Nr. 289
Von Xuura kam der Tod Er kämpft mit den Waffen des Geistes - und nicht mit Srahlgeschützen von H. G. Ewers
Au...
23 downloads
881 Views
425KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Nr. 289
Von Xuura kam der Tod Er kämpft mit den Waffen des Geistes - und nicht mit Srahlgeschützen von H. G. Ewers
Auseinandersetzungen im Innern und Kämpfe gegen äußere Feinde – sie bestim men gegenwärtig das Geschehen im Großen Imperium der Arkoniden. Während die imperialen Flottenverbände gegen die mächtigen Methans im schweren Ringen be griffen sind, gärt es auf vielen Welten des Imperiums. Schuld daran ist einzig und al lein Orbanaschol, der Brudermörder und Usurpator, der in seiner Verblendung und Korruptheit einen politisch völlig falschen Weg beschritten hat. Die Tage Orbanaschols scheinen gezählt, und es dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein, wann die Gegenkräfte im Imperium stark genug sind, den Usurpator vom Thron zu stoßen. Kristallprinz Atlan, der eigentliche Thronfolger, und seine verschworenen Gefähr ten, die Orbanaschol bisher schwer zu schaffen machten, sind augenblicklich aller dings nicht in der Lage, gezielt einzugreifen. Kraumon, ihre geheime Stützpunktwelt, wurde von den Methans zerstört, und Atlan selbst weiß nichts Genaues über das weitere Schicksal seiner rund 15.000 Kampfgefährten. Algonkin-Yatta, der kosmische Kundschafter, der sich an Atlans Spuren geheftet hat, ist sich seinerseits im unklaren über das Los des Kristallprinzen. Auf seiner Su che nach Atlan entdeckt er eine Welt, die von Invasoren aus Xuura bedroht wird. Algonkin-Yatta bleibt nichts anderes übrig: er muß den Bewohnern des Planeten helfen – denn VON XUURA KAM DER TOD …
Von Xuura kam der Tod
3
Die Hautpersonen des Romans:
Algonkin-Yatta - Der Kundschafter von Ruoryc auf Atlans Spuren.
Anlytha und Khoruna Skapron - Algonkins unfreiwillige Gefährten.
Etzak - Ein schlauer Händler wird überlistet.
Toolgrek und Puchtgrek - Zwei Maahks ohne kriegerische Ambitionen.
1. Algonkin-Yatta öffnete eine verborgene Tasche seines linken Raumstiefels und zog etwas Glitzerndes heraus. Er hörte einen entzückten Ausruf von An lytha und lächelte seiner vogelhaft zarten Gefährtin verständnisvoll zu. Sein zweiter Blick galt Khoruna Skapron, dem Arkoni den, den er aus der Gefangenschaft der Maahks befreit hatte. Der Zweifache Son nenträger sah verwundert und zugleich ge spannt auf die Kristallinse, die der Kund schafter mit zwei Fingern hochhielt. Aber er stellte keine Frage. Anders Anlytha. »Woher hast du das, Algonkin?« fragte sie zwitschernd. »Das ist ein Kristall, nicht wahr?« »Es ist eine maschinell geschliffene Kri stallinse«, antwortete der Kundschafter. »Ich fand sie auf dem Planeten Kaeflivar, auf dem wir ja so viele Dinge fanden.« »Oh, ja!« rief Anlytha träumerisch. »Unsere Schatzkammer ist auf Kaeflivar mit vielen Kostbarkeiten bereichert worden. Gibst du mir die Kristallinse, Algonkin?« Algonkin-Yatta blickte seine humanoide weibliche Gefährtin an. Er war immer von neuem von ihrem Aussehen fasziniert, vor allem aber von dem kleinen weißen Feder kamm auf dem Kopf und von der fliederfar benen, wie kostbares Porzellan schimmernden Haut. Aber Anlytha war ihm bisher zum größten Teil ein Rätsel geblieben. Das lag in erster Linie daran, daß er über ihre Herkunft und sie selbst kaum mehr wußte, als daß er sie aus einem havarierten Kleinraumschiff geborgen hatte. Bei dem Unfall war ihre Er innerung verlorengegangen, so daß sie ihrem Retter nur ihren Namen sagen konnte. »Vorläufig nicht, Anlytha«, erwiderte er.
»Wenn ich mich nicht irre, hat es mit der Linse eine besondere Bewandtnis«, ließ sich Khoruna Skapron vernehmen. »Nur weiß ich nicht, weshalb Sie sie ausgerechnet jetzt her vorholen. Wir haben die galaktische Position erreicht, deren Koordinaten Sie auf Kaefli var erhielten, und ich habe festgestellt, daß diese Position identisch mit dem Raumsek tor ist, in dem sich der arkonidische Flotten stützpunkt Travnor befindet. Was wir direkt vor uns sehen, ist die Raumstation Erster Wechton – beziehungsweise das, was von ihr übriggeblieben ist. Dieser Fund beunru higt mich aufs stärkste, denn wer oder was immer den Ersten Wechton zerstörte, könnte auch uns gefährlich werden.« Algonkin-Yatta wandte sich nach dem Arkoniden um. »Ich hoffe, mit Hilfe dieser Kristallinse zu erfahren, was in diesem Raumsektor vorge fallen ist, Skapron«, erklärte er. »Auf Kaef livar sah ich durch die Linse ein Stück Ver gangenheit. Vielleicht sehe ich hier, was zur Zerstörung des Ersten Wechtons führte.« Ungläubig blickte der Arkonide von der Linse ins Gesicht des Kundschafters. »Das ist eine gewöhnliche Linse, Algon kin-Yatta!« Anlytha stieß einen schrillen Pfiff aus. »Algonkin lügt niemals, Arkonide!« sagte sie empört. Khoruna Skapron hob beschwichtigend die Hände. »So war es nicht gemeint, Anlytha. Bitte, entschuldigen Sie, Algonkin-Yatta! Ich war nur so überrascht, weil die Linse ganz nor mal aussieht. Wie funktioniert das mit dem Blick in die Zeit?« »Wie es funktioniert, weiß ich nicht«, er widerte der Kundschafter. »Doch das stört mich nicht, denn ich weiß, daß es vor unse ren Zivilisationen viele andere gegeben hat –
4 und viele von ihnen beherrschten Kräfte, die wir in Verkennung der wahren Gegebenhei ten einfach als Magie abtun, so, als stünde die Beherrschung dieser Kräfte unter dem Niveau technisch orientierter Zivilisationen und nicht darüber.« »Ich kann Ihnen nicht widersprechen, ob wohl ich mich dabei unbehaglich fühle. Aber das liegt wohl daran, daß ich mit den praktisch angewandten exakten Naturwis senschaften aufgewachsen bin.« Skapron lä chelte verlegen. »Wie werden Sie die Zeit linse anwenden, Algonkin-Yatta?« Algonkin-Yatta hob die Linse so, daß er mit dem rechten Auge hindurchsah, dann drehte er sich nach dem Bildschirm um, der die treibenden Trümmer des Ersten Wechtons zeigte. »Ich richte das Zeitauge auf den Sektor, in dem sich das Geschehen abgespielt hat«, er läuterte er. »Danach sollte ich sehen, was in der Vergangenheit geschah.« Er kniff das linke Auge zu. Wie er erwartet hatte, konnte er durch das Zeitauge nichts von den Trümmern der Raumstation sehen. Das war logisch, da die Trümmer noch nicht lange als solche exi stierten. Aber Algonkin-Yatta hielt auch vergeb lich nach der intakten Raumstation Aus schau – und nach dem, was ihre Zerstörung bewirkt hatte. Was die Linse ihm vermittel te, war das Bild eines leeren Raumsektors. Lediglich im Hintergrund waren die Sterne des Weltalls zu sehen. Aber sie hatten schließlich schon seit Milliarden Jahren dort gestanden, wenn auch an anderen Positio nen. Enttäuscht ließ er die Linse sinken. Khoruna Skapron achtete überhaupt nicht auf den Gesichtsausdruck des Kundschaf ters. Er streckte die Hand nach der Linse aus und fragte: »Darf ich auch einmal hindurchsehen?« Wortlos reichte Algonkin-Yatta ihm das Gebilde. Der Arkonide griff hastig danach, hob es vor sein rechtes Auge und kniff das linke zusammen.
H. G. Ewers Eine Weile schaute er durch die Linse, dann ließ er die Hand sinken und meinte: »Hier funktioniert sie nicht.« »Falsch!« entgegnete der Kundschafter. »Wenn das Zeitauge nicht funktioniert, dürf ten die Trümmer der Raumstation nicht ver schwinden, wenn man hindurchblickt. Da sie verschwinden, sieht man die Vergangen heit – aber eine, die Jahrtausende zurück liegt.« »Sie meinen, die Linse ist auf einen be stimmten Abschnitt der Vergangenheit fi xiert?« fragte Skapron. »Das ist der Schluß, den ich aus meinen Beobachtungen auf Kaeflivar und hier zie hen muß«, erklärte der Kundschafter. »Darf ich auch einmal?« fragte Anlytha. Zögernd reichte Khoruna Skapron ihr die Linse. Anlytha blickte hindurch, dann gab sie die Linse an den Kundschafter zurück. »Du hattest recht, Algonkin«, meinte sie. »Hier nützt uns das Zeitauge nichts.« Algonkin-Yatta legte die Kristall-Linse auf das Kontrollpult, vor dem er stand, und sagte: »Stimmt, Anlytha. Dennoch sehen wir uns die Trümmer genauer an.« »Da ist für dich nicht viel zu sehen, Al gonkin«, erwiderte Anlytha. »Aber vielleicht finde ich ein paar Andenken in den Trüm mern. Kannst du mit deinem Schiff näher herangehen, damit ich mit dem Raumanzug hinüberfliegen und die Trümmer absuchen kann?« Algonkin-Yatta zögerte, dann sagte er: »Das kostet uns zwar Zeit, aber da ich oh nehin noch nicht weiß, wie ich die Spur At lans wieder aufnehmen soll, bin ich einver standen.« Er nahm einige Schaltungen vor – und das ovale Kundschafterschiff glitt näher an die Trümmer der ehemaligen Raumstation her an. Weder er noch Anlytha schienen zu be merken, daß Khoruna Skapron verstohlen nach der Linse griff und sie hastig in einer Außentasche der Kombination verstaute, die er noch aus der Zeit seiner Gefangenschaft
Von Xuura kam der Tod
5
bei den Maahks trug …
Minuten in Transition gehen. So behielt er alles, was er liebend gern über schmarotzende arme Verwandte geäu ßert hätte, für sich – und bald hatte er es ver gessen. Wie so viele Arkoniden, die auf Raumschiffen geboren und aufgewachsen waren, hatte Etzak ein Gespür für alles, was in der Aggregateballung vorging, die für ihn eine Art Organismus darstellte. Er liebte dieses freie, ungebundene Leben und hatte schon viele Raumschiffe geflogen: anfangs in niedrigen Positionen und schließ lich als Kapitän. Er hatte niemals eine Hoch schule besucht, sondern sich alles in der Pra xis beibringen lassen beziehungsweise sich selbst beigebracht. Heute war er ein wohlhabender Händler, dem eine Flotte von siebzehn Handelsrau mern gehörte. Die meisten waren alte Kä sten, deren Außenhüllen von kosmischer Mikromaterie zerschrammt und deren Trieb werke ausgeleiert waren. Der Methankrieg verschlang zu viele Kampfschiffe des Impe riums, so daß keine neuen Handelsschiffe gebaut werden durften. Aus diesem Grund hatte der Beauftragte des Imperators für ga laktischen Handel dafür gesorgt, daß alle er beuteten Raumschiffe der Maahks für den Verkauf an Händler freigegeben und auf be stimmten Werften überholt werden durften. Aber die ETZKOLTAN schien ein Prachtstück zu sein. Etzak hatte mit dem In stinkt des Raumgeborenen gespürt, daß das Wrack, das er bei einer Auktion sah, eine große Zukunft vor sich haben würde, wenn es an den richtigen Mann geriet. Er hatte es erworben und keine Kosten gescheut, um es zum Flaggschiff seiner Handelsflotte zu ma chen. Das zweite Problem aller Händler war das Personalproblem. Die Kriegsflotte des Großen Imperiums pflegte rigoros alle arko nidischen Männer zum Flottendienst einzu ziehen, wenn sie physisch und psychisch da für geeignet waren. Deshalb arbeiteten auf den meisten Handelsschiffen nur halbe Krüppel, halbwüchsige Burschen und alte Männer sowie Veteranen der Flotte, die für
* Etzak lauschte mit schräggeneigtem Kopf dem dumpfen Grollen, das durch die Stahl plastikwände bis in die Steuerzentrale seines Raumschiffs drang. Zufrieden strich er über seinen feuerroten Bart. Als die Beschleunigung den vorgesehenen Wert erreicht hatte und konstant blieb, sank das Grollen zu einem dunklen Flüstern ab. Etzak drehte sich um und wandte sich an Kelrok, seinen jüngeren Bruder, der die Fahrt als Astrogator mitmachte. »Wir haben ein gutes Schiff erworben, Kelrok«, meinte er. Kelrok lachte laut, dann erwiderte er: »Besser als alle auf Arkonwerften gebau ten Handelsschiffe, die ich bisher kannte, Etzak. Die Maahks scheinen keine Ausga ben zu scheuen, wenn es darum geht, schnelle Raumschiffe zu bauen.« »Ich habe auch keine Ausgaben gescheut, um das Wrack, das ich aus Beutebeständen der Imperiumsflotte erwarb, auf einer erst klassigen Werft generalüberholen zu las sen!« gab er grollend zurück. »Und vergiß nicht, daß ich dem Werftmeister fünftausend Chronners zusätzlich zustecken mußte, da mit unser Schiff nicht erst in drei Jahren an die Reihe kam!« »Ist ja schon gut, Etzak!« sagte Kelrok, der einen Zornesausbruch seines älteren Bruders befürchtete. Etzak hatte schon von frühester Kindheit an zum Jähzorn geneigt, und wurde er einmal von ihm gepackt, wur de er unberechenbar. Und Kelrok vergaß niemals, daß er wirtschaftlich von seinem äl teren Bruder abhängig war, genau wie zwei Schwager und vier Onkel von Etzak und de ren Frauen, die ebenfalls zur Besatzung der ETZKOLTAN gehörten. Vielleicht wäre es dennoch zu einem Zor nesausbruch Etzaks gekommen, wenn der Händler nicht gezwungen gewesen wäre, sich auf die Kontrollen zu konzentrieren, denn das Walzenschiff mußte in wenigen
6 den Kriegsdienst zu verbraucht waren. Mit der Besatzung der ETZKOLTAN hat te Etzak eine Neuerung eingeführt, die er freilich aus guten Gründen geheimhielt. In dem er die richtigen Leute an den richtigen Stellen bestach, war es ihm gelungen, für die meisten seiner näheren Verwandten, die raumkriegstauglich waren, Rückstellungs scheine zu bekommen. Er hatte sie aus schließlich auf der ETZKOLTAN unterge bracht, so daß es hier keine Fremden gab, was sicherstellte, daß die Öffentlichkeit nichts von seinen erschwindelten Rückstel lungen erfuhr. Etzak hatte sich außerdem von den Verwandten, die auf seinem Flagg schiff dem Kriegsdienst entronnen waren, ausbedungen, daß sie ihre Familien mit brachten. Das erlaubte es ihm, sich mit der ETZKOLTAN niemals länger als unbedingt notwendig auf Planeten aufzuhalten – und das wiederum garantierte, daß Außenstehen de nicht hinter die Vetternwirtschaft an Bord kamen. Alles in allem war Etzak sehr zufrieden mit sich. Er erwartete von seinen Verwand ten allerdings als Gegenleistung, daß sie sich mit geringeren Gewinnanteilen als üblich zufriedengaben – und vor allem, daß sie nie mals seine Entscheidungen anzweifelten. Er bestimmte sogar, wer von den heranwach senden Männern welches der herangewach senen Mädchen ehelichen durfte. Seine Überlegungen fanden ein jähes En de, als die ETZKOLTAN in Transition ging. Er spürte nichts davon, genauso wenig wie er spürte, daß Schiff und Mannschaft sich in Form einer nur rechnerisch bestimmbaren Spirale aus übergeordneter Energie durch den sogenannten Hyperraum bewegten, ei nem Ziel entgegen, das durch eine hoch komplizierte Vorprogrammierung der Ener gie-Masse-Relation festgelegt wurde, was wiederum nur durch Verwendung eines lei stungsfähigen Positronengehirns möglich war. Erst als die Rematerialisation erfolgte, wurde sich Etzak der abgeschlossenen Tran sition bewußt. Unwillkürlich griff er sich an
H. G. Ewers den Nacken, wo der Entzerrungsschmerz immer am stärksten zu spüren war. Sobald die Benommenheit von ihm abfiel, schnauzte er Kelrok an, weil der ihm noch keine Angaben über eventuelle Zielabwei chungen gemacht hatte. Doch in diesem Fall ließ Kelrok sich we der beirren noch antreiben. Er wußte, daß nur exakte Angaben zählten und daß er klar sehen und denken mußte, um exakte Anga ben machen zu können. Dann jedoch arbei tete er mit der Schnelligkeit des routinierten Könners, der er auch war. »Sternnavigation steht«, meldete Kelrok schließlich. »Wir haben das Zielgebiet mit einer Abweichung von nur 0,0023 Lichtse kunden erreicht. Unser Transitionstriebwerk ist besser als das eines Flottenaufklärers.« »Das weiß ich, denn ich habe seine Über holung persönlich überwacht«, gab Etzak zurück. »Was siehst du von der Raumstati on, die nach meinen teuer bezahlten Infor mationen zerstört sein soll, du lausiger Ster nenfeger?« »Eine Trümmerwolke«, antwortete Kel rok beherrscht. »Der Erste Wechton ist durch eine starke Explosion zerrissen wor den. Immerhin gibt es einzelne Trümmer stücke, die halbwegs brauchbare Teile ent halten könnten.« Etzak lachte dröhnend. Er nahm sich vor, seinem Informanten eins auszuwischen, wenn sich dessen Be hauptungen nicht bewahrheiten sollten. Aber wenn er nur einige Geräte oder Aggregattei le fand, die sich reparieren ließen, hatte sich der Flug schon gelohnt. Die Wirtschaft des Großen Imperiums litt infolge des Methan kriegs an chronischem Mangel an Rohstof fen, Halb- und Fertigfabrikaten. Deshalb war sie auf die Zufuhr von Schrott und ge brauchten Gütern aller Art angewiesen. »Wir fliegen hin!« entschied er. »Sammelkommandos fertig machen zum Einsatz!«
*
Von Xuura kam der Tod Algonkin-Yatta sah mit gemischten Ge fühlen zu, wie Anlytha zwischen den Trüm mern der Raumstation umherschwebte und alle möglichen Gegenstände in einem Anti gravnetz sammelte, das sie hinter sich her zog. Er war nicht grundsätzlich gegen das Sammeln fremder Objekte, aber in erster Li nie interessierten ihn Produkte künstleri schen Schaffens, da es auf Ruoryc keine ei genständige Kunst gab – offenbar, weil den Angehörigen seines Volkes die Veranlagung fehlte, so etwas zu schaffen. »Kundschafter!« wisperte eine geisterhaf te Stimme in seinem Bewußtsein. »Ich höre, Psiotronik!« gab Algonkin-Yat ta zurück. Er sprach – im Unterschied zur Psiotronik seines Schiffes – laut, weil er sei ne Gedanken dadurch besser auf die Fern verbindungsschaltung in seinem Gehirn kon zentrieren konnte. »Ein fremdes Raumschiff ist nach einer Transition in anderthalb Lichtstunden Ent fernung hinter den Trümmern der Raumsta tion aufgetaucht«, berichtete die Psiotronik. »Die Konstruktionsmerkmale sind eindeutig die eines maahkschen Raumschiffs: die Län ge beträgt fünfhundert Meter. Das Schiff nä hert sich mit hoher Geschwindigkeit der Trümmerwolke.« »Ein einzelnes Raumschiff der Maahks?« wunderte sich der Kundschafter. »In der Nä he des arkonidischen Flottenstützpunkts Travnor? Außerdem, was sollte es an der Trümmerwolke interessant finden?« »Vielleicht interessiert sich die Besat zung dafür, was hier geschehen ist, Kund schafter. Ich rate jedenfalls zur Vorsicht.« »Schaden kann sie jedenfalls nicht«, meinte Algonkin-Yatta. Er aktivierte sein Helmfunkgerät und sag te: »Anlytha, ein Raumschiff der Maahks be findet sich im Anflug auf die Trümmer der Raumstation. Komm zurück!« Es knackte in seinem Empfänger, dann hörte er ein entrüstetes Zwitschern, und da nach erwiderte Anlytha: »Ich finde es unerhört, mich zu stören, wo
7 ich gerade einen ovalen Plastikrahmen ge funden habe und das Bild suche, das dazu gehört! Kannst du den Maahks nicht sagen, sie sollen von hier verschwinden?« »Es ist nicht meine Aufgabe, anderen Le bewesen Vorschriften zu machen, Anlytha«, erwiderte der Kundschafter. »Außerdem be findest du dich zwischen dem Maahkraum schiff und mir, so daß du aufs höchste ge fährdet wärst, wenn es zum Austausch von Feindseligkeiten kommen sollte. Du mußt sofort zurück!« »Den Maahks machst du keine Vorschrif ten!« schimpfte Anlytha. »Wohl aber mir! Bin ich etwa kein Lebewesen, Algonkin?« »Das würde ich niemals wagen zu be haupten«, erklärte Algonkin-Yatta geduldig. »Aber dir darf ich Vorschriften machen, da du unter meinem Schutz stehst. Wenn du nicht sofort kommst, hole ich dich.« »Ich komme ja schon!« zwitscherte Anly tha ärgerlich. »Mach Platz, damit ich mit meinem Netz durch die Schleusenöffnung passe!« Algonkin-Yatta trat zur Seite. Er hatte in der geöffneten Frachtschleuse gewartet. »Das Walzenschiff sendet auf der Fre quenz der arkonidischen Handelsflotte, Kundschafter«, teilte die Psiotronik mit. »Soll ich den Ruf auf dein Helmgerät weiter leiten?« »Nein!« entschied der Kundschafter nach kurzem Überlegen. »Khoruna Skapron kann ihn mit dem großen Hyperkom in Empfang nehmen. Der Arkonide kennt die Maahks gut genug, um mit ihnen zu verhandeln.« »Sein Haß auf die Wasserstoffatmer trübt seinen Verstand«, gab die Psiotronik zurück. »Aber wie du befiehlst, Kundschafter.« Algonkin-Yatta erwiderte diesmal nichts, denn er hatte damit zu tun, ein Auffangfeld in der Schleusenkammer zu schalten, in dem Anlytha mitsamt ihrem Antigravschleppnetz Halt fand. Seine Begleiterin näherte sich der Schleuse nämlich mit einer zu hohen Ge schwindigkeit und hätte sich normalerweise einige Knochen gebrochen. Sekunden später hingen Anlytha und ihr
8 Netz hilflos in dem Auffangfeld. Der Kund schafter betrachtete kritisch die Beute, die seine Gefährtin gemacht hatte. Wie üblich, hatte sie die Stücke nach ihrem ausgefalle nen Geschmack ausgewählt. Unter anderem entdeckte Algonkin-Yatta einen Haartrockner mit halbiertem Gehäuse, einen wirren Haufen Programmierungsfoli en, etwas, das einer zerbrochenen Harfe glich und einen handspannenbreiten ovalen Plastikrahmen, der oben – oder unten – gera de abschloß und dort zwei Schraubscharnie re trug. Der Kundschafter verbarg beim An blick dieses angeblichen Bilderrahmenes seine Heiterkeit, denn er kannte den Zweck, zu dem gewisse Lebensformen diese Rah men benutzten, wenn bei seinem Volk auch anders geformte Gegenstände zum gleichen Gebrauch verwendet wurden. Langsam schaltete er das Auffangfeld herunter, bis Anlytha auf eigenen Füßen stand. Stolz betrachtete seine Begleiterin ihre Beute. »Na, was sagst du dazu, Algonkin?« »Faszinierend«, gab Algonkin-Yatta zu rück. »Aber wir lassen alles hier liegen und begeben uns erst einmal in die Zentrale, um festzustellen, wie unser Gast mit den Maahks zurechtkommt.« »Es sind keine Maahks, Kundschafter«, teilte seine Psiotronik ihm – unhörbar für Anlytha – mit. »Das Walzenschiff gehört ei nem arkonidischen Händler namens Etzak. Es handelt sich um ein umgebautes Beute schiff.« »Dann möchte die Besatzung wohl nur In formationen mit uns austauschen«, meinte der Kundschafter. »Nein, sie hat es auf das Ausschlachten der Trümmer abgesehen und stuft uns als unliebsame Konkurrenz ein«, erwiderte die Psiotronik. »Aber Khoruna Skapron sagt Etzak ganz gehörig die Meinung. Es ist sehr amüsant.« »Ich habe dir schon mehrfach gesagt, daß ich es unlogisch finde, wenn du irgend etwas amüsant findest«, sagte Algonkin-Yatta.
H. G. Ewers
2. Khoruna Skapron musterte das Abbild des Händlers auf dem Hyperkom-Bildschirm mit unverhülltem Abscheu. »Wiederholen Sie, was Sie eben gesagt haben, Etzak!« forderte er kalt. »Ich habe Sie aufgefordert, mit Ihrem lä cherlichen Vergnügungsraumboot aus die sem Raumsektor zu verschwinden!« sagte der Händler. »Aha!« machte Skapron. »Können Sie mir vielleicht auch den Grund dafür nen nen?« Der Händler lachte brüllend – und die an deren Händler, die sich in der Zentrale des Händlerschiffs aufhielten, fielen ein. Nach einer Weile hörte Etzak auf zu la chen – und seine Leute verstummten eben falls. »Sehen Sie sich die Breitseite an, die ich Ihnen zudrehe!« sagte der Händler höhnisch. »Sie werden die drei Thermogeschütze ent decken und außerdem feststellen, daß sie auf ihre Nußschale gerichtet sind. Das dürfte Ih nen als Begründung genügen.« Khoruna Skaprons Haltung straffte sich. Die Augen glitzerten kalt. »Danke, Etzak, das wollte ich nur hören!« entgegnete er arrogant. »Nehmen Sie zur Kenntnis, daß ich Zweifacher Sonnenträger des Großen Imperiums bin und Ihren Akt der Piraterie dem Flottenkommando zur An zeige bringen werde.« »Tatsächlich?« erwiderte Etzak sarka stisch. »Ich erinnere mich recht gut daran, wie ein Zweifacher Sonnenträger des Großen Imperiums gekleidet ist. Sie sind es nicht. Sie tragen eine ganz gewöhnliche Bordkombination ohne Rangsymbole.« »Diese Tatsache ändert nichts daran, daß ich Khoruna Skapron, Zweifacher Sonnen träger des Großen Imperiums, bin«, erklärte Skapron eisig. »Ich trage die meinem Rang entsprechenden Kleidungsstücke und Sym bole nur deshalb nicht, weil ich erst kürzlich aus der Gefangenschaft der Maahks entkom
Von Xuura kam der Tod men bin. Ich fordere Sie hiermit letztmalig auf, sich in aller Form bei mir zu entschuldi gen und diesen Raumsektor zu verlassen. Andernfalls werden Sie unnachsichtig be straft werden, Etzak.« Etzak lachte so heftig, daß er sich den Leib halten mußte. Als er sich ein wenig be ruhigt hatte, winkte er einem seiner Leute. Im nächsten Augenblick zuckte eine licht schnelle Strahlbahn so dicht am Bug des Kundschafterschiffs vorbei, daß die automa tische Alarmanlage ansprach. Die Psiotronik hüllte das kleine Schiff in einen Energie schirm. Khoruna Skapron wollte noch etwas sa gen, aber in diesem Moment eilte Anlytha in die Steuerzentrale, gefolgt von Algonkin-Yat ta. Anlytha stellte sich, bebend vor Empö rung, vor die Bilderfassung des Hyperkoms und schrie: »Wo haben Sie Ihre Augen, Sie ekelhafter Pirat? Können Sie nicht sehen, daß hier ein Raumschiff ist, daß Sie Ihre lächerliche Strahlkanone in unsere Richtung abfeuern?« Etzaks Augen weiteten sich. Der Händler bewegte die Lippen, brachte aber keinen Ton hervor. »Was starren Sie mich so an, Sie rothaari ges Monstrum!« zeterte Anlytha. »Es ist ei ne Unverschämtheit von Ihnen, mich beim Sammeln von Kunstgegenständen zu stören. Wissen Sie, daß Ihr Strahlschuß mich hätte treffen können, wenn Algonkin mich nicht rechtzeitig zurückgerufen hätte, Sie Nichts würdiger!« Algonkin-Yatta trat ebenfalls in den Bil derfassungsbereich seines Hyperkoms und musterte Etzak abschätzend. Seiner Ansicht nach ahnte der Händler nicht, daß er es nur seiner, Algonkin-Yattas, Großmut verdank te, daß er noch am Leben war. Die Waffen des Kundschafterschiffs hätten das Walzen schiff mit einem Feuerschlag zu Staub zer blasen können. Etzak hatte sich inzwischen wieder eini germaßen gefaßt. Hinter seiner Stirn schie nen sich die Gedanken zu jagen.
9 »Warum erwidern Sie das Feuer nicht, Algonkin-Yatta?« wandte sich Khoruna Skapron an den Kundschafter. Der Händler schien zu einem Entschluß gekommen zu sein, denn er vollführte mit den Händen eine Geste, die im großen Impe rium als Geste der Entschuldigung galt. »Bitte, verzichten Sie auf einen Versuch, der ohnehin sinnlos wäre«, sagte er in völli ger Verkennung der Sachlage. »Ich ent schuldige mich hiermit in aller Form für mein Verhalten, das einem Mißverständnis entsprang.« »Mißverständnis!« rief Khoruna Skapron höhnisch. »Ich hatte Ihnen klargemacht, wer ich bin und welche Folgen Ihr Verhalten für Sie haben wird.« »Sie konnten mir nicht beweisen, daß Sie der Zweifache Sonnenträger Khoruna Ska pron sind«, konterte Etzak. »Aber diese bei den faszinierenden Intelligenzen brachten mich zur Einsicht, daß nur ein hochgestellter Arkonide von adliger Abstammung mit der Kontaktaufnahme betraut sein kann. Bitte, verzeihen Sie auch mir, Erhabener!« Er breitete die Arme aus. »Ich würde es als große Ehre betrachten, wenn die beiden Fremdintelligenzen an Bord meines Schiffes kämen, damit ich ih nen durch meine Gastfreundschaft beweisen darf, wie ernst es mir mit meiner Bitte um Vergebung ist.« Anlythas Augen leuchteten auf. »Oh, ich würde nichts lieber tun als das, Etzak! Es muß auf dem Raumschiff eines in terstellaren Händlers viele Dinge geben, die meine Augen erquicken können!« »Und die deine Taschen füllen würden!« flüsterte Algonkin-Yatta. Laut sagte er: »Wir nehmen Ihre Einladung an, Etzak. Er warten Sie uns bitte in einer halben Stunde.« Er schaltete den Hyperkom aus und sagte zu Skapron: »Ich bitte Sie, an Bord zu bleiben, wäh rend Anlytha und ich den Händler besuchen. Ich weiß, daß Sie ihm noch immer zürnen, aber als Kundschafter liegt mir nichts daran, anderen Lebewesen ihre Fehler nachzutra
10
H. G. Ewers
gen. Ich bin nur an friedlicher Kommunika tion interessiert – und natürlich daran, etwas über Kristallprinz Atlan zu erfahren.« »Diese Einladung ist eine Falle, Algon kin-Yatta«, warnte der Arkonide. »Ich kenne die Mentalität solcher Händler wie Etzak. Er ist doch nur begierig darauf, die Position Ih res Heimatplaneten zu erfahren, um dort zu landen und Ihre Leute beim Handel zu be trügen.« »Von mir erfährt er die Position Ruorycs nicht, denn MYOTEX hat alle Kundschafter gebeten, darüber zu schweigen – und Anly tha weiß nicht, woher sie kommt«, entgeg nete der Kundschafter. »Es gibt Mittel, Ihnen Ihre Geheimnisse zu entreißen«, erklärte Khoruna Skapron. »Etzak besitzt sie sicher nicht«, gab der Kundschafter zurück. »Komm, Anlytha, wir nehmen ein Beiboot!« »Ich muß vorher schnell in meine Kabi ne«, erwiderte Anlytha. »Meine Sammelta schen leeren.«
* »Ich bitte mir anständige Manieren aus, solange unsere Gäste an Bord sind!« sagte Etzak mit strenger Miene zu den Leuten, die sich um ihn in der Steuerzentrale versam melt hatten. »Kelrok, sage unserer Mutter Bescheid, sie möchte mit den anderen Frauen ein Festmahl vorbereiten!« »Aber wir wissen doch gar nicht, was die Fremden essen, Etzak!« wandte Kelrok ein. »Stell dich nicht so dumm an!« schimpfte Etzak. »Die Auswahl an Speisen muß eben besonders groß sein, damit auf jeden Fall ge nug dabei ist, was unsere Gäste mögen. Richte das unserer Mutter aus! Anschlie ßend sagst du Onkel Hrebold, er soll unseren zweitbesten Wein bereitstellen.« Er wandte sich an Skulish, einen gleich altrigen Vetter, der zwei Jahre Medizin stu diert hatte und als Arzt an Bord Dienst tat. »Du präparierst eine Flasche Wein mit der besten Wahrheitsdroge, die wir haben! Wir müssen unbedingt die Koordinaten ihrer
Heimatwelt aus den beiden Fremdintelligen zen herausholen.« »Ihrer Heimatwelt?« wiederholte Skulish. »Du scheinst als sicher anzunehmen, daß beide Wesen vom gleichen Planeten abstam men, Etzak.« »Selbstverständlich«, antwortete Etzak. »Es ist doch unwahrscheinlich, daß gleich zeitig die Vertreter zweier verschiedener Völker auf einem Schiff unterwegs nach Ar kon sind. Ich denke, es handelt sich bei dem blauschwarzen Zwerg und der hellblauen Person mit dem weißen Federkamm um Paa rungspartner, deren äußere Unterschiede ih re arttypischen sekundären Geschlechts merkmale sind.« »Das könnte stimmen«, gab Skulish zu. »Ich frage mich nur, warum du so versessen darauf bist, die Koordinaten ihrer Heimat welt zu erfahren.« Etzak grinste. »Du bist schwer von Begriff, eh? Kannst du dir nicht vorstellen, wie sich eine ganze Truppe weiblicher Wesen von Aussehen dieser Frau mit dem Federkamm beispiels weise als Tanzmädchen ausnehmen würde? Eine Schiffsladung solcher Geschöpfe wür de uns reich machen, Medizinmann.« Beifälliges Gemurmel wurde laut. »Schon gut, Etzak«, meinte Skulish. »Ich werde die exotische Droge Ablothyl ver wenden. Wenn sie nicht wirkt, wirkt über haupt nichts. Hoffentlich führst du die Be fragung behutsam durch. Sonst könnte es sein, daß durch uns diplomatische Verwick lungen entstehen – und dann möchte ich nicht in deiner Haut stecken, Vetter Etzak. Immerhin befinden sich die beiden Fremdin telligenzen unter der Obhut eines Zweifa chen Sonnenträgers, was darauf hinweist, daß sie offizielle Abgesandte ihres Volkes sind.« Etzak winkte ärgerlich ab. »Das laß nur meine Sorge sein, Skulish!« erwiderte er schroff. »Ich weiß, was ich tue. Ohne Grund nennt man mich nicht den ge rissensten Händler von Thantur-Lok.« Er atmete auf, als Kelrok und Skulish sich
Von Xuura kam der Tod entfernt hatten, dann wandte er sich an die übrigen Männer und befahl: »Kämmt eure Bärte und euer verfilztes Haar – und wascht euch die Gesichter! Ich möchte, daß ihr ordentlich ausseht, wenn ihr zur Begrüßung unserer hohen Gäste Spalier steht!« Er lachte brüllend, als die Leute davonsto ben, um sich zurecht zu machen. Danach be trachtete er sich selbst im Feldspiegel, rück te seine Bordkombination zurecht, entfernte einige eingetrocknete Speisereste von seiner Hose und putzte sich anschließend die Zäh ne. Danach setzte er sich in seinen Konturses sel und beobachtete auf den Bildschirmen, wie von dem ovalen Raumschiff, dessen Au ßenhülle aussah, als bestünde sie aus grün lich schimmerndem Glas, ein ebenfalls ova les Beiboot ablegte. Erstmals fragte sich Etzak ernsthaft, auf welcher Werft das ovale Raumschiff gebaut worden sein könnte. Er hatte ein solches Schiff noch nie gesehen – und auch noch nie davon gehört, daß das Große Imperium der artige Raumschiffe besaß. Der Händler beruhigte sich mit dem Ge danken, daß es sich offenbar um ein Kurier schiff handeln müsse, das auf einer gehei men Werft in nur geringer Stückzahl gebaut und ausschließlich für Geheimaufträge ein gesetzt wurde. Dennoch wurde er ein ungutes Gefühl nicht los. Er konnte es sich jedoch nicht er klären – und seine Habgier verdrängte schließlich alle Bedenken. Wenn es nicht anders ging, würde er eben die beiden Fremdintelligenzen gefangenneh men und Khoruna Skapron ausschalten. Dann konnte er die Heimatwelt der Fremden vielleicht unter seine persönliche Herrschaft zwingen und ihre Position vor der Konkur renz geheimhalten, um den Profit aus dem Handel mit weißgeschopften Tänzerinnen ganz allein einzustreichen.
*
11 Als Algonkin-Yatta und Anlytha ihr Bei boot verlassen hatten und durch das geöffne te Innenschott traten, wurden sie im Mitte lachskorridor von einem Spalier alter und junger, männlicher und weiblicher Arkoni den empfangen. »Willkommen an Bord!« grölten helle und tiefe Stimmen durcheinander. Der Kundschafter und Anlytha beherrsch ten das Arkonidische inzwischen perfekt und verstanden deshalb den Willkommens gruß auch ohne Translator. »Wir danken!« rief Algonkin-Yatta und winkte. Als er mit Anlytha durch das Spalier schritt, bemerkte er auf den Gesichtern eini ger Arkoniden Verwirrung. Er wußte sofort, daß seine Begleiterin den Betreffenden et was vorgaukelte – beispielsweise eine Ver änderung ihres Aussehens –, um mit un glaublich flinken Griffen Wertgegenstände, oder das, was sie für Wertgegenstände hielt, an sich raffen zu können. Das gefiel ihm nicht, aber er sah sich au ßerstande, Anlytha in Anwesenheit Fremder zur Ordnung zu rufen, da er sie dadurch bloßgestellt hätte. Außerdem konnte er nicht umhin, sich über Anlythas Diebereien zu amüsieren – vor allem deshalb, weil er wuß te, daß die arkonidischen Händler ihnen kei neswegs so freundlich gesinnt waren, wie sie ihnen glauben machen wollten. Am Ende des Spaliers stand der bärtige Arkonide, der über Hyperkom angerufen hatte: Etzak. Er hatte ein übertrieben freund liches Lächeln aufgesetzt. Als Algonkin-Yat ta ihn erreichte, schlug Etzak sich mit der Faust gegen die Brust, was wohl eine Begrü ßung darstellen sollte. Der Kundschafter erwiderte die Begrü ßung auf die gleiche Art, dann demonstrierte er dem Händler die Art von Begrüßung, die bei seinem Volk auf Ruoryc üblich war. Er legte seine rechte Hand um den rechten Un terarm Etzaks und drückte freundschaftlich zu. Als der Händler vor Schmerz aufbrüllte, lockerte Algonkin-Yatta seinen Griff. Er war
12 verlegen, weil er vergessen hatte, daß er jedem Arkoniden physisch weit überlegen war – angesichts der bulligen Figur Etzaks wahr scheinlich eine verzeihliche Sünde. »Bitte, entschuldigen Sie!« sagte er. Etzak wischte sich die Tränen des Schmerzes aus den Augen und beschloß, an gesichts des Profits, den er sich vom Kon takt mit den Fremden versprach, die Körper verletzung zu vergessen. Es gelang ihm je doch nur schlecht, sein Erschrecken über die gewaltige Körperkraft des blauhäutigen Zwerges zu verbergen. »Es war nicht weiter schlimm«, erwiderte er und vermied, seinen kraftlos herabhän genden rechten Arm zu massieren. »Mein Name ist Etzak. Ich bin lizensierter Händler des Großen Imperiums von Arkon und schätze mich glücklich, die Vertreter eines anderen Sternenvolks an Bord meines Schiffs als Gäste begrüßen zu dürfen.« »Ich bin Algonkin-Yatta«, sagte der Kundschafter. »Meine Begleiterin heißt An lytha. Wir danken Ihnen für Ihre Gast freundschaft und sind bereit, Ihre anfängli che aggressive Haltung zu vergessen, Etz ak.« »Ich versichere Ihnen, es handelte sich um ein bedauerliches Mißverständnis«, er klärte Etzak eifrig. »Es ist nicht erforderlich, daß Sie uns an zulügen versuchen, Etzak«, versicherte Al gonkin-Yatta. »Wir werden Ihnen nichts nachtragen.« Der Händler schnappte nach Luft und lief rot an. Es machte ihm nichts aus, wenn ihn jemand für einen Lügner und Betrüger hielt, denn jeder Händler hielt alle anderen Händ ler für Lügner und Betrüger. Aber gerade deshalb hatten sich Umgangsformen heraus gebildet, die es verboten, Gleichgestellten die eigene Meinung offen ins Gesicht zu sa gen. Anlytha begriff vor dem Kundschafter, mit welchen Nöten sich der Händler quälte, deshalb sagte sie: »Algonkin-Yatta stammt aus einem Volk, bei dem die Unsitte, bewußt die Unwahrheit
H. G. Ewers zu sagen, unbekannt ist, Etzak. Es ist ihm deshalb nicht möglich, eine Unwahrheit, die er als solch erkennt, offiziell als Wahrheit hinzunehmen.« Etzak atmete auf. Er war aus seinem Di lemma erlöst. Mehr noch, ein Wesen, das nicht in der Lage war, bewußt die Unwahr heit zu sagen, würde sich noch leichter aus fragen lassen als andere Wesen. Dennoch befand sich in Anlythas Erklärung etwas, was ihn verwunderte. »Sie stammen demzufolge nicht aus dem gleichen Volk, Anlytha?« erkundigte er sich. »Nein, wir stammen aus zwei verschiede nen Völkern«, erwiderte Anlytha. Mehr wollte sie nicht sagen. Außerdem hatte sie gerade einen rechts neben ihr stehenden kor pulenten Arkoniden verwirrt und nahm die Goldkette mit dem grünen Amulett an sich, die er um den Hals trug. Niemand bemerkte es. »Oh!« rief Etzak überrascht, während er bereits spekulierte, ob es die Aussicht auf einen fetten Profit nicht noch vergrößerte, wenn er gleich die Koordinaten zweier be wohnter Welten kennenlernte. »Bitte, folgen Sie mir in die Messe! Ich habe ein Festmahl vorbereiten lassen.« Er wandte sich um und ging voraus in den langgestreckten Saal, der ursprünglich als Massenquartier für maahksche Raumlandes oldaten gedient hatte. Die Mutter Etzaks und ihre Helferinnen hatten sich selbst übertroffen. Auf der weiß gedeckten, mit Plastikblumen bestreuten langen Tafel, an der sonst die Mannschaft oft genug nur Synthonährbrei löffelte, stan den Schüsseln voll Fleisch, Teigfladen, ver schiedene Gemüsesorten sowie süße Des serts. Dazwischen ragten Weinkrüge empor, die hastig auf Hochglanz poliert worden wa ren. Hinter den festgeschraubten Bänken war teten Frauen mit gefüllten Weinkannen, um jederzeit nachschenken zu können. In einer Ecke stand Skulish. Er beobachtete scharf die beiden Weinkrüge, die für die Gäste be stimmt waren. Eine zufällige Verwechslung
Von Xuura kam der Tod wäre peinlich gewesen. Der Mediziner hatte nur den Fehler be gangen, seine kostbare Halskette umzulegen, die ihn als Heilkundigen auswies. Aus die sem Grunde war er in der Messe das erste Opfer, das Anlytha ins Auge faßte. Skulish glaubte plötzlich, eine bezaubernde junge Hexe auf einem Besen durch den Saal fliegen zu sehen. Während er ihr mit offenen Augen – und offenem Munde – folgte, stiebitzte Anlytha ihm seine Amtsket te. Danach wandte sich die Begleiterin des Kundschafters anderen Opfern zu. Niemand bemerkte, daß in der allgemei nen Verwirrung Etzak vor dem Gedeck Platz nahm, das für Algonkin-Yatta bestimmt war. Die vorgesehene Sitzfolge wurde damit al lerdings nur um einen Platz verschoben. So kam Anlytha vor das Gedeck, das man tat sächlich für sie gedacht hatte …
* Als Anlytha saß, ließ begreiflicherweise die Verwirrung unter den anderen Arkoni den nach. Sie blickten sich gegenseitig ver legen an und fragten sich, ob jemand be merkt hätte, daß sie für kurze Zeit unter Hal luzinationen gelitten hatten. Sie vermieden strikt, die Sprache darauf zu bringen. Etzak hob seinen – eigentlich für den Kundschafter bestimmten – Weinkrug und sagte feierlich: »Meine Gäste, erlauben Sie mir bitte, mit Ihnen darauf zu trinken, daß sich zwischen unseren Völkern gute Beziehungen ent wickeln werden!« »Darauf trinke ich gern«, erwiderte Al gonkin-Yatta, der als geschulter Kundschaf ter schnell begriff, was »auf etwas trinken« bedeutete. Er hob seinen Krug ebenfalls – und Anlytha folgte seinem Beispiel. Die Arkoniden, die ebenfalls an der Tafel Platz genommen hatten – unter ihnen befan den sich zu Algonkin-Yattas Befremden kei ne Frauen –, hoben unter Gelächter ihre Weinkrüge und tranken. Ihre Heiterkeit ver ebbte schnell, als sie merkten, daß Etzak ih
13 nen den billigsten sauren Wein hatte ein schenken lassen. Neidisch blickten sie zu ih rem Oberhaupt und zu den Gästen, denen ihr Wein offensichtlich schmeckte. Einige von ihnen revanchierten sich für den Geiz Etzaks dadurch, daß sie laut aufstießen und ihr Oberhaupt dadurch blamierten. Etzak blickte sie strafend an und grollte: »Ihr faulen, ungehobelten Nichtsnutze! Ich werde euch die Rationen auf die Hälfte herabsetzen, wenn ihr euch nicht anständig benehmt!« Er wurde abgelenkt, als Anlytha einen heftigen Schluckauf bekam. Sofort eilte Skulish zu ihr, um ihr seine Dienste anzubie ten. »Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, Erhabene, wie Sie Ihren Schluckauf loswer den, würde ich mich sehr glücklich schätzen. Ich bin Mediziner und Heilkundiger, müssen Sie wissen. Hier, meine Amtskette, die mich ausweist!« Er tastete mit den Fingern vergeblich nach seiner unersetzlichen Kette, wußte er doch, daß er sie extra zum Empfang der Gäste an gelegt hatte. Deshalb bekam er fast einen Weinkrampf. Aber Anlythas Schluckauf legte sich von selbst wieder. Etzak lachte schadenfroh. »Du schreckst andere Leute durch deinen bloßen Anblick ab, so daß sie lieber schnell wieder gesund werden, um nicht von dir ver arztet zu werden, Vetter Skulish!« spottete er. Beleidigt trat Skulish zurück, während er verzweifelt überlegte, was aus seiner Amts kette geworden war. Ohne sie verlor ein Me diziner das Vertrauen seiner Patienten und hatte keine Chance, neue Patienten zu ge winnen. Und die Ärztekammer auf Arkon bewilligte nur dann Ersatz, wenn jemand nachweisen konnte, daß seine Kette ohne ei genes Verschulden abhanden gekommen war. Etzak überlegte unterdessen, wie er die Befragung seiner Gäste einleiten könnte. Die Droge mußte inzwischen gewirkt haben,
14 aber der Händler fühlte sich auf einmal nicht mehr in der Lage, seine Fragen so zu formu lieren, daß die Befragten ihren Zweck nicht durchschauten. Er begriff das nicht, wußte sich aber nicht zu helfen, denn sein Prestige bei seinen Leuten würde gewaltig sinken, wenn er diese Aufgabe nicht persönlich durchführte. Es war Anlytha selbst, die ihn aus seinem seelischen Konflikt erlöste. Bei ihr hatte die Wahrheitsdroge durchschlagend gewirkt, al lerdings nicht so, wie sie bei Arkoniden wir ken würde. Ihre Psyche unterschied sich eben infolge ihrer parapsychischen Bega bung wesentlich von der Psyche anderer Le bewesen. Infolgedessen fing Anlytha von selbst an zu reden – aber war sie sagte, war ein Pro dukt ihrer durch die Droge Ablothyl ange regten Phantasie. Die Wahrheit hätte sie oh nehin nicht verraten können, da sie sie infol ge ihrer Amnesie selbst nicht kannte. »Hört zu, Ihr edlen Ritter!« sagte sie und nahm noch einen Schluck Wein. »Hört von meiner wunderbaren Welt! Ich komme von Haylay, der als einziger Planet eine in allen Farben schillernde Sonne umkreist.« Sie legte eine Pause ein und blickte gei stesabwesend über die Arkoniden, die ihr in andächtigem Schweigen lauschten. »Haylay liegt jenseits des großen Nebel haufens, den wir Amstyll nennen«, fuhr An lytha fort. »Dreitausend Lichtjahre fliegt man nach Durchquerung von Amstyll gera deaus, dann erblickt man das Phänomen ei ner Raumverzerrung – und hinter dieser Raumverzerrung liegt Haylay, vor jedem Raumfahrer verborgen, der das Risiko scheut, in die Raumverzerrung zu fliegen. Auf Haylay herrscht ewiger Frühling, wie uns andere Raumfahrer sagten. Wir selbst kennen es nicht anders, als daß die Luft im mer warm, aber nicht zu warm ist. Es gibt keine starken Luftbewegungen, sondern nur schwache erfrischende Winde, die vom ein zigen Meer über die zahllosen Inseln strei chen, die wir bewohnen. Die Bäume und Sträucher unserer Inseln
H. G. Ewers liefern nahrhafte und wohlschmeckende Früchte, im Boden wachsen stärkehaltige Knollen, und die Meeresströmungen treiben regelmäßig große Mengen schmackhaften Getiers an. Auf anderen Planeten mühen sich die Be wohner durch Arbeit Nahrung und Kleidung zu beschaffen. Wir auf Haylay kennen keine Arbeit. Die Natur schenkt uns alles, was wir brauchen, im Überfluß. In den Nächten der Drei Monde feiern wir unsere Feste, bei de nen gegessen, getrunken, getanzt und geliebt wird. Wir besuchen uns gegenseitig auf den verschiedenen Inseln, indem wir uns von freundlichen und intelligenten Meerestieren tragen lassen. Irgendwann in grauer Vorzeit muß eine andere Zivilisation in unserem System exi stiert haben. Sie hinterließ auf den Drei Monden gewaltige robotgesteuerte Indu strieanlagen. Wir brauchen kaum etwas von dem, was diese Anlagen erzeugen. Aber wir bedienen uns ab und zu gern der Raumschif fe, die von den Drei Monden zu uns ge schickt werden und die uns weit durchs Weltall tragen, bevor wir wieder nach Hause gehen.« Sie schwieg und bemerkte nicht, daß die Blicke der Arkoniden gierig geworden wa ren. Für interstellare Händler mußte die Aussicht auf einen Planeten, auf dem man nicht nur Naturprodukte im Überfluß fand, sondern der auch auf seinen drei Monden ro botgesteuerte Industrieanlagen mit einer starken Produktionskapazität besaß, regel recht berauschend wirken. Sie überlegten bereits, wie sie diese unerschöpfliche Fund grube für sich ausnutzen könnten, ohne mehr als wertlosen Tand dafür zu geben. Doch bevor sie ihre Überlegungen been den konnten, geschah etwas, mit dem sie nicht gerechnet hatten.
3. Anlytha gähnte dreimal herzhaft, dann legte sie ihre Arme auf den Tisch, bettete ih ren Kopf darauf und schlief ein.
Von Xuura kam der Tod Etzak suchte immer noch nach einem An satz für seine Befragung der Gäste, ohne zu begreifen, daß er den Ansatz, den er suchte, nicht finden konnte, weil er selbst unter dem Einfluß der Wahrheitsdroge stand. Algonkin-Yatta hatte inzwischen ein stummes Zwiegespräch mit der Psiotronik seines Kundschafterschiffs geführt und eine Analyse der für ihn unerklärlichen Vorfälle erstellen lassen. Das Ergebnis erheiterte ihn – und reizte ihn dazu, den Spieß umzudre hen. Er wandte sich an Etzak und sagte freund lich: »Was werden Sie mit den aufschlußrei chen Informationen anfangen, die meine Be gleiterin Ihnen gegeben hat?« Der Händler war nicht daran interessiert, dem Kundschafter – von dem er noch nicht einmal wußte, daß er ein Kundschafter war – die Wahrheit zu sagen, aber er konnte sie einfach nicht verschweigen. »Ich werde noch die genauen Koordinaten aus Anlytha herausholen«, antwortete er. »Danach sammle ich meine Handelsflotte und fliege nach Haylay. Ich bin sicher, daß es mir gelingen wird, mit den HaylayEingeborenen einen Vertrag abzuschließen, der mir das Handelsmonopol auf alle Pro dukte des Planeten und seiner drei Monde sichert. Vor allem die Industrieprodukte werden sich innerhalb des Großen Imperi ums mit gewaltigem Profit absetzen lassen. Aber ich finde, auch die Artgenossinnen An lythas stellen einen wertvollen Exportartikel dar. Sie würden sich auf den Parties der Adelscliquen, aber auch in allen denkbaren Vergnügungsetablissements ausgezeichnet ausnehmen.« Der Kundschafter verbarg seinen Zorn – und wunderte sich selbst darüber, wie leicht ihm das gelang, obwohl er sonst die Wahr heit kaum zurückzuhalten vermochte. »Fürchten Sie nicht, die Regierung Ihres Imperiums würde den Schutz von Haylay übernehmen, wenn Anlytha und ich ihr be richten, wo Haylay liegt und was der Planet zu bieten hat, Etzak?« fragte er.
15 »Kein Problem für mich!« behauptete der Händler. »Sie werden nämlich nie in die La ge kommen, der Regierung des Großen Im periums etwas zu berichten. Vorläufig wer den Sie und Anlytha in die Arrestzelle mei nes Schiffes gesperrt – und irgendwann fin de ich auch eine Dauerlösung.« »Haben Sie vergessen, daß Khoruna Ska pron sich noch auf meinem Schiff befin det?« fragte der Kundschafter weiter. »Er wird Anzeige erstatten, wenn wir nicht un versehrt zurückkehren.« »Khoruna Skapron wird ausgeschaltet«, erklärte Etzak. »Entweder gelingt es mir, ihn ebenfalls auf mein Schiff zu locken, oder ich lasse ihn mitsamt Ihrem Schiff vernichten.« »Das ist sehr aufschlußreich«, meinte Al gonkin-Yatta. »Aber erzählen Sie doch noch etwas mehr, Etzak! Beispielsweise alles, was Sie in der letzten Zeit über Kristallprinz Atlan gehört haben!« Bereitwillig wie zuvor antwortete Etzak: »Meine letzte Information über Atlan lau tete, daß er zusammen mit seinem Pflegeva ter Fartuloon in die Gewalt des Händlers Drahmosch Garzohn geraten sei. Mein In formant sagte außerdem, daß Garzohn seine Gefangenen nach Arkon bringen wolle, um sich die ausgesetzte Belohnung zu verdie nen.« »Mehr wissen Sie nicht über Atlans Schicksal?« fragte der Kundschafter, der bei der Vorstellung, in welcher Gefahr der Kri stallprinz schwebte, allmählich unruhig wur de. »Nein, Algonkin-Yatta«, sagte der Händ ler. Der Kundschafter legte die Hände auf den Tisch und überlegte. Er war entschlossen, Atlan zu helfen und ihn notfalls von Arkon zu holen. An Etzak war er nicht länger inter essiert. Das Problem war nur, daß Etzak an ihm und Anlytha interessiert war. Er würde sie bestimmt nicht freiwillig von Bord gehen lassen – aber genau das war es, was Algon kin-Yatta innerhalb der nächsten Minuten zu tun beabsichtigte. Bedauernd kam der Kundschafter zu dem
16 Schluß, daß er nicht umhin konnte, Gewalt gegen den Händler und seine Leute anzu wenden, obwohl er Gewaltanwendung ge gen Lebewesen verabscheute. Er wollte gerade mit der Psiotronik seines Schiffes in Verbindung treten und sie veran lassen, das Händlerschiff mit einer Dosis Betäubungsstrahlen zu beschießen, die aus reichte, um alle Lebewesen – außer ihm selbst – für einige Stunden lahmzulegen. Da bemerkte er, daß weder Etzak noch seine Leute Interesse an ihm und Anlytha zeigten. Die meisten Personen hatten sich von ih ren Plätzen erhoben und gingen schlafwand lerisch durch den Saal, wobei sie unzusam menhängende Worte murmelten und manch mal auch leise Schreie ausstießen. Etzak selbst hatte den Rest seines Weines auf der Tischplatte verschüttet und malte geistesab wesend mit den Fingern in der Lache. Algonkin-Yatta blickte zu Anlytha, die noch immer schlief. Langsam beugte er sich zu ihr hinüber und hob ihren Kopf hoch! Anlythas Augen blieben geschlossen, aber um Mund- und Augenwinkel zuckte es stän dig, und ab und zu bewegten sich lautlos die Lippen. Der Kundschafter lächelte. Er ahnte, was sich abspielte. Anlytha träumte offenbar so intensiv, daß davon der Sektor ihres Ge hirns, der über parapsychische Kräfte ver fügte, zur Aussendung psionischer Traumin halte angeregt wurde – und die Händler wur den von den psionischen Trauminhalten ge zwungen, an Anlythas Träumen teilzuneh men. Äußerst behutsam, damit er Anlytha nicht aufweckte, hob er sie auf und legte sie über seine Schultern. Ihr Gewicht bedeutete für seine gewaltigen Körperkräfte nicht mehr als eine Tüte Federn. Aber während er mit ihr die Messe verließ und zur Schleuse ging, in der sein Beiboot stand, überlegte er, daß nicht nur seine körperlichen Kräfte unge wöhnlich sein konnten. Er besaß anschei nend auch besondere geistige Kräfte, die ihn gegen die psionischen Ausstrahlungen Anly thas abschirmten.
H. G. Ewers Algonkin-Yatta nahm sich vor, bei Gele genheit die Psiotronik seines Schiffes da nach zu fragen. Vorerst aber war es ihm wichtiger, auf sein Kundschafterschiff zu rückzukommen und in Richtung Arkon zu starten, um Atlan zu befreien.
* Langsam entfernte sich das Kundschafter schiff von dem Walzenschiff Etzaks und den Trümmern der Raumstation. Anlytha schlief noch immer, und da sich bei dem Walzenschiff nichts regte, schienen die Händler ebenfalls noch zu träumen. Soeben hatte Algonkin-Yatta dem Zwei fachen Sonnenträger seine Absicht mitge teilt, nach Arkon zu fliegen. Khoruna Ska pron reagierte beinahe hysterisch darauf. »Das ist der größte Irrsinn, den ich je ge hört habe!« tobte er. »Noch kein Raumschiff ist unerlaubt ins Arkonsystem gekommen. Der ganze Sektor ist eine waffenstarrende Festung. Ich habe große Achtung vor Ihren Fähigkeiten und Ihrem Schiff, aber auch Sie kämen nicht durch die Absperrungen, son dern würden sterben.« Algonkin-Yatta behielt die Ruhe. »Dachten Sie, ich würde blindlings ins Arkonsystem stürmen?« erwiderte er. »Selbstverständlich stelle ich zuerst Erkun dungen an, bevor ich mich für ein bestimm tes Vorgehen entscheide. Aber nichts kann mich davon abhalten, Kristallprinz Atlan zu befreien. Dieser Arkonide fasziniert mich. Ich ahne, daß er noch eine wichtige ge schichtliche Rolle spielen wird – und wenn es möglich ist, will ich meine schützende Hand über ihn halten.« Khoruna Skapron warf sich unwillig in einen Sessel und streckte die Beine aus. »Sie sind ein tapferer Mann, aber auch ein Schwärmer, der sich in idealistischen Vor stellungen gefangen hat und seine Grenzen nicht erkennt«, erklärte er. »Es ist gefähr lich, an Ihrer Seite zu sein.« »Ich verlange nicht, daß Sie an meiner Seite bleiben, Skapron«, sagte der Kund
Von Xuura kam der Tod schafter. »Sie brauchen nur zu sagen, wann und wo ich Sie absetzen soll.« Der Zweifache Sonnenträger lachte hu morlos. »Sie gefallen mir trotz allem, Algonkin-Yat ta«, meinte er. »Ich bleibe bei Ihnen, auch wenn ich damit ein großes Risiko eingehe.« Er rieb sich die Augen. »Aber wecken Sie Anlytha, bitte! Ich kann mich trotz des Wachhaltemittels, das Sie mir gaben, nur mit großer Anstrengung davor bewahren, einzuschlafen und in die Traumwelt Ihrer Begleiterin versetzt zu werden.« Algonkin-Yatta blickte auf die Ortungs kontrollen. »Wir sind weit genug von dem Händler schiff fort«, sagte er. »Etzak wird nach dem Erwachen einsehen, daß es sinnlos wäre, die Verfolgung aufzunehmen. Also kann ich Anlytha wecken – wenn es mir gelingt.« Er ging zu seiner rätselhaften Begleiterin, die er in einen zurückgeklappten Sessel ge bettet hatte, nahm ihren zart wirkenden Kopf sanft in seine beiden kräftigen Hände und hob ihn an. »Du darfst aufwachen, Anlytha!« sagte er leise. »Die Gefahr ist vorüber. Wir visieren ein neues Ziel an.« Aber Anlytha schlief weiter. »Willst du nicht deine Schätze betrachten, die du den Händlern weggenommen hast, Anlytha?« flüsterte Algonkin-Yatta. Anlytha schlug die Augen auf und stieß ein helles Zwitschern aus. »Wo sind meine Schätze, Algonkin?« fragte sie. Während Khoruna Skapron in schallendes Gelächter ausbrach, öffnete sie die zahlrei chen Taschen ihres breiten schwarzen Gür tels, stieg aus ihrem Sessel und breitete die Schätze auf dem Boden der Steuerzentrale aus. Ihre Augen leuchteten in kindlich an mutender Freude. »Wir müssen bald wieder ein Händler schiff besuchen, Algonkin«, sagte sie. »Diese Leute sind offenbar sehr reich an wertvollen Dingen. Bitte, nimm alles und verwahre es in deiner Schatzkammer! Ich
17 schenke es dir.« »Du schenkst mir deine Schätze?« fragte der Kundschafter verwundert. »Ich mag dich sehr, Algonkin«, erwiderte Anlytha. »Alles, was ich habe, soll künftig dir gehören – und ich werde noch viele wun derbare Schätze für dich sammeln.« Algonkin-Yatta blickte seine Begleiterin gerührt an, dann strich er ihr behutsam über den weißen Federkamm. »Ich bin sehr froh, daß ich dich gefunden habe, Anlytha«, sagte er. »Ohne dich wäre mein Leben ärmer.« Er erhob sich und schaltete die normale Sprechverbindung zur Psiotronik ein, um das Programm für den Interdimensionsflug zu besprechen, der das Kundschafterschiff ins Zentrum des großen Kugelsternhaufens bringen sollte, in dem das Herz des Großen Imperiums schlug.
4. Toolgrek blickte bekümmert auf die bei den Techniker, die auf provisorischen Tra gen lagen und von vier anderen Maahks aus der Schleuse in die Hauptkuppel gebracht wurden. In dem einen Träger erkannte Toolgrek Puchtgrek, der aus dem gleichen Gelege wie er geschlüpft war. »Was ist mit den beiden Technikern, Puchtgrek?« fragte er, während seine vier auf dem sichelförmigen Schädelwulst sitzen den Augen sich in die Musterung der Bedau ernswerten teilten. Die vier Träger blieben stehen. »Sie sind tot«, antwortete Puchtgrek. »Der Wasserstoff in ihren Atemtornistern war aufgebraucht, dennoch haben die MKschadoors nicht zugelassen, daß sie ihre Arbeit unterbrachen und in die Kuppel zu rückkehrten. Sie zwangen sie weiterzuarbei ten, bis sie erstickt waren.« »Die M-Kschadoors sind nicht nur grau sam, sondern sie handeln auch unlogisch«, erklärte Toolgrek. »Was haben sie davon, wenn sie die Techniker, die ihnen helfen
18 müssen, töten? Tote können nicht mehr für sie arbeiten.« »Ich fürchte, diese Insektenwesen sind völlig gefühllos«, meinte Puchtgrek. »Wir können uns nur aus ihrer Sklaverei retten, wenn wir sie töten.« »Wie können wir Wesen töten, die im Ge gensatz zu uns in der Atmosphäre von Kaahlzoch ohne technische Hilfsmittel leben können und die über Waffen verfügen, ge gen die unsere starken Hände nichts auszu richten vermögen?« entgegnete Toolgrek bitter. »Bringt die beiden Toten in einen Konverter, damit ihre Materie unserem Stamm einen letzten Dienst erweist!« Als die anderen Maahks weitergingen, starrte Toolgrek aus seinen grünschillernden Augen durch die transparente Druckkuppel der Stadt nach draußen. Hunderte von Maahks in schweren Druckanzügen arbeiteten dort an zwei unför migen Türmen, zwischen denen ein zylindri sches Gebilde aus Stahlplastik und mit einer Spitze am einen und vier Stabilisierungsflos sen am anderen Ende ruhte. Handlange, blaugrün schillernde Fluginsekten kreisten über den Maahks. Sie vermochten den Ver sklavten jederzeit ihren Willen aufzuzwin gen, denn mit ihren organischen Desintegra toren konnten sie mühelos Löcher in die Druckpanzer strahlen, was den Tod der be treffenden Träger zur Folge gehabt hätte. So, wie es jetzt aussah, war es nicht im mer gewesen. Erst vor wenigen Wochen Planetenzeit waren die Fluginsekten, die sich M-Kschadoors nannten, mit ihrem Raumschiff neben den Druckkuppeln der maahkschen Kolonie aufgetaucht und gelan det. Vorher war Kaahlzoch eine friedliche Welt gewesen, auf der die Kolonisten zwar hart arbeiten mußten, um für ihre rasch an wachsende Zahl den künstlichen Lebens raum immer mehr auszuweiten und in der künstlich erzeugten Wasserstoff-Me than-Ammoniak-Atmosphäre, die ständig unter hohem Druck und hohen Temperatu ren gehalten werden mußte, genug Nah-
H. G. Ewers rungsmittel für die Kolonie zu erzeugen. Die Kolonisten waren immer sehr stolz auf ihre großen Leistungen gewesen. Sie wußten durch Überlieferungen, daß vor vie len Generationen ihre Vorfahren als Schiff brüchige auf diesem Planeten gelandet wa ren. Diese Vorfahren sollten sehr kriegerisch gewesen sein, da sie angeblich am Kampf der Götter um die Sterne teilgenommen hat ten. Auf Kaahlzoch war ihnen das Kriegeri sche offenbar sehr schnell vergangen, denn sie waren Wasserstoffatmer – und für sie war die Sauerstoffatmosphäre Kaahlzochs pures Gift. Deshalb lebten die Schiffbrüchi gen anfangs nur in ihren Rettungsbooten, aber da sie sich aus Angehörigen beiderlei Geschlechts zusammensetzten, dauerte es nicht lange, bis die ersten Gelege ausgebrü tet waren und die jungen Maahks schlüpften. In den Rettungsbooten wurde es zu eng, und die Klima- und Wasserstoffregenerierungs anlagen konnten die Bedürfnisse nur noch mangelhaft decken. Die Überlieferungen besagten, daß die Havaristen ihre Raumboote ausschlachteten, um provisorische Unterkünfte zu schaffen, in denen sie vor dem Sauerstoff, der Kälte und dem niedrigen Druck der Planetenatmo sphäre geschützt waren. Ein einfaches Ver fahren zur Gewinnung von neuem Wasser stoff aus dem reichlichen Wasser des Plane ten wurde erdacht und praktiziert. Anschließend brachen Beschaffungsgrup pen auf, um brauchbare Rohstoffe zu sam meln, vor allem Erze und Kohlenwasserstof fe, die zur Herstellung von Metallplastik ge braucht wurden. Und Metallplastik wurde sehr dringend benötigt, da es der Ausgangs stoff für alle technischen Erzeugnisse – wie die Wände neuer Unterkünfte, Luftschleu sen, Energieerzeuger und so weiter- war. Und ständig standen die Bewohner der Kolonie auf Kaahlzoch im Wettlauf mit ih rer hohen Vermehrungsrate, an deren geziel te Einschränkung niemand gedacht hätte. Es gab unzählige Probleme, Erfolge und Rück schläge. Aber die Kolonie hielt und erwei
Von Xuura kam der Tod terte sich, vor allem dank ihrer Führung, die stets darauf geachtet hatte, daß die Bevölke rung wissenschaftlich ausgebildet wurde. Schon gab es einige Wissenschaftler, die die Möglichkeit erwogen, zu einem nicht allzu fernen Zeitpunkt Kaahlzoch in eine Wasserstoffwelt umzuwandeln. Den meisten Kolonisten erschienen solche Gedankengän ge nicht nur zu phantastisch, sondern auch zu rigoros, denn sie hatten etwas entwickelt, das bei ihren Vorfahren verkümmert gewe sen war: Gefühle wie Liebe und Haß, Freude und Traurigkeit – und Mitleid. Sie lehnten die Umwandlung Kaahlzochs in eine Wasserstoffwelt ab, weil sie Mitleid mit den fremdartigen Lebensformen dieser Sauerstoffwelt hatten. Zwar besaß keine die ser Lebensformen eine Intelligenz, die eine Kommunikation mit den Kolonisten erlaubt hätte, aber in Lauf der Generationen war die exotische Szenerie außerhalb der Druckkup peln der Kolonie den meisten Maahks ans Herz gewachsen. Sie hatten erkannt, daß dieses Leben einen gewissen Reiz besaß und daß man es nicht einfach der Vernichtung preisgeben durfte, nur um der eigenen Be quemlichkeit willen. Und dann waren die M-Kschadoors ge kommen! Kein Maahk wußte, woher sie stammten. Aber daß sie mit einem Raumschiff gelandet waren, bewies, daß diese Insektenwesen von einer fremden Welt gekommen sein mußten – und so verhielten sie sich auch. In den ersten Tagen nach ihrer Landung hatten die Kolonisten versucht, mit den In sektenwesen Kontakt aufzunehmen, da sie aus ihrem Raumschiff auf eine gut ausgebil dete Intelligenz schlossen. Die Insekten wa ren nicht darauf eingegangen, jedenfalls nicht die einzelnen Lebewesen. Stattdessen hatte ein starker Sender an Bord des Raum schiffs zu funken begonnen. Die Signale wa ren von dem einzigen Funkgerät der Koloni sten empfangen worden. Aber sie waren un verständlich gewesen. Die Kolonisten hatten dennoch geantwor tet – ohne Hoffnung, jemals verstanden zu
19 werden, denn sie kannten keinen Translator. Aber das Wesen an Bord des fremden Raumschiffs verfügte über ein Gerät, mit dessen Hilfe auch eine völlig fremde Spra che nach und nach analysiert und syntheti siert werden konnte. Es hatte nach einem Tag in der Sprache der Maahks gefunkt – und gefordert, daß die Kolonisten ihre Ar beitskraft in den Dienst der M-Kschadoor Königin stellten. Die Maahks waren gar nicht dazu gekom men, eine Ablehnung zu formulieren, denn drei große Schwärme der Fluginsekten hat ten plötzlich eine kleinere Druckkuppel an gegriffen und die Wandung an vielen Stellen zerstört. Der unter hohem Druck stehende heiße Wasserstoff war explosionsartig ent wichen – und alle Bewohner der Druckkup pel waren umgekommen. Da die Maahks keine Waffen kannten und unter der Kontrolle, die die M-Kschadoors seitdem ausübten, auch keine Waffen kon struieren und herstellen konnten, hatten sie keine Chance gehabt, ihre Unterwerfung zu verhindern. Seitdem lebten sie in einer erbarmungslo sen Sklaverei.
* Toolgrek wandte sich um, als jemand nach ihm rief. Er sah, daß Emgrek, einer der drei am stationären Funkgerät ausgebildeten Kolonisten, auf ihn zulief. »Die Königin der M-Kschadoors hat an gerufen!« rief Emgrek aufgeregt. »Sie ver langt dich zu sprechen, Toolgrek!« »Ich komme!« erwiderte Toolgrek resi gnierend. Er folgte Emgrek durch die MhelekfruchtPlantage mit ihren kristallinen Bäumen zu dem kleinen kubischen Bauwerk, in dem das Funkgerät der Siedlung stand. Die Kontrol lampen leuchteten, aber der Bildschirm war wie immer dunkel. Die eigene Bildaufnahme und -übermittlung war allerdings eingeschal tet; das war einer der Befehle, die die un sichtbare Insektenkönigin gleich am Anfang
20 gegeben hatte. Toolgrek stellte sich vor die Bildaufnah me und sagte: »Ich bin Toolgrek, Erster Planer der Kaahlzoch-Kolonie und stehe Ihnen zur Verfügung, Königin aller Lebewesen von Kaahlzoch.« Es war die verlangte Formel, die er sprach, obwohl sich in ihm alles dage gen sträubte, die Insektenkönigin auch als Herrscherin über die Kolonie anzuerkennen. »Ich bin unzufrieden mit deinen Leuten, Toolgrek!« erscholl eine metallisch klirren de Stimme – die Stimme eines Translators, wie die Kolonisten inzwischen wußten. »Sie haben das ihnen auferlegte Tagessoll nicht geschafft. Ich verlange deshalb eine strenge Bestrafung aller Schuldigen.« »Meine Leute sind nicht schuld an der Nichterfüllung!« erwiderte Toolgrek mit ei nem Rest seines alten Stolzes. »Wenn Ihre Aufseher meine Techniker daran hindern, die Wasserstofflaschen ihrer Atemtornister rechtzeitig auszutauschen, so daß sie er sticken, muß die Arbeitsleistung infolge der Ausfälle sinken.« »Du bist renitent gegen deine Königin, Toolgrek!« ertönte es aus dem Funkgerät. »Wie viele deiner Leute soll ich dafür hin richten lassen?« Toolgrek war niedergeschlagen, verzwei felt und zornig – zornig vor allem auf sich selbst, weil er sich zum Widerspruch hatte hinreißen lassen, obwohl er doch wußte, daß die Königin der M-Kschadoors keinen Wi derspruch duldete. »Wenn ich renitent war, dann muß ich da für büßen, Königin«, erklärte er. »Ich bitte Sie, meine Leute zu verschonen und statt dessen mich zu töten!« Das Funkgerät schwieg einige Zeit, dann sagte die metallisch klirrende Stimme: »Es ist notwendig, ein Exempel zu statu ieren. Nach reiflicher Überlegung bin ich zu dem Entschluß gekommen, diese Notwen digkeit mit einem gleichfalls sinnvollen Auftrag zu verbinden. Die Ortungstaster meines Raumschiffs hatten vor der Landung eine hohe Konzentration von Metallplastik
H. G. Ewers jenseits der Berge festgestellt, die ihr die Khamaat-Barriere nennt. Es handelt sich mit großer Wahrscheinlichkeit um die Überreste eines Raumschiffs, das vor längerer Zeit dort abstürzte. Was weißt du davon, Tool grek?« »Niemand von uns ahnte bisher etwas da von, Königin«, antwortete der Maahk wahr heitsgetreu. »Wir hatten die Khamaat-Barrie re niemals überschritten, da eine Expedition nicht in der Lage gewesen wäre, ausreichend Wasserstoff für die Hin- und Rückfahrt mit zunehmen.« »Es ist nicht notwendig, Wasserstoff für die Rückfahrt mitzunehmen, Toolgrek«, er klärte die Königin. »Ich befehle, daß du zwei eurer Geländefahrzeuge voll besetzt und mit ihnen den Ort hinter der KhamaatBarriere aufsuchst, dessen genaue Position ich dir noch übermitteln werde! Ihr werdet das Funkgerät mitnehmen und nach Unter suchung des angenommenen Raumschiff wracks sofort Bericht erstatten!« »Aber wenn wir soweit hinausfahren, werden die Besatzungen der Fahrzeuge um kommen, bevor sie den Rückweg geschafft haben!« wandte Toolgrek entsetzt ein. »Ich bitte Sie, mich allein fahren zu lassen!« »Deine Bitte ist abgelehnt, Toolgrek«, er widerte die Insektenkönigin. »Am Morgen des nächsten Tages brechen zwei eurer Fahr zeuge mit vollständiger Besetzung auf – oder ich lasse eine eurer großen Druckkup peln zerstören!« Toolgrek wußte, daß die Königin ihre Drohung wahrmachen würde, wenn ihr Be fehl nicht genau befolgt wurde, deshalb sag te er: »Ihr Befehl wird ausgeführt werden, Kö nigin aller Lebewesen von Kaahlzoch.«
* Als die weißgelbe Sonne am nächsten Morgen aufging, rollten zwei schwere Gleis kettenfahrzeuge aus der Schleusenkammer der Hauptkuppel. Toolgrek saß zusammen mit drei weiteren
Von Xuura kam der Tod Maahks im ersten Fahrzeug. Im zweiten Fahrzeug befanden sich ebenfalls vier Kolo nisten. Nach eingehender Beratung mit sei nen Vertrauten hatte Toolgrek seine ur sprüngliche Absicht, die Fahrzeuge außer mit ihm nur mit alten Maahks zu besetzen, fallengelassen. Stattdessen saßen vier Maahks im besten Alter, die zudem eine gute theoretische und praktische Ausbildung genossen hatten, in den stählernen Druckrümpfen. Sie sollten nach dem Willen der Planer von Kaahlzoch das Wrack untersuchen und feststellen, ob sich in seinem Innern etwas befand, das als Angriffswaffe gegen die M-Kschadoors ver wendet werden konnte. In erster Linie wurden Waffen benötigt, mit denen sich das Raumschiff der Insekten zerstören ließ. Damit würde die Königin ausgeschaltet – und die Planer hielten es für sehr wahrscheinlich, daß die übrigen Insek ten nach dem Ausfall ihrer Königin keine Bedrohung mehr darstellen würden und sich vielleicht in die Wälder zerstreuten. Dafür nahmen die Planer den Tod der Ex peditionsmitglieder in Kauf, denn wenn die Sklaverei nicht bald beendet wurde, würden wahrscheinlich alle Kolonisten früher oder später zugrundegehen. Es würde lediglich schwierig sein, die Waffen – falls es im Wrack des fremden Raumschiffs welche gab – gegen das Insek tenschiff einzusetzen, bevor die Expediti onsmitglieder am Wasserstoffmangel gestor ben waren. Doch auch dafür bot sich eine Lösung an. Vier der Freiwilligen waren un heilbar krank und sollten die Fahrzeuge ver lassen, nachdem sie sich weit genug von der Kolonie entfernt hatten. Sie nahmen den schnellen Tod auf sich, damit ihre Gefährten länger mit dem Wasserstoffvorrat der Fahr zeuge auskamen. Sollten im Schiffswrack Waffen gefunden werden, konnten sich weitere zwei der übri gen vier Maahks opfern. In diesem Fall wäre die Rückkehr der letzten beiden Maahks ga rantiert. Toolgrek wußte genau, daß sich der Plan
21 hauptsächlich aus Unsicherheitsfaktoren zu sammensetzte. Aber es war ja auch kein nor maler Plan, sondern einer, der aus größter Not heraus geboren worden war. Wie in der letzten Nacht, in der er nicht geschlafen hatte, mußte der Erste Planer an die Vorfahren denken, die mit ihren Ret tungsbooten auf diesem Planeten gelandet waren und den sie später Kaahlzoch genannt hatten. Wenn es stimmte, daß sie sehr krie gerisch gewesen waren, mußte etwas davon auch noch in der Erbmasse der zur Zeit le benden Generationen schlummern. Viel leicht gelang es, dieses Erbe zu wecken, dann würde niemals wieder ein Feind die Kolonie versklaven können. Toolgrek sah aber auch den anderen Aspekt dieser Überlegung – und er erschau derte davor. Bis zum Auftauchen der MKschadoors waren alle Energien der Koloni sten ausschließlich auf die friedliche Aus dehnung der Kolonie und auf die Erhaltung des Lebensstandards gerichtet gewesen. Mußte sich das nicht ändern, wenn das krie gerische Erbe der Vorfahren erst einmal ge weckt worden war? Und wohin sollte das führen? »Es ist soweit«, sagte Puchtgrek, der ne ben ihm saß und der als Spezialist für Ener gieaggregate dazu bestimmt war, zu den bei den letzten der Expedition zu gehören. Die beiden anderen Kolonisten klappten die Klarsichthelme ihrer Druckanzüge zu und krochen in die enge Schleusenkammer. Sie verloren kein Wort darüber, daß sie in den Tod gingen – und sie zögerten keinen Augenblick. Toolgrek nahm die Beschleunigung des Fahrzeugs soweit zurück, daß die Todge weihten ohne Schwierigkeiten aussteigen konnten. Er blickte durch die Panzerglaslu ken nach draußen – und als er auch zwei Ge stalten vom anderen Fahrzeug weg in die dichte Bodenvegetation des exotischen Dschungels springen sah, preßte er die hor nigen Lippen zusammen. »Ich hätte der Königin nicht widerspre chen sollen«, sagte er deprimiert.
22 »Du brauchst dir keine Vorwürfe zu ma chen, Toolgrek«, sagte sein Gelegebruder. »Der Plan der Königin, eine Expedition zu dem Raumschiffswrack zu schicken, stand fest. Sie hat vielleicht die Ausführung um ein paar Tage vorverlegt, aber das ist auch alles.« »Ich weiß«, erwiderte Toolgrek. Er beschleunigte wieder. Die starken, von kleinen Fusionsreaktoren gespeisten Elek tromotoren übertrugen ihre bullige Kraft auf die breiten Gleisketten und rissen das Fahr zeug vorwärts. Die schwächliche Vegetation des Sauerstoffplaneten wurde zur Seite ge schleudert, zerfetzt und überrollt. Als das Gelände anstieg und die Vegetati on niedriger und spärlicher wurde, wußte Toolgrek, daß der Fuß der Khamaat-Barriere erreicht war. Er kannte diese Gegend aus Karten, die frühere Expeditionen angelegt hatten. Nur das Gelände hinter der KhamaatBarriere war nicht kartographiert. Dafür hat te die Insektenkönigin ihnen ziemlich genau beschrieben, wie es dort aussah. Es wurde Nacht, bis sie den Grat der Bar riere erreichten. Dennoch fuhren sie weiter, denn der begrenzte Wasserstoffvorrat er laubte keine Rast. Die voll ausgeblendeten Scheinwerfer leuchteten den Weg aus, aber sie reichten nicht weit genug, um Gelände marken zu erkennen. Als die Sonne aufging, entdeckten sie das Wrack. Es war reiner Zufall, denn es lag un ter einem Felsüberhang, und wären sie nicht so dicht herangekommen, hätten sie es wohl verfehlt. Es handelte sich um ein zirka hundert Me ter durchmessendes kugelförmiges Raum schiff, dessen Außenhülle aus einem kalt schimmernden schwarzen Material bestand. Rund ein Zehntel der Außenhülle war aufge rissen oder fehlte. Der Schaden konnte aber nicht durch den Aufschlag verursacht wor den sein, denn die Stelle lag oben. Der Teil, mit dem das Schiff aufgeschlagen war, wies nicht die geringste Beschädigung auf. Die Gleiskettenfahrzeuge stoppten vor dem Wrack. Die vier Maahks schlossen ihre
H. G. Ewers Druckanzüge und -helme, schalteten ihre Helmfunkgeräte auf minimale Reichweite und stiegen aus. »Ein sehr kleines Raumschiff«, meinte Puchtgrek. »Aber das Material muß mit Hil fe einer Technik erzeugt worden sein, die wir uns nicht einmal vorzustellen vermö gen.« »Ich frage mich, warum die Insekten sich nicht selbst um das Wrack kümmern«, warf Wuulgrek, einer der Maahks aus dem zwei ten Fahrzeug ein. »Wahrscheinlich waren schon welche hier, aber konnten nichts mit dem Wrack an fangen«, meinte Toolgrek. »Ich vermute, die M-Kschadoors verstehen nicht allzu viel von komplizierter Technik und sind darauf spe zialisiert, Angehörige anderer Völker zu ver sklaven und sich von ihnen mit allem Nöti gen versorgen zu lassen.« »Aber wie konnten sie dann eine Zivilisa tion entwickeln, die ihnen den Bau von Raumschiffen erlaubte?« fragte Puchtgrek. »Denn nur mit Raumschiffen konnten sie andere Planeten und damit andere Völker er reichen.« »Die Lösung dieses Problems ist zweit rangig«, erwiderte Toolgrek. »Ich denke, wir kümmern uns ausschließlich darum, das In nere des schwarzen Kugelraumschiffs nach brauchbaren Waffen zu durchsuchen – be ziehungsweise nach Geräten, die sich als Waffen gebrauchen lassen.«
5. »Wie kommt das, was sie Interdimensi onsflug nennen, eigentlich zustande, Algon kin-Yatta?« fragte Khoruna Skapron. Der Kundschafter blickte auf die Bild schirme seines Schiffes, die überwiegend wesenlos wirkendes Grau zeigten. Nur hin und wieder riß das konturlose Grau auf; dann zeigten sich grell leuchtende Schleier, hinter denen sich etwas zu bewegen schien. »Das ist eines der Geheimnisse von MYOTEX«, antwortete er. »MYOTEX scheint Ihr Volk nicht für reif
Von Xuura kam der Tod genug zu halten, um ihm zu erklären, wie die Technik funktioniert, mit deren Hilfe Kundschafter ins All geschickt werden«, sagte der Arkonide gereizt. »Intelligente Le bewesen sollten sich von einem positroni schen Komplex nicht gängeln lassen!« »Ohne MYOTEX gäbe es mein Volk nicht«, gab Algonkin-Yatta kühl zurück. »Wenn MYOTEX sich Geheimnisse be wahrt hat, dann sicher aus guten Gründen.« »Was man nicht weiß, kann man nicht verraten«, warf Anlytha ein, die mit hochge zogenen Beinen auf einem Sessel hockte. Ih re enganliegende Raumkombination schim merte wie pures Silber. »Auch nicht unter Zwang, Skapron.« Der Zweifache Sonnenträger lachte ärger lich. »Als ob das nötig wäre, wenn jemand das Geheimnis des Interdimensionsantriebs ent schlüsseln will, braucht er nur die Aggregate genau zu untersuchen.« Algonkin-Yatta lächelte milde. »Könnte ein Käfer die Funktion eines Chronographen entschleiern, wenn er ihn zerlegte und untersuchte?« »Wenn er intelligent genug wäre, ja«, er widerte Khoruna Skapron. »Eben!« meinte der Kundschafter. Er wechselte das Thema. »Unser erster Orien tierungsaustritt wird in einem Raumsektor stattfinden, der nur noch rund fünfhundert Lichtjahre vom Zentrum Thantur-Loks ent fernt ist. Wie groß ist die Wahrscheinlich keit, daß wir dort auf Wachschiffe des Großen Imperiums stoßen?« Dem Zweifachen Sonnenträger war anzu sehen, daß er das alte Thema am liebsten weiter verfolgt hätte. Er schien jedoch ein zusehen, daß er nichts erzwingen konnte – und im Augenblick gab es tatsächlich wich tigere Probleme. »Sie ist gerade in diesem Raumsektor re lativ gering«, antwortete er. »Die stärkste Konzentration von Wachschiffen befindet sich – außer vor dem Arkon-System selbst – im Randgebiet von Thantur-Lok, wo die Sterne noch verhältnismäßig weit auseinan
23 der stehen, so daß die Kontrolle effektiver ist – außer, wenn Eindringlinge einen Inter dimensionsantrieb benutzen.« Er lächelte schief. Der Kundschafter überhörte die letzte Be merkung. »Warum nennt Ihr Volk diesen Kugel sternhaufen eigentlich Thantur-Lok?« fragte er. »Mein Translator hat den Begriff ›Lok‹ einmal mit ›Ziel‹ übersetzt, aber ›Thantur‹ ließ sich nicht in meine Sprache überset zen.« »Kein Wunder«, erwiderte der Arkonide. »›Thantur‹ ist ein Eigenname. So hieß jener legendäre arkonidische Admiral, der unser Volk nach dem Sieg über die akonischen Unterdrücker in diesen Kugelsternhaufen führte, um ihm dort eine neue Heimat zu ge ben. ›Thantur-Lok‹ bedeutet ›Ziel des Than tur‹.« »Ihr Volk scheint eine sehr bewegte Ver gangenheit zu haben«, sagte Algonkin-Yatta nachdenklich. »›Akonisch‹ kommt von ›Akonen‹, wenn ich mich nicht irre. Das klingt sehr ähnlich wie ›Arkoniden‹.« Khoruna Skaprons Gesicht verfinsterte sich. »Normalerweise sprechen Arkoniden nicht über dieses Thema, teils, weil es tabu ist – und zum größten Teil, weil es seit vie len Generationen totgeschwiegen und aus den Geschichtsbüchern getilgt wurde, so daß es nur noch wenige Informierte gibt«, er klärte er widerwillig. »Wir entstammen ei nem gemeinsamen Volk, aber wir entwickel ten uns unterschiedlich. Die Vorfahren der heutigen Arkoniden siedelten auf Planeten, die rauher und ärmer waren als die, auf de nen die Vorfahren der Akonen siedelten. Deshalb entwickelten die Akonen schneller eine hochgezüchtete Raumfahrttechnik, während die Arkoniden länger brauchten, dafür aber härter wurden. Die zeitweilige Überlegenheit der Akonen führte dazu, daß sie die Arkoniden bevor mundeten und übervorteilten. Da meine Vorfahren diesen Zustand nicht auf die Dau er hinnehmen wollten, bauten sie insgeheim
24
H. G. Ewers
eine große und starke Flotte und sagten sich eines Tages von dem von Akonen geführten Imperium los. Die Akonen erkannten unsere Selbständigkeit nicht an und wollten uns mit Gewalt dazu zwingen, in ihrem Imperium zu bleiben. Es kam zu sogenannten Strafaktionen und Vergeltungsschlägen und schließlich zu ei nem erbitterten Raumkrieg, der viele Gene rationen andauerte und beiden Seiten große Schäden zufügte. Mein Volk siegte, weil es härter war und größere Entbehrungen und Opfer auf sich nahm als die verweichlichten Akonen. Die Akonen gaben alle Kolonial welten auf und zogen sich in ein Versteck zurück, das wir bis heute nicht kennen. Mein Volk aber suchte sich in ThanturLok eine neue Heimat, da die alte Zentral welt vernichtet worden war. Hier konnten wir ein neues Imperium errichten und unum schränkt herrschen.« »Und Sie hielten sich für unbesiegbar – bis die Maahks auftauchten«, sagte Algon kin-Yatta. »Achtung, Orientierungsaustritt steht un mittelbar bevor!« meldete die Psiotronik. Das Gespräch zwischen dem Kundschaf ter und dem Arkoniden erlosch. Gespannt blickten die beiden Lebewesen auf die Bild schirme, auf denen sich unvermittelt wieder das Sternengewimmel des Normalraums zeigte. Und plötzlich stieß Anlytha einen wilden Schrei aus …
* Der Arkonide reagierte mit der Präzision des erfahrenen Weltraumkämpfers. Er stand auf, musterte blitzschnell die Bildschirme und – als er auf ihnen nichts Verdächtiges feststellte – lief er zu den Or tungskontrollen. Algonkin-Yatta reagierte anders. Die Wildheit von Anlythas Schrei hatte ihn er schreckt, weil er bei ihr so etwas noch nie erlebt hatte, aber er blickte weder auf die Bildschirme noch auf die Ortungskontrollen,
denn er wußte, daß die Psiotronik ihn längst gewarnt hätte, wäre innerhalb des Ortungs bereichs etwas Bedrohliches aufgetaucht. Stattdessen ging der Kundschafter zu An lytha, die mit weit aufgerissenen Augen ins Nichts zu starren schien, legte ihr eine Hand auf die Schulter und sagte sanft: »Ich bin bei dir, Anlytha. Bitte, fürchte dich nicht!« Allmählich wurde Anlythas Blick wieder normal. »Algonkin!« flüsterte sie. »Da ist etwas, etwas, das …« Sie unterbrach sich und blickte zu dem Arkoniden, der noch immer vor den Ortungskontrollen stand. »Was se hen Sie, Skapron?« Khoruna Skapron drehte sich langsam um. »Wir befinden uns in unmittelbarer Nähe eines Sonnensystems mit insgesamt sech zehn Planeten«, sagte er beherrscht. »Aber die Ortung stellt in dem System weder Raumschiffe fest noch erhebliche Energie emissionen. Was hat Sie so erschreckt, An lytha?« »Nichts hat mich erschreckt«, antwortete Anlytha nachdenklich. »Ich spüre nur etwas, das mich ungewöhnlich stark erregt. Aber ich kann das, was ich dabei empfinde, nicht erklären. Es ist, als ob mein Gehirn in einen Schleier gehüllt sei.« Sie wandte sich an den Kundschafter. »Wir müssen dorthin, Algonkin!« »Wohin?« fragte Algonkin-Yatta. Anlytha streckte einen Arm aus und deu tete in eine Richtung, die steuerbords lag. »Da ist es«, erklärte sie. »Dieses Sonnensystem liegt an Steuer bord«, stellte Khoruna Skapron fest, »ich nehme an, das, was Sie so erregt, befindet sich auf einem der Planeten. Können Sie keine präzisen Angaben machen, Anlytha?« »Nein, aber ich weiß, daß ich dorthin muß!« stieß Anlytha hervor. »Wir können uns keine Unterbrechung des Fluges und erst recht keinen längeren Aufenthalt leisten, Anlytha«, sagte Algon kin-Yatta. »Atlan schwebt in größter Gefahr.
Von Xuura kam der Tod Ich würde es mir nie verzeihen, wenn er stürbe, nur weil ich mich irgendwo unter wegs aufgehalten habe.« Anlytha blickte dem Kundschafter voll ins Gesicht. In ihren Augen standen plötz lich Tränen. »Bitte, Algonkin!« flehte sie. »Bitte, ich muß dorthin. Es würde mich mein ganzes Leben lang quälen, wenn ich nicht hin käme.« »Wir können auf dem Rückflug hierher zurückkehren«, meinte der Kundschafter. »Denke an Kristallprinz Atlan; er braucht unsere Hilfe.« »Jetzt brauche ich deine Hilfe, Algonkin«, drängte Anlytha. »Oder ist dir der Kristall prinz, den du gar nicht persönlich kennst, wichtiger als ich? Habe ich dir nicht auch schon geholfen, wenn du Hilfe brauchtest? Denke doch an den Gefangenenplaneten der Maahks! Ohne meine Hilfe hättest du die Arkoniden niemals befreien können und wärst vielleicht sogar von den Maahks getö tet worden. Du kannst doch nicht so undank bar sein und das alles vergessen, nur um je mandem nachzujagen – aus einer irrationa len Regung heraus.« Algonkin-Yatta seufzte. Er befand sich in einem schweren Gewis senskonflikt. Einerseits drängte ihn sein stark ausgeprägter Beschützerinstinkt, Anly tha aus ihrer seelischen Not zu befreien – aber andererseits wußte er, daß der Zeitfak tor eine entscheidende Rolle bei dem Vorha ben spielte, Atlan vor dem Zugriff Orbana schols zu retten. »Aber ich habe doch nicht einmal einen Anhaltspunkt, wo genau sich das befindet, das dich so erregt«, wandte er ein. »Dieses Sonnensystem hat sechzehn Planeten. Wenn wir jeden einzelnen Himmelskörper absu chen …« »Ich denke, das ist nicht erforderlich, Al gonkin-Yatta«, warf der Zweifache Sonnen träger ein. »Wenn wir in das System einflie gen, ließe sich mehr feststellen. Beispiels weise, falls Anlytha von den geistigen Aus strahlungen fremder Intelligenzen erregt
25 wird – und wenn diese Intelligenzen die Atomkraft beherrschen. Dann müßte aus größerer Nähe die charakteristische punkt förmige energetische Aktivität anzumessen sein.« »Sie setzen viel voraus, Skapron«, ent gegnete der Kundschafter. »Was ist, wenn Ihre Voraussetzungen sich nicht erfüllen?« Anlytha schluchzte auf und klammerte sich an seinen Arm. »Du darfst mich nicht im Stich lassen, Al gonkin!« bettelte sie. »Oder bin ich dir so unwichtig, daß es dir gleichgültig ist, ob ich seelisch zugrunde gehe?« »Achtung!« ertönte die Stimme der Psio tronik. »In drei Zehntel Zeiteinheiten müßte programmgemäß die nächste Interdimensi onsetappe eingeleitet werden, Kundschafter. Oder gibt es neue Befehle?« Algonkin-Yatta kämpfte noch immer mit seinem Gewissenskonflikt. Sein logisch ar beitender Verstand weigerte sich, auf Anly thas Drängen einzugehen und eventuell ei nem Phantom nachzujagen. Doch er konnte die seelische Not Anlythas nicht mitansehen, ohne nicht wenigstens zu versuchen, ihr zu helfen. »Das Programm ist zu unterbrechen!« be fahl er. »Wir fliegen in das bewußte Sonnen system ein!« Anlytha seufzte erleichtert – und fiel in Ohnmacht.
* Vorsichtshalber hatte Algonkin-Yatta einen Medoroboter in die Steuerzentrale be ordert. Er sollte Anlytha genau untersuchen, um festzustellen, ob sie irgendwelche ge sundheitlichen Schäden erlitten hatte. Während der kugelförmige Schweberobo ter seiner Arbeit nachging, steuerte der Kundschafter sein Schiff manuell in das fremde Sonnensystem. Er überließ dem Ar koniden die Ortung, obwohl die Psiotronik diese Arbeit noch gründlicher hätte ausfüh ren können. Aber Algonkin-Yatta wußte, daß Khoruna Skapron eine sinnvolle Be
26 schäftigung brauchte, um psychisch stabil zu bleiben. »Planet Nummer zwei ist eine arkongroße Sauerstoffwelt, die ungefähr die gleiche Sonneneinstrahlung erhält wie die Arkon welten«, sagte der Zweifache Sonnenträger nach einiger Zeit. »Dort könnte sich intelli gentes Leben entwickelt haben.« »Intelligentes Leben entwickelt sich unter zahllosen unterschiedlichen Bedingungen«, erwiderte der Kundschafter, der sich inzwi schen daran gewöhnt hatte, daß Arkoniden unter »intelligentem Leben« nur das verstan den, was ungefähr die gleichen Verstandes leistungen vollbrachte wie sie selbst. »Ich weiß, daß es beispielsweise wasser stoffatmende Intelligenzen gibt«, sagte Khoruna Skapron. »Aber dieses System be sitzt keinen Planetenriesen, der dafür in Fra ge käme.« Er schwieg, als ein Instrument ausschlug, und gleich darauf sagte er frohlockend: »Da haben wir es, Algonkin-Yatta! Auf dem zweiten Planeten gibt es eine punktför mige Energiequelle, deren Emissionen auf einen gesteuerten Kernfusionsprozeß hin weisen.« »Nur eine einzige Energiequelle dieser Art?« fragte der Kundschafter zweifelnd. »Es könnten durchaus mehrere sein«, gab der Arkonide zu. »Aber dann liegen sie so dicht beisammen, daß ihre Emissionen sich überlagern und aus großer Entfernung das Meßbild einer einzigen Energiequelle erzeu gen.« »Nur eine einzige Energiequelle – oder mehrere dicht beisammenliegende«, sagte Algonkin-Yatta nachdenklich. »Das deutet nicht auf eine Zivilisation hin, die sich auf diesem Planeten entwickelt hat, sondern auf einen Stützpunkt fremder Intelligenzwesen. Wissen Sie etwas darüber, ob Ihr Großes Imperium in diesem System einen Stütz punkt besitzt, Skapron?« Khoruna Skapron verzog das Gesicht. »Das Große Imperium besitzt so viele Stützpunkte, daß niemand alle im Kopf ha ben kann. Außerdem weiß ich nicht einmal,
H. G. Ewers wie dieses System heißt oder unter welcher Nummer es in unserem Sternenkatalog regi striert ist.« Von Anlythas Sessel kam ein tiefer Seuf zer. Algonkin-Yatta wandte sich um und sah, daß der Medoroboter seine Arbeit abge schlossen hatte. Anlytha war wieder bei Be wußtsein. Aber sie schien unter Kopf schmerzen zu leiden, denn sie hob die Hän de und preßte sie gegen ihre Schläfen. Algonkin-Yatta eilte zu ihr. »Wie lautet deine Diagnose?« wandte er sich an den Kugelroboter. »Befund!« antwortete der Roboter mit melodischer Stimme. »Es wurden keine or ganischen Schäden festgestellt, aber das ve getative Nervensystem ist gestört und beein flußt die Organtätigkeit in geringem Aus maß. Der Zustand ist jedoch nicht bedroh lich. Er kann mit Injektionen von Dpt-Gelha normalisiert werden.« »Keine Injektionen!« wehrte der Kund schafter ab. »Jedenfalls vorläufig nicht. Es sei denn, die Patientin wünscht es ausdrück lich.« »Nein, ich will nicht behandelt werden!« sagte Anlytha. »Ich will spüren, was in mir vorgeht und was auf mich wirkt. Es ist stär ker geworden.« »Vielleicht schadet es dir doch, wenn wir uns dem Planeten weiter nähern«, meinte Algonkin-Yatta, während er zur Steuerung zurückkehrte und Kurs auf den zweiten Pla neten nahm. »Dort könnten psionisch begab te Lebewesen sein, deren Ausstrahlung du auffängst.« »Ich weiß es nicht«, sagte Anlytha und stöhnte. »Ich weiß es nicht, aber es zieht mich an wie ein Magnet – und irgendwie stößt es mich gleichzeitig ab.« Algonkin-Yatta musterte besorgt seine Begleiterin. Er fragte sich, ob es wirklich gut für sie war, wenn er sie zu dem zweiten Planeten brachte, von dem die Ausstrahlung offenbar kam. Wenn sie dadurch zu Schaden kam, würde er sich immer Vorwürfe ma chen.
Von Xuura kam der Tod »Wir müssen zumindest nachsehen, was auf dem zweiten Planeten los ist«, sagte Khoruna Skapron. Der Kundschafter blickte ihn an. Er durchschaute die Motivation des Arkoniden. Sie bestand aus zwei Komponenten, von de nen die erste, nämlich eine Verzögerung des Fluges nach Arkon, inzwischen von der zweiten abgelöst worden war, nämlich von dem Drang, festzustellen, wer auf dem zwei ten Planeten dieses Systems einen Stütz punkt unterhielt. Als hoher Flottenoffizier des Großen Imperiums hielt Skapron es für seine Pflicht, nachzusehen, ob sich eventuell Fremde in Thantur-Lok eingenistet hatten. »Nur dann, wenn Anlytha nicht zu sehr leidet«, erklärte Algonkin-Yatta. »Andernfalls kehren wir um.« »Ich leide nicht«, behauptete Anlytha. »Bitte, bringe mich schnell hinunter, Algon kin!« Der Kundschafter wußte darauf nichts zu erwidern. Er beschloß, sein Schiff in einen stationären Orbit um den zweiten Planeten zu steuern und zusammen mit Anlytha in der Pfadfinderkapsel in der Nähe der Energie quelle zu landen. Als es soweit war und er dem Arkoniden seinen Entschluß mitteilte, protestierte Khoruna Skapron dagegen. »Ich bestehe darauf, daß Sie mich mitneh men, Algonkin-Yatta!« erklärte er. »Mit welchem Recht bestehen Sie dar auf?« fragte der Kundschafter. »Mit dem Recht eines Arkoniden, dessen Pflicht es ist, das Große Imperium vor Scha den zu bewahren und gegen alle Feinde zu verteidigen«, antwortete der Zweifache Son nenträger. »Da wir uns mitten im Hoheitsge biet des Großen Imperiums befinden, bin ich Ihr Gastgeber – stellvertretend für meine Re gierung sozusagen.« »Ich respektiere Ihre Beweggründe, aber nicht Ihr Auftreten als Stellvertreter einer Regierung, die von einem Diktator be herrscht wird und sich feindselig gegenüber Kristallprinz Atlan, dem rechtmäßigen Kan didaten für den Posten des Imperators, ver
27 hält«, erklärte der Kundschafter. »Sie dürfen uns begleiten – in der Eigenschaft eines Ar koniden, der um das Wohl und die Sicher heit seines Volkes besorgt ist.« Er forderte von der Psiotronik ein Fern bild von dem Teil der Planetenoberfläche, von dem die Energieemissionen ausgingen. Kurz darauf zeigte einer der Bildschirme drei große und mehrere kleinere Kuppelbau ten, neben denen zwei unförmige Türme und ein raketenförmiges Raumschiff standen. Weitere Einzelheiten waren nicht zu erken nen. »Das ist unser Ziel!« sagte Algonkin-Yat ta. »Es sieht nicht danach aus, als gäbe es Strahlgeschütze auf den Kuppeln oder in ih rer Umgebung – und das kleine Raumschiff scheint ebenfalls unbewaffnet zu sein. Ge hen wir!« Er gab der Psiotronik Anweisungen, wie sie sich während seiner Abwesenheit verhal ten sollte – vor allem, falls das Kundschaf terschiff angegriffen würde –, danach begab er sich mit Anlytha und Khoruna Skapron in den Schleusenhangar, in dem die Pfadfinder kapsel stand.
6. Das Raumschiff der M-Kschadoors war nicht das erste gewesen, das die Kolonisten von Kaahlzoch sahen. Allerdings hatte es sich bei den anderen Raumschiffen um Abbildungen gehandelt, auf Magnetfolie gezeichnete Außenansich ten und Konstruktionspläne, die die Koloni sten der ersten Generation anfertigten, um ihren Nachkommen einen Eindruck von den Schiffen zu vermitteln, mit denen sie zwi schen den Sternen gekreuzt waren. Deshalb waren Toolgrek und seine drei Begleiter nicht unvorbereitet auf den An blick gewesen, der sich ihnen im Innern des schwarzen Raumschiffs bot. Zwar gab es in der Zellenform und in zahlreichen Details Unterschiede zu den Zeichnungen, aber alles gehorchte den gleichen raumfahrttechni schen Grundprinzipien.
28 »Wer mag mit diesem Schiff nach Kaahl zoch gekommen sein?« flüsterte Wuulgrek. Die Kolonisten schauten mit ihren Augen, die gleichzeitig nach vorn und nach hinten sehen konnten, aufmerksam umher. Nach dem sie die erste Sektion hinter der aufgeris senen Stelle – in der auf hereingewehtem Boden üppiger Pflanzenwuchs gedieh – hin ter sich gelassen hatten, befanden sie sich in einem Korridor. Hier spendeten nur ihre Handscheinwerfer Licht. Da die Schotte of fengestanden waren, war Erde auch in den Korridor geweht worden, doch in ihr hatte sich keine Vegetation entwickelt. »Sicher niemand aus dem Volk unserer Ahnen«, erwiderte Puchtgrek. »Vielleicht die, die beim Kampf der Göt ter um die Sterne auf der Gegenseite stan den«, überlegte Emgrek, der vierte Kolonist, laut. »Es könnten unsere Vorfahren gewesen sein, die ihr Raumschiff beschädigten, so daß es abstürzte.« Toolgrek erschauerte. »Womöglich leben auch ihre Nachfahren auf Kaahlzoch«, sagte er beklommen. »Dann müßten sie irgendwann bemerkt worden sein«, meinte Puchtgrek. Sie gingen den Korridor entlang und ka men an seinem Ende vor ein geschlossenes Schott. Puchtgrek stellte mit Hilfe seiner Detektoren fest, daß es nur magnetisch ver riegelt war. Er benutzte einen Elektromagne ten, um es zu öffenen. Als ihre Scheinwerferkegel in die Dunkel heit hinter der Öffnung stachen, hielten sie unwillkürlich den Atem an, denn im ersten Augenblick glaubten sie, einem ihres eige nen Volkes gegenüberzustehen. Doch dann entdeckten sie die Unterschiede. Aber noch rührten sie sich nicht, denn der Fremde sah so aus, als ob er lebte und im nächsten Mo ment aus dem Sessel aufstehen könnte, in dem er saß. »Er scheint tot zu sein, obwohl seine drei Augen rötlich funkeln und glühen«, sagte Toolgrek und trat näher. Er sah dabei, daß er sich in einem Raum von kreisrundem Quer schnitt befand, dessen Wandung größtenteils
H. G. Ewers von Schaltpulten eingenommen wurde, über denen Bildschirme eingelassen waren. »Auf jeden Fall ist er etwa anderthalbmal so groß wie wir«, erklärte Emgrek. »Außerdem hat er zwei Armpaare und einen kuppelförmigen Kopf, keinen sichelförmi gen. Er kann nicht mit unseren Vorfahren verwandt sein.« Toolgrek musterte die schwarze Haut des Giganten und wandte seine Aufmerksamkeit anschließend der dunkelgrünen Kombinati on zu, in die er gehüllt war. Nur der Kopf mit den furchteinflößenden rotleuchtenden Augen, von denen jedes fast viermal so groß war wie das Auge eines Maahks, war frei. »Ich kann keine Verletzung entdecken«, meinte er. »Möglicherweise war die Atmo sphäre dieses Planeten für ihn ebenso giftig wie für unsere Vorfahren und uns, so daß er daran starb.« »Dann müßte der Sauerstoff auch seine Haut angegriffen haben – und danach sieht es nicht aus«, erwiderte Wuulgrek. Er ging auf den Fremden zu. »Sieh dich vor!« warnte Toolgrek. Wuulgrek streckte zögernd einen Tenta kelarm aus und berührte die Gesichtshaut des Fremden mit den knochenlosen, aber sehr kräftigen Fingern. »Sie ist hart wie Stahlplastik!« entfuhr es ihm überrascht. Er stieß die gestreckten, un ter Handschuhen geschützten Finger hart ge gen das Gesicht. Danach klopfte er mit der geballten Faust dagegen. Die Außenmikrophone der Druckanzüge übermittelten einen Klang, als schlüge je mand mit einem Plastikrohr gegen ein Pan zerschott. »Das ist kein Lebewesen, sondern eine Nachbildung aus Stahlplastik«, stellte Wuul grek fest. Er leuchtete mit seiner Lampe di rekt in eines der großen Augen. »Kristallin, würde ich sagen.« »Aber warum sollte jemand sich die Mü he gemacht haben, eine Nachbildung aus Stahlplastik herzustellen und hier zurückzu lassen?« wandte Toolgrek ein. »Ich könnte mir vorstellen, daß eine hoch
Von Xuura kam der Tod entwickelte Technik, die in der Lage ist, künstliche Gehirne zu bauen, maschinell be lebte und elektronisch gesteuerte Nachbil dungen ihrer Beherrscher anfertigt und sie die Tätigkeiten ausführen läßt, die ihnen sel ber zu schwer oder zu gefährlich erschei nen«, sagte Puchtgrek. »Absurd!« rief Emgrek. »Ein künstliches Gehirn von der Leistungsfähigkeit beispiels weise eines Maahkgehirns müßte so groß sein wie dieses ganze Raumschiff!« »Ich weiß, daß diese Meinung von den meisten Kolonisten vertreten wird«, erwi derte Puchtgrek. »Aber ich habe mich oft mit dem Problem beschäftigt und denke, daß es mit Hilfe uns unbekannter Verfahren möglich sein müßte, Kunstgehirne zu bauen, die nicht größer sind als organische Gehir ne.« »Wie dem auch sein mag, ich denke, wir sollten uns um unsere Aufgabe kümmern, anstatt Theorien zu erörtern«, sagte Tool grek. »Wuulgrek, würdest du bitte einmal nachsehen, was das für ein seltsames Werk zeug ist, das in dem Futteral am Gürtel der Gestalt steckt!« Wuulgrek faßte das verdickte und ge krümmte Ende des Werkzeugs mit zwei Fin gern an und zog. Es ließ sich leicht aus dem Futteral entfernen. Nachdenklich nahm er es in beide Hände. »Es ist schwer«, meinte er. Puchtgrek trat näher und musterte das Werkzeug von verschiedenen Seiten. »Ich erkenne tote Kontrollampen und mehrere runde Knöpfe, die Schalttasten sein könnten«, berichtete er. Er streckte die Hände aus und ließ sich das Werkzeug geben. Niemand dachte sich etwas dabei, als seine Finger prüfend über die Tasten glitten. Als ein rotes Lämpchen aufglühte, wurde er nur noch wißbegieriger. Plötzlich stand ein grünlich flimmernder Strahl in der Luft, der sofort wieder erlosch, als Puchtgrek vor Schreck das Werkzeug fallen ließ. Toolgrek verspürte lähmende Furcht, als er in die Richtung sah, in die der Strahl ge
29 gangen war. Dort, wo er einen der toten Bildschirme getroffen hatte, war der größte Teil des Bildschirms aufgelöst – und auch dahinter hatte der Strahl Zerstörungen ange richtet.
* Wuulgrek fand zuerst seine Sprache wie der. »Das ist die Waffe, nach der wir such ten«, flüsterte er und warf einen scheuen Blick auf das am Boden liegende Instrument der Zerstörung. »Ein Materieauflöser!« meinte Puchtgrek. »Ich möchte wissen, nach welchem Prinzip er wirkt. Seine Energie bezieht er entweder aus einer sehr leistungsfähigen Batterie – oder aus einem miniaturisierten Fusions kraftwerk.« »Ein Fusionskraftwerk – in dieser relativ winzigen Waffe!« spottete Emgrek. »Wo sollte da wohl das Einengungs-Fesselfeld Platz haben, in dem vorkatalysiertes Plasma gezündet wird? Ganz zu schweigen von den notwendigen Feldprojektoren und der Kraft station, die die Energie zum Aufbau des Fel des vorstreckt, bevor der Fusionsprozeß die erforderliche Energie selbst erzeugt!« »Auch das sollte für uns zweitrangig sein«, sagte Toolgrek. »Wichtig ist nur, daß wir eine Waffe gefunden haben, mit der wir das Raumschiff der Insekten zerstören kön nen.« Puchtgrek richtete die Vorderseite seiner Augen auf den Ersten Planer. »Die Frage, woher diese Waffe ihre Ener gie bezieht, erscheint mir doch wichtig«, er klärte er. »Sie benötigt nämlich trotz ihrer verblüffenden Wirkung einige Zeiteinheiten, um den größten Teil des Insektenschiffs auf zulösen. Bevor wir sie einsetzen, sollten wir wissen, ob die in ihr gespeicherte oder er zeugte Energie ausreicht, das Raumschiff mitsamt der Insektenkönigin zu zerstören, anstatt ihm nur leichten Schaden zuzufü gen.« »Wir können die Waffe schlecht öffnen
30 und untersuchen«, erwiderte Toolgrek. »Ich schlage deshalb vor, wir durchsuchen das Schiff nach weiteren Waffen. Falls eine al lein nicht genügt, um das Insektenschiff zu zerstören, genügen vielleicht drei oder vier Waffen dieser Art.« »Einverstanden«, sagte Puchtgrek. »Ich möchte dennoch erst einen Versuch riskie ren.« Er hob die Waffe auf, betrachtete sie und versuchte, sich zu erinnern, wie er sie akti viert und danach ausgelöst hatte, dann rich tete er das vordere Ende auf die linke Seite der sitzenden Gestalt – und plötzlich tauchte wieder der grünliche Energiestrahl auf. Deutlich war zu sehen, wie er auf die Be kleidung der Gestalt traf. Es dauerte jedoch ziemlich lange, bis sie sich an der Auftref fläche auflöste. Fast noch länger dauerte es, bis der Strahl sich eine Handspanne weit in den Oberkörper der Gestalt gefressen hatte. Als Puchtgrek den Finger vom Feuer knopf nahm, sahen die Kolonisten, daß sich im freigelegten Körperinneren der Gestalt Organe befanden – andere Organe zwar als ihre eigenen, aber dennoch als solche zu er kennen. »Meinst du, daß eine mechanische Nach bildung im Innern Geräte besäße, die den Organen von Lebewesen gleichen, Wuul grek?« fragte Toolgrek. An Stelle von Wuulgrek sagte Puchtgrek: »Das ist unwahrscheinlich, Toolgrek. Ich bin überzeugt, daß wir es doch mit einem Lebewesen zu tun haben, das im Tode kri stallin erstarrt sein muß. Eine ganz eigen tümliche Lebensform!« »Woran mag dieses Lebewesen wohl ge storben sein?« überlegte Emgrek. »Es war bestimmt außergewöhnlich widerstandsfä hig.« »Auch diese Frage ist zweitrangig«, er klärte Toolgrek. »Beeilen wir uns, nach wei teren Waffen zu suchen, bevor die Insekten königin ungeduldig wird. Sie kann sich aus rechnen, daß wir das Ziel inzwischen er reicht haben müssen.« Die vier Kolonisten durchstöberten das
H. G. Ewers Schiffswrack. Sie fanden allerdings keine weitere Waffe, sondern nur unglaublich kompakte Aggregate, die offenkundig der Energieerzeugung dienten. Allerdings wag ten sie nicht, irgendwelche Schaltungen zu betätigen, um die Aggregate anlaufen zu las sen. Sie fürchteten, daß die Insektenkönigin jede stärkere Energiefreigabe anmessen könnte. Dafür entdeckten sie etwas anderes. In einem durch zwei Schotte abgeschlos senen länglichen Raum stand ein Objekt, das entfernt ihrem eigenen Gleiskettenfahrzeug glich. Nur verfügte es nicht über Gleisket ten, sondern stand auf stabilen Kufen. In der elliptisch geformten tief schwarzen Außen hülle befand sich eine Öffnung. »Es muß sich um ein Fahrzeug handeln«, sagte Puchtgrek: »Wahrscheinlich bewegt es sich nicht auf dem Boden, sondern wird durch diese Düsen vorwärtsgetrieben.« Er deutete auf die Düsenöffnungen am Heck und am Bug. »Aber wie kommt es in die Luft?« fragte Wuulgrek. »Die Triebwerke feuern doch nicht nach unten, so daß es nicht wie ein Raumschiff starten kann.« »Irgendwie muß es in die Luft kommen«, meinte Puchtgrek. »Ich schlage vor, daß Emgrek und ich sein Inneres untersuchen, während Toolgrek und Wuulgrek die Köni gin mit unserem Funkgerät anrufen, damit sie nicht ungeduldig wird.« »Einverstanden«, erwiderte Toolgrek. »Ich werde der Königin sagen, wir hätten ein Wrack entdeckt, brauchten aber viel Zeit, um einzudringen und es zu untersu chen. Hoffentlich kann ich sie hinhalten. Aber sei vorsichtig, wenn du die Schaltun gen in dem kleinen Fahrzeug untersuchst, Puchtgrek!« »Ich werde sehr vorsichtig sein«, versi cherte Puchtgrek.
* Wieder blieb der Bildschirm dunkel, als das Funkgerät eingeschaltet war.
Von Xuura kam der Tod »Ich rufe die Königin aller Lebewesen von Kaahlzoch!« sagte Toolgrek grimmig. »Hier spricht Erster Planer Toolgrek.« »Ich höre dich, Toolgrek«, kam die Ant wort nach einiger Zeit. »Habt ihr das Raum schiffswrack entdeckt?« »Wir stehen davor«, antwortete Toolgrek. »Es ist schwer beschädigt, und es ist schwer, einzudringen.« »Wenn ihr euren Auftrag nicht ausführt, lasse ich eine eurer Druckkuppeln zerstören; das weißt du, Toolgrek«, erwiderte die In sektenkönigin. »Wie sieht das Schiff von au ßen aus?« »Es ist kugelförmig und schwarz ohne. Aus- oder Einbuchtungen«, antwortete Tool grek. »Sein Durchmesser beträgt etwa hun dert Meter.« »Geht hinein, durchsucht es und berichtet mir anschließend sofort, was ihr darin ge funden habt!« befahl die Königin, ohne auf die Beschreibung einzugehen. »Und beeilt euch!« »Wir werden alles tun, was Sie befohlen haben, Königin«, erwiderte Toolgrek und schaltete einfach ab. »Bald wirst du keinem Maahk mehr etwas befehlen!« grollte er zornig. Aber als er das Fahrzeug verließ und ne ben Wuulgrek zum Wrack zurückkehrte, wurde er sich erstmals richtig darüber klar, was er und seine Freunde eigentlich beab sichtigten. Sie wollten ein anderes intelli gentes Lebewesen töten. Bisher hatten Verzweiflung und Zorn ver hindert, daß er sich klar machte, was das be deutete. Es hieß, etwas Seltenes und Kostba res auszulöschen, nämlich hochorganisierte Materie, die in der Lage war, ihre Umwelt bewußt wahrzunehmen und diese Wahrneh mungen geistig zu verarbeiten. Auf Kaahlzoch war noch nie ein Siedler in diese Lage geraten – und nie hatte ein Maahk einen Maahk getötet. Aber es hatte auch noch nie ein anderes intelligentes Le bewesen die Existenz der Siedler bedroht. Die Insektenkönigin mußte sterben, damit die Siedler überlebten. Also mußte es getan
31 werden, allen Skrupeln zum Trotz. Toolgrek teilte seine Überlegungen nie mandem mit, und als er und Wuulgrek das Fahrzeug erreichten, das Puchtgrek und Em grek unterdessen untersucht hatten, war dazu keine Zeit mehr. »Ich halte es für möglich, das Fahrzeug zu starten«, berichtete Puchtgrek aufgeregt. »Emgrek und ich haben herausgefunden, daß sich mit einem Tastendruck und einer stufenlosen Regelschaltung die Wirkung der Schwerkraft von Kaahlzoch auf das Fahr zeug verringern und sogar ganz aufheben läßt, außerdem gibt es doch Bodendüsen.« Er mußte wohl die zweifelnden Blicke von Toolgrek und Wuulgrek bemerkt haben, denn er bat Emgrek, die entsprechenden Schaltungen zu betätigen. »Schalte bitte auch die Bodendüsen ganz kurz ein!« fügte er hinzu. Emgrek kletterte durch die Öffnung in das Fahrzeug. Kurz darauf erklang ein schwa ches Summen, dann fauchte es unter dem Fahrzeug. Langsam hob es sich um etwa einen halben Meter, blieb in der Luft hängen und senkte sich danach sanft wieder herab. »Das ist phantastisch!« entfuhr es Tool grek. »Und es ist noch nicht alles«, erwiderte Puchtgrek. »Bitte, kommt mit in das Fahr zeug! Ich will euch etwas zeigen.« Als sie alle in der Steuerkanzel des Fahr zeugs versammelt waren, deutete Puchtgrek auf einige von vielen Schaltungen und er klärte: »Es ist in Zahl und Anordnung das glei che wie bei dem Materialauflöser. Ich habe es noch nicht ausprobiert, aber logische Überlegung führte mich zu dem Schluß, daß eine fest installierte Waffe eine erheblich höhere energetische Kapazität und damit ei ne stärkere Wirkung haben muß als eine tragbare Waffe.« »Aber wie stellst du fest, auf welches Ziel die Waffe gerichtet ist?« fragte Toolgrek. »Ich weiß es noch nicht«, gab Puchtgrek zu. »Ich schlage deshalb vor, daß wir einen Versuch unternehmen.«
32 Nach einigem Zögern stimmte Toolgrek zu. Er sagte sich, daß die Waffe schließlich nicht dazu da sein könnte, auf etwas zu zie len, das sich im Innern des Fahrzeugs be fand, so daß sie durch den Versuch nicht un mittelbar gefährdet werden konnten. Puchtgrek drückte die Tasten in genau der gleichen Reihenfolge wie bei der Handwaf fe. Emgrek und Wuulgrek schrien auf, als vor dem Bug des Fahrzeugs plötzlich ein grünlich flimmernder Strahlenkegel stand, dessen kreisförmige Grundfläche ein zirka zwanzig Zentimeter durchmessendes Loch in das Außenschott des Hangars schnitt. Puchtgrek ließ den Auslöser wieder los und blickte mit funkelnden Augen zu Tool grek. »Damit läßt sich das Insektenschiff in re lativ kurzer Zeit zerstören. Ich schlage vor, wir brechen sofort auf.« »Ich bin auch dafür, daß wir sofort auf brechen«, erwiderte Toolgrek. »Aber wir greifen nicht sofort an. Erst müssen wir uns draußen mit der Steuerung so gut vertraut machen, daß es beim Angriff keine Pannen gibt. Wir wissen ja nicht, über welche Waf fen das Insektenschiff verfügt, also müssen wir so schnell kommen und zuschlagen, daß es sich nicht mehr wehren kann. Außerdem werden wir draußen neben unseren Fahrzeu gen landen und alle Wasserstoff-Reser veflaschen übernehmen.« »In Ordnung!« sagte Puchtgrek. Er drückte abermals auf den Auslöser, dann nickte er Emgrek zu. Emgrek drückte einige andere Tasten und bewegte einen Schalter. Das fremde Fahrzeug bewegte sich von links nach rechts und danach von oben nach unten, bis das Außenschott und ein Teil des Rahmens sich aufgelöst hatten. Anschließend schwebte das Fahrzeug nach draußen, beschleunigte – und stoppte schwankend wieder ab, um neben den bei den Gleiskettenfahrzeugen zu landen. Die vier Siedler brachen in Jubelrufe aus. Doch dann erinnerten sie sich an die vier Gefährten, die sich auf der Herfahrt geopfert
H. G. Ewers hatten. Der Jubel verstummte und wurde von grimmiger Entschlossenheit abgelöst.
7. Langsam tauchte die Pfadfinder-Kapsel in die oberen Schichten der Atmosphäre. Das Fahrzeug sah aus wie ein offener ovaler Antigravgleiter von fünf Metern Län ge und nicht wie ein Raumfahrzeug. Raum tüchtig wurde es erst durch die Energieblase, die es einhüllte und in ihrem Innern eine kli matisierte Sauerstoffatmosphäre bewahrte. Algonkin-Yatta kontrollierte die Steue rung und die übrigen Systeme der Kapsel al lein. Deshalb verließ er sich nicht auf die In strumentenanzeige, sondern auf die Ge ruchssignale, die ihm genauer als alle opti schen Kontrollen verrieten, was innerhalb und außerhalb der Kapsel vorging. Einmal fing die automatische Funküber wachung einen kurzen Spruch auf, aber be vor sich die Frequenz genau einstellte und der Spruch verständlich ankam, brach er wieder ab. Der Kundschafter fragte sich, ob der Funkspruch etwas mit dem Auftauchen sei nes Raumschiffs beziehungsweise seiner Pfadfinderkapsel zu tun hatte. Er blähte die breiten Nasenlöcher weiter auf, aber das komplizierte und hochempfindliche Or tungssystem übermittelte ihm kein verdäch tiges Signal. Er blickte kurz zu Anlytha. Seine rätsel hafte Begleiterin saß in angespannter Hal tung auf ihrem Schalensessel und hatte die Augen halb geschlossen. Algonkin-Yatta fragte sich, was das war, worauf Anlytha mit heftiger Erregung reagiert hatte. Möglicher weise stellte ihre Reaktion ein artspezifi sches Verhalten auf einen ganz bestimmten Auslöser dar. In dem Fall konnte eine Lan dung auf dem Planeten vielleicht etwas über die Lebensweise ihres Volkes verraten, an das sie sich nicht mehr erinnerte. »Finden Sie es nicht auch verdächtig, daß wir nicht über Funk angerufen werden, Al gonkin-Yatta?« fragte Khoruna Skapron.
Von Xuura kam der Tod »Wenn das dort unten der Stützpunkt von Raumfahrern ist, müßten sie uns längst geor tet haben.« Der Kundschafter erwiderte nichts darauf, weil es nichts zu erwidern gab. Die Skala der Gründe, warum sie bisher nicht angeru fen worden waren, mochte breit sein. Es hat te wenig Sinn, sich bereits jetzt in Spekula tionen zu ergehen, für die jegliche Grundla ge fehlte. Außerdem war Algonkin-Yatta zu versichtlich, daß die Energieblase einen eventuellen Überraschungsangriff abwehren würde. Danach konnte er sogar innerhalb der Atmosphäre Ausweichmanöver fliegen, die ihn jedem Beschuß entzogen – es sei denn, das Feuer wurde zu massiv. In zweitausend Metern Höhe vermochte Algonkin-Yatta den Stützpunkt mit bloßem Auge gut zu sehen. Er entdeckte, daß die Kuppelbauten transparent waren, aber eine gewisse Trübung aufwiesen. Die Geruchssignale seines Ortungssy stems verrieten ihm, daß diese Trübung von gasförmigen Kohlenwasserstoffen hervorge rufen wurde, die im Hohlraum der Doppel wandung zirkulierten. Der Kundschafter wunderte sich darüber, denn diese künstliche Trübung bewirkte, daß die von der Sonne stammende Strahlung zwar ungehindert in die Kuppeln hineingelangte, aber keine Wär me durch die Kuppeln nach außen abge strahlt wurde. Das war der sogenannte Treibhauseffekt, der allerdings von raumfah renden Zivilisationen, die über die Energien der kontrollierten Kernfusion verfügten, nicht genutzt wurde. Da die Energieemissio nen, die von den Kuppeln ausgingen, ein deutig auf Kernfusionsprozesse hinwiesen, mußten die Kuppelbewohner einen unge wöhnlichen Grund für die Ausnutzung des Treibhauseffekts zur Aufheizung ihrer Kup pelatmosphären haben. Aber als das Ortungssystem feststellte, woraus die Atmosphäre im Innern der Kup pel bestand und dem Kundschafter das Er gebnis übermittelte, war Alkongin-Yatta tat sächlich verblüfft. Denn die Atmosphäre bestand aus einer
33 Mischung von Wasserstoff, Methan und Ammoniak! Es war eine Atmosphäre, wie sie von Maahks benötigt wurde. Doch Algonkin-Yat ta konnte nicht glauben, daß unter den Kup peln Maahks lebten. Nach seinen bisherigen Erfahrungen hätten Maahks ebenso feindse lig wie konsequent auf die Annäherung ei nes Raumschiffs an ihren Stützpunkt rea giert, der innerhalb von Thantur-Lok nur ein geheimer militärischer Stützpunkt sein konnte: nämlich mit einem vernichtenden Feuerschlag. »Sie sehen plötzlich so nachdenklich aus, Algonkin-Yatta«, bemerkte Khoruna Ska pron. Der Kundschafter lächelte und beschloß, dem Arkoniden nichts über seine Vermu tung zu sagen, daß unter den Kuppeln Maahks leben könnten. Erstens zweifelte er selbst daran – und zweitens hätte der Zwei fache Sonnenträger in seinem Haß auf alle Maahks den sofortigen Angriff auf den Stützpunkt verlangt. »Ich denke darüber nach, was diese bei den Türme neben den Kuppelbauten bedeu ten«, erwiderte er. »Ihre Architektur unter scheidet sich gravierend von der der Kup peln, nicht wahr?« »Allerdings«, meinte der Arkonide. »Außerdem wundere ich mich darüber, wa rum jemand so große Kuppeln errichtet hat, wenn sie, wie es aussieht, nicht mit Strahl geschützen bestückt sind.« »Möglicherweise beabsichtigten die Er bauer nicht, auf jemanden oder etwas zu schießen«, sagte Algonkin-Yatta.
* Der Kundschafter steuerte die Pfadfinder kapsel an den Rand der ausgedehnten baum losen Fläche, auf der die Kuppeln und die Türme mit dem kleinen Raumschiff standen. Als die Kapsel aufsetzte, blickte er zu An lytha. Ihre Haltung hatte sich nicht verän dert. »Wie fühlst du dich?« fragte er sie.
34 »Seltsam«, antwortete Anlytha. »Mir ist, als müßte sich meine innere Spannung im nächsten Augenblick entladen – aber so geht es mir, seit wir mit der Pfadfinderkapsel ge startet sind.« »Siehst du eigentlich die Kuppeln, die Türme und das Raumschiff?« fragte Algon kin-Yatta weiter, weil seine Begleiterin in eine ganz andere Richtung sah. »Wo?« fragte Anlytha wie geistesabwe send. Langsam drehte sie den Kopf und blickte schließlich auf die Bauwerke. »Ja, ich sehe alles, Algonkin.« Khoruna Skapron erhob sich. »Steigen wir endlich aus?« fragte er unge duldig. »Was meinst du, Anlytha?« fragte der Kundschafter seine Begleiterin. »Ich bin auch dafür«, antwortete Anlytha und erhob sich langsam. Algonkin-Yatta blickte sie besorgt an, dann stand er ebenfalls auf und drückte auf einen Signalsensor seines Kommando-Arm bands. »Vorsichtshalber habe ich nur eine schmale Strukturschleuse für uns in der Energieblase geschaltet«, erklärte er. »Außerdem wird die Psiotronik meines Kundschafterschiffs uns mit einem Trans mitterstrahl zurückholen, falls wir draußen in Schwierigkeiten geraten sollten, die wir nicht allein meistern können.« »Sie haben schon dazugelernt«, bemerkte der Arkonide. »So vorsichtig waren Sie bei unserer ersten Begegnung auf Chanetra nicht.« »Da besaß ich auch noch keine eigenen Erfahrungen mit aggressiven Lebewesen«, gab Algonkin-Yatta zurück. Er ging als erster durch die Strukturlücke der Energieblase, die sich innerhalb der At mosphäre durch ein schwaches Flimmern bemerkbar machte. Es entstand durch die Luftmoleküle, die beim Auftreffen auf die Energiebarriere einen kinetischen Impuls in die entgegengesetzte Richtung erhielten, wodurch eine Zone schnell bewegter Luft moleküle entstand – schlicht gesagt, eine
H. G. Ewers Zone erhitzter Luft. Einige Schritte jenseits der Energieblase wartete der Kundschafter, bis seine Begleiter die Strukturlücke eben falls passiert hatten, dann drückte er aber mals auf einen Signalsensor und schaltete damit die Strukturlücke aus. »Es ist eigenartig, daß sich bisher nie mand um uns gekümmert hat«, meinte Khoruna Skapron. »Dabei kann die Landung der Pfadfinderkapsel überhaupt nicht überse hen worden sein – falls sich in den Bauwer ken sehende Lebewesen befinden.« Er kniff die Augen zusammen und blickte den Kundschafter argwöhnisch an. »Sie müßten doch feststellen können, ob sich überhaupt Lebewesen in den Gebäuden und im Raumschiff befinden, Algonkin-Yat ta. Oder haben Sie Ihren Zellschwingungsta ster nicht eingesetzt, um das festzustellen?« Algonkin-Yatta hatte den Zellschwin gungstaster seines Kundschafterschiffs be reits eingesetzt, als es in einen stationären Orbit gegangen war. Doch im Gegensatz zu sonst war das Ergebnis nur dazu angetan ge wesen, ihn zu verwirren. Am liebsten hätte er nicht darüber gesprochen, aber auf eine direkte Frage mußte er antworten – und lü gen konnte er nicht. »Doch«, antwortete er bedächtig. »Aber sogar die Psiotronik konnte mit dem Ergeb nis nichts anfangen. Es gibt in den Bauten hochorganisierte Zellverbände, die anschei nend sogar irgendwie kooperieren. Aber das Intelligenzgefälle zwischen mehreren Grup pierungen dieser Zellverbände ist so stark, daß es eine zweckgerichtete Kooperation ausschließt – jedenfalls dann, wenn man den Überlegungen den Stand der Technik zu grundelegt, der sich in den Kuppeln und dem Raumschiff manifestiert hat.« »Damit kann ich nichts anfangen«, gab der Zweifache Sonnenträger zu. »Ich auch nicht«, erwiderte Algonkin-Yat ta. »Deshalb wollte ich eigentlich nicht dar über sprechen.« Langsam ging er weiter auf die Bauwerke zu. Dabei behielt er vor allem das raketenar tige Raumschiff im Auge. Er vermochte sich
Von Xuura kam der Tod kein Raumschiff ohne Ortungssysteme vor zustellen; deshalb mußten von ihm aus das Kundschafterschiff, die Pfadfinderkapsel und auch die drei Personen entdeckt worden sein – es sei denn, die Ortungssysteme wä ren ausgeschaltet. Vor allem aber verwunderte ihn, daß er bisher an dem Schiff nichts entdeckt hatte, was auf eine Bewaffnung hinwies. Alles, was er über den Kugelsternhaufen wußte, der die Keimzelle des Großen Imperiums barg, deutete darauf hin, daß seine Bewoh ner seit Jahrtausenden die Begriffe »Raumfahrt« und »Raumkrieg« als untrenn bar ansahen. Die Kolonisierung von Than tur-Lok durch die Arkoniden schien alles an dere als gewaltlos verlaufen zu sein. Dazu kam, daß sich im Methankrieg, wie die Ar koniden die gnadenlose Auseinandersetzung zwischen ihrem Imperium und den Maahks nannten, kein Raumschiff unbewaffnet ins All wagte. Das Raumschiff zwischen den beiden Türmen schien jedoch nicht für eine bewaff nete Auseinandersetzung im Weltraum aus gerüstet zu sein. Den Grund dafür fand Al gonkin-Yatta auch durch angestrengtes Nachdenken nicht heraus. Es wäre natürlich am bequemsten gewesen, seine Erbauer und Benutzer als extrem friedfertige Lebewesen anzusehen, aber die Erfahrungen, die Algon kin-Yatta auf seinem ersten Kundschafter flug gesammelt hatte, sprachen dagegen. Als sie noch zirka fünfhundert Meter von dem Raumschiff entfernt waren, sagte Khoruna Skapron: »Wie weit wollen Sie eigentlich noch ge hen, Algonkin-Yatta?« »Wenn sich niemand zeigt, bis zum Schiff – und eventuell ins Schiff hinein«, gab der Kundschafter zurück. Als wären seine Worte von den fremden Lebewesen verstanden worden, quoll plötz lich aus zahllosen kleinen Öffnungen etwas aus den beiden unförmigen Türmen, das im ersten Moment wie blaugrün schillernder Rauch aussah. Aber schon im nächsten Augenblick er
35 kannten die drei Personen, daß es sich nicht um Rauch handelte, sondern um dichte Schwärme etwa handlanger geflügelter Le bewesen, die ihre Formationen rasch auflö sten und in zangenförmiger Bewegung auf die drei Personen zuflogen.
* »Sie greifen an!« rief Khoruna Skapron und griff nach der Strahlwaffe, die er von ei nem Maahk erbeutet hatte. Doch bevor er den Blaster ziehen konnte, stieß Anlytha einen Schrei aus, dessen unge zügelte Wildheit den Arkoniden erstarren ließ. Algonkin-Yatta fuhr zu seiner Begleiterin herum. Er sah, daß sie die kleinen Fäuste ge ballt hatte und aus flammenden Augen auf die Insektenschwärme starrte. Jetzt begriff der Kundschafter, daß es die Insekten gewesen sein mußten, die Anlytha bereits in eigenartige Erregung versetzt hat ten, als sie sich noch außerhalb des Systems befanden. Er fand jedoch keine Zeit, seine Überlegungen weiterzuführen. Die Insektenschwärme verloren ihre ziel strebigen Bewegungen, die zweifellos auf einen Umfassungsangriff ausgerichtet gewe sen waren. Die Einzelheiten schienen ver wirrt zu sein. Sie kurvten durcheinander, wobei viele Insekten zusammenstießen und haltlos zu Boden taumelten. Andere Insekten versuchten, in Richtung auf die beiden Tür me zu fliegen. Doch schien ihnen die Orien tierung Schwierigkeiten zu bereiten. Die meisten von innen verfehlten die Türme, prallten an die Wandung des Raumschiffs oder stoben einfach über die baumfreie Flä che, um irgendwo dahinter im Dschungel unterzutauchen. Innerhalb einer Minute hatten sich die In sektenschwärme völlig aufgelöst. Einigen war die Flucht in ihre Türme gelungen. Die meisten Insekten aber hatten sich weit ver streut – und diejenigen, die abgestürzt wa ren, flatterten hilflos auf dem Boden herum. Anlytha rollte wild mit den Augen, öffne
36 te und schloß ihre Fäuste abwechselnd und schien sich in einer Art Rauschzustand zu befinden. Plötzlich drang sie auf Algonkin-Yat ta zu, riß ihm die Handwaffe aus dem Gür telhalfter und legte auf die nächsten der am Boden flatternden Insekten an. Der Kundschafter war vor Entsetzen wie gelähmt. Es dauerte eine Weile, bis er sich wieder bewegen konnte – und hätte Anlytha daran gedacht, daß sie die Waffe erst entsi chern mußte, bevor sie damit schießen konn te, wären sicher mehrere Insekten auf der Strecke geblieben. Bevor sie sich besann, löste sich Algon kin-Yattas Erstarrung. Er griff zu und riß seiner Begleiterin die Waffe aus der Hand. Als Anlytha daraufhin zu toben begann, warf er sie sich einfach über die Schulter und eilte zur Pfadfinderkapsel zurück. »Warum fliehen Sie, Algonkin-Yatta?« rief Khoruna Skapron hinter ihm her. »Das ist die Gelegenheit, die Türme auszuräu chern und vielleicht danach das Schiff zu stürmen.« »Ich bin an keinem von beiden interes siert«, erwiderte der Kundschafter. »Vor al lem aber muß ich Anlytha aus der Nähe die ser Insekten bringen, damit sie wieder halb wegs normal wird.« Er tat so, als wäre es ihm gleichgültig, was Khoruna Skapron unternahm und er reichte damit, was er wollte. Der Arkonide eilte ihm nach, weil er genügend Kampfer fahrung besaß, um zu wissen, daß es ohne Rückendeckung Selbstmord gewesen wäre, in eine feindliche Stellung zu stürmen. Algonkin-Yatta schaltete die Struktur lücke wieder ein, stieg in die Kapsel und schnallte Anlytha, die heftig strampelte, auf einem Sessel fest. Als sich der Arkonide auf seinen Sessel warf, schaltete der Kundschaf ter die Strukturlücke wieder ab und startete. Er ließ die Pfadfinderkapsel auf eine Hö he von tausend Metern steigen und be schleunigte dort mit hohen Werten. Er woll te erst einmal eine große Entfernung zwi schen sie und die Insekten bringen und hoff te, daß sich Anlytha danach wieder beruhi-
H. G. Ewers gen würde. Tatsächlich fand seine Begleiterin relativ schnell wieder zu sich. Als sie schlaff in ih ren Anschnallgurten hing, befand sich die Pfadfinderkapsel ungefähr fünfzig Kilome ter vor einem Gebirgszug, der sich gleich ei ner Felsbarriere von rechts nach links über den Horizont zog. Algonkin-Yatta verringerte die Geschwin digkeit, ging tiefer und landete auf einer Felsklippe, die neben anderen Felsklippen aus einem dichten Dschungel ragte. Danach stand er auf, ging zu Anlytha und befreite sie von den Gurten. Anlytha blickte ihn erschrocken an. »Was war los, Algonkin?« fragte sie mit schwacher Stimme. »Ich glaube, ich habe dich geschlagen.« Der Kundschafter lächelte. »Du kannst mir mit deinen geringen Kör perkräften nicht wehtun, Anlytha«, sagte er, erfreut darüber, daß seine Begleiterin wieder klar zu denken vermochte. »Wenn du dich beruhigt hast, wäre ich dir dankbar, wenn du mir erklären könntest, was sich in dir abge spielte, als die Insekten auf uns zuflogen.« Anlythas Augen verdunkelten sich. »Ich weiß es nicht, Algonkin. Ich erinnere mich kaum an das, was dort geschah. Wahr scheinlich habe ich unbewußt gehandelt.« »Das dachte ich mir bereits«, meinte der Kundschafter. »Ein angeborener Instinkt hat deine Handlungen bestimmt. Deine psioni schen Kräfte konzentrierten sich offenbar auf die Insekten, denn ihre Formationen ge rieten plötzlich durcheinander – und viele von ihnen stürzten ab. Ich verstehe nur noch nicht, warum du anschließend versuchtest, die abgestürzten Insekten mit meiner Strahl waffe zu töten.« »Aber es waren …«, begann Anyltha, dann wurde ihr Gesichtsausdruck nachdenk lich. »Es waren …« Algonkin-Yatta schwieg, da er merkte, daß Anlytha sich darauf konzentrierte, gegen ihre Amnesie anzukämpfen. Vielleicht hätte sie es wenigstens teilweise geschafft, wenn Khoruna Skapron in diesem Augenblick
Von Xuura kam der Tod nicht etwas entdeckt hätte. »Dort liegt jemand!« rief der Zweifache Sonnenträger. Er stand hoch aufgerichtet in der Pfadfinderkapsel und blickte von dem erhöhten Landeplatz nach unten. »Jemand in einem Druckanzug!« Algonkin-Yatta stellte sich neben den Ar koniden und blickte in die gleiche Richtung. Er sah, daß sich am Fuß der Klippe eine kleine Geröllhalde befand, die frei von Pflanzenwuchs war – und auf dieser Geröll halde lag eine massige Gestalt in einem plump wirkenden Druckanzug mit ebenso plumpem Rückentornister. Der Kundschafter hatte die Bedeutung des ungewöhnlich großen, halbmondförmigen Druckhelms noch nicht erfaßt, als Khoruna Skapron seine Beutewaffe aus dem Halfter riß. »Das ist ein Maahk!« flüsterte er mit haß erfüllter Stimme.
8. Also doch! war Algonkin-Yattas erster Gedanke. Es sind also doch Maahks, die un ter den Kuppeln leben! Aber obwohl ihn diese Feststellung über raschte, reagierte er schnell genug, um den Arkoniden an einer Unbesonnenheit zu hin dern. »Nicht schießen!« sagte er. »Dieser Maahk ist anscheinend tot, aber es könnten andere Maahks in der Nähe sein. Sie würden durch den Schuß aufmerksam auf uns wer den.« Widerwillig ließ Khoruna Skapron die Hand mit der Waffe sinken. Er blickte wach sam über den Dschungel. »Maahks!« sagte er entsetzt. »Maahks in Thantur-Lok! Das hätte ich nie für möglich gehalten.« Dem Kundschafter war unterdessen etwas an dem reglosen Maahk aufgefallen. Er beugte sich weiter vor und suchte die nähere Umgebung der Gestalt mit den Augen ab, bis er sicher war, daß seine Beobachtung richtig gewesen war.
37 »Er ist unbewaffnet, Skapron«, sagte er. »Er trägt nicht einmal ein Halfter für eine Strahlwaffe.« »Er ist ein Maahk!« entgegnete der Zwei fache Sonnenträger. »Das genügt. Tatsäch lich, er trägt keine Waffe. Aber das besagt gar nichts. Seine Begleiter werden sie ihm abgenommen haben, nachdem er tot war.« »Das könnte sein«, meinte Algonkin-Yat ta. »Aber ich sehe keine Beschädigung an dem Druckanzug des Maahks. Demnach ist er nicht durch Einwirkung äußerer Gewalt gestorben. Natürlich könnte eine Krankheit an seinem Tod schuld sein, aber Schwer kranke schickt man im allgemeinen nicht so weit fort, daß sie außerhalb ihrer Unterkunft sterben. Ich vermute, er hat sich verirrt und dadurch seinen Wasserstoffvorrat ver braucht.« »Verirrt!« Der Arkonide lachte ironisch. »Wenn man ein Helmfunkgerät besitzt, ver irrt man sich nicht.« Er deutete mit der Hand nach unten. »Es ist sogar deutlich zu sehen.« . »Zu deutlich«, erwiderte Algonkin-Yatta. »Bei den maahkschen Druckanzügen, die ich bisher sah, hatten die Helmfunkgeräte keine Außenantenne.« Khoruna Skapron runzelte die Stirn. »Jedenfalls sehe ich mir den Maahk näher an, Algonkin-Yatta. Kommen Sie mit?« »Nein«, sagte der Kundschafter. »Und auch Sie bleiben lieber hier! Wir scheinen nämlich Besuch zu bekommen.« Er deutete in Richtung des Gebirgszugs, und als der Zweifache Sonnenträger auf schaute, entdeckte er ebenfalls den dunklen Fleck, der sich ihnen von dort her näherte. »Das wird ein Fluggleiter sein«, meinte Khoruna Skapron. »Starten Sie! Wir müssen frei beweglich sein, bevor man uns an greift.« Die beiden Männer nahmen Platz. Auch Anlytha blickte zu dem Objekt, das sich in geringer Höhe näherte. Algonkin-Yatta ließ die Pfadfinderkapsel aufsteigen und steuerte sie so, daß sie in zirka zwei Minuten rund hundert Meter an dem fremden Fahrzeug
38 vorbeifliegen mußte. »Sind die Waffen der Kapsel nicht starr im Bug eingebaut?« erkundigte sich der Ar konide nervös. »Wenn ja, warum fliegen Sie dann so, daß Sie die Waffen nicht sofort ein setzen können?« »Weil ich damit demonstrieren will, daß wir in friedlicher Absicht kommen«, antwor tete der Kundschafter. »Aber das sind sicher Maahks!« entrüste te sich der Arkonide. »Mir ist es egal, wer sich in dem anderen Fahrzeug befindet«, entgegnete Algonkin-Yat ta. »Ich werde auf jeden Fall alles tun, um einen kriegerischen Zusammenstoß zu ver hindern. Es mag sein, daß der Haß auf alle Maahks für Arkoniden eine Existenzfrage ist, aber ich bin kein Arkonide.« »Aber ich!« erklärte Khoruna Skapron. »Und ich werde so handeln, wie es mir mei ne Pflicht gebietet, denn diese Maahks be finden sich im Herzen des Großen Imperi ums. Ich muß sie vernichten, Algonkin-Yat ta. Sie stellen eine ernste Bedrohung dar.« »Das werden wir erst wissen, wenn wir sie näher kennengelernt haben«, erwiderte der Kundschafter. »Ich fordere sie auf, sich jeglicher feindseliger Handlung zu enthalten und Ihre Waffe nur in Notwehr zu benut zen!« »Im Hoheitsgebiet des Großen Imperiums lasse ich mir von einem Fremden keine Vor schriften machen!« sagte Khoruna Skapron wütend. Er hob seine Waffe, stützte seine Ellbogen auf den Bordrand der Kapsel und zielte auf das andere Fahrzeug, das sich in zwischen als elliptischer schwarzer Flugglei ter entpuppt hatte. Algonkin-Yatta ergriff Skaprons rechten Unterarm und drückte leicht zu. Mit einem Schmerzensschrei ließ der Arkonide die Waffe fallen. Algonkin-Yatta fing sie auf und warf sie auf den Boden der Kapsel. Als Khoruna Skapron seiner Waffe nachsprin gen wollte, betäubte er ihn mit einem genau dosierten Schlag der Innenhand gegen die linke Kopfseite. Der Arkonide stürzte schwer zu Boden.
H. G. Ewers Algonkin-Yatta aber griff in die Steue rung, denn das andere Fahrzeug war herum geschwenkt, so daß sein Bug auf die Pfad finderkapsel zeigte. Im nächsten Augenblick löste sich aus ihm ein grünlich flimmernder Strahlenkegel. Er streifte die Energieblase der Kapsel, ohne ihre Stabilität zu gefähr den. »Anscheinend hatte diesmal der Arkonide recht, Algonkin«, meinte Anlytha. »Maahks sind eben Maahks.« Der Kundschafter vollführte einige ele gante Manöver. Die Kapsel und der schwar ze Fluggleiter kreisten in veränderlichem Abstand umeinander. Es war klar ersicht lich, daß die Besatzung des Fluggleiters ver suchte, die Kapsel in den Wirkungsbereich ihrer Waffe – einer Desintegratorkanone – zu bringen. Aber es gelang ihr nicht. »Wenn dort drüben ausgebildete maahksche Raumsoldaten säßen, würden sie sich nicht so ungeschickt anstellen«, entgeg nete der Kundschafter. »Ich habe schon vor hin bemerkt, daß sie ihren Gleiter nicht rich tig im Griff haben – und jetzt wird das noch deutlicher. Es scheint, als säßen dort Lebe wesen, die zum erstenmal in ihrem Leben einen Fluggleiter steuern und wahrscheinlich auch zum erstenmal in ihrem Leben kämp fen.« Anlytha beobachtete den schwarzen Glei ter eine Weile, dann meinte sie: »Sie kurven so ungeschickt und unvor sichtig, daß sogar ich sie mühelos abschie ßen könnte. Aber sie scheinen entschlossen zu sein, nicht aufzugeben. Ich frage mich, wie du sie dazu bringen willst, mit dir zu verhandeln.« »Mit Geduld«, antwortete Algonkin-Yat ta.
* Nachdem die beiden Fahrzeuge fast eine halbe Stunde umeinander gekurvt waren, sah der Kundschafter ein, daß er so nicht weiter kam. Er steuerte die Pfadfinderkapsel dicht un
Von Xuura kam der Tod ter dem schwarzen Gleiter hindurch, feuerte einen Energiestrahl gegen eine der Felsklip pen und flog nach mehreren Kurven wackelnd über das andere Fahrzeug hin. Da nach setzte er sich absichtlich genau vor den Bug des schwarzen Gleiters. Diesmal begriff die Besatzung schneller, als er erwartet hatte. Anstatt zu schießen – was die Kapsel wegen des Energieschirms nicht gefährdet hätte –, stoppte sie ihren Flug. Die beiden Fahrzeuge schwebten auf gleicher Höhe und waren nur noch zirka zwanzig Meter voneinander entfernt. Algonkin-Yatta hob die Hand und winkte. Danach ließ er die Kapsel absinken und lan dete auf einer Lichtung im Dschungel. Kurz darauf landete auch das andere Fahrzeug. In diesem Augenblick kam Khoruna Ska pron wieder zu sich. Er stieß eine Verwün schung aus und tastete benommen nach sei ner Waffe. Doch die hatte Anlytha inzwi schen an sich genommen. Drohend hielt sie sie dem Arkoniden vor. »Verhalten Sie sich friedlich!« warnte sie. »Wir stehen unmittelbar vor der Kontaktauf nahme.« »Sie würden ja doch nicht auf mich schie ßen«, erklärte der Arkonide und richtete sich auf. Plötzlich fuhr er sich mit der Hand über die Augen und taumelte. Als er wieder klar denken konnte, sagte er: »Schon gut, Sie brauchen nicht einmal zu schießen, um mich auszuschalten. Ich bleibe friedlich, solange ich nicht annehmen muß, daß Sie mit den Todfeinden meines Volkes konspirieren.« »Seien Sie kein Narr!« sagte Algonkin-Yat ta, ohne sich umzudrehen. »Ich mische mich nur dann in euren Krieg ein, wenn ich sehe, daß jemand meiner Hilfe bedarf, aber nicht, um eine Seite gegen die andere zu unterstüt zen.« Er schaltete eine Strukturöffnung in der Energieblase und verließ die Pfadfinderkap sel. Draußen legte er die Hälfte der Entfer nung zwischen den beiden Fahrzeugen zu rück und blieb wieder stehen. Nach einer Weile bildete sich eine Öff nung in der Außenhülle des schwarzen Flug
39 gleiters. Algonkin-Yatta sah, daß die Öff nung erheblich größer war, als sie für Maahks hätte sein müssen. Das erhärtete sei ne Vermutung, es könne sich bei der Besat zung des Gleiters nicht um die Eigentümer des Fahrzeugs handeln. Kurz darauf verließen zwei Maahks den Gleiter. Sie trugen die gleichen plumpen Druckanzüge wie der Tote neben der Klip pe, und auch die Atemtornister wirkten plump, nicht wie die ausgereiften Konstruk tionen, die Algonkin-Yatta bei den Maahks auf Chanetra gesehen hatte. Der Kundschafter schaltete seinen Arm band-Translator ein und hoffte, daß die knopfähnlichen Auswölbungen an den Druckhelmen der Maahks Außenmikropho ne waren. »Ich grüße Sie!« sagte er, als die Maahks wenige Schritte vor ihm stehenblieben. »Mein Name ist Algonkin-Yatta, und ich bin in friedlicher Absicht gekommen. Sie hatten keinen Grund, auf mich zu schießen, aber ich vermute, daß es sich um ein Mißver ständnis handelte.« Eine Weile blieb es still, dann sagte der eine Maahk: »Wir grüßen Sie ebenfalls, Algonkin-Yat ta. Mein Name ist Toolgrek, und mein Be gleiter heißt Puchtgrek. Wir haben erkannt, daß Sie nicht in feindlicher Absicht kamen. Darf ich einige Fragen stellen, um das Miß verständnis zu klären?« »Bitte, fragen Sie!« erwiderte der Kund schafter. Er hatte gesehen, daß die Maahks zu ihm über Außenlautsprecher sprachen, die eben falls ungefüger aussahen als die Geräte, die er früher bei Maahks gesehen hatte. Und es gab noch weitere Unterschiede, die ihm zu denken gaben. Da waren einmal die Namen der Maahks. Eigentlich hätten sie Grek 1 und Grek 2 lauten müssen, aber diese Regelung schien bei den hiesigen Maahks nicht zu gelten. Nur die Endsilben ihrer Na men verrieten, daß dieser Brauch sich ir gendwie erhalten hatte, wenn auch in verän derter Form.
40 Außerdem wirkten diese Maahks trotz der großen und plumpen Druckanzüge irgendwie kleiner als die Maahks, die der Kund schafter auf Chanetra kennengelernt hatte. Im Gegensatz zu jenen wirkten sie sogar beinahe zierlich, obwohl die Körperformen und Proportionen volle Übereinstimmung zeigten. »In welcher Beziehung stehen Sie zur In sektenkönigin?« fragte Toolgrek. »In gar keiner«, antwortete Algonkin-Yat ta. »Wir wissen nur, daß auf diesem Plane ten in der Nähe Ihrer Druckkuppeln große Fluginsekten leben, denn wir wurden von ih nen angegriffen, als wir landeten.« »Als Sie landeten?« warf Puchtgrek ein. »Von woher kommen Sie, Algonkin-Yatta?« »Aus dem Weltraum«, sagte der Kund schafter. »Wir entdeckten diesen Planeten rein zufällig, da meine Begleiterin auf eine Strahlung ansprach, die offenkundig von den Insekten ausgeht.« »Aus dem Weltraum!« sagte Toolgrek. »Von dort also, woher unsere Vorfahren nach Kaahlzoch kamen. Sie sagten, die In sekten hätten Sie angegriffen. Wie es aus sieht, konnten sie Ihnen aber nichts anhaben. Haben Sie sie getötet?« »Ich töte nur, wenn es keine andere Mög lichkeit gibt, mein eigenes Leben oder das von Unschuldigen zu retten«, antwortete der Kundschafter. »Meine Begleiterin hat die In sekten mit ihrer besonderen Gabe so ver wirrt, daß sie abstürzten beziehungsweise flüchteten. Ich mußte Anlytha fortbringen, sonst hätte sie die Insekten getötet.« »Sie sollten lieber fragen, was sie hier in Thantur-Lok zu suchen haben!« sagte Khoruna Skapron. Algonkin-Yatta wandte sich um und sah, daß der Arkonide ihm gefolgt war. Anlytha stand schräg hinter ihm, hatte aber seine Strahlwaffe nicht mitgenommen. Algonkin-Yattas Translator hatte auch das übersetzt, und Puchtgrek fragte: »Was ist Thantur-Lok?« Der Zweifache Sonnenträger war ein paar Augenblicke lang fassungslos, dann sagte er
H. G. Ewers zornig: »Das beweist, daß es sich um Spione han delt! Sie wollen uns täuschen, indem sie sich unwissend stellen.« »Was meint dieses Lebewesen?« fragte Toolgrek den Kundschafter. »Und warum sehen Ihre beiden Begleiter völlig anders aus als Sie selbst?« Khoruna Skapron lachte grimmig: »Mich könnt ihr nicht täuschen! Es gibt keinen Maahk, der nicht genau wüßte, wie ein Arkonide aussieht – so, wie es keinen Arkoniden gibt, der nicht genau wüßte, wie ein Maahk aussieht. Warum hören Sie sich diese Lügen an, Algonkin-Yatta?« »Ich glaube nicht, daß es sich um Lügen handelt, Skapron«, erwiderte der Kundschaf ter. »Sehen Sie, daß diese Maahks kleiner und schwächer gebaut sind als die Maahks, die Sie bisher kennengelernt haben? Meiner Meinung nach ist das darauf zurückzufüh ren, daß sich auf Kaahlzoch über viele Ge nerationen hinweg Maahks unter den norma len Schwerkraftbedingungen dieses Planeten aufhielten. Ist es typisch für Maahks, daß sie militärische Stützpunkte mit Familien beset zen und über viele Generationen ohne Ablö sung sich selbst überlassen?« »Nein«, antwortete Khoruna Skapron zö gernd. »Ich gebe zu, daß da einige Dinge sind, die mir zu denken geben. So ist bei spielsweise der schwarze Fluggleiter von ei ner Bauart, die wir nicht von den Maahks kennen. Er steht übrigens im Widerspruch zu der plump wirkenden sonstigen Ausrü stung der Maahks, denn er scheint das Pro dukt einer weit fortgeschrittenen Technik zu sein.« »Wir entdeckten das Fahrzeug in einem kugelförmigen schwarzen Raumschiffs wrack jenseits der Berge«, erklärte Pucht grek. »Wer ist euer Grek 1?« fragte der Arkoni de. Die Maahks sahen sich verständnislos an. »Wir kennen keinen Grek 1«, antwortete Toolgrek. »Wie kamen Sie nach Kaahlzoch?« er
Von Xuura kam der Tod kundigte sich Anlytha – und auch ihre Wor te wurden vom Translator des Kundschafters übersetzt. »Unsere Vorfahren landeten vor vielen Generationen mit Rettungsbooten auf die sem Planeten und gaben ihm den Namen Kaahlzoch«, antwortete Toolgrek. »Ihr großes Schiff ging beim Kampf der Götter um die Sterne verloren, sagt die Überliefe rung. Seitdem kämpfen wir Generation um Generation auf dieser für uns lebensfeindli chen Welt ums Überleben. Unsere Kolonie entwickelte sich vielversprechend – bis die Insekten kamen und uns zwangen, für sie zu arbeiten und ihrer Königin zu gehorchen. Die Insektenkönigin war es auch, die uns zu dem schwarzen Raumschiffswrack schickte. Wir sollten es untersuchen und ihr berich ten.« »Haben Sie ihr berichtet, was Sie fan den?« fragte Algonkin-Yatta und blickte da bei bedeutungsvoll auf den Fluggleiter. »Wir haben ihr nur berichtet, daß wir das Schiff gefunden hätten und daß die Untersu chung sehr schwierig sei«, sagte Toolgrek. »Von dem Gleiter haben wir nichts gesagt, denn mit der Waffe in seinem Bug wollen wir das Raumschiff zerstören, in dem die Königin lebt. Wir wundern uns allerdings, daß sie sich noch nicht wieder bei uns ge meldet hat.« »Mich wundert das nicht«, erwiderte Al gonkin-Yatta. »Sie hat durch Anlytha andere Sorgen bekommen. Aber wie konnten die Insekten Sie zu etwas zwingen, Toolgrek?« »Die Insekten besitzen organische Mate rieauflöser, mit denen sie am Anfang zu un serer Warnung eine unserer Druckkuppeln beschädigten, so daß alle Kolonisten, die sich darin aufhielten, umkamen«, antwortete Toolgrek. »Wir dagegen besaßen bis heute keine Waffe, mit denen wir uns hätten weh ren können. Bis zum Auftauchen der Insek ten, die sich M-Kschadoors nennen, ahnten wir nicht einmal, daß es intelligente Lebe wesen gibt, die andere intelligente Lebewe sen bekämpfen.« »Leider gibt es viel zu viele solcher Lebe
41 wesen«, sagte Algonkin-Yatta. »So liegt bei spielsweise Khoruna Skaprons Volk in stän digem Kampf mit dem Volk, von dem Sie abstammen. Das meinen Ihre Überlieferun gen offenbar mit dem ›Kampf der Götter um die Sterne‹.« Zu dem Arkoniden gewandt, sagte er: »Sie haben bisher geglaubt, daß alle Maahks kampfwütige Bestien sind, die ge fühlsmäßiger Regungen unfähig seien und nur der kalten Logik gehorchten, Skapron. Ich hoffe, Sie sehen Ihren Irrtum ein. Die Maahks von Kaahlzoch sind der beste Be weis dafür, daß Maahks friedliche Lebewe sen sind, solange sie nicht durch äußere Um stände zum Kampf gezwungen werden.« Khoruna Skapron erwiderte nichts darauf, sondern starrte nur finster vor sich hin. Der Kundschafter seufzte und wandte sich wieder an die Maahks. »Ich verstehe, daß Sie das Raumschiff der Insekten zerstören wollen, denn diese Lebe wesen haben Ihnen übel mitgespielt. Aber ich bitte Sie, von Ihrem Vorhaben abzuse hen.« »Wir müssen unser Volk von den Insek ten befreien, sonst geht es zugrunde!« rief Puchtgrek. »Die Insekten kennen kein Mit leid, sondern handeln gefühllos nur zu ihrem Vorteil.« »Das denken beispielsweise die Arkoni den auch von dem großen Volk Ihrer Artge nossen«, wandte der Kundschafter ein. »Ich bin überzeugt davon, daß auch die Insekten, diese M-Kschadoors, nicht von ihrer Natur her böse sind. Etwas muß sie zu ihren Hand lungen treiben. Ich möchte herausfinden, was das ist, und will versuchen, zwischen ihnen und Ihnen zu vermitteln.« »Wir verabscheuen Gewalt«, sagte Tool grek. »Wenn unser Problem sich ohne Ge waltanwendung lösen ließe, wären wir sehr erleichtert.« Algonkin-Yatta lächelte. »Ich hoffe, daß meine und Anlythas Be mühungen erfolgreich sein werden, Tool grek. Schildern Sie mir bitte die Verhältnis se auf Kaahlzoch so genau wie möglich und
42
H. G. Ewers
erklären Sie uns auch, was der tote Maahk zu bedeuten hat, den wir in der Nähe ent deckten.« Toolgrek und Puchtgrek berichteten so ausführlich wie möglich. Daraufhin ent wickelte der Kundschafter vor ihnen seinen Plan – und sie stimmten zu. Nur Khoruna Skapron schien unfähig zu sein, seine Vor eingenommenheit gegenüber allen Maahks abzulegen. Nachdem alles Notwendige besprochen worden war, kehrten alle Personen in ihre Fahrzeuge zurück und flogen in geringer Höhe in Richtung der Kolonie.
9. Die Königin fühlte, daß ungefähr die Hälfte der Krieger in die Stöcke zurückge funden hatte, in denen Arbeiterinnen für die Zirkulation und Befeuchtung der Luft sorg ten und die Brut fütterten. Die andere Hälfte der Krieger irrte noch immer draußen um her. Die Panik, die die Königin befallen hatte, als ihre Krieger eine verheerende Niederlage erlitten, war abgeklungen. Die Königin kon zentrierte sich darauf, mit ihren Leitimpul sen die Verirrten zurückzurufen und die Ar beiterinnen zu beruhigen – und sie dachte darüber nach, was aus dem Gegner gewor den war, der ebenso plötzlich verschwand, wie er auftauchte. Er war mit einem Raumschiff gelandet, das eigentlich gar nicht wie ein Raumschiff aussah. Aber die Königin war sich klar dar über, daß sie nicht viel über Raumschiffe wußte. Sie hatte bis vor kurzem nur das eine Raumschiff gekannt, in dem sie auf einer Welt, die ihre Herren Xuura nannten, mit ei nem kleinen Stamm gelebt hatte. Der Stamm war durch gesteuerte Maß nahmen klein gehalten worden, solange die Zeit noch nicht reif gewesen war. Ihre Her ren, die sich »Gebrüder Geigo« nannten, hatten ihr erklärt, daß er dazu ausersehen war, die Bevölkerungen ganzer Planeten zu unterwerfen. Sobald die Zeit dafür reif sei,
sollte das Raumschiff mit dem Stamm star ten und auf einem Planeten landen, dessen Koordinaten in den Autopiloten program miert waren. Dort sollte sich der Stamm zu einem großen Volk vermehren, das später abgeholt und auf einem Planeten abgesetzt werden würde, der für die Gebrüder Geigo zu erobern war. Doch etwas war anders gekommen. Eines Tages hatten sich die Gebrüder Gei go über Funk wieder mit der Königin in Verbindung gesetzt und ihr mitgeteilt, daß Feinde auf dem arkonidischen Depotplane ten aufgetaucht seien, auf dem sie lebten und auf ihren Tag warteten. Zuerst waren zahl reiche Feinde von den anderen Insektenvöl kern überwältigt worden, doch dann seien drei Lebewesen aufgetaucht, die sich Atlan, Fartuloon und Mexon nannten. Der Fremde namens Atlan hätte durch ei ne besondere Gabe auf eine Insektenkönigin eingewirkt und sie zur Verräterin gemacht. Adirou Geigo und Bälthir Geigo berichteten, daß sie vom Stamm der Verräterin angegrif fen würden. Sie wüßten nicht, wie der Kampf ausginge, deshalb hätten sie be schlossen, die Königin und ihren Stamm mittels Fernschaltung früher als geplant auf den Planeten zu schicken, auf dem sie sich vermehren und ausbreiten sollten. Nach dieser Mitteilung war die Verbin dung zu den Gebrüdern Geigo abgebrochen. Das Raumschiff aber war ohne Zutun der Königin – die ohnehin nicht ahnte, wie ein Raumschiff gesteuert wurde, gestartet und nach längerer Zeit tatsächlich auf einem Pla neten gelandet. Zu ihrer Verwunderung mußte die Köni gin feststellen, daß es entgegen der Aussage der Gebrüder Geigo andere intelligente Le bewesen auf diesem Planeten gab. Zuerst hatte sie gefürchtet, diese Wesen würden das Raumschiff angreifen und es mitsamt dem Stamm der M-Kschadoors vernichten. Aber als die Fremden passiv blieben, hatte die Königin sowohl mit der vermehrten Eiabla ge begonnen als auch Kundschafter ausge schickt, die mehr über die Fremden heraus
Von Xuura kam der Tod finden sollten. Die Kundschafter stellten fest, daß die Fremden offenbar nicht in der Sauerstoffat mosphäre ihres Planeten leben konnten. Sie hatten deshalb Druckkuppeln errichtet, in denen sich eine künstlich erzeugte Atmo sphäre befand. Sie stellten außerdem fest, daß die Fremden offensichtlich unbewaffnet waren. Daraufhin beschloß die Königin, die Fremden zu unterwerfen und als Arbeits kräfte zur Errichtung von Wohn- und Brut türmen einzusetzen, denn das Raumschiff selbst würde nicht lange ausreichen, um den rasch zu einem großen Volk heranwachsen den Stamm zu beherbergen. Sie nahm mit Hilfe des Translators, der ehemals zur Ver ständigung mit den Gebrüdern Geigo ge dient hatte, Funkverbindung mit den Frem den auf und erfuhr dadurch, daß sie Maahks hießen und Wasserstoff anstatt Sauerstoff für ihre Zellatmung benötigten. Die Königin war von den Gebrüdern Gei go systematisch geschult worden und hatte den Grad wissenschaftlicher Bildung erhal ten, der als notwendig für Operationen auf bewohnten Planeten angesehen wurde. Sie kannte außerdem nur ein Lebensziel: Schnelle Vergrößerung ihres Volkes und die Unterwerfung anderer Intelligenzen. Sie gab den Maahks deshalb ihre Forde rungen bekannt und unterstrich sie dadurch, daß sie durch ihre Krieger eine Druckkuppel so beschädigen ließ, daß deren Bewohner umkamen. Das reichte aus, um die gewünschte Wir kung zu erzielen. Die Maahks bauten unter Aufsicht von Kriegern zwei Wohn- und Brutstöcke und legten das Fundament zu ei nem dritten, größeren Stock. Manchmal wa ren sie widerspenstig, aber die Krieger bra chen jeden Widerstand, indem sie die Wi derspenstigen sofort töteten. Leider waren die Einzelwesen nicht intelligent, so daß sie ständig von der Königin gesteuert werden mußten, die sozusagen die Gemeinschaftsin telligenz ihres Volkes in ihrem gut ausgebil deten Gehirn konzentrierte. Dadurch kam es
43 manchmal zu Fehlern, wie beispielsweise erst vor kurzem zu der Tötung von zwei Maahks. Als die Königin erkannte, daß der Erste Planer der Maahks sich innerlich nie mit der Sklavenrolle seines Volkes abfinden würde, beschloß die Königin, ihn zu beseitigen und daraus noch Gewinn zu schlagen. Er sollte etwas untersuchen, das die Ortungsgeräte des Raumschiffs beim Landeanflug ange messen hatten und das mit großer Wahr scheinlichkeit das Wrack eines Raumschiffs war, das vor längerer Zeit abgestürzt sein mußte. Aus dieser Untersuchung erhoffte die Königin sich Kenntnisse über andere Völ ker, von denen sie so gut wie nichts wußte. Aber Toolgrek und seine Gruppe waren kaum bei dem Raumschiffswrack angekom men, als der unheimliche Gegner erschien und die Streitmacht der Königin in alle Win de zerstreute. Er war wieder verschwunden, aber die Königin war mit den Nachwirkun gen des Kampfes zu beschäftigt gewesen, als daß sie sich um den Erkundungstrupp Toolgreks hätte kümmern können. Erst jetzt erinnerte sie sich wieder daran – und ihr fiel auf, daß die Maahks sich eigent lich längst hätte melden müssen. Die Insek tenkönigin glaubte nicht, daß sie inzwischen an Wasserstoffmangel gestorben waren. Sie konnte sich vorstellen, daß Toolgrek sich einen Trick ausgedacht hatte, um sich und seine Begleiter länger am Leben zu erhalten, als nach den gewohnten Berechnungen denkbar gewesen wäre. Deshalb überlegte die Königin, was die Maahks planten, vor allem, als sie sich auf mehrmalige Funksignale hin nicht meldeten. Sie schickte einige der Krieger, die sich eini germaßen von dem Schreck erholt hatten, nach draußen. Sie sollten auf alles achten, was sich der Siedlung näherte – und die Kö nigin würde es in dem Augenblick wissen, in dem sie es wahrnahmen.
* Die Pfadfinderkapsel hielt sich dicht ne
44 ben dem schwarzen Fluggleiter, als die Druckkuppeln, das Insektenschiff und die beiden Türme in Sicht kamen. Es war ausgemacht worden, daß die vier Maahks sich mit dem Gleiter in diejenige ih rer Druckkuppeln einschleusten, die dem Dschungel am nächsten lag. Der Kundschaf ter sollte sie vor eventuellen Angriffen der M-Kschadoors schützen. Anschließend wollte Algonkin-Yatta mit seiner Kapsel ne ben dem Raumschiff landen und versuchen, Kontakt mit der Königin aufzunehmen. Anlytha entdeckte die drei Insekten, die hoch über ihnen kreisten, zuerst. Wie bei der ersten Begegnung stieß sie einen wilden Schrei aus – doch dann senkte sie den Kopf und beherrschte sich, obwohl sie vor Erre gung am ganzen Körper zitterte. Algonkin-Yatta hatte ungefähr eine halbe Stunde mit ihr gesprochen und versucht her auszufinden, was Anlytha zu ihrer aggressi ven Reaktion gegenüber den Insekten be wog. Er ahnte, daß sie sich besser in der Ge walt haben würde, wenn sie eine Erklärung für ihr Verhalten fand. Als das Gespräch erfolglos verlaufen war, hatte der Kundschafter sich über sein Kom mando-Armband mit der Psiotronik seines Schiffes in Verbindung gesetzt – und Anly tha hatte mitgehört, wie die Psiotronik ihr Verhalten zu analysieren versuchte. Der Ableger von MYOTEX vermochte keine eindeutige Erklärung zu geben, weil keine Informationen über Anlythas Volk und die Welt, auf der es lebte, vorlagen. Im merhin aber bot er zwei denkbare Möglich keiten als Lösungen an, von denen er die ei ne wie die andere für akzeptabel hielt. Die erste Möglichkeit war, daß Anlytha einem Volk angehörte, das sich von Großin sekten ernährte, die sehr wehrhaft waren und deshalb nur mit psionischen Mitteln be zwungen werden konnten – und die zweite Möglichkeit bestand darin, daß Anlytha von einer Welt stammte, auf der ihr Volk ständig von angriffslustigen Großinsekten bedroht war und irgendwann psionische Fähigkeiten entwickelte, um die Art zu erhalten.
H. G. Ewers Anlytha hörte sich an, was die Psiotronik des Kundschafterschiffs zu sagen hatten. Sie schüttelte sich vor Abscheu bei der Andeu tung, ihr Volk – und damit auch sie – könnte sich von Großinsekten ernähren. Ihrer Mei nung nach konnte das nicht zutreffen, da sie sonst, als sie den Insekten gegenüberstand, an eine Nahrungsaufnahme gedacht hätte. Die zweite Möglichkeit erschien ihr wahr scheinlicher – und dieser Gedanke beruhigte sie tatsächlich. Dennoch erwies sich der Instinkt, gegen die M-Kschadoors zu kämpfen, als sehr stark, so daß der Kundschafter schon über legte, ob er seine Begleiterin zurücklassen sollte. Aber schließlich beruhigte sich Anly tha wieder etwas. Sie hob den Kopf und sagte: »Ich denke, daß ich jetzt bereit bin und meine Kraft auch dann kontrolliere, wenn wir angegriffen werden sollten, Algonkin.« Algonkin-Yatta atmete auf und steuerte die Pfadfinderkapsel näher an das Insekten raumschiff heran. Als die Entfernung noch ungefähr hundert Meter betrug, zeigten sich die Köpfe zahlreicher M-Kschadoors in den Öffnungen der beiden Türme. Anlytha starrte in ihre Richtung und setzte ihre psionische Kraft abgemildert ein. Sofort verschwanden die Köpfe der Insekten wie der in den Fluglöchern. »Insekten!« stieß Khoruna Skapron ver ächtlich hervor. »Das sind doch keine Insek ten, die durch natürliche Evolution intelli gent wurden! Ich nehme an, jemand hat sie gezüchtet, um sie als Werkzeuge zur Erobe rung einzusetzen.« »Aber ihre Handlungen zeugen von Intel ligenz – wenn auch nicht von Vernunft«, wandte Algonkin-Yatta ein. »Intelligent in einem uns vergleichbaren Maße ist wahrscheinlich nur die Königin«, meinte der Arkonide. »Das setzt natürlich voraus, daß sie – wahrscheinlich mittels emotionaler Impulse – ihr Volk steuert und daß eine Rückkopplung besteht.« »Das liegt nahe, aber es berechtigt uns nicht dazu, diese Lebewesen zu verachten«,
Von Xuura kam der Tod erwiderte der Kundschafter. »Wir sollten sie einfach auslöschen!« er klärte Khoruna Skapron. »Sie sind mir un heimlich.« Algonkin-Yatta blickte ihn scharf an. »Sie sind mir auch fast unheimlich – mit Ihrer Arroganz anderen Lebewesen gegen über«, sagte er. »Ihr Verhalten läßt es mir fast wahrscheinlich erscheinen, daß diese Arroganz schuld an dem Krieg zwischen dem Großen Imperium und den Maahks ist. Wenn man etwas als unheimlich ansieht, dann muß man es eben studieren, denn un heimlich ist es doch nur, weil es weitgehend fremd ist.« Er setzte die Pfadfinderkapsel neben dem Raumschiff auf. Abermals tauchten die Köp fe von Insekten in den Fluglöchern der bei den Türme auf – und verschwanden blitz schnell wieder, als Anlytha ihre psionische Waffe gegen sie einsetzte. Der Kundschafter erhob sich und sagte: »Anlytha, ich versuche, zu der Königin vorzudringen. Wenn du dich weiter so gut beherrschst, wirst du verhindern können, daß ich von Insekten angegriffen werde. Skapron, Sie beobachten am besten nur. Auch das ist wichtig. Greifen Sie bitte nur dann ein, wenn Anlytha wider Erwarten ver sagen sollte.« »Lassen Sie mich mitkommen, dann ist der Spuk rasch vorbei!« sagte der Zweifache Sonnenträger grimmig. »Ich weiß, wie man renitente Fremdintelligenzen befriedet.« »Siehe Ihr Methankrieg!« erwiderte Al gonkin-Yatta sarkastisch. »Ihre Einstellung zu fremden Leben ist grundfalsch, Skapron. Ich bin davon überzeugt, daß nicht Kampf, sondern Kommunikation und Kooperation die Ziele von Lebewesen sein sollen, die un seren Grad von Intelligenz erreicht haben.« Er lächelte plötzlich wieder. »Aber ich sehe natürlich ein, daß Intelligenzen Ihrer Art nicht voll dafür verantwortlich sind, weil sie noch von alten, überholten Instinkten be herrscht werden.« Er hörte das zornige Schnauben des Arko niden, als er die Kapsel verließ, durch eine
45 Strukturlücke der Energieblase ging und sie von draußen wieder abschaltete. Aber er war nicht enttäuscht darüber, weil er eingesehen hatte, daß er Lebewesen wie Khoruna Ska pron nicht grundlegend ändern konnte. Wahrscheinlich war schon viel erreicht, wenn er ihn durch sein eigenes Verhalten dazu brachte, nachdenklich zu werden. Als er zu der Öffnung im Schiffsrumpf aufblickte, war er sich klar darüber, daß Zu reden allein auch bei der Insektenkönigin nicht helfen würde. Er seufzte und schaltete sein Flugaggregat ein …
* Wir er erwartet hatte, bewirkte seine Akti on, daß die Insekten ihre Furcht vergaßen und aus ihren Fluglöchern stürzten, um ihn am Betreten des Raumschiffs zu hindern. Wahrscheinlich war auch der Befehlsimpuls der Königin, die sich unmittelbar bedroht fühlte, übermächtig gewesen. Wieder setzte Anlytha ihre psionische Kraft ein. Die Fluginsekten taumelten ver wirrt umher – aber einigen von ihnen gelang es noch, ihre organisch gewachsenen Waf fen gegen den Kundschafter einzusetzen. Algonkin-Yatta sah es daran, daß rings um ihn dünne Desintegratorstrahlen in den Schiffsrumpf schlugen und die Oberfläche der Außenhaut auflösten. Aber sie waren un gezielt abgegeben und gefährdeten ihn des halb nicht. Zu spät merkte er, daß die Insekten noch über eine andere Waffe verfügten. Als die Luft sich plötzlich mit dünnen Nebelschlei ern füllte, glaubte er zuerst, die Insekten wollten sich dadurch der Sicht ihrer Gegner entziehen. Doch dann spürte er, wie seine Sinne sich verwirrten. Er konnte gerade noch in die Öffnung im Schiffsrumpf fliegen und sein Flugaggregat ausschalten, bevor er die Kontrolle über sich verlor. Irgendwie zeitlos und gefühllos irrte er umher, nahm seine Umgebung nur noch schemenhaft wahr. Etwas Großes, Dunkles
46 tauchte irgendwann in seinem Blickfeld auf. Er vermochte nicht zu erkennen, was es war, aber die Umgebung schien sich schneller als zuvor zu verändern. Erst, als er wieder zu sich kam, merkte er, daß er eine Zeitlang bewußtlos gewesen sein mußte. Er wollte sich bewegen, aber seine Hände und Füße waren gefesselt Vorsichtig erprobte er die Festigkeit der Fesseln. Sie schienen ungewöhnlich widerstandsfähig zu sein. Er beschloß, auf eine gewaltsame Sprengung zu verzichten, solange er nicht wußte, was man mit ihm vorhatte, denn es war ungewiß, ob der Versuch gelang. Inzwischen hatten sich seine Augen an die Lichtarmut seiner Umgebung angepaßt. In dem schwachen rötlichen Schimmer, der von einer runden Lichtquelle ausging, er kannte er einen kuppelförmig gewölbten Raum mit drei Öffnungen. Der Boden war in der Mitte fest, aber an den Seiten beweglich – und da er selbst auf der Seite des Bodens lag, kreiste er langsam um die Mitte. Dort in der Mitte aber hockte ein riesiges Lebewesen, ein Insekt von der Größe Anly thas, mit blaugrünem Chitinpanzer, riesigen rötlichen Augen, gewaltigen Beißzangen und armlangen dünnen Fühlern, die sich zit ternd in der Luft bewegten. Algonkin-Yatta wußte nicht, ob sein Arm band-Translator noch aktiviert war, aber er sagte: »Sie sind die Insektenkönigin, nicht wahr?« Sein Translator gab keinen Laut von sich, dafür sagte von dort, wo sich das Riesenin sekt befand, eine metallisch klirrende Stim me: »Ich bin die Königin aller Lebewesen von Kaahlzoch. Und wer bist du, Eindringling?« »Mein Name ist Algonkin-Yatta«, ant wortete der Kundschafter. »Ich bin gekom men, um mit Ihnen zu verhandeln, wenn ich auch, wie mir scheint, die letzte Strecke nicht völlig freiwillig zurücklegte.« »Das ist richtig, Algonkin-Yatta«, erwi derte die Königin. »Du bist in meiner Ge walt, und deine Gefährten wissen, daß sie
H. G. Ewers nichts gegen mich unternehmen können, wenn sie dein Leben nicht gefährden wol len.« »Niemand will Ihr Leben gefährden, Kö nigin«, erwiderte der Kundschafter. »Ich sagte schon, daß ich mit Ihnen verhandeln will.« »Aber ich will nicht mit dir verhandeln, Algonkin-Yatta. Du hast nur die Möglich keit, dich mir zu unterwerfen oder zu ster ben. Entscheide dich!« »Du würdest mich nicht überleben«, ent gegnete Algonkin-Yatta. »Sobald meine Ge fährten wissen, daß ich tot bin, werden sie dich mitsamt deinem Schiff und deinem ganzen Volk vernichten.« »Du hast mich mit der Sprache der Unter worfenen anzureden, wie du es anfangs ge tan hast!« sagte die Königin. Da ihre Worte von einem Translator, also einem elektroni schen Gerät, übersetzt wurden, ließen sich aus ihnen keine Gefühlsregungen heraushö ren. Algonkin-Yatta lachte leise. »Eben weil ich merkte, daß du das ›Sie‹ als die Sprache von Unterworfenen ansiehst, habe ich die Anredeform gewechselt«, er klärte er. »Du wirst mich nicht unterwer fen.« »Aber du bist in meiner Gewalt!« »Das ist richtig, aber es nützt dir nichts, weil ich lieber sterbe, als mich versklaven zu lassen.« Daraufhin schwieg die Insektenkönigin. Der Kundschafter schloß daraus, daß er sie mit seiner letzten Erklärung vor ein Dilem ma gestellt hatte. Sie konnte ihn töten; dann verlor sie aber das einzige Druckmittel ge genüber seinen Gefährten. Ließ sie ihn aber am Leben, verurteilte sie sich damit zur Pas sivität. Wie immer sie sich letzten Endes entschied, sie würde sich so und so keinen Vorteil einhandeln. Er nutzte die Zeit, in der sie nach einem Ausweg aus ihrem Dilemma suchte, um sich mit Hilfe des miniaturisierten Duplikats sei nes Kommandogeräts, das oberhalb seiner Hirnansatzdrüse eingepflanzt war, mit der
Von Xuura kam der Tod Psiotronik des Kundschafterschiffs in Ver bindung zu setzen. Das heißt, er versuchte es, aber es gelang ihm nicht. Algonkin-Yatta schloß daraus, daß das Gas, das ihn überwältigt hatte und das aller Wahrscheinlichkeit nach ein Nervengas war, noch in seinem Zentralnervensystem nach wirkte und es ihm unmöglich machte, das Mini-Kommandogerät zu aktivieren. Damit war ihm die Möglichkeit genom men, sich von der Psiotronik durch einen Transmitterstrahl retten zu lassen, denn dazu hätte die Psiotronik ihn genau anpeilen müs sen – und das war nur möglich, wenn sein Mini-Kommandogerät eingeschaltet war. Der Kundschafter besaß allerdings noch zwei weitere Möglichkeiten, seine derzeiti gen Koordinaten exakt von der Psiotronik bestimmen zu lassen. Da war einmal sein Armband-Kommandogerät, und außerdem verfügte er über einige Signalscheiben, die aber ebenfalls erst aktiviert werden mußten. Beide Möglichkeiten vermochte er also erst zu nutzen, wenn er seine Hände freibe kam und entweder das Kommando-Arm band oder eine Signalscheibe aktivierte. Er bezweifelte nur, daß die Insektenkönigin ta tenlos zusehen würde, wie er sich von seinen Fesseln befreite. Folglich stecken wir beide in einem Di lemma! überlegte er. Und da wir uns nicht einigen können, wird derjenige gewinnen, der sich zuerst aus seinem Dilemma befreit. Aber er sah weder für sich noch für die Königin einen Ausweg.
10. Algonkin-Yatta hatte eine Möglichkeit übersehen. Das mochte daran liegen, daß er während seiner Ausbildung zum Kundschaf ter darauf trainiert worden war, alle Ent scheidungen auf sich allein gestellt zu tref fen und zur Entscheidungshilfe ausschließ lich die Psiotronik seines Kundschafter schiffs zu nutzen. Das wäre auch so geblieben, hätte er nicht auf seinem vorgeschriebenen Kundschafter
47 kurs Anlytha in einem Raumschiffswrack gefunden und notwendigerweise bei sich aufgenommen – und wäre er nicht vom vor geschriebenen Kundschafterkurs abgewi chen, um hinter Kristallprinz Atlan herzuja gen, dessen Persönlichkeit ihn faszinierte, obwohl er ihn nur aus Schilderungen anderer Lebewesen kannte. Anlytha hatte sich zwar inzwischen daran gewöhnt, daß Algonkin-Yatta die Entschei dungen traf und sich auch von ihr nicht hin einreden ließ. Aber als der Kundschafter im Raumschiff der Insekten verschwunden war und die Insektenkönigin ihr und Khoruna Skapron über Funk mitgeteilt hatte, daß er in ihrer Gewalt sei, fand sie sich berechtigt, ei gene Entscheidungen zu treffen. Als erstes rief sie mit dem Hyperfunkge rät der Pfadfinderkapsel die Psiotronik des Kundschafterschiffs an und schilderte ihr die Lage. »Ich würde den Kundschafter mit einem Transmitterstrahl an Bord holen, wenn ich die Koordinaten seines derzeitigen Aufent haltsorts genau kennen würde«, erklärte die Psiotronik. »Er befindet sich im Raumschiff der In sekten«, erwiderte Anlytha. »Das genügt nicht, um den Transmitter strahl exakt zu justieren«, entgegnete die Psiotronik. »Wenn ich den Kundschafter nicht genau erfasse, kommt er unvollständig hier an, was gleichbedeutend mit seinem Tod wäre. Er besitzt zwar in seinem Gehirn ein Miniatur-Kommandogerät, aber das kann er nur aktivieren, wenn die psionische Komponente seines Geistes funktionsfähig ist. Das scheint nicht der Fall zu sein, denn ich empfange keine psionischen Impulse von ihm.« Khoruna Skapron beugte sich über das Hyperfunkgerät und sagte: »Dennoch muß etwas geschehen, denn ich fürchte, daß die Insektenkönigin ihn so unter Druck setzt, daß er schließlich in ihrem Sinne handelt.« »Ein Kundschafter läßt sich nicht zu einer Handlung zwingen, die mit seinen ethischen
48 und moralischen Vorstellungen unvereinbar ist«, erklärte die Psiotronik. »Eher würde er sterben.« »Dann wird Algonkin-Yatta sterben«, sagte der Arkonide. »Wie ich die Insekten königin einschätze, ist sie auf eine bestimm te Aufgabe programmiert – und diese Auf gabe ist die Unterwerfung anderer intelli genter Lebewesen. Sie kann offenbar nicht davon abweichen, also wird sie den Kund schafter töten, wenn er nicht nachgibt.« »Ich sehe keine Möglichkeit, dem Kund schafter zu helfen, ohne ihn damit gleichzei tig zu gefährden«, erwiderte die Psiotronik. »Einen Augenblick!« warf Anlytha ein. »Psiotronik, wir gehen davon aus, daß die Königin alle anderen Insekten ihres Volkes mit Emotioimpulsen lenkt. Die Trägerwelle dieser Impulse müßte psionischen Charak ters sein, vor allem auch, da sie gleichzeitig der Rückkopplung dient.« »Das ist logisch – und es trifft zu, denn ich kann die psionische Trägerwelle anmes sen«, antwortete die Psiotronik. Anlytha zwitscherte frohlockend. »Dann gibt es eine Möglichkeit, Algonkin zu retten«, behauptete sie. »Wenn nicht er durch einen Transmitterstrahl an Bord ge holt werden kann, weil er keine psionischen Impulse ausstrahlt und seine Position sich deshalb nicht bestimmen läßt, so müßte sich doch die Position der Insektenkönigin mit Hilfe ihrer psionischen Trägerwelle genau bestimmen lassen. Es dürfte demnach nicht schwierig für dich sein, sie an Bord zu ho len. Sie könnte den Kundschafter dann nicht mehr bedrohen.« »Ausgezeichnet!« rief Khoruna Skapron begeistert. »Es gibt nur eine Schwierigkeit dabei«, erklärte die Psiotronik. »Da die Insektenkö nigin von mir als Feind eingestuft wurde, darf ich sie nur auf ausdrücklichen Befehl des Kundschafters an Bord holen. Der Kundschafter ist aber zur Zeit nicht in der Lage, mir einen solchen Befehl zu erteilen.« »Er wird diesen Befehl sicherlich nach träglich bestätigen«, sagte Anlytha.
H. G. Ewers »Ein Befehl muß vor seiner Ausführung erteilt werden«, entgegnete die Psiotronik. »Bist du nicht eine robotische Einheit?« warf Khoruna Skapron ein. »Im weitesten Sinne, ja«, antwortete die Psiotronik. »Dann sollten auch für dich die Roboter gesetze gelten, die meines Wissens überall ähnlich sind, wo Roboter als dienende Ele mente ihrer Herren arbeiten«, erklärte der Zweifache Sonnenträger. »So darf beispiels weise ein Roboter niemals zulassen, daß durch seine Passivität seinen Herren Scha den zugefügt wird. Gilt das auch für dich?« »Sinngemäß, ja«, erwiderte die Psiotro nik. »Dennoch darf ich in diesem speziellen Fall nicht ohne ausdrücklichen Befehl des Kundschafters aktiv werden.« »Aber du kennst seine Situation und du kennst ihn«, sagte der Arkonide. »Folglich kannst du daraus schließen, welchen Befehl er dir erteilen würde, wenn er dazu in der Lage wäre. Der Befehl ist also praktisch da, nur kann er dir nicht übermittelt werden. Ei ne Notlage sollte es dir aber ermöglichen, auch einen unausgesprochenen Befehl zu befolgen.« »Das ist richtig«, erklärte die Psiotronik. »Du bist intelligenter als ich bisher annahm, Khoruna Skapron. Ich werde den unausge sprochenen Befehl ausführen. Es wird sehr amüsant sein, die Reaktionen der Insekten königin zu beobachten, wenn sie sich plötz lich an Bord des Kundschafterschiffs befin det.« »Amüsieren kannst du dich später!« schimpfte Anlytha. »Jetzt handle endlich!« »Ich habe bereits gehandelt, schöne Vo gelkönigin«, sagte die Psiotronik mit melo discher Stimme.
* Als die Insektenkönigin von einem Au genblick zum andern verschwand, konnte Algonkin-Yatta sich das nicht erklären. Er zögerte jedoch nicht, die veränderte Situati on auszunutzen.
Von Xuura kam der Tod Als er seine Muskeln anspannte, bestätig te sich die frühere Feststellung, daß die Fes seln, die seine Hände und Füße zusammen hielten, von ungewöhnlicher Festigkeit wa ren. Sie rissen erst beim dritten Versuch. Der Kundschafter massierte seine Hand gelenke, anschließend betrachtete er die zer rissenen Fesseln. Sie schienen aus organi schem Material gefertigt zu sein, waren demnach wahrscheinlich von einem Körper organ der Königin erzeugt worden. Algonkin-Yatta erhob sich und stellte sich auf den unbeweglichen Mittelkreis des kup pelförmig gewölbten Raumes, der gerade so hoch war, daß er aufrecht darin stehen konn te. Er schaltete sein Kommando-Armband ein und sagte: »Kundschafter an Psiotronik! Melde dich!« »Psiotronik an Kundschafter!« tönte die melodische Stimme aus seinem Gerät. »Ich bitte darum, mir zu bestätigen, daß du den Befehl geben wolltest, die Insektenkönigin mit einem Transmitterstrahl an Bord zu ho len.« »Wie?« rief Algonkin-Yatta überrascht. »Du hast die Insektenkönigin aus eigenem Antrieb mit einem Transmitterstrahl an Bord geholt, obwohl du sie sicher als Feind ein stuftest?« »Ich wurde durch Argumente dazu veran laßt, die ich als zwingend einstufte«, antwor tete die Psiotronik. »Diese Argumente be sagten, daß aus deiner Situation zu schließen sei, welchen Befehl du mir erteilen würdest, wenn du dazu in der Lage wärst – und daß eine Notlage es mir ermöglichen müßte, auch einen unausgesprochenen Befehl zu befolgen. Sollte ich die Lage und deine Ab sichten aber falsch eingeschätzt haben, wer de ich meine Handlung rückgängig machen müssen.« Der Kundschafter lachte. »Nein, das ist nicht erforderlich. Selbst verständlich hätte ich dir diesen Befehl er teilt, wenn ich dazu in der Lage gewesen wäre. Wer hat meine Absichten denn erra
49 ten?« »Es war Khoruna Skapron – und er wurde von Anlytha unterstützt.« »Das hätte ich ihm nicht zugetraut.« »Ich auch nicht – und das sagte ich ihm auch.« »Das wird ihn beinahe umgeworfen ha ben, Psiotronik. Wie verhält sich die Insek tenkönigin?« »Sie war zuerst fassungslos, dann erlitt sie einen Schock, weil bei dieser Entfernung ih re Verbindung zu ihrem Volk nicht mehr funktioniert. Inzwischen habe ich ihr die Einsicht vermittelt, daß sie umdenken muß, wenn ihr Volk nicht infolge des fehlenden Kontakts zugrunde gehen soll.« »Ich hätte nicht gedacht, daß sie einer Einsicht fähig ist«, meinte der Kundschafter. »Als ich mit ihr sprach, erhielt ich den Ein druck, daß sie sich in einem Denkschema bewegt, aus dem sie sich nicht befreien kann.« »Der Schock und die Sorge um ihr Volk haben offenbar das Denkschema aufgebro chen, Kundschafter«, erklärte die Psiotronik. »Das war umso leichter, als ihr dieses Denk schema unter Vorspiegelung falscher galak tischer Verhältnisse von außen aufgeprägt wurde. Sie ist von verbrecherisch handelnden Lebewesen mißbraucht worden. In die sem Zusammenhang wird dich sicher inter essieren, daß sie Informationen über Kri stallprinz Atlan besitzt.« »Was?« rief Algonkin-Yatta. »Dann hole mich herauf, Psiotronik!« Er fuhr herum, als er Geräusche hörte. Als er Bewegung in einer der Wandöffnungen sah, schaltete er seinen Handscheinwerfer ein. Der Lichtkegel riß einen von fliederfar bener Haut bedeckten und mit einem weißen Federkamm geschmückten Kopf aus der Dunkelheit. »Welcher Idiot blendet mich denn da?« schimpfte Anlythas Stimme. »Ich«, antwortete der Kundschafter und richtete den Lichtkegel auf den Boden. »Vielen Dank für deine und Skaprons Hilfe. Wie sieht es draußen aus, Anlytha?«
50 »Die Insekten rühren sich nicht mehr«, antwortete Anlytha. »Ich fürchte, sie haben ihren Lebenswillen verloren. Skapron küm mert sich um sie, so gut er kann.« »Was, der Arkonide will den Insekten helfen?« entfuhr es dem Kundschafter. »Das ist eine erstaunliche Wandlung.« Anlytha zwitscherte hell. »Na, ja, ich habe ihm ein bißchen auf die Sprünge geholfen, Algonkin. Er hält sich für den Insektenkönig.« Der Kundschafter lachte so laut, daß An lytha erschrocken durch das Loch flüchtete, durch das sie eben gekommen war. Doch dann besann er sich darauf, daß die Insek tenkönigin Informationen über Atlan besaß. Er wurde wieder ernst und sagte: »Ich muß ins Schiff und mit der Königin reden, Anlytha. Bleib du bitte hier, damit Skapron nicht aus deinem Einflußbereich gerät!« Er hob sein Kommandogerät hoch und sagte: »Hole mich an Bord, Psiotronik!« Im nächsten Augenblick bot sich ihm ein phantastischer Anblick. Er stand im Trans mitterraum und sah außerhalb des Transmit terkreises die Insektenkönigin auf dem Bo den hocken und auf einen Bildschirm star ren, auf dem Informationsfilme die Beleh rungen der Psiotronik begleiteten. Die melo dische Stimme der Psiotronik wurde von dem Translator der Königin in ihre Sprache übersetzt. Der Kundschafter wartete, bis die Psiotro nik ihr Umorientierungsprogramm von sich aus unterbrach und die Insektenkönigin von der Ankunft Algonkin-Yattas unterrichtete. Die Königin drehte sich zu dem Kund schafter um, sah ihn lange an und sagte dann: »Du wirst mich töten wollen, Algonkin-Yat ta, aber ich bitte dich um Gnade, denn ohne mich müßte mein Volk sterben.« »Ich habe nicht vor, dich zu töten, Köni gin«, erwiderte der Kundschafter. »Meine Absicht war und ist die, zwischen dir und den Maahks zu vermitteln. Die Maahks wol len den Frieden und werden auf Rache ver zichten. Wenn du ebenfalls den Frieden
H. G. Ewers willst und deinem Volk diesen Willen über mittelst, sehe ich keine Schwierigkeiten für ein friedliches Nebeneinander und vielleicht sogar für ein friedliches Miteinander von MKschadoors und Maahks.« »Ich will den Frieden, denn ich habe er kennen müssen, daß ich von meinen frühe ren Herren fehlgeleitet wurde«, erklärte die Königin. »Damit kommen wir zu dem Thema, das mich zusätzlich interessiert«, sagte Algon kin-Yatta. »Die Psiotronik berichtete mir, du hättest Informationen über Atlan. Was weißt du von Atlan?« »Er kämpfte auf dem Planeten Xuura, von dem mein Volk hierher kam, gegen meine Herren, die Gebrüder Geigo«, berichtete die Königin. »Wie meine Herren sagten, hatten sich Atlan, Fartuloon und Mexon aus der Gewalt des Händlers Garzohn befreit, bevor sie auf Xuura landeten und mit Hilfe einer anderen Insektenkönigin gegen meine Her ren kämpften. Meine Herren starteten dar aufhin das Raumschiff, in dem ich mich mit der Keimzelle meines Volkes befand, per Fernschaltung und schickten es hierher, wo wir uns vermehren und darauf warten soll ten, daß wir eines Tages abgeholt und unse rer eigentlichen Aufgabe zugeführt würden. Wir wußten nicht, daß auf Kaahlzoch eine Kolonie Maahks lebt, aber wir reagierten auf ihre Anwesenheit unserer Ausbildung ent sprechend, die vorsah, andere Intelligenzen zu unterwerfen.« »Kristallprinz Atlan hat sich also befreien können!« rief der Kundschafter freudig er regt. »Ich bin froh, daß Garzohn ihn nicht nach Arkon bringen und seinem Todfeind übergeben kann. Königin, weißt du etwas darüber, wohin Atlan von Xuura aus fliegen wollte?« »Darüber weiß nicht nichts, Algonkin-Yat ta«, sagte die Königin. »Darf ich zu meinem Volk zurück?« »Ich vertraue dir«, sagte der Kundschaf ter. »Psiotronik, strahle uns auf einen freien Platz zwischen der Siedlung der Maahks und der der M-Kschadoors! Wir werden versu
Von Xuura kam der Tod
51
chen, heute noch einen Vertrag zwischen beiden Parteien auszuhandeln.«
* Algonkin-Yatta, Anlytha und Khoruna Skapron blickten auf die rückwärtigen Bild schirme und sahen zu, wie der Planet Kaahl zoch allmählich schrumpfte und schließlich unsichtbar für sie im All zurückblieb. »Ich hätte es nie für möglich gehalten«, sagte der Arkonide erschüttert. »Was?« fragte Anlytha. »Daß Maahks und M-Kschadoors sich nicht nur auf einen Frieden geeinigt haben, sondern sogar kooperieren wollen«, antwor tete Khoruna Skapron. Die Augen des Kundschafters leuchteten auf. »Es kommt nur auf die innere Einstellung beider Partner an«, erklärte er. »Vielleicht entwickelt sich aus der Kooperation später sogar eine Doppelzivilisation, dann würde Kaahlzoch beweisen, daß Sauerstoffatmer und Wasserstoffatmer keine natürlichen Feinde sind, sondern Kinder des Kosmos, die zugleich Brüder sind.« »Unsinn!« wehrte Khoruna Skapron ab. »Kaahlzoch wird ein Einzelfall bleiben.« Er roch an seinen Händen. »Mir wird jetzt noch übel, wenn ich daran denke, wie ich in stin kenden Insektengängen herumgekrochen bin, und ich begreife nicht, warum ich das getan habe.«
»Das Gute in Ihnen hat wenigstens einmal gesiegt«, erklärte Anlytha und zwitscherte hell. Algonkin-Yattas Gesicht verfinsterte sich. »Aber ich habe Atlans Spur wieder verlo ren.« Er seufzte. »Wenigstens befindet sich der Kristallprinz nicht mehr in Gefahr.« »Wie ich ihn einschätze, wird er sich gleich in die nächste Gefahr stürzen«, mein te der Zweifache Sonnenträger. »Erinnern Sie sich nicht mehr daran, daß ich Ihnen sagte, er könnte planen, an den KAYMU URTES teilzunehmen?« »An den Arenaspielen im Dubnayor-Sy stem?« fragte Algonkin-Yatta erregt. »Richtig«, antwortete Khoruna Skapron. »Falls es Atlan gelingt, als einer der Sieger aus den KAYMUURTES hervorzugehen, könnte er im Triumph nach Arkon zurück kehren, was seine Position zweifellos stär ken würde.« »Ich erinnere mich daran, daß Sie das schon einmal sagten«, erwiderte der Kund schafter. »Wir werden sofort Kurs auf das Dubnayor-System nehmen – und ich hoffe, daß ich diesmal Glück habe und mit Kri stallprinz Atlan zusammentreffen kann.« »Sie sind unverbesserlich«, sagte Khoru na Skapron. Aber der Kundschafter nahm es gar nicht zur Kenntnis.
ENDE
Lesen Sie nächste Woche ATLAN Nr. 290: Die Zeitkapsel von H. G. Ewers Der kosmische Kundschafter im Strudel der Zeit – er wirft einen Blick in die Zukunft