Weise zwischen gegenwärtiger (konsurntiver) und zukünftiger (produktiver) Verwendung aufgeteilt. Daraus kann sich eine Veränderung in der Größe des nationalen Subsistenzfonds ergeben, wenn nämlich die von den IndiYidualwirtschaften vorgenommenen Verwendungsänderungen sich gegenseitig nicht aufheben, sondern einen Überschuß nach der einen oder der anderen Richtung aufweisen. Diese Veränderung in der Größe des nationalen Subsistenzfonds ist die nächste Ursache der eintretenden Änderungen des Kapitalzinssatzes, und da sie, wie festgestellt wurde, durch die Größe und Bewegungsrichtung der Bewegung des Geldvorrates im weiteren Sinne keineswegs eindeutig bestimmt ist, vielmehr von dem ganzen Aufbau der gesellschaftlichen Güterverteilung abhängt, läßt sich eine direkte Beziehung zwischen den Veränderungen des Geldvorrates im weiteren Sinne und jenen des Kapitalzinses nicht herstellen. Doch muß es ohne weiteres einleuchten, daß durch eine noch so große Vermehrung des Geldvorrates im weiteren Sinne, gleichviel ob diese durch Vermehrung der Umlaufs mittel oder des Geldvorrates im engeren Sinne erfolgt, der Kapitalzins niemals zum Verschwinden gebracht werden kann. Das könnte nur dann der Fall sein, wenn die eintretenden Verschiebungen den nationalen Subsistenzfonds so stark vermehren würden, daß er allen möglichen denkbaren Anspruchen der Gegenwart und Zukunft Genüge zu leisten vermöchte, in weIchem Falle alle Güter zu freien Gütern werden müßten. Mit dem Verschwinden des Güterwertes würden auch die Verschiedenheiten der Wertschätzung der Güter und damit auch jene, die auf der Verschiedenheit der Bedeutung gegenwärtiger und -zukünftiger Güter für unser Wohlbefinden beruhen, erlöschen. Es gibt wohl keinen
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exakten Beweis dafür, daß die Vergrößerung des nationalen Subsistenzfonds, die im Gefolge einer Verschiebung der gesellschaftlichen Besitzverteilung eintreten kann, niemals so weit gehen kann, alle wirtschaftüchen Güter zu freien Gütern zu machen; allein das Augenmaß, das uns zur Abschätzung der in Betracht kommenden Quantitäten befähigt, ersetzt uns vollkommen diesen unerbringbaren Beweis. Auch mit der Bedeutung der Einwirkungen des Sparsinnes auf die Entwicklung des nationalen Subsistenzfonds mag es sich ähnlich verhalten. Ohne einen exakten Beweis in dieser Richtung führen zu können, glauben wir doch in der Lage zu sein, die Behauptung vertreten zu können, daß erhöhter Sparsinn der Bevölkerung, der etwa auf einem Wechsel der ethischen Anschauungen beruht, niemals den nationalen Subsistenzfonds so sehr wird vergrößern können, daß alle Güter den Charakter freier Güter erlangen. Was die Vergrößerung des nationalen Subsistenzfonds, die im Gefolge der durch Vermehrung der Umlaufsmittelzirkulation hervorgerufenen Verschiebungen der Besitzverteilung auftritt, anbelangt, dürfen wir wohl weitergehen und ruhig behaupten, daß sie keineswegs eine sehr beträchtliche sein kann. fehlt uns auch jede Möglichkeit, diese Behauptung deduktiv oder induktiv zu beweisen, so dürfte sie doch ohne weiteres als richtig zu bezeichnen sein. Und damit dürfen wir uns begnügen; es liegt uns nämüch fern, auf dieser unbeweisbaren Aufstellung irgendweIche weitere Gedankengänge aufzubauen. Die frage, der wir uns nun zuwenden, ist nämlich folgende: Die Banken sind zweifellos imstande, bei der Gewährung von Zirkulationskredit mit dem Zinssatz bis zur Höhe der durch ihre Geschäftsspesen (z. B. Herstellung der Noten, Personalunkosten u. dgl.) gegebenen Linie hinunterzugehen. Tun sie das, so sind die anderen Kreditgeber aus Konkurrenzrucksichten gezwungen, ihnen hierin nachzufolgen. Somit stünde es völlig im Belieben der Banken, den Zinsfuß bis zu jener Grenze herabzudrucken, wenn ihr Vorgehen nicht andere Kräfte auslösen würde, die den durch die Verhältnisse des Kapitalmarktes, das heißt des Marktes, auf dem gegenwärtige und künftige Güter gegeneinander ausgetauscht werden, bedingten Stand des Zinssatzes automatisch wiederherstellen. Das Problem, das hier vor uns liegt, ist unter dem Schlagwort Entgeltlichkeit oder UnentgeltIichkeit des Kredites bekannt geworden; es ist das Hauptproblem der Banktheorie. Man hat die große prinzipielle und praktische Bedeutung, die
Geld, Umlaufs mittel und Zins.
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ihm zukommt, vielfach verkannt; daran ist vor allem die nicht gerade glückliche formulierung schuld gewesen, die man ihm gegeben hat. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen scheint die frage der Unentgeltlichkeit des Zirkulationskredi1:es wenig Aktualität zu besitzen, und d~l die Neigung, sich mit rein theoretischen fragen· zu befassen, bei den Volkswirten unserer Tage nicht gerade groß ist, ließ man sie achtlos beiseite liegen. Es genügt, die fragestellung nur ein wenig zu verändern, um zu zeigen, wie wenig die Vernachlässigung dieser Probleme auch vom Standpunkt jener aus gerechtfertigt war, die ihr Augenmerk nur auf die Bedürfnisse des Alltags richten. Durch die Neuausgabe von Umlaufsmitteln tritt, wie wir gesehen haben, indirekt auf dem Wege über die Verschiebung der gesellschaftlichen Einkommens- und Besitzverteilung eine Veränderung in der Höhe des Kapitalszinses ein. Die neu auf den Darlehensmarkt gelangenden Umlaufsmittel wirken aber als neues Angebot von Gegenwartsgütern direkt zinsermäßigend, und es ist zunächst kein Zusammenhang zwischen dieser so bewirkten Erniedrigung des Zinssatzes und jener anderen Bewegung des Zinssa1Zes zu entdecken. Gibt es eine Kraft, die beide zum Einklang, bringt oder nicht? Es ist höchst wahrscheinlich, daß die Vermehrung der Umlaufs mittel auf dem Markte, auf dem Gegenwarts- und Zukunftsgüter ausgetauscht werden, zunächst eine stärkere Wirkung ausübt als jene in ihrem Gefolge auftretende Verschiebung der gesellschaftlichen Verteilung. Bleibt es dabei, i.st die durch die Vermehrung der Umlaufsmittel zweifellos zunächst eintretende Zinsermäßigung eine endgülti,ge oder nicht? Die Behandlung, die diesem Problem bisher in unserer Wissenschaft zuteil geworden ist, entspricht keineswegs seiner Bedeutung. Man hat sein eigentliches Wesen meistens verkannt; wo schon die Problemstellung von vornherein eine falsche war, konnten die Lösungsversuche natürlich nur zu Mißerfolgen führen. Aber auch die wenigen Theorien, die den Kern des Problems richtig erfaßten, gerieteIl auf Abwege, als sie sich an seine Entwirrung wagten. Einer Gruppe von Schriftstellern schien das Problem nur geringe Schwierigkeiten zu bieten. Sie glaubten aus dem Umstand, daß es den Banken möglich ist, den Zinsfuß in den 'Geschäften des Zirkulationskredits bis auf die durch die Kosten ihres Geschäftsbetriebes gegebene Grenze hinabzudrücken, ohne weiteres dahin schließen zu dürfen, daß es möglich sei, Kredit unentgeltlich oder, richtiger gesagt, nahezu unentgeltlich zu gewähren. Diese Lehre leugnet mit-
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hin implicite die Existenz eines Kapitalzinses. Der Zins ist ihr eine Vergütung für die zeitliche Überlassung von Geld im weiteren Sinne. Wahrlich eine Anschauung, deren Naivität durch nichts übertroffen werden kann. Mit Recht ist die wissenschaftliche Kritik über sie hinweggeschritten ; lohnt es doch kaum, sie auch nur flüchtig zu erwähnen. Man wird freilich die feststellung nicht unterdrücken können, daß gerade diese Ansichten über das Wesen des Zinses in den populären Meinungen einen weiten Raum einnehmen und daß sie immer wieder von neuem vorgetragen und als Grundlage für Maßregeln der Bankpolitik empfohlen werden 1. Nicht weniger unhaltbar ist der Standpunkt, welchen die herrschende wissenschaftliche Meinung unserem Problem gegenüber einnimmt. Sie begnügt sich, hierin dem Vorgang der Anhänger des Banking-Principle folgend, seine Existenz rundweg in Abrede zu stellen. Sie kann auch gar nicht anders vorgehen. Wer der Ansicht ist, die Menge der im Verkehr zirkulierenden Umlaufsmittel könne niemals den Bedarf übersteigen - in jenem Sinne, wie wir dies oben dargestellt haben -, muß notwendigerweise zu dem Schluß gelangen, daß den Banken nicht die Möglichkeit gegeben ist, unentgeltlich Zirkulationskredit zu gewähren. Die Banken könnten wohl auf die Vergütung eines ihre Selbstkosten übersteigenden Entgelts für die von ihnen. zugestandenen Darlehen verzichten. Damit könnte sich jedoch am Wesen der Sache nichts anderes ändern, als daß der Zinsgewinn aus der Ausgabe von Umlaufsmitteln, der sonst den Banken zufließt, den Darlehensnehmern zugute kommen würde. Die Beschränktheit der Umlaufsmittelemission, welche die Banken nicht überwinden könnten, weil es nicht in ihrer Macht liege, die Menge der zirkulierenden Umlaufsmittel wiUkürlich zu vermehren, lasse der Einwirkung ihrer Zinsfuß politik auf die Höhe des in der Volkswirtschaft geltenden Kapitalzinses nur einen engen Spielraum. Zwischen dem Satz, zu dem die Umlaufsmittelbanken Zirkulationskredit gewähren, und jenem, der durch die allgemeine volkswirtschaftliche Lage für den übrigen Kreditverkehr gegeben erscheint, könnten mithin nur unbedeutende Verschiedenheiten auftauchen. Wir hatten bereits Gelegenheit, festzustellen, wo der fehler dieser I Man vergleiche etwa die jüngste Literatur über die deutsche Bankreform, z. B. die oben (5. 349) zitierte Schrift von Schmidt. - Eine dogmenhistorische Darstellung wird zu untersuchen haben, inwieweit Law, Cieszkowski, Proudhon, Macleod und andere als Urheber und Anhänger dieser Lehre anzusehen sind.
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Argumentation steckt. Für die Menge der von den Banken in Verkehr strömenden Umlaufsmittel besteht freilich eine Grenze in der Zahl und dem Umfang der an sie herantretenden Diskontierungsgesuche. Diese aber bilden keine von der Kreditpolitik der Banken unabhängige Größe; durch Verringerung des Zinsfußes ihrer Aktivgeschäfte ist es den Banken möglich, die Kreditansprüche des Publikums ins ungemessene zu steigern. Und da die Banken, was auch von den orthodoxesten Nachbetern Tookes und Fullartons nicht bestritten werden kann, allen diesen Kreditbegehren zu entsprechen vermögen, sind sie in der Lage, ihre Umlaufsmittelemissionen willkürlich zu erweitern. Eine einzelne Bank ist aus naheliegenden Gründen allerdings nicht imstande, dies zu tun, solange ihre Konkurrenten anders handeln, wohl aber die Gesamtheit aller UmlaufsmitteIbanken einer isolierten Volkswirtschaft oder der ganzen Welt bei einheitlichem Vorgehen. Denken wir uns eine geschlossene Volkswirtschaft, in der nur eine einzige Umlaufsmittelbank tätig ist, und nehmen wir weiters, was ja selbstverständlich ist, an, daß die von ihr ausgegebenen Umlaufsmittel allgemeines Vertrauen genießen und im Verkehr anstandslos als Geldsurrogate verwendet werden, dann erweist sich die Hinfälligkeit der Behauptungen der herrschenden Banktheorie auf das klarste. Es gibt in einem solchen Zustande für die Umlaufsmittelausgabe der Bank keine andere Grenze als die, weIche sie sich selbst setzt. Aber auch die Behandlung, weIche die Currency-Theorie unserem Problem zuteil werden ließ, kann nicht befriedigen. Soviel ich sehen kann - eine umfassende dogmengeschichtliche Untersuchung mag vielleicht ein anderes Ergebnis zeitigen -, hat sie sicb lediglich damit befaßt, die Folgen der Umlaufsmittelinflation für den Fall der Koexistenz mehrerer selbständiger Bankgruppen in der Weltwirtschaft zu prüfen, wobei sie von der Annahme ausgeht, daß diese Bankgruppen keine einheitliche Umlaufsmittel- und Kreditpolitik befolgen. Den praktisch für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts kaum aktuellen Fall einer allgemeinen Umlaufsmittelvermehrung hat sie nicht in den Rahmen ihrer Untersuchungen einbezogen. Sie hat somit auch nicht Gelegenheit gehabt, der prinzipiellen Seite des Problems ihr Augenmerk zuzuwenden. Alles, was zur KlarsteIlung dieses wichtigen Problems zu geschehen hat, muß erst getan werden. Denn auch jenen höchst beachtenswerten Versuch, den Wicksell unternommen hat, kann man nicht als gelungen bezeichnen. Sein Ver-
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dienst ist es jedenfalls, das Problem klar formuliert zu haben. Er unterscheidet zwischen dem natürlichen Kapitalzins, das heiBt jener Zinsrate, die durch Angebot und Nachfrage festgestellt werden würde, falls die Realkapitalien ohne Vermittlung des Geldes in natura dargeliehen würden, und dem Geldzins, das heißt jener Zinsrate, die für Darlehen, die in Geld oder Geldsurrogaten bestehen, verlangt und gegeben wird. Geldzins und natürlicher Kapitalzins müssen nicht ohne weiteres übereinstimmen, da es den Banken möglich ist, den Betrag ihrer Umlaufsmittelausgaben beliebig zu erweitern und damit auf den Geldzins einen Druck auszuüben, der ihn bis auf das durch ihre Selbstkosten gegebene MinImum herab mindert. Dennoch sei es sicher, daß der Geldzins sich über kurz oder lang dem Stande des natürlichen Kapitalzinses anschließen müsse, und es gelte eben zu zeigen, auf welchem Wege diese endliche Übereinstimmung erzielt werde 1. Bis hierher muß man Wicksell beistimmen. Seine weiteren Ausführungen fordern jedoch den Widerspruch heraus. Nach Wicksell gibt es zu jeder Zeit und in jeder Lage der volkswirtschaftlichen Verhältnisse eine Höhe der durchschnittlichen Rate des Geldzinses, bei wekher das allgemeine Niveau der Warenpreise keine Tendenz mehr hat, sich nach aufwärts oder nach abwärts zu bewegen. Er nennt sie die normale Zinsrate; ihr Betrag wird von dem gleichzeitigen Stande des natürlkhen Kapitalzinses bestimmt, wenn die beiden auch aus gewissen, für unser Problem nicht in Betracht kommenden Gründen, sich nicht vollständig decken müssen. Wenn nun aus irgendeiner Ursache die durchschnittliche Rate des Geldzinses um einen noch so kleinen Betrag unter jener normalen Höhe angesetzt wird und dabei erhalten bleibt, so müsse es zu einer progressiven, somit schließlich jedes Maß übersteigenden Erhöhung der Preise kommen, "was natürlich die Banken früher oder später veranlassen wUrde, mit ihren Zinssätzen heraufzugehen" 2. Das mag nun, soweit die Preissteigerung in frage kommt, vorläufi,g zugegeben werden. Unerfindlich bleibt es aber auch dann noch, weshalb die allgemeine Erhöhung der Warenpreise die Banken zu einer Erhöhung der Zinssätze veranlassen müsse. Es leuchtet ein, daß in den gesetzlichen oder durch die kaufmännische Bankroutine gegebenen Regeln für die Begrenzung der Umlaufsmittelzirkulation ein VgI. WiekseIl, a. a. 0., S. Vff. Vgl. Wi ck seil, a. a. 0., S. V ff., 111; ferner The Influence of the Rate of Interest on Prices, (The Economic Journal, Vol. XVIII, 19(7), S.213ff. 1
2
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Moti\' dafür liegen kann; auch die notwendige Rücksichtnahme auf das Vorgehen der anderen Banken ist in der gleichen Richtung wirksam. Geht man aber, wie dies Wicksell tut, von der Annahme aus, daß im Verkehr lediglich Umlaufs mittel, deren Ausgabe an keine gesetzlichen Grenzen gebunden ist, zirkulieren, daß es den Banken somit völlig freisteht, ihre Umlaufsmittelemissionen ins Ungemessene zu erweitern, dann ist nichf einzusehen, warum steigende Preise und steigender Geldbedarf sie zur Erhöhung des Zinsfußes für die Gewährung von Zirkulationskredit veranlassen sollten. Wicksell weiß auch keinen anderen Grund hierfür anzugeben als den, daß der Bedarr des Verkehrs an Goldmünzen und Banknoten bei erhöhtem Preisstand größer werde und daß daher nicht die ganzen dargeliehenen Beträge zur Bank zurü'ckkehren, ein Teil vielmehr in den Händen des Publikums verbleibe. folglich nehmen die Bankreserven ab, während der Betrag ihrer Verbindlichkeiten wachse; das müsse sie natürlich zur Erhöhung ihrer Zinsforderungen veranlassen 1. Durch diese Beweisführung setzt sich Wicksell jedoch in Gegensatz zu der Annahme, von der er seine Untersuchung den Ausgang nehmen läßt. Rücksichtnahme auf die Höhe der Barbestände und deren Verhältnis zu den aus der Ausgabe von Umlaufsmitteln entstandenen Verbindlichkeiten kann für die hypothetische Bank, wie er sie schildert, keine Rolle spielen. Er scheint seine ursprüngliche Annahme einer ausschließlichen Umlaufsmittelzirkulation, auf die er zuerst mit Recht großes Gewicht gelegt hat, plötzlich vergessen zu haben. Nebenbei erwähnt Wicksell flüchtig noch eine zweite Grenze, die der Umlaufsmittelzirkulation gezogen sei. Es gebe, meint er, für die Banken, die einen niedrigeren Zinsfuß als denjenigen, welcher dem durchschnittlichen Stande des natürlichen Kapitalzinses entspricht, ansetzen, eine Grenze, welche aus der Verwendung des Edelmetalles für industrielle Zwecke entspringt. Eine zu geringe Kaufkraft des Geldes entmutige die Goldproduktion, vergrößere aber unter sonst gleichen Umständen die industrielle Konsumtion des Goldes, und es müßte, sobald die Konsumtion die Produktion zu übersteigen begänne, das fehlende den Bankbeständen entnommen werden 2. Das trifft für den fall der Verwendung von Sachgeld vollkommen zu; die Vermehrung der Umlaufsmittel muß eingestellt 1 Vgl. Wie k seil, The lnfluence of the Rate of lnterest on Prices, a. a. 0., S. 215. ~ Vgl. Wiekseil, Geldzins und Güterpreise, a. a. 0., S. 104f.
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werden, sobald die durch sie bewirkte Herabdrückung des objektiven Tauschwertes des Geldes den von der monetären Verwendung des Geldstoffes herstammenden Wert nahezu absorbiert hat. Sowie der objektive Tauschwert des Geldes auf das durch die industrielle Verwendung des Geldstoffes gegebene Niveau herabgesunken ist, müßte jedes weitere Hinabgleiten, weIches ja auch die Kaufkraft der Geldsurrogate in gleichem Maße betreffen muß, alle diejenigen, weIche den Geldstoff zu industriellen Zwecken benötigen, an die Schalter der Banken als die billigste Quelle verweisen. Die Banken wären nicht imstande, ihre Emission weiter auszudehnen, da aus dem Umtaus{:h von Umlaufsmitteln gegen Geld ein besonderer Gewinn zu erzielen wäre; jedes über jene Grenze hinaus ausgegebene Umlaufsmittel müßte sofort zu ihnen zurückkehren 1. Mit dieser Feststellung rückt man jedoch der Lösung unseres Problems um keinen Schritt näher. Der Mechanismus, der der weiteren Umlaufsmittelausgabe eine Schranke setzt, sobald der sinkende objektive Tauschwert des Geldstoffes das durch seine anderweitige Verwendung gegebene Niveau erreicht hat, tritt nur beim Sachgeld in Wirksamkeit; beim Kreditgeld nur, wenn es auf Gold lautet; bdm Zeichengeld ist er überhaupt ausgeschaltet. Wichtiger ist ein zweites Moment: Jene Schranke ist weit entfernt, und ehe man sich ihr genähert hat, bleibt noch viel Spielraum für die Vermehrung der Umlaufsmittelausgabe. Sollte es den Banken vielleicht innerha1b dieser weitgesteckten Grenzen möglich sein, den Darlehenszinsfuß nach Belieben herabzusetzen? Durchaus nicht; das zu beweisen, wollen wir jetzt versuchen.
§ 4. Die Umlaufsmittelbanken sind, einheitliches Vorgehen vorausgesetzt, in der Lage, ihre Emissionen ins Ungemessene zu erweitern. Es steht in ihrer Macht, die Kapitalnachfrage durch Herabsetzung des Zinsfußes für Darlehen zu stimulieren, und darin, wenn wir von der eben erwähnten Grenzlinie absehen, so weit zu gehen, als es die Kosten ihrer eigenen Verwaltung zulassen. Dadurch zwingen sie die übrigen Konkurrenten auf dem Darlehensmarkte, das sind alle diejenigen, welche nicht selbstgeschaffene Umlaufsmittel verleihen, gleichfalls mit dem Zinsfuß entsprechend tief hinunterzugehen. Der Darlehenszinsfuß kann somit durch die Umlaufsmittelbanken runächst nahezu auf Null herabgedrückt werden. 1
Vgl. Walras, Etudes d'economie politique appliquee, a. a. 0., S.345f.
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Das trifft natürlich nur unter der Voraussetzung zu, daß die Umlaufsmittel bei der Bevölkerung uneingeschränktes Zutrauen genießen und daß daher niemand an die Banken aus Mißtrauen mit dem Verlangen herantritt, es möge das Versprechen prompter Bareinlösung, welches das Wesen d~ Umlaufsmittels ausmacht, realisiert werden. Die Präsentation der Noten zur Einlösung und die Zurückziehung der Kassenführungsguthaben darf lediglich aus dem Grunde eines Bedarfs an Geld für Zahlungen an Personen, die nicht zum Kundenkreis der Bank gehören, erfolgen. Solchen Anforderungen müssen die Banken nicht notwendigerweise durch Ausfolgung von Geld allein entsprechen; Umlaufsmittel jener Banken, zu deren Kundenkreis die Personen gehören, an die ihre eigenen Kunden zu zahlen wünschen, tun hier den gleichen Dienst. Es entfällt also für die Banken die Notwendigkeit der Haltung eines in Geld bestehenden Einlösungsfonds ; an seine Stelle kann ein aus Umlaufsmitteln anderer Banken bestehender Reservefonds treten. Denken wir uns das ganze Umlaufsmittelwesen der Welt bei einer einzigen Bank konzentriert, dann entfällt unserer Annahme zufolge überhaupt jede Präsentation der Noten oder Zurückziehung der Guthaben, ja es kann jeder Geldbedarf im engeren Sinne verschwinden. Unsere Annahmen sind nun durchaus nicht willkürlich. Es wurde ja bercits gezei'gt, daß die Zirkulation der Umlaufsmittel nur unter der Voraussetzung möglich ist, daß die emittierenden Stellen das volle Zutrauen des Publikums genießen, da jedes Aufkeimen des Mißtrauens sofort zum Zusammenbruch des Kartenhauses der Umlaufsmittelzirkulation führen müßte. Es ist ferner bekannt, daß alle Umlaufsmittelbanken das Ziel verfolgen, ihre Umlaufsmittelzirkulation möglichst auszudehnen, und daß sie in diesem ihrem Bestreben heute nur von den gesetzlichen und handelsüblichen Vorschriften über Noten- und Depositendeckung, nicht aber von einem Widerstreben des Publikums gehindert werden. Würden jene künstlichen Beschränkungen des Umlaufsmittelwesens gänzlich fehlen und ließe sich zwischen den einzelnen Umlaufsmittelbanken eine Einigung über ei:n paralleles Vorgehen erzielen, dann wäre das gänzliche Verschwinden des Geldgebrauches nur eine frage der Zeit. Es ist daher volIauf berechtigt, unserer Untersuchung obige Annahme zugrunde zu legen. Trifft nun unsere Annahme zu, dann gibt es praktisch, wenn wir von jener früher erwähnten Grenze beim Bestand von Sachgeldwährung absehen, keine Grenze mehr für die Umlaufsmittelausgabe;
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für den Darlehenszinsfuß und für den objektiven Tauschwert des Geldes bildet dann lediglich noch die Höhe der Betriebskosten der Banken eine Untergrenze, die, nebenbei bemerkt, ganz außerordenUch tief liegt. Die Banken können ihre Umlaufsmittelemissionen durch Erleichterung der Kreditbedingungen nahezu ins Ungemessene erweitern. Hand in Hand damit muß ein Sinken des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes schreiten. Der Weg, den die Geldentwertung im Falle der bankmäßigen Ausgabe von Umlaufsmitteln nimmt, mag von jenem, den sie bei Vermehrung des Geldvorrates im engeren Sinne oder bei nicht bankmäßiger Ausgabe von Umlaufsmitteln einschlägt, einigermaßen abweichen; das Wesen des Vorganges bleibt dasselbe. Denn es ist ziemlich gleichgültig, ob die Verringerung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes bei den Minenbesitzern, beim Staate, der Zekhen- oder Kreditgeld oder Scheidemünzen ausgibt, oder bei den Unternehmern, denen die neuausgegebenen Umlaufsmittel leihweise zur Verfügung gestellt wurden, den Ausgang nimmt. Es wäre müßig, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, ob die Vermehrung der Umlaufsmittel wirklich endlos fortgesetzt werden könne, ohne daß das Mißtrauen des Publikums erwacht. Für die prinzipiellen Probleme, die wir behandeln, hat diese Frage kaum eine Bedeutung. Wir führen unsere Untersuchung nicht, um zu zeigen, daß der objektive Tauschwert des Geldes und der Darlehenszinsfuß nahezu bis auf Null erniedrigt werden können; vielmehr, um zu prüfen, welche Folgen sich aus der, wie wir bereits erwiesen haben, möglichen Divergenz zwischen Darlehenszinsfuß und natürlichem Kapitalzins ergeben. Darum bleibt es für uns auch, wie eben gezeigt wurde, ziemlich gleichgültig, daß bei Gebrauch von Sachgeld die Vermehrung der Umlaufsmittel nicht länger fortgesetzt werden kann, als bis der innere objektive Tauschwert des Geldes auf das durch die industrielle Verwendung des Geldstoffes gegebene Niveau herabgedrückt wird. Wenn die Umlaufsmittelbanken die Möglichkeit haben, den Darlehenszinsfuß unter den jeweilig durch die gesamte volkswirtschaftliche Lage bedingten Satz des Kapitalzinses (Wicksells natürlicher Kapitalzins) hinunterzudrücken, dann entsteht die Frage, welche besonderen Folgen sich aus einem derartigen Zustand ergeben müssen. Bleibt es dabei oder wird a1!tomatisch eine Kraft ausgelöst, die diese Divergenz der beiden Zinssätze aus der Welt schafft? Es ist eine
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auffällige Erscheinung, daß dieses Problem, das schon auf den ersten Blick als äußerst interessant erscheinen muß, das sich vollends bei näherer Untersuchung als eines der wichtigsten für das Verständnis vieler Vorgänge des modernen Wirtschaftslebens herausstellen wird, bisher kaum ernstlich behandelt worden ist. Von den Einwirkungen der vermehrten Umlaufs mittel ausgabe auf die Gestaltung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes soll hier nicht weiter die Rede sein; sie wurden bereits früher erschöpfend behandelt. Unsere Aufgabe ist es jetzt lediglich, zu prüfen, welche al1gemeine volkswirtschaftHche Beglei,terscheinungen sich aus einer bei einheitlichem Vorgehen der Umlaufsmittelbanken denkbaren Divergenz zwischen natürlichem Kapitalzins und Darlehenszins ergeben können und müssen. Dabei wird selbstverständlich lediglich der eine fall, in dem die Banken mit dem Zinssatz unter den Satz des natürlichen Kapitalzinses hinuntergehen, zu berücksichtigen sein. Der entgegengesetzte fall: Erhöhung des Bankzinsfußes über den Satz des natürlichen Kapitalzinses kommt nicht in Betracht; die Banken würden bei solchem Vorgehen aus dem Wettbewerb des Darlehensmarktes ausscheiden, ohne daß sich irgendweIche weitere bemerkenswerte Begleiterscheinungen einstellen würden. Die Höhe des Kapitalzinsfußes ist begrenzt durch die Ergiebigkeit der letzten ökonomisch noch gestatteten und der nächstfolgenden nicht mehr gestatteten Produktionsverlängerung; in der Art, daß diejenige Kapitaleinheit, mit deren Hilfe eine solche Verlängerung durchzuführen ist, immer weniger als das Mehrerträgnis der erstgenannten und immer mehr als das Mehrerträgnis der letztgenannten Produktionsverlängerung an Zins tragen muß. Die Produktionsperiode, die dabei eingeschlagen wird, muß so lang sein, daß während ihrer Dauer gerade der ganze disponible Subsistenzfonds 'zur Besoldung der Arbeitermenge erforderlich, aber auch genügend ist Denn würde sie kürzer gegriffen, so könnten nicht mehr alle Arbeiter für die ganze Dauer versorgt werden, und das Ergebnis wäre ein drängendes Angebot der unbeschäftigten wirtschaftlichen Elemente, das nicht verfehlen könnte, eine Umwälzung der getroffenen Einrichtung zu erzwingen 1. Wird nun auf künstliche Weise der Darlehenszinsfuß unter die natürliche Höhe des Kapitalzinssatzes, wie sie sich durch das freie Spiel der auf dem Markte wirksamen Kräfte 1
Vgl. Böhm-Bawerk, a.a.O., 11. Abt., S.611ff.
v. Mises, Theorie des Geldes. 2. Auf!.
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gebildet hat, hinunter gedrückt, so ergibt sich für die Unternehmer die Möglichkeit und die Notwendigkeit, längere Produktionsperioden einzuschlagen. Das Einschlagen eines längeren Produktionsumweges bringt wohl eine absolute Vermehrung des Produktionserträgnisses; relativ tritt jedoch eine Abnahme des Erträgnisses ein, da die zunehmende Verlängerung des kapitalistischen Produktionsumweges zwar fortwährend zu Mehrerträgnissen, aber von einem gewissen Punkte an zu Mehrerträgnissen von abnehmender Größe führt 1. Der längere Produktionsumweg kann somit nur dann eingeschlagen werden, wenn der Unternehmer auch noch bei der geringeren Ergiebigkeit seine Rechnung findet. Solange der Darlehenszinsfuß mit dem natürlichen Kapitalzinsfuß zusammenfällt, ist dies nicht der Fall; das Einschlagen eines längeren Produktionsumweges ist dann nur unter Verlust möglich. Andererseits muß die Ermäßigung des Darlehenszinsfußes auch zu einer Verlängerung der Produktionsperiode führen. Die neu der Produktionstätigkeit zuströmenden Kapitalien können doch nur dann eine Verwendung finden, wenn neue Produktionsumwege eingeschlagen werden. Jeder neu eingeschlagene Produktionsumweg muß aber auch ein weiterer Umweg sein; neue Produktions umwege, die kürzer sind als die eingeschlagenen, können nicht gefunden werden. Denn jedes Kapitalteilchen wird zunächst in dem kürzesten, weil ergiebigsten Produktionsumweg angelegt; erst wenn alle kürzeren Produktionsumwege besetzt sind, findet eine Verwendung von Kapitalgütern in längeren Produktionsumwegen statt. Die Verlängerung der Produktionsperiode erscheint jedoch nur dann durchführbar, wenn entweder die Unterhaltsmittel eine Vermehrung erfahren, um die Arbeiter und Unternehmer während der längeren Periode zu ernähren, oder wenn die Ansprüche der Produzenten sich dermaßen vermindert haben, daß sie mit den gleichen Unterhaltsmitteln während der längeren Periode das Auskommen findeu können. Die Vermehrung der Umlaufsmittel bewirkt nun zwar im Verlauf der durch! sie ausgelösten Verminderung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes eine Verschiebung der Besitzverhältnisse, welche recht wohl zu einer Stärkung der Spartätigkeit und zu einer Verringerung der Lebenshaltung führen kann. Die Geldentwertung führt auch unter Umständen, nämlich dann, wenn Sach1
Vgl. Böhm-Bawerk, ebendort, S.151ff.
Geld, Umlaufsmitiel und Zins.
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geld in Gebrauch steht, unmittelbar zu einer Vermehrung des Gütervorrates, indem sie das Abströmen eines gewissen Teiles des Geldstoffes aus der monetären in die industrielle Verwendung n'ach sich zieht. Insoweit diese Momente in Betracht kommen, bewirkt ja auch die Vermehrung der Umlaufs mittel, wie wir feststellen konnten, eine Verringerung des Satzes des natürlichen Kapitalzinses. Der Fall, den wir zu untersuchen haben, liegt jedoch anders. Es handelt sich nicht um die durch die Vermehrung der Umlaufsmittelemission bewirkte Herabminderung des natürlichen Kapitalzinses, sondern um eine von den Umlaufsmitielbanken über jene hinaus vorgenommene Herabsetzung des Bankzinsfußes, der der übrige Darlehensmarkt nachfolgen muß. Daß die Banken zu einem derartigen Vorgeben befähigt sind, wurde bereits nachgewiesen. Die Situation ist nun folgende: Trotzdem eine Vermehrung der Zwischenprodukte nicht eingetreten und die Möglichkeit, die Produktionsperiode zu verlängern, nicht gegeben ist, gelangt auf dem Darlehensmarkte ein Zinsfuß zur Geltung, welcher einer verlängerten Produktionsperiode entspricht; damit wird die Verlängerung der Produktionsperiode, obwohl in letzter Linie unzulässig und undurchführbar, zunächst scheinbar rentabel. Es kann aber nicht der geringste Zweifel darüber bestehen, wohin dies dann weiter führen muß. Es kommt notwendigerweise ein Zeitpunkt, in dem die konsumreifen Unterhaltsmittel aufgezehrt sind, ehe die in der Produktion tätigen Kapitalgüter sich in Konsumgüter verwandelt haben. Dieser Augenblick muß um so schneller eintreten, als das Sinken des Kapitalzinses den Anreiz zur Ersparung schwächt und damit das Tempo der Kapitalbildung verlangsamt. Die Unterhaltsmittel erweisen sich als zu knapp, um die Arbeiter während der ganzen Dauer des eingeschlagenen Produktionsprozesses zu erhalten. Da Produktion und Konsumtion kontinuierlich erfolgen, so daß täglich neue Produktionsprozesse eingeleitet werden, andere zu Ende gehen, tritt dies [;icht in der Weise in Erscheinung, daß zeitweilig ein absoluter Mangel an Genußgütern die Fortfristung der menschlichen Existenz gefährdet; es stellt sich lediglich ein Rückgang in der Menge der zum Konsum zur Verfügung stehenden Güter ein, der zur Einschränkung des Konsums nötigt. Auf dem Markte steigen die Preise der Konsumgüter, während die Preise der Produktivgüter sinken. Das ist der eine Weg, auf dem sich das durch das Eingreifen der Banken gestörte Gleichgewicht des Darlehensmarktes wieder her24*
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Fünftes Kapitel.
stellt. Die vermehrte Produktionstätigkeit, die mit der von den Banken eingeschlagenen Politik, unter dem Satz des natürlichen Kapitalz'inses Darlehen zu erteilen, einsetzt, treibt zunächst die Preise der Produktivgüter in die Höhe, wogegen die Preise der Konsumgüter zwar gleichfalls steigen, aber nur in einem mäßigen Maße, nur insoweit nämlich, als si'e durch das Steigen der Löhne in die Höhe getrieben werden. Die von der Zirkulationskreditpolitik der Banken ausgehende Tendenz zur Senkung des Darlehenszinsfußes erfährt damit vorerst eine Verstärkung. Aber bald setzt eine rückläufige Bewegung ein: Die Preise der Konsumgüter steigen, die der Produktivgüter sinken, das heißt der Darlehenszinsfuß steigt wieder, er nähert sich wieder dem Satze des natürlichen Kapitalzinses. Diese rückläufige Bewegung wird nun dadurch verstärkt, daß die Vermehrung des Geldvorrates im weiteren Sinne, die mit der Vermehrung der Umlaufsmittelmenge gegeben ist, den inneren objektiven Tauschwert des Geldes senkt. Solange diese Geldentwertung im Gange ist, muß aber, wie gezeigt wurde, der DarlehenszinsfuB über den Stand steigen, der bei unverändertem inneren objektiven Tauschwert des Geldes gefordert und geleistet worden wäre 1. Im Anfang können die Banken diesen beiden Gegentendenzen, die ihrer Zinsfuß politik entgegenwirken, dadurch zu begegnen suchen, daß sie den Bankzinsfuß in den Geschäften des Zirkulationskredits fortgesetzt ermäßigen und neue Umlaufsmittelmengen in den Verkehr pumpen. Je mehr sie aber damit den Geldvorrat im weiteren Sinne vermehren, desto schnellere fortschritte macht die Geldentwertung, desto stärker wird ihre Rückwirkung auf die Höhe des Zinssatzes. Die Banken mögen sich noch so anstrengen, ihren Zirkulationskredit anzuspannen, sie können das Steigen des Zinssatzes nicht aufhalten. Würden sie sich selbst entschlossen zeigen, mit der Vermehrung der Umlaufsmittelmenge so weit zu gehen, bis der Punkt erreicht wird, wo die weitere Ausdehnung der Umlaufsmittelzirkulation nicht mehr möglich ist, sei es, weil bei Gebrauch von Sachgeld jene Grenze erreicht ist, unter die die Kaufkraft der Umlaufsmittel1 Daß die heiden Bewegungen in entgegengesetztem Sinne verlaufen, so daß sie sich kompensieren, hat schon Mi I I (Principles, a. a. 0., S. 391 f.) hervorgehoben, um zu zeigen, daß der durch die Inflation bewirkten Zinsfußsteigerung entgegengearbeitet werde durch den Umstand, daß die zusätzliche Notenmenge bei bankmäßiger Emission (und die zusätz1iche Ooldmenge, soweit sie produktiv verwendet wird) auf den Bankzins ermäßigend wirken.
Geld, Umlaufsmittel und Zins.
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und Geldeinheit nicht mehr sinken kann, ohne daß die Bank zur Einstellung der Barzahlungen gezwungen wird, sei es, daß die Ermäßigung des Darlehenszinses jene Linie erreicht hat, die durch die technischen Kosten des Bankbetriebes gegeben ist, könnten sie den angestrebten Erfolg nicht mehr erzielen. Denn die lawinen artig anschwellende Umlaufsmittelausgabe führt, wenn ihr Ende nicht abzusehen ist, zu einem panikartig einsetzenden, alles Maß übersteigenden Rückgang des inneren objektiven Tauschwertes der Umlaufsmittel- und Geldeinheit 1. Dann steigt auch der Darlehenszins panikartig über alles Maß hinaus. So m ü s sen die Banken schließlich ihre weiteren Bemühungen, den Satz des natürlichen Kapitalzinses zu unterbieten, einstellen. Jenes Verhältnis zwischen den Preisen der Güter höherer und denen erster Ordnung, welches durchi die Lage des Kapitalmarktes gegeben ist, und das ledIglich durch das Eingreifen der Banken gestört wurde, wird ungefähr wieder hergestellt, wobei als bleibende Spur eine allgemeine, von der Geldseite ausgehende Erhöhung des objektiven Tauschwertes des Geldes zurückbleibt. Eine genaue Wiederherstellung des alten PreisverhäItnisses zwischen Produktiv- und Konsumgütern ist nicht möglioch, da sich einerseits infolge des Eingreifens der Banken Verschiebungen in der BesitzverteiIung ergeben haben, andererseits die automatische Gesundung des Darlehensmarktes nur unter krisenhaften Erscheinungen vor sich gehen kann, die einen Teil des in allzu weitläufigen Produktionsumwegen investierten Kapitals verloren erscheinen lassen. Es ist nicht angängig, alle Produktivgüter aus jenen Verwendungen, die sich nun auch als unrentabel erweisen, in andere Verwendungsarten überzuführen; ein Teil kann nicht mehr herausgezogen werden und muß daher entweder ganz unbenützt oder doch wenigstens weniger wirtschaftlich benützt stehen gelassen werden; in heiden fällen liegt ein Wertverlust vor. Man nehme etwa an, daß mit Hilfe des künstlich erweiterten Bankkredits ein Unternehmen ins Leben gerufen wurde, dessen Rentabilität nur 4 % beträgt; solange der Darlehenszinsfuß 41/2 % betrug, konnte an die Errichtung eines derartigen Betriebes nicht gedacht werden; erst sein durch Erweiterung der Umlaufsmittelemission eingetretenes Sinken auf 31/2 % hat sie ermöglicht. Nun tritt die Reaktion in der oben beschriebenen Weise ein; der Darlehenszins steigt wieder auf 4 1/ 2 0/0. Dann ist die fort) Vgl. oben S. 213 f.
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fünftes Kapitel.
führung des Betriebs jenes Werkes nicht mehr rentabel. Was immer nun geschehen mag, ob der Betrieb ganz eingestellt wird oder ob er, nachdem sich der Unternehmer mit der geringeren Rentabilität einmal abgefunden hat, weitergeführt wird, in jedem Falle ist, nicht nur privatwirtschaftlich, sondern auch volkswirtschaftlich betrachtet, ein Wertverlust eingetreten. Wirtschaftliche Güter, die zur Befriedigung wichtigerer Bedürfnisregungen dienen könnten, sind zur Befriedigung einer minder wichtigen verwendet worden; nur soweit es möglich ist, durch Änderung der Verwendungsrichtung den begangenen Fehler gutzumachen, wird Schaden verhütet.
§ 5. Unsere Banktheorie führt, wie die der Currency-Theorie, schließlich zu einer Krisentheorie. Die Currency-Schule hat a11erdings auch dieses Problem nicht grundsätzlich untersucht. Sie hat nicht gefragt, was für Folgen die grenzenlose Erweiterung des Zirkulationskredites der Umlaufsmittelbanken nach sicll ziehe, sie hat auch nicht danach gefragt, ob es ihnen möglich sei, den Satz des natürlichen Kapitalzinses dauernd herabzudrücken. Sie hat sIch engere Ziele gesetzt und sich damit begnügt, zu prüfen, was eintreten müsse, wenn die Banken eines Landes die Umlaufsmittelausgabe stärker anspannen als die der anderen Länder. So gelangte sie zu ihrer Lehre vom extern al drain und zu ihrer Erklärung der englischen Wirtschaftskrisen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Will man unsere Krisenlehre zur Erklärung der Wirtschaftskrisen der letzten 'jahrzehnte heranziehen, dann muß man beachten, daß die Banken niemals bis zur letzten Grenze gegangen sind, bis zu der sie mit Anspannung des Zirkulationskredites und der Erweiterung der Umlaufsmittelausgabe hätten gehen können. Sie haben immer schOll lange vorher innegehalten, sei es, weil sie und mit ihnen alle, denen die Erinnerung an die älteren Krisen nicht geschwunden war, ängstlich geworden waren, sei es, weil sie auf gesetzliche Bestimmungen über die Höchstgrenze der Umlaufsmittelzirkulation Rücksicht zu nehmen hatten. So trat die Krise ein, bevor sie ausbrechen mußte. Nur in diesem Sinne kann man die Behauptung verstehen, daß es denn doch richtig sei, die Einschränkung der Zirkulationskredite als die Ursache oder wenigstens als den unmittelbaren Anstor. der Wirtschaftskrisen zu bezeichnen; die Banken müßten nur immer fortfahren, den Zinsfuß ihrer Zirkulationskreditgeschäfte zu ermäßigen, um den Zusammenbruch der Haussespekulation hinaus-
Geld, Umlaufs mittel und Zins.
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zuschieben. Legt man auf dieses letzte Wort, auf das Hinausschieben, Gewicht, dann kann dieser Argumentation ohne weiteres zugestimmt werden. Den Zusammenbruch hinauszuschieben, wären die Banken aIlerdings in der Lage, aber schließlich muß dann doch, wie oben gezeigt wurde, einmal der Augenblick kommen, in dem eine weitere Ausdehnung der Umlaufsmittelzirkulation nicht mehr möglich ist. Dann muß die Katastrophe eintreten, und ihre Folgen sind um so schwerer, die Reaktion gegen die Auswüchse der Haussespekulation um so stärker, je länger der Zeitraum gewesen ist, in dem der Satz des Darlehenszinses sich unter dem Niveau des natürlichen Kapitalzinses befunden hat, und je mehr dureh die Lage des Kapitalmarktes nicht gerechtfertigte Produktionsumwege eingeschlagen wurden.
Sechstes Kapitel.
Probleme der Umlaufsmittelpolitik. A. Vorbemerkung. § 1. Die Politik, die die Staaten Europas und Amerikas in bezug auf die Ausgabe von Umlaufsmitteln eingeschlagen haben, war seit dem Auftreten der Currency-Schule im großen und ganzen von dem Gedanken geleitet, daß man den Banken irgendwelche Beschränkungen auferlegen müsse, damit sie nicht durch Erweiterung der Umlaufsmittelausgabe den Anstoß zur Hausse geben, die schließlich in die Wirtschaftskrise münden muß. Auf der anderen Seite aber durchbrachen immer wieder entgegengesetzte Bestrebungen den einheitlichen Zug dieser Politik. Man bestrebte sich, den Zinsfuß durch Maßnahmen der Zirkulationskreditpolitik niedrig zu halten, man woIIte "billiges Geld" (d. h. niedrigen Zins) und vernünftige (d. h. hohe) Preise erzielen. Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts haben diese Bestrebungen merklich an Kraft gewonnen; im Kriege ~nd eine Zeitlang nach seiner Beendigung haben sie vorgewaltet. Man kann das eigentümliche Schwanken der Umlaufsmittelpolitik nicht anders zur Darstellung bringen als durch Besprechung der konkreten Aufgaben, die sie zu lösen hatte und zu lösen haben wird. Mögen die Probleme auch stets dieselben bleiben, die Gestalt, die sie tragen, wechselt. Da es aber gerade darauf ankommt, sie aus jeder Verhüllung herauszuschälen, muß man sie so nehmen, wie sie der Tag bringt. Darum sollen sie im folgenden gesondert betrachtet werden, einmal, wie sie die Zeit vor dem Kriege gestellt hat, und dann, wie sie die Zeit nach dem Kriege stellt.
B. Probleme der Umlaufsmittelpolitik in der Zeit vor dem KriegeI. § 2. Die Peelsche Bankakte und die Gedankengänge, die ihrer Entstehung zur Grundlage dienten, bilden noch heute die Norm für das Verhalten aller Staaten zu den Problemen der Umlaufsmittelausgabe; auch die Länder, die das Beispiel der englischen Bankge1 Wo in den Ausführungen des Abschnittes B von der Gegenwart oder von heute gesprochen wird, ist die Zeit um 1912 gemeint.
Probleme der Umlaufsmittelpolitik.
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setzgebung nicht mehr oder minder getreu nachgeahmt haben, konnten sich ihrem Einfluß nicht entziehen. Eine eigentümliche Erscheinung tritt uns hier entgegen: Während die volkswirtschaftliche Literatur aIIer Länder die heftigsten und leidenschaftlichsten Angriffe wider das System der Kontingentierung des metallisch nicht bedeckten Notenumlaufes richtete, während man nicht müde wurde, die Peelsche Akte als das' unglückliche legislatorische Erzeugnis einer irrigen Schulmeinung zu bezeichnen, während man fortfuhr, die Currency-Theorie als ein System längst widerlegter falscher Hypothesen darzusteIIen, ergriff eine Gesetzgebung nach der anderen Maßregeln, um die Emission nicht durch Geld gedeckter Banknoten zu begrenzen. Und merkwürdigerweise fand dieses Vorgehen der Regierungen, wenn überhaupt, nur einen gemäßigten Tadel bei jenen, die in richtiger Konsequenz der von ihnen entwickelten banktheoretischen Anschauungen es auf das schärfste hätten verdammen müssen. Geht man vom Banking-Principle aus, das die Möglichkeit einer Überernission von Banknoten leugnet und die "Elastizität" als deren wesentliche Eigenschaft bezeichnet, dann muß man notwendig zu dem Schluß gelangen, daß jede Begrenzung des Notenumlaufes, sei es des durch Geld gedeckten oder des ungedeckten, sich als schädlich erweisen müsse, da sie die Hauptfunktion der Notenausgabe, die Anpassung des Geldvorrates an den Geldbedarf ohne Veränderung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes zu erreichen, unterbinde. Den Anhängern Tookes konnte es wohl als nützlich erscheinen, daß für die bankmäßige Bedeckung des metallisch nicht gedeckten Notenumlaufes entsprechend Vorsorge getroffen werde; die Vorschriften über die Einhaltung eines bestimmten Verhältnisses zwischen Metallvorrat und Notenumlauf mußten sie verwerfen. Aber zwischen den theoretischen Ausführungen dieser Autoren und den Nutzanwendungen, die sie aus ihnen ziehen, herrscht ein unüberbrückbarer Widerspruch. Kaum einer oder der andere der ernst zu nehmenden Schriftstel1er wagt es, Vorschläge zu machen, die die verschiedenen Systeme der Begrenzung des ungedeckten Notenumlaufes im Wesen erschüttern könnten, kein einziger verlangt mit Entschiedenheit ihre völlige Beseitigung. Nichts vermag besser die innere Unsicherheit und Unselbständigkeit der modernen Banktheorie zu kennzeichnen als dieser Mangel an folgerichtigkeit. Daß die Notenausgabe in irgendeiner Weise begrenzt werden müsse, um schwere Übelstände zu verhindern, gilt auch noch heute als das
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Sechstes Kapitel.
Um und Auf der bankpolitischen Regierungsweisheit, und die Wissenschaft, die den Beweis für das Gegenteil erbracht zu haben glaubt, beugt sich schließlich immer wieder diesem Dogma, das heute niemand mehr zu beweisen vermag, jeder widerlegen zu können glaubt. Der Konservatismus der Engländer hindert sie daran, an einem Gesetz zu rütteln, das als das Ergebnis eines jahrzehntelangen Ringens der Geister, an dem sich die besten Männer ihrer Zeit beteiligt haben, erscheint, und das Beispiel der ersten Bank der Welt wirkt auf alle anderen Banken zurück. Die Deduktionen zweier Generationen von Volkswirten haben nicht vermocht, die Ansichten zu erschüttern, welche sich als der Niederschlag der Erfahrungen der Bankpraxis darstellen. Der Currency-Theorie haften viele schwere fehler an. Der schwerste liegt in dem Verkennen der Wesensgleichheit der Banknoten und der Kassenführungsguthaben 1. Die Gegner haben diese schwache Stelle des Systems mit Geschick ausgespäht und ihre schärfsten Angriffe dahin gerichtet 2. Aber die Lehre der CurrencySchule steht und fällt nicht mit ihrer Anschauung von dem Wesen des Schecks und der Kassenführungsdepositen. Es genügt, sie in diesem einen Punkte zu berichtigen und die für die Notenausgabe entwickelten Sätze auch auf die Eröffnung von Kassenführungsguthaben anzuwenden, um den Tadel der Anhänger des Banking-Principle zum Schweigen zu bringen. Daß der fehler, der hier begangen wurde, leicht wiegt im Vergleich mit dem von der Bankingtheorie begangenen, bedarf wohl keiner weiteren Ausführung. Er erscheint übrigens entschuldbar, wenn man die verhältnismäßig geringe Entwicklung selbst des englischen Depositenwesens zur Zeit, da die Grundsteine zur klassischen Banktheorie gelegt wurden, in Betracht zieht, wenn man weiter berücksichtigt, daß auch die juristische Verschiedenheit der Zahlung durch Noten und der durch Schecks leicht zu Irrtümern Anlaß bieten konnte. für die Peelsche Akte hat sich aber gerade dieser Mangel ~er Theorie, die sie geschaffen hat, als vorteilhaft herausgestellt; er hat ihr das Ventil eingebaut, ohne das sie der Entwicklung des Verkehrs nicht hätte standhalten können. Der Grundfehler des Peelsehen Systems, den es mit allen anderen Systemen der Begrenzung des Notenumlaufes teilt, liegt darin, daß es keine Erweiterung des 1 2
Vgl. Torrens, a. a. 0., S.8ff. Vgl. Tooke, a. a. 0., S.23ff.
Probleme der Umlaufsmittelpolitik.
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metallisch nicht gedeckten Notenkontingents vorsieht, die dem steigenden Geldbedarf (im weiteren Sinne) der Volkswi:rtschaft Rechnung trägt. Sie sanktioniert für die Vergangenheit die Schaffung eines bestimmten Betrages von Umlaufsmitteln und deren Folgen für die Gestaltung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes; sie tut nichts, um die Wirkungen dieser Umlaufsmittelemissionen wieder zu beseitigen. Aber sie verzichtet zugleich, um den Kapitalsund Darlehensmarkt vor Erschütterungen zu bewahren, für die Zukunft auf jede Möglichkeit, durch die Ausgabe von weiteren Umlaufs mitteln dem steigenden Geldbedarf teilweise oder ganz zu genügen und so die Steigerung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes zu mildern oder ganz zu verhindern. Das ist so gut, als ob man die Schaffung von Umlaufsmitteln überhaupt unterdrücken und damit auf alle Vorteile, die sie für die Stabilisierung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes mit sich bringt, verzichten wollte. Es ist eine Kur nach Doktor Eisenbart, im Grunde genommen von den Vorschlägen der absoluten Gegner aller Umlaufsmittel kaum verschieden. In dem Kalkul der Currencytheoretiker fand sich jedoch eine Lücke. Sie hatten die Umlaufsmitteleigenschaft der nicht durch Geld bedeckten Kassenführungsguthaben übersehen und es daher versäumt, für dies.e ähnliche Vorschriften zu treffen wie für die metallisch nicht bedeckten Noten. Soweit die Entwicklung der Umlaufsmittel auf der Notenausgabe beruht, war sie durch die Peelsche Bankakte unterbunden worden; soweit sie auf der Eröffnung von Kassenführungsguthaben beruht, blieb sie völlig unbeheI1igt. Dadurch wurde die Technik des englischen Bankwesens in eine Richtung gedrängt, nach der hier schon früher der Umstand, daß das Recht der Notenausgabe in London und Umgebung ein ausschließliches Privileg der Bank von England bi:ldete, gewirkt hatte. Das Kassenführungsdepositenwesen entwickelte sich auf Kosten des Notenwesens. Das ist vom volkswirtschaftlichen Standpunkt betrachtet eine gleichgültige Sache, da Noten und Kassenführungsguthaben die gleichen Funktionen erfüllen. Das, was das Peelsche Gesetz angestrebt hatte, wurde also nicht oder zumindest nicht in dem Maße und auf dem Wege erreicht, in dem es seine Urheber gemeint hatten; das Umlaufs mittel, das als Banknote unterdrückt worden war, entfaltete sich in der Gestalt des Kassenführungsguthabens. Die deutsche Bankliteratur hat allerdings gemeint, zwischen Noten
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und Kassenführungsguthaben einen wesentlichen Unterschied finden zu können; der Nachweis dafür ist ihr freilich nicht gelungen, ja eigentlich von ihr gar nicht versucht worden. Nirgends tritt uns die innere Schwäche der deutschen Banktheori.e krasser entgegen als gerade in dieser, seit Jahren im Mittelpunkt aller Erörterungen stehenden Frage: Note oder Scheck. Wer wie sie von den englischen Banking-Theoretikern ~elernt hat, daß zwischen Noten und Schecks ein grundsätzlicher Unterschied nicht besteht, und dies immer wieder hervorhebt 1, hätte doch zumindest die Verpflichtung, einen genauen Beweis zu führen, wenn er die Behauptung aufstellt, daß das Banknotenwesen "ein früheres und niedrigeres Stadium der Kreditwirtschaftsentwicklung" darstelle als rue Depositenbank und der Scheck mit dem sich daran schließenden Kontokorrent-, Buch!. kredit- und Clearing-House-System 2. Der Hinweis auf England und die Vereinigten Staaten kann doch unmöglich als Beweis' für die Richtigkeit dieser Ausführungen gelten, am wenigsten im Munde eines entschiedenen Gegners der Peelschen Akte und der Beschränkung der Notenausgabe überhaupt. Denn es ist nicht zu verkennen, daß das starke Überwiegen des Kassenführungsguthabensystems und das Zurücktreten der Banknoten in den angelsächsischen Ländern auf eben jene Gesetze zurückzuführen sind. So verwickelt sich denn dir banktheoretische Literatur Deutschlands in merkwürdige Widersprüche, die dem Beobachter ein recht unerfreuliches Bild bieten s. Die Zurückdrängung der Banknote, wie sie in England und in den Vereinigten Staaten - auf verschiedenen Wegen und aus verschiedenen Gründen, aber aus dem gleichen Grundgedanken heraus - vorgenommen wurde und das dementsprechende Hervortreten der Kassenführungsguthaben haben in Verbindung mit dem Umstand, daß die Organisation der Depositenbanken nicht jene festigkeit erlangt hat, die es ihnen ermöglichen würde, das Vertrau eu der Gesamtheit auch in schwierigen Krisen zu erhalten, zu ernsten Störungen geführt. Sowohl in England als auch in den Vereinigten Staaten hat es sich: wiederholt ereignet, daß in Krisenzeiten das Vertrauen in diejenigen Banken, welche Umlaufsmittel in der Form von Kassenführungsguthaben in den Verkehr setzen, er1 VgI. Wagner, Art. "Banknote" in Rentzsch, Handwörterbuch der Volkswirtschaftslehre, Leipzig 1866, S. 91. 2 VgI. Wagner, Art. "Kredit", ebendort S.201. 8 VgI. die Kritik dieser Widersprüche bei Schumacher, a. a. 0., S.62ff.
Probleme der Umlaufsmittelpolitik.
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schüttert wurde, während das Vertrauen in die Banknoten aufrecht blieb. Es ist bekannt, in welcher Weise die Folgen, die dieser Zusammenbruch eines Teiles der nationalen Verkehrsorganisation unfehlbar hätte nach sich ziehen müssen, vermieden wurden. In England hat die Bank von England die Lücke, welche im Umlauf durch das Ausfallen großer Umlaufsmittelmengen entstand, durch die Bereitwilligkeit zu einer Verstärkung der Ausgabe ihrer eigenen Noten auszufüllen gesucht. In den Vereinigten Staaten, deren Recht diesen Ausweg unmöglich machte, dienten die Clearing-House-Certifkates demselben Zweck 1. In beiden Ländern ging man damit um, dieses Mittel zu einem gesetzlichen zu machen. Lowes Bill wurde jedoch nicht erledigt und auch: in den Vereinigten Staaten hat die AldrichVreeland Act nur einen teilweisen Erfolg gebracht 2. Keines der vielen Systeme, welche den Notenumlauf beschränken, konnte der Ausdehnung der Umlaufsmittelschaffung auf die Dauer ein unübersteigbares Hindernis in den Weg legen. Das gilt von der Peelschen Akte, welche di.e Neuausgabe von Umlaufsmitteln in Gestalt von Noten überhaupt verbietet, und ebenso auch von der Notenbankgesetzgebung jener Staaten, die der Vermehrung der nicht durch Geld gedeckten Noten einen gewissen Spielraum freiläßt. Zwischen dem englischen Gesetz von 1844 und etwa dem deutschen von 1875 besteht scheinbar ein grundsätzlicher Unterschied: wenn das eine den metallisch nicht gedeckten Notenumlauf für alle Zeiten starr kontingentiert, sieht das andere, indem es lediglich verlangt, daß ein aliquoter Teil des Notenumlaufes metallisch gedeckt sei, und die Überschreitung einer gewissen Höhe der Umlaufsmittelzirkulation besteuert, seine zukünftige Erweiterung innerhalb bestimmter Grenzen vor. Auf die Weite des Spielraumes, der der Erweiterung der Umlaufsmittelausgabe damit geboten wird, kommt es mithin vor allem an. Wäre er groß genug gewesen, um der Entwicklung des ungedeckten Notenumlaufes freien Lauf zu lassen, dann wären die Wirkungen des deutschen Gesetzes - und das gleiche gilt nicht nur von den nach dem gleichen Grundsatz aufgebauten (zum Beispiel dem österreichischen), sondern auch von solchen, die den Notenumlauf in anderer Weise zu begrenzen suchen, wie zum Beispiel 1 Vgl. Cannon, Clearing-Houses, their History, Methods and Administration, New-York 1900, S.79ff. 2 Seither hat die Federal Reserve Act auch den Vereinigten Staaten die Grundlage für die Ausgabe von Noten zum Beschwichtigen der Panik gegeben.
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dem französischen - von jenen des englischen prinzipiell verschieden gewesen; da er sich zu eng erwiesen hat, sind sie nur graduell, ni.cht auch wesentlich verschieden. AUe diJese Gesetze haben die Umlaufsmittelausgabe in Notenform beschränkt, jener in form von Kasssenführungsguthaben jedoch keine Schranken gesetzt. Die Erschwerung der Notenausgabe mußte der Ausbreitung der Verwendung des Kassenführungsguthabens förderlich werden. An Stelle der Note trat das Guthaben in den Vordergrund. Das war für die Entwicklung des Umlaufsmittelwesens nicht ganz gleichgültig. Die Note ist im mittleren und kleinen Verkehr technisch dem Kassenführungsguthahen überlegen; in vielen Fällen, für die sie als brauchbares Geldsurrogat erscheint, ist die Verwendung der Scheckoder Giroübertragung ausgeschlossen. Hier mußte die Beschränkung der Umlaufsmittelausgabe in Gestalt von Noten als Beschränkung jeder Umlaufsmittelausgabe überhaupt wirksam werden. Die Gesetzgebung der Vereinigten Staaten von Amerika kennt auch Beschränkungen der Umlaufsmittelausgabe in Gestalt von Kassenführungsguthaben; da aber diese nur für einen Teil der Banken, nämlich nur für die Nationalbanken gelten, ist ihre Bedeutung nicht groß genug, um zwischen dem Kassenführungsgeschäft der Vereinigten Staaten und jenem' der anderen Länder, in denen keine ähnlichen Vorschriften aufgestellt wurden, eine starke Verschiedenheit zu erzeugen. Das entscheidende Hemmnis einer grenzenlosen Ausdehnung der Umlaufsmittelausgabe bilden freilich nicht die gesetzlichen Beschränkungen der Notenausgabe, die überhaupt nur eine bestimmte Form des Umlaufsmittels treffen, sondern das fehlen einer einheitlichen Weltbank oder eines gemeinsamen Vorgehens aller Umlaufsmittelbanken. Solange die Banken sich über die Ausdehnung des Zirkulation&kredites nicht untereinander verständigt haben, kann die Umlaufsmittelzirkulation zwar langsam vermehrt werden, keineswegs aber lawinenhaft anwachsen. Jede einzelne Bank kann auf dem Wege ihrer Vermehrung nur einen kleinen Schritt nach vorwärts machen und muß dann abwarten, bis die anderen ihr nachgefolgt sind. Jede Bank ist genötigt, ihre Zinsfußpolitik nach den anderen zu richten.
§ 3. Über das Wesen der DiskontpoIitik der Zentralnotenbanken sind die unklarsten und unrichtigsten Vorstellungen verbreitet. Als
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ihre Hauptaufgabe wird vielfach der Schutz des Barbestandes der Banken bezeichnet, als ob dies ein Ziel sein könnte, für das es lohnen würde, Opfer zu bringen. Nicht wenig verbreitet ist aber auch die Anschauung, daß die Notwendigkeit, Diskontpolitik mit Rücksicht auf die Verhältnisse der anderen Banken zu treiben, den Banken lediglich durch eine verkehrte Gesetzgebung auferlegt worder, sei, daß es genüge, die veralteten Normen zu beseitigen, um das Ideal des billigen Geldes - in doppeltem Sinne: nämlich des Geldes von geringer Kaufkraft und des niedrigen Darlehlenszinses - zu verwirklichen. E!\ wäre schade, auch' nur einen Augenblick der Widerlegung dieser Theorien zu widmen. Nach alledem, was wir über das Wesen des Geldes und der Umlaufsmittel vorbringen konnten, kann es keinen Augenblick zweifelhaft erscheinen, was der Zweck der diskontopolitischen Maßnahmen der Banken ist. Jede Umlaufsmittelbank ist genötigt, den Zinssatz ihrer Aktivgeschäfte in eine gewisse Übereinstimmung zu dem der anderen Umlaufsmittelbanken zu setzen. Er darf nicht unter jenen sinken, da sonst die Geldbeträge, welche von der freilich wachsenden Zahl ihrer Kunden für Zahlungen an Kunden der anderen Banken benötigt werden, derart zunehmen, daß ihre Solvenz gefährdet wird. Indem die Bank den Diskontsatz erhöht, schützt sie ihre eigene Zahlungsfähigkeit. Das wird aber keineswegs durch den Schlitz des Einlösungsfonds, dessen geringe Bedeutung für die Aufrechterhaltung des Wertes der Umlaufsmittel wir gezeigt haben, erreicht, vielmehr dadurch, daß jede künstliche Erweiterung der Umlaufsmittelzirkulation durch Unterbietung der Zinsforderung der Konkurrenzbanken und damit auch die Vermehrung der Ansprüche zur Einlösung der Umlaufsmittel vermieden wird. Diskontpolitik müßten die Banken auch betreiben, wenn keine gesetzlichen Vorschriften über die Notendeckung bestünden. In Deutschland wird seit Jahren darüber gestritten, ob einzelne diskontpolitische Maßnahmen der Reichsbank von der Rücksicht auf die Verhältnisse des inländischen oder auf die des internationalen Geldmarktes geleitet seien. Die Frage ist in der Form, in der sie meist gestellt wird, sinnlos. Die Freizügigkeit der Kapitalgüter, die heute nur wenig durch gesetzliche Bestimmungen (Zölle u. dgl.) oder sonstige Hindernisse beengt ist, hat zur Ausbildung eines einheitlichen Weltkapitalmarktes geführt. Auf den Darlehensmärkten der im Strome des Welthandels stehenden Völker wird der Netto-
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Sechstes Kapitel.
zinG nicht mehr nach nationalen, sondern nach internationalen Gesichtspunkten gebildet; nicht der im Lande erzielbare natürliche Kapitalzins, sondern der wo immer erzielbare bildet die Grundlage seiner Gestaltung. So wie das zwischen dem Geld und den übrigen wirtschaftlichen Gütern bestehende Austauschverhältnis aller Orten identisch ist, so ist aucl] das Verhältnis der Preise der Güter höherer Ordnung und jener erster Ordnung überall dasselbe. Das ganze System des modernen Welthandels müßte eine vollständige Änderung erfahren, wollte man die Freizügigkeit der Kapitalsgüter einschränken. Es fehlt in Deutschland nicht an Stimmen, welche diese Forderung erheben, das Verbot oder doch wenigstens eine wesentliche Einschränkung der Kapitalsanlage im Auslande befürworten. Es ist nicht unserer Aufgabe, nachzuweisen, wie gering die Aussicht sein mag, eine solche Politik durchzusetzen, daß es heute nicht mehr von dem freien Willen einer Nation abhängt, ob sie am Welthandel teilnehmen will oder nicht. Solange und soweit aber ein Volk am internationalen Verkehr teilnimmt, ist sein Markt nur ein Stück des Weltmarktes; die Preisbilriung ist international, nicht lediglich national bestimmt. Wenn der Kapitalzins im Deutschen Reich steigt, ohne daß an den ihn bestimmenden Faktoren innerhalb des Reiches eine Veränderung vorgegangen wäre, weil etwa in den Vereinigten Staaten Verschiebungen eingetreten sind, so kann di'es ebensowenig auffallen, wie etwa ein Steigen des Getreidepreises, das seinen Ursprung in den ausländischen Ernteverhältnissen genommen hat. Die Politik hat sich mit der Erweiterung und mit dem Zusammenschluß der nationalen Märkte zum Weltmarkte nicht leicht abgefunden. Stärker als der Widerstand, der einst vor Jahrhunderten der Ausbildung der Stadtwirtschaft zur VolkswirtschaH entgegengesetzt wurde, ist jener, den das 19. und das 20. Jahrhundert der Ausbildung zur Weltwirtschaft entgegensetzt. Es fehlt das Gefühl volklicher Zusammengehörigkeit, das damals die regionalen Sonderinteressen niederzwang; die scharfe Betonung der nationalen Gegensätze, die den Grundton für die moderne Politik abgibt, würde wirtschaftlichen Einigungsbestrebungen vielleicht selbst dann hinderlich sein, wenn diese niemand zu schädigen vermöchten. Vom Produzentenstandpunkt betrachtet erscheinen niedrige Preise als das größte aller Übel, und mit allen zu Gebote stehenden Mitteln streben die konkurrenzunfähigen Produzenten in allen Staaten danach, die billigeren Waren des Weltmarktes vom nationalen Markte fern-
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zuhalten. Ob ihnen dies in jedem einzelnen Falle gelingt oder nicht, hängt aber zum guten Teil davon ab, wie stark der Einfluß ist, den die entgegengesetzten Interessen auf die Politik auszuüben vermögen. Denn bei jedem einzelnen Artikel tritt dem Produzenteninteresse, das hohe Preise wünscht, das Konsumenteninteresse entgegen, das den Markt für die billigere Konkurrenz des Auslandes öffnen will. Erst im Kampfe der beiden Gruppen fällt die Entscheidung. Anders ist die Kräfteverteilung, wenn das Problem der Freiheit des Kapitalverkehres zur Diskussion steht. Es wurde schon erwähnt, daß das Gläubigerinteresse überall den kürzeren zieht, wo es mit dem Schuldnerinteresse in Kollision gerät. Die Interessen der Kapitalisten finden in der Politik kaum jemals eine Vertretung. Niemand spricht sich gegen die Einfuhr von Kapital aus dem Auslande aus, weil dadurch der Kapitalzins auf dem inländischen Markte gedrückt und das Einkommen der Kapitalisten vermindert wird. Im Gegenteil. Allgemein herrscht die Anschauung vor, es sei im Interesse der Volkswirtschaft gelegen, daß der Zinsfuß so niedrig als möglich stehe. In den kapitalsreichen Staaten Europas, die für den internationalen Kapitalverkehr nur als Gläubiger, nicht als Schuldner in Betracht kommen können, äußert sich diese Politik in dem Bestreben, auswärtige Kapitalsanlagen zu verhindern. Zweifellos ist dieser Gesichtspunkt nicht der einzige, von dem aus die modernen Staaten den Kapitalexport beurteilen. Viel anderes spielt mit, was teils für, teils dagegen spricht; hier sei nur darauf hingewiesen, daß nicht selten Waren nur exportiert werden können, wenn die Bezahlung hinausgeschoben wird, so daß für die hingegebenen Gegenwartsgüter Zukunftsgüter erworben werden, und daß in diesem Umstand allein schon die Notwendigkeit, den Kapitalexport zu fördern oder doch wenigstens nicht zu verhindern, liegt 1. Wir müssen aber das eine festhalten, daß die Politik, die die Staaten dem Kapitalexport gegenüber einschlagen, neben anderen Gesichtspunkten auch von dem Bestreben, den Zinsfuß im Inland niedr~g zu halten, geleitet wird. Anderseits wieder wird in den kapitalsärmeren Staaten, die nur als Schuldner am Kapitalsverkehr teilnehmen können, der Kapitalimport aus demselben Grunde gefördert. Mit besonderer Schiärfe tritt das Bestreben, den inländischen Zinsfuß durch Beeinflussung der internationalen Kapitalströmungen 1 Vgl. S a rto ri u s vo n Wa lt e rs hau sen, Das volkswirtschaftliche System der Kapitalanlage im Auslande, Berlin 1907, S.126ft.
v. Mises, Theorie des Geldes. 2. Auf!.
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zu drücken, auf dem sogenannten Geldmarkte, das ist auf dem Markte für kurzfristige Kapitalanlagen, zutage. Auf dem sogenannten Kapitalmarkte, das ist dem Markte für langfristige Kapitalanlagen, ist die Möglichkeit, durch: Intervention einen Erfolg zu erzielen, nicht in dem gleichen Maße gegeben; jedenfalls tritt die Wirkung einer ergriffenen Maßregel viel schneller auf jenem als auf diesem ein. Die Geneigtheit, den DarIehenszins zu beeinflussen, muß daher auf dem Geldmarkt größer sein als auf dem Kapitalsmarkt. Die wichtigste Ursache, welche immer wieder von neuem die Forderung nach Beeinflussung des Geldmarktes entstehen läßt, muß jedoch in den allgemein herrschenden Irrlehren über das Wesen der Umlaufsmittelbanken und des Zirkulationskredites erblickt werden. Wenn ein verhältnismäßig geringer Goldabfluß die mächtige Zentralnotenbank eines reichen Landes zur Erhöhung des Diskontsatzes veranlaßt, dann ist man geneigt, zu glauben, es könnte die Verhinderung des Goldabflusses auf anderem Wege als durch Diskonterhöhung die Volkswirtschaft vor dem als schädlich angesehenen Steigen des Zinsfußes bewahren. Man me-rkt nicht, daß es sich um die durch die Verflechtung des Landes in den Weltverkehr gegebene automatische Anpassung des Landeszinssatzes an den Weltzinssatz handelt. Man übersieht vollkommen, daß eine Ausschaltung der eigenen Volkswirtschaft aus der Gemeinschaft des Weltkapitalverkehrs durch währungs- und bankpolitische Maßregeln allein nicht zu erreichen ist. Nur darum kann es geschehen, daß in großen Exportstaaten von eben jenen, weIchen der Exporthandel den größten Vorteil bringt, die Forderung nach Maßnahmen zur "VerbiIligung" des Kredits erhoben wird. Würden sich die Fabrikanten, denen jede Erhöhung des Diskontsatzes, welche auf Vorgänge im Auslande zurückgeführt wird, Anlaß gibt, für eine Änderung der Bankverfassung in der Richtung einzutreten, daß die Zentralnotenbank 'der Verpflichtung, jederzeit Gold für den Export herzugeben, enthoben werde, darüber klar werden, daß eine wirksame Verhinderung des Steigens des Zinssatzes nur durch Unterdrückung des Kapitalexportes bei gänzlicher Ausschaltung des Landes aus dem zwischenstaatlichen Verkehr erreicht werden könnte, dann würden sie sich bald eines anderen besinnen. Und es darf wohl festgestellt werden, daß die Erkenntnis dieser Zusammenhänge bis zu einem gewissen Grade bereits allgemein geworden ist, mag auch die literarische Behandlung des Problems noch zu wünschen übrig lassen. In Deutschland und ÖSter-
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reich treten heute nur noch die Kreise, welche die Abschließung des nationalen Marktes verlangen, auch für die "Isolierung" der Währung ein. Um die Stichhaltigkeit unserer Ausführungen zu erweisen, bedarf es keiner längeren Auseinandersetzungen mehr. Dennoch dürfte es nicht überflüssig sein, die Maßregeln, weIche von den Freunden niedrigen Zinsfußes empfohlen werden, im einzelnen zu prüfen und zu zeigen, wie wenig ihre Anwendung zu dem erwarteten Erfolg führen könnte.
§ J. Wir wollen zunächst die Systeme besprechen, welche den Diskontsatz des nationalen Geldmarktes durch Erschwerung oder Verteuerung des Goldbezuges unter der durch die Verhältnisse des internationalen Marktes bedingten Höhe erhalten zu können glauben. Das wichtigste und bekannteste unter diesen ist die Goldprämienpolitik, wie sie von der Bank von Frankreich geübt wird. Die Bank von Frankreich ist angesichts des Umstandes, daß den Fünffrankentalern noch heute gesetzlich die Eigenschaft von Kurantmünzen zukommt, berechtigt, ihre Noten nach eigener Wahl entweder in Gold oder in diesen Stücken einzulösen. Sie benützt dies mitunter dazu, um den Bezug von Gold für Exportzwecke zu erschweren. Im allgemeinen gibt sie Gold im Umtausch gegen Noten ohne Schwierigkeiten ab. Ebenso tauscht sie Fünffrankentaler, trotzdem sie dazu nicht verpflichtet ist, gegen Goldmünzen um und verschafft diesen damit die Eigenschaft von GeJdsurrogaten. Von diesen Möglichkeiten wird nun für die Bedürfnisse des inneren Verkehres naturgemäß nur ein geringer Gebrauch gemacht. Noten und Fünffrankentaler genießen das uneingeschränkte Vertrauen der Bevölkerung, so daß ihre Verwendbarkeit als Geldsurrogate nicht im mindesten in Frage steht. Wird die Bank hingegen um die Abgabe von Gold für den Export angegangen, dann kommt sie diesem Verlangen nicht immer ohne weiteres nach. Sie pflegt zwar Gold für die Bedürfnisse des sogenannten legitimen Handels, das heißt wenn es zur Bezahlung des Gegenwertes für aus dem Ausland bezogene Waren, vor allem von Getreide und Baumwolle, erforderlich ist, anstandslos abzugeben. Will jedoch jemand Gold für Zwecke der Zinsfußarbitrage beziehen, dann kann er es sich nicht ohne weiteres beschaffen. Napoleons, die französischen Goldmünzen, gibt die Bank für diesen Zweck überhaupt nicht her, Goldbarren und fremde Gold25*
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münzen in der Regel nur in der Weise, daß sie zu dem Doldpreise von 3437 Franks, zu welchem sie gesetzlich das Kilo fein ankaufen muß, einen wechselnden Betrag hinzuschlägt, den man auf 4-8 % 0 beziffert. Genaue Angaben über die Höhe dieser "Goldprämie" lassen sich nicht machen, weil die Sätze offiziell niemals bekannt gemacht werden 1. Der Zweck der Goldprämienpolitik ist der, den Zeitpunkt, in dem die Bank im Hinblid auf die Lage des internationalen Geldmarktes zu einer Diskonterhöhung schreiten muß, um das Abströmen des Goldes zu verhindern, so lange als nur irgend möglich hinauszuschieben. Der französischen Finanzpolitik ist der niedrigere Diskontsatz außerordentlich wichtig. Die Regierung der dritten Republik muß im Interesse der Volksschichten, auf die sie sich stützt, alles vermeiden, was den Hochstand der Rente, welche die vorzüglichste Vermögens anlage dieser Kreise bildet, beeinträchtigen kennte. Ein wenn auch nur vorübergehend hoher Diskont bildet stets eine Gefahr für den Rentenmarkt. Eine Anzahl von Rentenbesitzern kann sich zur Veräußerung der Titres veranlaßt sehen, um ihre Kapitalien fruchtbringender anzulegen, und die Beunruhigung, die von da aus den Markt ergreifen könnte, müßte den Kurs unverhältnismäßig stark beeinträchtigen. Es ist auch nicht zu leugnen, daß der angestrebte Erfolg bis zu einem gewissen Grade erreicht wird, wenn auch der Prämienpolitik lange nicht jene Bedeutung zukommt, die ihr fälschlich zugeschrieben wurde und zugeschrieben wird. Es ist vor allem fehlerhaft, den niedrigen Diskontsatz Frankreichs dem geschilderten Vorgehen der Bank zuzuschreiben. Wenn der Zinsfuß in Frankreich' niedriger steht als in anderen Ländern, so ist dies ganz anderen Ursachen zuzuschreiben. Frankreich ist das kapitalsreichste Land der Welt; seine Bevölkerung aber hat nur wenig Tätigkeitsdrang und Unternehmungsgeist 2. So ist das Kapital zur AuSwanderung genötigt. In einem KapitalexportIande muß jedoch der Darlehenszins, auch wenn man von der im Bruttozins enthaltenen Risikoprämie gänzlich absieht, tiefer stehen als in einem Kapitalimportlande. Eine Reihe von psychologischen Momenten läßt 1 Vgl. Rosendorff, Die Goldprämienpolitik der Banque de france und ihre deutschen Lobredner Oahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, III. folge, XXI. Band, 1901.) S. 632 H.; Dun bar, a. a. 0., S. 147 H. 11 Vgl. Kaufmann, Das französische Bankwesen, Tübingen 1911, S.35H.
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den Kapitalisten bei Vergleichung der Rentabilität heimischer und fremdländischer Anlagen jene diesen unter sonst gleichen Verhältnissen vorziehen. Dies erklärt zur Genüge, warum die Verzinsung lang- und kurzfristiger Anlagen in frankreich geringer ist als in anderen Ländern, etwa im Deutschen Reich. Da sind allgemeine volkswirtschaftliche Ursachen im Spiele; bank- oder währungspolitische Maßnahmen können darauf keinen Einfluß nehmen. Das Verhältnis, das zwischen der Höhe des französischen und der des ausländischen Darlehenszinses besteht, kann durch die Prämienpolitik der Bank von frankreich von dem durch die allgemeine volkswirtschaftliche Lage gegebenen nicht für längere Zeit abgedrängt werden. Die Bank von frankreich steht nicht über den Gesetzen, die den Ablauf des Wirtschaftslebens beherrschen. Auch sie muß bei festsetzung der Höhe ihres Diskontsatzes auf die Höhe des natürlichen Kapitalzinses entsprechend Rücksicht nehmen. Sie muß ebenso wie jede andere den Geldmarkt ihres Landes beeinflussende Umlaufsmittelbank danach trachten, den Darlehenszins für kurzfristige Anlagen im Inlande so weit in die He-he zu treiben, daß den inländischen Kapitalisten die Kapitalsanlage im Auslande nicht in einem solchen Ausmaß verlockend erscheint, daß daraus Gefahren für ihre eigene Solvenz entstehen. Auch die Bank von frankreich hat nur ein einziges Mittel, um den Goldabfluß ins Ausland wirksam zu verhindern: die Erhöhung ihres Diskontsatzes 1. Die Anwendung der Prämienpolitik kann nur den Erfolg haben, daß sie eine durch die Situation des internationalen Geldmarktes notwendig gewordene Diskonterhöhung einen Augenblick lang hinausschiebt. Die Prämie verteuert den Geldexport und verringert damit die Rentabilität der Zinsfußarbitragegeschäfte. Ist die Anschauung verbreitet, daß die Zinsfußdifferenz zwischen frankreich und dem Auslande in kurzem wieder eine Änderung zugunsten frankreichs dadurch erfahren wird, daß der Zinsfuß im Auslande fallen wird, dann wird der Arbitrageur die Goldausfuhr überhaupt unterlassen, da der geringe Gewinn der Operation durch die Prämie zu sehr geschmälert wird. Die Bank von frankreich vermag auf diese Weise Diskonterhöhungen, die nur 1 Vgl. hierüber die von Rosend orff, a. a. 0., S. 640ff., und im Aufsatze: Die neue Richtung in der Goldpolitik der Bank von frankreich (Bank-Archiv. VII. Jahrgang, 19(7), S. 72ff., zitierten Stellen aus den Rechenschaftsberichten der Banque de france, worin von der Diskonterhöhung als dem nseul moyen connu de defendre I'encaisse" gesprochen wird.
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für kurze Zeit erforderlich gewesen wären, unter Umständen zu vermeiden. Ist die Zinsfußdifferenz jedoch so bedeutend, daß die kurzfristige Kapitalanlage im Auslande trotz der Verteuerung des Goldbezuges durch die Prämie einen Gewinn abzuwerfen verspricht, oder ist anzunehmen, daß der höhere Zinsfuß des Auslandes nicht zu bald eine Ermäßigung erfahren wird, die den Erfolg des Arbitragegeschäftes in frage stellen könnte, dann muß auch sie mit der Zinsfußerhöhung vorgehen. Man hat die Behauptung aufgestellt, die Zentralbank sei in der Lage, durch eine sukzessive Erhöhung der Prämie den Geldexport gänzlich hintanzuhaIten, indem sie die Exportgrenze (den Goldpunkt) immer etwas weiter hinausrückt, als es die Verschlimmerung der Wechselkurse bedingt!. Das ist zweifellos richtig. Das Verfahren ist allbekannt und wiederholt angewendet worden: man nennt es Einstellung der Barzahlungen. Die Bank, die es damit versucht, nimmt den von ihr ausgegebenen Umlaufs mitteln den Charakter von Geldsurrogaten; dienen ihre Noten und Kassenführungsguthaben im Verkehr weiter als allgemein ~ebräuchliches Tauschmittel, dann sind sie Kreditgeld. Ihre Wertbewegung ist selbständig geworden. Nun freilich vermag die Bank eine vollkommen unabhängige Diskontpolitik zu betreiben; sie darf, ohne der Gefahr der Insolvenz zu begegnen, den Zinsfuß ihrer Aktivgeschäfte so weit herabsetzen, als sie will. Da aber zeigt es sich, welche folgen eine Bankpolitik nach sich ziehen muß, die durch Erweiterung der UmlaufsmitteIausgabe den Darlehenszins unter das Niveau des natürlichen Kapitalzinses herabzudrücken bemüht ist. Doch davon ist bereits ausführlich gesprochen worden. Hier ist noch ein zweites von Wichtigkeit. Wird infolge des Eingreifens der Bank der Darlehenszinsfuß künstlich unter dem Niveau des durch die internationalen VerhältnisS(e gegebenen Satzes gehalten, dann wird das Bestreben der Kapitalisten, ihre Kapitalien im Auslande anzulegen, um so vehementer auftreten, je weiter der Abstand zwischen den Zinssätzen des In- und Auslandes wird. Die Nachfrage nach dem allgemeinen Tauschmittel des Auslandes wird steigen, weil die ausländischen Kapitalgüter stärker, die inländischen schwächer begehrt werden. Da kann dann auch durch die Verschlechterung des Valutenkurses keinesweg~ automatisch eine Kraft ausgelöst werden, die zur Wiederherstellung 1
Vgl. Landesberger, Währungssystem und Relation, Wien 1891,5.104.
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desjenigen Austauschverhältnisses zwischen dem Bankkreditgeld und dem Gold, dem Weltgeld, zurückstrebt, welches vorher, als die Noten und Kassenführungsguthaben der Bank noch Geldsurrogate waren, bestand. Der Mechanismus des Geldverkehrs wirkt dahin, das Austausch'verhältnis der beiden Geldarten auf jenen Stand zu bringen, der durch das zwischen jeder von ihnen und den übrigen Tauschgütern bestehende Austausch'verhältnis als der natürliche gegeben ist. Das natürliche Austauschverhältnis selbst ist es aber, das in diesem falle eine Verschiebung zuungunsten des Landes, das die Goldabgabe verweigert, erfahren hat. Die "autonome H Zinspolitik muß notwendigerweise zur fortschreitenden Geldentwertung führen. Viele Vorkämpfer der Goldprämienpolitik leugnen auch gar nicht, daß ihre Anwendung, in dem Sinne, in dem sie es meinen, unfehlbar zu einer Kredit- oder Zeichengeldwährung mit rasch sinkendem inneren objektiven Tauschwert des Geldes führen müsse. Im Gegenteil, sie sind geneigt, gerade hierin einen besonderen Vorzug zu erblicken, denn sie sind mehr oder minder Inflationisten 1. Die Bank von frankreich betreibt jedoch die Prämienpolitik keineswegs in dieser Weise. Sie hält eine feste Grenze ein, über die hinaus sie die Prämie niemals, unter keinen Umständen, steigen läßt. 80100 dürfte der höchste Prämiensatz sein, der von ihr jemals begehrt wurde. Und das ist nun keineswegs ein fehler von seiten der Bank, sondern in den Verhältnissen begründet. Die Entwertung der Valuta, die als folge einer Goldprämie von 8 0/ 00 auftritt, scheint der französischen Regierung und der von ihr beherrschten Bankverwaltung noch erträglich; eine stärkere Entwertung will man im Hinblick auf ihre unabsehbaren Rückwirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft vermeiden. Daher kann die französische Goldprämienpolitik den Goldexport nicht verhindern, ihn lediglich um einen Augenblick hinausschieben. Das bedeutet nun schon an und für sich, nicht nur dann, wenn die Zinsfußdifferenz nicht beträchtlich ist und in kurzer Zeit vorübergeht, so daß die Erhöhung des Diskontsatzes gänzlich unterbleiben kann, eine Verbilligung des Darlehenszinsfußes. Demgegenüber steht jedoch die Verteuerung des Zinssatzes in jenen Perioden, in denen der Zinssatz im Ausland relativ niedrig ist. Sinkt der Darlehenssatz im Auslande so tief, daß es den Kapitalisten vorteilhaft erscheinen könnte, Kapitalien nach frank1.Vgl. Landesberger, a. a.O., S.I05, und Über die Ooldprämienpolitik der Zettelbanken, Wien 1892, S. 28.
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reich zur Anlage zu übertragen, so unterlassen sie es, wenn nicht auf ein langes Anh'alten dieser Situation zu rechnen ist oder die Differenz sehr beträchtlich ist, da sie befürchten müssen, eine späterhin bei umgekehrter Lage angezeigte Rückübertragung dieser Kapitalien nur mit erhöhten Kosten durchführen zu können. Die Goldprämienpolitik bildet somit nicht nur eine Erschwerung für den Abfluß von Gold, sie erschwert auch den Zufluß von Gold nach Frankreich. Sie ermäßigt den Darlehenszins zu gewissen Zeiten, verteuert ihn jedoch zu anderen. Sie schaltet das Land zwar nicht aus dem internationalen Kapitalverkehr aus, sie erschwert nur seine T eilnahme daran, das aber nach beiden Seiten hin; ihre Wirkung, deren Intensität nicht überschätzt werden darf, äußert sich vor allem darin, daß der Zinssatz für kurzfristige Anlagen in Frankreich stabiler ist als in anderen Ländern. Er sinkt nie so tief wie zum Beispiel in England, steigt aber auch nie so hoch. Ein Vergleich der Bewegung der Darlehenssätze in London und Paris zeigt dies ganz deutlich. Die Erkenntnis, daß die Ooldprämienpolitik keineswegs di,e ihr zugeschriebenen Wirkungen äußern könne, greift denn auch immer mehr um sich. Allmählich verstummen die Stimmen jener, welche früher in ihr das Allheilmittel zu erblicken glaubten.
§ 5. Die rechtlichen Voraussetzungen, weIche der Bank von Frankreich die Möglichkeit bieten, Goldprämi,enpolitik zu treiben, fehlen in den Ländern der reinen Goldwährung. Wo neben den Goldmünzen kein Geldsurrogat, Zeichengeld oder Kreditgeld vorhanden ist, dem das Gesetz unbeschränkte Zahlkraft auch zugunsten der Zentralumlaufsmittelbank beilegt, müßte die Einlösung der Umlaufsmittel in Geld ohne jede Verteuerung durch eine Prämie erfolgen 1 . Tatsächlich wenden jedoch auch diese Banken neuerdings eine Politik an, die sich von dem geschilderten Vorgehen der Bank von Frankreich nur quantitati'V, keineswegs auch im Prinzip unterscheidet. 1 Die deutsche Reichsbank hat auch zur Zeit, als der Taler noch als Kurantmünze unbeschränkte gesetzliche Zahlkraft besaß, mithin eine dem französischen fünffrankenstück analoge Stellung einnahm, niemals Goldprämienpolitik nach französischem Muster getrieben, trotzdem ihr dies wiederholt nahegelegt wurde. Dies dürfte nicht so sehr dem Umstande zuzuschreiben sein, daß die Zahl der Taler verhältnismäßig gering war, als der nachhaltigen Wirkung, welche die Lehre Bambergers im ganzen Reiche übte. Ein offener Bruch mit den Prinzipien der Bank- und Währungsreform der Zeit nach 1870/71 war im Hinblick auf die herrschenden Anschauungen ausgeschlossen.
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Die Zentralnotenbanken der meisten Länder sind nach dem Vorbild der englischen Bankgesetzgebung lediglich dazu verpflichtet, ihre Noten in Landesgoldmünzen, die gesetzliche Zahlkraft besitzen, einzulösen. Dem Sinne der modernen Geldverfassung und den letzten Zielen der Geldpolitik entsprach es, daß sie diese Verpflichtung dahin auffaßten, als ob sie verpflichtet wären, dem Goldexporteur auch Barren zur gesetzlichen Relation oder doch zu einem Preise zu überlassen, der den Bezug von Barrenmetall vorteilhafter erscheinen ließ als den von gemünztem Metall. So hat die Bank von England ihre Noteneinlösungsfrist bis 1889 dahin freiwiIIig erweitert, daß sie den Wert, den ihre Noten in vollwichtigen Goldstücken besaßen, auf Verlangen auch in Barren herausgab; sie brachte das zum Ausdruck, indern sie ihren Verkaufspreis für Barrengold ein für allemal auf 77 s 10 112 d per Unze Standard Gold festsetzte 1. Diesem Beispiel sind die kontinentalen Notenbanken eine Zeitlang nachgefolgt. frühzeitig haben sie sich jedoch für ein anderes Vorgehen entschieden; schließlich hat auch die Bank von England ihre alte Politik verlassen und sich die von den kontinentalen Sc:hwesterinstituten geübten Praktiken zu eigen gemacht. Die Bank von England und die Deutsche Reichsbank, neben der Bank von frankreich die beiden wichtigsten Umlaufsmittelbanken der WeIt, geben für Exportzwecke nur abgenutzte minderwertige Goldstücke her. Sovereigns, wie die Bank von England sie zum Export herausgibt, pflegen um 2-3 per Mille schlechter zu sein als neu ausgeprägte. Wer der Deutschen Reichsbank Goldmünzen zur Ausfuhr entzieht, bekommt nach Durchschnittsberechnungen von fachleuten Zwanzigmarkstücke von 7,943 Gewicht (gegen 7,965 normal), also um etwas mehr als 1/.. % unter ihrem Ausprägungswert 2. Barrengold wird von der Bank von England mitunter überhaupt nicht abgegeben, mitunter nur zu einem Preise, der den bis 1889 allein üblich gewesenen von 77 s 1Ol/2 d übersteigt; bis zu 77 s 11 d pflegt die Bank den Barrenverkaufspreis zu erhöhen s. Über die Tragweite und die Wirkung dieser Maßnahmen ist zu dem, das übeT die französische Go'ldprämienpolitik gesagt wurde, Vgl. Koch, Der Londoner Goldverkehr, Stuttgart 1905, S. 70f. Ebendort S. 8lf. S Vgl. Clare, A Money Market Primer and Key to the Exchanges, Second Edition, London 1893, S. 22. 1
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nichts weiter hinzuzufügen. 'Der Unterschied ist - wie gesagt nur ein quantitativer, kein grundsätzlicher 1. Ganz in der gleichen Weise wirken auch die anderen "kleinen Mittel", welche zur Erschwerung der Gold ausfuhr angewendet werden. So zum Beispiel wenn die Deutsche Reichsbank mitunter die Ausgabe von Gold zu Exportzwecken außerhalb Berlins unter Berufung auf den Wortlaut des § 18 des Bankgesetzes sistiert, was den Goldexport dadurch verteuert, daß den Goldexporteuren die Gefahr und die Kosten des Goldtransportes von Berlin bis zu den Ausfuhrorten zur Last gelegt werde)1.
§ 6. In den Geschäftsberichten der Bank von frankreich kehrt die Behauptung wieder, die Goldprämienpolitik richte sich nur gegen diejenigen, welche der Bank Gold für spekulative Zwecke zu entziehen wünschen. Die Bank habe dem Goldbezug keine Schwierigkeiten in den Weg gelegt, wenn es sich um die Befriedigung der legitimen Bedürfnisse des französischen Handels gehandelt habe 2• Eine Erläuterung des Begriffes "legitimer" Bedarf und seines Gegen1 Mit Unrecht meint R 0 sen d 0 r ff (Die Goldprämienpolitik der Banque de france, a. a. 0., S. 636) zwischen dem Verfahren der Banken von England und Deutschland bei der Herausgabe von Gold und der von der Bank von frankreich geübten Prämienpolitik einen prinzipiellen Unterschied erblicken zu können. Er begründet seine Anschauung damit, daß, während letztere oftmals die Herausgabe von Landesgoldmünzen überhaupt verweigert und so den Betrag der Prämien, theoretisch genommen, bis ins ungemessene erhöhen kann, die Banken von England und Deutschland, die im Gegensatze zu der von frankreich ihre Noten stets zum Nennwerte in Landesgoldmünzen einlösen und nie den Versuch gemacht haben, ihr Gold dem Verkehre zu verweigern, den Verkaufspreis für Barren nur bis zum Betrage der Prägekosten und der Abnützung steigern zu können. Rosendorff setzt sich mit den sonstigen Ausführungen seiner Arbeit in scharfen Widerspruch, wenn er mit dem Hinweis darauf argumentiert, "theoretisch" könne die Bank von frankreich die Prämie ins ungemessene erhöhen. Tatsächlich tut sie es nicht, wenn das Gesetz es auch nicht verbietet. Würde sie es aber tun, dann würde sie dadurch den Charakter des französischen Geldwesens völlig ändern; es ist nicht zu bezweifeln, daß die französische Regierung und die Kammern den Übergang zur Kreditgeldwährung, der in solchem Vorgehen liegen würde, nicht gutheißen könnten. 2 So heißt es im Compte rendu für 1898 (S. 12f.): "Si nous nous effon;ons de conserver de grandes disponibilites metalliques et de les menager le mieux possible, nous ne devons pas non plus perdre de vue les interets du commerce et lui refuser les moyens de payement qu'i1 reclame pour les besoins les plus legitimes, c'est-a-dire pour I'approvisionnement du marche fran~ais."
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stückes, des "illegitimen" Bedarfs, wird nicht gegeben. Die Vorstellung, die dieser Unterscheidung zugrunde liegt, ist offenbar die, daß Warenhandel und Kapitalverkehr zwei durchaus getrennte, in keiner Verbindung stehende Zweige wirtschaftlichen Tuns seien, und daß es möglich wäre, den einen zu unterbinden, ohne den anderen zu beeinflussen. Eine Verweigerung der Goldhergabe für die Zinsfußarbitrage könne den Bezug ausländischer Waren nicht verteuern, wenn nur dem Importeur die für die Bezahlung seiner Bezüge erforderlichen Beträge ohne Schwierigkeiten zur Verfügung gestellt würden. Diese Argumentation wird man wohl bei näherer Prüfung nicht als stichhaltig bezeichnen können. Sieht man selbst ganz davon ab, daß der Kapitalverkehr nur eine Abart des Güteraustausches überhaupt ist, und beschränkt man die Betrachtung ausschließlich auf das banktechnische Problem des Entzuges von Gold, dann ergibt es sich klar, daß die Bank das durch die differentielle Behandlung der verschiedenen Gesuche um Goldüberlassung angestrebte Ziel nicht erreichen kann. Jene Importe von Rohstoffen würden ja, falls nicht aus Gründen der Zinsfußverschiedenheit ein Goldexport rentabel erschiene, zum Teil oder ganz mit dem Gegenwert der Warenexporte bezahlt werden. Der Importeur würde nicht Geld von der Bank beziehen, vielmehr Devisen, die ihren Ursprung aus dem französischen Exportgeschäft herleiten, auf dem Markte ankaufen. Daß ihm VOll der Bank Gold ohne Prämie überlassen wird, während der Devisenkurs wegen der Verweigerung der prämienfreien Goldhergabe an die Zinsfußarbitrageure ungefähr um die Höhe der Prämie steigt, stellt wohl eine Begünstigung des Importgeschäftes dar, und es ist möglich, daß sie unter Umständen auch dem Konsumenten zugute kommt; das hängt aber: ganz von den Konkurrenzbedingungen im Einfuhrgeschäft ab. Denn die Devisen- und Valutenkurse erleiden dennoch jene Veränderungen, die die Bank vermeiden will; der Goldpunkt für die Ausfuhr wird um den Betrag der Prämie nach oben verlegt. Schließlich muß festgestellt werden, daß die Unterscheidung zwischen "legitimem" und "ilIegitimem" Goldbedarf für Exportzwecke undurchführbar ist. Man mag den Bedarf für die Bezahlung VOll Einfuhrgütern als legitim, den für den Ankauf ausländischer Wechsel zur vorübergehenden Kapitalanlage zwecks Ausnützung der Zinsfußverschiedenheit als iIIegitim bezeichnen. Dazwischen bleibt
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aber viel zurück, das weder in die eine oder die andere Kategorie eingereiht werden kann. Wäre es etwa möglich, daß die Bank von frankreich der Rückziehung von Guthaben, welche ausländische Staaten, Gemeinden und Gesellschaften, etwa aus Anleiheresten, bei französischen Instituten unterhalten, ein Hindernis in den Weg legt? Oder daß die ÖSterreichisch-ungarische Bank, von der man wiederholt behauptet hat, sie verweigere die Herausgabe von Devisen an Personen, die Zinsfußarbitragegeschäfte auszuführen beabsichtigen, den spekulativen Rückkauf inländischer Effekten aus dem Ausland erschwere 1 ?
§ 7. Die Bestrebungen der Zentralnotenbanken, ihren Goldbestand möglichst groB zu gestalten, haben zur Anwendung von Mitteln geführt, welche sich als das gerade Gegenstück der Prämienpolitik und der dieser verwandten Systeme darstellt. Die Banken suchen durch Erhöhung der von ihnen für Goldimporte gezahlten Preise die dem Importeur aus der Goldeinfuhr erwachsenden Unkosten zu verringern und damit den unteren Goldpunkt tiefer hinunter zu verlegen. Zu diesen Mitteln gehört dIe Gewährung zinsfreier oder niedrig verzinslicher Vorschüsse für den Goldimporteur, eine Praxis, die in England, frankreich und Deutschland nicht unbekannt ist 2 • ferner 1 Vgl. meine Abhandlung über "Das Problem gesetzlicher Aufnahme der Barzahlungen in Östereich-Ungarn", a. a. 0., S. 1017. - Wollte die Österreichisch-ungarische Bank in dieser oder einer anderen Weise das Beispiel der Banque de France nachahmen, dann würde sie einen Erfolg erzielen, der dem von ihrer französischen Schwesteranstalt erreichten gerade entgegengesetzt ist. Gleich der Bank von Frankreich würde sie mit ihrem Tun nicht nur den Goldabfluß, sondern auch den Goldzufluß hemmen. In frankreich, dem Gläubigerstaat , ist dies von ganz anderer Bedeutung als in ÖsterreichUngarn, dem Schuldnerstaat. Dort ist die Hemmung des Kapitalimportes, der nur in Ausnahmefällen möglich wäre, unbedenklich; hier, in dem Lande, das auf ständige Kapitalzufuhr aus dem Auslande angewiesen ist, würde sie ganz anders wirken. Daß im Hinblicke auf die Möglichkeit von Schwierigkeiten, die einer späteren Zurückziehung von Kapitalien entgegengesetzt werden könnten, die Einfuhr von solchen nach Österreich-Ungarn erst bei einer stärkeren Spannung zwischen den Wiener und den auswärtigen Zinssätzen möglich wäre, müßte hier den Zinsfuß dauernd erhöhen; daß andererseits auch der Export \'on österreichischen Kapitalien erst bei einer stärkeren Spannung nach der anderen Richtung rentabel wäre, würde diesen Nachteil nicht aufheben, da Kapitalexport aus Österreich-Ungarn nach den Weststaaten nur in seltenen Ausnahmefällen in Frage kommt. 2 Vgl. Koch, a.a.O.,S. 79; Die Re ichsbank 1876-1900, Berlin 1901. 5.146.
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die Übung, Gold nicht nur bei der Hauptanstalt, sondern auch bei den nahe der Grenze gelegenen filialen anzukaufen 1. Am interessantesten ist wohl die Praxis, bestimmte Goldsorten zu einem ihren Goldwert übersteigenden Preis anzukaufen. Wenn die Bank einem Goldexporteur statt der Barren oder der Münzen des eigenen Landes Münzen jenes Landes, in welches' er das Gold zu senden beabsichtigt, ausfolgt, dann kann sie einen höheren Preis erzielen als dem Goldgehalt dieser Münzen entspricht. Denn der Exporteur spart die Kosten der Umprägung und vermeidet jenen Verlust, der ihm aus der Abnützung der ausgefolgten Stücke inländischen Geldes erwachsen würde. Die Bank ist daher in der Lage, für die Ooldkurantmünzen jener Staaten, in die voraussichtlich in Zukunft einmal ein Goldexport stattfinden wird, höhere Preise zu bewilligen, als ihrem feingehalt entsprechen würde 2. Man kann alle diese Maßregeln am besten dadurch charakterisieren, daß man sie als Waffe gegen die von den ausländischen Banken gepflogene Anwendung von Prämienpolitik und verwandten Mitteln bezeichnet. Sucht die Bank des Landes A den oberen Goldpunkt für die Ausfuhr von A nach B hinaufzuverlegen, so trachtet die Bank des Landes B ihn tiefer zu verlegen. Clibt man in A nur abgenützte Münzen zu Exportzwecken ab, dann wiTd der damit verfolgte Zweck illusorisch, wenn in B für Münzen des Landes A ein den Goldgehalt übersteigender Preis bezahlt wird. Es ist sehr wahrscheinlich, daß Mittel und Gegenmittel sich gegenseitig zum größten Teil kompensieren, so daß die Erweiterung des Abstandes zwischen den Goldpunkten, die sonst dureh das Eingreifen der Banken hätte eintreten müssen, vermieden wird.
§ 8. Im Deutschen Reich, wo im freien Verkehr verhältnismäßig sehr viel Gold umläuft, tritt in den letzten Jahren immer stärker das Bestreben hervor, durch Ausdehnung des Scheck- und Giroverkehres Gold aus der Zirkulation zu ziehen und in die Kassen der Reichsbank zu leiten. Der Zweck, den diese Propaganda verfolgt, wird in einern Rundschreiben der Ältesten der Kaufmannschaft von Berlin vom 1 Vgl. Obst, Banken und Bankpolitik, Leipzig 1909, S. 9Of.; Hertz, Die Diskont- und Devisenpolitik der österreichisch-ungarischen Bank, (Zeitschrift für Volkswirtschaft, Sozialpolitik und Verwaltung, XII. Bd., 1903,) S. 496. 2 Vgl. Koch, a. a. 0., S. 79ff.; Hertz, a. a. 0., S. 521; Spitzmüller, Art. "Valutareform und Währungsgesetzgebung" im Österreichischen Staatswörterbuche, 11. Auflage, II. Bd., S. 300.
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2. Mai 1907 in nachstehender Weise gekennzeichnet: Die Ursachen, auf die der hohe Zinsfuß in Deutschland zurückzuführen ist, wurzeln zum Teil in dem Umstand, daß die deutsche Bevölkerung mehr als diejenige anderer Länder sicb zur Leistung der im geschäftlichen und außergeschäftlichen Verkehr vorkommenden Zahlungen der baren Zirkulationsmittel (Gold und SHber) bedient, sich dagegen noch nicht hinreichend an die Mittel gewöhnt hat, welche geei'gnet sind, die Benutzung von Gold und Silber, sowie von Banknoten und Reichskassenscheinen als Zirkulationsmittel zu ersetzen, nämlich an d·en Überweisungs- und Scheckverkehr. Wenn es gelingen würde, einen erheblichen Teil alIer Zahlungen durch' Überweisungen oder Schecks zu erledigen, so würden dadurch große Beträge von Zirkulationsmitteln erspart werden, sowohl an Gold und Silber wie an Banknoten, und diese ersparten Zirkulationsmittel würden sich in den Kassen der Notenbanken, namentlich des Zentralnoteninstitutes, der Reichsbank, ansammeln. Je mehr dies der Fall sei, desto geringer würde der Bedarf an Zirkulationsmitteln sein, den die Reichsbank zu befriedigen hat, desto stärker würde der Barbestand der Reichsbank sein, was zur Ermäßigung des Zinsfußes bei der Reichsbank und im ganzen Lande erheblich beitragen würde 1. In diesen Ausführungen tritt die Schwäche der theoretischen Anschauungen, die der modernen Bankpolitik zugrunde liegen, am klarsten hervor. Man will seinen Augen mißtrauen, wenn man solche Sätze liest. Die Höhe des Zinsfußes soll von dem Bedarf an Zirkulationsmitteln abhängen; der Stärkung des Barbestandes der Zentralnotenbank wird die Wirkung zugeschdeben, den Kapitalzins im ganzen Lande herabzusetzen, und zwar erheblich herabzusetzen. Und das ist nicht etwa die Meinung irgendeines vereinzelten Privatmannes, sondern die der hochangesehenen Korporation der Berliner Kaufmannschaft, und wie jedermann weiß, auch die Meinung der in der deutschen Wirtschaftspolitik führenden Kreise überhaupt. In dem einen Punkte scheinen alle Parteien übereitnzukommen, mögen ihre sonstigen Ansichten über das Wesen der volkswirtschaftlichen Erscheinungen noch so sehr auseinandergehen. Aber selbst wenn wir VOll diesem GruT1dirrtum einen Augenblick absehen wollen, wie kleinlich und schwächlich sind die entwickelten Lehren, wie widerspruchsvoll vor alIem. Das durch die Bankgesetzgebung der sieb1 Vgl. auch Pro e b s t, Die Grundlagen unseres Depositen- und Scheckwesens, Jena 1908, S. 1 H.
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ziger Jahre statuierte Deckungsverhältnis der Reichsbanknoten erscheint als ein noH me tangere. Man denkt gar nicht an die Möglichkeit, an diesen Bestimmungen eine Änderung vorzunehmen, etwa die Viertel- oder die Fünfteldeckung an Stelle der Dritteldeckung treten zu lassen. Der Wortlaut jenes Gesetzes soll aufrecht erhalten bleiben, während die Voraussetzungen, auf denen es sich aufbaute, verändert werden. Wenn die Geldsurrogate, die die Gestalt von Kassenführungsguthaben tragen, vermehrt werden, ohne daß für eine Deckung durch Geld Sorge getragen wird, dann wächst die Menge der Umlaufsmittel. Wieder tritt hier zutage, wie selbst die theoretisch richtigen Teile der Ausführungen der Banking-Theorie keinen Einfluß auf die praktische Politik zu erlangen vermochten. Immer wieder weisen Tooke und Fullarton darauf hin, daß zwischen Noten und Kassenführungsguthaben (sie sprechen dabei von Schecks) keine grundsätzliche Verschiedenheit besteht. Ihre modemen Nachfolger wageu nicht die Konsequenz aus dieser unzweifelhaft feststehenden Tatsache zu ziehen; sie vertreten die differentielle Behandlung der Umlaufsmittel, je nachdem es sich um Noten oder um Kassenführungsguthaben handelt 1. Ersetzt man einen Tei'l des in Deutschland im freien Verkehr zirkulierenden Goldes und einen Teil der Banknoten durch Umlaufsmittel in Gestalt von Kassenführungsguthaben, so kann dies zu einer Verringerung des Zinsfußes nur insofern führen, als das überflüssig gewordene Gold zum Bezug von Kapitalgütern aus dem Ausland verwendet wird. Der Ersatz von nicht metallisch gedeckten Noten durch nicht metallisch gedeckte Kassenführungsguthaben ist hierfür belanglos. Nur insoweit metallisch bedeckte Noten durch metallisch nicht bedeckte Kassenführungsguthaben ersetzt werden, tritt eine Vermehrung der Umlaufsmittelzirkulation auf Kosten der der Geldzertifikate ein, wodurch Gold zur Abgabe an das Ausland frei wird. Der gleiche Erfolg wäre aber auch durch Verringerung des Deckungsverhältnisses der Banknoten zu erreichen; dieses einfachere Mittel hält jedoch die herrschende Meinung für ungangbar, trotzdem es ebenso ungefährlich oder ebenso gefährlich ist wie das andere. Wird das auf diese Weise entbehrlich gewordene Gold an das Ausland abgegeben, dann wächst entsprechend der der deutschen Volkswirtschaft zur Verfügung stehende Vorrat an anderen wirtschaftlichen 1 Erst in den letzten Jahren beginnt sich in den Anschauungen der maßgebenden Kreise in diesem Punkte langsam ein Wandel zu vollziehen.
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Gütern. Dadurch könnte eine, wenn auch ganz geringfügige Senkung des Zinsfußes erreicht werden, vorausgesetzt, daß das Ausland die vom Deutschen Reich abgestoßene Goldmenge aufnimmt, ohne daß eine allgemeine Senkung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes eintritt. Daran aber denken die deutschen Verfechter der Ausdehnung des Scheck- und Giroverkehres nicht, wenn sie mtt derartigen Vorschlägen hervortreten. Sie befürworten die Erweiterung der Umlaufsmittelzirkulation in Gestalt von Kassenführungsguthaben, weil sie erwarten, daß dann die Zahl und der Umfang jener Kreditgesuche, die den in Notenform erteilten Zirkulationskredit der Reichsbank in Anspruch nehmen, zurückgehen wird; davon aber erhoffen sie einen Rückgang der Höhe des Darlehenszinses. In all dem liegt ein schwerer Irrtum. Die Höhe des Darlehenszinses ist nicht von der Menge des nationalen Geldvorrates im weiteren Sinne, ebensowenig natürlich von der Größe der Umlaufsmittelzirkulation abhängig. Die Reichsbank ist nicht durch die gesetzlichen Deckungsvorschriften gezwungen, in ihrer Zinsfußpolitik darnach zu trachten, daß zwischen dem Satz des natürlichen Kapitalzinses und jenem des Darlehenszinses keine Spannung entstehe, sondern durch die notwendige Rücksichtnahme auf ihre eigene Solvenz. In allen jenen Ländern, in deren Zirkulationskreditorganisation das sogenannte Ein-Reserve-System herrscht, wo der für die jederzeitige Einlösung der Geldsurrogate erforderliche Geldschatz von einer Zentralbank verwaltet wird, auf die im Notfall alle Umlaufsmittelbanken in letzter Link zurückgreifen müssen, bemerken die Leiter dieser Bank den Abfluß von Gold nach dem Ausland zuerst; sie müssen auch zuerst die Vorkehrungen zu seiner Verhinderung treffen, da die ihrer Obhut anvertraute Anstalt dem ersten Ansturm ausgesetzt ist. Die Diskonterhöhung der Zentralnotenbank pflegt mithin zeitlich der Versteifung der Kreditbedingungen auf dem offenen Markte und im Kundenverkehr der Privatbanken voranzugehen; oberflächliche Beurteiler sind dann schnell bereit, post hoc ergo propter hoc zu folgern. Nichts ist irriger als diese Anschauung. Die Privatbanken und die übrigen Geldgeber müssen sich iJn ihrer Zinsfußpolitik dem Satz des auf dem Weltmarkt in Kraft stehenden Kapitalzinses au~h ohne jede Rücksicht auf das Vorgehen der Notenbank anpassen. Auch ihnen könnten ja ebenso wie der Zentralbank Beträge zu Zwecken der Zinsfuß arbitrage entzogen werden. Solange die freizügigkeit des Kapitals nicht gehemmt ist, bleibt es eben den
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Umlaufsmittelbanken eines einzelnen Landes verwehrt, eine selbständige Zirkulationskreditpolitik zu verfolgen.
C. Probleme der Umlaufsmittelpolitik in der Zeit nach dem Kriege. § 9. Überall dort, wo die Inflation das Geldwesen zerrüttet hat, ist das nächste Ziel der Währungspolitik die Stillegung der Notenpresse. Ist das vollbracht, hat man schließlich noch gelernt, daß auch die Hebung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes Begleiterscheinungen auslöst, die man nicht wünscht, und hat man eingesehen, daß es vor allem auf die Stabilisierung des Geldwertes ankommt, dann trachtet man danach, so schnell als möglich die Goldkernwährung einzurichten. Das ist zum Beispiel in Österreich seit Ende 1922 geschehen, und seither ist in diesem Lande, wenigstens vorläufig, der Dollarkurs fest. Die Beständigkeit des Dollarkurses bedeutet unter den gegebenen Verhältnissen aber auch die Beständigkeit des Goldpreises. ÖSterrekh hat mithin Dollarkernwährung und mittelbar Goldkernwährung. Das ist die Währungsei.nrichtung, die im Deutschen Reich, in Polen, in Ungarn und in vielen anderen europäischen Ländern als das zunächst anzustrebende Ziel erscheint. Das währungspoIitische Denken Europas reicht heute nicht über den Wunsch hinaus: Rückkehr zur Goldwährung. Das ist durchaus begreiflich, denn die Goldwährung hat bisher im großen und ganzen befriedigend funktioniert; sie hat zwar nicht das unerreichbare Ideal der Unveränderlichkeit des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes gewährleistet, aber sie hat das Geldwesen freigehalten von dem Einfluß der Regierungen und wechselnder politischer ZielsetZ'Ungen. Doch das System der Goldwährung war schon vor dem Kriege untergraben. Die Verdrängung des Goldes aus dem körperlichen Gebrauch bei den einzelnen Umsätzen und die Vereinigung der Goldbestände in den Kellern der großen Notenbanken hat den Anfang gemacht. Der nächste Schritt war, daß eine Reihe von Staaten dazu überging, die Goldreserven der Zentralnotenbanken oder der ihre StelJe vertretenden Konversionskassen nicht in effektIvem Gold, sondern in Goldforderul1gen verschiedener Art auf das Ausland zu halten. So kam es, daß der Großteil der monetären Zwecken dienenden Goldvorräte nach und nach bei einigen wenigen großen Notenbanken vereinigt wurde; diese Banken wurden so zu Zentralreservebanken der Welt, wie früher die Zentralnotenbanken zu Zentralv. Mises, Theorie des Geldes. 2. Aufl.
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reservebanken der einzelnen Länder geworden waren. Der Krieg hat diese Entwicklung nicht hervorgerufen, er hat sie nur ein wenig beschleunigt. Es ist auch heute noch nicht so weit gekommen, daß alles neuproduzierte Gold, das nicht in die industrielle Verwendung übergeführt wird, ein er Stelle zufließt. Noch verfügen die Bank von England und die Zentralnotenbanken einiger anderer Staaten über große Goldvorräte, noch nehmen einige von ihnen Teile der jährlichen Golderzeugung auf. Doch die Preisbewegung des Goldes ist heute in entscheidender Weise abhängig von der Politik, die der federal Reserve Board verfolgt. Würden die Vereinigten Staaten das Gold nicht in dem Umfange aufnehmen, in dem sie es heute tun, Idann würde der Goldpreis fallen und die Goldpreise der Waren würden steigen. Weil, solange der Dollar eine feste Ooldmenge darstellt, die Vereinigten 'Staaten dem überschüssigen Golo Zutritt lassen und Waren für Gold unbegrenzt hergeben, ist ein schnelles Sinken des Goldpreises bisher vermieden worden. Doch diese PoHtik der Vereinigten Staaten, die mit beträchtlichen Opfern verbunden ist, könnte eines Tages geändert werden. Dann würden Veränderungen des Goldpreises vor sich gehen, die in allen anderen Goldländern die frage entstehen lassen müßten, ob es nicht vorteilhafter wäre, zur Vermeidung weiterer Preissteigerungen die Währung vom Gold loszulösen. So wie es Schweden vorübergehend versucht hat, durch Schließung der Münzstätten für das Gold die schwedische Krone über ihre alte Goldparität hinaus zu heben, so könnten dies auch die anderen Länder machen, die heute no'Ch an der Goldwährung festhalten oder die Absicht haben, zu ihr zurückzukehren. Das würde einen weiteren Sturz des Goldpreises bedeuten und die Verwendbarkeit des Goldes für monetäre Zwecke weiter herabsetzen. Wenn man von dem Goldbedarf Asiens absieht, könnte man heute schon ohne allzu starke Übertreibung sagen, daß das Gold aufgehört habe, eine Ware zu sein, deren Preisbewegung unabhängig sei von Regierungseinflüssen. Die Bewegung des Goldpreises ist heute wesentlich abhängig von dem Verhalten einer Regierung, nämlich der der Vereinigten Staaten von Amerika 1. Das, was an diesem Ergebnis einer langen Entwicklung nicht vorauszusehen gewesen war, ist allein der Umstand, daß es bloß eine Regierung sein wird, von, deren Politik die Bewegung des Gold1
Vgl. Keynes, A Tract on Monetary Reform, London 1923, S. 163ff.
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preises in Abhängigkeit geraten wird. Daß die Vereinigten Staaten in einer solchen Weise ein wirtschaftliches Übergewicht iiber die anderen Länder erlangen würden, wie sie es heute haben, und daß sie allein von den Wirtschaftsgroßstaaten bei der Goldwährung verbleiben werden, wenn die anderen - England, frankreich, Deutschland, Rußland usf. - sich zumindest vorübergehend vom Golde abgekehrt haben werden, das ist eine folge der Kriegsereignisse. Doch die Sache würde nicht wesentlich anders stehen, wenn nicht die Vereinigten Staaten allein, sondern neben ihnen noch vier oder fünf andere Regierungen durch ihre Politik den Goldpreis maßgebend beeinflussen würden. Das haben die freunde der Goldkernwährung übersehen, die sie als allgemeine Währungseinrichtung, nicht bloß als ein Auskunftsmittel für arme Länder, empfohlen haben. Sie haben nicht beachtet, daß die Goldkernwährungl am Ende dazu führen muß, daß dem Gold die wichtigste Eigenschaft genommen wird, die ihm in geldwertpolitischer Hinsicht zukam, die Unabhängigkeit seiner Wertbewegung von den Einflüssen regierender Staatsmänner. Man hat die Goldkernwährung nicht vorgeschlagen und propagiert, um das Gold zu entthronen. Ricardo wolltt nur die Kosten des Gelddienstes herabmindern. In manchen Ländern, die seit dem letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts von der Silber- oder von der Kreditgeldwährung abgehen wollten, soUte die Annahme der Goldkernwährung anstatt der Goldwährung mit effektivem Goldumlauf auch verhindern, daß die Entstehung einer neuen Nachfrage nach Gold zu einem Steigen des Goldpreises und einern Rückgang der Goldpreise der Waren führe. Doch welches immer auch die Absichten gewesen sind, die die Verfechter der Goldkernwährung geleitet haben, an dem Ergebnis, das ihre Verbreitung hatte, kann nicht gezweifelt werden. Wird an der Goldkernwährung festgehalten, so muß sich über kurz oder lang die frage aufwerfen, ob es nicht vorteilhafter sei, an Stelle einer Goldkernwährung eine Zeichengeldwährung zu setzen, deren Preisbewegung man besser kontrollieren kann als die des Goldes. Denn wenn schon die Bewegung des Goldpreises in entscheidender Weise abhängig ist von politischen Eingriffen, so ist nicht abzusehen, warum man nicht der Politik ganz freie Hand lassen soll, warum man sie noch einigermaßen beschränken soll, wenn das Ausmaß dieser Beschränkung nicht ausreicht, die preispolitische Willkür in engen Grenzen zu halten. Die Kosten, wie die Be26*
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schaffung neuen Goldes der ganzen Welt auferlegt, könnten gespart werden, da sie nicht mehr den Erfolg sichern, das Geldwesen VOll Regierungseingriffen unabhängig zu machen. Will man das vermeiden, dann bleibt nur ein Ausweg übrig: man muß versuchen, von der Goldkernwährung wieder zum effektiven Goldgebrauch zurückzukehren.
§ 10. Die Rückkehr zum effektiven Gebrauch von Gold müßte Begleiterscheinungen auslösen, die man kaum mit Freude begrüßen wird. Sie wird ZU einem Ansteigen des Goldpreises oder, was dasselbe ist, zu einem Rü,ckgang der Warenpreise führen. Daß, und warum dies allgemein niJcht gewünscht ist, wurde schon ausgeführt. Man kann mit Sicherheit erwarten, daß diese Preisruckgänge ebensoviel Unzufriedenheit auslösen werden wi,e die Preissteigerungen, die der Prozeß der Verdrängung des Goldes aus dem Verkehr ausgelöst hat. Und es gehört wohl nicht allzu viel Scharfsinn dazu, um schon heute vorauszusagen, daß man bald wieder die Goldwährung beschuldigen wird, den schlechten Geschäfts'gang herbeigeführt zu haben. Wieder wird man der Goldwährung vorwerfen, daß sie die Preise drücke und den Zinsfuß in die Höhe treibe. Und wieder wird man Vors,chläge machen, die darauf abzielen, die Goldwährung irgendwie zu "mildern". Ungeachtet aller dieser Bedenken muß die Frage, ob es nicht rätlich sei, zur effektiven Goldwährung zurückzukehren, ernst erwogen werden. Zugunsten der Abkehr von der Goldkernwährung und für die Wiedereinführung des effektiven Goldgebrauches spricht schon die Notwendigkeit, die Wj,ederkehr der Inflationspo1itik wenn nilcht ganz unmöglich zu machen, so doch wesentlich zu erschweren. Der geldpolitische Etatismus hat in den letzten Jahrzehnten den effektiven Goldumlauf einzuschränken gesucht, weil er durch Konzentration der Goldbestände bei der Zentralnotenbank ohne Beseitigung der geltenden Bankgesetze Inflation zu treiben versuchite, weil er einen Kriegsschatz anlegen wollte und weil er die Bevölkerung des Gebrauches der Goldmünzen entwöhnen wollte, um Raum zu schaffen für die Inflationspolitik des kommenden großen Krieges. Es ist wahr, man wird weder Kriege noch Inflation verhindern können, wenn man diesen Bestrebungen entgegentritt. Der Vorschlag Kants, die Aufnahme von Staatsschulden für die Zwecke der
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Kriegführung zu untersagen 1, ist recht naiv, und es wäre noch naiver, in dieses Verbot auch die Ausgabe von Kreditgeld einzubeziehen. Den Krieg kann nur der liberale Gedanke bekämpfen, der in jedem Krieg nichts sieht als Zerstörung und Vernichtung, der nie einen Krieg herbeiführen will, weH er au<:h den Sieg für den Sieger als schädlich ansieht. Soweit der Liberalismus herrscht, wird es nie Krieg geben. Wo aber andere Anschauungen über Nutzen und Schaden der Kriegführung bestehen, kann man das Kriegführen nicht durch listig ersonnene Vorschriften unmöglich machen. Wenn man den Krieg für nützlich erachtet, dann wird man sich durch Gesetze, die das Geldwesen des Landes regeln, nicht abhalten lassen, Krieg zu führen. Dann wird jeder Krieg am ersten Tage alle Gesetze hinwegfegen, die ihm im Wege stehen, wie 1914 alle kriegführenden Staaten ihre ganze Währungsgesetzgebung umgestellt haben, ohne daß sich auch nUr ein Wort des Widerspruches hervorgewagt hätte. Es wäre sinnlos, künftiger Kriegspolitik durch die Währungsgesetzgebung entgegentreten zu wollen. Dennoch kann mall zugestehen, daß das Argument" der Kriegserschwerung nicht achtlos beiseite geschoben werden darf, wenn die Frage erörtert wird, ob man in Zukunft auf effektiven Goldumlauf im Innern eines Staates verzichten darf oder nicht. Wenn sich die Bevölkerung an den Gebrauch effektiven Goldes im täglichen Verkehr gewöhnt haben wird, wird sie der Inflationspolitik immerhin mehr Widerstand entgegensetzen, als es die Völker Europas 1914 getan haben. Es wird den Regierungen nicht so leicht möglich sein, die Rückwirkungen der Kriegführung auf das Geldwesen abzuleugnen, sie werden eher genötigt sein, Ihre Kdegspolitik zu rechtfertigen. Die Aufrechterhaltung einer effektiven Goldzirkulation wird den eilnzelnen Völkern beträchtliche Kosten auferlegen und wird zunächst zu einer allgemeinen Preissenkung führen; darüber besteht wohl kein Zweifel. Dennoch wird man alle diese Nachteile mit in Kauf nehmen müssen, wenn man an die Verfassung des Geldwesens andere Anforderungen stellt als die, als Vorbereitung für Krieg, Revolution und Zerstörung zu dienen. Von diesem Gesichtspunkt aus hätte man die Frage zu untersuchen, wie man sich zum Problem der Notenstückelung zu stellen hätte. Spricht man ein Verbot aus, Notenabschnitte auszugeben, die 1
Vgl. K a n t, Zum ewigen frieden (Werke, Insel-Ausgabe, V. Bd.) S. 661 f_
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nicht wenigstens ein Mehrfaches der kleinsten Goldmünzen ausmachen, dann müssen im Gebrauch des täglichen Lebens Goldmünzen Verwendung finden. Das könnte am besten durch einen internationalen Währungsvertrag erfolgen. Der Beitritt zu diesem Vertrag könnte durch Strafzölle unschWer erzwungen werden.
§ 11. Die Erfahrungen der letzten Jahre lassen Fragen wieder aufleben, die man längst für endgültig entschieden anzusehen pflegte. Es geht nicht länger an, das Problem der Bankfreiheit als vollkommen erledigt zu betrachten, wie man es wohl seit Jahrzehnten getan hat. Böse Erfahrungen mit Banknoten, die wertlos geworden waren, weil sie nicht eingelöst wurden, haben zur Beschränkung des Notenausgaberechtes auf einige wenige privilegierte Anstalten geführt. Doch die Erfahrungen, die man mit der staatlichen Reglementierung des Notenbankwesens gemacht hat, sind unvergleichlich ungünstiger als es die waren, die man mit der Bankfre1heit gemacht hat. Was bedeuten alle Zusammenbrüche von Noten- und Girobanken, die die Geschichte kennt, wenn man sie dem Ausgang des deutschen Notenbankwesens gegenüberhält? Alles, was gegen das System der Bankfreiheit vorgebracht wurde, verblaßt gegenüber dem, was heute gegen das System der staatlichen Regelung des Notenbankwesens einzuwenden ist. Die etatistischen Argumente, die seinerzeit gegen die Freiheit der Notenausgabe vorgebracht wurden, haben für uns alles Gewicht verloren; wie überall, so hat auch auf dem Gebiete des Bankwesens der Etatismus versagt. Die Dämme, die die liberale Gesetzgebung des 19. J ahrhunderi's aufgerichtet hat, um das Notenbankwesen gegen Mißbräuche durch den Staat sicherzustellen, haben sich als zu schwach erwiesen. Nichts war leichter, als skh über alle gesetzlkhen Bestimmungen, die zum Schutze der Währungseinrichtung geschaffen worden waren, hinwegzusetzen. Jede Regierung, auch die unfähigste und die schwächste, hat es ohne Schwierigkeiten getroffen. Die Bankpolitik hat das herbeigeführt, was man durch die Goldwährung vermeiden wollte: die Abhängigkeit des Geldwertes von den Einflüssen der politischen Mächte. Und die Regierungen haben von der Macht, die sie an sich gezogen haben, den denkbar schlechtesten Gebrauch gemacht. Dennoch kann man nicht ohne weiteres die Behauptung aufstellen, daß es bei voller Bankfreiheit anders hätte kommen müssen oder können, wenn die übrigen politischen und ideologischen Voraussetzungen nicht andere gewesen wären.
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Nehmen wir an, in Europa hätte in den letzten zwei Menschenaltern vor Ausbruch des Weltkrieges überall Bankfreiheit geherrscht. Die Banknoten wären nirgends gesetzliches Zahlungsmittel geworden. Jedermann hätte sich daran gewöhnt, die Noten nicht nur auf ihre Echtheit, sondern auch auf ihre Güte zu prüfen und Noten unbekannter Banken zurückzuweisen. Doch die Noten bekannter großer Bankinstitute wären im Verkehr ebenso anstandslos von Hand zu Hand gewandert wie die Noten der großen Zentralnotenbanken in der Zeit, als für sie keine gesetzliche Annahmepflicht galt. Da die Gefahr eines Weltbankenkartells nicht bestand, hätten die Banken schon im Hinblick auf die Notwendigkeit, ihre Noten stets bar einzulösen, nicht in die Lage kommen können, allzu starke Versuche zu machen, durch niedrigeren Zinsfuß ihre Emission zu sehr auszudehnen. Zumindest wären die Übel, die von dieser Seite zu befürchten sind, nicht in stärkerem Maße aufgetreten als unter dem System der gesetzlichen Reglementierung des Notenbankwesens. Das System hätte also bis. zum Ausbruch des Krieges nicht besser und nicht schlechter gearbeitet als jenes, das in Kraft stand. Das aber, worauf es ankommt, ist die Frage, ob es nach, dem 28. Juli 1914 besser standgehalten hätte. Diese Frage muß man wohl verneinen. Gerade so wie die Regierungen der kriegführenden und auch der neutralen Staaten mit einem Federstrich die ganze Bankgesetzgebung umwarfen, hätten sie auch vorgehen können, wenn Bankfreiheit geherrscht hätte. Sie hätten gar nicht zur Ausgabe von Staatsnoten zu greifen gebraucht. Man hätte einfach "die Banken verpflichtet, dem Staate Darlehen zu gewähren und sie durch Suspension der Barzahlungspflicht und Zwangskurs der Noten in die Lage versetzt, solche Darlehen zu gewähren. Einige technische Nebenfragen wären anders zu lösen gewesen, die Wirkung aber wäre dieselbe gewesen. Denn das, was die Regierungen instand setzte, das Bankwesen zu zerstören, waren nicht technische, juristische oder volkswirtschaftliche Mängel der Bankverfassung, sondern die Macht, die ihnen die Kriegs- und Staatsideologie verlieh. Sie konnten das Geldwesen unter ihre Herrschaft bringen, weil die öffentliche Meinung ihnen dazu das' moralische Recht gab. "Not kennt kein Gebot", war der Grundsatz, mit dem alle Regierungen - nicht nur die deutsche, die wegen der Offenheit, mit der sie sich zu diesem Satz bekannte, viel geschmäht wurde - alles zu entschuldigen vermochten, was sie unternahmen.
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Einen wenn auch nur einigermaßen wirksamen Schutz gegen künftige etatistische Mißbräuche des Bankwesens könnte, wie schon ausgeführt, höchstens das Verbot der kleinen Notenabschnitte geben. Also nicht Bankfreiheit, sondern gerade ein Eingriff in die Freiheit der Notenausgabe. Es wäre freilich durchaus möglich, abgesehen von diesem einen Verbot, die Notenausgabe im übrigen von allen gesetzlichen Beschränkungen und natürlich auch von allen gesetzlichen Privilegien (gesetzliche Zahlkraft der Noten) freizulassen. Docb der Bankfreiheit an sich kann man nicht die Eigenschaft zuschreiben, die Wiederkehr arger Inflationspolitik unmöglich zu ;machen. Die Gründe, die, abgesehen von dem Moment der finanziellen Kriegsbereitschaft, zugunsten der Zentralisierung, Monopolisierung und staatlichen Beaufsichtigung der Notenbanken im besonderen und der Umlaufsmittelbanken im aIlgemeinen angeführt werden, sind durchaus unstichhaltig. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Bankliteratur so stark in handelstechnische Einzelheiten verloren, sich so weit von allen nationalökonomisehen Erwägungen entfernt und sich so ganL unter den Einfluß plattester etatistischer Argumentation begeben, daß man auf die Ideen, die die Bankliteratur und Politik vor zwei und drei Menschenaltern beherrscht haben, zurückgreifen muß, wenn man die Beweggründe kennenlernen will, die gegen die Bankfreiheit sprechen sollen. Die Reglementierung des Notenbankwesens sollte den armen und unwissenden Mann aus dem Volke, den geschäftsunkundigen und geschäftsfernen Arbeiter, Angestellten, Beamten, Landwirt davor schützen, durch Bankenzusammenbrüche Verluste zu erldden. Der kleine Mann soll nicht genötigt werden, Noten zu empfangen, deren Wert zu überprüfen er nicht imstande ist. Es genügt, dieses Argument nur anzuführen, um zu zeigen, daß es ganz kraftlos ist. Keine Bankpolitik 'hätte dem kleinen Mann mehr Schaden zufügen können als die etatistische der letzten Jahre. Das Argument aber, das man damals für das entscheildende hielt, war der Gesichtspunkt der Currencytheorie. Alle Notenausgabe, die nicht voll durch Gold bedeckt ist, erscheint als gefährlich. Man muß sie beschränken, um der Wiederkehr der Wirtschaftskrisen vorzubeugen. Über die grunds'ätzliche Bedeutung der Lehre der Currencytheorie und darüber, ob die Mittel, die die Currencyschule vorgeschlagen hat, wi·rksam sein konnten, wirksam waren und noch wirksam sein könnten, ist an dieser Stelle nichts mehr nachzuholen. Wir
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konnten bereits feststellen, daß alle jene Gefahren, die die Currencytheorie im Auge hat, nur bestehen, wenn die Umlaufsmittelbanken nicht nur eines Landes, sondern der Welt einheitlich vorgehen. Diese Einheitlichkeit wird aber durch die Monopolisierung des Notenbankwesens in jedem einzelnen Staat nicht nur nicht erschwert, sondern im Gegenteil wesentlich erleichtert. Das Argument, das man in den letzten Jahrzehnten vor dem Krieg gegen die Bankfreiheit entscheiden ließ, ist dem, das die Currencytheoretiker vertraten, durchaus entgegengesetzt. Man wollte di·e Bank vom Staat beherrscht sehen, weil man gerade durch künstliche Mittel den Zinsfuß im Lande unter jenes Niveau herabdrücken wollte, das die notwendige Rücksichtnahme auf die Einlösungsmöglichkeiten bei völ1iger Bankfreiheit verlangt hätte. Man hat sich bestrebt) die Bareinlösungspflicht, die den Grundstein alles Umlaufsmittelbankwesens ausmacht, möglichst illusorisch zu machen. Alle jene kleinen, doch in ihrem Zusammenwirken immerhin vorübergehend nicht ganz wirkungslosen Mittel, die man in dieser Zeit als Bankpolitik zu bezeichnen pflegte, zielten dahin ab. Die Notwendigkeit der Diskonthinaufsetzung doch irgendwie zu vermeiden, das war das Um und Auf der Bankpolitik der letzten Jahrzehnte. Man war bestrebt, alle jene natürlichen und gesetzlich geschaffenen Hindernisse zu umgehen, die der Herabsetzung des Bankzinsfußes unter das Niveau des natürlichen Zinsfußes entgegenstehen. Um die Notwendigkeit der Diskontpolitik herumzukommen, das war die Sehnsucht aller Bankpolitik, ein Wunsch, der ihr freilich erst erfüllt werdei: konnte, als der Ausbruch des Krieges der Inflation freien Lauf gegeben hatte. Eine von der etatistis.chen Vorliebe für Verbote und Gebote freie Untersuchung der Gründe, die für und gegen die staatliche Reglementierung des Notenbank- und des gesamten Umlaufsmittelbankwesens sprechen, gelangt zu keinem anderen Ergebnis als zu dem, zu dem einer der letzten Verteidiger der Bankfreiheit gelangt ist: "Es besteht nur eine der Zettelausgabe eigentümliche Gefahr: sie von der Gemeinverpflichtung befreit zu sehen, welche erheischt, daß jeder Unterzeichner einer Verbindlichkeit streng verhalten wird, sie zu jeder Zeit und an allen .orten zu erfüllen. Diese Gefahr ist unendlich größer und drohender unter dem System des Monopols" 1. 1
Vgl. Horn, Bankfreiheit, Stuttgart 1867, S. 376f.
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§ 12. Je mehr die Erkenntnis, daß die Schwankungen der allgemeinen Gesch:äftskonjunktur aus den Verhältnissen der Umlaufsmittelpolitik der Banken zu erklären sind, wieder an Boden gewinnt, d~to eifriger sucht man nach einem Wege, auf dem man dazu gelangen könnte, den Wechsel von Wellenberg und Wellental im Wirtschaftsleben auszuschalten. Die Currencyschule wollte die periodische Wiederkehr von allgemeinen Wirtschaftskrisen dUTch Begrenzung der Höchstmenge der nicht metallisch bedeckten Banknoten erreichen. Es liegt nahe, die Lücke, die die Theorie der Currencyschule nicht bemerkt und ihre Politik daher offen gelassen hatte, durch Begrenzung der gesamten Umlaufsmittelausgabe, nicht nur der durch Ausgabe von Banknoten vor sicb gehenden, zu schließen. Dann wären die Umlaufsmittelbanken nicht mehr in der Lage, durch Unterbieten des natürlichen Zinssatzes neue Umlaufsmittelmengen in den Verkehr zu leiten und damit zunächst eine Scheinblüte der Geschäfte hervorzurufen, auf die dann unausbleiblich der Zusammenbruch, die gefürchtete Wirtschaftskrise, folgen muß. Ob man skh zu dieser einschneidenden Maßregel entschließen wird, dürfte voraussichtlich von der Gestaltung abhängen, die die UmlaufsmittelpolitIk der Banken überhaupt und besonders die der großen Zentralnotenbanken in der nächsten Zeit annehmen wird. Es wurde schon gezeigt, daß eine einzelne Bank und auch die Gesamtheit der Banken eines oder selbst mehrerer Länder allein nicht imstande sind, ihre Umlaufsmittelausgabe zu erweitern, wenn di'e übrigen Banken nicht mitgehen. Daß diese stillschweigende Vereinbarung der Umlaufsmittelbanken der ganzen Erde nicht leicht und auch dann nur für ein gewisses, immerhin noch enges Ausmaß der Erweiterung der Kreditgewährung zustande kam, hat in den letzten Jahrzehnten den wirksamsten Schutz gegen allzu weit getriebene Ausschreitungen der Umlaufsmittelpolitik geboten. Es kann noch nicht erkannt werden, wie sich in dieser Hinsicht die Verhältnisse nach dem Weltkrieg gestalten werden. Sollte es den UmlaufsmitteIbanken leIchter geworden sein, ihre Zirkulation zu erweitern, dann wird man auf Maßregeln zur Einschränkung der Umlaufsmittelausgabe nicht ohne größte Gefahr für die Beständigkeit der wirtschaftHchen Arbeit verzichten können. In den Jahren, die dem Weltkrieg unmittelbar vorangingen, ist der innere objektive Tauschwert des Goldes ständig zurückgegangen. Seit 1895 ist das Warenpreisniveau ununterbrochen gestiegen. Diese
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Bewegung, die einerseits durch die Entwicklung der Goldproduktion, anderseits durch die Ausbreitung des Umlaufsmittelgebrauches zu erklären ist, hat nach Ausbruch des Krieges noch eine beträchtliche Verstärkung erfahren. Das Gold verschwand aus dem Umlauf einer Reihe von volkreichen Ländern und strömte in das schrumpfende Gebiet ab, in dem es noch weiter Gelddienst versah wie früher. Es war natürlich, daß dadurch die Tauschkraft des Goldes abnehmen mußte. Nicht nur in den Gebieten der Inflationspolitik, auch in den Gebieten, die beim Gold verblieben waren, stieg das Preisniveau. Wenn die Völker, die heute Papierwährung haben, wieder zum Goldgebrauch zurückkehren werden, wird das Gold im inneren objektiven Tauschwert steigen; die Goldpreise der Waren und Dienstleistungen werden sinken. Man kann das abschwächen, wenn man den zum Gold zurückkehrenden Währungen die Gestalt der Goldkernwährung gibt; ganz ausbleiben aber wird diese Rückwirkung der Wiederausbreitung des Geldgebrauches des Goldes kaum. Sie wird erst zum Stillstand kommen, bis alle Länder wieder die Goldwährung erhalten haben werden. Dann dürfte die seit nahezu drei Jahrzehnten andauernde Goldentwertung wieder ihren fortgang nehmen. Dieser Ausblick kann nicht besonders erfreulich sein. Es ist nicht zu verwundern, daß unter solchen Umständen die Aufmerksamkeit der Theoretiker und der Politiker sich mit besonderem Interesse einem Vorschlage zuwenden mußte, der nichts Geringeres im Auge hat als die Schaffung eines Geldes von möglichst unveränderlicher Kaufkraft. Der Grundgedanke von fishers Plan zur Befestigung der Kaufkraft des Geldes iJst die Ersetzung der Goldwährung durch die Warenwährung. Man hatte früher die Warenwährung zur Ergänzung der EdeImetallwährung vorgeschlagen. Die auf Geld lautenden, erst nach Ablauf einer gewissen Zeit fällig werdenden Verpflichtungen sollten entweder kraft allgemei.n verbindlicher gesetzlicher Bestimmungen oder kraft besonderer vertragsmäßiger Verabredungen zwischen den Parteien nicht in der Nominalsumme Geld, auf die sie lauten, zu tilgen sein, sondern mit jenem Geldbetrag, dessen Kaufkraft zur Zeit der Tilgung der Verbindlichkeit der Kaufkraft der entliehenen Summe zur Zeit der Entstehung' der Verpflichtung gleichkommt. Das Edelmetall sollte im übrigen also auch fernerhin in seiner Geldstellung belassen werden; nur als standard of deferred payments
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sollte der tabular standard gelten. Fisher aber will weiter gehen. Die Warenwährung soll die EdelmetaIlwährung nicht lediglich ergänzen, sie vielmehr überhaupt ersetzen. Dies soll durch eine geistreich ersonnene Verbindung des Grundgedankens der Goldkemwährung mit dem des tabular standard erreicht werden. . In der Goldkernwährung ist das im Verkehr umlaufende Geldsurrogat in Gold - oder auch in Golddevisen - einlösbar. Die Einlösung in Gold will auch Fisher beibehalten, doch sollen in seiner Konstruktion die umlaufenden Geldzeichen nicht mehr in einer bestimmten Gewichtsmenge Gold eingelöst werden, sondern in jener Goldmenge, die der Kaufkraft der Geldeinheit bei Einführung des Planes entspricht. Der Dollar - heißt es in dem von fisher ausgearbeiteten Gesetzentwurf für die Vereinigten Staaten - hört auf, eine feste Menge Gold mit veränderlicher Kaufkraft zu sein und wird zu einer veränderlichen Goldmenge mit unveränderlicher Kaufkraft. Von Monat zu Monat wird durch preisstatistische Erhebungen, die zur Errechnung einer Indexzahl verarbeitet werden, festgestellt, um wieviel die Kaufkraft des Dollars gegenüber dem Vormonat gestiegen oder gesunken ist. Danach wird dann die Goldmenge, die einem Dollar zu entsprechen hat, erhöht oder vermindert. Gegen diese Goldmenge ist von der Einlösungsstelle der Dollar einzulösen, und für diese Goldmenge hat sie einen Dollar jedermann, der es verlangt, auszufolgen. fishers Plan ist großartig und! einfach zugleich. Es muß zunächst sofort festgestellt werden, daß er in keiner Weise etwa von fishers eigentümlicher Geldtheorie abhängig ist, deren Unzulänglichkeit in den entscheidenden Punkten schon erwähnt wurde 1. Wir wollen vorerst darauf verzichten, in der Besprechung des fisherschen Planes noch einmal alle jene Bedenken geltend zu machen, die gegen die wissenschaftliche Korrektheit der Indexzahlen und gegen ihre praktische Verwertbarkeit zur Ausschaltung der von den Geldwertveränderungen ausgehenden Umgestaltung langfristiger Verträge sprechen 2. In fishers Plänen soll die Indexzahl dazu 1 Vgl. oben S. 125f. Auf diese Unabhängigkeit weist auch fi s her besonders hin (Stabilizing the Dollar, New Vork 1920, S. 90) und ebenso stellt sie Anderson fest, der in seinem Buch "The Value of Money" (a. a.O.) die schärfste Kritik der fisherschen Ausgestaltung der Quantitätstheorie gegeben hat. Vgl. Anderson, The fallacy of .The Stabilized Dollar", New Vork 1920, S. 6f. S Vgl. oben S. 170 ff. und 184 f.
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dienen, von Monat zu Monat die Veränderungen in der Kaufkraft der Geldeinheit festzustellen. Wir wollen annehmen, daß für die Ermittlung der Bewegung des Geldwertes in kleinsten Zeiträumen - und als kleinster Zeitraum kommt hier gewiß der Monat in Bedie Indexzahl mit einer für praktische Zwecke hinrekhentracht den Genauigkeit immerhin noch herangezogen werden könnte. Doch auch wenn wir dies zugeben wollten, werden wir zeigen können, daß die Durchführung des fisherschen Planes keineswegs dazu führen könnte, die sozialen Begleiterscheinungen der Geldwertveränderungen zu beheben. Bevor wir jedoch darauf eingehen, ist es am Platze zu zeigen, welche Anforderungen die Durchführung des Vorschlages an die Praxis des Geschäftsmannes stellt. Wer der Meinung ist, daß die Wirkungen der Geldwertveränderungen auf langfristige Kreditgeschäfte durch die Gestaltung des Zinsfußes ausgeschaltet werden, der müßte die Durchführung der I ndexwährung zur Ergänzung der Goldwährung als überflüss~g bezeichnen. Das ist jedoch ganz gewiß gegenüber Jangsamer vor sich gehenden Geldwertveränderungen, die weder in ihrem Ausmaß noch auch in ihrer Richtung vorausgesehen werden können, nicht der fall; die Entwertung des Goldes, wie sie seit der Mitte des letzten Jahrzehnts des 19. Jahrhunderts eingetreten ist, hat kaum einen Ausdruck in der Gestaltung des Zinsfußes gefunden. Die Durchführung der Indexwährung für langfristige Kreditgeschäfte -- wobei für Verträge die Entscheidung über die Anwendung der Indexrechnung dem Übereinkommen der Parteien zu überlassen wäre könnte mithin, wenn es möglich wäre, das Problem der Messung der Geldwertveränderungen befriedigend zu lösen, durchaus nicht als überflüssig bezeichnet werden. Die technischen Schwierigkeiten, die ihr entgegenstehen, sind allerdings so groß, daß sie nicht gelöst werden können. Die wissenschaftliche Unzulänglichke~t der Methode der Indexzahlen macht es unmöglich, eine korrekte und daher allgemein anerkannte Berechnungsart zu finden. Welche von den vielen möglichen Methoden, die alle vom Standpunkt der Erkenntnis gleich unzulänglich sind, zur Ermittlung der Indexzahl gewählt wird, ist Willkür. Da nun jede Methode ein anderes Ergebnis bringt, werden Schuldner und Gläubiger über sie verschiedener Ansicht sein. Die verschiedenen Lösungen, die das Gesetz oder die Verwaltungstätigkeit der mit der Ermittlung der Indexzahl betrauten Stellen jeweils _0
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für die auftauchenden Probleme finden werden, wird eine Quelle neuer Ungewißheit in langfristigen Kreditgeschäften sein, einer Ungewißheit, die die Grundlage der Kreditgeschäfte vielleicht stärker erschüttern könnte als die Goldwertveränderungen. Soweit die fisherschen Vorschläge die langfristigen Kreditgeschäfte betreffen, gilt all dies auch von ihnen. Soweit sie die kurzfristigen Kreditgeschäfte betreffen, ist zu beachten, daß in diesen auch unter der gegenwärtigen Verfassung des Geldwesens die künftigen Bewegungen des Geldwertes berücksichtigt werden. Die Rücksichtnahme auf die Geldwertveränderungen bei langfristigen Kreclitgeschäften scheitert an der Unmöglichkeit, Richtung und Ausmaß der Bewegung für längere Zeiträume auch nur mit einiger Gewißheit vorauszuerkennen. für kürzere Zeiträume, für Wochen und wenige Monate, ist die Bewegung des Warenpreisniveaus doch einigermaßen im voraus erkennbar; sie findet daher in allen Geschäften, dre mit einer Kreditgewährung auf kurze frist verbunden sind, Berücksichtigung. Der Zinssatz des Geldmarktes, wie der Markt für kurzfristige Anlagen genannt wird, bringt die Meinung der Geschäftswelt über di.e bevoI:Stehenden Veränderungen der Warenpreise zum Ausdruck; er steigt, wenn mit Preissteigerungen, er fällt, wenn mit Preissenkungen zu rechnen ist. Dort, wo der Zins in den Geschäftsvereinbarungen offen auftritt, wird es keine besondere Schwierigkeit bereiten, nach Durchführung der fishersehen Vorschläge die erforderliche Umstellung der Geschäftstechnik \'orzunehrnen; es wird zur Anpassung an die neuen Verhältnisse genügen, in Zukunft im Zinssatz die Rücksichtnahme auf die Veränderungen des Warenpreisniveaus entfallen zu lassen. Etwas verwickelter liegen die Dinge bei jenen Geschäften, bei denen der Geldzins nicht offen auftritt, vielmehr in einer anderen Vereinbarung enthalten ist. Wir wollen dies am Beispiel des Kreditkaufes erörtern. Wir wollen dabei annehmen, daß in einem Zeitabschnitt von fünf aufeinanderfolgenden Monaten die Indexzahl jeden Monat in arithmetischer Reihe um 1 % der Indexzahl des ersten Monates steigt. (Siehe Seite 415.) Wer im februar Waren auf drei Monate Ziel gekauft hat, müßte im Mai mit jedem Dollar 4,8 Hundertstel Gramm feingold mehr zurückzahlen, als in den Dollars enthalten war, in denen er das Geschäft abgeschlossen hat. In dem Kaufgeschäft, das er im februar
Probleme der Umlaufsmittelpolitik. Feingoldmenge, mit der der Dollar eingelöst wird, in Hundertstel Gramm
Monat
Indexzahl
I
100
160
11 III IV
101 102 103 104
161,6 163,2 164,8 166,4
V
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geschlossen hat, hat die erwartete allgemeine Preissteigerung bereits ihre Berücksichtigurig gefunden; in dem Kaufprejs, der ausbedungen wurde, kam die Ansicht, die Käufer und Verkäufer von der Preisgestaltung der nächsten Zukunft hegen, bereits zum Ausdruck. Nun, da der Kaufpreis durch Zahlung der ausbedungenen Summe Dollar zu tilgen ist, soll diese Preissteigerung cin zweites Mal berücksichtigt werden. Das geht wohl nicht an. Es wird mithin eine Umgestaltung des Verfahrens beim Abschluß von Kreditkäufen und verwandten Kreditgeschäften eintreten müssen. Wer unter den Verhältnissen reiner Goldwährung im Januar eine Ware auf drei Monate Ziel um 105 Dollar kauft, wird nach Einführung der Indexwährung nur die zu erwartenden Bewegungen des Goldwertes anders zu berücksichtigen haben, als er es vorher getan hat, um nicht teuerer zu kaufen, als er um Golddollar gekauft hätte. Nimmt er diese Veränderungen des Goldwertes richtig mit 3 Dollar an, dann hätte er nur
16~6~,~05
=
101,94 DolJfar als
Kaufpreis zu vereinbaren. Für den Gebrauch des Geschäftsverkehres wird durch das Fishersche Projekt eine andere Technik erforderlich; man kann nicht einmal behaupten, daß sie einfacher wäre als die bei reiner Goldwährung erforderliche. Nacb wie vor müssen Käufer und Verkäufer die Veränderungen im allgemeinen Warenpreisniveau wie die besonderen Veränderungen des Preises der den Gegenstand ihrer Geschäftsspekulation bildenden Waren erfassen; nur das Verfahren, in dem sie das Ergebnis ihrer spekulativen Mcinung verwerten, ist nun ein anderes. Damit kann man erkennen, was das Fishersche System für die sozialen Begleiterscheinungen der Geldwertveränderungen bedeutet, die sich bei Kreditges'chäften ergeben. Für die langfdstigen Kreditgeschäfte, für die es nichts anderes bringt als das ältere, wiederholt erörterte und wegen seiner Mängel niemals durchgeführte
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System des tabular standard, der die Edelmetallwährung ergänzenden Warenwährung, ist es wegen der grundsätzlichen Unzulänglichkeit der Methode der Indexzahlen undurChführbar. für die kurzfristigen Kreditgeschäfte, bei denen die Geldwertveränderungen ohnehin schon berücksichtigt werden, ist es überflüssig. Doch die sozialen Begleiterscheinungen der Geldwertveränderungen kommen noch aus einer zweiten Quelle: aus der Tatsache, daß die Veränderungen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes nicht gleichzeitig und nicht durchaus gleichmäßig allen Waren und Dienstleistungen gegenüber zum Ausdruck gelangen. Gegen diese folgen der Geldwertveränderungen bringt der fishersche Vorschlag keine Abhilfe, wie denn fisher von dieser Quelle sozialer Begleiterscheinungen der Geldwertveränderungen überhaupt nicht spricht und ihre sozialen Wirkungen allein in der Rückwirkung auf die auf Geld lautenden Schuldverhältnisse erblickt. In der Indexzahl kommt der in irgendeiner Weise errechnete Durchschnitt der Preisänderungen zum Ausdruck. Es gibt Preise, deren Bewegung stärker, und solche, deren Bewegung schwächer war als die errechnete Durchschnittsveränderung; es gibt auch solche, die sich in entgegengesetzter Richtung verändert haben. Alle, die diese Waren mit der vom Durchschnitt abweichenden Preisgestaltung zu Markte bringen oder vom Markte nehmen, werden in der Weise durch die Bewegung des inneren objektiven Tauschwertes des Goldes berührt, die im sechsten Kapitel des zweiten Buches (§§ 3 und 4) dargestellt wurde, ohne daß es die Anpassung des Dollarwertes an die in der Indexzahl ausgedrückte Durchschnittsbewegung der Warenpreise zu beheben imstande wäre. Es wird bei der Goldwertverringerung Personen geben, die dadurch begünstigt werden, daß die Preissteigerung bei den Waren, dIe sie zu Markte bringen, früher eintritt als bei den Waren, die sie kaufen müssen; und es wird andererseits wieder Personen geben, die dadurch zu Schaden kommen, daß sie die Waren, die sie erzeugen und verkaufen, noch zu den niedrigeren, den alten Verhältnissen entsprechenden Preisen abgeben müssen, wogegen sie ihren Bedarf schon zu den höheren Preisen decken müssen. Auch die Durchführung des fisherschen Vorschlages könnte nicht bewirken, daß die Veränderungen des Gel'dwertes gleichzeitig und gleichmäßig allen übrigen wirtschaftlichen Gütern gegenüber eintreten. Die sozialen Begleiterscheinungen der Geldwertveränderungen
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könnten auch durch die Annahme und Durchführung der von Fisher vorgeschlagenen Reform nicht behoben werden.
§ 13. Die Erörterung des Vorschlages von Irving Fisher zeigt uns auch, zu welchem Ende die Entwicklung führt, die das Geldwesen vom Golde wegführt. Man überschätzt in den Vereinigten Staaten und überhaupt in den angelsächsischen Ländern ganz außerordentlich die Bedeutung, die den Indexmethoden zukommt. Man sieht dort nicht, daß wissenschaftliche Genauigkeit aUen diesen Methoden mangelt, daß sie immer nur ein ziemlich rohes Ergebnis zutage zu fördern imstande sind und daß die Frage, ob die eine oder die andere Berechnungsart vorzuziehen sei, niemals mit wissenschaftlichen Mitteln gelöst werden kann. Es ist immer eine Frage des politischen Urteils, ob man die eine oder die andere Berechnungsart vorzieht. Man ist in einem schweren Irrtum befangen, wenn man glaubt, daß die von den Geldtheoretikern und von den Währungsstatistikern angegebenen Wege zu einem eindeutigen Ergebnis führen, das die auf den Indexmethoden aufgebaute Wertgestaltung eines Geldwesens von den politischen Entschließungen regierender Parteien unabhängig macht. Ein Geldsystem, bei dem die Bewegung des Geldwertes und der Warenpreise durch die aus der Preisstatistik errechnete Zahl kontrolliert wird, ist um kein Haar weniger abhängig von Regierungseinflüssen als irgendein anderes Geldwesen, auf dessen Wertbewegung die Regierung Einfluß zu nehmen vermag. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß die gegenwärtige Lage des Goldmarktes zu einer Entscheidung drängt zwischen zwei Möglichkeiten: Rückkehr zum effektiven Goldgebrauch nach Art der englischen Goldwährung des 19. Jahrhunderts oder Übergang zu einer Zeichengeldwährung mit Regulierung der Kaufkraft nach der Indexzahl. Die Goldkernwährung könnte nur dann als Grundlage künftigel Währungsgestaltung in Betracht kommen, wenn eine zwischenstaatliche Vereinbarung jedem Staate je nach seinen Kräften die Verpflichtung zur Haltung eines entsprechend großen Goldschatzes auferlegen würde. Goldkernwährung mit einem vorwiegend in Golddevisen angelegten Konversionsfonds ist als allgemeine Währungseinrichtung auf die Dauer nicht haltbar. Vor zwölf Jahren schloß die erste Auflage dieses Werkes mit einem Ausblick in die Zukunft des Geldes und der Umlaufsmittel. Die entscheidende Stelle di,eser Ausführungen lautet: v. Mi ses. Theorie des Oeldes. 2. Auf).
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"In der Gel'dwertpolitik hat sich der Grundsatz durchgekämpft, es müsse nach Möglichkeit jeder Eingriff vermieden werden. Die Umlaufs mittel sind in ihrem Wesen vom Gelde kaum verschieden, sie wirken auf dem Markte in der gleichen Weise als Geldangebot wie das echte Geld; die Veränderungen, die sich im U mlaufsmittelvorrat ergeben, beei,nflussen den inneren objektiven Tauschwert des Geldes ganz so wie jene, die sich im Geldvorrat ergeben. Mithin wäre es nur konsequent, wenn man auf dem Gebiet des Umlaufsmittelwesens ähnlichen Grundsätzen zum Durchbruch verhelfen wollte wie auf dem des Geldwesens, wenn man sich bestreben würde, auch hier nach Möglichkeit menschliche Beeinflussung des zwischen dem Geld und den übrigen wirtschaftlichen Gütern bestehenden Austauschverhältnisses auszuschalten. Die Möglichkeit, bei der Ausgabe von Umlaufsmitteln auch die zwischen den Gütern höherer und jenen niederer Güterordnungen bestehenden Austauschbeziehungen vorübergehend zu verschi,eben, und die unheilvollen Folgen, die sich an eine Divergenz des natürlichen Zinsfußes und des Geldzinsfußes knüpfen, müßten ebenfalls in derselben Richtung wirken. Es leuchtet ein, daß menschlicher Einfluß aus dem Umlaufsmittelwesen nicht anders ausgeschaltet werden kann als durch die Unterdrückung der weiteren Ausgabe von Umlaufsmitteln. Der Grundgedanke der Peelschen Akte müßte wieder aufgenommen und durch Miteinbeziehung der in Form von Kassenführungsguthaben ausgegebenen Umlaufsmittel in das gesetzliche Verbot der Neuausgabe in vollkommenerer Weise durchgeführt werden als dies seinerzeit in England geschah. "Auf den ersten Blick will es scheinen, als ob dIe Durchführung so radikaler Maßregeln notwendigerweise zu einem Steigen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes führen müßte. Das ist jedoch keineswegs der Fall. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die Goldproduktion und die Vermehrung der Umlaufsmittelausgaben durch die Banken in der Gegenwart das Wachsen des Geldbedarfs beträchtlich übersteigen, mithin zu einer beständigen Verringerung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes führen. In derselben Richtung wirkt unzweifelhaft auch die scheinbar einseitige Festsetzung der Preise durch die Verkäufer, deren geldwertverringernde Wirkung eingehend besprochen wurde. Die Klagen über allgemeine Teuerung, die seit Jahr und Tag nkht verstummen wollen, mögen als Bestätigung der Richtigkeit dieser Annahme, die statistisch weder bewiesen noch widerlegt werden kann, dienen. Eine Beschrän-
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kung des Anwachsens des Geldvorrates im weiteren Sinne müßte also noch nicht unbedingt zu einem Steigen der Kaufkraft der Geldeinheit führen; es ist möglich, daß ihre Wirkung lediglich in der völligen oder teilweisen Paralysierung einer Geldwertverringerung, die sich sonst vollzogen hätte, bestehen würde. "Es ist nicht ganz ausgeschlossen, daß die Geld- und Umlaufsmittelpolitik der Zukunft den Versuch unternehmen wird, dem weiteren Sinken des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes Einhalt zu tun. Breite Schichten der Bevölkerung: die Angestellten und di,e Arbeiter, empfinden die fortschTeitende 'Geldwertverringerung als ungerecht. Si'e würden gewiß für Projekte, die hier Abhilfe bringen könnten, wärmstens eintreten. Welcher Art diese Vorschläge sein werden, wie weit sie gehen werden, kann man schwer absehen. Prophezeien ist nicht die Aufgabe der Nationalökonomie." Es sei, hieß es an einer anderen Stelle jener Ausführungen, müßig, nach einer Verbesserung des Geldwesens etwa in der Art zu streben, wie sie das System des tabular standard, der die Edelmetallwährung ergänzenden Warenwährung, im Auge hat. "Wir müssen darauf verzichten, die Organisation des Marktes weiter zu vervollkommnen, und um; mit dem Erreichten begnügen oder, besser gesagt, versuchen, das Erreichte festzuhalten ; und das ist nicht so leicht, wie jene zu glauben scheinen, die alle ihre Aufmerksamkeit auf die weitere Verbesserung des Austauschapparates gerichtet haben, ohne die Gefahren zu bemerken, die seine Erhaltung auf der gegenwärtigen Stufe der Vollkommenheit bedrohen. "Es wäre ein Irrtum, wollte man annehmen, daß der Bestand der modernen Organisation des Tauschverkehres für die Zukunft gesichert sei. Sie trägt in ihrem Innern bereits den Keim der Zerstörung. Die Entwicklung des Umlaufsmittels muß notwendigerweise zu ihrem Zusammenbruch führen. Sobald zwischen den verschiedenen Umlaufsmittelbanken eine Vereinbarung über gemeinsame Prinzipien für die Zirkulationskreditpolitik getroffen wird oder, sobald die Vielheit der Umlaufsmittelbanken durch eine einzige Weltbank ersetzt wird, schwindet jede Schranke der Erweiterung der Umlaufsmittelausgabe. Die Vermehrung der Umlaufsmittel kann zunächst so lange fortgesetzt werden, bis der objektive Tauschwert des Geldes auf das durch die anderweitige Verwendung des Oeldstoffes gegebene Niveau herabgedrückt ist. Beim Kreditgeld und beim Zeichengeld fehlt di'ese Grenze, aber auch beim Sachgeld kann sie sich nicht als unübersteig27*
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bar erweisen. Denn wenn einmal die Verwendung der Geldsurrogate den Gebrauch des Geldes für die physische Durchführung der durch Geld vermittelten Tauschakte verdrängt hat - und wir sind von diesem Zustand gar nicht mehr weit entfernt -, würde im Augenblick ihrer Überschreitung die Einstellung der E1nlösungspflicht ausgesprochen und damit der Übergang zum Bankkreditgeld leicht vollzogen werden. Dann bilden nur noch die Kosten des banktechnischen Dienstes die Grenze der Emission. Übrigens müssen die folgen der Vermehrung der Umlaufsmittel, schon lange ehe jene Grenzen erreicht sind, äußerst empfindliIch werden." Nun, der Zusammenbruch des Geldwesens ist in einer ganzen Reihe der europäischen Staaten schnell genug eingetreten. Die alles voraussehbare Maß überschreitende Inflation der Kriegs- und Nachkriegszeit hat ein Chaos ohnegleichen geschaffen. Wir sind nahe daran, es zu überwinden und zu einer neuen Ordnung des Geldwesens zurückzukehren, die um so besser sein wird, je weniger sie sich von der Ordnung unterscheiden wird, die vor dem unseligen Krieg geherrscht hat. Die Ordnung des Austauschdienstes, die wir damit wieder gewinnen werden, wird wieder alle jene Mängel aufweisen, auf die in diesem Buch immer wieder mit Nachdruck hingewiesen wird. Es wird die Aufgabe der kommenden Zeit sein, Schranken aufzurichten gegen den inflationistischen Mißbrauch des Geldwesens durch die Regierung und gegen die Erweiterung der Umlaufsmittelzirkulation durch die Banken. Doch die Geld- und Umlaufsmittelpolitik allein kann nicht ausreichen, um die Gefahren abzuwenden, die der ruhigen Abwicklung der den Austausch erleichternden funktion des Geldes und der Umlaufsmittel drohen. Das Geld ist eine Einrichtung des freien Marktes der auf dem Sondereigentum' an den Produktionsmitteln beruhenden Gesellschaftsordnung. Nur dort, wo die Politik nicht darauf ausgeht, das Sondereigentum an den Produktionsmitteln zu untergraben, sind die allgemeinen Bedingungen für die Entfaltung einer möglichste festigkeit des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes anstrebenden Politik gegeben.