Die Entstehung und Entwicklung der Syllogistik bei Aristoteles
Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln
vorgelegt von
Michael Silnizki aus Charkov Köln 1988
Dissertationsdruckerei F. Hansen, Luxemburger Str. 72, 5000 Köln 1, Tel. 445563
Berichterstatter:
Prof. Dr. E. Vollrath Prof. Dr. Dr. h.c. R. Kassel
Tag der niündlichen Prüfung:
12.11.1988
I
Inhalt
I
Einleitung
1
II Erster Teil. Die Entstehung der Syllogistik Erster Abschnitt. Aristoteles und Platons Ideenlehre 1. Die Welt des Werdens und Vergehens 2. Der Identitätsbegriff
16
18 18 20
Zweiter Abschnitt.Die phänomenologische Logik des Protagoras 1. Platon und Protagoras
25 25
a) Der homo-mensura-Satz 27 b) Die Interpretation 29 2. Protagoras' Begriff von Phainomenon 35 a) Das wahrnehmbare Phänomen 35 b) Die Doxa und das Phainomenon 37 a) Die Heilkunstanalogie 37 ß) Die Allodoxia 40 3. Aristoteles als Gegner der phänomenologischen Logik 42 I
I
a) Doxa und ,4'W0,MEVOV b) Sophistische Logoi
rtVl.
42 45
III Zweiter Teil. Die EntwiCklung der Syllogistik
48
1. Dialektik und Syllogistik a) Das Telos der Aristotelischen Dialektik
48 51
b)
/\01'/1.65 6'v,uor"6'l"of und der analytische Syllogismos a) Platons Dihairesis und Aristoteles' Dialektik ß) Zwei syllogistische Verfahren
57 57 62
II
2. Die ontologische Struktur der syllogistik 67 a) Die ~Vta. der syllogistik 67 CI) TJ. /4tt'fNJJ 67 ß) Die Bezeichnungsweise des Pragma 71 b) Das Wesen des analytischen Verfahrens und die "vierte Schlußfigur" 75 3. Die erkenntnistheoretische Struktur der Syllogistik 78 ", "1"1 n/~ ,,\C' s-r 78 a) Das Aporema OVOIV t'a."~OHQ,L '7 Q. OH'IV' CI) Epagoge und Apodeixis 78 ß) Episteme und Doxa 85 b) Abgrenzung der analytischen Doxa gegen Apodeixis und Epagoge 95 95 CI) Drei Arten der Analysis ß) Die analytische Doxa 104
I,
IV
Schluß
110
V
Literaturverzeichnis
113
1
I
Binleitung
Aristoteles,
im Mittelalter einfach "der Philosoph"
genannt und von Kant als "scharfsinniger Mann"l gewürdigt, ist für verschiedene strömungen der Gegenwartsphilosophie nach wie vor eine Grundlage und unentbehrlicher Bezugspunkt. Trotz seiner bedeutenden Stellung bleibt das Gesamtbild des Aristoteles jedoch "zu unbestimmt und in gewisser Weise zu starr,,2. Diese von einem bedeutenden Aristoteleskenner 1952 geäußerte Meinung bleibt auch heute noch aktuell. Sie betrifft insbesondere den Bereich seines Philosophierens, dem sich diese Dissertation widmet. Das Hauptanliegen der Dissertation ist es, das Wesen der Aristotelischen Syllogistik aufzuzeigen, das von der modernen Aristotelesforschung oft verkannt worden ist.
I
In
seinem
monumentalen
Werk
"Die
Syllogistik
des
Aristoteles" vertritt Heinrich Maier die Auffassung: "Der Syllogismus ist das Ergebnis einer eristischen Epoche. Seine Entdeckung fällt in eine zeit, in der die Wissenschaft um ihre Existenz kämpfen muß. ,,3 Er fügt dabei sofort hinzu: "Zwar in den logischdialektischen Schriften des stagiriten spürt man wenig von dieser Stimmung. Hier stellt der Philosoph mit der sachlichen Unbefangenheit des Technikers die Formen zusammen, in denen wahres Denken sich gewinnen und fassen läßt. Er folgt dem Gegner auf den Irrwegen seiner Argumentation, um den eristischen Scheinkünsten das Gebahren einer anständigen Dialektik entgegenzusetzen. Und über die Sphäre der dialektischen Wahrscheinlichkeit zeigt er dem Leser ein anderes Land, das Reich der streng methodischen Wissenschaft. Aber wir erinnern uns, daß da, wo Aristoteles die 1 Kant, I., KdrV BI07.
2 Gigon, 0., Aristoteles-Studien I., Museum Helveticum 9 (1952), S. 113. 3 Maier, H., Die Syllogistik des Aristoteles, 3 Bände, Tübingen 1896-1900, 11 2, S. 1.
2
Grundlage der Logik und des Wissens zu sichern sucht, die Polemik gegen die Gegner, welche das philosophische Gewissen der Zeit vergiften, in voller Schärfe hervorbricht. ,,4 Dieser Erklärung der Entdekkung der Syllogistik durch Aristoteles liegen Voraussetzungen zugrunde, die erst noch ausgewiesen werden mußten. Die Grundannahmen sind die, daß die Syllogistik ein rein technisch-methodisches Verfahren ist, daß sie aus diesem technisch-methodischen Bedürfnis der 'Eristik' - ihren Ursprung hat und daß sie daraus auch vollständig verständlich gemacht werden kann. Daß die syllogistik ein rein technisch-methodisches Verfahren darstellen soll, ist aber erst ein Ergebnis der Entwicklung in der Zeit nach Aristoteles. Maiers rntetpretation setzt somit voraus, was erst Ergebnis - und nicht der Ursprung der Aristotelischen Syllogistik - ist. Nun meint Heinrich Maier zugleich, Aristoteles suche eine doppelte Methode. "Zunächst ein kunstgerechtes Verfahren für die dialektische Unterredung, für die weniger straffe ••• , das die wissenschaftliche Untersuchung vorzubereiten vermöchte, zugleich aber auch dem Dialektiker die Waffen in die Hand gäbe, im Redekampf selbst den Gegner zu bewältigen. Wichtiger ist doch die andere Aufgabe: eine Methode zu finden, mittels der in streng begründender Entwicklung eine notwendige, exakte Wissenschaft, ein ewig gültiges definitorisches Wissen erzielt würde" 5 • Die Syllogistik impliziert also eine doppelte Methode: a) "eine anständige Dialektik,,6 als ein Verfahren für die dialektische Unterredung und als Vorbereitung für wissenschaftliche Untersuchung sowie b) eine Methode für die Erzielung eines strengen und notwendigen Wissens.
4 Maier, a.a.O., S. Ir. 5 Maier, a.a.O., S. 70. 6 Siehe Anm. 4.
3
Eine solche Deutung des Wesens der Aristotelischen Syllogistik wird von der modernen Aristotelesforschung zwar mit unterschiedlichen Akzenten, aber dennoch insgesamt weitgehend anerkannt. Man pflegt nämlich das Wesen der Aristotelischen Syllogistik entweder (1) im Anschluß an die eristische Sophistik oder (2) aus der Perspektive der Platonischen Dialektik und der sogenannten dialektischen übung oder schließlich (3) unter gleichzeitiger Berücksichtigung der beiden zu betrachten. So stellt Ernst Kapp beispielsweise fest, daß "Aristoteles' syllogistisches Interesse zunächst nicht dem wissenschaftlichen Betrieb im engeren Sinne, sondern der dialektischen übung und der Eristik gegolten hat und daß er von daher die Richtungslinie für die Auffassung jedes 'Syllogismus' mitbrachte,,7. Für E. Kapp "besteht also genauso wie für H. Maier kein Zweifel daran, daß Aristoteles die Grundsätze für die Auffassung "jedes syllogismus" von der dialektischen Übung und der eristischen Sophistik mitbringt. Dieser Auffassung schließt sich auch Klaus Oehler an: "Es ist das große Verdienst von Ernst Kapp ••• nachgewiesen zu haben, daß die Aristotelische Syllogistik, das Kernstück der Aristotelischen Logik, nicht das Ergebnis einer Reflexion auf die Form des Denkens des Einzelsubjekts ist, sondern auf einer methodologischen Analyse des Ganges der philosophischen übungsgespräche beruht, wie sie nach dem Vorbild der Sokratischen Dialektik in der Akademie gepflegt und dort in den Rang einer regelrechten philosophischen Propädeutik oder Gymnastik erhoben worden waren 11 8 • Wenn nun "jeder Syllogismus" ausschließlich "auf einer methodologischen Analyse des Ganges der philosophischen übungsgespräche beruht", so stellt sich die Frage: Inwieweit enthält die syllogistik dann überhaupt eine doppelte Methode? 7 Kapp, E., Artikel 'Syllogistik', RE IV AI, 1931, S. 1058. 8 Oehler, K., Die Lehre vom noetischen und dianoetischen Denken bei Platon und Aristoteles, München 1962, S. 14.
4
In seinem Buch "Der Ursprung der Logik bei den Griechen" führt E. Kapp aus: "Nach Aristoteles gibt es zwei Arten von Syllogismen, den dialektischen und den sogenannten "apodeiktischen" Syllogismus. Der apodeiktische Syllogismus ist der syllogismus, welcher einen Beweis erbringt und ei,ne Schlußfolgerung auf wissenschaftliche Weise zieht, d.h. auf eine Weise, die Erkenntnis bringt und nicht nur dem Gesprächspartner Zustimmung abzwingt, wie der dialektische Syllogismus es tut oder zu tun versucht. Wir besitzen von Aristoteles drei Abhandlungen über syllogismus. Von den drei Abhandlungen enthält eine die ••• Vorlesung über den dialektischen Syllogismus, die Aristoteles aus Gründen der Zweckmäßigkeit 'Topik' nannte.... Außerdem besitzen wir von Aristoteles eine Abhandlung über den apodeiktischen Syllogismus, die sogenannten "Analytica posteriora,,9. E. Kapp schließt sich somit Maiers Auffassung an, daß die Syllogistik eine doppelte Methode enthält. Die eine findet man in der Topik, einer Vorlesung über den dialektischen Syllogismus, die andere in der 2. Analytik, in der Abhandlung über den apodeiktischen Syllogismus. Die beiden Methoden unterscheiden sich, so heißt es, dadurch voneinander, daß die AUfgabe des dialektischen Syllogismus' lediglich darin bestehen soll, dem Gesprächspartner die Zustimmung abzunötigen. Der apodeiktische syllogismus beansprucht dagegen noch zusätzlich, wissenschaftliche Erkenntnis zu erzeugen. Der in der Topik dargestellten Methode wird also die Fähigkeit der Erzielung einer wissenschaftlichen Erkenntnis abgesprochen. Und so kommt es auch dazu, daß Aristoteles laut E. Kapp die Vorlesung über den dialektischen Syllogismus nur sozusagen "aus Gründen der Zweckmäßigkeit 'Topik' nannte". Die Begründung: "Der Name bedeutet nicht viel, nur daß die 9 Kapp, E" Der Ursprung der Logik bei den Griechen, Göuingen 1965, S. SC.
5
Abhandlung eine Art "Nachschlagewerk" ist, um etwas zu finden, nämlich, wenn Aristoteles es auch nicht ausdrücklich sagt, um Beweisgründe zu finden."lO Dieser Auffassung muß widersprochen werden. Die Topik ist aus zweierlei Gründen eine Vorlesung über eine Methode, die durch und durch eine wissenschaftliche Erkenntnis zu gewinnen beansprucht: a) Wenn die Topik nach E. Kapp eine Abhandlung, "um die Beweisgründe zu finden", darstellt, so ist das nur die Bestätigung dafür, daß sie eine Methode der wissenschaftlichen Erkenntnis ist. "Wir glauben ein jedes einfachhin zu erkennen ••• , wenn wir die Ursache, wodurch das Pragma ist, zu wissen glauben."ll b) Wenn es die Aufgabe der Topik ist, eine Methode zu finden, die Aristoteles im Anschluß an Platon .r1.Q,~&IGr~I(' c/"iDoloJ ) 12 nennt, so kann diese unmöglich nur eine Art "NaChschlagewerk" sein. Denn die Platonische Dialektik ist die Methode der Ideenerkenntnis im ganzen, also im hohen Maße eine wissenschaftliche Methode, und sie ist die Wissenschaft von den Ideen. Auch wenn Aristoteles mit seiner Dialektik keine Ideenerkenntnis beabsichtigt, weil nach seiner Meinung die von der sinnlich wahrnehmbaren Welt abgetrennten Ideen nicht existieren, so kann man zumindest davon ausgehen, daß er den Anspruch stellt, mittels seiner Dialektik eine bestimmte wissenschaftliche Erkenntnis zu erlangen. Anderenfalls hätte nicht Aristoteles den Topik-Vorlesungen den anspruchsvollen Namen 'Dialektik' gegeben. Aristoteles zitiert die ro,,,,,'/' oft unter ihrem heutigen Titel, dann auch als rt\, !"E.f)o6t",A" EV Z'o'J- ha).tK.Z'I-
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10 Kapp, a.a.O., S. 9.
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11 Vgl. Aristoteles, An:post. 7jblOf: ·En'LOI'AIi'.1a. 11' 010/1III'tll.*OV 41T,\(JJi ... ffrav ~\ .. r J ,dl'lAV oto/u9", (W,j(;'ltitV 1i.,t,lv rJ ~~.v~~et i;rtv, CI' 2 / , ~ .~" -. .,r, EICH' ov cz.'CtQ.. EPrt,ItQ"
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12 Top. 101b2.
13
Bonitz, H., rndex Aristotelicus < im gabe>, Berlin 1870, S. 102 a 43f.
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"
~ ('XEIV.
S. Band der Berliner Akademieaus-
6
Es steht somit fest: Die Topik-vorlesungen beanspruchen nicht nur, dem Gesprächspartner die Zustimmunq abzuzwinqen, sondern auch, eine bestimmte wissenschaftliche Erkenntnis zu erzielen. 14 Was nun den apodeiktischen Sylloqismus anqeht, so ist er zwar der, "welcher einen Beweis erbrinqt". Daß er aber "eine Schlußfolqerunq auf wissenschaftliche Weise zieht, d.h. auf eine Weise, die Erkenntnis brinqt,,15 ist eine bloße Behauptunq, die bewiesen werden muß. Eins wird aus all dem Gesaqten jedenfalls klar, daß nämlich die Syllogistik des Aristoteles zwei voneinander unabhänqige Verfahren enthält, die jeweils eine ihnen eiqentümliche Erkennntis zu erlangen vermögen. Die Fraqe ist nur: Was für eine Art von Erkenntnis beanspruchen denn jeweils die Topik und die Analytik? Diese Frage zu beantworten, ist die Aufgabe der vorliegenden Abhandlung.
II
Die Entstehunq und' die Entwicklunq der syllogistik durch Aristoteles wird in der Aristotelesforschung nicht nur im Anschluß an die eristische Sophistik und die sogenannte sokratisch-platonische dialektische übung, sondern vor allem und vorzuqsweise aus der Perspektive der Platonischen Philosophie insgesamt betrachtet. Hier begegnet eine Vielzahl von Äußerungen, die entweder eine völlige übereinstimmung der Aristotelischen Syllogistik mit Platons Philosophie oder deren Ableitung von Platons Dihairesis festzustellen glauben. Oder es wird einfach eine pauschale und unbegründete Meinunq vertreten, wie etwa, "daß alles, was das Organon enthält, in dieser oder jener Weise durch ist,,16.
die
Praxis
des
Platonismus
14 Soph. el. 183 a 37ff. 15 Siehe Anm. 9. 16 Bochenski, I.M., Formale Logik, Freiburg/Mllnchen 19S6, S. 46.
bedingt
7
Zu der ersten Gruppe gehört c. Ritter, welcher einmal sagt;e: "Ich gehe so weit, daß ich die Behauptung wage, es lassen sich sämtliche Regeln des Syllogismus aus den Beweisführungen und Definitionsvorbereitungen platonischer Dialoge herausholen ••• Es wäre die Zeit, daß man das Gerede aufgebe, Aristoteles sei der Begründer der wissenschaftlichen Logik. Nein, das ist Platon. Und Aristoteles der Begründer der logischen Sch'olastik. ,,17 H. Maier meint dagegen: "Es ist kein Zweifel: der kritischen Auseinandersetzung mit der Oiairesis kung.,,18
verdankt
der
Syllogismus
seine
Entdek-
Die beiden Aussagen stimmen insofern überein, als sie den Ursprung der Aristotelischen syllogistik in der Platonischen Philosophie zu entdecken glauben. Was hält aber Aristoteles selbst von diesen Aussagen? Geht seine SYllogistik aus der sogenannten "wissenschaftlichen Logik" Platons oder aus dessen Dihairesismethode hervor? Oder bedeutet seine syllogistik, die mit Recht als das Kernstück seiner Logik gilt, eine "wissenschaftliche Logik" oder gar eine Wissenschaft? Bei der Aufzählung der Wissenschaften im 1. Kapi tel des 6. Buches der Metaphysik wird die Syllogistik nicht zu den Wissenschaften gezählt. Die Analytik
gehört zur Philosophie, insofern "Philosophie" die Erforschung aller Phänomene und Sachverhalte. ist: aber nicht als eigenständige Wissenschaft, sondern als notwendige Voraussetzung aller Wissenschaften. 19 Die Frage, ob 17 Ritter, C.,Platons Logik, Philologus 75 (1919), S. 50-52. 18 Maier, a.a.O., S. 71. 19 Nach Düring (Aristoteies. Darstellung und Interpretation seines Denkens, Heidelberg 1966, S. 53) sagt Aristoteles "nirgends, daß es eine Disziplin gebe, die ein Werkzeug wissenschaftlichen Denkens sei, aber auch nicht,daß die Logik nicht zur Philosophie gehllre ... Die Ansicht. daß die Logik nicht zur Philosophie gehllre, ist anachronistisch und hat ihre Wurzeln in einer unrichtigen Interpretation von Top. 114, wo Aristoteles sagt, es gebe drei Arten von Sitzen: ethische, physische und togische. Er wollte damit keineswegs eine Einteilung der Wissenschaften geben, sondern nur drei Typen von Thesen charakterisieren. die aktuell waren, als er dies schrieb."
8
die syllogistik eine eigenständige Wissenschaft ist, muß offenkundig verneint werden. Demgegenüber vertritt K. Oehler die Auffassung: "Der Hinweis auf den Tatbestand, daS die Logik oder, wie sie Aristoteles nennt, die Analytik bei den von ihm gelegentlich vorgenommenen Aufzählungen der Wissenschaften keine Berücksichtigung findet, ist dem Umstand zuzuschreiben, daß Aristoteles die dialektischen Untersuchungen der Frühzeit aus rein methodologischem Interesse durchgeführt und die MethodOlogie nicht als selbständige Wissenschaft, sondern als hilfswissenschaftliehe Technik beziehungsweise als Propädeutik der wissenschaften verstanden hat. In diesem Geist ist die Topik geschrieben •••• Demgegenüber hat sich erst sehr spät - in den ersten Analytiken - die Theorie des Syllogismus verselbständigt und als selbständige Wissenschaft etabliert. Die Logik war von .diesem Zeitpunkt an nicht mehr primär organon 20 , sondern war selbst ein Teil der Philosophie geworden. Aber dieser späte Prozeß hat in der bereits fixierten Einleitung der Wissenschaft keinen Niederschlag mehr ge funden,,21. seine AUffassung glaubt K. Oehler zusätzlich dadurch bekräftigen zu können, daS er "die stelle , \ I • Metaph.r3, 1005 b2ff, wo a.VA.AUI""/(Q, als el.ne Vorbebezeichnet werden, dingung aller Wissenschaft Ersten zumindest nicht den Inhalt der auf Analytiken ••• , wahrscheinlich aber auch nicht auf den der Zweiten Analytiken, sondern überhaupt nur auf die Analysen der Topik und Rhetorik, die ja auch als Einführungen in die Methodik wissenschaftlicher Untersuchungen benutzt werden können und sOllen,,22, bezieht. Dieser ganzen Auffassung muS allerdings aus zweierlei Gründen widersprochen werden: 1. Im ganzen Corpus Aristotelicum ist es nirgendwo belegt, daß ~~ C:..c&~vn",&:.23 sich "auf die Analysen der 2 0 Das ist sie bei Aristoteles auch nie gewesen. 21 Oehler, a.a.O., S.17. 22 Oehler. a.a.O., S. 17, Anm. 3.
23 Mit Hinweis auf eine Stelle aus An.pr. 46a 28-30 meint DDring (a30.,S.56) mit Recht, "daß er (Aristoteles) später die Topik und die Analytiken als zwei parallele Darstellungen betrachtete."
9
Topik und Rhetorik" beziehen. Es wäre verwunderlich, \ wenn Aristoteles derartiges behauptete. Denn,. G.\t4. ).1Jt:t.",,t und r~ ron'",':' sind dem Wesen nach zwei völlig verschiedene Verfahrensweisen der Aristotelischen syllogistik. Dabei darf man r.l.w-.l . . ",,:1 nicht, wie es E. Kapp tut, als "Analysieren" übersetzen. "Der Titel "Analytika" spezifiziert nicht das Thema der Abhandlung", so heißt es bei ihm, "er deutet nur an, daß das Buch sich mit dem Analysieren befaßt,,24. Was dieses "Analysieren" eigentlich bedeuten sollte, dazu äußert sich E. Kapp nicht. Das wäre auch unmöglich. Denn wenn man die Aristotelischen Analytika nicht als "das Thema", d.h. als eine von der Topik verschiedene Methode deutet, dann verkennt man auch den Sinn und das Wesen der Aristotelischen Analytik. 2. Aristoteles hat nach Meinung von K. Oehler die dialektischen Untersuchungen angeblich "aus rein methodologischem Interesse" durchgeführt und die Topik nicht als selbständige Wissenschaft anerkannt. Was dieses "rein methodologische Interesse" sein soll te, verrät Klaus Oehler nicht. Was Aristoteles angeht, so hat er die Topik aus ganz anderem' Grunde nicht als Wissenschaft anerkannt. Der Grund liegt nämlich in der Definition von Wissenschaft (Episteme), in deren Bestimmung Aristoteles gänzlich Platon folgt. Jede Episteme ist Erkenntnis von etwas, das ist, also von Seiendem. Welches Seiende liegt aber der Topik zugrunde? Aristoteles' Antwort ist unmißverständlich: Der Topik, liegt kein bestimmtes Seiendes zugrunde. Denn die Topik wird von Aristoteles als ein Verfahren verstanden, welches sowohl für die philosophische Gymnastik und das philosophische Gespräch als auch für die philosophische Erkenntnis und ebenso für die Ermittlung der Archai aller Wissenschaften nützlich ist 25 • ~
Conclusio: Die Topik kann unmöglich eine eigenständige Wissenschaft sein. Dasselbe gilt auch für die 24 Kapp, E., Der Ursprung der Logik, 8.8.0., S. 9. 25 Vgl. Aristoteles, Top. 101 824-b4.
10 Ana1ytik26 , der ebenso kein· ontologisches Substrat zugrundegelegt wird, so daß die Syllogistik keine "philosophische Wissenschaft"27 sein kann. Sie ist überhaupt keine Wissenschaft. Auch wenn E. Kapp sich bemüht, "das Wort 'Wissenschaft' nicht ganz so streng zu verwenden, d.h. mit ihm etwas zu bezeichnen, was systematisch von Professoren in einer Vorlesung für die unterweisung ihrer Studenten behandelt wird und im Manuskript des Professors oder in einem Lehrbuch niedergelegt werden kann,,28, so kann man dazu sagen: Ein solcher Begriff von der Wissenschaft (Episteme) ist völlig unaristotelisch. Für Aristoteles gibt es ~eder "die Wissenschaft von der Lagik,,29 noch bedeutet die "Logik" bzw. die Aristotelische Syllogistik eine Wissenschaft. Dieses Mißverständnis kann nur dadurch erklärt werden, daß die Aristotelesforschung sich über das Wese.n und die Bedeutung der Aristotelischen Syllogistik nicht ganz im klaren ist. Gerade dieser Aufgabe, das Wesen der Topik und der Analytik zu analysieren, widmet sich die vorliegende Dissertation.
III
Günter Patzigs Buch über die Aristotelische Syllogistik hat eine neue Epoche in der Aristotelesforschung eingeleitet 30 • Das Wesen des Aristotelischen Syllogismus deutet Patzig als "einen zusammengesetzten 'Wenn-so'-satz,,31. Was damit gemeint ist, erläutert Patzig am folgenden Beispiel: "Wenn von Syllogismen gesprochen wird, so wird jedermann wohl zunächst der
' ouv '5' .....~ " s, \ ' 26 An. pr. 46a3 f : .o6'o9'~v .... A~ "sp~ dXV7v J"OLlWOJ'V /(A~I""~'/,Q,. 27 Oehler, a.a.O., S. 17.
28
Kapp, a.a.O., S. 8.
29 Ibd. 30 Patzig, G., Die Aristotelische Syllogistik, GOttingen 31969. 31 Öffenberger, G.N., Zur Diskussion. Zur modernen Deutung der aristotelischen Syllogistik, in: Arch.f.Gesch.d. Phil. S3 (1971), S. 7S.
.~,-
11
Schluß einfallen, von dem man weiß, daß er seit der Scholastik "Barbara,,32 heißt und wie folgt geht: "Alle Menschen sind sterblich, Sokrates ist ein Mensch, also: Sokrates ist sterblich.,,33 Das ist nach Meinung von Patzig die traditionelle Auffassung des syilogismus. "Demgegenüber ist ein aristotelischer Schluß ein Satz, der die Form eines 'Wenn~so'-Satzes hat, dessen Vorderglied von der Konjunktion der Prämissen - d.h. von den durch "und" zu einem Satz verknüpften Prämissen und dessen Hinterglied von der Conclusio gebildet wird. Wollte man das Eingangsbeispiel in aristotelische Form bringen, so müßte man schreiben: "Wenn alle Menschen sterblich sind und Sokrates ein Mensch ist, so ist Sokrates sterblich. ,,34 Dies ist ein - wenn auch aus mehreren sätzen zusammengesetzter - satz,,3S. Dazu ist folgendes zu sagen: 1. Kurt von Fritz hat mit Recht schon längst darauf hingewiesen, daß "als Musterbeispiel eines aristotelischen logischen Schlusses immer wieder der bei Aristoteles nirgends vorkommende Schluß angeführt wird: Alle Menschen sind sterblich. Sokrates ist ein Mensch. Also ist Sokrates sterblich. Ein Schluß, über welchen Hegel sich bekanntlich im Glauben, er werde von Aristoteles als Beispiel gebraucht, ziemlich despektierlich geäußert hat,,36. 2. Patzigs Deutung der Aristotelischen syllogistik als eines 'Wenn-so'-Satzes ist zwar der Form nach richtig. Sie ist aber dem Wesen nach schon deswegen nicht haltbar, weil sie im widerspruch zu dem 32 Dasjenige, was G. Patzig als Beispiel für "Barbara" ausgibt, ist allerdings ein Beispiel fQr "Darii"•
33 Patzig, a.a.O., S. 11. 34 Besser wAre ein anderes Beispiel, da das im Text genannte Beispiel nicht die Form "Barbara" hat. 35 Patzig, a.a.O., S. 14. I 36 v. Fritz, K., Die lnQ,lt.Jn
bei Aristoteles, München 1964, S. 23.
12
dialektischen Syllogismus steht. E. Kapp hat nämlich klargestellt, daß es nicht das Denken ist, "das im einzelnen lebt, wo der aristotelische Syllogismus seine Heimat hat und wo er von Aristoteles gesucht und gefunden worden ist •••• Für Aristoteles rückt der Syllogismus nicht aus der Welt des greifbaren Geschehens heraus, er kann ruhig als wirklicher Vorgang angesehen werden •.• , nur eben als ein Vorgang, zu dem im Grunde immer 2 Personen, A und B, gehören. Der Schlußsatz ist von vornherein da 37 , er wird nicht gesucht und nicht gefunden, sondern was gesucht und gefunden wird, sind die Prämissen, und z~ar werden sie von der Person A gesucht. Für dieses Aufsuchen der Prämissen gibt Aristoteles sowohl in der Topik wie auch noch' in einem Abschnitt des 1. Buches der 1. Analytik ausführliche praktisch gedachte Anweisungen"38. Wenn also das aristotelische dialektische Verfahren, ein Teil der Aristotelischen Syllogistik, einen Vorgang bedeutet, "zu dem im Grunde immer 2 Personen, A und B, gehören", so kann doch "ein aristotelischer Schluß" unmöglich "ein zusammengesetzter 'Wenn-so'Satz" sein. Noch wichtiger ist allerdings die Frage: Wie kommt Patzig überhaupt zu einer solchen Deutung der Aristotelischen syllogistik? Im Vorwort zur zweiten Auflage seines Buches schreibt Patzig: "Meine Kritik an' der Auffassung der Interpreten des 19. Jahrhunderts, nach der die Syllogistik des Aristoteles ihre Basis in seiner Metaphysik habe, kann leicht aufgefaßt werden, als meinte ich, beide Grunddisziplinen der Philosophie stünden bei Aristoteles beziehungslos nebeneinander. evidenterweise Diese historisch falsche Ansicht wollte ich nie vertreten; sie ist auch ganz verschieden von derjenigen These, die ich 37 Auch dasjenige, was Aristoteles an einer Stelle der An. pr. 24blB 6'v).).or~br,Ar $l 16''C'L J.JrG.C iv ;S n~'vr,JV rwt.7v Yrcp6v r,
rr:fv Knr/VAIV
if :'Vtit(IC'1{ 'Ovttß.fWrr sagt, widerspricht dem
38 Kapp, E., Artikel 'Syllogistik', a.a.O., S. 1059.
nicht.
13
allerdings meine, begründet zu haben: Daß die' Gültigkeit der Sätze der aristotelischen syllogistik weder der Sache nach noch nach Meinung des Aristoteles von der Wahrheit gewisser Sätze aus dem Gebiet der ontologie abhängig qedacht werden darf. Mit dieser These ist sowohl verträglich, daß in die Darstellung der syllogistik bei Aristoteles manche seiner ontologischen Auffassunqen unreflektiert miteinfließen, wie der Umstand, daß die aristotelische ontologie an zentralen Stellen Reflexe zeigt, die Lehrsätze der aristotelischen Logik widerspieqeln. Wenn schon von einem Begründungsverhältnis zwischen aristotelischer Logik und Metaphysik gesprochen wird, so scheint es mir richtiger, die aristotelische Ontologie auf die aristotelische Logik zu gründen als umgekehrt,,39. Patzig
vertritt
somit
die
Auffassunq ,
daß
die
Aristotelische Syllogistik, von der Ontologie losqelöst, ausschließlich "in ihrer beispielhaften strenqe und loqischen Reinheit,,40 betrachtet werden muß. Wenn das so wäre, dann käme man möglicherweise in der Tat zu der Deutunq eines Aristotelischen Schlusses als. "Wenn-so-Satzes". Der Auffassunq , die Aristotelische sylloqistik sei weder der Sache nach noch anqeblich "nach Meinung des Aristoteles von der Wahrheit qewisser Sätze aus dem Gebiet der ontoloqie abhänqig", muß allerdings widersprochen werden. Die syllogistik des Aristoteles hätte nicht nur ohne die Aristotelische Ontoloqie nicht entstehen können. sie kann von der Aristotelischen ontologie her erst überhaupt verstanden .erden. Die Ontoloqie des Aristoteles ist das Erqebnis seiner Auseinandersetzunq mit Platons Philosophie, insbesondere
mit
dessen
Ideenlehre.
Aristoteles
lehnt
den
fundamentalsten Grundsatz der Platonischen Philosophie, daß die Ideen "Urbilder" sind und daß die veränderlichen Dinqe an ihnen teilhaben, als "leere 39 Patzig, a.a.O., S. 4f. 40 Patzig, a.a.O., S. 199.
14 Worte und poetische Metaphern,,41 entschieden ab. Diese Ablehnung der Transzendenz der Platonischen Ideen hat aber zur Folge, daß Aristoteles zwangsläufig den Bereich der wahrnehmbaren Welt als den Bereich des Seienden anerkennen muß. Angesichts dieser Tatsache sah sich Aristoteles gezwungen, nicht nur von der Platonischen Ideenwelt Abstand zu nehmen, sondern auch neue Wege zu gehen, um die aus der Auseinandersetzung mit Platons Ideenwelt entstandene eigene ontologie zu begründen und zu "legitimieren". Das Ergebnis dieser "Selbst-Legitimation" war eben dasjenige, was Aristoteles Syllogistik nannte. Es kann daher keine Rede davon sein, "die aristotelische Ontologie auf die aristotelische Logik zu gründen". Das Gegenteil ist der Fall. Die Syllogistik des Aristoteles geht nicht nur "von der Wahrheit gewisser Sätze aus dem Gebiet der ontologie", sondern auch von deren grundlegender These aus, daß die Welt des Werdens und Vergehens dem Bereich des Seienden angehört. Der Seinssinn ändert sich bei Aristoteles. Nicht nur die (transzendenten) Ideen sind das, was ist, also ein Seiendes, sondern auch das, dem bei Platon der Status eines nicht (wahrhaft) Seienden zuerteilt worden war, wird jetzt als etwas, das ist, und als ein Seiendes ansprechbar. Diese These bringt Aristoteles aber zugleich zu einer erkenntnistheoretischen' Konfrontation mit seinem Meister. In seinem Liniengleichnis (Politeia 509d511e) trennt Platon die Bereiche des Sichtbaren und Denkbaren voneinander und unterteilt jeden dieser beiden Bereiche nochmals, so daß sich vier Abschnitte ergeben. Der erste Abschnitt stellt Schatten, Spiegelbilder und dergleichen dar; der zweite umfaßt die Welt der Tiere und Pflanzen und jede Art von menschlichen Erzeugnissen. Dem dritten Abschnitt werden mathematische Dinge und schließlich dem
15
vierten die Ideen zuqewiesen. Diesen durch die vier Abschnitte symbolisierten Seinsbereichen entsprechen vier verschiedene Erkenntnisweisen: Eikasia und Pistis, die beide zusammen den Bereich der Doxa ausmachen, sowie Dianoia und Episteme, welche dem Bereich der Verstandesund Vernunfttätiqkeit anqehören 42 • Wenn nun Aristoteles die These vertritt, daß auch die Welt des Werdens und Verqehens zu der Welt des Seienden qehört, so heißt das, daß dem Bereich des Seienden, sofern dieser die wahrnehmbare Welt ist, nicht mehr die Erkenntnisweise der Episteme, sondern die der Doxa entspricht. Diese erkenntnistheoretische Konsequenz, die sich aus der Aristotelischen Ontoloqie erqibt, wäre bei Platon auf völliqe Ablehnunq qestoßen. Denn dies würde bedeuten: Aristoteles verträte die Auffassunq der sophistik, daß nämlich die Episteme zu einem Teil Doxa sei. Aristoteles stand in der Tat vor der Alternative, entweder die Episteme Platons oder das phänomenoloqische DoxaWissen der Sophistik zu der Erkenntnisart der Welt des Werdens und Verqehens zu machen. Weder das eine noch das andere kam für ihn allerdinqs in Fraqe. Die Platonische Episteme, die Ideenerkenntnis , war für die Erkenntnis der wahrnehmbaren Welt unqeeiqnet, weil ja die Ideen den Bereich des Wahrnehmbaren transzendieren. Die Doxa der Sophistik ist aber dazu auch nicht fähiq qewesen. Beqründunq: Die Sophistik ist die scheinbare und nicht die wirkliche Weisheit 43 , weil der sophistischen Doxa ja kein ontoloqisches Substrat zuqrundelieqt. Die Welt des Werdens und Verqehens qehört aber zu dem Bereich des Seienden, so daß die daraus resultierende Konsequenz lautet: auch das diesem Bereich Zuqehöriqe muß in authentischer Weise wiß- und erkennbar sein. Die Lösunq des Aristoteles heißt demzufolqe: Zur Erkenntnis der Welt des Werdens und Verqehens ist 42 Vgl. Bormann, K., Platon, Freiburg/MOnchen 21987, S. 55. 43 Soph.el.';7Ib34: ,'" GOf~6'ro~i i6h fJQ,LV0I"'v" G'oflAOVI(, ovöQ,.
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weder die Platonische Episteme in ihrer Einschränkung auf das Ideenhafte noch die sophistische Doxa geeignet, sondern die syllogistische Erkenntnis kann dazu imstande sein. 44 Was diese syllogistische Erkenntnis bedeuten soll, ist die Frage, welche die vorliegende Abhandlung sich stellt und zu beantworten beansprucht. Die Kernthese der Abhandlung lautet dabei: Die Aristotelische syllogistik entsteht aus. 4er Auseinan4ersetsung mit Platons 14e.D- un4 Brkenntnislehre sowie mit 4er phänomenologischen Doza 4es sophisten Pr.otagoras.
II Brster Teil. Die Bntstehung 4er Syllogistik Wie jede geistige Entdeckung entspringt auch die Aristotelische Entdeckung des Syllogismus Quellen, ohne welche sie nicht möglich wäre. Es sind zwei: die Platonische Ideenlehre sowie Platons Auseinandersetzung mit der Sophistik und insbesondere mit deren Urheber Protagoras. Aristoteles stand zwischen zwei kaum überbrückbaren Strömungen der griechischen Kultur. Die eine bewegte sich in den Bahnen der traditionellen geistigen Entwicklung des griechischen Bildungs ideals , dessen Quellen in Homers Dichtung wurzeln: "Beides, Sprecher der Reden zu sein und Wirker der Taten" (Ilias, I 443). Protagoras als Vertreter dieser Bewegung und als Urheber der sogenannten Sophistik, trat nämlich in der öffentlichkeit mit dem Anspruch auf, "den vorhandenen Politikern dazu zu verhelfen, ihre Tätigkeit besser, d.h. vor allem erfolgreicher, auszuüben und junge Leute zu erfolgreichen Politikern herauszubilden,,45.
Während er in
seinem berühmt gewordenen homo-mensura-Satz den Men44 Zu berlicksichtigen ist allerdings, daß Aristoteles recht selten die Form des 6'v ~ ').0("''''0'.( verwendet, wenn er sich um die Erkenntnis des Entstehenden und Vergehenden bemQht. 45 v. Fritz, K., Artikel 'Protagoras', RE XXITI, I (1957), S. 912f.
17 sehen als Maß aller Dinqe bezeichnete und daher qemäß Platons Deutunq des homo-mensura-Satzes die menschliche Doxa zum Maß des Handelns machte, hat Platon "die sittliche Einsicht, die Phronesis des Sokrates, an die Theorie der Idee des Guten qebunden. Sie war mi t ihr zusammenqeflossen bis zu dem Grade, daß der nach dem qewöhnlichen Sprachqebrauch rein praktischethische Beqriff der· Phronesis bei Platon stets die theoretische Erkenntnis der Idee mitumfaßte,,46. Der Grund dafür lieqt nach o. Giqons Meinunq im Tode Sokrates', der die Sokratiker zu der überzeuqunq führte, daß der Philosoph "das Politische zu meiden habe, wenn er nicht an ihm unterqehen wOlle,,47. Bei Platon vertieft sich die Entwertunq des Politischen, welche ihn zu der Preisqabe der traditionellen Werte von Adliqkeit, Reichtum, Ruhm und Macht brinqt48. Anqesichts des eben darqestellten historischen Exkurses wird deutlich, in welcher schwieriqen Laqe Aristoteles war, als er sich dem Bereich des Politischen und der sinnlich wahrnehmbaren Welt zuwandte: a. Einerseits teilte er Platons Abneiqunq qeqen die Sophistik und deren Rhetorik, die Platon als die Kunst der Schmeichelei verspottete (vql. Gorq. 465b). Andererseits hat er selbst eine Abhandlunq über die Rhetorik verfaßt und die Phronesis nicht mehr an die theoretische Erkenntnis qebunden sondern durchaus im Sinne der Sophistik dem Bereich des Politischen zuqewiesen 49 • b. Das reqe Interesse für die Welt des "Werdens und verqehens,,50 führt Aristoteles dazu, daß er sich zwar der Kritik seines Meisters an der sophistischen Doxa des Protaqoras anschließt. Er lehnt aber zuqleich Platons Ontoloqie in ihrer Reduktion des seinssinnes auf die transzendenten 46 laeger, W., Über den Ursprung und Kreislauf des philosophischen Lebensideals, in: Scripta Minora I, Rom 1960, S. 361.
47 Gigon, 0., Platon und die politische Wirklichkeit, in: Studien zur antiken Philosophie, Berlin-New York 1972, S. 225.
48 Vgl. Gigon, a.a.O., S.226. 49 Vgl. Aristoteles, NE Buch VI. ,t:I, 50 Bzw. Je'" 'J\/op~,
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Ideen strikt ab. Diese ablehnende Haltung der Ideenwelt P1atons gegenüber zwingt Aristote1es in der Suche nach dem neuen Maß und Maßstab der Realität zu der Umdeutung der gesamten Platonischen Ontologie und Erkenntnistheorie.
Brster AbschDitt. Aristote1es uDd Pl.tons Ideenlehre 1. Die .elt des .erdens und vergehens Das rege Interesse für die Welt des Werdens und Vergehens zwingt Aristote1es, wie gesagt, zur Überprüfung d~r gesamten Platonischen Ontologie. Im Gegensatz zu Sokrates hat P1aton laut Aristote1es das Allgemeine und die Wesensbestimmungen CHorismoi) von der Naturwelt getrennt und ein solches Seiende die Ideen genannt51 • Diese Entwicklung erklärt Aristote1es einerseits dadurch, daß seiner Meinung nach Sokrates sich mit den "ethischen Problemen" und nicht mit der Naturwelt befaßt hat, in jenen aber das Allgemeine suchte und als erster seinen Geist auf die Wesenserkenntnis richtete 52 • Die Ideenfreunde waren andererseits von der Wahrheit der Herakliteischen Lehre überzeugt, daß alles Wahrnehmbare in beständigem Fluß ist53 • Dies alles brachte Platon zu der Annahme, daß die Erkenntnis etwas von der Wahrnehmung Verschiedenes sei. Es kann nämlich unmöglich eine Definition des Sinnlichen geben, da dieses sich in beständiger Veränderung befindet 54 • Die vertreibung der sinnlich wahrnehmbaren Welt aus dem Bereich des Seienden führt Platon schließlich zu seiner Ideenlehre, welche sich der Parmenideischen Konzeption 55 vom unveränderlich bestehenden Seienden 51 Vgl. Met. I078b30-32. 52 Vgl. Met. 987bl-4. 53 Vgl. Met. I078b13f. 54 Vgl. Met. 987b4-IO. 55 Platon entfaltet seine Ideenlehre im Anschluß an Parrnenides'Konzeption vorn unveränderlich bestehenden Seienden. Nach der Lehre des Parmenides ist das Seiende "ein Ganzes, einzigartig, unbewegt und ohne Ende in der Zeit, unentstanden und unvergllnglich, absolut einfach, zeitlich und
19 anschließt. Gerade diese Vertreibung der Welt des 'Werdens und Vergehens' aus dem Bereich des Seienden lehnt Aristoteles entschieden ab. Es ist unmöglich, daß ein Wahrnehmbares nicht seiend ist. Denn "jedes Gewordene muß sein, sofern es geworden ist,,56. Die Welt des Werdens und Vergehens befindet sich zwar in einer permanenten Bewegung und Veränderung. In ihr gibt es aber etwas Beständiges und Unvergängliches. Denn es muß notwendig ein unvergängliches geben, woraus etwas wird, sofern ja kein Fortschreiten ins Unendliche stattfindet und nichts aus Nichtseiendem wird 57 . Zählt man die Welt des Werdens und Vergehens zu dem ontologischen Bereich, so ergibt sich daraus die Pluralität dessen, was ist, nämlich des Seienden. Aristoteles unterscheidet demzufolge verschiedene Bereiche von Seiendem. Drei von ihnen kommen bekanntlich den theoretischen (bzw. betrachtenden) Wissenschaften zu: der Mathematik, der Naturphilosophie und der 1. Philosophie (Met. 1026a18-30). Die Mathematik betrachtet das unveränderliche, aber nicht selbständig existierende Seiende ~ die Naturphilosophie genau umgekehrt das veränderliche, aber selbständig existierende. Den beiden Arten des Seienden liegt dabei die Hyle zugrunde: entweder die noetische oder die wahrnehmbare Hyle (Met. 1036a9). Das Seiende der 1. Philosophie ist schlieBlich seinem Wesen nach unveränderlich und zu selbständiger Existenz fähig (Met. 1026a16). Allen drei theoretischen wissenschaften liegt ·die Erkenntnis zugrunde, die einen Vorrang vor der praktischen Philosophie hat räumlich mit sich identisch, d.h. völlig gleichartig und unteilbar. Es ist unbeweglich in rlumliche Grenzen eingeschlossen, gleichmäßig von sich selbst erfüllt und hat die Gestalt einer Kugel. Somit ist das Seiende eine homogene, kontinuierliche, unteilbare Kugel, die sich nicht bewegt und verändert" (Bormann, K., Parmenides. Untersuchung zu den Fragmenten, Hamburg 1971, S. 181). Dieses parmenideische Seiende ist "weder durch die Sinnesorgane noch durch die sinnliche Vorstellungskraft faßbar. Hiermit ist der Ansatz für die spltere Trennung von Denken und Wahrnehmung gegeben... Die einzige ReaHtlt ... ist nach Parmenides das Seiende... Nur das Seiende kann als real gekannt werden ... , d.h. nur was ist, kann als wirklich ausllemacht werden" (Bormann, K. a.a.O., S. 71). 56 Vgl. Met. 999bll: rJ i, ('rovJ.r S,V'!(K~ c&.u :JTt f71'63rOV t/(Ov1v. 57 Vgl. Met. 999bS-l.
20 (a22). Denn während die Episteme auf dasjeniqe Erkennbare qeht, das allqemein und notwendiq ist, bezieht sieh die praktische Philosophie auf das Prakton - das beiläufiq Seiende -, das sich eben so oder anders verhalten kann 58 • Die Welt dessen, was ist, umfaßt nämlich nicht nur den Bereich des wesenhaft Seienden, sondern sie erstreckt sich auch
2. Der 14entitätsbeqriff Der fundamentale Grundsatz der Aristotelischen Ontologie lautet: Neben das Allgemeine tritt das Einzelne als eiqentlich Seiendes. 59 Das Allgemeine bezeichnet \ N '''- \ \ , r / I .:IIU ./ 58 Vgl. de an. 433a29f:npa"rovot' ,orl. 10 rvotxofltvoV 1(4' a. tJ.[ 'X'IV• . 59 Vgl. v.Fritz, K., Der Ursprung der aristotelischen Kategorienlehre, in:
Archiv für Geschichte der Philosophie 40 (1931), S. 488 •
21 bei Aristote1es 60 nicht mehr ein bestimmtes Individuum, sondern eine bestimmte Beschaffenheit, die Ousia ist aber ein individuell Bestimmtes (rJr'fi) und das Einzelne ( r:~ 1I!4~'~A6'roV), wie etwa der Gott, der Nous oder Sokrates. Nun stellt sich die Frage, wie die Erkenntnis des Seienden überhaupt möglich ist, falls das eigentlich Seiende ein Einzelnes und damit ein Wahrnehmbares ist. Denn die Episteme geht immer auf das Allgemeine und das an sich notwendig bestehende und unveränderliche Seiende. Das Einzelne ist aber als solches weder ein Allgemeines noch ein notwendig Bestehendes noch ein Unveränderliches. Das , Wahrnehmbare kann nämlich schon deswegen unmögliCh ein Allgemeines sein, weil ja das Allgemeine durch die Aisthesis gar nicht erkennbar ist. Eine Episteme vom Einzelnen lehnt aber auch Aristoteles ab. Denn wir erkennen alles nur dann, sofern Etwas als Eines (E~), Identisches (~~~td) und Allgemeines (~QOJlov) besteht61 • Das Einzelne ist zwar ein Eines, aber kein Allgemeines, das Allgemeine dagegen kein Einzelnes. Wie ist es nun überhaupt möglich, von einer Identität des Einen mit dem Allgemeinen zu sprechen, wenn das Eine kein Allgemeines und das Allgemeine kein Eines ist? Die entscheidende Stelle für die Beantwortung dieser grundlegenden Frage ist das 6. Kapitel des 7. Buches der Metaphysik 1031a28-b18. An der eben genannten Stelle setzt sich Aristoteles
mit der Platonischen Ideenlehre im Zusammenhang mit dem Problem der Identität auseinander. Aristoteles fängt seine Auseinandersetzung mit der Frage an, ob . \ ~a.vCl," \ \ ' das an s1ch Ausgesagte (~Q. Q..v~a. .. ty0l"'cvcz, ) notwendig das Identische ist (a28). Dabei tut er so, als ob nämlich visiert
er die Platonische Seinsthese akzeptiert, daß die Idee das eigentlich Seiende ist, diese jedoch so an, daß er seine eigene
22 Seinsthese darauf bezieht, nämlich daß die Wesenheit (Ousia) das bezeichnet, was ein Seiendes ist, und zwar so, daß es noch andere kategoriale Seinsbestimmungen als die der Wesenheit gibt. Was hiermit gemeint ist, geht aus den Worten des Aristoteles deutlich hervor. Es gibt gewisse Ideen, so Aristoteles,
deren Wesenheiten von ihnen weder ver-
schieden noch der Natur nach früher sind. Denn wären beispielsweise das Agathon und das 'Wesen des Aga\
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thon' (ro Q.Y"'''t' ,wQ,') verschieden, so würden die Ideen neben deren Wesenheiten (Ousiai) existieren und die Wesenheiten der Natur nach früher als die Ideen sein, wobei die Wesenheit (Ousia) hier r6r/[v E~Q,' bedeutete (a29-b3). Aristoteles analysiert hier Standpunkt seines eigenen PI at ans Ideen vom ontologischen Schemas. Gleichzeitig behälter aber Platons ontologischen Grundsatz bei, die Idee sei früher als das Einzelne, um die ganze Interpretation dann ad absurdum zu führen. Von seinem ontologischen Schema ausgehend, unterscheidet er zunächst zwei Arten des an sich Ausgesag. I
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ten (1;'0 "q.v'Q.vt"o ""(o/u:vov ): dl.e Idee als das Einzelne ( z;~ ~4-~' ~~Q,6rov) und das "Wesen" der Idee als ro &'6"V/I'. Da er aber Platons ontologischen Grundsatz beibehält, behauptet er zugleich, daß das "Wesen" der Idee der Natur nach früher als die Idee selbst ist. Die beiden existieren demzufolge
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nebeneinander als. zwei an sich bestehende Seiende. Die Konsequenz einer solchen Interpretation läßt nicht lange auf sich warten. Denn es wird von Aristoteles anschließend behauptet: Wenn die Idee und deren "Wesen" voneinander getrennt sind, dann gibt es von dem einen keine Episteme, das andere ist dagegen kein Seiendes. Die Begründung: Die Erkenntnis (Episteme) eines ~eden kommt nur dann zustande, wenn wir dessen , /. ~ . ro n erkennen (b3-7). Von der Idee können wir aber deswegen keine Episteme erlangen, weil sie \ /". :" kel.n cO C'C C~VQ," ist.
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23 Das "Wesen" der Idee ist dagegen kein seiendes, weil es ja von der Idee bzw. dem Einzelnen (ro 1G4~J
i'ltAbroV), sofern dieses ein Seiendes ist, getrennt ist. Conclusio: Wir müssen die Trennung zwischen den beiden entweder aufheben oder beibehalten. Aristoteles plädiert zweifellos für die erste Lösung. Es ist notwendig, daß das Agathon mit seinem "Wesen" identisch ist, sofern es nicht in bezug auf ein anderes, sondern an sich ausgesagt wird 62 • Welches Ziel verfolgt nun Aristoteles mit seiner Interpretation der Platonischen Ideenlehre? Die ganze Argumentation wird zunächst, von seinem ontologischen Schema ausgehend, ad absurdum geführt und dann anschließend widerlegt. Denn wenn die Idee als c~ (.1 ~ \ /?~ lCQ.t~ E/LQ,ot:OIl" von dem "Wesen" als dem ro I:L "I'" ~'V4-l; getrennt wird, dann wird zugleich das Sein vom Denken bzw. das Seiende von dessen Wesen getrennt, so daß die Idee zwar seiend ist, aber unerkennbar bleibt, das "Wesen" der Idee dagegen erkennbar, aber nicht seiend ist. Das ist allerdings absurd. Die Idee muß ja notwendig mit deren "Wesen" identisch sein. Die Aufhebung der zunächst ad absurdum geführten Argumentation führt Aristoteles anschließend zu der entscheidenden Aussage: "Es genügt nämlich auch, wenn diese (nämlich die Identität) vorliegt, auch wenn es keine Ideen geben mag. (Diese Identität) wäre aber vielleicht noch besser (tta'Hov), falls die Ideen existierten. Es wird allerdings zugleich klar, daß das Hypokeimenon, sofern es die Ideen einige behaupten, keine ausia wäre,,63. Aristoteles
geht
es
hier
ausschließlich
gibt, um
wie einen
Identitätsgrundsatz, den er im Anschluß an die Interpretation der Ideenlehre, welche an seine eigene ontologie gebunden ist, zu begründen sucht. Weil es ja die Platonischen Ideen als transzendente Wesenhei-
24
ten laut Aristoteles nicht gibt, so tritt an die Stelle der Ideen und deren "Wesen" das eigentlich Seiende, sofern dieses ein Einzelnes (l'd " .. ~>i'I(.4OrClV ) ist, und das Allgemeine als das, was das einzelne . .. \ ,,1" ?' Se1.ende 1.n se1.nem Wesen «(CI rc ~II' .'VA&.) ist. Da es nun genügt, daß die Identität eines jeden Seienden mit dessen Wesen überhaupt stattfindet, auch wenn _es keine Ideen gibt, so gilt die Identität zwischen dem Einzelnen und dem Allgemeinen als bewiesen. Diese Identität wäre vielleicht noch evidenter, fügt Aristoteles hinzu, wenn die Ideen existierten. Das ist andererseits völlig unmöglich, sonst wäre das Hypokeimenon, sofern dieses r~ ~a,V' ~QbroV bedeutet, keine Ousia. Resümee: Indem Aristoteles der Welt des Werdens und Vergehens den Rang des Seienden verleiht, kommt er unvermeidlich zu einer mit Konfrontation der Platonischen Ideenwelt. Diese Konfrontation führt Aristoteles zu seiner eigenen Ontologie. Das eigentlich Seiende wird nicht mehr die platon"ische idea oder das aristotelische Allgemeine, sondern das Einzelne (Z'b /ta.V,rlUlbn,.,). Nun stellt· sich die Frage, wie die Erkenntnis des Seienden überhaupt möglich ist, falls das eigentlich Seiende ein Einzelnes und Wahrnehmbares ist. Denn die Episteme geht inuner auf das Allgemeine und das an sich notwendig bestehende Seiende. Das Einzelne ist aber, sofern es seiend und wahrnehmbar ist, weder ein Allgemeines noch ein notwendig Bestehendes. Das Wahrnehmbare kann unmöglich ein Allgemeines sein, weil ja das Allgemeine durch die Aisthesis gar nicht erkennbar ist. Es gibt also nach Meinung von Aristoteles keine Episteme vom Einzelnen. Wenn aber die Erkenntnis vom Einzelnen unmöqlich ist, das Allgemeine andererseits kein eiqentlich Seiendes bedeutet, so muß laut Aristoteles ein erkenntnistheoretischer Identitätsqrundsatz, nämlich die Identität von Einzelnem und Allqemeinem, aufgestellt werden. Denn wir
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erkennen alles nur dann, sofern Identisches und Allgemeines ist 64 •
Etwas
Eines,
Was für eine Erkenntnis das ist, mu8 die nachfolgende Analyse noch klarstellen. DeDIl ill.ia.eit cUe.e Idelltität VOll Bill.elllell ulld Allqa.eillell überhaupt .6qlich i.t, .ua ari.totele. Iloch beqrülldell. Da. StrebeIl Ilach der 8eqrillduDq .eille. Idellti tät.qruDdsat.es führt Ari.totele. let.tell Blldas .u 4er BlltdeckuDq 4er sylloqistik.
Z.eiter Abschllitt.
Die phällo.elloloqische Loqik de. Protaqoras
1. Platoll uIl4 protagora. Bei der Beurteilung der sogenannten sophistik sind wir hauptsächlich auf die Schriften Platons und Aristoteles' angewiesen. Da8 sie die schärfsten Kontrahenten der Sophistik waren und diese mit allen Mitteln bekämpften, ist zwar allgemein bekannt. Diese Tatsache wird aber kaum ernst genommen und die erbitterte Rivalität zwischen den beiden Lagern, welche vor allem Platon zu sarkastischem spott und boshaften Unterstellungen führt, oft ignoriert. Mit der Überzeuqunq, Platon sei der qrö8te "Moralist aller zeiten", übernehmen wir unkritisch seine "wahre" xritik der Sophistik. Wie total und widerstandslos wir uns Platons Diktat unterwerfen, zeigt die Verwirrunq, die bis zum heutigen Tage bezüqlich der Auslequnq des Protaqoreischen homo-mensura-Satzes herrscht. Das ist auch kein Wunder, wenn man bedenkt, da8 dessen Interpretation überwiegend im Anschluß an die platonische Deutunq qeschieht. Man pflegt den homo-mensura-satz 65 , mit Heinimann qesprochen, entweder "als letzte Konsequenz aus der 64 Siehe Anm. 6165 Siehe auch Anm. 81.
26 parmenideischen Einheit von Denken und Sein" aufzufassen, sofern nämlich "alles, was sich denken läßt, dadurch, daß es qedacht wird, auch ist,,66. Diese Auffassung erhält nach Meinunq von Lesky "eine ausqezeichnete Stütze durch eine Bemerkung des Porphyrios über eine Schrift des Protagoras Ober das Sein ( n~l" \ 'l'ou ovt0.r, B2), für die man Identität mit der Wahrheit vermuten darf. Sie war qeqen jene qerichtet, die das Seiende als ein Einziqes und als Absolutes einführten. So steht das Denken des Protagoras zu dem des parmenides in Antithese und bleibt ihm andererseits doch enqe verbunden. Denn es ist erlaubt, im homo-mensura-Satz die parmenideische Einheit von Denken und Sein wiederzuerkennen, die nunmehr radikal auf das wahrnehmende und denkende Individuum übertraqen ist,,67. Das führt schließlich zu der Ansicht, daß "die Bedeutunq des Protagoreischen Satzes in der Relativierung des Seinsbegriffes liegt: das sein wird als ein sein für den Menschen verstanden,,68. Man läßt allerdinqs unbeachtet, daß Aristoteles in diesem Zusammenhang eben nicht vom "Sein als dem Sein für I den Menschen", sondern vielmehr vom 'i'Q.LVO/fI:VOV als tpQ.Lvdl"EVdV ,",li'.. (Met. lOlla18f) spricht, und daß protaqoras selbst keinesweqs das phainomenon mit dem On qleichsetzt. Oder man entdeckt mit Hegel "den Doppelsinn des Wortes 'Mensch' ,,69. Im Menschen als dem Maß aller Dinqe liegt nämlich "die Zweideutigkeit, daß d~r Mensch der Geist in seiner Tiefe und Wahrhaftigkeit, oder in seinem Belieben und besonderen Interesse sein kann. Die Sophisten meinten den bloß subjektiven Menschen und erklärten hiermit das Belieben für das Prinzip dessen, was Recht ist,,70.
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66 Heinimann, F.; Nomos und PhysIs. Herkunft und Bedeutung einer
67 68 69 70
Antithese im griechischen Denken des S. Iahrhunderts, Basel 1945, S. 117; vgl. Martens, E., Das selbstbezügliche Wissen in Platons 'Charmides', München 1973, S. 66. Lesky, A., Geschichte der griechischen Literatur, München 31971 , S. 392. Oehler, K., Der unbewegte Beweger des Aristoteles, Frankfurt 1984, S.99. Martens, a.a.O., S. 67. Hegel, Philosophie der Geschichte. Slimtliche Werke ed. Glockner, Bd. 11, S.349f.
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Diese und viele andere nicht erwähnte Auslegungen hängen zweifellos von Platons Deutung des homomensura-Satzes ab. Da8 Platon selbst aber nicht unparteiisch ist und den Gegner oft ausschlie8lich vom standpunkt seines eigenen Philosophierens ohne besondere Rücksicht auf den sinn und die Bedeutung des tatsächlich Gemeinten angreift, geht aus der nachfolgenden Untersuchung hervor. Die Abhängigkeit von Platons Schriften erschwert naturgemäß die richtige Bewertung dieses Mannes, dessen Einfluß selbst bei Platon spürbar ist71 • Die Platonischen Schriften bieten dennoch genügend Material, um eine von Platon unabhängige Meinung über den Protagoreischen Satz zu bilden.
a) Der bomo-meDsura-Sat.
Mit Anspielung auf den Protaqoreischen Satz ' mtvr4Jv XPt)j'1t.r""v ~'rpav ltv9p",,"O.r' verkündet Platon in den • .. CI \ I I I Nomo~ (716c4):' 0 '" vla.r ••. nQ.v~Glv )(P~"'A('e.JV I";~I'0V ' • Seine Polemik richtet sich offenkundig gegen Protagoras. Sie trifft Protagoras allerdings ganz und qar nicht. Platon vergleicht das Unvergleichbare auch wenn er von seinem eiqenen Standpunkt her durchaus Recht hat. Denn seine Philosophie bestimmt er als die Episteme (Theait. 148c), die nach dem Tode strebt (Phaid. 64a). "Der Tod bedeutet hier eine Befreiung der Seele vom Leib, d.h. "von den Affekten und Bedürfnissen des Leibes, das Transzendieren der Sinneswahrnehmung und den Versuch, im reinen Denken
71 Platon läßt bekanntlich Protagoras sowohl als Sophist, der die Menschen bildet (Prot. 317b) als auch als Rhetor, der sich schon mit vielen Menschen im Redekampf gemessen hat (335a), charakterisieren. Als Rhetor bedient er sich dabei in seinem Unterricht einer auf die "Technik des Fragens und Antwortens· (Gigon, 0., Studien zur antiken Philosophie, Berlin-New York 1972, S. 100) basierenden Methode. Dies bestltigt ausdrQcklich Diog. Laert., der den Protagoras als ersten die sokratische Art der Reden aufbringen IADt (vgl. Diels, H., Frg.d.Vors. n 254,5); dazu Gomperz, H., Sophistik und Rhetorik, Darmstadt 1965, S. 129.
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das, was ist, zu erkennen,,72. Die Episteme, deren Erkenntnisgegenstand das au&erhalb der wahrnehmbaren Welt existierenden Seiende - die Ideen - ist, beansprucht also, die Ideenerkenntnis zu sein und sieht in der Idee des Guten "das I"/.rl'0v 17Jvr:6J1/ XP7I'Jr:IJ" 73. Protagoras beansprucht dagegen weder die Erkenntnis des au&erhalb dieser Welt existierenden Seienden, wie Platon, noch ersetzt er den Gott durch den Menschen, noch sieht er im Menschen ein Ma& des Göttlichen. Das Gegenteil ist der Fall. In einem von wenigen überlieferten Fragmenten sagt protagoras unmi&verständlich: "Über Götter habe ich keine Möglichkeit zu wissen, weder daß (~f)74 sie sind, noch daß 75 sie nicht sind, noch, wie sie etwa an Gestalt sind, denn vieles gibt es, was das Wissen hindert: die Unsichtbarkeit und daß das Leben der Menschen kurz ist" (Frg.B4). "Ob sich hinter dieser Aussage eine völlige Leugnung des Göttlichen birgt, können wir - so Lesky - nicht entscheiden. ,,76 Er fügt dann sofort hinzu: "Gelegentlich (A12) hat man Protagoras zu den Atheisten gestellt, während ihn Cicero (de nato deor. 1, 2 J 117) von diesen sCheidet.,,77 Und Andreas Graeser sagt im Einvernehmen mit cicero: "Die Tatsache, daß seine Antwort agnostischen Charakter hat, scheint eher dafür zu sprechen, daß Protagaras seinerseits auch bereit war zu sagen: Es gibt keine Gründe, die mich zu dem Entscheid verpflichten, die Annahme der Existenz von Göttern ".
78
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zuruckzuweisen." Der Satz ' /TQ, 11 rlJ " Xp~rQ.~OlV rn:l'0v cw{}pe.m0S"' bezieht sich somit ausschließlich auf den Bereich der wahrnehmbaren und menschlichen Dinge. Bormann, K., a.a.O., S. 41 r. Vgl. Düring, I., a .•.O., S. 81 Anm. 198. Siehe Anm. 81Siehe Anm. 74. Lesky, •.a.O., S. 391. 77 Ibd. 78 Graeser, A., Die Philosophie der Antike 2, in: Geschichte der Philosophie, Hrsg. W. ROd, MDnchen 1983, S. 30.
72 73 74 75 76
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Während Platon nach der Erkenntnis der außerhalb der wahrnehmbaren Welt existierenden Ideen strebt, macht Protagoras eben diese wahrnehmbare Welt zum Gegenstand seiner Auseinandersetzung. Es steht somit fest, daß der Protagoreische homo-mensura-Satz nur auf den Bereich des Menschlichen angewandt werden darf.
b. Die Interpretation "
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Bezieht sich der Satz ' na.vr
xpfra,r:a,
Bei der Analyse des satzes 8l , n,f,vr""v Xr7/1etl:4J1I' I 'r I "Q "\,,, c ~"r' "",.... f+E.CfoV Eon v a-vvl'tJno,r, CcJv /1'1/ ovr,,1II' c,)f 'or'"" r4lv oCl~ 11 Co""'" . fest, daß Platon 1m . OVl:41V-.;.r01J1f, tor,lI" stellt K.v.Fr1tz Co ~ Dialog 'Theaitetos' das durch das o~~ ersetzt hat. Daß aber "die Bedeutung von;J und o~ nicht identisch
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79 v. Fritz, K., Artikel 'Protagoras' RE XXIII, I (1957), S. 913f. 80 Kullmann, W., Zur Nachwirkung des homo-mensura-Satzes des Protagoras bei Demokrit und Epikur, in: Archiv fllr Geschichte der Philosophie SI (1969), S.128. 81 "Die Interpretation dieses Satzes gibt eine Reihe von Problemen auf. Sie alle konvergieren irgendwie in der Frage nach der Bedeutung des Ausdrucks "JS ", der sowohl (A) als Konjunktion verstanden und entsprechend durch "daß" als auch (B) als Adverb verstanden und entsprechend durch "wie" wiedergegeben werden kann. Daneben gibt es auch die Annahme (C), daß Protagoras "bei seiner Aussage zwischen diesen beiden Bedeutungen nicht ausdrllcklich unterschieden und keine derselben von ihr ausgeschlossen habe" (Graeser, A., a.a.O., S.2I).
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ist, da das erste 'auf welche Weise', das zweite 'wie beschaffen' bedeutet ••• , die Bedeutung 'auf welche Weise' im ZusalDlllenhang keinen guten Sinn ergibt," und daher "rein sprachlich betrachtet, r4f in dem Satz des P. 'daß' heißen muß," dessen war sich nach K. v. Fritz (a.a.O.) zwar auch Platon bewußt. "Er nahm sich " durch O"~' ~ zu ersetzen, weil, trotzdem das Recht, r.Jf wie aus seiner weiteren Analyse hervorgeht, seiner in Wirklichkeit Meinung nach die Xp{rQ/T:Q, ••• I fTo~or:-7rcJ sind. Daß Platon damit Recht hat, scheint daraus hervorzugehen, daß protagoras, um seinen Satz zu beweisen, darauf hinwies, daß es keinen Sinn habe, einem Menschen, der sich kalt fühlt, klarzumachen, daß es in Wirklichkeit warm sei ••• In diesem Bereich sind die 'Dinge' oder Xp1ftQ,'C"Q, , über deren Existenz oder Nicht-Existenz der Mensch entscheidet, offenbar die Eigenschaften ~ . oder nOior'7U.r. warm und kalt. Trotzdem ble~bt d~e Ausdrucksweise des Protagoras, der von Dingen spricht, wo er 'Eigenschaften' zu meinen scheint, seltsam "(a.a.O.).
.
1. Ob Protagoras, um seinen Satz zu beweisen, auf die Eigenschaften kalt und warm hinweist, ist eine Behauptung, die noch bewiesen werden muß. K.v.Fritz' Auslegung ist nur die Bestätigung dafür, wie man sich von platonischem spott irreführen läßt. K.v.Fritz Co ~ stellt zwar richtig fest, Platon habe ""5 durch o&.a.ersetzt und daher dem Satz bewußt einen völlig anderen Sinn verliehen, indem er (Platon) nämlich die I I • Xp~r4r:4 als f70I.o'C"'7 'C"4J'" auslegt. Er relat~viert aber gleichzeitig seine eigene Feststellung und gibt Platon Recht mit der Begründung, Protagoras ziehe angeblich selbst die Warm-Kalt-Analogie in Erwägung. Das ist aber eine sehr merkwürdige Interpretationsweise. Platon wird nicht vorgeworfen, er habe e
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Ol.a.ersetzt und in Xf''7fto,ro, die hineininterpretiert, Protagoras dagegen wird unterstellt, daß er, Protagoras, die platoniSChe Deutung für seine eigene hält. Das Ganze wird noch durch
I f7o,or7r~~
31 zweifelhafter, wenn K.v.Fritz anschließend selbst zugibt, es sei seltsam, wenn Protagoras von 'Dingen' spricht, wo er doch ' Eigenschaften' zu meinen scheint. Es stellt sich somit die Frage nach der tatsächlichen Bedeutung von xpft'a.r:~. 2. Platon geht in seiner Auseinandersetzung mit Protagoras' Satz von der Annahme aus, für Protagoras sei die Episteme gleich der Aisthesis (Theait. 151e3). Wenn die Annahme stimmt, dann bezieht sich die Wahrnehmung immer auf das Seiende und ist nie falsch, weil sie ja eine Episteme ist 82 • Die Episteme ist nämlich eine Erkenntnis dessen, was ist, also des seienden. Das Seiende wird danach durch die Aisthesis und nicht durch das Denken erfa.ßt. Das würde bedeuten, daß Protagoras das 'fa.tvcb9a" eines Seienden , mit dessen HVQ..t. gleichsetzt, da ja ·,a.tvcra."· ein Wahrnehmen ist (152bll). Setzt Protagoras aber das f/JQ,(veb'9a.v mit dem '~Q," gleich, so spricht er dem Seienden seine sicherste Wesensgrundlage 83 ab und macht das Seiende zu einem bloßen Phainomenon. Das ist aber unmöglich. Das Phainomenon ist ja kein seiendes, weil das Phainomenon nicht ' frnv " / sondern ' F",.VEr""'I.'. Beharrt Protagoras dennoch auf der Richtigkeit seines Satzes und behauptet, ~ \ 3\ ,\" \ I ,.." '/~ oUv tU v"" 4:V ~Q" Ft"V? t:ru rq,. "1'q,rr~r:4, 1'0" ""'v ra. rc" I.or"v ~ / ... r-~'\ ~" .." ... , ~ / 'rOL. OLa-' ~. Q.V 00", l:O"Q,Vt'a" OE OOL (erat. 386alf), dann ~
gibt es nicht nur kein An-sieh-Seiendes (Theait. 153e4f), sondern alles befindet sich in 'Bewegung, durch die das Wahrgenommene erzeugt wird (Theait. 153a7f). Nun ist aber die Bewegung von zweierlei Art: die wirkende und die erleidende. Aus dem Zusammentreffen der beiden gehen das Wahrnehmbare und die Wahrnehmung hervor, die immer gleichzeitig mit dem Wahrnehmbaren (Aistheton) entsteht (Theait. 156a4f). Das Aistheton ist somit weder ein wirkendes, ehe es mit einem 82 Vgl. Theait. IS2cSf: IIfli'.fJ.. Iii.jL6 11_", rolf • 1""\ r--. I I 'J"'. "T Q/'flJlJtJtI coi! Ef"or,r..~ 0 of". 83 Vgl. Plat. Crat. 386a4: r"7 ro. rjJ" Co
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32 Erleidenden, noch ein Erleidendes, ehe es mit einem wirkenden zusammentrifft, so daß es kein An-sichSeiendes gibt (157a4f). Wenn Protagoras von etwas behauptet, es sei, muß er immer hinzufügen, es sei für etwas oder von etwas oder in Beziehung auf etwas ~ " ,'f" ,,\ \ -\ / ( r,Vat rt"". 1'"1."1- lWcv", ~ rtvOJ" 1 ",001" r"" l60b8f) • Die Erkenntnis dessen, was ist, wird zu der Wahrnehmung dessen, was wird oder was sich bewegt und verändert,
und das Sein wird zum Werden.
Die Erkenntnis
wird daher zu einer Wahrnehmung der fJ€,oOj1{v2 oJ('t'q, (177c7). Diese pE.poftiv1 oJ6"'/a. ist fur P1aton nichts anderes als die nOL6 r'J" ' die sich während des Wahrnehmens zwischen dem Wirkenden und dem Erleidenden bzw. einem· Wahrnehmenden und einem 'SoBeschaffenen' bewegt (182a3ff). Die nOLtr7Sist also auf das Zusammenwirken von Wahrnehmendem und einem 'So-Beschaffenen' angewiesen. sie ist laut P1aton für Protagaras ein Seiendes, das für einen Wahrnehmenden von Wahrnehmbarem her in Beziehung auf ein 'So-Beschaffenes' eines Wahrnehmbaren existiert. Ein solches Seiendes kann es aber laut P1aton nicht geben. Es ist nämlich kein An-sich-Seiendes, sondern "1"l.ch el.n " , r,voJ" \ \ n (ov). JI 1edl.g ~tv<" oder "pOf Das i st die platonische Interpretation von Xp'?ret.J:Q.. Die Frage ist, was protagoras selbst darunter versteht. 3. Im 8. Kapitel der Kategorienschrift untersucht I Aristote1es verschiedene Bedeutungen von nOLoc7J und erklärt zwei von ihnen anhand desselben Beispiels, welches P1aton in seiner xp1rQ,rq, -Interpretation verwendet. Gemeint sind die Diathesis (8b27) und CI
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m~v'1rt.1e7
I
nOLo"''1f (9a28). Diatheseis nennen wir so Aristote1es - das, was sich leicht verändert und schnell wechselt,· wie Wärme und Kälte, Krankheit und Gesundheit und alles Derartige. Denn aufgrund dieser befindet sich der Mensch in einem bestimmten Zustand, aber er wechselt schnell von heiB zu kalt und von GeSU~dSein zu Kranksein (8b35-9al). Die "Q~Y~'~~ rro,-o C"~.f wird zwar ebenso wie die Wärme und die Kälte ausgesagt, aber nicht, weil die Dinge selbst
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erleiden, sondern weil jede IT""f)'1 in den Sinnen die Pathe hewirkt (9h3-5). Aristoteles verwendet also ein und dasseihe Beispiel für zwei verschiedene ontologische Suhstrate. Im ersten Falle wird der Zustand (Diathesis) des Menschen, das Krankoder Gesundsein des Körpers, mit I dO' 0 rr..r verglichen, durch die der Mensch sich wechselhaft einmal warm, einmal kalt fühlt. Die Diathesis des Menschen befindet sich hier in ei~em wechselhaften Prozeß. Im anderen Falle findet kein Prozeß innerhalh eines Menschen statt. Die Aisthesis geht vielmehr auf den außerhalh des Menschen liegenden Gegenstand, der in der Aisthesis die Pathe bewirkt. Und ehen diese rra.f)~rlM~ dO"/T'JJ wird von Platon als das protagoreische XP'lra- interpretiert. Die von K.v.Fritz als Seltsamkeit eingestufte Tatsache, daß Protagoras von Dingen spricht, wo er doch Eigenschaften zu meinen scheint, kann nunmehr dadurch geklärt werden, daß man die weder als Dinge noch als Eigenschaften, sondern als Diatheseis hestimmt. etwas,
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4. Platon charakterisiert Protagoras als einen Sophisten, der zum Telos seiner Bildung die Euhoulia hat, die dazu befähigen soll, in eigenen sowie in den Angelegenheiten der Polis durch Wort und Tat zu wirken (Prot. 3l8d9f). Euboulia ist das Hauptanliegen der Protagoreischen Bildung. Denn Protagoras trat schließlich in der öffentlichkeit hauptsächlich mit dem Anspruch auf, "junge Leute zu erfolgreichen Politikern herauszubilden,,84. Weder an der Erkenntnis des Göttlichen noch an den sensualistischen Theorien85 noch an vorsokratischen Kosmogonien war er· jemals interessiert, sondern einzig und allein an der Euhoul1a, welche die Zu- und Umstände des menschlichen 84 v. Fritz, a.a.O. 85 Mit Recht weist K.v.Fritz (a.a.O.) darauf hin. daß "der Satz des P., wenn man die logischen Folgerungen daraus zieht, (zwar) zum absoluten Sensualismus ... oder absoluten Subjektivismus '" führt", Platon IIIßt aber zugleich "ebensowenig einen Zweifel darllber. daß P. selbst die lIußerste Folgerung aus seiner eigenen Lehre keineswegs gezogen hat".
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Handelns zu beurteilen beansprucht. Man kann daher im Anschluß an Graeser durchaus davon sprechen, daß es sich bei den ~vrQ, des Protagoras "keineswegs um individuenartige Dinge handeln muß, sondern daß es dem normalen griechischen Sprachgebrauch entsprechend ebensogut um Sachverhalte gehen kann, d.h. um das, was der Fall ist. Diese überlegung ergibt sich problemlos aus der Beobachtung, daß ein quasi als einstelliges Prädikat konstruiertes "ist" im Griechischen anders als in unserer Sprache nicht nur "existiert", sondern auch "ist der Fall", "ist wirklich (so)" bedeuten kann. • •. Eine derartige Ausdeutung, wonach Protagoras also nicht vom Existieren oder Nicht-Existieren individuenartiger Dinge gesprochen hätte, sondern vom Bestehen oder Nicht-Bestehen von Sachverhalten,,86, scheint mir die einzig richtige zu sein, auch wenn A. Graeser mit Recht darauf hinweist, "daß di~se Ausdeutung Gefahr läuft, eine Unterscheidung zu thematisieren, von der sich kaum sagen läßt, daß sie in der grieChischen Philosophie tatsächlich vorhanden war,,87. Es stellt sich für Protagoras in der Tat nicht die Frage, ob die ~vr~ existieren oder nicht existieren, sondern ob die in Erscheinung tretenden Phänomene des menschlichen Handelns im Augenblick des Beurteilens bestehen oder eben nicht bestehen. Darauf richtet sich auch die Frage des Sokrates (Theait. 161d6ff): "Wenn jeder nur seine Doxa hat und diese (Meinungen) richtig und wahr sind, wie soll dann Protagoras ein Weiser sein, so daß er mit Recht sich als Lehrer für andere hält, da doch jeder' das Maß seiner eigenen Weisheit ist?" Wie (ofa.) jede Polis das Gerechte meint, antwortet Protagoras, so gilt es auch für sie, solange sie es für ein solches hält. Dasselbe betrifft auch einen Sophisten, der diejenigen, welche sich unterrichten lassen, weise und würdig zu erziehen versteht. Es ist dabei beides möglich, daß 86 Graeser, a.a.O., S. 22f. 87 Ibd.
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die einen weiser sind als die anderen und keiner dennoch eine falsche Doxa hat (167c4ff) • Daß Protaqoras hier von Platon richtiq wiederqeqeben wird, darüber besteht kein Zweifel. Dabei brinqt Platon das (161c4) nicht mehr in eine Verbindunq mit der notJr?.r, sondern mit der Doxa der Polis oder des MenSChen, die sich auf das Gerechte im Bereich des Politischen bezieht. Es qeht also um die Doxa, die nicht falsch sein muß, solanqe sie für richtiq qehalten wird. Diese Nicht-falsche-Doxa erhebt sich nur
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dann zu einer besseren Doxa, wenn sie laut Protaqoras an seiner Protaqoreischen Euboulia partizipiert. 2. protaqoras' Beqriff von Phainomenon a) Das wahrnehmbare PhäDomen Platon lehnt entschieden die Annahme ab, die Episteme sei Aisthesis. Denn nimmt man an, die Aisthesis sei doch eine Episteme, so bedeutet das, daß die an sich unveränderlich bestehende ousia eben eine veränderliche ist: Das Seiende hebt sich .selbst auf, indem es nicht mehr '~I;hv', sondern 'l':tV"~tJ>" •. Die Aisthesis kann somit unmöqlich eine Episteme sein. sie nimmt nämlich nicht das Seiende, sondern nur das Phainomenon wahr. Was versteht Platon aber unter dem Phainomenon des Protaqoras? In der Metaphysik 1010b1-30 unterscheidet Aristoteles vier Arten des Wahrnehmunqsobjekts. Die eine Art erwähnt Aristoteles nebenbei mit dem Hinweis darauf, daß Platon dies schon länqst erörtert hat (b11-14). Gemeint ist Platons Auseinandersetzunq mit Protaqoras. Die drei anderen werden hinqeqen ausführlicher behandelt. Gemeint sind a. r:6 t'dLov (b1-3), b. t'~ I
r:b 1
a. 1'&'tov ist das eiqentÜlllUche Objekt (t..Vr:LKtlrr.VOV ), das durch einen Sinn wahrqenommen wird (de an. 418a11).
So wird beispielsweise die
Gesichts-,
nicht
von
dem
Farbe von dem
GeSChmackssinn,
und
die
36 Speise von dem Geschmacks-, nicht Gesichtssinn, wahrgenommen (b16).
aber
von
dem
b. Die Wahrnehmung von n'. leowrfv kann dagegen auch falsch sein. Die Aisthesis täuscht sich dabei nicht darüber, daß es z.B. Farbe gibt, sondern was das Farbige ist, weil ja ~~ Ko,vrfv keiner Wahrnehmungsart "r• , " Cl eigentümlich, sondern allen durch KlV7''), ~P'lu4,4PlV"Af, und ft/r~~"f gemeinsam ist (de an. 41Ba14-18).
t:x9",,-
c. Vom beiläufig wahrgenommenen objekt spricht man dann, wenn das Weiße da der Sohn des Diares ist (418a20). Es handelt sich hier um eine Wahrnehmung, die z.B. denselben Wein einmal als süß und das andere Mal nicht als süß empfindet. Das Süße selbst, so wie es ist, sofern es ist, verändert sich aber niemals (b21-24). Denn das Notwendige kann sich nicht so und auch anders verhalten, so daß es, sofern es notwendig ist, sich nicht zugleich so und auch nicht so verhält (b28f). Aus dieser Aristotelischen Unterscheidung verschiedener Arten von Wahrnehmungsobjekten geht deutlich hervor, daß Platons sensualistische Deutung des homomensura-Satzes sich auf die XP~4~ als die beiläufig wahrgenommenen Objekte bezieht. Eine solche Deutung führt Platon zwangSläufig zum spott (vgl. Theait. 161c). Denn das An-sieh-Seiende, das sich eben nicht so oder anders verhalten kann, setzt Protagoras nach Meinung von Platon mit dem beiläufig wahrgenommenen objekt gleich. Warum Platon nun die Protagoreischen
Xp1f1o.r:4 ausschließlich so verstehen will, ergibt sich aus dem Wesen Platonischen Philosophierens. Von Aristoteles wissen wir, daß Sokrates sich nur mit den ethischen Aretai beschäftigte und als erster sie allgemein zu definieren suchte, ohne dabei das Allgemeine als ein selbständiges Wesen zu betrachten. Das haben aber die Ideenfreunde gemacht88 • Platon 88 Vgl. Met. l078b17-32.
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trennt ja die Ideenwelt, die Welt des eigentlich Seienden, von der Welt des Werdens und Vergehens, also von der Welt des Nicht-seienden. Er kann demgemäß auch das menschliche Handeln so auffassen, daß dieses entweder der Ideen- oder der Welt des Werdens und Verqehens und somit den wahrnehmungsgegenständen89 angehört. Und so kann Platon auch behaupten, der einzig wahre Politiker sei Sokrates, der von sich nicht gerade bescheiden sagen läßt: "Ich glaube, daß ich mich mit wenigen Athenern, um nicht zu sagen als einziger, an der wahren Staatskunst versuche und als einziger von den heutigen [Politikern] die wahre Politik mache.,,90 Denn die wahre Politik kann nach Meinung von Platon nur anhand der Ideenerkenntnis betrieben werden. Die Wahrnehmung der sinnlich wahrnehmbaren Welt und deren Phainomena führt dagegen weder zur wahren Politik noch zu irge~deiner Erkenntnis. Nun gibt Platon allerdings selbst im Verlauf der Untersuchung seine sensualistische Auslequng preis, indem er von seinem spott zu der eigentlichen Bedeutung des Protagoreischen Satzes übergeht. Denn ob wir das Süße an sich mit der Aisthesis erkennen können, oder ob die Aisthesis nicht das Süße an sich, sondern nur dessen Schein wahrnimmt, ist schließlich das Problem der philosophischen Erkenntnistheorie, deren Urheber Platon selbst gewesen war. Protagoras hatte weder eine Ahnung davon noch ein Interesse daran.
b) oie Ooxa und da. Phainomenon a) oie Reilkun.tanaloqie Aristoteles überläßt zwar Platon, wie gesagt 91 ,
die
Erörterung des Problems. Er sagt aber zugleich in äußerst knapper Form deutlich genug, worum es sich 89 Vgl. Met. IOIOal-4. 90 Gorg. S21d 6f; vgl. Martens, a.a.O., S. 18. 91 Siehe oben S. 35.
38 hier handelt: "Bezüglich des Zukünftigen ist, wie schon Platon sagt, wohl die Doxa des Arztes gültiger als die des Laien, z.B. darüber, ob jemand in der Zukunft gesund sein wird oder nicht. ,,92 Es geht hier also um die Beurteilung des zukünftigen. Aristoteles übernimmt stillschweigend die Argumentation seines Meisters. Man findet in der Tat bei Platon im Dialog 'Theaitetos' 178af. die ausführliche Behandlung des Themas. Nach der sensualistischen Interpretation des homo-mensura-Satzes geht Platon nunmehr zu der Frage nach dem Nützlichen über. Er kommt zu dem Ergebnis, das Nützliche sei eng mit dem Zukünftigen verbunden. Geben wir z.B. die Gesetze, so geben wir sie, damit sie für die nachfolgende zeit nützlich sind. Sie beziehen sich nämlich auf das Zukünftige (a5-10), so daß das Nützliche und das Zukünftige im Bereich des Handelns eng miteinander verbunden sind. Nun stellt Platon die Fra~e: "Sollen wir sagen, Protagoras, daß er (der Mensch) das Kriterium des Zukünftigen in sich selbst hat ••• 1 Wie etwa mit der Wärme, wenn ein Laie glaubt, das Fieber werde ihn ergreifen ••• , ein Arzt aber glaubt das Gegenteil: Sollen wir sagen, das Zukünftige werde nach einer von beiden Doxai ablaufen, oder etwa nach beiden" (b9-c6)? Anhand der Heilkunstanalogie sucht Platon also zu zeigen, es sei möglich, das in der Zukunft liegende Nützliche zu begreifen. Seine These ist: Das Wissen vom Politischen ist mit dem der Medizin vergleichbar. Der Vergleich geht möglicherweise auf den Anspruch der antiken Medizin zurück, das Zukünftige aus den gegenwärtigen KrankheitserSCheinungen vorhersagen zu können. Denn der beste Arzt, indem er sich auf die Pronoia versteht, erkennt vorzeitig das Gegenwärtige und das Vergangene bei den Krankheiten, um das Zukünftige vorherzusagen 93 • Die beste Behandlung der Patienten ist nämlich durch "das Wissen vom Zukünftigen aus gegenwärtigen Empfindungen des Kör92 Met. IOIObll-14. 93 Prognostikon, Kap. I (bei Kühlewein), S. 110 (bei littn!), Z.I-S (bei Kühlewein).
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pers,,94 möqlich. Der Arzt, der richtiq voraussehen soll, muß alle Symptome der Krankheit erforschen, um ihre Wirkunqen aufeinander beurteilen zu können. 95 Der Verqleich des Wissens von Politischem mit der Heilkunst ist allerdinqs nicht unproblematisch. Weil den Krankheitserscheinunqen ein ontoloqisches Substrat, der Körper des Patienten, zuqrundelieqt, vermaq die Heilkunst aus den qeqenwärtiqen Empfindunqen des Körpers die zukünftiqen Folqen der Krankheit zu erschließen. Der Arzt erkennt den zukünftiqen Verlauf der Krankheit desweqen, weil die Krankheitserscheinunqen an ein ontoloqisches Substrat qebunden sind, dessen qeqenwärtiqen Zustand sie auch manifestieren. Sie sind lediqlich Zeichen des Krankseins eines Körpers, der zum Gesundsein fähiq ist. Weil nun den verqanqenen, den qeqenwärtiqen und den zukünftiqen Krankheitserscheinunqen ein einziqes Substrat zuqrundelieqt und die Heilkunst die Erkenntnis des Konträren bedeutet, kann sie das Wesen der Krankheit erkennen, indem sie bei sich selbst das Geschehene und das Geqenwärtiqe analoqerweise auf das Zukünftiqe bezieht (vql. Theait. 186a10f). Ein solches Wissen hat zwei unabdinqbare Voraussetzunqen: die Einheitlichkeit eines ontoloqischen Substrats und die Kontrarietät der Geqensätze. Eine Substanz ist nur dann für das Konträre empfänqlich, wenn sie der Zahl nach eine und dieselbe ist96 • Ob diese beiden Bedinqunqen der medizinischen Erkenntnis von dem zukünftiqen Verlauf der Krankheit auch auf das Wissen vom Nützlichen im Handeln übertraqbar sind, ist die These, welcher Protaqoras zweifellos ablehnend qeqenübersteht.
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94 Ibd. 9-10: npontc.Jf ~Q. lDO/UVIL E." UIV l1o.p'tJvre,Jv ri4v'Jlurr.lv. 95 Ibd. Ka? 25, S. 188, Z; 13-~O\ <.\ \ • \ ~ CI 96 Vg\. AnstoteIes, Kat. 4a17: ,. !r. y~ ovE;'", tV /(Q,L 'Q,vrov Q,fJtv/",{1 ~v .ru"r..~.\v r:~v lVQ,vrL'Alv :5"r/v.
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8) Die Allodozia Protagoras' Ansicht, es gelte beides, daß die einen weiser als die andere~ sind und keiner dennoch eine falsche Doxa hat 97 , veranlaßt Platon zu behaupten, Protagoras gäbe demjenigen zu, der das Gegenteil (von ihm) behauptet, daß jener andere richtig meint98 . Daraufhin folgt Platons Resümee: Protagoras muß einräumen, daß weder ein Hund noch ein Mensch das Maß dessen ist, was er nicht gelernt hat (171cl). Hinter dieser Replik verbirgt sich zweierlei: a. Das.Meinen kann unmöglich eine Erkenntnis sein. Denn wer "eine Sache gelernt hat, ist ein solcher, wie die Episteme ihn ausbildet" (Gorg. 460b4). Die Doxa ist aber keine Episteme. b. Die Doxa kann keine Wahrheitserkenntnis beanspruchen. Denn keiner wird vernünftiger sein als ein anderer, wenn das wahr <wirklich> sein wird, was jedem so erscheint (Crat. 386C). Nun behauptet Protagoras keineswegs, daß die ihm entgegengesetzte Doxa wahr ist, sondern nur, daß sie nicht unbedingt falsch sein muß. Das ist aber etwas ganz anderes. Die Nicht-falsche-Ooxa bedeutet für Protagoras nicht schon die wahre. Platon behauptet aber genau das Gegenteil. Worin liegt der Unterschied? Die Antwort finden wir bei Aristoteles im 4. Buch der Metaphysik 1009a 6-15, wo er gegen "die Lehre des " Protagoras" (0 pCJro.yopt/IJ ,,"orof po1 em~s~ert. Ge. i . ,.., , I me~nt st der Protagore~sche Grundsatz: ' QUO ",oruS 'ö"
cn
',')
"Wenn alles Meinende und Erscheinende wahr ist, ist alles notwendig zugleich wahr und falsch,,99, behauptet Aristoteles. Denn viele haben gegensätzliche Meinungen und halten die mit ihnen nicht
41
identische Meinung für falsch, so daß dasselbe notwendig ist und nicht ist. Und wenn dies so ist, ist alles, was man meint, notwendig wahr. Denn die falsch und wahr Meinenden meinen eben (einander) das Entgegengesetzte • "Verhäl t sich also das, was ist, so, dann sagen alle die Wahrheit,,100 (a8-15). Aristoteles' Einwand lautet also, die Doxa des Protagoras beziehe sich ausschließlich auf das Phainomenon und könne demzufolge die Wahrheitserkenntnis nicht beanspruchen. Macht sie das trotzdem, dann setzt sie das Phainomenon mit dem Seienden gleich. Denn "wahr ist [zu sagen], das Seiende sei und das Nicht-seiende sei nicht"101. Die Wahrheit ist also immer schon eine Wahrheit von dem, das ist. Aristoteles faßt hiermit im Anschluß' an Platon die " I QJvr""s,,/,~vot.. ).0Y0t.als entgegengesetzte Meinungen ( r""vet-V'1:''''''', 1009a10) auf, die entweder wahr oder falsch sein müssen. Protagoras vertritt allerdings eine andere Auffassung. Er versteht zwar unter Doxai ebenso entgegengesetzte Meinungen, die aber nicht unbedingt wahr oder falsch sind. Das Phainomenon des Protagoras ist ja ein solches, was von keinem Zugrundeliegenden ausgesagt wird. Ihm liegt nämlich gar kein einheitliches ontologisches Substrat zugrunde. Die Q,VflI,le,(.. / r!VO~~Oro, versteht Protagoras nicht als entgegengesetzte Meinungen, die wahr oder falsch sein müssen, sondern als dasjenige, was Aristoteles t'~ rt.. 102 nennt. Denn das Phainomenon des protagoras ist eben nur ein Relatives (r'6 ~o{-r~), welches in bezug auf die Doxa des Handelnden existiert. Das 'PQ,'V~EVOV ist laut Aristoteles ein ~~,v~&vJvnv~103. Im Handeln gibt es somit für Protagoras weder die ontologische Erkenntnis noch die wahre Doxa, sondern nur eine Nichtfalsche-Doxa, die P1atonAllodoxia nennt 104 und die
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100 101 102 103 104
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ihr"
42 laut Protagoras durch die Übung und Entfaltung der Naturfähigkeiten105 bedingt ist. Denn "nichts ist Fertigkeit ohne Übung und Übung ohne Fertigkeit.,,106
Aristotele. Logik
3.
al.
Gegner
der
phänomenologischen
a)
Bei der Erörterung des sichersten Prinzips (ß'/J""or/u, ~PX~ seiner 'Logik' übt Aristoteles im 6. Kapitel des 4. Buches der Metaphysik 101la9-24 eine massive Kritik an dem oben erwähnten Grundsatz des protagoras ~,
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(,/1 /.vov.r J.Uf).o(,.r', Wie kann nämlich ein Prinzip
durch Beweis (Apodeixis) gewonnen werden, wenn ein Beweis (Logos) für das gesucht wird, wofür es keinen " \ Q,rrOoc(, " rBeweis gibt (~9)? Denn die Q,fX7 f.w.r ist doch nicht selbst eine Apodeixis (a13). Wird aber gefordert, man solle das Entgegengesetzte sagen, während man doch selbst schon das Entgegengesetzte ausspricht, so verlangt man das Unmögliche (a16). Die JpX1 lffo6"dJ'Uf muß vielmehr die Protasis sein, die KQ.~:J iv'.J 107 notwendig bejahend oder verneinend aussagt. lOS Protagoras fordert dagegen, man solle das Entgegengesetzte sagen, während er selbst • ~ \ , t"'5 schon das Entgegengesetzte .l.n der Q,PX1 a.rr"o,,),wf ausspricht und somit die Protasis aufhebt. Protagoras' Grundsatz entblößt sich als ein
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,IV
scheinbarer Syllogismus ('II.Woftl:v", bV,UO!"o/c;) , sich bloß auf das Phainomenon und nicht auf Seiende bezieht.
105 106 107 lOB
der das
43
Worauf Aristoteles hinauswill, ist klar. Auch wenn man annimmt, daß die :'tlr"/4cfrcv,,1. ~o',yo&. sich auf das in der Zukunft liegende Mögliche beziehen, welches im Bereich des nicht immer Gegenwärtigen sein oder nicht sein kann, so daß beides - das Sein oder das NichtSein, das Werden oder das Nicht-Werden möglich ist l09 , so ist dennoch ein Zugrundeliegendes notwendig, von dem jede Protasis bejahend oder verneinend aussagt. Hebt Protagoras aber ein Zugrundeliegendes, ein Hypokeimenon, auf, so macht er die Doxa selbst zu. einem Hypokeimenon und läßt die Phainomena in Beziehung auf jemanden (f1Po/ ('LVA) 110 bestehen. Aristoteles kommt Protagoras allerdinqs insofern entgegen, als er feststellt, daß "nicht alles notwendig ist oder geschieht, sondern manches auch zufällig und das eine Mal so, daß die Bejahung bei ihm um nichts wahrer ist als die Verneinung, das andere Mal aber so, daß das eine zwar wahrer ist und meistens geschieht, indessen ist es möglich, daß auch das andere geschieht und jenes erste nicht"lll. Das Wesentliche an Aristoteles' Kritik ist daqegen die Feststellung, Protagoras mache die Doxa zu einem Hypokeimenon und dadurch alles zu einem Relativen. Er ersetzt nämlich die erste Kategorie, die Kategorie der ousia, durch die der Relation. Alle Aussagen solcher Art, die im Bereich des Relativen liegen, werden nicht nur als Gattungen, sondern auch als Relatives an sich gedacht und in Beziehung auf ein und dasselbe gesetzt l12 • Denn "wer· alle Phainomena für wahr erklärt, der macht alles Seiende zu dem Relativen,,113. Das Phainomenon kann unmöglich
.
schlechthin wahr sein, sondern nur für den, dem es erscheint. Sonst müßte man alles zu Relativem machen, welches 109 110 111 112 113
nur
in
seiner
Beziehung
auf
Doxa
und
44 Aisthesis existierte, so daß nichts geworden wäre noch werden könnte, sofern es nicht jemand vorher gemeint hätte 1l4 • Ersetzt man die ousia durch das Relative, so existiert alles in seiner Beziehung auf Doxa und Aisthesis. Ob nun die Doxa überhaupt eine ousia sein kann, ist die Frage, mit der sich Aristoteles in der Kategorienschrift 4alO-bl9 auseinandersetzt. Das Eigentümliche jeder ausia ist, daß der Zahl nach ein und dasselbe Seiende für Konträres empfänglich ist. Eine Farbe, die der Zahl nach ein und dieselbe ist, wird aber nicht schwarz und weiß sein f und so auch bei allem anderen, das nicht ausia ist. Eine ausia wird dagegen zu einer Zeit weiß und zu einer anderen schwarz, warm und kalt, schlecht und gut .. Nun könnte man sagen, der Logos und die Doxa seien auch eine ausia. Denn derselbe Logos scheint beides zu sein: wahr und falsch. Ebenso verhält es sich mit der Doxa. Es besteht dennoch ein Unterschied. Die ausia kann derart für Konträres empfänglich sein, daß sie sich selbst verändert. Die Doxa bleibt dagegen in jedem Falle gänzlich unbewegt. 1l5 Weil sich aber ein Ding bewegt, wird die Doxa auch konträr. Die Doxa ist also nicht deshalb für Konträres empfänglich, weil sie selbst ein Konträres aufnimmt, sondern weil ein Pathos in bezug auf ein anderes entstanden ist. Die Doxa ist wahr oder falsch wegen des Seins oder NichtSeins eines Pragmas und nicht, weil sie selbst für Konträres empfänglich ist. Sie wird von keinem schlechthin bewegt und für kein Konträres empfänglich sein, sofern nämlich kein Pathos in ihr entsteht. Soweit Aristoteles. Die Doxa ist nach seiner Meinung keine ausia aus zweierlei Gründen: a. sie existiert nicht an und für sichf b. es findet in ihr kein Prozeß statt, sofern
45
dieser nicht von einem außerhalb von ihr sich befindenden Hypokeimenon verursacht wird. Denn alles jeweils Wahrqenommene hänqt zwar laut Aristoteles von der Wahrnehmunq eines Wahrnehmenden ab, diese wird aber selbst von einem Zuqrundelieqenden verursacht ~n-o/(;~tr sV'"" "', : ITOU;;' .~~,97 116. Die Doxa setzt notwendiq ein HYPokeimenon voraus und kann schon desweqen nicht zur Ousia werden. Weil aber die Doxa von einem Zuqrundelieqenden erst verursacht wird und "eine Ursache des Zukünftiqen sowohl aufqrund des überlegens als auch des Handelns besteht" 117 , befindet sich die Doxa in einer doppelten Relation sowohl zu dem Hypokeimenon als auch zu dem Die Doxa geht Phainomenon. nämlich von dem Hypokeimenon als der Arche des Überlegens aus zu dem Phainomenon über, um dieses, dessen Arche die Doxa selbst ist, bestimmen zu können.
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Resümee: Die Doxa findet bei Aristoteles ihre ausdrückliche Anerkennung als eine Wissensart. In der Anerkennung der Doxa als einer Art Erkenntnis macht Aristoteles ein wichtiges Zugeständnis an die Sophistik. Er verstößt aber gleichzeitig gegen die monistische Erkenntnislehre Platons und hebt ganz bewußt den alleinigen Anspruch der Episteme auf, allein alle Erkenntnis zu sein. Die Doxa wird allerdings im Geqensatz zu Protaqoras' phänomenoloqischer Logik nicht mehr zu einer ousia, sondern zu dem Relativen l18 • b) sophistische Loqoi
Das Zugeständnis an die sophistik, die Doxa sei eine Art Erkenntnis, bedeutet für Aristoteles jedoch nicht, daß er die sophistische Doxa für eine Episteme hält. Das Geqenteil ist der Fall. Aristoteles sieht 116 Vgl. Met. IOIOb34; dlzu Mlrtens\ 1.1.0., S. 68. 117 Oe int 1917f: f(r", ~fv~ r~" lGO,/"'v",,v ~4~ .,.0 ", - I' 1~5. I ""CI.~ .. cu ~"D rou rrp",?Q.~ ~,. 118 Vgl. Klt. 6b2-3.
46 sich vielmehr gezwungen, gerade angesichts dieses Zugeständnisses die Frage nach der Erkenntnis zu stellen, und zwar die Frage, ob eine Episteme von dem Beiläufigen (rJ Jc:IU~ t:vrP'ß~/f;(1f) möglich ist. Diese Frage behandelt er in der Metaphysik E2 und Ka, wo im Anschluß an Platon eine derartige vergebliche Episteme der Sophistik zugewiesen wird. Platon hat nämlich mit Recht der sophistik die alleinige Beschäftigung mit dem Nicht-Seienden zugewiesen l19 , weil ja die sophistischen Logoi 120 vorzugsweise auf das Beiläufige (rd 6'rfJtP,tdJ') gehen121.. Das Beiläufige ist aber laut Aristoteles genau dasjenige, was dem Nicht-Seienden nahe verwandt ist 122 und ein bloßes Onoma bedeutet 123 • Sophistische Logoi machen nämlich keinen unterschied zwischen dem Onoma und dessen Bedeutung (Logos). Sie betrachten das Beiläufige als das An-sieh-Seiende und machen das Nicht-seiende zu einem Seienden schlechthin C '" '" • Das ist ( ro\ AnltJ[ OV ) . aber laut Aristoteles schlechterdings unmögliCh. Das schlechthin Seiende besteht entweder immer oder aus Notwendigkeit oder in den meisten Fällen124 • Das Beiläufige (ro 6'vr",p~/(,/s-) ist dagegen dasjenige, was zwar geschieht, aber weder immer noch mit Notwendigkeit noch in den meisten Fällen besteht 125 . Es ist nämlich ein "ZUfälliges,,126 und kann daher von keiner Episteme erkannt werden. Denn jede Episteme ist entweder auf das immer Seiende (r~ Q,tE~ SV) oder auf das in den meisten Fällen Geschehene gerichtet, r6 bV/",f!UP,,,6,; ist aber weder das eine noch das andere l27 • Aristoteles lehnt hiermit eine Episteme vom Symbebekos, sofern dieses ein Zufälliges ist, ausdrücklich ab. 119 VII. Met. 1026b14; 1064b29. c _,.. '" _ \ / 120 Bzw. 0' rlolv 00'''11 r ... v ..0 'IQ ' • 121 VII. Met. 1026a15. \ \ a "' \" 122 VII. Met. 1026b21: rotl bW<4AII&7./C,Or ,IIYIII" r. rov OV~.I ~ It'y ~/C) 16,') 1 ,/~ 123 VII. Met. 1026b13C: tJG'n~ OVO/,40 /"OVtIV ro '1'Pl ~"if 124 VII. Met. 1064b30-36. 125 VII. Met. 1065al,3., , " 126 Met. 1065a12: ro OI1'O'l"/l"'.f crvX,&' • 31 , 127 VII. Met. 1065a4(: lt"{jj~,'1~!,~,, >"~f fT;;~ ro;;' "",~2 o,,~ ~ " ~r • , _1 \' \ 1'"1 ,.. \ f~ 3 r,... , • I Er,.. rv ".""V, rOO~ Pu 'II4J,1"1I' oVD,rt:/";f rövr",v ~ nv.
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47
Was nämlich vom Symbebekos als wahr ausgesagt wird, muß vom PraCJIDa nicht unbedingt auch als wahr prädiziert werden. Nur bei dem, was gemäß der Ousia zustandekommt, ist auch diese Identität zwischen den beiden vorhanden 128 • Die sophistischen Logoi, sofern sie auf das Zufällige gehen, erweisen sich nach Meinung von Aristoteles für jede Art der Erkenntnis als untauglich. Resümee: Die Auseinandersetzung mit der Platonischen Kritik an der sophistik und mit der phänomenologischen Logik des Protagoras führt Aristoteles zu zweierlei Konsequenzen: a. Aristoteles lehnt im Anschluß an seinen Meister die sophistische Doxa als eine Erkenntnis des bloßen Scheins und des Nicht-Seienden kategorisch ab. Die Begründung: Protagoras macht die Doxa zu einem Zugrundeliegenden und dadurch alles zu einem Relativen, weil nämlich dem Erkenntnisobjekt der Ooxa, dem Phainomenon des Protagoras, kein Hypokeimenon zugrundeliegt. Jedes Phainomenon ist ja ein I ( ' ti ert nur l.n . . '~LV0I"f.VQV nVI, und es exl.S sel.ner Beziehung auf die Ooxa und die Aisthesis, so daß nichts geworden ist noch werden kann, sofern es nicht jemand vorher gemeint hat 129 • Die Ooxa des Protagoras erweist sich demzufolge selbst als eine Ousia. Eine so verstandene Doxa wird von Aristoteles zu einem Scheinwissen degradiert und verworfen. b. Die Doxa, die keine sophistische mehr ist, wird allerdings von Aristoteles grundsätzlich als eine Art Erkenntnis anerkannt. Aristoteles hebt somit bewußt den Anspruch der Platonischen Episteme auf, allein alle Erkenntnis zu sein. Der Grund liegt darin, daß Aristoteles der sinnlich wahrnehmbaren Welt den Rang des Seienden verleiht und somit die Pluralität dessen, was ist, ausdrücklich bejaht. Weil aber die Platonische Episteme reine Ideenerkenntnis bedeutet, sieht Aristoteles sich gezwungen, in der Suche nach 128 Vgl. Soph. el. 179a36-bl. 129 Siehe Anm. 114.
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einer anderen Erkenntnis, welche die Welt des Werdens und Vergehens zu begreifen vermag, die Doxa als eine Art Episteme anzuerkennen. wie und inwiefern diese Ari.toteli.che Doxa .~erhaupt eine Epi.teme .ein kann, ist die ~r.ge, welche Ari.toteles erst noch beantworten muS. Die Be.ntwortung die.er Frage führt Aristoteles Bur Entdeckung dar syllogistik.
111
zwaiter Teil. Die Entwicklung dar Syllogistik
1. Dialektik und syllogistik Seine syllogistik hat Aristoteles in den sogenannten 'Logischen Schriften' niedergelegt. Die Interpreten der Aristotelischen Syllogistik sind allerdings uneinig darüber, in welchem chronologischen und sachlichen Verhältnis die Bücher der Topik zueinander sowie die Topik (einschließlich die Sophistikoi Elenchoi) zu den beiden Analytiken stehen. Die einen meinen im Anschluß an Christian August Brandis13 0 , "daß die Topik am Anfang der Reihe der Logischen Schriften steht" 13 I, wobei "die moderne Philologie in der Topik ein zusammengesetztes Werk sieht. Besonders die Bücher I und IX, die offensichtlich das Ziel haben, der Lehre von der Dialektik einen Platz in der Gesamtheit der logischen Schriften zu verschaffen, werden von einem so ausgezeichneten Kenner wie H. Maier später als die anderEm Bücher angesehen,,132. Und so glaubt Stocks, zu der folgenden Reihenfolge der Abfassung von
'Logischen Schriften'
130 Brandis, C.A., Über die Reihenfolge der Bücher des Aristotelischen Organons, Abhandlungen der Berliner Akademie 1833, Hist.-philologische Klasse, S. 249-291. 131 Oehler, K., a.a.O., S. 14. 132 Weil, E., Die Rolle der Logik innerhalb des Aristotelischen Denkens, in: Logik und Erkenntnislehre des Aristoteles, Hrsg. F.P. Hager, Darmstadt 1972, S. 137.
49
zu k01l\lllen: "r. Top. I-VI (oder VII), II. An.Pr. I , III. Top. VII-IX (oder VIII-IX), IV. An.pr. II,,133. Die anderen behaupten daqeqen, die Topik sei "weder Juqend- noch Nebenwerk in der loqischen Lehre des Aristoteles. Wenn qewisse Teile auch weit zurücklieqen können, so ist die uns überlieferte Abfassunq wenigstens zeitlich übereinsti1l\lllend Teilen der Metaphysik,,134.
mit
neueren
Die beiden Parteien beqründen ihre Auffassungen mit der Berufung auf die Aristotelische Sylloqistik. Doch die Schlüsse, die sie daraus ziehen, sind sehr unterschiedlich. Alle sind sich zwar darüber einig, daß die Topik die Abhandlung über die Dialektik ist, in der Aristoteles sein dialektisches Verfahren darstellt, und der Gebrauch des Wortes 'syllogismos' ist hier selten. Ob aber diese dialektische Methode eine Grundlaqe für die Sylloqistik ist oder qar Teil des sylloqistischen Verfahrens bedeutet, daran scheiden sich die Geister. Nach Meinunq von H. Maier 135 ist die Topik "zur Gänze vor der Ausarbeitung der Theorie des Sylloqismus abqeschlossen qewesen" • Er beqründet dies damit, daß "Buch VIII und IX der Topik ••. Stellen aufweisen, wo die modi und Figuren des Sylloqismus hilfreich qewesen wären: hätten sie zur Verfügung qestanden", folgert er, "so hätte Aristoteles sie sicherlich benutzt, wie er es beispielshalber in der Analytica posteriora tut,,136. Das Gegenteil behauptet aber E. Weil. In dem oben zitierten Aufsatz, in dem E. Weil sich darum bemüht, die Topik vor dem Vorwurf, sie sei "ein Werk zweiten Ranges" und eine "primitive" oder "niedere" Form der Aristotelischen Logik, zu rehabilitieren, saqt er: "will man in Anlehnung an H. Maier ••• die These aufrecht erhalten, nach der Topik ein Juqendwerk ist, 133 Stocks, I.L., Die Komposition der Logischen Schriften des Aristoteles, in: Logik und Erkenntnislehre des Aristoteles, Hrsg. F.P. Hager, Darmstadt 1972, S. 81.
134 Weil, a.a.O., S. 17l. 135 Maier, H., a.a.O., Bd. 111, S. S6ff. 136 Stocks, a.a.O., S. 82.
50
so muß man den Terminus Syllogismus hier in nicht technischem Sinne verstehen (oder in eingeengtem Sinne, wie Solmsen vorschlägt). Diese Lösung beruht jedoch augenscheinlich auf einem Zirkelschluß: um nämlich zu vertreten, daß der Terminus Syllogismus an dieser Stelle nicht seinen klar bestimmten Sinn hat, müßte man sich vorher vergewissert haben, daß das Werk von Aristoteles zu Beginn seiner Laufbahn abgefaßt worden ist, - und um das zu zeigen, müßte man den davon unabhängigen Beweis führen, daß der Gebrauch des Begriffs hier lockerer (oder enger) als sonst ist,,137. Gegen diese Auffassung wehrt sich E. Weil entschieden. Wenn es eine über- oder Unterordnung zwischen Dialektik und Analytik gibt, "so ist es die Dialektik, die die Analytik umfaßt,,138. Denn die Topik ist, so heißt es, "der Anfang der analytischen Reflexion und .der Punkt, auf den diese Reflexion notwendigerweise hinauslaufen muß, wenn sie Früchte tragen soll. Ohne Topik gibt es keine Materie für den Syllogismus. So gesehen, ist die Topik - philosophisch früher als die Analytik 1 ohne topische Kenntnisse ist der Syllogismus nutzlos: Und in diesem Sinne stellt die Topik die wesentliche Ergänzung der Analytik dar, eine Ergänzung, ohne die kein Syllogismus tatsächlich gebildet werden könne 139 • Wir sehen also, daß trotz der unterschiedlichen Auffassungen von der chronologischen und sachlichen Beziehung zwischen der Topik und beiden Analytiken die Frage nach der Aristotelischen Theorie des Syllogismus eng mit dem Wesen und der Bedeutung seiner dialektischen Methode verbunden ist. Inwiefern ist die Dialektik ein syllogistisches Verfahren? Ist sie überhaupt Syllogismus? Oder ist sie vielleicht nur "in nicht technischem Sinne" bzw. "in eingeengtem Sinne" ein Syllogismus? Sollen wir von zwei Theorien 137 Weil, a.a.O., S. 148f. 138 Weil, a.a.O., S. ISS. 139 Weil, a.a.O., S. 146.
51 des Syllogismus eines dialektischen und eines analytischen sprechen? Denn der Terminus 'Syllogismos' kann, so heißt es, angeblich "im Sprachgebrauch des Aristoteles sowohl einen syllogismus (den kategorischen Syllogismus in casu) im eigentlichen Sinne als auch ein anderes Schlußverfahren bezeichnen,,140.
a) Das Talo. 4ar Aristotelische. Dialektik
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Aristoteles behauptet im 9. Buch der Topik, das man gewöhnlich seit der Antike unter dem Titel 'Sophistikoi Elenchoi' zitiert, und in dem Aristoteles sich mit sonst kaum in seinen Schriften anzutreffendem stolz über die Bedeutung, Originalität und wichtigkeit seiner dialektischen Forschung äußert: "Von der gegenwärtigen Pragmateia war bisher nicht etwa einiges schon bearbeitet, anderes noch nicht, sondern es war von ihr bis zur Stunde schlechthin gar nichts vorhanden.,,141 Die Anleitung derer, fährt Aristoteles fort, die aus den eristischen Logoi ein Geschäft machten, war der Beschäftigung des Gorgias ähnlich. Die einen ließen rhetorische, die anderen erotetische Logoi auswendig lernen, die nach ihrer Meinung auf die meisten Reden für und wider eine Sache paßten. Der Unterricht (oidaskalia) war daher zwar kurz, aber ohne Methode (atechnos). sie lehrten so wie ein Mann, der jene Episteme zu lehren verspräche, die dafür sorgt, daß den Leuten die FÜße nicht weh tun, der dann aber nicht die Schusterei lehrte, sondern eine reiche Auswahl aller möglichen Schuhe zur Verfügung stellte: auf diese Weise hätte er zwar dem Bedürfnis abgeholfen, aber kein'" Techne gelehrt. Und in der 140 Mansion, A., Der Ursprung des Syllogismus und die Wissenschaftstheorie bei Aristoteles, in: Logik und Erkenntnislehre des Aristoteles, a.a.O., S.
240. 141 Vgl. Soph. el. 183b34f.
52 Rhetorik gab es zwar viel alten stoff. "Bezüglich des syllogistischen verfahrens,,142 hatten wir aber von dem, was früher gesagt wurde, überhaupt nichts, sondern wir mußten es mit großem Aufwand von zeit und Mühe selbst untersuche~143 • Aristoteles polemisiert hier gegen den sophistischrhetorischen unterricht in den eristischen Logoi. Er wirft der Sophistik vor, sie besitze weder die Episteme noch die Methode (Techne), um die eristischen Logoi im unterricht (Didaskalia) beizubringen, wobei der Vorwurf damit begründet wird, daß die Sophistik kein Wissen hat, sondern eine bloße Empirie ist 144 • Weil aber jedes Wissen gelehrt und beigebracht werden muß, bedarf es einer Techne, einer Methode des unterrichtens • Welche Methode ist nun hier gemeint? Die Dialektiker und die Sophisten wollen nach Aristoteles' Ansicht für Philosophen gelten. Denn gemeinsam ist allen das, was ist 145 • Die Philosophie unterscheidet sich aber von der Dialektik durch Art und Weise ihrer Kraft, von der Sophistik durch ihre Wahl. Die Dialektik bemüht sich dabei um die Erprobung dessen, was die Philosophie erkennt 146 (vgl. Met. 1004b17-25), so daß sie, die Dialektik, zu der Peirastike einer Methode, welche die philosophische Erkenntnis auf die Probe stellt, wird. Dem Philosophen, der die Ousia betrachtet, kommt es daher zu, auch die Prinzipien der 147 Syllogistik zu erkennen. Die Ousia selbst ist nämlich bei den syllogismoi die Arche von allem, da die syllogismoi ja aus dem Was hervorgehen 148 •
142 143 144 145 146 147 148
53
Wenn es sich um die wissenschaftliche Forschung handelt, bedient sich die Philosophie der dialektischen Methode. Sofern die Philosophie aber die Erkenntnis im Unterricht (Didaskalia) beibringen möchte, bedient sie sich des syllogistischen Verfahrens 149 • Aristoteles geht es um zweierlei: um die Methode des Unterrichtens und der wissenschaftlichen Forschung, welche die syllogistischen Archai zu erkennen vermag. Er macht der sophistischen Didaskalia zum Vorwurf, sie besitze keine Methode der wissenschaftlichen Forschung, weil ihr ja die bloße' Empirie und kein Wissen zugrundeliegt, aufgrund dessen man die Fähigkeit erlangen könnte, den Gegner im streitgespräch zu widerlegen. Die Aufgabe der Dialektik ~;'ro", 6" ... ~ eft-re-Nil) bedeutet daher eine solche Fähigkeit, nämlich "eine syllogistische Dynamis für I Jedes aufgestellte Problem SK ruv urrqp)c0vrcJv ""f ivtfofor:tr:<JV , zu finden,,150.
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Was meint Aristoteles aber mit seiner syllogistischen Dynamis? "Wer die Koina gemäß dem Praqma betrachtet, ist ein Dialektiker, wer es aber scheinbar tut, ist ein sophist,,15l, sagt Aristoteles. Denn wenn ein Elenchos oder ein Syllogismos gewonnen werden soll, dann müßte aber auch das Wort dasselbe sein, wie die Sache (Praqma) 152. Bei einer Diskussion kann man nämlich die Praqmata selbst nicht hernehmen, sondern man gebraucht statt dessen die Onomata als ihre Symbole. So glaubt man, was für die Onomata gilt, müsse auch für die Praqmata gelten, wie wenn man rechnete und es mit Rechensteinen zu tun hätte. Das ist abtlr nicht dasselbe. Denn die Onomata sind der Zahl nach begrenzt, die Praqmata aber unbegrenzt. Die 149
150 151 152
54 Onomata müssen daher notwendig Mehreres als Eines bedeuten153 • Und diese Tatsache nutzt die Sophistik. Sie betrachtet das Onoma, als wäre es ein Praqma und macht es zu einem Seienden. Von dem Praqma losgelöst, ist aber das Onoma nichts anderes als ein Symbebekos 154 , nämlich ein dem Nicht-seiendem nahe Verwandtes. 155 Der Dialektiker hat es allerdings ebenso wie der sophist mit keiner bestimmten Gattung zu tun, noch beweist er etwas, noch ist er ein Mann des allgemeinen Wissens 156 • Denn die Dialektik ist, wie gesagt, eine Peirastike, welche mit einer anderen Techne, wie etwa der Geometrie, nicht zu vergleichen ist 157 • Der Grund dafür liegt im folgenden: Wer von dem Praqma keine Ahnung hat, kann dennoch einen anderen Nichtwissenden auf die Probe stellen. Denn dieser (Nichtwissende) überlegt ja auch nicht vermöge seines Wissens" sondern aufgrund von Folgerungen, die eine solche Beschaffenheit besitzen, daß sie zwar einem Wissenden, der dank der Techne weiß, nicht im Wege steht, einen Unwissenden aber mit Notwendigkeit irreführt 158 .Daraus geht deutlich hervor, daß die Dialektik, sofern sie die Peirastike bedeutet, ein Wissen von keinem bestimmten Seienden ist. sie beschäftigt sich daher mit allem. Denn alle Technai machen von bestimmten Koina Gebrauch, und darum bedienen sich alle Laien in gewisser Weise ebenso der Dialektik, und zwar der Peirastike. Alle versuchen nämlich, zu einem gewissen Grade diejenigen, die sich
153 154 155 156 157 158
55 für Kapazitäten ausgeben, zu beurteilen. Dazu bedarf es aber der Koina 159 • Was ist nun mit diesen Koina gemeint? Man muß nach Meinung von Aristoteles zwischen einer beliebigen Techne und der Dialektik unterscheiden. Es findet zwar ein "Syllogismos gemäß einer jeden Techne" statt, wie etwa der geometrische gemäß der Geometrie, der medizinische gemäß der Heilkunst. Mit dem Ausdruck 'der syllogismos gemäß einer jeden Techne' ist dabei ein solcher syllogismos gemeint, der aufgrund der (nur einer bestimmten Techne zukommenden) Archai gezogen wird. Es wird (daher zugleich) klar, daß man nicht für alle Syllogismoi (bzw. Elenchoi), sondern nur für die, welche dank der dialektischen Methode zustandekommen, die Topoi gewinnen muß. Diese Topoi kommen nämlich jeder Techne und Dynamis gemeinsam zu. Denn einen Elenchos (oder Syllogismos) gemäß jeder beliebigen Episteme zu betrachten, ist die Aufgabe des Einzelwissenschaftlers 160 • Die Aufgabe des Dialektikers ist es dagegen, den Elenchos aus den Koina, d.h. aus den keiner Einzel-Techne zukommenden Topoi ( ilb T'W ItOfV~v , .. \ d:E/"'q.v r~xv7Y ' "4& uno ) zu betrachten. Wenn wir also wissen, woraus (:f';V) die dialektischen Syllogismoi im Hinblick auf ein aufgestelltes Problem ~ bestehen, wissen wir gleiChzeitig, woraus ~v) die Elenchoi bestehen. Der Elenchos ist nämlich nichts
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56
SYllogismos 161
anderes als ein entgegengesetzter (vgl. Soph. el. 170 a38-b2).
Resümee: Dia Aristotelische Dialektik tritt hiermit an die stelle der sophistischen Didaskalia, um die theoretisch fundierten Kenntnisse bezüglich der Topoi zu vermitteln, aus denen (/J Sv) die Syllogismoi und die Elenchoi hervorgehen. Solange es sich nämlich um / f'!" das Aufsuchen des Topos (j'f~XP" ••• ro", l"I'~"1' ro .... rQ"OV ) handelt, gehört die Untersuchung dem Philosophen und dem Dialektiker gemeinsam an. Das Eigentümliche des Dialektikers ( ~/.rLOV rot;' cr,a.AU:","""'ov) ist dagegen, die Auswahl der Topoi und die Fragestellung riChtig zu treffen 162 • C
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Dia syllogistische Dynamis erweist sich also als eine dialektische Pihigkeit, die Topoi aufzusuchen, auszuwihlen und treffend anzuwenden. Ernst Kapp ist der Meinung, Aristoteles versuche, mit seiner Dialektik eine 'universale' Methode zu finden, "auf die man alle Schlüsse zurückführen könnte. Aber das ist ihm nicht gelungen und konnte ihm nicht gelingen, da in dem, was er unter Dialektik verstand, zumindest zwei in Wahrheit unvereinbare Tendenzen durcheinandergehen, das sophistische Streben, den Gegner durch lauter r",J'ojrv zum zugeständnis eines ~dof6~~ro .... zu zwingen, und die im platonischen Sinne dtalektischen Bemühungen um die Definition. Dem Verfasser der Topik erscheint beides als ~v).).oy,~J.r und das ließ sich wirklich nicht unter einen Hut bringen163 • "Die zwei unvereinbaren Tendenzen", von denen Ernst Kapp spricht, werden von Aristoteles gar nicht vereinbart. statt dessen tritt 161 162
Vgl. Sop.h.,el.170bl:
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Vgl. TO,e. SSb7f:
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t"c rqrn:w IC.,,' aft.lp]flqr?J'w l!'d...", rDV .r"...Jrt,,!;~o';. 163 Kapp, E., Die Kategorie'nlehre in der aristotelischen Topik, in:
Ausgewllhlte Schriften, Berlin 1968, S. 217f.
01.1..1-
57 seine eigene dialektische Methode, die Widerlegung (Elenehos) des Gegners eristischen Auseinandersetzung anhand schult als auch als die Methode für die der syllogistischen Archai dient.
b) A 0K"~~f qisll.os Q)
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sowohl zur in einer der Topoi Ermittlung
UDeI eier analytische Syllo-
Platons Dihair.sis unel Aristoteles' Dialektik
"Es ist kein Zweifel: der kritischen Auseinandersetzung mit der Dihairesis verdankt der Syllogismus seine Entdeckung.,,164 Diese Äußerunq von H. Maier hat die gesamte Aristotelesforschung nachhaltig beeinflußt. Abgesehen davon, ob man der Äußerung zustimmend oder ablehnend geqenübersteht, dreht sich die Forschung immer wieder um die platonische Dihairesis, an der man das Wesen der Aristotelischen syllogistik abzulesen glaubt. E. Kapp meint sogar, Platons Dihairesis sei die "einzige Konkurrentin,,165 der Syllogistik des Aristoteles. Im 31. Kapitel des ersten Buches der 1. Analytik lesen wir tatsächlich, die Dihairesis sei ein Syllogismos. Aristoteles füqt allerdings sofort hinzu, sie sei gleichsam ein schwacher Syllogismos (oTov l6'9&1I'7) 6v.1loy"%of. 46a31) • Denn was man beweisen sollte, wird postuliert, und was man schließt, ist immer ein Höheres und Allqemeineres als dieses. Das ist es aber vor allem, was die, die sich der Dihairesis bedienen, übersehen haben und so versuchen sie einen Beweis aufzustellen, daß es möglich sei, für die ousia und das Was die Apodeixis zu gewinnen. Durch die Dihairesismethode kann man aber weder den Syllogismus gewinnen (bv)'lor:~b{)q" ,a37) noch auf Idion, Genos oder Symbebekos schließen ( bV).).OrtbtNb9Q,I., b27). Die Dihairesismethode ist also nach Aristoteles doch keine "Konkurrentin" für 164 Maier, a.a.O., S. 71. 165 Kapp, E., Artikel 'Syllogistik', a.I.O., S. 1059.
58
die Syllogistik. Denn sie ist weder a) ein apodeiktischer syllogismos noch b) kann sie auf die sogenannten Prädikabilien schließen. a) Apodeiktischer Syllogismos kann sie deswegen unmöglich sein, weil bei der Apodeixis, falls auf das Vorhandensein von etwas geschlossen werden muß ( tf7:'QV' J"~~ r~ r;v>'J.0ltb~()$tH' 6"',(,oxttll'), das Meson, wodurch der Syllogismes entsteht, immer enger als der oberbegriff ist und nicht allgemein von ihm gelten darf. Die Dihairesis will aber genau das Gegenteil (a39f). b) Sie schließt nicht auf die syllogistischen Archai, sofern diese Idion, Genes und Symbebekos sind, so daß sie nicht nur keine Apodeixis, Syllogismos ist.
sondern
auch
kein
Wieso spricht Aristoteles dann von der Dihairesis als einem zwar schwachen, aber dennoch gültigen Syllogismos? Es wird gesagt, daß die Apodeixis auf das Vorhandensein von etwas (46a 39f), die Dialektik aber auf die syllogistischen Archai schließt. Das 'Schließen' (r~ ~11C1(:r"~'II) liegt also der Apodeixis und der Dialektik zugrunde. Nun sagt Aristoteles, die· ll1ot',q,l.J! sei noch keine Apodeixis 166 • Die p Dialektik schließt zwar auf die Arche und bedient sich somit eines syllogistischen Verfahrens / ( 6'v)'>'0r(..(Jq,6"'.JQ.~ ). Sie ist aber keine Apodeixis • Denn das Schließen auf eine Arche der Apodeixis bedeutet
ct
X1
noch kein apodeiktisches Schließen. Es stellt sich daher die Frage, ob es sich bei der Dialektik und der Apodeixis um ein und dasselbe syllogistische Verfahren handelt. stocks und Mansion sind der Auffassung, daß es "einen direkten Widerspruch zwischen Top. VII 3, wo die Beweisbarkeit der Definition behauptet, und An. post. 11 6, wo sie geleugnet wird,,167, gibt. Nun geht es aber in der Top. VII 3 ganz und gar nicht darum, daß die Definition bewiesen werden kann. Es wird vielmehr S .. I \. J • Ir- J' .,.. 166 Met. 1011a13: Q,rroClHSecJ! '(-f "'fX'1\ ov~ Q,rroul, 'S "'!"t.v. 167 Stocks, a.a.O., S. 83; MansJOn, a.a.O., S. 241f.
59 gesagt: Beim Disputieren gewinnt man kaum die Definition durch den syllogismos ( 0',0011' 6r.o.l~ol:J&6~A'), sondern alle nehmen sie bereits als eine Arche an. Es sei nämlich die Aufgabe einer anderen . r-. q,~P'"t#fJ ~ ,n" 4.I7IIOOClV''')' .) ... PraCJlllatel.a , genau anzugeben ("Ir was die Definition ist sowie, wie man definieren muS - ., 7 r-n c- ..., • ( If4J,{ 0p') to "'.u (/~C. ) . Soviel l.st aber hier gesagt, daS es möglich ist, die Definition und das 'Was' durch Syllogismos zu gewinnen. Wenn die Definition •
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Gattungen und die Diaphorai vorhanden sind,
so' muß
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der dies alles enthaltende Logos ( ; l'4.Vrq. Yx~v ro~ notwendig eine Definition sein. Die Definition kann somit durch Syllogismos gewonnen werden 168 •
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Aristoteles spricht also in der Tat von der Möglichkeit, den Horismos durch einen syllogismos zu gewinnen: ;"".r-d ... Ktv/f'..JQ.(, 0l"~ov ... o.,.1l0i'''o/c!v(153 a14) oder ' .....HOI"6/t6v gpov K.&VÜ;,9'4.c. (a23). Der Horismos (oder Horos) bedeutet dabei einen ,I' I'~:l"'\,.,.o' • • AOr0S' 0 ro rL '1~ nvo:r/, O~II'<JV, also daSJenige, was dl.e Gattungen und die Diaphorai enthält. In den Analytica posteriora wird diese Möglichkeit der Gewinnung der Definition durch Syllogismos weder bestritten noch aufgehoben. Aristoteles sagt lediglich, daS der Horismos kein (apodeiktischer) Syllogismos ist169 . Das ist aber etwas ganz anderes als 'das, was Stocks und Mansion zu entdecken glauben 170 • Die beiden Aussagen - , \I'«r~ .... rr.Vftf'..74(' :/" ~o~ OIl.;Uor"~/v' (es sei möglich, den Horismos durch einen Syllogismos . ., ... ,." '''''.1, (;.\ (I-Vl.r41. I' zu gewl.nnen) und ' (/ o/'''t>/loJ 0 .... , (Horismos wird kein (apodeiktischer) Syllogismos) schlieSen sich keineswegs aus.
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168 Vgl. Top. 153a8-24. 169 An. post. 92a5: JI'''br~.) 170 Siehe Anm. 167.
03 GV.l)0rf"'r.)r Kt"'C7:4L.
60
Mansion behauptet, in den Analytica posteriora 92a6-9 sei "tatsächlich ein Versuch eines Beweises vorgeschlagen, der sich durch Hypothese vollzieht und mit der Definition des Wesens schließt •.••• Das ist genau dasselbe Verfahren wie das in Topik VIIJ angezeigte: diesmal ist das Verfahren wie ein syllogismos im eigentlichen Sinne dargestellt, der sogar darauf zielt, ein Beweis zu sein.,,171 1. Erstens lehnt Aristoteles dieses von ihm vorgeschlagene Verfahren sofort mit der Begründung ab, wie man in einem syllogismos nicht das 'Was', das (erst) erhärtet werden muß ( r( IlT.. E"~ 6"',,)'\c)ovfrJ1.. ~), aUfnimmt, so dürfe auch das Wesen ( ro ~# jv Cl1l'4" ) nicht im syllogismos vorkommen172 • 2. Zweitens: Weder in der 2. Analytik noch in der Topik erwähnt Aristote1es die Möglichkeit eines Beweises der Definition. Das Gegenteil ist der Fall. Aristoteles wird nicht müde zu wiederholen, daß die Definition nicht bewiesen werden kann. Wie könnte der Definierende ( :C 11'0;- ), fragt Aristoteles in der An. post. 92a34ff, die Ousia und das 'Was' beweisen? Denn er kann weder wie ein • ~ , t" I' Bewel.sender ("",r o,rrotll:"/c'vVj') aus anerkannten Protaseis klar machen, wenn jenes ist, dann müsse ein anderes notwendig ebenso sein: das wäre aber eine Apodeixis • Noch kann er wie der Epagon, der die Daß Epagoge Anwendende, durch I
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171 172 173 174
Mansion, a.a.O., S. 241. Val. An. post. 92all-14. Siehe Anm. 1~7. \ , ,/ , c (' \ Tao. 1S3b3: int- ~Q' ro (cvtJ; "'" .. Q.I o,aGl~Q.'
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61 durch die Anqabe ( clno.foJvQ.t. ,153a12) des Genos und des artqemäßen Unterschieds, der Diaphora, zustande. . ~ r' n~ wi r d aber d~eses a.nooovva.f" qemacht? e.J.f ) Go 'rq r" ~ (opov 0P'JtovQ,~ 081. (153a12): Diese Fraqe aus der Topik wird in der 2. Analytik beantwortet. Das ist nämlich die Fraqe nach dem sylloqistischen Verfahren ( tb öv'\"\O,y(fQ b"4<) der dialektischen Methode. Aristotel es stellt zunächst fest, es qebe zwei sylloqisti\ 'r/r-,.. I sehe Verfahren: rov kat"41 O/'41~f'E:.O~V o.t'j(;"'lIvr~ und \ e,,., I' r / rov out"" ov}~or~~ov a.noOE;tltt"L//:oy175. Im Xapitel B13
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der Analytica posteriora folqt dann die Beschreibunq des sylloqistischen Verfahrens der Dialektik. "Jetzt aber wollen wir ,anqeben", saqt Aristoteles, "wie (n.c'f) die Wesensbestandteile (einer Definition) qewonnen werden können,,176. Als erstes muß man das Genos ermitteln. Denn setzt man sich mit etwas Ganzem (gr~ov r~) auseinander, so muß man das Genos in das nächste dem Eidos nach Unteilbare ( EU z-~ ~ IV .J/,\ "..., -) ",ror'" t"tt UOE" rQ, ",. ••n:o.) zerteilen. Hat man aber das Genos qefunden, so muß man danach die eiqentümlichen Beschaffenheiten mittels der nächsten qemeinsamen (Topoi) betrachten (r.i- 1~Q,. m{,97 ~E"" p~'i:v ,r~ l"41V /60'0/;;'v ".,JrtJv) 177. Die Dihaireseis nach den
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Diaphorai ( 4-~ tf~ t"a'f'I.öE"f' q,~ z:~ JZ"'1'0~J.J) sind aber qenauso nützlich, wenn man auf das Wesen schließen will (np),r c6 (;v).),O(t f..6'..74/, t'J &t:rW) 178.
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Der Definierende und der die Dihairesis Anwendende c:. I • ( of'&. 11/'0,[ /l-at.' r ~L4Lf0(/rEVo,r) braucht dabe~• n~cht 179 alles, was ist (:",~,vZ:4 Ta. lfvrev), zu wissen . Wenn man nämlich die Diaphorai so faßt, daß alles unter das eine oder das andere Glied der Dihairesis , I fällt, und dann wieder das Gesuchte ('Co J'7f"OVrevov) unter das eine Glied brinqt und auch erkennt, daß es unter ihm steht, so macht es keinen Unterschied, ob
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175 VII. An. post. 92a28. 176 An. pos,t- 96a22: 1
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'(opoul'r.o/{A"VUV }.Er
62
man weiß oder nicht weiß, von wie vielen anderen die Diaphorai noch prädiziert werden 180 • Bei der Anqabe der Definition muß man auf dreierlei achten: a. man muß solches annehmen, was im Wesen prädiziert wird \
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( ro /,Q,ptW r4- N.Ar,tofOVr€v. tV r~ .,;" Earl- ), b. man muß dieses ordnen, je nachdem, ob es an die erste oder an . zwel.te . ... r ' dl.e Stelle qehört ( ra,vrt:t. r ..(f ) At.- rt,,"" "furDv ~., D&IJ~ rEfov), und schließlich c. man setzt dies alles zusammen (rr;.,Jrq, IT"VC'Q,.) 181. Aristoteles stellt hier nunmehr ein solches sylloqistisches Verfahren dar, dem die in der Topik als Telos seiner dialektischen Praqmateia erklärte182 und bereits kurz qrundelieqt.
~j.>.otL6rU'7
erläuterte
r,fvtAf"'f 183
zu-
Resümee: Es steht fest, daß Aristoteles seine Dialektik, sofern diese auf die Definition, Wesensbestimmunq, qeht, nicht nur "topisch" 184 versteht, sondern auch trotz seiner Kritik an der Platonischen Dihairesis sein Verfahren weniqstens bei der Anqabe der Diaphorai in der Definition eben auf diese Platonische Dihairesismethode qründet. Und dieses dihairetische Verfahren nennt Aristoteles ebenso ein sylloqistisches. Es ist al1erdinqs ein schwaches sylloqistisches Verfahren, weil es ja nur für die Anqabe der Diaphora i qeeiqnet ist.
innerhalb
einer
Definition
8) Zwei sYl10qistische Verfahren Aristoteles beschränkt die Arche der sylloqismen185 bekanntlich nicht nur auf die Ousia. Die soqenannten Prädikabilien 180 181 182 183 184
(Genos,
Idion und
An. post. 97aI4-19. An. post. 97a23-26. Vgl. Top. 183.37. Vgl. Top. ISSb4-10. \ : l I VII. An. post. 96b20: rCl.
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Symbebekos)
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rrpcSruv (rdtrf"")' 185 Met. I078b24: g,Pk7 r~ tfu).}.O("6r~v.
heißen
63
ebenso deren Archai, so daß Aristoteles auch von einem Schließen auf das Symbebekos 186 sprechen kann. Platons Dihairesis ist aber zu solchem Schließen qar nicht qeeiqnet. Die topische Dialektik ist daher nach Meinunq von Aristoteles viel umfassender als die Dihairesismethode. Sie beqnüqt sich nicht mehr mit einem 6,ö'{)tv1f Öv).).or"bf6J. Mit welchem beqnüqt sie sich dann? Bei der Betrachtunq der Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Rhetorik und Dialektik saqt Aristoteles in seiner Abhandlunq über die Rhetorik: Da es aber offenkundiq ist, daß die in der Theorie ~ beqründete Untersuchunq der Rhetor1k ( EVrLXVOf f':t>ocf~) sich mit den überzeuqunqsmitteln (IT$D~ rd..r fTf.O'U(,J) auseinandersetzt, das überzeuqunqsmittel aber eine Art Apodeixis ist - denn wir qlauben dann am meisten, wenn wir annehmen, daß etwas bewiesen ist - und weil die rhetorische Apodeixis ( ta.no CL Vf "P'1ropLI<7I ) 'das Enthymema bedeutet, so ist dieses auch, um es kurz zu saqen, das bedeutendste unter den überzeuqunqsmitteln. Das Enthymema ist ein sylloqismos.
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• 'r. f
Nun heißt aber die Aufqabe der Dialektik, jede Art von Sylloqismos zu betrachten. Wer nämlich zu betrachten fähiq sei, woraus und wie ein sylloqismos entsteht, der dürfte auch zur rhetorischen Apodeixis (Enthymema) fähiq sein. Dabei muß er wissen, worüber er das Enthymema anstellt sowie welche Unterschiede zwischen diesem und den ~OrL~O~ 6V'\'\OrL~ot bestehen. Denn das Wahre und. das dem Wahren Ahnl iche I """", ",... (ro' Coro,ov'~ ~~7ve,) zu betrachten, ist die Aufqabe, einer und derselben Fähiqkeit187 • Daß diese soqenannten' ~or"~o~ bV).).O~"bf.I"~ der dialektischen Methode zuqrundelieqen, das erfahren wir aus den Analytica posteriora BB. Bei der überprüfunq der
64
These, die Apodeixis sei keine Definition, wird von Aristoteles· die Frage aufgeworfen, ob es in irgendeiner Weise doch die Apodeixis des Wesens , 'r', ,., ~. (Q.nofl~')"J roCl rt ~6h", ) gibt. Es wird von der Annahme ausgegangen, das Was-Wissen (C~ .. fr/vtu r/ Ibn.) und das Wissen der Ursache des 'Ob es ist' ( r~ El.rtvev, ~~ 4.:Ynov ro{7 ,~ ;:6["(.,) sei ein und dasselbe. Der Grund dafür ist, daß etwas die Ursache ist. Und dieses 'Etwas' kann entweder dasselbe oder ein anderes sein. Und wenn es ein anderes ist, dann ist es entweder beweisbar oder unbeweisbar. Wenn es also ein anderes ist, und man es beweisen kann, so muß das Aition ein Meson sein und in dem ersten Schema bewiesen werden. Denn r~ .f'BLI<:VCrUVOv ist ja allgemein und bejahend. Diese erste, eben erforschte Weise des syllogismos würde dann bedeuten, daß das Was (co~ r! lbt"') durch ein Anderes bewiesen wird. (Das ist aber unmöglich.) Denn das Meson für das Was muß ein Was und für das Idion ein Idion sein. Daher wird man von den Wesenbei ten desselben Dinges die eine beweisen, die andere nicht beweisen. Daß nun diese Weise (des syllogistischen Verfahrens) keine Apodeixis sein kann, ist früher erklärt worden. Vielmehr ist sie ein ).o'("t<,d.r 6V.UOr(..6't'~.r ro(f co! l Öl:, 188 • Worin liegt nun der Unterschied? Aristoteles' Antwort ., ,.. I' 'r-. lautet: in dem Was (eil' r~ r:, ~orc. ). Die Apodeixis findet nur dann statt, falls auf das Vorhandensein u rod "., von etwas geschlossen werden muß (ora.-v () s:~ n r",A,IortbQ,($Q.~ ~"~fXU~An. post. 46a39). Das Was der Apodeixis ist also das Vorhandensein von etwas. Der lor'/t~.r ÖV).).0Y"f'rjS- geht dagegen auf das Meson (oder das Aition), sofern dieses 6,va,rrjfc,ltt'ov ist. Denn die Definition (der Horismos) ist ja eine unbeweisbare wesensbestimmung 189 • Der ~or'~~J bvA~or~~~ erweist sich somit als das syllogistische Verfahren der 188 An. post. 93a5-15. 189 V~1. An. post. 94a9: ~ r~ rlJv .(;rl.O'tMV .r,o,~~.r ${bt.J i6'l'~ r:ov r, l~r:w 4vevrr&(nlr;t"0.r.
65
Ari.tot.li.ch.n
Dial.ktik,
d ••••n
Brkenntni.objekt
die .ylloqi.ti.chen Archai .ind. Die Arche der Apodeixis ist schließlich noch keine Apodeixis 190 , so daß sie auch durch keinen analyti-
schen Syllogismos ermittelt werden kann. D~r AOrt~~J' bv>'>'0'l"brcfS impliziert dabei zwei verschiedene Verfahren: die Platonische Dihairesismethode und die topische Dialektik. Das eine ermöglicht die Gewinnung der Definition, das andere ermittelt die übrigen syllogistischen ArchaL Wie kommt aber diese Ermittlung zustande? Die Antwort des Aristoteles ist unmißverständlich und klar: durch die Wahl bzw. Auswahl (Ekloge) der TOpoi 191 . Den Aristotelischen ~Olt..I(~J blJ).~ol~G'r~ darf man allerdings nicht mit dem analytischen syllogismos verwechseln. Der analytische Syllogismos hat es nämlich in seiner Verfahrensweise weder mit der Dihairesismethode Platons noch mit der Auswahl der Topoi zu tun. um die Verfahrensweise des analytischen Syllogismos verstehen zu können, muß man zunächst im klaren darüber sein, was Aristoteles mit dem Begriff des Analytischen ( r~ ,ivQ,Ällrue') eigentlich meint. In den Analytica posteriora A22 wird die Fraqe \ 3 ~", I aufgeworfen, ob reif IV Z'~ rl tO"t /(,Q.r~(tlf0vr.f."'. "nach oben" ,,~ ~" , \ \ ., (Gm ro Q.v,,",) und "nach unten" ('/Tl. ro "Ar.... ) unbegrenzt sind. Zunächst analysiert Aristoteles die Fraqe ).0'll.~;;:f (Vgl. 84a7) und kommt naturgemäß zu einer neqativen Antwort. Daraufhin folqt eine "analytische ' \ "V • . Bet rach tunqswe~se" ( Q,VtJ,AIJ1:4K-r.J5" ,84a8). Ar~stoteles stellt zunächst fest, bei den apodeiktischen Epistemai, denen unsere Untersuchunq (Skepsis) qilt, • ~ 1 • , \ ,I ~ \ I I se~en t"Q. /(o,r,YtlfovrC.vQ. weder Ctf", 1:0 qVeV noch ttrl r"o N-Q,reJ unbeqrenzt. Denn die Apodeixis hat es mit dem zu tun, was den Praqmata an sich (K"'{}'a.Jr:J.) zukommt, wobei r~ /(,"'~'",~rcf zweierlei bedeutet: a. die den Praqmata N;I
190 Siehe Anm. 166. '" \ I 191 V~. Rhet. 1396b 20r: Etr rt,v ovv rporrof r~ ~ rOIT'""'f;dazu auch An.pr. 44b2Sr. o!\,
ovros
~
'''>'0175' "pwrof
66
immanenten wesensbestimmungen 192 und b. die Pragmata selbst, sofern sie den Wesensbestimmungen immanent sind 193 • Der Zahl kommt beispielsweise das Ungerade zu. Dieses Ungerade kommt zwar der Zahl zu, die Zahl selbst ist aber der Bestilll1llung des Ungeraden ~ ,,.. ( I.V r~ ~ortf a-vrov ) berel.ts l.mmanent. Dl.e Vl.elzahl oder die Geteiltheit ist wiederum der Bestimmung der ',.." "'~ Cl ,.. Zahl ( €V r~ />oy't' rau Q,fLVrOV) immanent. Weder der Logos des Ungeraden noch der Logos der Zahl kann daher unbegrenzt sein, sonst wäre im Logos des Ungeraden etwas von der Zahl Verschiedenes (,;,;' rrEfI',...7/\, ,,~, "" <-I .. er';! "' ..... 0 €'7 't' EVVIf'Jf'xE.V "pal')C0vc<-), dem das Ungerade eben immanent wäre 194 • Das ist aber unmöglich. Denn alles muß notwendig der Zahl und die Zahl jenem zukommen, so daß beide konvertibel sein müssen.
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Werden aber alle K"''"?rOfOfl:.V'a.- konvertibel ausgesagt, sind sie weder lrr~ &"0 l:fvr.J noch ;rr~ r;; 1Gef.r;~ unbegrenzt. Verhält es sich so, dann ist auch das Mittlere ( r:~ ;:ccajJ) immer begrenzt. Das heißt aber zugleich, daß die Archai der Apodeixis notwendig sein müssen und daß es nicht für alles eine Apodeixis gibt. Wenn die Archai seiend sind, ist weder alles beweisbar (:"lfot;'r.,,~r:.t), noch läßt sich ins Unendliche fortschreiten, denn sonst würde kein Prinzip, keine Arche, unvermittelt und unteilbar sein. Würde aber dennoch ein Fortschritt ins Unendliche stattfinden, könnte das Meson ebenso unbegrenzt sein. Und das ist eben unmöglich, falls die Aussagen (die Kate. , \ro '" ." , n i cht unendll.ch .. gorl.en) 'He. QWJ und EfT(. ,"0 /(,(fnf sl.nd. Die Frage ist hiermit 'l.Ir .. ..:.q{ - wie vorher ~oo~~5" geklärt worden 195 • soweit Aristoteles.
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Was ist nun hier mit dem ivq..).l.Ir,,~ gemeint? Aus der eben dargestellten aristotelischen Widerlegung einer Moglichkeit der unendlichen Was-Bestimmungen ,., ,'"'' (c", {V ~ n (or" ~Q,J:1rofovrr;,v
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Vgl. An. post. 84a9-20. Vgl. An. post. 84a23-b2.
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67 ~
hervor, daß das a,vQ,>'IJt:'~tJJ die Auflösung ( ~va.~ J' c c.V') eines An-sieh-Seienden (1Ga.f)'q,Jnf ) in das andere An-sieh-Seiende (K-A-~'a.Jr;rf) bedeutet. Diese Auflösung findet nur statt, wenn die beiden Ansieh-seienden (/(,4$' a.Jr,1) konvertibel sind und durch ein Meson vermittelt werden. Resümee: a) Während der ~Orc.-~f hV).).0j'o/t/.r sich auf ein einziges Seiendes bezieht und daher keines Meson bedarf, so daß dessen Erkenntnisobjekt, die Arche des '/ Syllogismos, unvermittelt (o,/U:()ov) ist, setzt der analytische syllogismos notwendig zwei Seiende voraus, die durch das Meson vermittelt werden müssen. b) Bei dem }.O!/./lJJj b'v).).O!c.bf./.r findet zwar keine Auflösung (Jvo,.\J,w ) statt, weil dieses ~vQ..).v'.uv ja nur zwischen den zwei Seienden zustandekommt. Die Erkenntnis des ).or"IG-~.r O'v),),O!"bf.fJ liegt aber dem analytischen Syllogismos zugrunde. Die beiden syllogistischen Verfahren - der )..oyt/6'of 6V~~0'1Lt:rrfJ und der analytische Syllogismos - heben sich somit keineswegs auf, sondern ergänzen sich vielmehr gegenseitig. Sie sind zwar in ihren Verfahrensweisen völlig verschieden. Das eine setzt aber das andere voraus, wobei die Theorie der Syllogistik, wie sie in den beiden Analytiken dargestellt wird, ausschließlich für den analytischen Syllogismos gilt.
2. Die oDtologische Struktur der syllogistik .) Die :{vra. der syllogistik a)
r.a.'
fit l:a,JvI
Daß der Theorie des analytischen syllogismos eine bestimmte ontologische Struktur zugrundeliegt, darüber läßt Aristoteles keinen Zweifel aufkommen. Im 27. Kapitel des ersten Buches der Analytica priora, wo er . '" )/ . i Gruppen unalles Se~ende (Q,IT'q,vrq. ra, Qvra.) ~n dre
68 terteilt sein läßt, stellt er selbst eine direkte Verbindung zwischen Ontologie und syllogistik her. Für die erste Gruppe. wird r~ ~Q,fJJ;~.G',.o.., _2 .. UJ·~ rdv-(43a27) genannt, das seiner Natur nach von keinem anderen allgemein prädiziert wird. Die zweite Gruppe sind solche Onta, die von anderen, die anderen dagegen nicht von ihnen prädiziert werden. Hiermit sind die Kategorien gemeint. Als dritte Gruppe werden 'f'l5"")v sI ) schließlich die sogenannten Mittleren (rcr, erwähnt, die sowohl von anderen als auch die anderen von ihnen prädiziert werden. Und eben mit diesen hat der analytische Syllogismos ausschließlich zu tun 196 • Hier wird von Aristoteles in einer sehr knappen Form seine gesamte Ontologie zusammengefaßt, wobei er die Syllogistik lediglich auf einen Bereich der Onta beschränkt. Was bewegt Aristoteles dazu, eine solche Einschränkung vorzunehmen, und was bedeuten eigentlich diese /,Hr'a.jJ? sir O. Ross glaubt mit dem Verweis auf 43a42-3 den Grund darin zu erkennen, daß "discussions and inquiries are mostly about species,,197. G. Patzig wehrt sich gegen eine solche Auffassung mit der Bemerkung: "Wenn man aber wirklich wie Ross mit guten Gründen vermutet, daß Aristoteles den Argumentationsbereich der Begriffsvariablen auf diese mittlere Klasse eingeschränkt hätte, weil die Wissenschaft faktisch meistens von solchen Begriffen handelt, so wäre doch die nicht sehr befriedigende Folgerung, daß Aristoteles seine Logik am faktischen Sprachgebrauch der Wissenschaften orientiert hätte"198. Diese Folgerung ist in der Tat unbefriedigend. Nun versucht G. Patzig selbst, das Problem durch seine drei "Axiome,,199 zu lösen, indem er zum Schluß 196 197 198 199
Vgl. An. pr. 43a25-43. Ross, D., Aristotle's Prior and Posterior Analytics, Oxford 1949, S. 289. Patzig, a.a.O., S. 16. Patzig, a.a.O., S. 17f.
69
seiner Untersuchung behauptet: "Die aristotelische syllogistik kann als die Theorie gewisser Beziehungen zwischen Begriffen definiert werden, die die Axiome (1)-(3) erfüllen 200 • G. Patzigs "Axiome", welche lediglich rein formal-logisch die syllogistische Verfahrenstechnik des Aristoteles paraphrasieren, können allerdings weder unsere Frage beantworten noch überhaupt das Wesen der Aristotelischen Syllogistik klarmachen. Warum zählt nun Aristoteles weder die 17pfJra.L o~6(A.-" noch die Kategorien zu dem Bereich von Seiendem, auf den die Syllogistik sich bezieht? Im 2. Kapitel der Kategorienschrift wird gesagt, das Ausgesagte sei 3 C1) .. I weder IIV V"oMetl'ev~ noch werde es I<-~V Vtrol
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Sokrates. Sollte ro ~O(16- doch zu ro K-O'V,7 ~'(~;ryrl'0"l"""r/' werden, wäre Sokrates Vielheit von Lebewesen. Er wäre nämlich er selbst, ein Mensch und ein Lebewesen, sofern jedes von diesen ein r:I;E n und ;~ bezeichnet. 201 "Dieses Ausgesagte wie z. B. der Sokrates - nennt Aristoteles die erste Ousia (vgl. 2a12). Sie wird gelegentlich zwar auch ein Hypokeimenon genannt, allerdings nur als
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verstanden. Die erste ousia liegt nämlich allem zugrunde '( :C"Cl6t.v J"Of(";,r.J,,,), und alles wird von ihr (2b15), sie prädiziert.
selbst aber von keinem Hypokeimenon Sie kann somit unmöglich r~ 1(.0(-
/(,().r;"7r0l'0trt.vov sein, es sei ~VrpEft,~6r. Der analytische Syllogismos
117
200 Patzig, a.a.O., S. [8. 201 Vgl. Met. [003a[Or. 202 Met. 10[7b24.
denn W4-r4 duldet keine
70 Aussagen, die von einem einzelnen Individuum, sondern die von einem jeden prädiziert werden, weil nämlich der Syllogismos aus den allgemeinen Protaseis hervorgeht 203 . Die erste ausia wird dagegen k'~r:" f'1~;e, 31, , ~, 8'" Cl " • • VOf ",."ov ... a.,.~ rJf I(;q.VO.AOV (An. pr. 43a25f) prad~ziert und gehört somit nicht zum ontischen Bereich der Syllogistik. sie ist nämlich allgemein nicht J I prädizierbar (TO' o Je()'V,~ 1
.fr".,G/
n;
o 8b:.~ unterliegen. Weder die t1l'et "'"""'o;(Of(o. ist dagegen konvertibel.
noch
die
Der ontologischen struktur der Syllogistik liegt somit z"eierlei zugrunde: die allgemeine prädizier\.v ""r'a barkeit ( C"O I<.OLVj Ko.-r'710fEt-oV4..v und die Konvertibilität der seienden. Lukasiewicz hat daher mit Recht auf das sogenannte "logische Faktum" 2 07 aufmerksam gemacht, welches nach Meinung von Patzig darin besteht, "daß in jeder der drei aristotelischen Schlußfiguren je ein Terminus einmal als Subjekt und einmal als Prädikat auftreten muß. Da nun singuläre Termini nicht als Prädikat, Kategorien nicht als 203 VBI. An. pr. 43b13f: &.~ r~f r;;;v lt"lJ.JJ.ov trftJ'C:'.,,,,.>~ 6'".U"ro/c~ 204 Met. 1014a19. ,r' ',.._1' 0 / ~ .,...I' I 205 A~. pr.~43;a40r: r",. 00: f1 ~~4J,V ~!'] .... ov ~r a.rflor;E!''''r' EVtJ'Xfr.. ". Je'" '(ap ,,"urA /C,q'["".tU ••/'V ~ ([).).o. "'Q.r~ rocJrr.Jr; )'€X,9,~bt~t-, 206 Siehe oben S. 66. 207 Lukasiewicz, S., Aristotle's Syllogistic from the standpoint of modern formallogic,Oxford 1957, S. 6; dazu Patzig, a.a.O., S. 16.
71 Subjekt auftreten können ••• , habe Aristoteles diese Arten von Termini,,208 ausgeschlossen. Patzig lehnt diese Auffassung mit der Begründung ab, daß es doch die Termini gibt, die nur als subjekte oder als Prädikate auftreten und "an diesen 'Stellen könnten doch immerhin ohne Bedenken singuläre Termini bzw. Kategorien in die Syllogismen elngehen" 2 09 • Patzigs Auffassung steht allerdings im Widerspruch sowohl zu den oben genannten Grundsätzen als auch zu der unmißverständlichen Äußerung von Aristoteles selbst. Der Schluß vom Einzelnen auf das Allgemeine ist anfechtbar, auch wenn die Conclusio wahr ist (70a30-34) 210. Die Onta der syllogistik müssen dem.. • c. I gemaß ~hrem Wesen nach sowohl zu vno..tE~l"v", als auch zu KOW,!} l<.q"r~t0I'0.f;..evQ" zu werden fähig sein, d.h. sie sind konvertibel !,u:rQJv. B) Die Bezeichnungsveise de. pragma
Warum Aristoteles die Kategorien und die Einzeldinge von den Onta der Syllogistik fernhält, hat sich nunmehr geklärt. Was ~~ I'tr.ft bedeuten, und wie man sie ermitteln soll, diese Frage bleibt allerdings nach wie vor ungeklärt. Gleich nach der Feststellung, \ flEt:"~ j vI seien am meisten diejenigen Onta, auf die TQ, sich die Reden (Logoi) und die untersuchungen (Skepsis) beziehen 211 , spricht Aristoteles von den Protaseis, die im Hinblick auf das zu erschließende Erkenntnisobjekt genommen werden müssen. Vielleicht hat Sir D. Ross mit seiner Behauptung "discussions and inquiries are mostly about species,,212 doch Recht. Die Frage ist nur, was mit den "discussions and inquiries" gemeint ist. Daß die Logoi und die Skepsis die Wesenserkenntnis zum Telos haben, ist 208 Patzig, a.a.O., S. 16. 209 Ibd. 210 Vgl. Ross, D., a.a.O., S. SOO: The first-figure syllogism is assailable even iC its conclusion is true; for the premisses do not warrant the universal conc1usion which it draws (a30-4). 211 An. pr. 43a43. 212 Siehe Anm. 197.
ausqeschlossen. Denn es wird qesaqt, die Protaseis müssen als erstes die Horismoi und die Idia des Praqma zuqrundeleqen und dann anschließend auf dasjeniqe qehen, was 4em Praqma sowie umqekehrt, dem das Praqma selbst folqt. Das (Mit)Folqende (bzw. 'C"~ i"o/.cvG.) wird dabei in dreifacher Weise als das Was, das Idion und das Symbebekos anqeqeben 2l3 • Die Definition wird also als bekannt vorausqesetzt und somit zur Arche und nicht zum Telos der Forschunq qemacht. Gesucht wird etwas qanz anderes. Aus der früheren Analyse des dialektischen und analytischen Verfahrens der Aristotelischen Syllogistik ist bekannt, daß der analytische Sylloqismos zwei An-sieh-Seiende (~~ ~~O)~~Y4) mit dem Ziel vermittelt, auf das Vorhandensein von etwas zu schließen. Was bedeutet aber "das Schließen auf das Vorhandensein von etwas" ( •.•. n 6v~J.or':04fi'$4' J"fpxsw, An. post. 46a39)? Jeder (analytisch-sylloqistische) 1oqos entsteht aus den Protaseis 214 und jede Untersuchunq kommt durch drei Horoi und zwei Protaseis zustande 21S • Wie kann aber Aristoteles von drei Horoi sprechen, wenn bis jetzt immer von den Onta die Rede war? Daß kurz zuvor von den Onta und nicht von den Horoi qesprochen wird, ist nach Meinunq von Lukasiewicz (a.a.O.) ein "Irrtum" des Aristoteles. Denn man kann nur Termini, nicht aber die Dinqe, prädizieren. Dazu bemerkt Patzig mit Recht, die Onta seien noch keine "Dinqe" ( "I',{rraro.) 216. In der Tat definiert Aristoteles selbst den Horos als ein Seiendes, in das die Protasis sich auflöst. Ein solches Seiendes ist z.B. E"~ ~q.r-7Y0I'0t/,evoV' 217. Welcher Unterschied besteht zwischen dem Seienden und dem Praqma? Bei einer Disputation· ist es nach Meinung von Aristoteles 218 213 214 215 216 217 218
73
unmöqlich, die Praqmata hinzuzunehmen. statt dessen qebrauchen wir die Onomata als deren Symbole. Die Onomata sind allerdinqs beqrenzt, die Praqmata daqeqen unbeqrenzt. Die Onomata müssen somit notwendiq Mehreres als das Eine bedeuten. Inwiefern kann aber dann die These vertreten werden, "wer die Onomata kennt, der erkennt auch die praqmata,,219. Bei der Beantwortunq dieser Fraqe stellt Aristoteles zunächst fest: Man bezeichnet im Reden etwas für sich wie für einen anderen: denn das ist ja notwendiq, falls man überhaupt etwas reden wil1 220 • Und das Onoma ist eben dasjeniqe, was etwas Bestimmtes als das, was ist oder nicht ist, bezeichnet221 • Dieses Bestimmte ist aber immer der Zahl nach Eines (Hen). Wenn man z.B. Anthropos ist, so wird man, sofern man ein Anthropos ist, seinem Wesen nach ein solcher sein. Es macht dabei keinen Unterschied, wenn man behauptet, Anthropos bezeichne Mehreres, falls dieses Mehrere beqrenzt ist. Denn dann ließe sich für jeden Loqos ein anderes Onoma setzen. Behauptete man aber, das Onoma bezeichne unendlich Vieles, so wäre offenbar keine Aussaqe möqlich. Das Nicht-EinesBezeichnen bedeutet nämlich: nichts zu bezeichnen 222 . Bezeichnen die Onomata aber nichts, dann wird jedes Disputieren in sich selbst aufqehoben. Man kann" aber unmöqlich ein Etwas denken, falls man es nicht als Eines denkt 223 • Denkt man aber ein Hen, dann qibt es auch ein Onoma für dieses Praqma, und das Onoma bezeichnet zuqleich ein Hen 224 • Falls also Anthropos Cl " I nicht nur von Einem (I<.QN' ~"o.r) ausqesaqt wird, sondern auch Eines (1:'~ f",) bezeichnet, bedeuten , CI Loqos und Onoma nicht ein und dasselbe. Denn ro (V darf man nicht für r~ ~Q.f)':II'1J halten. Sonst würde beispielsweise das Musische, das Weiße und das Wesen
219 220 221 222 223 224
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des Anthropos Eines bezeichnen und alles würde dann synonym gebraucht. Das hieße aber, das Sein und das Nicht-sein sei 1f,A~~:/'t"vllf1{"v identisch 225 • Das Onoma r "", r". bedeutet demzufolge zweierlei: 01t'A./'vov und I" N e.1 226 I t'I.'o,r"'''''ov ~v • Das eine bezeichnet ro M-Q,v' '11'0,[ , das andere r~ :~. Weil aber das Praqma, sofern es ein schlechthin unteilbares (:'tr~:;.r :tro/"o,"" ) 227 bedeutet, einerseits in vielfacher Weise ausgesagt wird, man sich andererseits immer um eine klare Bestimmung desselben bemüht, so muß der syllogismus auf das Praqma an sich als b11"4,i:vov;'v und nicht. auf das Onoma, sofern dieses (7ra-:v'/v re. ist, gehen 228 • Wenn jeder Syllogismos auf das Praqma an sich ( ~~ ~p~r4 Cl .. I 1C:4v' ...... r .. ) schließt und das Praqma unmöglich prädiziert werden kann, so daß an dessen Stelle beim . . i 1'" tl. I I D~sput~eren d e Onomata als OtJf1r"AQ, rAlv I1~ArI"4r",,,, , beim analytischen Verfahren dagegen die Horoi als :11 _ / • 011'"1:'" r4lV ITfA.rr~~41V treten, so werden d~e Praqmata im Syllogismos durch die Horoi vertreten. Der Horos bezeichnet dabei genauso wie das Onoma entweder r~ ~
r"
oder rJ I<.Af}'EVo{. Die beiden, r6 und r~ 1Ut~1 ;"of ' verhai ten sich zueinander wie r~ {;,,-oK/rtf. tVav zu dem ~evr7rorot/'" EV"V. Jede Protasis besteht demzufolge aus dem Hypokeimenon und. dem Kategoroumenon, wobei die Protasis lediglich ein Teil der aufzeigenden c:I C\)" / 229 Rede, sv I(.Q,V ,vo.) I bedeutet. Jeder Logos und jede Skepsis bedarf 'daher mehr als einer Protasis. Nicht jede Rede ist allerdings eine aufzeigende, sondern nur solche, in der das Vorhandensein von etwas als wahr oder falsch ausgesagt wird. Die Bitte (die Euche) ist z.B. zwar eine Rede (Logos), aber sie ist weder wahr noch falsch 230 • Nun verhält sich die (logos Protasis zu aufzeigenden Rede der apophantikos) , wie ein Teil zum Ganzen. Der erste 225 226 227 228 229 230
75
einheitliche logos apophantikos ist eine bejahende • ~ I ~, ,,. Aussage (Kataphas i s) 231 ,d1e e i ne Q,1I'0fo.VPL.r TI.VG.I ~4r~ re",of ist 232 • Die Kataphasis kommt aber immer • G / erst durch d1e Verbindung des "".Ole-'I.j'4t:v&v mit dem I / I IIEforr.voll' oder dem /(,Q,r,,(ofou/,r.vov zustande, so daß Hypokeimenon durch die Kataphasis offenbart wird233 • Wenn das Hypokeimenon einmal mit dem l E vov , I ein anderes Mal mit dem 1GQ,~,r0I'0"r~V'o" verbunden werden muß, dann enthält der logos apophantikos notwendig zwei Protaseis, weil jede Protasis ja aus zwei und nicht aus drei Horoi besteht. Die beiden Protaseis setzen aber gleichzeitig zwei Hypokeimena voraus, von denen das eine das Vorhandensein von etwas ist.
trtf;..
Resümee: Die Horoi erweisen sich nunmehr als die Seinsweisen des Pragma, durch welche dieses im logos apophantikos, sofern er ein analytischer syllogismos heißt, vertreten wird, wobei das Vorhandensein von etwas hier zu dem zu erschließenden Erkenntnisobjekt . der wird. Da aber das wahre Seiende (ro\ CI'1 , $':11 6.,) Oll') 1n Verknüpfung des Oenkens (tv bvr,d0K-,fj tfu.vot~) 234 erkannt werden kann, die Verbindung und Trennung nur in der Oianoia und nicht in den Pragmata stattfindet 235 , so besteht zwischen "dem wahren Seienden" 'I.f)'1.5" Oll") '/ ~,ro, 41') und dem Pragma, sofern dieses ro' "'..$ ~ 1~6rov bedeutet, eine "Kluft", die nur mittels der analytischen Syllogistik überbrückt werden kann.
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b)
Das .esen des analytischen Verfahrens und die "vierte Schlu8fiqur"
In der Aristotelesforschung wird oft die Frage aufgeworfen, Aristoteles eigentlich die warum sogenannt~ "vierte Schlußfiqur" unbeachtet läßt oder gar nicht kennt. Sir D. Ross beantwortet die Frage 231 232 233 234 235
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76 wie folgt: "Thus he recognizes the validity of a11 the inferences which later logicians treated as moods of a fourth figure, but treats them, more sensibly, by way of two appendixes to his treatment of the first figure.,,236 Und Patzig meint mit Hinweis auf eine Stelle aus An. pr. A23, 41a13-18: "Die Behauptung des Aristoteles in diesem Satz, es ließen sich unter gegebenen Bedingungen nur dreierlei Kombinationen bilden, ist natürlich nicht richtig •••• Die vierte Kombination hat Aristoteles in seiner Aufstellung der vorhandenen Möglichkeiten nicht berücksichtigt. Sie entspricht evidenterweise der traditionellen vierten Figur •••• Das wäre um so erstaunlicher, als Aristoteles ja einige Modi, die denen dieser Figur entsprechen, als gültig anerkennt und als "zusätzliche" Syllogismen in A7 und Bl der ersten Analytik nachträqt. ,,237 Nun geht es Aristoteles in A23 weder um irqendwelche "Kombinationen", noch meint er in A7 die "vierte Figur" oder "Modi, die dieser Figur entsprechen", sondern lediglich eine bestimmte Art von Sylloqismos. Das Schema und d,er Sylloqismos sind schließlich nicht ein und dasselbe. Ein Sy11ogismos kOlll1llt auch, wie Aristoteles wiederholt versichert238 , durch qleichzeitiqe Anwendunq mehrerer Schemata zustande. In A23 239 will Aristoteles daqeqen lediqlich saqen, daß jeder Sylloqismos durch die Vermittlunq des Gemeinsamen (des Meson) - denn das Meson heißt eben dasjeniqe, was als eine Vermittlunq zwi~7 ,...." . sch en d em tt~"Jov und ' c..; q.rro G.l6pOV auftrl.tt - zustandekommt. Da aber das Meson von dreierlei Art ist, so qibt es auch drei unterschiedliche Schemata. In An. pr. A27 spricht Aristoteles von zwei Protaseis, von denen der ersten die Horismoi und 1/~Q, rOtJ "1'''rt'A't:Of
G.
236 237 238 239
Ross, D., a.a.O., S.3S. Patzig, a.a.O., S. 117. Vgl. z.B. An. post. 79a 29f. . \ I , I An. pr. 4Ia13-18:"Wenn etwas Gememsames ( ,"0 "o'vov = co I"E60v) fl1r beide angenommen werden muß und dies auf dreierlei Weise möglich ist - man kann nllmlich entweder das A von rund r von B oder das r von beiden oder die beiden von r prädizieren - und wenn dies eben' die (drei) besprochenen Schemata sind, so ist klar, daß jeder Syllogismos notwendig mittels eines von diesen Schemata gebildet wird."
77
zugrundeliegen, der zweiten dagegen dasjenige, was (',.,. c, IV dem Praqma sowie dem das Praqma folgt (oo~ etrtrQ,L rt' I ,'2" \ ..., !) <\ • c ~ np4(1"Q.'Ct. 1014' O'f' co 1'Prv-r" .. ,...'\""",0) • D1ese etro/'6v4 sind , "" / ~~ dabei dasjenige, was entweder 111' r~ r, €On oder als :~Q, oder als 0"i'PE.,~K1~ prädiziert wird 240 • sind eben die drei Bedeutungen des Meson.
Das
Bei allen Forschungen fragt man, ob ein Meson ist, oder welches ein Meson ist. Das Meson ist ja eine Ursache (Aition), weil die Ursache dafür, daß etwas Co , ,.,r ~, e I das Wesen schlechth1n ("'nA ....> 1 OVD"'Q, ) oder I(,Q q..uro oder "'H"~ buI'Pr..{J,~'J ist, das Meson bedeutet 241 • Ein •
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Verfahren, das der Ursachenerkenntnis (bzw. der Erkenntnis des Meson) dient, heißt - und das haben wir schon längst bei der Unterscheidung der zwei syllogistischen Verfahren festgestellt - die Aristotelische Dialektik und nicht die analytische syllogistik. Jeder analytische Syllogismos, der den l< ... r"1"Qn.",~ b..J~o/'~cf ermöglicht, setzt die Ursachenerkenntnis schon als bekannt voraus und geht von der bereits erw~rbenen Erkenntnis aus, um das Vorhandensein von etwas zu erschließen. Daher beginnt die 1. Protasis des j<,Q,r:q'fq..r-'~ 6'vJ~or"~oJ- in dem 1. und 3. Schema immer mit der Feststellung, rrZv oder ''''7,'' . eben gefundene r',I,., /1ZDOII' sei 1:'0 /f"Jov Q,1tfN'v, d.h. d1e Ursache sei die Erkenntnis des Allgemeinen. In dem Symperasma wird dann anschließend vermittels des Meson, sofern es (gefunden) ist, bestätigt, daß das in einem partikulären und besonderen Falle " I"€fJOf) zu erhartende _ " ( t'o, ~Q,r.. E,,~rn1V CUtf0veben dieses Allgemeine bedeutet.
",
Resümee: Das analytische Verfahren ist keine Methode der Erkenntnisgewinnung, sofern darunter die Wesensoder Ursachenerkenntnis verstanden sein soll, sondern einzig und allein ein Verfahren, welches die Identität zwischen dem Allgemeinen (rJ te-qf)rf)..ou) und dem / Besonderen (ra I(,Clra f'e/0f') durch die vermittlung des
,
,
240 Vgl.. An . pr. 43b 2-7. 241 Vgl.. An . pr . 90a 5-11 .
78
Meson herstellt. Denn die analytische Methode heißt " h eben deswegen "analytisch" (Q,va.).vn_e.lf ), weil sie nicht die Wesens- oder Ursachenerkenntnis, sondern die Auflösung des Allgemeinen in das Besondere (oder das partikuläre) ermöglicht. Als Platons Schüler weiß Aristoteles ganz genau, daß es keine Erkenntnis vom Einzelnen gibt. Die Erkenntnis ist immer allgemein. Da aber Aristoteles im Gegensatz zu Platon den einzelnen und wahrnehmbaren Dingen ( r~ It-Af)' ;'/4.q G"Tq, """ c:t.lf,9tr;,f) auch den Rang des Seienden zuspricht, sucht er eine neue Methode, das Wissen des Partikulären zu gewinnen. Diese Methode fand er eben in dem analytischen Verfahren. Das Wissen vom Besonderen wird hier nicht mehr geleugnet, sondern "analytisch" durch den syllogismos gewonnen. Daher bezeichnet Aristoteles die Horoi weder als Onomata noch als Logoi, sondern als Onta, die verschiedenen Seinsweisen e~n und desselben Praqma. Hätte Aristoteles nun aber die traditionell verstandene "vierte Schluß figur" anerkannt, so hätte dies genau umgekehrt bedeutet, daß nicht das Allgemeine, sondern vielmehr das Meson, das lediglich eine Vermittlungsfunktion hat, als bekannt vorausgesetzt wird, so daß das Allgemeine zum Meson werden muß. Das steht aber in einem eklatanten Widerspruch zu dem Sinn und Wesen der analytischen Syllogistik.
3. Die
erkeDDtDistheoretische gistik
a) Das Aporema '
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struktur
ov6 & ..... r4",b~'Cc:t."
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a) Epagoqe und Apodeixis Es drängt sich die Frage auf, was für eine Erkenntnis diejenige ist, deren Gewinnung das analytische Verfahren beansprucht. Die Wesenserkenntnis kann mit diesem Verfahren nicht gewonnen werden. Denn die Definition wird, wie qesagt, zu der Arche und nicht
79
zum Telos der analytischen SYllogistik242 • Welche Erkenntnisart ist dann hier gemeint? Wir erwerben das Wissen, so lesen wir in den Analytica posteriora AlB, 81a 40-b4, entweder durch Epagoge oder durch ApodeiCI' 1'"' xis ( j'1a.vv4V0I"r.V '.1' J ttr4,~rj_". 7 Atroot.(,ft.t.), wobei Apodeixis aus dem Allgemeinen (llt. r;';v "'R~:lo,,), die
,
".,
"
Epagoge aber aus dem Besonderen (tIt. rt.lll' " .. r .. f'&/of) hervorgeht. Es ist allerdings unmöglich, das Allgemeine ohne die Epagoge zu betrachten, weil ja selbst das abstrakt Ausgesagte durch die Epagoge bekannt wird 243 • Die Epagoge scheint den Vorrang gegenüber der Apodeixis zu haben. Denn sie ist glaubwürdiger, deutlicher und der Wahrnehmung nach bekannter sowie der Menge zugänglicher. Der Syllogismos ist dagegen zwingender und für die widerlegung wirksamer 244 . Nun behaupte't Aristoteles, man erkenne im gewissen ,Sinne schon vor.' der Epagoge oder der Bildung eines Syllogismos 245 • Wenn wir das Wissen einerseits durch Epagoge oder Apodeixis erwerben, andererseits aber schon vor der Epagoge und dem Syllogismos wissen, so ergibt sich d~raus offenkundig das Aporema des Menon: "Man erwirbt entweder gar keine Erkenntnis oder (lediglich) das, was man weiß. ,,246 Platon löst in I
•
,..,
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cf
Apor1e ' trcJf EC'O,'7 on 'I rouro &oJ"(,v ,"}(J'J0Vct, "(SOd8) durch die Anamnesislehre: "Erkenntniserwerb ist nämlich nichts anderes als die Wiedererinnerung,,247. seinem Dialog ",
242 243
244
245 246 247
"r'.
'Menon'
C\,..' 0 OV
~ o,,~
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11
r- ,.,0
80
Aristoteles lehnt diese platonische Auffassunq entschieden ab. In den Analytica priora B21 beqründet er seine Ablehnunq mit der Feststellunq, nirqendwo qehe im 'Menon' aus der Arqumentation hervor, daß man das Einzelne vorher weiß - (lTpoI.d6"t",f'.J&a. rJ ,,~I~rre~. Es wird nur qezeiqt, daß man bei der Anwendunq der Epaqoqe qleichzeitiq (~. rj' 1n--r4J/ij) die ErkenntCo _ 'IJJ I JItIII nl.S des Besonderen (~~..., .... 0(,41'''' I" Po.> "'",r/n) qewinnt, als hätte man es wiedererkannt 248 • Daß etwas z.B. eine Winkel summe von zwei Rechten hat, wenn wir wissen, dieses Etwas sei ein Dreieck, das erkennen wir sofort durch Epaqoqe 249 • Man kann allerdinqs ,durch Epaqoqe wissen, dieses Etwas (C =AtoV~rov ~ / rp'(r.lvtJV) sei ein Dreieck (B = rl"'~vov), Denn Epaqoqe kommt zustande, sofern man die Aisthesis besitzt. Die Aisthesis bezieht sich aber immer auf das Einzelne 2SO • Daß aber jedes Dreieck (n.v r ) eine ,.../ ~ ~ ~ Winkelsumme von zwei Rechten CA = 6cJo 0fva.f,) hat (67a11ff), das müssen wir schon vorher wissen. Das Wissen von CA kommt der Episteme und nicht der Aisthesis zu. Denn es qibt keine Episteme vom Einzelnen 2S1 • Das CA weiß man also vor der Epaqoqe, so daß das Aporema unqelöst bleibt. Entweder hat Platon Recht und man löst es mit der Anamnesislehre. Oder man erkennt immer nur das, was man schon weiß. Oder weiß man vielleicht vorher durch die Apodeixis? Denn wenn man das CA vor der Epaqoqe weiß, das CA aber das Symperasma der Apodeixis ist, so scheint die Apodeixis vor der Epaqoqe die Erkenntnis zu besitzen und diese Epaqoqe hat dann doch keinen Vorranq mehr. I
~,.q
Nun entsteht zwar die Apodeixis Eie- rS", It Q,v:,I. 001, und man weiß immer, daß jedes Dreieck eine Winkelsumme 248 249 250 251
81
von zwei Rechten hat. Ob aber dieses ein Dreieck ist, weiß man nicht unbedinqt. Wenn z.B. A jedem Bund B jedem C zukommt, muß das A jedem C zukommen. Es steht allerdinqs nichts im Weqe, unwissend darüber zu sein (Q.(IID&VV ) , daß C sei. Wenn z. B. das A die Winkelsumme von zwei Rechten hat, das Bein T:ptrcJvov und C ein AlI;.J,~~v rl'~tUVDV bedeutet, dann könnte man meinen, C sei nicht, obwohl man qenau weiß, jedes Dreiec;:k habe eine Winkel summe von zwei Rechten, so daß man ein und dasselbe qleichzeitiq weiß und nicht weiß. Das Wissen, daß jedes Dreieck eine Winkel summe von zwei Rechten hat, ist nämlich kein Wissen schlechthin (~nlDvv ), sondern ein doppeltes Wissen ( J".IT.lo.7.. ) : es ist nämlich dasjeniqe, wodurch man entweder (a) die Erkenntnis des Allqemeinen (~,.eq,?tAGU itrt-6ffl'" ), jedes C sei A, oder (b) die Erkenntnis des Einzelnen ( ; /(.1&$' :~4G'rov), dieses C sei B, hat. Man kann beispielsweise die Erkenntnis des Allqemeinen, C habe eine Winkelsumme von zwei Rechten, besitzen, die Erkenntnis des Einzelnen aber nichthaben -(vql. An. pr. 67a9-20). Die Apodeixis kann sich also irren, indem sie "zwar die Erkenntnis des Allqemeinen hat, in der Erkenntnis des Besonderen sIch täuschen läßt,,252, wobei weder ... Co ,I r ... d er Irrt um bezuqll.ch des Meson (~",,,r... ro I"hov) noch die Hypolepsis bezüqlich der beiden Mesa (;/G.Cl~';~~". ,~ c '1 r~o" riJ" j'f'D~V /1"0 ~r'~) der Erkenntnis durch Sylloqismos (~/C.4'e"4 r~v G'1I.1l0/t.6f.~" ;".,rrfn) konträr sind (vql. a31-33). Die Erkenntnis des konträr Entqeqengesetzten ist ja immer die Erkenntnis der Wesens form (Eidos) und des Formausfalls (steresis). Weder der Irrtum bezüglich des Meson (; I(,q~~ r~ I"'-I;:.v J.r.Jr-7) noch die Hypolepsis verhalten sich aber zu der Erkenntnis durch Syllogismos wie die Erkenntnis von steresis und Eidos. Die Apodeixis erweist sich also (1) als keine Erkenntnis schlechthin. Sie kann aber (2) auch falsch sein, falls man sich entweder in BA oder CB geirrt
.
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252 VIII. ~n.p~.67a 29f: ~,w I'tv Jc.ArA.
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r?v 1f,4V,f;tllI , 4tr4t'A6',9A'
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82
hat. Daher ist es 'klar, daß man auch irren kann, wenn man das eine weiß und das andere nicht weiß 253 • Es steht nämlich nichts im Wege, daß man bezüglich eines und desselben ein wissen hat und irrt, nur nicht in konträrer weise. 254 Weiß man z.B., jeder Maulesel sei unfruchtbar und dieses Lebewesen sei eine MaUleselin, so meint man dennoch, es sei trächtig. Denn man weiß , . ~ r-I nicht, daß A dem C zukommt, wenn man ro ( norv"" gemäß den beiden (eben genannten) Erkenntnisarten ( C6 AlAof)' t",'(upov) nicht gleichzeitig besitzt255 .
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Die AporJ.e " OVO&II" /'1"V,01["4" '7 A OLOt'" bleibt nach wie vor ungelöst. Die Apodeixis und Epagoge setzen die Erkenntnis des Allgemeinen' oder des Besonderen schon als bekannt voraus. Denn die beiden Wissensarten - das Wissen durch Apodeixis und durch Epagoge Ir>:I 'V .. , . . , • • ( ,ro tJ • • r-'IEU) /6"'1-.' '''4-/Ur,J t.tlEve,,) e~nerse~ts und
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an ererse~ s - s~n nicht ein und dasselbe, auch wenn das eine ohne das andere nicht möglich ist. Was sind Apodeixis und Epagoge dann? , "",,VOAOCl
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N,r4I"'f'O,r
Wir glauben jedes einfachhin zu wissen (lr;i*",f"-/)., ••• ~1T.l.:7J ), stellt Aristoteles in der 2. Analytik A2 fest, wenn wir die Ursache, durch welche das Pragma ist, erkennen, daß sie nämlich eine Ursache von jenem ist und es sich nicht anders verhalten kann. 256 Aristoteles spricht hier vom Wissen schlechthin (~d:;.r) als von einem Wissen, das sich nicht so oder sofern man anders verhalten kann. Denn dasjenige, was sich nicht so oder anders verhalten , ~ r-, r-o ~/I I '>1 • kann (/1, F""EXtoV.. Ir rour' .........f 'XIW' ), erkennt, w~rd es nicht Mehr und nicht Weniger (rQ:~~ov ~~
fnov ),
253 254 255 256
83 ..
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sondern Q,1T~"'.r ausgesagt, daß es nämlich vorhanden ist. Denn wenn man nicht weiß, ob etwas iITAC.r ist, kann man auch nicht wissen, ob dieses da eine Winkelsumme von zwei Rechten GnlcJ) hat. Man weiß hier zwar gewissermaßen, sofern man allgemein (Ie.,..fJ,{l .. u) weiß, ~r weiß man aber nicht 257 •
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Das Wissen schlechthin erweist sich somit sowohl als eine Ursachenerkenntnis (bzw. die Erkenntnis des Allgemeinen), sofern wir nämlich die Ursache, durch die das Pragma ist, erkennen, als auch als die Erkenntnis des Einzelnen, sofern wir wissen, daß dieses da vorhanden ist. Die Erkenntnis durch Apodeixis ist dagegen keine Ursachenerkenntnis. Sie bedient sich vielmehr des Wissens 3.n).;Jf als etwas bereits Bekanntes. Wozu braucht man dann überhaupt die syllogistische Erkenntnis 258 ? Wenn sie das Wissen schlechthin als bekannt voraussetzt und das bereits Bekannte im allgemeinen durch Apodeixis oder im besonderen durch Epagoge 259 nur bestätigen soll, so scheint sie (die Syllogistik) entweder gar keine Erkenntnis oder nur das, was man schon weiß, zu erwerben. Ist nun die SYllogistische Erkenntnis des Bekannten?
lediglich die
Bestätigung
Sie ist jedenfalls weder das Wissen schlechthin noch die Ursachenerkenntnis. Sie ist allerdings ein solches Wissen, in dem die Erkenntnis des Allgemeinen ..
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und des Besonderen ( , "'''''''0-,,011 1C4~ ~4 rEfo,) ctrury in einer wechselseitigen Abhängigkeit zueinander stehen, so daß man notwendig sich irren muß, falls
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258 An. pr. 67a3lf: l"J) "''lr... roll' ~)).ort.-~V ur(,r;~lr.'1. 259 Was die Erkenntnis durch Epagoge anbelangt, so ist sie z.tar auch eine Ursachenerkenntnis (Vgl. EN I098b3). Sie beschrlnkt sich aber ausschließlich auf die Erkenntnis des Daß, nllmlich "daß (etwas) entweder ist oder nicht ist" (tI~l ;1 r~,,,;' oi:", Vf'~w, An. post. 92bI).
84
man das eine weiß und das andere nicht weißt 260 • Wenn man aber dasselbe qleichzeitiq weiß und nicht weiß 261 , dann kann sich die Erkenntnis durch Sylloqismos so oder anders. verhalten. Die sylloqistische Erkenntnis scheint demzufolqe das Doxa-wissen zu sein. Denn die Episteme und deren Erkenntnisobj ekt (Episteton) unterscheiden sich von der Doxa und deren Erkenntnisqeqenstand (Doxaston) dadurch, daß das eine allqemein und aus Notwendiqkeit besteht, das andere daqeqen sich so oder anders verhalten kann 262 • Nun saqt Aristoteles aber auch, die Apodeixis sei etwas Notwendiqes. Und wenn etwas bewiesen ist, kann es sich nicht anders verhalten, so daß der sylloqismos doch aus der Notwendiqkeit besteht. 263 Die Apodeixis muß also eher der Episteme als der Doxa nahestehen. Was ist nun? Ist die Erkenntnis durch Sylloqismos Episteme oder Doxa? Aus wahren Protaseis kann man laut Aristoteles auch schließen, ohne zu beweisen, aus de'n notwendiqen kann man daqeqen nicht anders schließen, als indem man beweist 264 • Nun qibt es aber viel Wahres und Seiendes, das sich so oder anders verhalten kann 265 • Die sylloqistische Erkenntnis scheint also beides , Doxa und Episteme, zuqleich zu sein. Inwiefern aber unser Aporema dadurch qelöst sei und wie die Erkenntnis durch sylloqismos einmal Episteme, ein anderes Mal Doxa sein kann und schließlich, was die apodeiktische Erkenntnis, falls sie kein Wissen schlechthin sei, eiqentlich bedeuten soll, das alles bleibt nach wie vor unbeantwortet.
85
8) Bpist... un4 Doxa In A33 der Analytica posteriora stellt Aristoteles die Fraqe: "Wie ist es nun möglich, dasselbe zu meinen und zu verstehen, und warum ist die Doxa keine Episteme, wenn man annimmt, alles, was man weiß, könne man auch meinen?"266 Aristoteles qreift hier die alte platonische Auseinandersetzunq mit der Sophistik in dem Dialog 'Theaitetos' über die Fraqe auf, ob die Doxa eine Episteme sei oder nicht. Theaitetos, der sich durch das Erwerben der mathematischen Erkenntnisse hervorgetan hat, wird von Sokrates, da das Lernen darin besteht, das Wissen zu
. das Wissen? r,"r, • 6r I erlangen, gefraqt: Was 1st I" r,v rm. Die Antwort, in der Theaitetos zunächst seine Ansicht verkündet, die Wahrnehmunq sei ein Wissen ( ; ~~~~?6..[ lfnG{/,7)' untersucht Platon anhand des Protaqoreischen homo-mensura-Satzes. Denn Theaitetos' Ansicht erweist sich für Platon als identisch mit dem Grundsatz des Protagoras. Wenn aller Dinge Maß der Mensch ist, so bedeuten doch die Worte: So wie mir etwas in der Wahrnehmung erscheint, so ist es für mich ein Seiendes: so wie es dir in der Aisthesis erscheint, so ist es für dich seiend. Es gibt also kein An-sieh-Seiendes, sondern alles steht in einer Beziehung zu einem anderen, wodurch es auch in gewisser Weise zu etwas anderem wird. Das würde
Ir,;
bedeuten, daß es allein die Aisthesis ist, durch die es erkannt und gewußt werden kann, daß die Aisthesis folglich Wissen und Erkenntnis (Episteme) ist. Platon lehnt, wie wir schon früher feststellen konnten, Protagoras' Philosopheme sowie die daraus resultierende Bestimmung der Episteme als Aisthesis entschieden ab. Nach dem Verwerfen der 1. Definition wird von Theaitetos nunmehr die 2. 266
Definition vom
86 Wissen aufgestellt, das Wissen sei nämlich die wahre r , \ e. J I CI \ "~r • ,.. I "I" Doxa,I(,LVoVveClc,," b. ~ Q./\~"~I "0)& ur•• r ,,.) t''''4'(187b5). Nun erklärt Sokrates zu Beginn seiner Untersuchung, ob die wahre Doxa die Episteme sei, es habe ihn schon oft die Frage beunruhigt, worin denn das Pathos, das Falsche zu meinen (~;, 60f rLv~ 't'l.udi), besteht und auf welche Weise es entsteht (vgl.d3-6). Es stellt sich nämlich die Frage: Wie kann die Doxa eine Episteme sein, wenn sie auch falsch sein kann? Die Episteme ist doch immer wahr. Das Haupthindernis, die Definition der Episteme als die wahre Doxa für richtig zu halten, ist also die Irrtumsfähigkeit der Doxa. Warum ist aber die Doxa der Falschheit oder dem Irrtum ausgeliefert? Den Versuch, die Irrtumsfähigkeit der Doxa zu definieren, beginnt Sokrates zunächst mit der These, es sei wohl unmöglich, daß der Wissende nicht weiß und der Unwissende weiß 267 • Denn der Meinende meint notwendig entweder das, was er weiß oder nicht weiß 268 • Glaubt also der, der das Falsche meint, das, was er weiß, sei nicht das, sondern irgend etwas anderes von dem, was er weiß: und weiß er also beides, und weiß es auch wieder nicht?269 Wenn nun der Meinende das, was er nicht weiß, für etwas anderes, was er ebenfalls nicht weiß, hält, so bedeutet das, einem, der weder von Sokrates noch von Theaitetos weiß, käme in den sinn, Sokrates wäre Theaitetos oder Theaitetos Sokrates. Keiner hält aber gemäß der aufgestellten These das, was er weiß, für das, was er nicht weiß, oder was er nicht weiß für das, was er weiß. Wie kommt dann die falsche Doxa 7".1 t' r_ ",f 'r zustande? n'" <.J) ouV A,V rn ~'Utl? oo),,-of'ev: Denn außer diesen beiden ist es doch unmöglich, etwas zu meinen, da wir ja von allem entweder wissen oder nicht wis-
:J5'/-II'
267 268 269
87 sen, und so scheint es überhaupt unmöglich, falsch zu meinen (V,u~ Ioff6~', vgl. 188b7-c7). Entweder gibt es keine falsche Ooxa oder die aufgestellte These ist falsch. Sokrates entscheidet sich nach langem Hin und Her für die zweite Möglichkeit. Ich meine, so Sokrates, wir haben uns in der These geirrt, daß es nämlich unmöglich sei, das, was der Meinende weiß, für das, was er nicht weiß, zu halten. Dies ist nämlich in gewissem sinne doch möglich. 270 Wenn man z.B. den Sokrates kennt, kann man dennoch von fern beim Erblicken eines anderen, den man nicht kennt, glauben, es sei Sokrates (vgl. 191a8-b6). Nachdem Sokrates also den ersten Versuch, den Irrtum zu definieren, für geSCheitert erklärt hat, geht er nunmehr zu dem zweiten über, den er mit der bekannten _ :;",.. \ ,,.., , CI' Aporie eroffnet: 'o.,P4 unv /"1 e"dot'A r" 1"0rC{'DV ';liTepov ""4~I'W' (191c 3 f) • Er erzählt dabei, um die Aporie zu verdeutlichen, einen Mythos. Nehmen wir an, wir haben in unseren Seelen eine wächserne Masse, welche die Abdrücke aufnehmen kann. Wenn wir uns an Gesehenes, Gehörtes und Gedachtes erinnern wollen, drücken wir es in dieser Masse ab, indem wir sie unter die Wahrnehmungen und Gedanken halten, wie beim siegeln mit dem Gepräge (b'1rJ~v) eines Ringes. Was sich nun abdrückt, dessen erinnern wir uns und wissen es ( 1"''''1r0V'c.f.. w n ~ 1""'~"b-94"), solange nämlich sein Abbild (d1"41loV' a.3n.u) vorhanden ist. Ist aber dieses verloschen und hat es gar nicht abgedrückt werden können, so vergessen wir die Sache und wissen sie nicht. Nun kann der sie Erkennende während der Betrachtung dessen, was er sieht oder hört, derart 't'tufr foJtfr:4~271, da8 er das, was er wei8, bisweilen 270 271
88 für das, was er nicht weiß, hält (vgl. 191cS-e6). Und so zieht Sokrates anschließend sogar 14 mögliche Varianten von dem falschen Meinen ('t',utt .roJ,/,t:..) in Erwägung (192a1-c3): 1. Man hält das, wovo,:, man weiß, indem man dessen Denkmal in der Seele hat, es aber nicht wahrniDUllt, für ein anderes, das man (zwar) auch kennt, da man ja · ..." /1tV r({ d essen Abdruck hat, aber n i cht wahrnl.mmt (0 S"r. ,-J' ,,..., ~'..... ,...,:J L""'C) ~ 0""", 0x.,,, ,,-urou r"1t'&/,ov 1.11' r;:, '1'uXj, 4&.ov'w',I"" € " .f ,a", ., I e- ~r" \" , Q.uro ~
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2. Man hält das, wovon man weiß, für das, was man nicht kennt und wovon man kein Gepräge hat (t,\
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4. Man hält das, wovon man nicht weiß, für das, wovon • ",,..,... c:.l 0;'1'" man wel..8 (" /"7 0'.1& ....., 0 O"~E.. ) . 5. Man hält das, was man wahrnimmt, für ein anderes, c\ ''''(1/ '" ...... I das man ebenfalls wahrnimmt (0 a.
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6. Man hält das, was man wahrnimmt, für das, was man • cl ''''(l' ~ r, 1'" \",,,6"v"'II'd"
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8 • Man hält das, was man nicht wahrnimmt, für das, ~\ \ '1"01 'i' "rtll was man wahrnimmt (0 /"7 A.uv~lI,r.... ,~" 11."0 v ... ver..,,) • 9. Man hält das, wovon man weiß und es wahrnimmt, für etwas, was man ebenfalls kennt und wahrnimmt (~\ ,,[Tz
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10. Man hält das, was man weiß und wahrnimmt, für c., ~I'" \ ~/"tJ I das, wovon man nicht weiß (0 0""& /e,." Q."oVQ,ftr., ••• , 0
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11. Man hält das, wovon man weiß und es wahrnimmt, \ e\ j'~ , für ein anderes, das man wahrnimmt (~ .... 0 "I-IIE J(,Q/, ",ll>""-"I:r;a" ... , ~\ f'~,fV'J:r4f, ).
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12. Man hält das, wovon man weder weiß noch es wahrnimmt, für das, wovon man ebenfalls weder weiß noch \ c, ?- \ 'i'-r '1'"':;" CI es wahrnimmt (1&4. 0 a,v 1"'7 0"<1& /" .. s: ""0' Q.VoE r4" I 0 ,~ N ~ -nI ( r~ o".r.: l"'1iJ~ A.,,6vA.Va"4f,).
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13. Man hält das, wovon man weder weiß noch es wahrnimmt, für das, wovon man nicht weiß (bl ~ /"tJ I
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Sokrates lehnt dies alles mit der Begründung ab, es sei in ·allen diesen Fällen schlechterdings unmöglich, das Falsche zu meinen (Y'Clld9' rc.V4 iDfloa., vgl. c4-5). Warum eigentlich? Die Frage glaubt Sokrates, anhand von Beispielen für die ersten drei eben erwähnten Fälle beantworten zu können. Zu 1.: Wenn z.B. Sokrates den Theodoros und Theaitetos zwar kennt, keinen von beiden aber sieht, noch irgendeine andere Aisthesis erleidet, so wird er niemals meinen, Theaitetos wäre Theodoros. Zu
2.:
Wenn
ich
(Sokrates)
den
einen
von
beiden
kenne, den anderen aber nicht kenne und keinen von beiden wahrnehme, so würde ich nie denjenigen, von dem ich weiß, für den, den ich nicht kenne, halten.
90
Zu 3.: Wenn ich (Sokrates) schlieBlich keinen von beiden kenne noch sie wahrnehme, dann kann ich doch nicht meinen, der eine, den ich nicht kenne, sei der andere, den ich ebenfalls nicht kenne (vgl. 193a1b3). Ebenso verhält es sich bei den übrigen 11 Fällen. Wie ist dann die Irrtümlichkeit der Doxa möglich? Das falsche Meinen (r~ .foJ.lG4,,) kommt nach Platon nur dann zustande, wenn er (Sokrates) z.B. Theodoros und Theaitetos zwar kennt und von den beiden wie von siegelringen in jenem Wachs: die Abdrücke (r~ .hat, die beiden von weitem aber nicht deutlich genug sieht; und indem er sich bemüht, den einem jedem eigentümlichen Abdruck (r~ 0:",';:0V' b1r';:"V') mit dem eigentÜMlichen Gesichtssinn so zu vereinigen, damit eine Wiedererkenntnis (Anagnorisis) erfolge und er dann dies verfehlt, entsteht die inpof'oj(q" nämlich rJ ",I:.lId7 dar':"].:"", (vgl. 193b9-d2). Platon formuliert somit die IrrtÜMlichkeit der Doxa in dreifacher Weise:
.",.IIr;
&'r ,"')
1. Man hält das, was man weiB, für ein anderes. was man weiB und wahrnimmt (:" oV off,.V' I o:~$'''V4-'' a,erl. 'c!-
r-,..
Enp' a..U'q, ..,11',.." t.lV o~o' CI
.,
...
I(,Q"
"
r"tIi I
q,'P""'''''Z:-4V
).
2. Man hält das. was man weiB, für ein anderes. was :11 ~ , ~r' man zwar nicht weiB. aber wahrnimmt (~I<JV O/.dS::V' ,
q,tC',J'!'VI:r'tU
S'r').
1'1
3. Man hält das, was man weiB und wahrnimmt, für ein ." ~ anderes, was man ebenfalls weiB und wahrnimmt (~ Q/v S",.. , ?""17 I ~ 9-,... ?\ 'r-fI I 0 ' ' ' ' ~Ao' 4"bV,,"Ii'C:J'o', AlV 0'01" .... 4." Ae4 .. q... ~vqvs:r4" , vgl. 192c9-d1). Zu 1.: Die falsche Doxa entsteht hier. wenn man. von beiden wissend, den einen außer dem Wissen auch noch wahrnimmt. den anderen" aber nicht und die Kenntnis
91 des einen nicht gemäß der Aisthesis besitzt (193dS -7). Wenn nun.die Aisthesis zu dem einen Abdruck (r~ O~r(~OIl"') hinzukommt, zu dem anderen aber nicht und die Dianoia den Abdruck der abwesenden Aisthesis dann der anwesenden zuschreibt, kann die Dianoia in dem allen sich irren (194a6-8), so daß der Irrtum hier gemäß der Dianoia stattfindet. Zu 2.: Dasselbe gilt auch für den zweiten Fall mit dem Unterschied, daß man, ohne beide zu kennen, das eine, was man nicht weiß, wahrnimmt, das andere aber nicht. Denn wenn die Aisthesis dessen, was man nicht weiß, zu dem Abdruck, den man zwar besitzt, aber nicht wahrnimmt, hinzugefügt wird, so kann die Dianoia den Abdruck der abwesenden der anwesenden zuschreiben. Hier findet der Irrtum ebenso gemäß der Dianoia statt. Zu 3.: Die falsche Doxa entsteht aber auch dann, wenn man beide kennt und beide wahrnimmt, die Abdrücke (r~ b'1rc.iQ.) von beiden aber nicht gemäß der Aisthesis besitzt, so daß man wie ein schlechter Schütze anderswohin trifft und sein Ziel verfehlt (vgl. 193e6 194a4). Der Irrtum kommt hier offenkundig gemäß der Aisthesis zustande. Weder das Irren noch die falsche Doxa (o~~ yeJJifj&, ., S',' Nf . . OCln eycv (0)"') finden sqml.t l.n dem statt, wovon man nicht weiß oder niemals wahrgenommen hat, sondern in dem, was wir wissen und auch wahrnehmen können. Darin dreht und wendet sich die Doxa und wird bald richtig, bald falsch. Wenn sie nämlich die zusammengehörigen Eindrücke und Abdrücke entsprechend miteinander verbindet, wird sie wahr. Wenn sie aber diese verdreht oder quer verbindet, wird sie falsch (vgl. 194a9-b6) • Aus diesen Überlegungen geht schließlich die Platonische Definition des Irrtums der Doxa hervor: Die falsche Doxa liegt "weder in den Wahrnehmungen
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92
untereinander noch in den Gedanken, sondern in der Verbindung der Wahrnehmung mit dem Denken,,272. In dieser Definition des Irrtums der Doxa liegt zugleich der Schlüssel nicht nur für die Lösung der Aristotelischen Aporie ' auch für das
~\'N q/,. ., CI ~ OlJtJE.V l"Q,v~D,nu ~ 4
Verständnis
des
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[V',
Wesens
sondern seiner
analytischen Syllogistik. Die immer wieder in dßr Aristotelesforschung aufgestellte These, Aristoteles' Syllogistik habe ihren Ursprung in der Platonischen Philosophie, findet hier und nur hier ihre Bestätigung. Platon selbst wäre allerdings nie zu einer derartigen Entdeckung gekommen. Wie könnte er auch? sein monistisches Verständnis vom Wissen hätte ihm das gar nicht erlaubt. In den Bemühungen, die Irrtümlichkeit der Doxa zu bestimmen, verfolgt Platon nur ein Ziel, Theaitetos' Definition der Doxa als Episteme zu widerlegen. Das ist ihm auch gelungen. Denn wenn der Irrtum der Doxa durch die Verbindung der Aisthesis mit der Dianoia zustandekommt, die Platonische Episteme sich aber immer auf die außerhalb der Aisthesis und der wahrnehmbaren Welt existierenden Ideen bezieht, so kann die Doxa unmöglich Episteme sein. Aristoteles behält zwar den Platonischen Begriff von Epi~teme bei, beschränkt sich aber nicht wie Platon auf die Wesens- und Ursachenerkenntnis. Denn es gibt nach Meinung des Aristoteles nicht nur die Wesensund Ursachenerkenntnis, sondern auch eine andere Art von Erkenntnis. In der Auseinandersetzung mit der Sophistik räumt Aristoteles, wie wir schon früher feststellen konnten, zwar der Doxa den Status eines Wissens ein, lehnt aber zugleich die sophistische Doxa als eine Erkenntnisart ab. In der Suche nach einer Bestimmung des Doxa-Wissens übernimmt Atistoteles nunmehr den im platonischen Sinne verstandenen Begriff von der Doxa, welche er im Gegensatz zu Platon doch als eine Erkenntnisart gelten läßt, auch wenn sie irrtumsfähig 272 Vg\. Theait. 19Sc 8r:
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93
ist. Aristoteles gibt allerdings Platon insofern Recht, als er dieser neuen Art von Erkennen sowohl den status von Wesens- als auch Ursachenerkenntnis abspricht. Das führt Aristoteles aber unvermeidlich zu der Aporie. Denn wenn das Wissen weder Wesensnoch Ursachenerkenntnis bedeutet, wir aber nur dann etwas schlechthin (:rr.lJ.r) zu erkennen glauben, wenn wir die Ursache, . durch die das Praqma ist, erkennen 273 , wie kann dann das Erkennen überhaupt ein Erkennen sein? Wir erwerben dann entweder gar keine Erkenntnis oder das, was wir bereits wissen. Wir wissen aber nur schlechthin, falls wir die Ursache kennen, wodurch etwas ist oder wird. Aristoteles löst nunmehr sein Aporema dadurch, daß er im Anschluß an Platons Definition der Irrtümlichkeit der Doxa verkündet: Man irrt sieh, wenn man das eine weiß und das andere nicht weiß, sofern die beiden sich so zueinander verhalten wie die Erkenntnis des Allgemeinen zu der des Einzelnen. Denn wir wissen . , - l'1ges ( OV.~V ~ ...\ "" ~r-t) "" n1chts S1nnenfal r~v Q.ev?r~v), nachdem es sich der Aisthesis entzogen hat - auch wenn wir es zuvor wahrgenommen haben - außer durch den Besitz des Wissens von Allgemeinem und Besonderem, allerdings nicht durch das aktuelle Wissen (r9' iV'cp(c7'v ) 274. Das Wissen des Allgemeinen und das des Besonderen bedeutet aber nichts anderes als Platons "Abdrücke" (O'f"""') oder "Abbilder" (t~/.rCJ..\""), die von der wächsernen Masse, die den Wahrnehmungen und Gedanken untergelegt wird, in der Seele aufgenommen werden 275 • Das Allgemeine und das Besondere sind hiermit Platons r' ..., , ur \ i .. . ",,//,,"Q, "'.. ~ "0<.1,4"" , d e aus der A1sthes1s und D1anoia hervorgehen und als "Erinnerungen" in der Seele
94
"abgedrückt" werden. An dieser Stelle wird aber auch ~ rI \ klar, warum Aristoteles t"Q, f" r.t"IA.} v und nicht t"40 {J'CI,.., ~ 0"'4 I zu den It-Q, E/G4DrQ. 1t-1II1. a.c...DV)ra. (vgl. An.pr. 43a27) einzigen Onta der Syllogistik macht. Wir wissen nämlich nichts Sinnenfälliges außer durch den Besitz des Allgemeinen und des Besonderen. Da wir uns aber an das, was sich abdrückt, erinnern und es wissen, solange nämlich sein Abbild (E~~.r""-'011' .....:rov) vorhanden ist 276 , so bedeutet die /,,;'$., laut Platon .3,
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o,v",I"""1"'f oder Q,v4yv<Jp'''i.). Aristoteles hebt dagegen,
wie
gesagt,
Platons
Anamnesislehre
auf.
An
deren
Stelle tritt nämlich seine eigene Lehre, und zwar die Theorie "des aktuellen Wissens". Denn das Erkennen wird in dreifacher Weise verstanden: Es bedeutet das allgemeine, das besondere und das aktuelle Wissen, so daß auch das Irren diesen dreifachen Sinn hat. Es steht nämlich nichts im Wege, daß man bezüglich eines und desselben ein Wissen hat und irrt, nur nicht in konträrer Weise. Es geschieht auch dem, der die beiden Protaseis zwar (getrennt) weiß, zuvor aber nicht (gleichzeitig) betrachtet hat 277 • Resümee: Das "aktuelle Wissen" des Aristoteles ist nichts anderes als die im platonischen Sinne verstandene Doxa. Es kommt durch die Gleichsetzung bzw. Verbindung der Erkenntnis des Allgemeinen mit der des Besonderen oder, mit Platon gesprochen, durch die Verbindung der Dianoia mit der Aisthesis zustande. Von der Platonischen Doxa leitet Aristoteles somi t das Verfahren seiner analytischen Syllogistik ab. Das Wissen der analytischen syllogistik kommt nämlich genauso wie Platons Doxa nur dann zustande, wenn man beim Besitz der Erkenntnis des Allgemeinen oder des Besonderen die beiden entweder richtig oder 276 277
falsch
95 verbindet. Daraus folqt nunmehr auch die Lösung des .) r-I .\ CI '1"rC\ '6i Aristotelischen Aporema ' ?) 'I oua cv /14"1 trql' Q OtdIEV'. Xan q.ht zvar von d •• b.r.its B.kannt.n aus, um ab.r nicht die Erk.nntnis d.s Allq_.in.n od.r d.s B.sond.r.n, also die Erk.nntnis d ••••n, vas .an vei8, zu .rw.rb.n, sond.rn um die b.iden in .in. .olch. v.rbindunq zu brinq.n, da8 .i. sich in.inander richtiq auflös.n können. Di. xath•• i. .rw.i.t .ich hier.it nicht ••hr al. ein. Anam•• is, .ondern al. ein. Analysi •. b) Abqrenzunq d.r analytischen Doza qeqen Apodeizis und Epaqoqe a) Drei Arten der Analy.is
Jede Didaskalia und jede Mathesis ,f"q,vo,nll-{ qehen lll.. 'r- '(vt:,)or:t.Jj 'rnpourr4pxouo1f' hervor. wie die mathematischen Wissenschaften auf diese Weise entstehen, so auch jede der übriqen Technai. Ebenso ist es mit den Loqoi, möqen sie den Sylloqismos oder die Epaqoqe r \ I verwenden. Denn beide lehren O'D- npol""t.Jb~0i'(;veJv (vql. An.post. 71a1-7). Mit diesen Worten beqinnt Aristoteles das Proömium zu den Analytica posteriora. Das Beibrinqen der Erkenntnis (Didaskalia) und deren Erwerb (Mathesis) ist die eiqentliche Aufqabe und das Telos der analytischen Sylloqistik. Wie und inwiefern sind aber die Didaskalia und Mathesis möqlich? In dem schon oben ausführlich behandelten Dialoq 'Tbeaitetos' bestimmt Platon d as Wi ssen . . . l.n zwel.facher Wel.se als ~ ~I S '-j , ,., I I'Vr oder ',,~o~~/',r /l.T~O') (vql. 197aS-b4). Denn das Haben \ :11 • \' ./"'t'l (ro 'X,w) und das Besl.tzen (To IClj(,~,bv4') sind laut Platon nicht ein und dasselbe. Wenn man z. B. ein Kleid qekauft hat aber nicht träqt, so besitzt man es, hat es aber nicht (vql. bS-c2). Oder wenn man als Beispiel eine Rechenkunst nimmt, vermittels deren man sowohl für sich die Erkenntnis der Zahlen hat als auch den anderen überträqt (vql. 19Sa5-b2), so kann
Ent.or,r,r
er
96 man sagen, wer sie übergibt, der bringe die Erkenntnis bei (didaskein); wer sie aber übernimmt, der erwerbe die Erkenntnis (manthanein); wer sie schlie.8lich besitzt und hat, der versteht sie (epistasthai) 278. Beibringen, Erwerb und Anwendung der Erkenntnis (Didaskein, Manthanein und Epistasthai) setzen entweder Hexis oder Ktesis d_er Episteme oder die beiden zugleich voraus, so da.8 Aristoteles durchaus im Einvernehmen mit seinem Meister nicht nur sagen kann, der syllogismos und die Epagoge gehen aus der vorher vorhandenen Erkenntnis
( I", .trPOÜ/FQ,Pxo,JG7.r lv,Jr;,r.J,r) au~h
einen Schritt Syllogistik liegt nach
hervor, sondern er geht weiter. Die analytische seiner Meinung eben diesen
drei Modi des Wissens (didaskein, manthanein und epistasthai) zugrunde. Aristoteles sagt zwar, die zuvor vorhandene Erkenntnis müsse notwendig zweierlei bedeuten 279 , zählt aber insgesamt dreierlei auf: 1. Das eine zuvor Bekannte bedeutet das Da.8 280 , von dem die Epagoqe ausgeht, um das Allgemeine ( ,;~ t<-t:;.OJ~ov) aufzuzeigen. Denn die Epagoge zeigt eben das Allgemeine durch die Augenscheinlichkeit des 28l Einzelnen • 2. Bei anderen muß man "verstehen" (fvVU'V4l.), was r~
>-'rlr
tv" ... sei 282. 3. Das dritte ist schlie.8lich dasjenige, was die bei-
den
ersten
\
(rQ,
r- :11
0' \
Q,r1'-J,
a13)
umfaßt,
. U:y"rrVbV bezel.chnet,
so
daß
man
\,
sowohl das, was 1:'0 als auch das Daß 283 als bekannt voraussetzt. Das ist aber nichts anderes als dasjenige, desse~ Erkenntnis man gleichzeitig annimmt (t1f1'4 }.a./1P':'vovca. ,v,:r.V, a18). Denn daß jedes Dreieck eine Winkel summe von zwei Rechten
r,v
hat, 278 279 280 281 282 283
hat man zuvor erkannt,
daß aber dieses da ein
97 Dreieck ist, erkennen.
CI
:J
I
versucht man "'/"-4 'lf4(ar"vaf (al9f)
zu
Daß Aristoteles hier drei Arten von Analysis, die jeweils von einem unterschiedlichen Vorwissen ausgehen und als Verfahren für Didaskein, Xanthanein und Epistasthai in Frage kommen, konstatiert, ist evident. Im ersten Falle ist 'zweifellos die Epagoge, in den beiden anderen sind dagegen die syllogismoi gemeint. Nun behauptet K.v. Fritz bezüglich des an dritter stelle erwähnten Verfahrens: "Diese berühmte ' Deduktion' ist also für Aristoteles in wirklichkeit zwar gewiß keine Induktion im modernen sinne, aber eine Erkenntnis "aufgrund von i"Q.(oJ({ ,,284 Wieso? Was Aristoteles mit seinem dritten Verfahren meint, das ist'nichts anderes als die Apodeixis schlechthin. Die Frage ist vielmehr, was Aristoteles unter seinem zweiten analytischen Verfahren versteht. In A2 der Analytica posteriora spricht Aristoteles von drei Wissensarten. Die zwei erwähnt er namentlich. Das ist das Wissen schlechthin (f.' l"dj'r..r;:;ol ctnAGiJ,71b9) und das Wissen durch Apodeixis (lrro$Et{ f.~f €ii'/v."" , bl7). Das dritte erwähnt er dagegen nur nebenbei und anonym285. Die apodeiktische Erkenntnis bedient sich des wissenschaftlichen Syllogismos ( fiv).).o'((,6f~j .,., I 'ff/'''T~raV''~
bl8), der sich von einem anderen Syllogismos dadurch unterscheidet, daß der andere eben keine Erkenntnis (Episteme) hervorbringen kann 286 • Was ist nun mit diesem anderen Syllogismos gemeint? Ist es ein solcher, der unserem dritten anonymen Wissen zugrundeliegt und dem zweiten Verfahren der Analysis entspricht? Anfang des zweiten Buches der Zweiten Analytik sagt Aristoteles: Jede analytische Forschung fragt
Am
284 v. Fritz, K., Versuch einer Richtigstellung neuerer Thesen über Ursprung und Entwicklung von Aristoteles' Logik, in: BeitrAge zu , ,..., r Aristoteles, Berlin-New,York 1984,8',64., 285 Vgl. An.post. 71b 16f: E• ... lv o~v ''''~ n~I)Clr TOV ,,,(u:t:t,.n ' C'''': I ~ 'V r iJ fiv,.~ 'f'fO~ Vf/rCfo'{ cRovfHV'. , 286 Vgl. An. post. 71b 24f: oIJ tn?"fr'c." (rr"o~f/",v'
y;r."
(ar
98
7::
nach Viererlei: t:~ ~'r", , r;~ &"":r,, , (I:~) ,: ;t",., und f~" (An. post. B9b24)2B7. Wenn wir nach dem 'DaS' (t~ ~~"') oder dem 'Ob es ist' (cf t'6~~) fragen, und zwar entweder ro,." '1I'1.11'poll1' oder ro''"-I'"'' Q.II'A"'.!', so fragen wir, ob es dafür ein Meson gibt oder nicht, wobei mit Z"~ lrr~ f1ipov,) z.B. die Frage, ob der Mond verfinstert wird (tp' llüJ.r.trn" ), mit r;6 .t"...laj" dagegen, ob es den Mond (jetzt) gibt oder nicht ( e~ :ön ;'ftt' od~~, gemeint ist. Untersuchen wir das Warum (r;~ Sitte,,) und das Was ( r~ Tl ion.- ), dann fragen wir, was das Meson ist (vgl. 89b37-90a5). Da es nun schon längst feststeht, daS die analytische syllogistik das Wissen :nJ.Jj--, entweder die Erkenntnis des Allgemeinen (A) oder des Einzelnen (C) als bekannt voraussetzt, so muS das ,\ / analytische Wissen ro U1"t. fI C.fo~ und nicht ro c- .1 -v h . Was ist unter diesem Wissen 'zu verAtrAoJ[ e~Sen. stehen?
),
,
,
Bei allen analytischen Untersuchungen (Q,.f J7-r-f"-lf" ) wird gefragt entweder, ob ein Meson ist oder was ein Meson ist. Denn das Meson ist die Ursache (r~ ~~'OV), nach der man bei allen Untersuchungen fragen muS 2B8 • Wird z.B. die Frage gestellt, ob der Mond sich verS"!) , . finstert (""I" '~A,,,"e,,), so heißt das, ob es dafür eine Ursache gibt oder nicht. Hat man nun erkannt, 'daß' etwas (die Ursache) ist, sofern das Daß hier • Co"'" " / n~cht "'11'1..,;, sondern trrt. /'tf0U; bedeutet, so daß • ' cl .\ s~ch ra on.. und rd t"'''r:. &1Jn- auf ein und dasselbe Meson beziehen, so fragt man, was dieses ist (vgl. 90a59)289. Denn wie wir, wenn wir das Daß haben, nach dem Warum fragen, zuweilen aber auch beides gleiChzeitig (~r~) einsehen, aber unmöglich das Warum vor dem Daß erkennen können, so gibt es offenbar auch keine Erkenntnis des Was ohne die des Daß. Denn man kann un2B7 Ross, D., a.a.O., S. 609f. I I l , I I 288 Vgl.,90~~f:ÖUf'.pat,!E" 'f\.. lr~IT~6'"'t r4'l\j~~6(~ .un~; ~rr~ I'fOov,' n nr,r.v.rD I'f.V rY ttt_v 'ZIIrf..OII,E"Q...... ~ r~ r.~To hr,Z"r~•. 289 Vgl. Ross, D., a.a.O., S. 610r. "Thus in all inquiries we are asking
Irr"
,.
whether there is amiddie term, or what it is; ror the cause is the middle term, and we are always see king the cause. 'Ooes the moon surfer eclipse?' means '15 there a cause of this?' If we know there is, we ask what it is."
99 möglich wissen, was etwas ist, wenn man nicht weiß, ob es ist 290 • Das Was und das Warum sind hiermit ein und dasselbe 291 , sofern sie auf ein und dasselbe Meson sich beziehen, so daß Aristoteles zwischen dem
' ort, e, ro, undro ro tl. roD ure f'tf'ou,) andererseits unterscheidet. Da sich die analytische Untersuchung nach Aristoteles ausschließlich mit zwei Fragen, ob ein Meson ist oder was ein Meson ist, auseinandersetzt, bezieht sich die Frage nach dem Daß \
Was und
,. , Oton.,
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"01 \ ' .r Ej rt., '1:'0 rt tori V
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Es sind hiermit insgesamt sechs Wissensarten, von denen zwei als bekannt vorausgesetzt, die übrigen vier aber begriffen werden müssen, um das analytische wissen zu gewinnen: 1. Das nicht? 2. Das statt?
Mond (da)
'Ob es ist' (r:~ ei &/Q).d"E(, (90a7f),
fp'
i'ön ):
oder
Findet Ekleipsis
cf , \ ' ~~ 3. Das Daß ( ro\ ort,. )tl!" r&ftJvJ' Gl.'bt es d aLUr eine Ursache, 'daß' die Ekleipsis jetzt, im Augenblick des Wahrnehmens, stattfindet? Die. Aisthesis ist nämlich dasjenige, was darauf hinweist, daß die Erde dem Mond das Licht versperrt 292 • Co .... Das Was (ro, r:f,"6j E rL ) (VIT). rJ.f : Was ist Ekleipsis? Die Definition, der Horismos, lautet: Beraubung des Lichtes vom Mond infolge des Dazwischentretens der Erde 293 (r~ otVO{+ li..a.for,1,).
4.
290 291 292 293
100
5. Das Warum (r~ ;"'1:1.): Warum findet Ekleipsis statt? Weil das Licht infolge von Interpolation der Erde fehlt. 6. Das Was (rJ r: ;b'r, ): Was ist eine Ursache dafür, daS der Mond verfinstert wird? Die sechs Wissensarten liegen je nach der Weise der Untersuchung den drei syllogistischen Verfahren der Analysis zugrunde. Handelt es sich um die gleichzeitige, Beschäftigung mit allen secFts Wissensarten, so be~ient sich die Analysis (a) des wissenschaftlichen bzw. apodeiktischen syllogismos, während es bei den ersten drei um den (b) 'syllogismos durch Epagoge geht. Macht die Analysis aber die drei letzten Fragen zum Telos ihrer Forschung, so bedient sie sich (c) eines dritten, uns noch unbekannten, anonymen Syllogismos. a. Nehmen wir nun an, A sei Ekleipsis, C sei der ~ , ~ ,.., Mond, B a,"'C"I-fPo.>"f r7[. Wud die Frage gestellt, ob der Mond (C) sich verfinstert (A) oder nicht, so bedeutet das, nach dem B zu fragen, ob es ist oder nicht. Dies heiSt aber nichts anderes als die Frage zu beantworten, ob es für das A eine Ursache (Logos) gibt. Und wenn dieses ist, dann behaupten wir, daS auch jenes. sei (vgl. 93a 30-33). soweit Aristoteles. Was heiSt das? Fragt man nach dem B, so fragt man nach dem 'Ob es ist' ( rc\ ,llör,,), und das bedeutet, nach der Ursache (~trof) für das A zu fragen. Die Ursache dafür ist aber das Warum, warum nämlich das 'Ob es ist', falls es ist, ist, wobei das Warum notwendig das A als bekannt voraussetzt. Die beiden sind aber nicht identisch. Sie unterscheiden sich voneinander
.
. e r' I Cl W1e 0P'O/,0f und der Begr1• f f ( 0l'0f ) d es Warum. Der Op'bf.oj'als ltir0.{ rou d lGh bestimmt das Was, begründet CI \1 Cr-\"" r-\ , es aber n i cht. Der opor als "'0,/05" 0 01' .. ..,11 oL-Q, tL J/,.
•
Ebrwmacht es dagegen klar W1e eine q,tro t'J"[ ro(J r, ibrt., indem er sich von der Apodeixis (nur) durch die J
I
,
101 stellung unterscheidet. Es ist nämlich ein Unterschied zu sagen, warum der Mond sich verfinstert und was die Ekleipsis ist. Was ist die Ekleipsis? Beraubung des Lichtes vom Mond infolge des Dazwischentretens der Erde. Warum verfinstert er sich? Weil das Licht infolqe von Interposition der Erde fehlt 294 • Derselbe Logos wird in verschiedener Weise ausgesaqt, und er ist in einer Beziehung kontinuierlicher Beweis (&.(T(Jr~'+f Gvv'Xi5' ), in einer anderen aber die Definition (vgl. 93b29.38-94a7). Nimmt man nun an, das Warum sei B1 , das 'Ob es ist' sei B2 , so wird unsere Fraqe, ob der Mond sich verfinstert, nur dann beantwortet, wenn BI mit B2 gleichgesetzt wird, d.h. wenn die Ursache (8 1 ) für ~VT,?poJr,f (B 2 ) qefunden wird. Denn das Al kommt dem C zu, falls BI dem Al und B2 dem C zukommt, so daß es schematisch wie folqt aussieht:
r;,r
B2
=
BI:
'Avr!rpptlJLr '1~r findet statt, weil das Licht fehlt.
Denn BI = Al: Weil das Licht infolqe von g,Vrt'PIIJr,f fehlt, qibt es Ekleipsis. C = B2 : Der Mond wird durch die Erde versperrt
1fr
,
/
~
~
( Q,ynrppQ,J'-f nf) . Der Mond wird verfinstert. Daraus erqibt sich zugleich auch die kenntnisstruktur der Apodeixis: B2 BI C C
= BI: = Al: = B2 : = Al:
Diese
, st.,{'Ct
r~ r{ ;(r"
'Co
to
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,
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er orL , , 1(11.1:110
'Co
Apodeixis
Er-
Platon
als
(Heson)
\
....
TO
folgende
\
,
'Co
E: :'6rL
r'pof = r~ d iorl. ist
dasjeniqe,
was
EnpoSoJt~ in dritter Bedeutung bezeichnet295 • Denn es 294 Ibd. al7f: .r•• 1""0 295 Siehe oben S. 90.
s'tro>.EtIiCtV cA ?'t3f 6.vrLY'Pa,rro.Jfi;s rfr rfr.
102 findet hier der Irrtum insofern statt, als man das, was man weiß und wahrnimmt, für ein anderes, was man ebenfalls weiß und (:I'Q.) wahrnimmt, hält Sv or,,~ '~rlll 'P"' S',", .,.. \ ""'a' "AL 4'1)\7AII'~ra.c.,<.Jv OLClSV a..v /oIoQ.' ",'IJ...,etv,r,u., vgl. Theait. 192clO-dl). Auch wenn sich die Apodeixis irren kann, gilt sie für Aristoteles dennoch als eine beweisende • C' \"~' Wissenschaft (ArrodC:."'~ &.trl.Or~l" ), die unter allen anderen analytischen Verfahren am zwingendsten (pt.abrtII.c5n,pov, Top. 105a18) i·st. Denn sie besteht nicht nur aus notwendigen und allgemeingültigen Protaseis, sondern ihr liegt ein solches Meson zugrunde, das "wesentlich" (1(,Q.r:~ oJ{J'':;v) bestimmt ist. Weil dem apodeiktischen Verfahren die Wesenserkenntnis, welche das Was erkennt, aber nicht beweist, zugrundeliegt und es selbst etwas als etwas offenbart296 , so beschränkt sich die Apodeixis ausschließlich auf ihre (auf) zeigende Funktion.• Die Apodeixis wird nämlich zu einer Methode des Beibringens der Erkenntnis, des Didaskein. Die Apodeixis erweist sich also als eine Methode des Unterrichtens, der Didaskalia.
(7'
b. Das A soll Ekleipsis, C Selene und B dasj enige sein, ohne dessen Hilfe der Mond bei Vollmond seinen Schatten unmöglich werfen kann. Wenn nun dem C das B, diesem aber das A zukommt, so ist zwar klar, daß der Mond sich verfinstert. Warum (~,cir,) aber das so ist, wissen wir nicht. Denn daß Ekleipsis ist, wissen wir. Was sie aber ist, wissen wir nicht. Wenn es klar ist, daß das A dem C zukommt, so stellt sich die Frage, warum es zukommt. Das ist aber die Frage danach, was das B ist, ob es nämlich tl,V-';[ffQ.5"! oder 6'rfo~z '" r' \ I ., I rA r . _. .,. A \I' rYf OEA"JI/?f oder a,rroort.rJc.j lost. Das i st namlloch 0 0,L c. I ~ 't0f rov sr'fou Q./(fOV (A) • Denn die Ekleipsis ist , ,,·s c \ " " , Q,lI'r'V'p4,'f vITo nf (vg1. 93a37-b7). Worum geht es nun hier? Aristoteles stellt im Gegensatz zu der Apodeixis genau die umgekehrte Frage, was das B ist und 296
103
nicht, ob es ist. Da aber das Was und das Warum ein und dasselbe ist, bedeutet die Frage nach dem Was die nach dem Warum (B1 ) , während das 'Ob es ist' jetzt bekannt ist. Beim Schließen auf das B1 gehen wir von dem A2 als dem Bekannten aus, sofern es diesmal das Daß und nicht das Was bedeutet. Denn daß Ekleipsis ist, wissen wir durch Aisthesis; was sie aber ist, können wir durch Aisthesis unmöglich wissen 297 • Stellen wir also durch Aisthesis fest, das A2 und das B2 kommen dem C zu, so findet hier ein Syllogismos durch Epagoge statt: C = A2 : C = B2 :
Der Mond erleidet eine Ekleipsis. Der Mond kann bei Vollmond den Schatten unmöglich werfen, ohne daß etwas zwischen ihm und uns gesehen wird, so daß es hier weder
~t;fO'7 rff bEj,fV 7 noch :'rr6f/J&f''J, o.vrt,/,oQ.)'f eines Körpers gibt. Also: B1
sondern
A2 : Die zu erschließende Ursache dafür, daß der Mond sich verfinstert, ist A, die Ekleipsis, . ,:) / 5 " sofern S1e Q,Vc""fJrt;.}'J utro ;-'1r (b7) heißt, da der Mond keinen Schatten werfen kann, ohne daß die Erde zwischen ihm und uns gesehen wird.
Das Allgemeine der Epagoge (B 1 ) erweist sich hier nicht als Wesen eines seienden, sondern als das Daß 298 , welches die Ursache des Warum zu bestillllllen sucht, so daß die Erkenntnisstruktur der Epagoge wie folgt aussieht: C C
B1
\
\
A2 : zOO "Ara. \ CI B2 : ro o~" A2 :
\
ro
,
I I"YOf = r:o
[".f~"
=
\
CI
Ol:'
El lfi'n CI \ ro or"
ro
104 Das durch Epagoge gewonnene Wissen nennt Platon ebenso eine ~t:e.po.roj:"', allerdings in ihrer zweiten Bedeutung. Die Epagoge neigt nämlich insofern zu einem Irrtum, als man das, was man weiß, für das was man nicht weiß, aber wahrnimmt, hält 299 • Die Irrtumsmöglichkeit der Epagoge ist dabei viel größer als die der Apodeixis. Denn die Epagoge entnimmt ihr Wissen aus der Aisthesis, deren Erkenntnis zwar wahr, aber weder notwendig noch wesentlich ist. Dieses syllogistische Verfahren liegt nach Meinung des Aristoteles 300 dem Erwerben der Erkenntnis, dem Manthanein, zugrunde. Epagoge gilt hiermit als eine Methode des Lerneris, der Mathesis. Nun meint Aristoteles, es gebe noch eine dritte Art der Analysis, die er in einer anonymen Weise angedeutet hat. Er hat sie aber zugleich sowohl von der Apodeixis, weil sie ja keine Episteme hervorbringt (An. post. 71b25) als auch von der Epagoge abgegre ... ~;:. Sie ist nämlich dasjenige, was Platon 301 als t: t"~/ • b eze1chnete. • SrcPOOD)"o, 1n der ersten Bedeutung Deren IrrtÜnllichkeit besteht nämlich darin, daß man das, was man weiß,für ein anderes hält, was man weiß • ~ ~ 9,... ~ a""" ~ ,C.I " .... und wahrn1mmt (,,, olf ("oa", o'"7"'v",,, Q,vrCl Ercf'arrt& "va" 'i" ';",. \ ~rnl h't . WY 0 .. 01: ~, 4.uvClVI't'a", T ea1 • 192c 9f). D1eses anonyme syllogistische Verfahren dient der Anwendung der Erkenntnis (epistasthai), und das analytische Wissen, das sich dieses Syllogismos bedient, heißt daher "das angewandt~ Wissen,,302. 8)
Die analytische Doza
"Ob es nun noch eine andere Weise des Wissens gibt, werden wir später erläutern, wir behaupten aber, daß
..ft; oU'''' ohS~V'a" ll~r~ 'Vgl. " <.Iv,., oc.f,v. ANO.Q".{Vl:r... 6,. An.pr.67a21-24.
299 Vgl. .Jhea~t. ~2c9: i~
300 301 Siehe oben S. 90. .. r-' ..., 302 Vgl. An.pr.67b3 und bS: GI; Tt' t.vEfrr.L-v.
105 wir auch durch Apodeixis wissen. ,,303 Aristoteles räumt hiermit ausdrücklich die Möglichkeit eines von der Apodeixis verschiedenen syllogistischen wissens ein. Es gibt nur eine einzige stelle in den ganzen Analytica posteriora, an der Aristoteles tatsächlich sein Versprechen eingelöst hat, "später eine andere Weise des Wissens zu erläutern". Es handelt sich um das schon oben zitierte Kapitel A33 304 • Es wird hier die Frage gestellt, wie es möglich sei, dasselbe zu • :>, GO I'" I r ' ~ /1'" rc mel.nen und zu verstehen (1:0\ q",,~o a.OAt 1t41 LHtOra.o""4I)? Aristoteles geht zunächst von der These aus, alles, was man weiB, könne man auch meinen 305 • Denn der eine kann durch das Meson wissend, der andere es aber meinend verfolgen, bis er zu den unvermittelten Protaseis (~~ :r~~~) gelangt, so daß, wenn jener weiB,
J
auch der Meinende weiB. Wie man nämlich das Daß meint, so auch das warum 306 . Diese These lehnt Aristoteles allerdings sofort ab. Denn wenn man annimmt, dasjenige, was sich nicht anders verhalten kann, verhalte sich genauso wie die Horismoi, durch welche die Apodeixis entstehen, so wird man nicht meinen, sondern wissen. Wenn man zwar annimmt, es sei • '1"/ \ \ \?',.. • wahr, aber nl.cht "Ar' OUDtA" IUU "a.ra. Co LtoOf, so wl.rd man sowohl das Daß als auch das Warum (1(,4~ r:~ g-'r;" I
q"r
303 304 305 306
106
Epagoge: C
C
" ro\ IU&rClI"Ef'Of =ro'CI or" \ c, ,~ ,,~ B2 :rooc-c. =roc"pn 'CI' A 2 :rolll.()('I.=ro are. -
A2 :
,,..1
so stellt sich heraus, daß die Apodeixis zwar die unvermittelten'Protaseis des Daß (CB 2 ) und des Warum (BlAl) besitzt, die vermittelte (CA1 ) aber das Was und nicht das Daß erschließt. Die Epagoge hat dagegen das Daß als die vermittelte, nicht aber das Warum als die unvermittelte Protasis. Dem Meinen (rti hJ'Jtw) liegt somit weder die Apodeixis noch die Epagoge zugrunde. Was ist nun der Unterschied zwischen dem Meinen (IöJ4Jt"') und dem apodeiktischen Wissen ( j",.' ~,./ ",tralU., Ew! ''''''~''4')? Wenn das Daß und das Warum W1ssen oder meinen, das Meson zu wissen oder zu meinen bedeutet 307 , so unterscheiden sich die beiden (das .f'0f.[3'w' und das 1/,' .rtro[~tff:'<7,f &t.r!va<.) voneinander durch das M'!'son. Das Doxazein geht aus der Doxa hervor, ' die ihrer Natur nach unbeständig ist 308 und sich auf dasjenige bezieht, was zwar sein, aber sich eben so oder anders verhalten kann •. Die Doxa ist ja eine Annahme der unvermittelten und nicht notwendigen Protasis und befindet sich in einer übereinstimmung mit Phainomena 309 • Die Arche einer Apodeixis ist aber eine unvermittelte protasis 310 • Die Archai der Apodeixis bestehen dabei a. aus wahren (;J ;"~7$;:;v ), b. \ I ,.) /,., ersten und unvermittelten (~4" trfwr'6JV _ .. "'r.a:/)<Jv) sowie c. bekannten und dem Symperasma gegenüber frühe, " I ,~/ ren Ursachen (1(.4-, '(1It:.Jp"rGJr"p4lv ~a.. ITI'0rr.pt.Jv /e.q" Q.('r'HJV ro~ bV~"'ft~~roJ)3ll. Das sind also die drei Wesens-
, ,. I,
307 308 309
310 311
.
107
merkmale der apodeiktischen Archai, und zwar aus folgenden Gründen: a. .i.\~~wv : weil man das Nicht-Seiende unmöglich wissen kann 312 • Das Wahre (r~ c:,\~S~) ist nämlich dasjenige, was ist (rc\ ~v ), das sich nicht so oder anders verhalten kann. ~ , , ,. '''~ ('0 I b. 11(, trfwrwy ~Q" Q,/"r;tJwv (bzw. a.vq,n-ooa:,,,,r
'f
Die unvermittelte Protasis der Apadeixis muß hiermit (a) aus Notwendigkeit bestehen, (b) wesentlich bestimmt und (c) allgemein sein. Weder das (a) noch das (b) noch das (c) sind der unvermittelten Protasis der Doxa eigentümlich. Sie besteht weder aus Notwendigkeit, weil deren Erkenntnisobjekt sich so oder anders verhalten kann, noch ist sie "wesentlich" ( ~o.t" o~~~,,) oder allgemein bestimmt. Denn das Symbebekos kann eben nicht allgemein bestimmt werden 3l5 . Wenn sich also das Meinen und das apodeiktische Wissen voneinander durch das Meson derart unterscheiden, daß das eine "wesentlich" (t
ovrf!'P'lUf
bestilftlllt sei, und die Doxa auf das, was sich so oder anders verhalten kann, geht, so kann sie lediglich auf das Daß und nicht auf das Was 312
313 314 315
108
schließen. Denn verhält sich dasjenige, was erschlossen werden muß, so oder anders, so kann es unmöglich das Seiende an sich (r~ ~f)Q,~r':) sein. Wie kann dann auf dasjenige, was sich so oder anders verhalten kann, überhaupt geschlossen werden? Wenn das syllogi-
"J'W
stische Verfahren der Doxa (t:J ~4r~ buJ.Joyf],6.:J.,) "dialektisch" (f" ...\t,..Z',It.~) zustandekommen soll, so muß laut Aristoteles beachtet werden, ob der syllogismos
r' 'I/'I)'X'~""
~
~
aus r- r
möglichst
Wahrscheinlichem
(iJ
~~
I
sVtlIo}or... r:"".,.) erfolgt, so daß, wenn es auch der Wahrheit nach ein Meson für die Protasis AB gibt, der Doxa nach aber nicht. Denn ein solcher Syl-
lo.gismos wird eben "dialektisch" geschlossen. Ein der Wahrheit nach erschlossener syllogismos muß dagegen , ,.. c I 316 ~r "2' ~ .r' ~ SI(, C<JI/' utr'fxovrwl1' und nicht sJ uv sV'o'X,r:_ €V~ boJort.t:toIv entstehen. Das syllogistische Verfahren der Doxa unterscheidet sich somit von der Apodeixis nicht durch die erste Protasis. Hier herrscht eine grundsätzliche Übereinstimmung. Jeder Syllogismos setzt schließlich das Wissen schlechthin (A) als bekannt voraus, so daß das A immer von dem B1 prädiziert wird, auch wenn das B2 das Symbebekos bedeuten soll. Denn man kann doch sagen, das Weiße da (B 2 ) sei Sokrates, und was da herankommt, sei Kallias 317 • Der Unterschied zwischen der analytischen Doxa und der Apodeixis besteht also vielmehr in der Ermittlung des Meson für die zweite Protasis. Es wird gesagt, die .. ' ,.. IItr4PXO"f: Co' <.I v , di e Apodel.X1S gew i nne das Meson 's", TCoI" . 's"" r-' 1 ,.. r I -. Doxa dagegen ", toIV 'l/'tlI~)(lrQ." tVilO,O'CA'C''-JV • Fur Sl.e lieqt nämlich kein Vorhandenes (rJ Jtr~XOV) vor. Denn das Vorhandene ist etwas Bestimmtes und durch die Aisthesis Begreifbares. Das, was sich so oder. anders verhalten kann, ist aber unbestimmt und nicht wahr-
316
317
109 nehmbar.
Das C ist hier kein Hypokeimenon, sondern .!) e ' ' ' 6•17'' . Da aber das BI' was ['V vtrON.... f"'cvf' von dem das A allgemein prädiziert wird, das einzig dasJen~ge, "
Bekannte ist, so muß das B2 irgendwie wahrnehmbar sein, damit das Allgemeine im Besonderen seine 8estätiqung findet, so daß nicht mehr das B2 dem C, sondern genau das Umgekehrte das C dem B2 zukommen soll. Kommt aber das C dem 8 2 zu, so muß das 8 2 mit dem unbestimmten C gleich sein. wie kann aber das 8 2 überhaupt bestimmt werden, wenn das C unbestimmt ist? Das 8 2 muß laut Aristoteles aus dem möglichst Wahrschein, 3, <" 3 r" , -r',l I , l~chen (Il 4111' SVlEx,r4~ ,v4'tI/O'I:.. r..... ) begr~ffen werden. Was , , ''" 'Il- , r'; , .I",f. I Aristoteles m~t d~esem 'I tJII' IVU)(tr'C' &vll01or",'''''' ? Wenn das 8 2 mit dem C gleichgesetzt werden muß, das C ,
me~nt
sich aber so oder anders verhalten kann (lvr&x~~VOV
.r.E
'''\ " "'l.""'J 'Xu,V
), so muß das 8 2
,
s~ch
ebenso dem ähnlich (!iro!",,{) verhalten. Daraus folgt mit Not' ke~t, ' d aß das t G/V ~ ,v'EX,ra" (>I :> .r',f. ..InJv n~c ' hts anderes wen d ~g [v"",,;or .. "" ' - , ", 318 . als das t/{/ rwv 0t'0""'f E}(OVt:"41'" • Wie sich '; '" • "" ,r,C:" , ~ & also das" <0)11' 'V~~)c'I:t:".... eV/lD)o,,,,t'...'" zu dem Eil- r",1I' vtfG.fX-'/vr4lV verhält, so verhält sich das E'" ~:Ji, .4",
C
c.1
'f ,
J/
'X"vr""v
~
,...,e./
c
/
zu dem Elf, .."'.,. 0rO""'f u,r'Y'XOV~rJV , indem das eine 1UIr'~VQ~~V angenommen wird, weil man das Vorhandene nicht betrachten kann. Das andere wird dagegen aus dem Vorhandensein begriffen3l9 • Das zu erschließende C wird somit nur analogerweise angenom0r0r,u{"
men. Wie sich nämlich das BI zum A verhält, so verhält sich das B2 zum C. Wenn das A dem BI und das C dem 8 2 zukommt, so kommt das A notwendig dem C unter der Voraussetzung zu, daß das Allgemeine (BI) CI und d as Besondere (B 2 ) a 1 s a-h n I'~ch ( 0/10t.Qv) und nicht identisch (r.!z"Q ) angesehen werden. Kommt das A dem BI und das C dem B2 zu, so liegt der analytischen Doxa das 3. Schema zugrunde, welches unmöglich auf das Allgemeine schließen kann 320 • Denn 318
319
320
110
das Allqemeine besteht aus Notwendiqkeit. Die allqemeinqültiqe und notwendiqe Erkenntnis kann aber durch die Analoqie nicht qewonnen werden. Die Analoqie weist lediqlich auf den Ähnlichkeitscharakter eines Sachverhaltes und kann keine evidente Identitätserkenntnis erzielen. Weil aber das zu erschließende C sich so oder anders verhält, ist das Meinen unter allen Arten der Analysis am weniqsten exakt und unterlieqt daher am meisten dem Irrtum. Die Erkenntnisstruktur der analytischen Doxa sieht nunmehr wie folqt aus: 81
~
82
:
t'~ Ji,cf'1/1.
81
A
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82
C
1:0
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C
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xv.
Scbluß
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(Meson)
rJ 1tAf).:!). ou
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fi
I/.q~ ~J.)"'f 'XltV
"
ort,.
Aus der Analyse der Entstehunq und Entwicklunq der Sylloqistik bei Aristoteles qeht deutlich folqendes hervor: 1. Die Sylloqistik des Aristoteles impliziert zwei dem Wesen nach voneinander völliq unabhänqiqe Verfah-:
rensweisen: die Aristotelische Dialektik und die analytische Sylloqistik • .
~
2. Die Aristotelische D~~!~~t~k erweist sich als ein Verfahren, 'welches das Platonische Dihairesisverfahren und die t~pische '"Methode 321 umfaß~_/tfie dialektische Methode des Aristoteles hat dabei zweierlei zu ihrem Ziel: a. sie schult den Geqner in einer eristischen Auseinandersetzunq zu widerleqen. b. Sie tritt zuqleich als eine Methode für die Ermittlunq der sylloqistischen Archai auf. 321 Siehe oben S.6S.
111
3. Die analytische syllogistik - das Kernstück der Aristotelischen Syllogistik und die eigentümliche Leistung des Aristotelischen Geistes - verdankt ihre Entdeckung nicht, wie H. Maier meint, "der kritischen Auseinandersetzung mit der Dihairesis,,322, sondern a. der Ablehnung der Transzendenz Platonischer Ideen und b. der Auseinandersetzung mit der phänomenologischen Logik des Protagoras. a. Die Ablehnung des transzendenten Charakters der Platonischen Ideen führt zu der Entstehung der Aristotelischen Ontologie. Das eigentlich Seiende ist nicht mehr die platonische idea oder das aristotelische Allgemeine, sondern das Einzelne (~6 ~,,~ ·;~Qbc.v) . Da aber die Erkenntnis (Episteme) immer auf das Allgemeine und das an sich notwendig bestehende Seiende geht, das Einzelne aber weder ein Allgemeines noch ein notwendig Bestehendes sein kann, mu8 nach Aristo:teles ei" .• auer Identi tätsgrundsatz, nämlich die Identi1~at von Einzelnem und Allgemeinem, aufgestellt werden. Die Begründung dieses neuen Identitätsgrundsatzes führt Aristoteles zu der Entwicklung seiner analytischen Syllogistik, welche letzten Endes nicht nur seine eigene Ontologie zu "legitimieren" vermag, sondern auch eine ganz neue Qualität der Erkenntnis mit sich bringt. b. Die Auseinandersetzung mit der phänomenologischen Logik des Protagoras hat zweierlei zur Folge: a. Aristoteles lehnt im Anschluß an seinen Meister die sophistische Doxa als ein "Wissen" des bloßen Scheins und des Nicht-Seienden ab. 8. Die Doxa, die keine sophistische mehr ist, wird aber gleichzeitig von Aristoteles als eine. Art Erkenntnis anerkannt. Aristoteles hebt somit bewußt den Anspruch der Platonischen Episteme auf, allein alle Erkenntnis zu sein. Der Grund liegt darin, daß Aristoteles der sinnlich wahrnehmbaren Welt den Rang des Seienden verleiht. Weil aber die Platonische Epi322 Siehe Anm. 18.
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steme reine Ideenerkenntnis ist, sieht Aristoteles sich qezwunqen, in der Suche nach einer anderen Erkenntnis, welche die Welt des Werdens und Verqehens zu beqreifen vermaq, die Doxa als eine Art Episteme anzuerkennen. Von einer solchen Deutunq der Doxa qeht schließlich die Entwicklunq der analytischen Sylloqistik aus. 4. Die analytische Sylloqistik wird in ihrer erkenntnistheoretischen Bedeutunq von der Platonischen DoxaLehre abqeleitet. Diese von der Platonischen DoxaLehre abqeleitete· analytische Sylloqistik lieqt der Aristotelischen Doxa zuqrunde. Die Aristotelische Doxa erweist sich dabei weder als Wesens- noch als Ursachenerkenntnis, sondern als eine solche Erkenntnis, deren Aufqabe einziq und allein darin besteht, die Identität zwischen dem Allqemeinen und dem Einzelnen zu erzielen. 5. Die traditionell verstandene vierte Schlußfiqur qibt es bei Aristoteles nicht und kann es qar nicht qeben. Sie steht in einem völliqen Widerspruch zu dem Sinn und Wesen der analytischen Sylloqistik. Nicht die traditionell verstandene vierte Schlußfiqur, son-. dern die Epaqoqe ist die einziqe echte vierte schlußfiqur des Aristoteles.
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V
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Lebenslauf 20. Juni 1957 wurde ich, Michael Silnizki, als zweiter Sohn des Maschinenbauinqenieurs Dr. T. silnizki und seiner Ehefrau Dr. med. B. Silnizki (verstorben 1988), qeborene Silbermann, in Charkov (Ukraine) qeboren.
Am
Von 1964 bis 1974 besuchte ich die Mittelschule in Krasnodar (UdSSR). Danach studierte ich bis 1976 in der UdSSR Maschinenbau. Dieses Studium schloß ich 1979 in Haifa als Maschinenbauinqenieur ab. An der Universität zu Köln studierte ich von 1982 - 1988 Philosophie, Griechische Philoloqie und Katholische Theoloqie. Meine Lehrer waren die Herren Professoren K. Bormann, M. Gronewald, R. Kassel, Schütte und E. Vollrath. Ihnen allen sei qedankt. Herrn Prof. Dr. E. Vollrath, unter dessen Leitunq ich meine Dissertation anqefertiqt habe, bin ich zu besonderem Dank verpfliChtet.