Nr. 263
Die Königin von Xuura Insekten auf dem Kriegszug - ihre Opfer sind Arkoniden von Clark Darlton
Das Große Impe...
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Nr. 263
Die Königin von Xuura Insekten auf dem Kriegszug - ihre Opfer sind Arkoniden von Clark Darlton
Das Große Imperium der Arkoniden kämpft um seine nackte Existenz, denn es muß sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums schwer zu schaffen machen. Die inneren Feinde Arkons sind die Herrschenden selbst, deren Habgier und Korruption praktisch keine Grenzen kennen. Gegen diese inneren Feinde ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, bereits mehrmals erfolgreich vorgegangen. Selbst empfindli che Rückschläge entmutigen ihn nicht und hindern ihn und seine Helfer nicht daran, den Kampf gegen Orbanaschol III., den Usurpator, mit aller Energie fortzusetzen. Gegenwärtig ist Atlan allerdings nicht imstande, an diesem Kampf persönlich mit zuwirken. Er und seine engsten Gefährten, zu denen nun auch Mexon, der ehemali ge Mondträger, gehört, sind nach wiederholter Gefangenschaft erst wieder auf dem Weg in die Freiheit, das heißt zu ihrem geheimen Stützpunkt Kraumon. Aber dieser Weg hat Hindernisse aufzuweisen. Denn bevor der Kristallprinz, Fartu loon, sein Lehrmeister, und Mexon, der Mondträger, im gekaperten Raumschiff Garz ohns ihr angestrebtes Ziel erreichen können, müssen die Männer sich erst ihrer Ge fangenen entledigen. Xuura, ein angeblich unbedeutender arkonidischer Depotplanet, scheint für diesen Zweck geradezu ideal zu sein. Dabei haben sich dort entscheidende Veränderungen angebahnt – und den Plane ten regiert DIE KÖNIGIN VON XUURA …
Die Königin von Xuura
3
Die Hautpersonen des Romans:
Atlan, Mexon und Fartuloon - Der Kristallprinz und seine Gefährten haben ein Schiff gekapert.
Drahmosch Garzohn und Koul Vaahrns - Zwei Arkoniden, die Atlan verkaufen wollen.
Corenar - Besatzungsangehörige eines Flottendepots.
Ädirou und Bälthir Geigo - Zwei verbrecherische Wissenschaftler.
Prolog Die kleine gelbe Sonne war zwar in den Sternkarten des Arkonidischen Imperiums verzeichnet, trug jedoch lediglich eine Num mernbezeichnung. Sie wurde von nur einem Planeten umlaufen, der in den Karten nicht einmal erwähnt wurde. Hätte sich ein neugieriger Kommandant der arkonidischen Raumflotte die Mühe ge macht, dem namenlosen Planeten einen Be such abzustatten, er wäre überrascht gewe sen. Statt eines leblosen und unwirtschaftli chen Himmelskörpers wäre er einer Welt be gegnet, auf der sich eine äußerst verdächtige Geschäftigkeit abspielte. Doch die Kommandanten der Arkonflotte hatten andere Sorgen und Aufgaben. Die Maahks machten ihnen schwer zu schaffen, außerdem begann es im Gebälk des Imperi ums zu knistern. Die Angriffe aus dem Un tergrund gegen Orbanaschol III. mehrten sich von Tag zu Tag. So kam es, daß niemand den scheinbaren Frieden auf dem namenlosen Planeten störte und sich dort Dinge vorbereiten konnten, die zum Sturz des Großen Imperiums führen sollten. Das wenigstens war die Absicht von Ne vis-Latan, Faktor V unter den »Meistern der Insel«…
* Mit finsterer Miene stand er vor dem wandgroßen Bildschirm, der ein Viertel des ganzen Raumes ausfüllte. Es war, als blickte er direkt auf die Oberfläche des Planeten. Das Raumschiff war erst vor kurzer Zeit gelandet, nachdem die Kontrollstation dazu die Erlaubnis erteilt hatte. Die Anwesenheit
der drei Tefroder Rykmoon, Herschon und Kankral an Bord hatte genügt, Nevis-Latans Bedenken zu zerstreuen. Ihre angemeldete Rückkehr von Travnor, dem Flottenstütz punkt der Arkoniden, mußte aber eine be sondere Bedeutung haben. Welche Bedeu tung? Sollte das Unternehmen gescheitert sein? Der Verdacht von Faktor V schien sich zu bestätigen, als die Ladeluken des Raumers geöffnet wurden. Arkoniden – Nevis-Latan sah sofort, daß es sich um willenlose Duplos handelte – begannen damit, Einzelteile eines Multiduplikators zu entladen – des Multidu plikators, der auf einer der beiden Raumsta tionen Travnors installiert gewesen war. Nevis-Latan selbst hatte den Befehl zu ei nem teilweisen Rückzug von Travnor gege ben, nicht aber zur Rückschaffung des kom plizierten Geräts nach Stützpunkt Null, wie er bei sich den namenlosen Planeten getauft hatte. Und nun kehrten die drei Tefroder mit dem Multiduplikator zurück, mit dessen Hil fe sich nach den Atomschablonen der ent sprechenden Individuen beliebig viele Du plos herstellen ließen. Duplos, die das Impe rium der Arkoniden unterwandern und stür zen sollten … »Sie haben sich nicht an meine Befehle gehalten«, murmelte er vor sich hin, die flei schigen Hände wütend zu Fäusten geballt. Er war ein großer, imposant wirkender Mann, trug das Haar sehr kurz, was im Ge gensatz zu seinen buschigen Augenbrauen stand. »Sie werden mir einiges erklären müssen, diese Kreaturen!« Er wußte, daß er abwarten konnte, ohne erneut Anordnung zu geben. Gyal Rykmoon, der Anführer der Tefroder, würde wissen, daß er ihn sofort zu sprechen wünschte, ihn und seine beiden Begleiter.
4 Er sah sie aus dem Schiff kommen und bei den bereits ausgeladenen Teilen des Multiduplikators stehenbleiben. Sie unter hielten sich, als sei nichts von Bedeutung geschehen. Fkontha Herschon deutete auf ei nige Kisten und machte eine Bemerkung. Lergon Kankral, der dritte im Bunde, lachte sogar. Nevis-Latan fühlte, wie sein Ärger sich in Verbitterung verwandelte. Hatten die drei Tefroder ihre Aufgabe so wenig ernst ge nommen, daß sie den Rückschlag bereits verdaut hatten? Machten Sie sich keine Sor gen wegen der Vorwürfe, die sie erwarteten? Fürchteten Sie nicht seinen Zorn?. Endlich setzte sich Rykmoon und seine beiden Begleiter in Richtung der Station in Bewegung. Vorbei an den Robotwachen be traten sie das Gebäude. Nevis-Latan schaltete den Bildschirm ab und setzte sich hinter den massiven Tisch. Mit einem Knopfdruck aktivierte er den Energieschirm, der ihn von der Außenwelt isolierte und gegen jeden Angriff absicherte. Eine Lautsprecheranlage stellte die Verbin dung zu seinen Geschäftspartnern her. »Eintritt genehmigt«, ordnete er an, als die Wachautomatik die Besucher nach der Identifizierung anmeldete. Die Tür öffnete sich, die Tefroder traten ein. Hinter ihnen schloß sich die Tür wieder. »Rückzug wie befohlen durchgeführt«, meldete Rykmoon im Brustton der Überzeu gung, alles richtig gemacht zu haben. »Das war kein Rückzug, das war Flucht!« donnerte Nevis-Latans Stimme über den Lautsprecher. »Evakuierung und Abwarten, ja! Aber keine überstürzte Flucht! Habt ihr meine letzten Anordnungen nicht mehr er halten?« »Sie kamen zu spät«, entschuldigte sich Rykmoon. »Aber wir hätten auch keine an dere Möglichkeit gehabt, als uns vollends zurückzuziehen. Wenn Sie unseren vollstän digen Bericht vernommen haben, werden Sie das einsehen. Ich nehme sogar an, daß Sie uns ein Lob aussprechen, wenn Sie alles wissen.«
Clark Darlton »Lob?« Nevis-Latans Stimme drückte Verachtung und Spott aus. »Wofür ein Lob, wenn wir durch Ihre Unfähigkeit eine wich tige Bastion verloren haben?« Rykmoon warf seinen beiden Kollegen einen bedeutsamen Blick zu. »Sie kennen die Namen der wichtigsten Männer des Großen Imperiums, nehme ich an. Sicher dürfte Ihnen auch der Name Atlan bekannt sein.« »Atlan, der Rebell?« vergewisserte sich Faktor V. »Der Kristallprinz!« verbesserte Rykmoon triumphierend. »Der Todfeind Or banaschols, der seinen Vater ermorden ließ.« »Was hat dieser Atlan mit unserem Plan zu tun?« »Er war auf Travnor, großer Meister. Wir wurden seiner habhaft und duplizierten ihn und seinen engsten Freund. Beide sind nun auf dem Weg nach Arkon. Dort werden sie nach unseren Befehlen handeln. Sie werden die Macht Orbanaschols untergraben, ohne Rücksicht auf ihr eigenes Leben zu nehmen. Die Aufgabe des Stützpunkts Travnor hat sich bereits jetzt bezahlt gemacht.« Viel zu vorsichtig, schon jetzt seine Aner kennung für den klugen Plan zu zeigen, hielt Nevis-Latan mit dem beabsichtigten Lob zu rück. Es würde die Tefroder nur übermütig machen. »Na schön«, gab Nevis-Latan fast wider willig zu. »ihr habt einen Duplo dieses At lans nach Arkon geschickt. Was versprecht ihr euch davon?« Wenn die Tefroder enttäuscht waren, so verbargen sie es geschickt. »Ihr wißt, Meister, daß wir bereits eine nicht geringe Anzahl von Duplos in das Sy stem Arkon eingeschleust haben. Man nennt sie die ›Schläfer‹. Ihnen wird es mit Hilfe Atlans und anderer einflußreicher Arkoniden möglich sein, eine Atomschablone des Im perators herzustellen. Und nicht nur eine, sondern beliebig viele. Ermessen Sie, wel che Folgen das für das Große Imperium ha ben könnte!«
Die Königin von Xuura Nevis-Latan schwieg eine Weile. Ihm war sofort klar, welchen kühnen Plan der Tefro der vorschlug. Das arkonidische Imperium konnte von innen her ausgehöhlt werden. Es war kaum auszudenken, was geschehen wür de, wenn Orbanaschol plötzlich an verschie denen Stellen des Reiches auftauchte und unterschiedliche Anweisungen erließ. Viel leicht war es auch möglich, den echten Or banaschol verschwinden zu lassen und das Reich durch einen Duplo weiterregieren zu lassen. Durch einen Imperator also, der Ne vis-Latans ureigenes Geschöpf war. Alle diese Möglichkeiten zuckten blitz schnell durch das Gehirn des Inselmeisters. »Nicht schlecht«, gab er schließlich zu. »Ich hoffe nur, ihr habt dem Duplo Atlan die richtigen Informationen mitgegeben.« »Selbstverständlich«, versicherte Gyal Rykmoon. »Außerdem befindet sich bei ihm der Du plo Fartuloon, einer seiner engsten und be sten Freunde. Auch er wurde entsprechend programmiert.« »Ausgezeichnet!« entfuhr es Nevis-Latan unwillkürlich. Aber er schränkte sofort sein Lob wieder ein. »Aber mit der übereilten Ausführung dieses Plans ist der Erfolg noch lange nicht sicher. Vielleicht hätten wir vor her noch ausführlicher darüber beraten sol len.« »Dazu blieb zu wenig Zeit«, entschuldigte sich Rykmoon. Nach einer Pause sagte Nevis-Latan: »Also gut, die Aktion läuft, und ich kann nicht mehr eingreifen. Wir müssen abwar ten, wie sie sich entwickelt. Bis wir mehr darüber wissen, haben alle weiteren DuploAktivitäten zu unterbleiben. Das ist ein strikter Befehl, Rykmoon! Alle unsere Kräf te haben sich auf die Aktion Arkon und Or banaschol zu konzentrieren. Was würde üb rigens aus dem echten Atlan? Aus dem ech ten Fartuloon und den anderen Arkoniden?« Rykmoon sagte bedrückt: »Wir wissen es nicht, aber wir nehmen an, daß sie fliehen konnten.« Nevis-Latan hatte endlich einen schwa
5 chen Punkt entdeckt, der ihm dazu diente, sich jegliches Lob für den klugen Tefroder zu ersparen. »So, sie sind geflohen? Und was wird ge schehen, wenn es diesem Atlan gelingt, un sere Pläne zu durchkreuzen? Wenn er im System Arkon auftaucht, kann es Schwierig keiten geben.« »Nur für ihn, Meister«, versicherte Rykmoon überzeugt. »Orbanaschol ist sein Todfeind, wie ich bereits feststellte. Er wird es nicht wagen, die Höhle des Löwen aufzu suchen. Er bedeutet keine Gefahr für unse ren Plan! Mag er sein, wo er will, er kann uns nicht mehr schaden.« »In eurem Interesse will ich hoffen, daß ihr recht behaltet.«
1. Drahmosch Garzohn hatte zum ersten Mal in seinem Leben ein schlechtes Geschäft ab geschlossen. Er hatte sich Ehre und Reichtum davon versprochen, den gefangenen Atlan, auf des sen Kopf eine hohe Belohnung ausgesetzt war, nach Arkon zu schaffen. Darum hatte er auch sofort eingewilligt, als Vaahrns ihm den Handel vorschlug. Bereitwillig hatte er seinen alten Zwei hundert-Meter-Kugelraumer zur Verfügung gestellt und den Kurs nach Arkon program miert. Die beiden Gefangenen – Atlan und Mexon, der ehemalige Raumschiffskom mandant, – waren sicher untergebracht. Doch kurz nach dem Start war es dann pas siert. Zwei Männer hatten sich an Bord geschli chen und die Gefangenen befreit. Dazu noch war es ihnen gelungen, ihn, Vaahrns und die Mannschaft zu überwältigen und das Schiff in ihren Besitz zu bringen. Der vierte Mann blieb jedoch nicht an Bord. Atlan gab ihm ein Beiboot, mit dem er sich absetzte. »Das konnte ich alles nicht ahnen«, mur melte Koul Vaahrns und wälzte seinen fülli gen Körper auf die andere Seite. »Was wird
6 man mit uns machen?« »Umbringen, was sonst? Ich an ihrer Stel le würde es tun.« Garzohn warf seinem Ge schäftspartner einen giftigen Blick zu. »Hätte ich mich nur nicht auf diese ver dammte Sache eingelassen!« »Sie haben uns hereingelegt, warum sollte uns das nicht auch gelingen?« »Die sind schlauer als wir – und vorsichti ger.« Vaahrns gab keine Antwort. Man hatte sie in einem größeren Lade raum eingesperrt, der durch ein elektrisches Schloß gesichert wurde. Ohne fremde Hilfe war ein Ausbruch absolut ausgeschlossen. Der Dicke, der sich Fartuloon nannte, brachte die Verpflegung. Draußen auf dem Gang stand Mexon mit entsichertem Strahler. Fartuloon erinnerte an einen Tramp. Ebenso wie Atlan und Mexon hatte er sich aus dem Magazin des Handelsraumers Klei dung besorgt, die jedoch alles andere als neu war. Auf seinen Lederharnisch allerdings wollte er nicht verzichten. Sein geheimnis volles Schwert, das Skarg, hing an seiner Seite. »So ändern sich die Zeiten«, sagte Fartu loon und stellte die Kiste mit den Konzen traten auf den Boden. »Immerhin lassen wir euch nicht verhungern, obwohl ihr es ver dient hättet.« »Ich habe damit überhaupt nichts zu tun«, behauptete Garzohn. »Schließlich bin ich Händler und befördere alle Arten von Frach ten.« »Sicher, sicher«, entgegnete Fartuloon. »Hauptsächlich lebende Handelsware. Ihr könnt von Glück reden, daß wir euch daran gehindert haben, bis nach Arkon zu gelan gen. Orbanaschol hätte euch statt einer Be lohnung den Kopf vor die Füße gelegt. Eure Köpfe, wohlgemerkt!« »Der Imperator hält sein Wort!« prote stierte Garzohn empört. »Dieser nicht!« erwiderte Fartuloon kurz angebunden und verließ den Lagerraum. Als sich die Tür geschlossen hatte, knurr-
Clark Darlton te Vaahrns zornig: »Bei denen hilft keine Ausrede, Garzohn! Das Urteil über uns ist bereits gefällt. Sie werden uns irgendwo aus dem Schiff wer fen.«
* In der Kommandozentrale des gekaperten Handelsraumers saß Atlan im Sessel vor den Kontrollen. Über Interkom verfolgte er auf merksam den Weg seiner beiden Freunde Fartuloon und Mexon, die nun in die Zentra le zurückkehrten. »Ich komme mir vor wie ein hochherr schaftlicher Diener«, maulte Fartuloon und setzte sich auf die Ruhecouch. »Jetzt kann ich während des ganzen Fluges nach Krau mon diese Halunken füttern.« Atlan nickte Mexon, dem neuen Verbün deten, zu. »Du kannst mich ablösen. Die nächste Transition steht kurz bevor.« Der Mondträger nahm in Atlans Sessel Platz. »Ich wollte noch mit dir darüber spre chen, Atlan. Willst du diese Gauner tatsäch lich mit nach Kraumon nehmen? Schließlich handelt es sich um deinen geheimen Stütz punkt.« »Natürlich nicht, mein Freund. Aber was sollen wir mit ihnen machen? Einfach abset zen? Und wo?« »Das finden wir noch heraus. Ich will grundsätzlich nur wissen, ob wir sie mitneh men oder freilassen. Auf der anderen Seite haben wir in Erfahrung bringen können, daß Arkon in größter Gefahr ist. Hinter den Te frodern steht eine Macht, von der wir nichts wissen. Wäre es unter diesen Umständen nicht besser, unsere Lage noch einmal zu überdenken?« Atlan warf ihm einen forschenden Blick zu. »Wie meinst du das genau, Mexon?« Der Arkonide mit dem kurzen Silberhaar und dem kantigen Gesicht, lächelte. »Ich meine, daß der Bestand des Imperi
Die Königin von Xuura ums wichtiger ist als persönliche Rache, At lan. Wir sollten dem Imperium helfen. Wir müssen Orbanaschol warnen, ob es uns ge fällt oder nicht.« »Er wird gewarnt werden, und zwar durch Baynisch, dem Agenten.« Mexon nickte. »Er wird seinen Vorgesetzten berichten – aber er wird auch berichten, daß er uns ge troffen hat. Die Jagd wird erneut beginnen.« »Sie hat niemals aufgehört«, korrigierte Atlan ruhig. »Und sie wird auch niemals aufhören, solange Orbanaschol lebt. Denn er sitzt an meinem Platz.« »Und warum willst du zurück nach Krau mon?« »Nicht nur, Mexon. Vergiß nicht unsere Freunde, Karmina Arthamin, Vorry und Ra. Wir werden uns um sie kümmern müssen. Außerdem – das nebenbei – finden wir auf Kraumon alles, was wir für den weiteren Kampf brauchen. Daran führt kein Weg vor bei.« »Also die Gefangenen!« schloß Mexon aus Atlans Worten. »Sie sind das Problem?« »Sie sind es«, bestätigte Atlan. Fartuloon sagte mit grollender Stimme aus dem Hintergrund der Zentrale: »Ich sehe da kein besonderes Problem, Freunde. Planeten gibt es doch genug hier. Wir suchen einen, landen, lassen sie ausstei gen und fliegen weiter. Wo ist da die Schwierigkeit?« »Sie liegt in der Tatsache, daß ich auf kei nen Fall ihren Tod wünsche, Fartuloon. Wenn wir sie absetzen, dann auf einem Pla neten, auf dem sich zumindest ein Depot der Arkoniden befindet. Ich habe jedoch nicht die geringste Ahnung, wo auf unserer Route ein solcher Planet liegt.« »Garzohn sollte es wissen«, meinte Me xon. »Schließlich ist er in dieser Gegend praktisch zu Hause. Und er wird bereitwillig aussagen, wenn wir ihn vor die Wahl stellen, ob er im freien Raum oder auf einem Plane ten abgesetzt werden möchte.« »Das ist wohl anzunehmen«, murmelte Fartuloon zustimmend.
7 Atlan blieb skeptisch. »Er wird versuchen, uns in eine Falle zu locken. Sobald er bemerkt, daß wir keine Ahnung von den Positionen der Stützpunkte haben, wird er uns die Koordinaten eines stark befestigten Planeten geben, wo man uns einen heißen Empfang bereitet.« »Warum sollte man das? Im Gegenteil: man wird sich freuen, wenn ein Handelsrau mer um Landeerlaubnis bittet.« »Natürlich!« pflichtete nun auch Fartu loon bei. »Dieser Garzohn ist sicher bekannt wie ein bunter Hund. Wir müssen nur darauf achten, daß es sich um einen relativ bedeu tungslosen Stützpunkt handelt, nicht etwa um ein wichtiges Fort oder dergleichen.« »Gibt es keine Unterlagen im Navigati onskomputer?« fragte Atlan. Mexon schüt telte den Kopf. »Ich habe schon danach gesucht. Offiziel le Karten sind vorhanden, aber sie enthalten keine Angaben über die militärischen Ein richtungen.« »Dann sind wir auf die Hilfe Garzohns angewiesen?« »Ja, so sieht es aus«, bestätigte Mexon. »Also gut«, entschied sich Atlan. »Knöpfen wir uns den Burschen einmal vor.« Drahmosch Garzohn hatte nicht die ge ringste Ahnung, was man von ihm wollte. Dieser korpulente Kerl mit dem Schwert war in der Tür des Laderaums stehengeblieben und hatte ihm lediglich mit dem Lauf des Strahlers zugewinkt. In seiner Kommandozentrale hatten sich Atlan und Mexon breitgemacht. »Setz dich, und geredet wird nur, wenn gefragt wird«, befahl Fartuloon und drückte ihn in einen der Sessel. »Was wollt ihr von mir?« fragte der Händler trotzdem. »Wir hätten gern eine Auskunft von Ih nen«, sagte Atlan fast höflich. »Es liegt in Ihrem eigenen Interesse, wenn Sie die Wahrheit sprechen.« »Was für eine Auskunft? Möchten Sie wissen, auf welche Art wir am liebsten das
8 Zeitliche segnen wollen?« Atlan nickte, wie aus einer Eingebung heraus. »Ja, in gewissem Sinn haben Sie recht. Ich will versuchen, es Ihnen zu erklären. Sie können sich vorstellen, daß ich ein Versteck habe, das niemand außer meinen Freunden kennt. Ich kann sie nicht mit dorthin neh men, ohne Sie für den Rest Ihres Lebens einsperren zu müssen. Das wird kaum in Ih rem Interesse liegen.« »Ihr ganzer Stützpunkt interessiert mich nicht!« rief Garzohn aus. »Um so besser werden wir uns verste hen«, versicherte ihm Atlan. »Sie kennen diese Route zwischen Arkon und den Depot planeten der Flotte besser als jeder andere, wenn auch den Karten nicht das geringste zu entnehmen ist …« »Eine Vorsichtsmaßnahme«, unterbrach der Händler und grinste schlau. »Sehr lobenswert«, gab Alan zu. »Sie be stätigen aber damit nur unsere Vermutung. Es geht also darum, daß wir einen Planeten finden, auf dem wir Sie ohne Gefahr für uns absetzen können.« »Nicht umbringen?« »Warum denn? Sie wollten mich an Orba naschol ausliefern, aber eine solche Hand lungsweise entspricht Ihrem raffgierigen Charakter, ist also verzeihlich. Machen Sie Ihren Fehler wieder gut und nützen Sie sich selbst, indem Sie uns einen geeigneten Pla neten verraten. Wir können sie auch auf ei ner total unbewohnten Welt absetzen, auf der Sie bis zum Ende Ihres Lebens unent deckt blieben, aber auch das wollen wir nicht. Der Planet kann also ein Depot sein, ein kleiner Stützpunkt der Flotte, von dem aus Sie die Möglichkeit erhalten, Kontakt mit anderen Schiffen aufzunehmen. Nun, was halten Sie davon?« Es dauerte einige Sekunden, bis Garzohn die Neuigkeit verdaut hatte. In seinem Ge hirn begann es fieberhaft zu arbeiten. Kaum dem sicher geglaubten Tod entronnen, be gann er schon wieder Pläne zu schmieden. »Und was ist mit meinem Schiff?« erkun-
Clark Darlton digte er sich vorsichtig. »Das allerdings sind Sie los«, eröffnete ihm Atlan ungerührt. Garzohn nickte, als hätte er keine andere Antwort erwartet. »Also gut, ich kenne da einige unbefestig te Stützpunkte, die dem Nachschub der Flot te dienen. Unbedeutende Depots, mit denen ich schon Verbindung hatte. Eins davon liegt auf dem jetzt eingeschlagenen Kurs. Allerdings war ich einige Jahre nicht dort, kann also nicht wissen, ob sich etwas geän dert hat.« Mexon hielt ihm eine Karte vor die Nase. »Welches System?« Garzohn ließ seinen Zeigefinger über die Punkte wandern, die Sonnen und Systeme darstellten. »Das ist es – Xuura! Der zweite Planet ei ner gelben Sonne. Eine unbewohnte Sauer stoffwelt mit einem Depot. Ziemlich öde Gegend.« »Das spielt keine Rolle. Sie wären also einverstanden, wenn wir Sie auf Xuura ab setzen?« »Ehe Sie mich umbringen – natürlich.« Später, als Fartuloon den Gefangenen in den Laderaum zurückbrachte, fragte Atlan: »Was meinst du, Mexon? Will er uns aufs Kreuz legen? Hast du schon jemals von Xu ura gehört?« »Nein, und das werte ich als positiv. Wäre dieser Planet ein wichtiger Stützpunkt, wüß te ich das.« »Dieser Garzohn ist ein Gauner von Ge burt an, Mexon. Ich kann mir nicht vorstel len, daß er den Gedanken aufgibt, meinen Kopf zu verkaufen.« »Vaahrns ist auch nicht besser. Aber wir haben keine andere Wahl, wenn wir beide und die Mannschaft nicht mit nach Kraumon nehmen wollen.« Fartuloon kehrte zurück. »Wir sollten ihr Gespräch belauschen«, schlug er vor. Sie befolgten den Rat, aber es kam nicht viel dabei heraus. Die Gefangenen wußten natürlich, daß
Die Königin von Xuura man sie über Interkom beobachten und jedes ihrer Worte abhören konnte. Entsprechend verhielten sie sich. Garzohn und Vaahrns lagen dicht neben einander auf ihrem provisorischen Lager. Atlan überlegte, ob er die beiden Rädelsfüh rer trennen sollte, aber dann entschied er sich dagegen. »Der Interkom bleibt eingeschaltet«, sagte er zu Mexon. »Versuchen wir inzwischen, den Kurs für die Transitionen zu berechnen, damit wir die Bande so schnell wie möglich loswerden …«
* »Wir unterhalten uns später darüber«, hauchte Garzohn in das Ohr des neben ihm liegenden Vaahrns. »Sie überwachen uns.« »Warum setzen wie die Anlage nicht ein fach außer Betrieb?« »Das wäre möglich, aber dann schöpfen sie Verdacht.« »Das tun sie auch so, wenn wir flüstern«, gab Vaahrns zu bedenken. »Das glaube ich nicht. Warum sollten wir nicht über Geschäfte reden, die sie nichts an gehen. In einer Stunde sind sie es leid, dann achten sie nicht mehr so auf uns. Warten wir.« Sie rückten wieder auseinander und ver suchten zu schlafen. Ihre Mitgefangenen verhielten sich ruhig. Sie kannten ihren Kommandanten. Als er ihnen bei seiner Rückkehr fast unmerklich zugenickt hatte, da wußten sie, daß bald etwas geschehen würde. Zwei Stunden später spürten sie alle die Transition und den Entzerrungsschmerz. Vaahrns kam wieder näher und flüsterte: »Eine Transition, Garzohn! Was hat das zu bedeuten?« Der Händler berichtete ohne besondere Vorsicht von seinem Gespräch mit Atlan in der Kommandozentrale. Dann wurde seine Stimme leiser, so daß nur Vaahrns sie noch vernehmen konnte. »Die werden Augen ma chen, wenn sie auf Xuura landen, das ver
9 spreche ich dir. Es gibt dort ein Depot, das stimmt. Aber es gibt auch ein starkes Ab wehrfort mit weitreichenden Geschützen, die jedes Schiff aus dem Himmel herunter holen. Und genau das wird geschehen, so bald Atlan uns abgesetzt hat. Dafür werde ich schon sorgen.« »Wie denn? Ohne Funkgerät?« Garzohn grinste hinterhältig. »Funkgerät brauchen wir dazu nicht, mein Freund. Als ich das letzte Mal hier landete, habe ich die Besatzung des Depots hereinge legt. Sie bezahlten mit gutem Geld für eine verdorbene Ware. Zum Glück haben sie das erst bemerkt, als ich schon die erste Transiti on hinter mir hatte.« Vaahrns konnte seine Enttäuschung nicht verbergen. »Bist du verrückt, Atlan gerade die Koor dinaten zu diesem Planeten zu geben? Die Burschen auf Xuura werden dir einen heißen Empfang bereiten. Sie werden dich einsper ren. Wer weiß, was sie noch tun werden …« »Sollen sie doch! Aber sie werden Lande erlaubnis geben und zur Stelle sein, wenn wir das Schiff verlassen. Und wenn es dann startet, werden sie es vernichten. Ohne jede Warnung!« »Warum denn das?« Garzohn seufzte über soviel Begriffsstut zigkeit. »Weil sie einen erneuten Trick von mir vermuten! Und erst recht, wenn Atlan auf die Idee kommen sollte, uns in einiger Ent fernung vom Depot abzusetzen. Dann schie ßen sie ihn ab, ehe er die Atmosphäre er reicht.« Vaahrns hatte bereits andere Sorgen. »Wo bleibt dann unsere Belohnung? Wie sollen wir jemals beweisen, daß mit dem Schiff auch Atlan zu den Toten befördert wurde?« »Ich nehme an, sie werden mein Schiff nicht mit den modernsten Mitteln vom Him mel holen, sondern mit veralteten, aber trotzdem noch wirksamen Waffen. Selbst wenn Atlan und die beiden anderen bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt werden soll
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Clark Darlton
ten, haben wir noch immer die Aufzeich nung des Komputers. Mit ihnen läßt sich ei niges beweisen. Doch nun wieder still, sonst wird man aufmerksam.«
* Zweite Transition. Dritte Transition. Mitten auf dem Bildschirm stand die an gekündigte gelbe Sonne. Nur mit Hilfe der Fernorter waren drei Planeten auszumachen. Der zweite ergab positive Werte, was seine Umweltbedingungen anging. Sauerstoffat mosphäre, normale Gravitation, erträgliches Durchschnittsklima und ein riesiger Konti nent, der von einigen größeren Inseln durch kleine Meere getrennt war. Es gab eine spär liche Vegetation und einige Metallansamm lungen, die mit großer Wahrscheinlichkeit vom Depot herrührten. Weitere Einzelheiten waren noch nicht auszumachen. »Fartuloon, tu mir den Gefallen und hol Garzohn«, bat Atlan. Der Bauchaufschneider stopfte sich die Reste eines Konzentratwürfels in den Mund. Dann ging er. Mit knapper Lichtgeschwindigkeit flogen sie in das System ein. Der zweite Planet war zu heiß, der dritte zu kalt. Beide gaben keine Werte an, die auf günstige Lebensbedingungen hingewiesen hätten. Interessant war demnach nur der zweite. Bis zu diesem Punkt stimmten die Angaben des korrupten Händlers also. Fartuloon erschien mit ihm gerade in dem Augenblick, in dem Xuura auf dem Bild schirm deutlicher sichtbar wurde. Er drückte ihn in den Sessel und widmete seine Auf merksamkeit dem unbekannten Planeten und dessen Oberfläche. Soweit sie zu erkennen war, entsprach sie ganz einer Welt, auf der sich nichts als ein höchst unwichtiges Vorratsdepot befand. Die Werte der Fernortung stimmten auch, soweit sich das jetzt schon beurteilen ließ.
Der große Kontinent bestand zum größten Teil aus einer grasigen Steppe. Dazwischen unterbrachen flache Gebirge und Hügelket ten die eintönige Landschaft. »Nicht gerade ein Paradies«, ließ Mexon sich vernehmen. »Ein Paradies hätten unsere Galgenvögel auch kaum verdient«, warf Fartuloon ein. »Oho!« protestierte Garzohn. »Im Grunde genommen war es schließlich Vaahrns, der euch verkaufen wollte.« Atlan ging nicht auf die Diskussion ein. »Kennen Sie die Anruffrequenz des De pots?« erkundigte er sich. »Die normale. Ist ja schließlich kein Ge heimdepot.« »Also gut, Garzohn, die normale Anruf frequenz. Sie werden das übernehmen. Mel den Sie sich und erbitten Sie Landeerlaubnis zwecks Reparatur. Wirkt das echt und über zeugend?« »Warum nicht? Die haben ja Ersatzteile. Was soll denn da an meinem Schiff kaputt sein?« »Erfinden Sie etwas. Aber vergessen Sie nicht, daß Fartuloon hinter Ihnen steht, wenn Sie Kontakt aufnehmen. Er hat verdammt harte Fäuste.« Mexon hatte inzwischen das Gerät einge schaltet und war auf Empfang gegangen. Im Lautsprecher blieb es ruhig. Nur die übliche Statik war zu hören. »Nun, ist Ihnen etwas eingefallen?« fragte Atlan ungeduldig. »Schalten Sie auf Senden«, forderte Garz ohn ihn auf. Mexon tat ihm den Gefallen. Fartuloon stand ganz dicht hinter dem Händler. Beim ersten falschen Wort konnte er ihn von den Geräten fortreißen. Garzohn sagte in das Mikrophon: »Hier Drahmosch Garzohn! Ich rufe De pot Xuura! Notruf! Antworten Sie bitte!« Dreimal wiederholte er den Text, dann schaltete Mexon wieder auf Empfang. Zu erst blieb alles ruhig, dann kam eine ver schlafen wirkende Stimme: »Garzohn? Sind Sie nicht der Mann, der
Die Königin von Xuura schon mal hier war?« Einen Augenblick lang wirkte Garzohn verstört. Er schien eine andere Reaktion er wartet zu haben. Dann beeilte er sich zu ant worten: »Ja, Garzohn, der Händler. Sie kennen mich doch! Mit wem spreche ich übrigens?« Die Antwort ließ auf sich warten, und als sie endlich kam, wurde Atlan stutzig. »Das kann Ihnen doch egal sein, Garzohn. Sie wollen landen, nehme ich an. Na, dann landen Sie doch!« Landeerlaubnis auf einem Depotplaneten der Flotte ohne vorherige Information und Austausch der Kodeworte? Ausgeschlossen! Auch Garzohn schien verwirrt zu sein. »Was ist denn mit denen los?« fragte er, ehe Mexon auf Senden schalten konnte. »Sonst stellen sie sich immer an, als würden sie einen Schatz hüten, verlangen Identifika tionsimpulse und den ganzen Klimbim, und nun auf einmal geben sie Landeerlaubnis, ehe man sie anfordert. Das verstehe ich nicht.« »Da sind wir uns ja einig«, bestätigte ihm Atlan. »Sagen Sie ihm trotzdem, daß Sie ei ne Havarie haben, auch wenn es überflüssig zu sein scheint.« »Wie Sie meinen.« Garzohn wartete, bis Mexon auf Senden umschaltete. »He, hören Sie noch? Wecken Sie schon mal die Besat zung des Ersatzteillagers. Wir haben Ärger mit der Klimaanlage. Landeerlaubnis ist also erteilt?« »Sagte ich doch schon, Mann! Kommen Sie endlich runter!« Ein Knacken verriet, daß die Verbindung unterbrochen wurde. »Irgend etwas an der Sache ist faul, ganz bestimmt!« ließ Fartuloon sich vernehmen. Er sah Atlan an. »Was nun? Wollen wir wirklich landen?« »Wo wollt ihr denn sonst landen?« rief Garzohn, als befürchte er, man könne es sich anders überlegen. Atlan fragte: »Kennen Sie die Lage des Depots? Stimmt sie mit den Werten der Ortung über
11 ein?« Er deutete auf die inzwischen fertigge stellte Rasterkarte des Planeten. »Hier etwa …?« »Ja, in der Ebene vor dem Höhenzug. Einen regulären Raumhafen gibt es nicht, auch keine automatische Landeanlage. Aber mein Schiff braucht so etwas nicht.« »Ich auch nicht«, knurrte Mexon. »Fartuloon, bring ihn zurück zu seinen Leuten«, ordnete Atlan an. Der Bauchaufschneider nickte und schob Garzohn vor sich her aus der Zentrale. Drau ßen im Korridor knurrte er: »Wenn das eine Falle sein sollte, dann kannst du was erleben, alter Halunke! Das da eben hörte sich nicht an wie ein Flotten stützpunkt.« »Ist ja auch keiner. Nur ein Depot.« »Spielt keine Rolle. Der Kerl am Funkge rät schien mir eher ein Pirat zu sein, nicht aber ein Offizier der Flotte.« »Ich verstehe das selbst nicht, wirklich nicht!« Fartuloon öffnete die Tür zum Lagerraum. »Nun, uns kann das ja alles egal sein, Garzohn. Ihr seid es schließlich, die abge setzt werden. Wir hingegen starten sofort wieder.« Fartuloon schob Garzohn in den Lager raum und schloß die Tür wieder ab. Schnell hastete er zurück in die Kommandozentrale. »Dieser Kerl ist mir zu ruhig und gelassen«, sagte er dort zu Atlan und Mexon. »Ich wit tere Unheil. Seid ihr sicher, daß wir wirklich mit dem Depot gesprochen haben?« Atlan bestätigte das, fügte jedoch hinzu: »Allerdings muß ich zugeben, daß ich ebenfalls befremdet bin. So einen laschen Ton bin ich von Angehörigen der Flotte nicht gewöhnt.« »Was zerbrechen wir uns Orbanaschols Kopf«, warnte Mexon. »Setzen wir Garz ohn, Vaahrns und die anderen ab und ver schwinden wieder. Wir haben das Schiff und können deinen geheimen Stützpunkt errei chen. Was geht uns dieses Depot an, At lan?« »Eine ganze Menge, denn ich bin sicher,
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Clark Darlton
da stimmt etwas nicht. Ich muß wissen, was! Wir landen dicht beim Depot in der Ebene, südlich des Gebirges.« »Wie du meinst«, knurrte Mexon. Fartuloon hatte das Funkgerät wieder ein geschaltet und blieb auf Empfang. Er bat der Form halber um die Landekoordinaten, aber die Antwort blieb aus. Erst beim vierten An ruf sagte jemand mit scharfer Stimme, man solle endlich Ruhe geben und landen, wo man wolle. Die VARIHJA sank langsam tiefer. Atlan hatte nun selbst die Kontrolle übernommen, während Mexon alles für den Notfall vorbe reitete. Sollte man sie angreifen, würde ein Blitzstart sie in wenigen Sekunden in Si cherheit bringen. Den energetischen Schutz schirm schaltete er allerdings noch nicht ein. Das nicht sehr hohe Gebirge war kahl und nahezu vegetationslos. Die Steppe selbst war mit hohem Gras bedeckt, dazwischen gab es kleine Flußläufe und vereinzelte Baumgrup pen. Das Depot tauchte auf. Das Schiff näherte sich ihm nur langsam, so daß die drei Män ner im Kontrollraum genügend Gelegenheit erhielten, es und seine Umgebung zu studie ren. Der flache Bau war quadratisch ange legt und höchstens zehn Meter hoch. Der größte Teil des Depots mußte unter der Oberfläche liegen. Von Abwehreinrichtun gen war nichts zu sehen, aber das konnte täuschen. Die Arkoniden waren Meister der Tarnung. Immer noch wachsam setzte Atlan end gültig zur Landung an.
2. Beim Depot rührte sich nichts. Das Schiff war etwa zweitausend Meter von dem würfelförmigen Aufbau entfernt gelandet. Mexon blieb hinter den Notstart kontrollen sitzen, jederzeit zur plötzlichen Aktivität bereit. Fartuloon hatte mit einer wütenden Gebärde das Funkgerät ausge schaltet, als er keine Antwort auf seine An fragen mehr erhielt.
Atlan sondierte mit der rotierenden Polka mera die Umgebung des Landeplatzes. Im Norden war das Gebirge, nur wenige Kilo meter entfernt. Sonst nur die Steppe, bis zum Horizont. Weit im Osten schienen noch kleinere Gebäude zu stehen, vielleicht eine Art Außenstation. Für Abwehrforts waren sie zu klein. »Ich schlage vor, wir lassen die Gefange nen jetzt hinaus und verschwinden so schnell wie möglich«, sagte Fartuloon. »Hier ist doch etwas faul, das sehe ich mit verbundenen Augen.« »Richtig, hier ist etwas faul!« Atlan be trachtete das vorbeiwandernde Bild auf dem großen Bildschirm. »Und ich möchte wis sen, was es ist. Immerhin handelt es sich um ein Depot, das für den Nachschub wichtig ist. Und alles, was dem Sieg über die Maahks nützt, ist auch für mich wichtig.« »Trotzdem können wir die Gefangenen freilassen«, blieb Fartuloon bei seinem Vor schlag. »Wenn wir plötzlich starten müssen, haben wir sie sonst noch immer auf dem Hals.« Atlan wandte sich ihm zu. »Das ist ein gutes Argument, Fartuloon! Mexon wird dir dabei helfen. Sorgt dafür, daß sie nichts mitnehmen. Es könnte Ver stecke und Waffen geben, von denen wir nichts wissen.« »Ich werde sie persönlich in der Schleuse filzen«, versprach Fartuloon und ging zu sammen mit Mexon aus der Zentrale. Atlan beobachtete auf dem Bildschirm, wie Drahmosch Garzohn als erster das Schiff verließ und dann auf die anderen war tete. Koul Vaahrns kam als nächster, dann folgten die anderen, darunter auch der Gal genvogel Jarak und der stets mürrische Quorn. Sie versammelten sich auf einem na hegelegenen Hügel und setzten sich in das hohe Gras. Allem Anschein nach hielten sie eine Beratung ab. Fartuloon und Mexon kamen in die Zen trale zurück. »Alle draußen, Atlan. Schleuse wieder ge schlossen. Wir können also starten …«.
Die Königin von Xuura »Wir starten nicht!« unterbrach Atlan sei nen Freund ziemlich barsch. »Versuch es noch einmal mit Funk. Ich muß wissen, was hier vorgeht!« Mexon deutete auf den Bildschirm, der nun starr auf das Depot eingestellt war. »Da kommt jemand«, sagte er ruhig.
* Die beiden Männer trugen Uniformen der Flotte, daran konnte kein Zweifel bestehen. Aber diese Uniformen waren völlig ver wahrlost. Die Rangabzeichen fehlten. Die Haare hingen den Männern ins Ge sicht, als wären sie seit Jahren nicht mehr gepflegt worden. Ihr Gang war schleppend und müde, so als hätten sie einen tagelangen Marsch hinter sich. Atlan wußte aber, daß sie gerade aus dem Depot gekommen waren. Immerhin trugen sie im Gürtel die Im pulsstrahler, die zur Standartausrüstung der Flotte gehörten. Allerdings fehlten die dazu gehörenden Energiemagazine, wie Atlan mit geübtem Blick feststellte. Noch bevor die Arkoniden die freigelas senen Gefangenen erreichen konnten, sagte Mexon: »Garzohn wird kaum den Mund halten.« Atlan nickte. »Du hast recht, Mexon. Ich werde mit Fartuloon hinausgehen und mit den Depot wächtern reden. Vielleicht erfahren wir dann auch gleich, was hier los ist. Du bleibst hin ter den Kontrollen und läßt niemanden ins Schiff. Einverstanden?« »Mir soll es recht sein.« »Dann komm, Fartuloon.« Atlan überprüfte vorsichtshalber seinen Strahler. Fartuloon rückte lediglich sein Skarg zurecht und grinste unternehmungslu stig. Gemeinsam verließen sie den Kontroll raum und erreichten eine Minute später den Ausstieg. Als sie den Boden des Planeten Xuura betraten, umringten Garzohn und Ge nossen gerade die beiden Arkoniden. Sie re deten so laut, daß man es bis zum Schiff hin hören konnte.
13 Atlans Hand lag auf dem Griff des Strah lers, als er langsam weiterging. Er konnte fast jedes Wort verstehen, das gesprochen wurde. »… Furchtbar begriffsstutzig, Mann! Es ist Atlan, der von Orbanaschol und dem gan zen Imperium gesucht wird. Die Höhe der Belohnung ist phantastisch, der Ruhm nicht abzuschätzen! Ergreift ihn, solange ihr noch dazu Gelegenheit habt!« Das war einwandfrei Garzohns aufgeregte Stimme. Der Kerl war schon wieder dabei, ein Geschäft zu machen. Fartuloons Gesicht rötete sich vor Zorn. »Soll ich ihm den Schädel einschlagen?« erbot er sich und lockerte sein Skarg. »Kaum läßt man den Kerl, laufen, verrät er dich schon wieder. Er hat wirklich den Tod verdient.« »Nicht so hastig!« riet Atlan und setzte sich in Bewegung. »Die Sache beginnt erst jetzt richtig interessant zu werden. Findest du die Reaktion der beiden Arkoniden nicht seltsam?« In der Tat schien es den Leuten vom De pot völlig gleichgültig zu sein, wie hoch die Belohnung war, die man auf den Kopf At lans ausgesetzt hatte. Sie warfen dem Kri stallprinzen und Fartuloon einen uninteres sierten Blick zu und setzten sich einfach ins Gras. Garzohn, total verblüfft, blieb einen Augenblick stehen, dann setzte er sich eben falls und versuchte es noch einmal: »Haltet das Schiff auf! Es ist mein Schiff, sie haben es mir gestohlen …«. »Siehst du denn nicht, daß die sogenann ten Soldaten des Imperiums einen Sonnen stich haben?« warf Jarak ein. »Die sind doch nicht normal!« Atlan war stehengeblieben. Seine Hand lag noch immer auf dem Griff seiner Waffe. »Sehr richtig, Jarak! Inzwischen sollte auch Garzohn bemerkt haben, daß er hier keine Hilfe erwarten kann.« Er wandte sich an die beiden Arkoniden: »Was ist passiert? Nennen Sie mir Ihren Namen und Ihren Dienstgrad!« »Verschwindet wieder!« war alles, was er
14 zur Antwort erhielt. »Nehmt sie doch endlich fest!« brüllte Garzohn verzweifelt, und als abermals keine Reaktion erfolgte, beugte er sich vor und riß dem einen Arkoniden den nutzlosen Strahler aus dem Gürtel. Er richtete ihn auf Atlan. »Hände ruhig halten, Atlan! Du auch, Fartu loon!« Langsam stand er auf. »He, Quorn, nimm ihnen die Waffen ab, aber vorsich tig!« Atlan schüttelte den Kopf über soviel Dummheit. »Dir ist nicht zu helfen, Garzohn! Wirf den Strahler weg, er ist ohne Magazin.« Garzohn betrachtete wütend die Waffe, dann schleuderte er sie weit von sich. »Hier sind alle verrückt geworden!« kon statierte er und setzte sich wieder. »Wer ist der Kommandant des Depots?« fragte Atlan, an die beiden Arkoniden ge wandt. »Was ist geschehen? Warum gab es nicht den vorgeschriebenen Funkverkehr vor unserer Landung? Antworten Sie, oder ich werde dem Oberkommando eine Meldung erstatten.« Der eine der beiden Arkoniden nickte gleichmütig. »Tun Sie das, vielleicht wird man uns dann endlich abholen.« Fartuloon stand ein paar Meter abseits, auf sein gezogenes Skarg gestützt. Er ließ Garzohn, Vaahrns und deren Begleiter nicht aus den Augen. »Atlan, zum letztenmal: laß uns ver schwinden! Was geht uns dieser verrückte Vorposten und das Depot an?« »Wenn die Maahks zufällig hier landen sollten, verliert das Imperium ein Vorratsla ger«, erinnerte ihn Atlan. »Und genau das möchte ich vermeiden. Vielleicht ist es eine Krankheit, eine Seuche …« »Wollen wir uns anstecken?« Atlan schüttelte den Kopf. »Bist du eigentlich niemals neugierig?« erkundigte er sich. In diesem Augenblick meldete sich Me xon aus dem Schiff. Atlans Interkom summ te. Er schaltete das Instrument ein.
Clark Darlton »Da kommt ein Fahrzeug aus dem Depot. Vier Insassen. Scheinen bewaffnet zu sein. Ich übernehme im Notfall die Verteidi gung.« »In Ordnung, Mexon. Aber erst einmal abwarten!« »Geht schon klar.« Das Fahrzeug war offen und näherte sich nur langsam. Das sah nicht nach einem An griff aus. Auch die Bewaffnung wirkte nicht gerade furchterregend. Auf der Vorderfront aufmontiert stand ein kleines Strahlgewehr, wie es zur Jagd benutzt wurde. Während Garzohn und seine Freunde der potentiellen Verstärkung mit großem Inter esse entgegenblickten, stieg Atlans Besorg nis. Nicht wegen der vier Arkoniden und der unzureichenden Bewaffnung, über die er selbst verfügte, sondern vor allen Dingen wegen der beiden Depotwächter, die im Gras hockten und einfach vor sich hinstier ten, als ginge sie das alles nichts an. Das Fahrzeug hielt dicht vor dem kleinen Hügel. Die vier Insassen kletterten mühsam her aus. Sie sahen nicht viel anders aus als die beiden Soldaten, die vor ihnen zu Fuß einge troffen waren. Auch ihre Uniformen waren zerlumpt und zerrissen. Der eine von ihnen trug einen Verband um den Kopf. Bewaffnet waren sie nicht, wenn man von dem auf montierten Strahlengewehr absah. Garzohn stürzte sich hoffnungsvoll auf sie. »Der da!« Er deutete auf Atlan. »Das ist der von Orbanaschol gesuchte Atlan. Ich tei le die Belohnung mit euch! Sie bedeutet Reichtum und Macht. Ergreift ihn, den Ver räter des Imperiums!« »Ich zerlege ihn noch in seine Bestandtei le«, knurrte Fartuloon und umklammerte den Griff seines Schwertes. Atlan beobachtete die Reaktion der Neu ankömmlinge. Was er insgeheim erwartet hatte, traf ein. »Ihr seid der Händler, der schon einmal bei uns war?« fragte einer der Arkoniden ohne ersichtliches Interesse. »Was bringt ihr
Die Königin von Xuura diesmal?« Garzohn schrie sich fast die Lunge aus dem Leib. »Ich bringe euch Atlan, das beste Ge schäft eures Lebens! Packt ihn doch endlich! Die Belohnung …« »Halt den Mund, du Dummkopf!« fuhr Fartuloon ihn an. »Siehst du denn nicht, daß niemand Atlan haben will! Setz dich wieder hin und sei froh, daß die Sonne scheint!« Garzohn gehorchte fassungslos. Vaahrns zuckte nur hilflos die Schultern und schwieg. Atlan entschloß sich, die Initiative zu er greifen. »Ich möchte mit dem Kommandanten sprechen«, verlangte er in bestimmtem Ton fall. »Sie haben hier ein Depot, und ich neh me an, auch eine Verteidigungsanlage ist vorhanden. Wie ist der Zustand?« Der Sprecher von vorhin sah ihn verständ nislos an. Dann bequemte er sich zu einer Antwort: »Sie können sich alles ansehen, aber be reiten Sie uns keine Schwierigkeiten. Alles, nur das nicht!« »Das ist doch Atlan!« heulte Garzohn ver zweifelt darüber, daß ihm niemand zuhören wollte. »Die Belohnung …!« »Noch ein Wort, und es war dein letztes!« drohte Fartuloon, der endgültig die Geduld zu verlieren schien. »Unterrichte Mexon, daß wir das Depot besichtigen«, forderte Atlan ihn auf. Fartuloon starrte ihn sekundenlang ver blüfft an. »Was soll ich …?« »Wir sehen uns das Depot an«, wieder holte Atlan geduldig. »Mexon ist durchaus in der Lage, das Schiff allein zu verteidigen, wenn jemand auf den verrückten Gedanken kommen sollte, es betreten zu wollen. Nun beeil dich schon!« Kopfschüttelnd nahm Fartuloon Kontakt mit Mexon auf und informierte ihn über At lans Absicht. Der erfahrene Exkommandant der imperialen Flotte begriff sofort, was für ihn und seine Freunde auf dem Spiel stand,
15 wenn etwas schieflief. Sie hatten nur dieses eine Schiff. Auf der anderen Seite hatte er Verständnis dafür, daß Atlan unbedingt in Erfahrung bringen wollte, was auf Xuura nicht in Ordnung war. »Ich werde notfalls den Schutzschirm ein schalten, solange ich euch nicht sehen kann«, gab er ohne weiteren Kommentar zu rück. »Seid vorsichtig und haltet Kontakt.« Atlan inspizierte die Fahrtkontrollen des Wagens. Er kannte sie. Trotzdem wandte er sich an die vier Arkoniden, die sich friedfer tig mit Garzohn und seinen Leuten unter hielten: »Würde uns jemand zum Depot bringen?« Er erhielt keine Reaktion. Niemand ant wortete. Fartuloon tippte einem von ihnen auf die Schulter. »Hast du nicht gehört? Jemand soll uns zum Depot bringen.« Endlich schien der Mann begriffen zu ha ben. Müde sagte er: »Fahrt doch selbst! Aber bring den Wa gen zurück.« »Glaubst du, wir gehen zu Fuß?« erkun digte sich Fartuloon und kletterte auf den Sitz neben Atlan. »Fahr schon los, die haben hier alle einen Knall.« »Es ist verständlich. Das Depot dürften wir niemals ohne Sondergenehmigung und entsprechende Begleitung betreten. Entwe der sind wir unter Meuterer geraten, oder die gesamte Besatzung leidet unter totalem Ge dächtnisschwund. Wir werden es herausfin den und später eine Informationsmeldung an die Flotte abstrahlen.« »Wir helfen Orbanaschol mehr, als er es verdient hätte.« »Wir helfen nur dem Imperium«, korri gierte Atlan und fuhr los. Mexon meldete sich über Telekom: »Die kümmern sich um nichts, sehen euch nicht einmal nach. Sie hocken nur da und unterhalten sich.« »Halt die Augen offen!« empfahl Atlan. »Wir nähern uns dem Depot.« Eine reguläre Straße gab es nicht. Ledig
16 lich Fahrspuren deuteten an, daß hier Wagen gefahren waren. Beim Depot rührt sich noch immer nichts. Das Tor war weit geöffnet. Trotzdem ging von dem würfelförmigen Bauwerk so etwas wie eine unheimliche Be drohung aus, die Atlan und Fartuloon zur äußersten Vorsicht mahnte. Dicht vor dem Tor hielten sie an. »Wir lassen den Wagen besser hier drau ßen«, schlug Atlan vor und schaltete den Motor ab. »Siehst du niemanden?« »Keine Seele, alles wie ausgestorben.« »Gehen wir.« Kalte und abgestandene Luft schlug ihnen entgegen, kaum daß sie das Gebäude betre ten hatten. Auf dem Korridor brannte Licht. Irgendwo waren Geräusche zu hören, die auf das Vorhandensein von Lebewesen schlie ßen ließen. Jemand hustete. Die dritte Tür, an der sie vorbeikamen, stand offen. Atlan betrat den Raum, dicht gefolgt von Fartuloon, der sein Skarg wieder in die Scheide gesteckt hatte. Hinter einem Tisch mit Nachrichtengerä ten saß ein arkonidischer Offizier, den Kopf in beide Hände gestützt und blicklos vor sich hinstarrend. Als er die Schritte hörte, sah er auf und blinzelte. Er machte nicht einen so verwahrlosten Eindruck wie die an deren Arkoniden, denen sie bisher begegnet waren. Atlan grüßte durch eine Handbewegung. »Man erlaubte uns das Betreten des De pots, Leutnant. Können Sie uns einen Posten zur Verfügung stellen? Wir kennen uns nicht aus.« Der Leutnant sah ihn ohne jede Verwun derung an, dann erwiderte er: »Einen Posten? Gehen Sie weiter, viel leicht finden Sie einen.« »Das wäre gegen die Dienstvorschriften«, belehrte ihn Atlan. Zum ersten Mal zeigte der Leutnant so et was wie Erstaunen. »Was kümmern uns die Vorschriften? Wenn Sie sich das Depot ansehen wollen – bitte. Übrigens ist es ja nicht nur ein Depot.« Obwohl sich Atlan die Frage aufdrängte,
Clark Darlton was es denn wohl sonst noch sei, sagte er nichts. Er warf Fartuloon einen bedeutsamen Blick zu, nickte in Richtung des Offiziers und verließ den Raum. »Mehr als ein Depot – was soll das hei ßen, Atlan?« Sie standen wieder auf dem Korridor. »Das werden wir bald wissen«, vermutete Atlan. Einige der Räume, an denen sie vorbeika men, dienten als Unterkünfte. Auf schmutzi gen Betten lagen halb angezogene Männer und Frauen herum. Sie sahen kaum auf, als sie Atlan und Fartuloon bemerkten. Die Antigravlifte funktionierten noch, was Fartuloon mit Erleichterung zur Kennt nis nahm. Das eigentliche Abwehrfort entdeckten sie in den obersten Stockwerken. »Habe ich es mir doch gedacht!« Atlan brauchte nur wenige Sekunden, um die ge waltige Schlagkraft der gigantischen Anlage zu erkennen. »Deshalb also schlug Garzohn diesen Planeten als ein Asyl vor. Wir hätten keine Chance gehabt, wieder von hier weg zukommen, es sei denn als Gefangene. Mod ernste Energiegeschütze, positronische Steu eranlagen, Lenkraketenwerfer, weitreichen de Fernorter – und das alles getarnt als harmloses Depot. Das alles wußte Garz ohn!« »Ich breche ihm das Genick!« drohte Far tuloon an. Atlan inspizierte die Feuerleitstände und stellte fest, daß die Automatik außer Betrieb gesetzt war. Die Warnanlage hatte man ab geschaltet und auch die atomare Hydraulik, mit der die Geschütze aus ihrem Versteck gefahren wurden, war ohne Energie. »Eigentlich können wir von Glück reden, daß auf Xuura etwas Geheimnisvolles vor sich geht, Fartuloon. Kannst du dir vorstel len, was passiert wäre, wenn die Anlage ord nungsgemäß verwaltet würde?« »Klar, sie hätten uns weggeputzt. Auf der anderen Seite überlege ich mir, was wohl noch passieren kann – in Zukunft, meine ich –, wenn sich das nicht ändert. Stell dir nur
Die Königin von Xuura vor, ein Kampfschiff der Maahks entdeckt diesen Planeten!« »Wir sind hier, um das zu verhüten. Los, weiter!« Der Lift brachte sie tief unter die Oberflä che. Hier fanden sie in der Tat ein riesiges Vorratslager, das zur Ausrüstung der Flotte diente. Ersatzteile waren in jeder Menge vorhanden, auch Lebensmittel und Beklei dung. Was hier an Waffen und Munition la gerte, hätte leicht zur Durchführung eines mittleren Feldzugs dienen können. Aber es gab keine Absicherung gegen Diebstahl, kei nen Posten, keine positronische Warnanlage. »Wir müßten doch einen von den Kerlen hier zum Sprechen bringen können!« sagte Fartuloon fast verzweifelt. »Es muß doch dafür eine Erklärung geben!« »Wir werden sie finden!« Erst als sie wieder in die obersten Räume zurückkehrten, sprachen ihre Telekome an. Mexon rief sie. »Wolken kommen auf. Von Osten her, aber auch von Norden. Das ist ungewöhn lich, denn hier beim Schiff ist es windstill.« Erleichtert gab Atlan zurück: »Kein Grund zur Besorgnis, wir kennen die klimatischen Verhältnisse hier viel zu wenig, um Schlüsse daraus ziehen zu kön nen. Was machen unsere Gefangenen?« »Sitzen noch immer auf dem Hügel und reden mit den Arkoniden des Depots.« »Depot ist gut! Das hier ist ein getarntes Abwehrfort gewaltigen Ausmaßes. Es ist in der Lage, eine kleinere Flotte in Minuten zu erledigen. Aber es schläft. Die Besatzung kümmert sich um nichts.« »Wir sollten so schnell wie möglich ver schwinden«, riet Mexon. »Es kann eine Seu che sein, die sich überträgt. Dann ergeht es uns genauso.« »Ich glaube nicht, daß es einfach eine Seuche ist. Da steckt etwas anderes dahinter. Wir werden es herausfinden!« »Seid vorsichtig!« Sie suchten einen der Räume auf, in de nen sich mehrere Arkoniden aufhielten, Männer und Frauen. In scharfem Ton for
17 derte Atlan sie auf, seine Fragen zu beant worten. Die Reaktion war lediglich, daß man ihm und Fartuloon einfach den Rücken zu kehrte. Keiner sagte auch nur ein Wort. Fartuloon verlor allmählich die Geduld. Ohne sich um Atlans warnenden Blick zu kümmern, wollte er einen nur mit der Unter hose bekleideten Arkoniden mit einem Ruck vom Bett ziehen, als Mexon sich wieder meldete: »Etwas treibt heran – aber es sind keine richtigen Wolken. Sie sind braun und röt lich. Und scharf abgegrenzt. Seht euch das an, ehe ihr dort weitermacht!« Fartuloon gab sein Vorhaben auf. Atlan biß sich auf die Lippen. »Raus hier! Das sind keine gewöhnlichen Wolken! Das muß etwas anderes sein …!«
* Atlan schloß die offene Kabine des Fahr zeugs. Der Mechanismus funktionierte ein wandfrei. Nun saßen er und Fartuloon im In nern des von einer transparenten Kuppel überdachten Wagens und nahmen wieder Kontakt mit Mexon auf. »Zwei Wolken sind es. Die eine nähert sich genau von Norden, die andere kommt aus Osten. Es ist noch immer kein Wind an zumessen. Sie treiben ohne Wind! Und sie kommen direkt auf das Schiff zu!« »Weiter, Mexon!« forderte Atlan ihn auf, als er eine Pause machte. »Garzohn und die anderen scheinen noch nichts bemerkt zu haben. Was soll ich tun, wenn die Wolken Gefahr bedeuten? Wir können doch Garzohn nicht einfach seinem Schicksal überlassen …« »Er wollte, das man uns hier erledigt«, unterbrach ihn Fartuloon wütend. »Schließe alle Schleusen und lasse niemanden ins Schiff! Wir bleiben draußen. Der Wagen bietet Schutz genug.« Atlan sah ein, daß es in dieser fragwürdi gen Situation besser war, keine Rücksicht zu üben. Was immer diese Wolken auch sein mochten, sie verhießen nichts Gutes.
18 Er selbst konnte sie nun auch deutlich se hen. Sie kamen vom Norden, wo das flache Gebirge den Horizont begrenzte, und von Osten, wo die Steppe sich bis zur Planeten rundung erstreckte. Ihre Flugbewegungen verrieten nur zu eindeutig, daß sie gesteuert wurden. Von wem gesteuert? Atlan entsann sich, so etwas schon einmal gesehen zu haben, aber so sehr er sein Ge hirn auch zermarterte, es fiel ihm nicht mehr ein. Selbst sein Extrahirn versagte ihm die Antwort. Fartuloon erriet Atlans Gedanken. »Nein, die Wolken werden nicht gesteuert – sie steuern sich selbst. Du siehst es an den Bewegungen. Was sich uns da nähert sind Insekten, nicht mehr und nicht weniger. Ich glaube nicht, daß sie eine ernsthafte Bedro hung für uns bedeuten.« Mexon, der natürlich mithören konnte, was die beiden sprachen, schaltete sich wie der ein. »Fartuloon hat recht, es sind fliegende In sekten. Ich habe sie nun deutlich auf dem Bildschirm. Zwischen fünf und zehn Zenti meter groß, rötlich, schlank und mit großer Flügelspannweite. Ihr Ziel ist eindeutig das Schiff.« »Oder Garzohn, Vaahrns und die ande ren.« Atlan gab Fartuloon einen Wink. »Wir verlassen jetzt das Depot und fahren zum Schiff zurück. Berichte laufend über die Re aktion der auf dem Hügel Versammelten, Mexon. Es scheint mir wichtig zu sein.« »Die tun überhaupt nichts.« »Auch nicht die Arkoniden aus dem De pot?« »Die erst recht nicht! Sie liegen faul im Gras und lassen sich von der Sonne beschei nen. Sie wird übrigens erst in vier Stunden untergehen.« Atlan fuhr langsam. Zweihundert Meter vom Schiff entfernt hielt er an. Die Sicht durch die Kuppel war klar, wenn auch kein vergrößerter Bildschirm zur Verfügung stand. Die einzelnen Insekten der Wolken konnte er mit bloßem Auge noch nicht un-
Clark Darlton terscheiden. Die beiden Wolken trafen zusammen. Von nun an steuerten sie einen gemeinsa men Kurs. Ihr Ziel war das Schiff. Oder der Hügel mit den knapp zwei Dut zend Arkoniden. Insekten konnten in der Tat Gefahr bedeu ten, überlegte Atlan bei sich. Nicht für das Schiff und wahrscheinlich auch nicht für ihn und Fartuloon, die im abgeschlossenen Wa gen saß. Wohl aber für die ungeschützten Personen auf dem Hügel. Sollte er es riskie ren, sie ins Schiff zu lassen, wenn sie das verlangten? »Kommt nicht in Frage!« sagte Fartuloon, der wieder einmal seine Überlegungen er riet. »Dadurch bringen wir uns alle in Ge fahr – wenn es eine ist. Außerdem zeigen die Depotbewacher keine Besorgnis.« Die Wolke erreicht den Hügel. Um das Schiff kümmerten sich die Insekten nicht, sondern sie stürzten sich auf Garzohn und die anderen, die erst jetzt zu bemerken schienen, was um sie herum vorging. In wenigen Sekunden waren sie von Schwärmen rötlich gefärbter Insekten ein gehüllt, die sich wie blutdürstige Raubtiere auf sie stürzten. Schreiend sprangen sie auf und rannten in alle Richtungen davon. Selbst die bisher so stoischen Depot-Arkoniden verloren ihre Ruhe und Gelassenheit. Mit den anderen ergriffen sie die Flucht, was ih nen jedoch nicht viel nützte. Die Fluginsek ten waren schneller als sie. Atlan konnte deutlich sehen, daß sich die Tiere bemühten, die unbedeckten Körper stellen zu erreichen, um sich dort für einige Augenblicke niederzulassen und dann wie der fortzufliegen. Jarak rannte, wild um sich schlagend, auf das Fahrzeug zu, als erwarte er dort die Ret tung. Aber er kam nicht weit. Knapp hundert Meter vor dem Ziel stolperte er, blieb stehen – und brach dann, wie vom Blitz gefällt, zu sammen. Reglos blieb erliegen. Fartuloon war blaß geworden. »Bei Arkon! Ist er tot? Das habe ich nicht wissen können …«
Die Königin von Xuura »Keine Vorwürfe!« riet Atlan mit erstaun licher Ruhe. »Wir hätten sowieso nichts für sie tun können. Vergiß nicht, daß es ihr eige ner Entschluß war, hier abgesetzt zu werden, und vergiß auch die Hintergründe nicht. Sie wollten uns dem sicheren Tod ausliefern.« Fartuloon warf ihm einen forschenden Blick zu. »Du sprichst so, wie ich vor wenigen Mi nuten. Hast du deine Meinung geändert?« »Die Situation hat sich geändert«, gab At lan ruhig zurück. Dann sagte er: »Mexon!« »Ja?« »Wir fahren zurück zum Depot. Es ist un möglich, jetzt den Wagen zu verlassen. Be obachtet weiter die Insekten.« »Sie sammeln sich wieder, Atlan! Sie las sen von den Opfern ab. Die Wolke steigt hö her und teilt sich. Jetzt fliegen sie beide in die Richtungen zurück, aus denen sie ge kommen sind.« Atlan konnte es nun selbst sehen. Blitz schnell änderte er seinen Entschluß. »Mexon, nimm einen Gleiter und verfolge sie. Wir müssen wissen, woher sie kamen – und warum sie kamen. Sie werden zweifel los von einer Intelligenz geleitet. Wir küm mern uns um Garzohn und die anderen.« »Bist du verrückt?« rief Fartuloon entsetzt aus. »Keine zehn Saurier bringen mich jetzt aus dem Wagen.« »Dann bleibst du eben drinnen!« Atlan steuerte das Fahrzeug in Richtung Hügel zurück und hielt dicht davor an. Über Telekom gab Mexon bekannt: »Starter fertig! Ich fliege los und errichte Energiesperre für das Schiff.« »Wir bleiben in Verbindung«, erwiderte Atlan ruhig.
3. Natürlich ließ Fartuloon Atlan nicht allein aussteigen, sondern begleitete ihn. Jarak, der dem Fahrzeug am nächsten gekommen war, bevor er zusammenbrach, wurde als erster untersucht. Als Atlan sich aufrichtete, war sein Ge
19 sicht ernst und nachdenklich. »Einstiche! Überall, wo der Körper nicht mit Kleidung bedeckt ist. Tot ist er nicht, aber bewußtlos. Es hat wenig Sinn, jetzt schon eine Behandlung vorzunehmen, denn wir kennen die Natur des Giftes nicht, das die Insekten übertrugen. Uns können nur die Männer und Frauen im Depot helfen. Sie sind lange genug auf Xuura, um ein Gegen mittel entwickelt zu haben.« »Auf diese Transusen würde ich mich nicht verlassen«, gab Fartuloon zu bedenken und drehte Garzohn auf den Rücken, damit er besser lag. »Vielleicht rührt ihr merkwür diger Zustand gerade von den Stichen der Insekten her.« Atlan biß die Lippen zusammen. Auf den Gedanken war er auch schon gekommen, hatte es aber nicht gewagt, ihn auszuspre chen. »Mexon ist gerade gestartet und verfolgt die Insektenwolken. Vielleicht findet er et was heraus. Wir kehren zur Station zurück. Nur dort können wir Unterstützung erwar ten.« Der Wagen brachte sie zum Depot. Es war nicht einfach, dort einen Arkoni den aufzutreiben, der wenigstens versuchte, auf Atlans Fragen eine Antwort zu geben. Schließlich fanden sie eine Frau in relativ normalem Zustand. Sie hielt sich in den Vorräumen des unter der Erde liegenden De pots auf und öffnete erst nach langem Zure den ihre Tür. Sie hatte sich eingeschlossen. Zuerst zögerte sie, dann aber gab sie zu, nur zweimal gestochen worden zu sein, und zwar erst vor wenigen Tagen. Sie war mit dem letzten Schiff gekommen und kannte die Verhältnisse noch nicht so gut wie der Rest der Besatzung. »Was geht hier vor?« wollte Atlan von ihr wissen. »Erzählen Sie alles, was mit den In sekten zusammenhängt. Jede Einzelheit kann wichtig sein.« »Wer sind Sie überhaupt?« begehrte sie auf, aber Atlan winkte ab. »Das spielt doch keine Rolle. Ich will Ih nen helfen, das ist alles. Wie lange besteht
20 diese Abwehrstation schon? Was wissen Sie darüber?« Sie strich geistesabwesend über die bei den Einstiche am Arm. »Nicht sehr lange, nehme ich an. Früher muß es hier einmal eine biologische For schungsstation gegeben haben, aber wäh rend des Krieges wurde sie umfunktioniert. Als ich hierher kam, war alles ganz normal, bis diese roten Insekten auftauchten. Zuerst erschienen sie nur vereinzelt, und sie griffen auch niemanden an. Keiner achtete auf sie, bis sie anfingen zu stechen. Vertilgungsmit tel wurden eingesetzt, die Insekten ver schwanden. Das geschah etwa zu der Zeit, zu der ich eintraf.« »Und dann?« fragte Atlan ungeduldig, als sie schwieg. »Ich weiß es nicht. Ich kam kaum an die Oberfläche, weil ich hier unten arbeitete. Ich hörte nur, daß die Insekten trotz der Gegen mittel wieder zahlreicher wurden – und an griffslustiger. Sie fielen über jeden her, der sich draußen blicken ließ. Und dann begann die Verwandlung.« »Verwandlung? Was meinen Sie damit?« drängte Atlan. »Das haben Sie doch selbst gesehen! Wenn jemand gestochen wurde, von mehr als zwei oder drei Dutzend Insekten, verlor er das Bewußtsein, wachte aber später von selbst wieder auf. Allerdings schien er dann ein anderer geworden zu sein. Er war apa thisch und gleichgültig, kümmerte sich nicht mehr um seine Arbeit und döste einfach vor sich hin. Manche verschwanden auch ein fach, und niemand suchte nach ihnen.« Es war Atlan klar, daß die Arkonidin nur deshalb noch halbwegs normal geblieben war, weil sie nur zwei Stiche mitbekommen hatte. »Darf ich den Arm noch einmal untersu chen?« fragte er höflich. Bereitwillig streifte sie den Ärmel hoch. Es waren relativ große Einstiche, die be reits wieder verkrusteten. Die Haut ringsum war rötlich verfärbt. Genau unter dem Ein stich schien sie leicht geschwollen zu sein.
Clark Darlton Sie pulsierte kaum merklich. »Sind Sie die einzige, die nicht mehr ge stochen wurde?« »Es gibt noch andere, aber sie haben sich in das Innere des Depots zurückgezogen. Wir haben keinen Kontakt mehr miteinan der. Lebensmittel sind genügend vorhanden, und keiner wagt sich mehr an die Oberflä che.« Fartuloon sagte: »Eine fette Beute für die Maahks, wenn sie das erfahren. Ihre Haut ist dick genug, die Insekten können ihnen nichts anhaben.« »Sind Schiffe der Maahks in der Nähe ge sichert worden?« fragte die Arkonidin er schrocken. »Das wäre unser Ende.« »Beruhigen Sie sich«, versicherte ihr At lan. »Vorläufig besteht diese Gefahr nicht, aber sie kann von heute auf morgen akut werden. Wir dringen jetzt weiter in das De pot vor. Wollen Sie uns begleiten?« »Ich bleibe hier!« »Schön, dann tun Sie das! Gehen Sie nicht nach oben, es hat ein neuer Angriff stattgefunden. Wir besuchen Sie später wie der.« Sie schloß die Tür hinter sich ab.
* Mexon nahm nach dem Start sofort Ge schwindigkeit auf, um die Wolken einzuho len. Die Kabine des Gleiters war geschlos sen. Das transparente Cockpit erlaubte eine gute Sicht nach allen Seiten. Nach wenigen Minuten mußte er sich ent scheiden, welcher der beiden Wolken er fol gen sollte. Er entschied sich für die rechte, die nach Osten flog. Es mochten mehr als eine Million Insek ten sein, die zielstrebig ihren Kurs beibehiel ten und sich nicht um den nachfolgenden Gleiter kümmerten. Sie hatten ihren Auftrag erfüllt – so schien es – und kehrten nun nach Hause zurück. Wessen Auftrag? Mexon wußte, daß manche Insektenarten zu den intelligentesten Vertretern der Fauna
Die Königin von Xuura gehörten. Sie besaßen meist ein geordnetes Staatswesen und ein Oberhaupt, das bis zu seinem Tode regierte. Mexon rief Atlan, erhielt aber keine Ant wort. Wahrscheinlich befand er sich mit Far tuloon wieder im Innern des Depots, und die Funkwellen durchdrangen die abschirmen den Mauern nicht mehr. In geringster Entfernung hielt er sich hin ter dem Schwarm und verfolgte ihn. Er flog nicht mehr so hoch und so schnell wie zu vor, aber er begann sich in die Länge zu zie hen. Es dauerte auch nicht lange, bis Mexon die Ursache zu sehen bekam. Die dünn gewordene Schwarmspitze ver schwand in einem kreisrunden Loch im Erd boden, gefolgt von dem Rest der diszipli niert fliegenden Insekten. Es sah aus, als sauge ein gewaltiger Staubsauer alles auf, was in seinen Wirkungsbereich kam. Mexon überlegte, ob er landen solle, aber dann verwarf er den Gedanken wieder. Er wußte jetzt, wo die Insekten geblieben wa ren, und mehr hatte er nicht erkunden sollen. Die weiteren Entscheidungen lagen bei At lan. Noch einmal versuchte er Kontakt auf zunehmen, und abermals erhielt er keine Antwort. Die zweite Wolke, das hatte Mexon aus den Augenwinkeln heraus beobachten kön nen, war bis zum Fuß des Gebirges gelangt und dort ebenfalls verschwunden. Er änderte die Richtung und näherte sich dem Gebirge, um vielleicht auch dort den Eingang zu dem unterirdischen Bau der In sekten zu finden. Dabei machte er eine inter essante Entdeckung. Unmittelbar dort, wo das Gebirge mit ei ner vielleicht einhundert Meter hohen Steil wand begann, standen drei zusammengefüg te Kuppelbauten. Sie waren nicht besonders hoch und daher vom Schiff aus nicht zu se hen gewesen. Auch jetzt blieben sie schwer erkennbar. Die drei Kuppeln schienen eine Einheit zu bilden, denn sie waren durch breite Gänge miteinander verbunden. Auf den Kuppeln hatte sich Staub und Erde abgelagert – eine
21 vorzügliche Tarnung. An einigen Stellen wuchs sogar Gras. Mexon ging tiefer. Unten rührte sich nichts. Allem Anschein nach waren die Kuppeln bereits seit Jahren unbewohnt und verlassen. Niemand küm merte sich um sie, auch die Besatzung des Depots nicht. Vielleicht handelte es sich um eine längst aufgegebene Station aus früheren Zeiten. In geringem Abstand von den drei Kup peln bemerkte Mexon die ihm bereits be kannten Einfluglöcher der Insekten. Er ging tiefer, um sie besser studieren zu können. Jeden Augenblick erwartete er das Auftauchen eines neuen Schwarms, aber nichts geschah. Unbehelligt konnte er seinen Gleiter über das Gelände streichen lassen und beobach ten. Schließlich wurde er der Sache überdrüs sig und steuerte den Gleiter wieder auf das Schiff zu. Schon von weitem sah er, daß sich Garzohn und die anderen Opfer des Über falls durch die Insekten wieder zu erholen begannen. Einige hatten sich bereits erhoben und torkelten wie berauscht umher, ohne ein bestimmtes Ziel zu haben. Vier oder fünf taumelten in Richtung des Depots davon, ohne sich um das Schiff zu kümmern. Schon wollte Mexon mit der Fernkontrol le die Schleuse der VARIHJA öffnen und den Schutzschirm abschalten, als er den Tonruf des Telekoms vernahm. Sofort mel dete er sich. Es war Atlan. Er sagte: »Kommen Sie sofort zum Depot und lan den Sie neben dem Fahrzeug. Wir haben et was gefunden …«
* »Die pulsierenden Anschwellungen der Haut bereiten mir Sorge«, sagte Fartuloon, als sie mit dem Lift weiter in die Tiefe des Depots hinabsanken. Sie mußten jetzt min destens fünfzig Meter unter der Oberfläche sein. »Ich habe so etwas schon einmal gese hen, und es war nicht gerade schön.«
22 »Ich weiß, was du denkst, aber wir wollen nicht gleich das Schlimmste vermuten. Ge wisse Ereignisse und auch biologische Ent wicklungen wiederholen sich, ich weiß. Aber warten wir erst ab, bis wir Gewißheit erhalten. Jedenfalls nehme ich an, daß du sehr bald deine medizinischen Fähigkeiten beweisen mußt.« »Ich hätte längst damit beginnen sollen«, sagte Fartuloon. Die ersten Räume mit verschlossenen Tü ren waren leer. Sie ließen sich ohne weiteres ohne Gewaltanwendung öffnen. Dann aber standen sie auf der Schwelle eines nur noch halbgefüllten Lagerraumes – und wichen entsetzt zurück. Der Gestank, der ihnen entgegenschlug, stammte eindeutig von Verwesung. Atlan unterdrückte die aufsteigende Übel keit und atmete sparsamer. Er wäre umge kehrt, wenn er hinter den Regalen nicht die reglosen Körper der Arkoniden gesehen hät ten, deren Lage ohne Zweifel anzeigte, daß sie tot waren. Fartuloon, der als ehemaliger Arzt einiges gewohnt war, hätte sich bald übergeben, als er sich mit Atlan den Leichen näherte. Ihre Kleidung war vom Körper gefallen und an hundert verschiedenen Stellen durchlöchert – oder angefressen. Die Ursache erkannten die beiden Männer eine Sekunde später. »Maden!« stieß Atlan hervor. »Die Toten sind voller Maden!« Fartuloon zog ihn mit sich zurück auf den Korridor. »Wir brauchen sie nicht länger zu unter suchen, mir ist alles klar. Die Insekten be nutzten die Arkoniden als Eiablage für ihre Nachkommen. Sie überfallen sie, stechen sie, injizieren ein unbekanntes Gift und sto ßen gleichzeitig Eier ab. Das Gift hat ver schiedenartige Wirkungen, vor allen Dingen lähmt es den Lebenswillen der Opfer. Komm, wir haben hier nichts mehr zu su chen, den Toten ist nicht zu helfen.« »Aber den Lebenden!« fuhr Atlan ihn an. »Den Lebenden müssen wir helfen! Wir können sie nicht hilflos zurücklassen!«
Clark Darlton »Und was willst du tun? Willst du den In sekten ebenfalls als Nahrungsquelle die nen?« Atlan gab keine Antwort. Wortlos betrat er den Lift und wartete, bis Fartuloon nach gekommen war. Erst als sie wieder im Frei en waren, konnten sie aufatmen. »Wir benötigten Desinfektionsmittel und Narkotika. Du mußt versuchen, Garzohn und den anderen erst heute gestochenen Per sonen die Eier auszuoperieren. Dann küm mern wir uns um die anderen, die vielleicht bereits Maden in sich tragen. Besonders um die Arkoniden, damit wir das Anfangsstadi um kennenlernen – und nicht nur deshalb. Mexon soll mit dem Gleiter kommen.« Er nahm den Kontakt zu Mexon auf.
* »Die einzige Gefahr drohte uns von den Insekten«, sagte Atlan, als sie auf dem Vor hof neben dem Gleiter standen und berieten. »Die Infizierten kümmern sich nicht um uns. Einige von ihnen sind schon ins Depot zu rückgekehrt. Ich bin der Ansicht, sie wurden bereits mehrmals angegriffen und gestochen, denn bereits bei unserer Ankunft befanden sie sich im Zustand der Lethargie. Wahr scheinlich dauert es ziemlich lange, bis sich aus den Eiern die Maden entwickeln, deren Freßlust dann den Tod der Opfer verur sacht.« »Kann man denn die Viecher nicht ausrot ten?« fragte Mexon, immer noch blaß vor Schreck. »Darum werden wir uns noch kümmern. Was hast du inzwischen erlebt? Wohin sind die beiden Schwärme gezogen?« Mexon informierte seine beiden Freunde über das, was er gesehen und entdeckt hatte. Als er die drei Kuppeln erwähnte, hoben sich Atlans Augenbrauen. »Erwähnte die Arkonidin nicht eine längst aufgegebene Forschungsstation?« vergewis serte er sich bei Fartuloon, der zustimmend nickte. »Merkwürdig, daß sich die Bauten der Insekten gerade dort befinden. Ich glau
Die Königin von Xuura be, wir werden dort zuerst nachsehen müs sen.« »Zuerst kommen die Patienten«, mahnte Fartuloon. Atlan nickte. »Natürlich, klarer Fall. Ich werde mit dir zum Schiff fliegen und die entsprechenden Medikamente holen. Mexon, du bleibst bes ser hier beim Wagen, damit er nicht verlo rengeht. Vielleicht brauchen wir ihn noch.« »Laßt mich nicht so lange allein«, bat Me xon. »Wir sind so schnell wie möglich zu rück«, versprach Fartuloon.
* Fartuloon nahm sich nach neuer Entschei dung zuerst die Arkonidin vor. Sein Argu ment, ein fortgeschrittenes Stadium studie ren zu wollen, überzeugte auch Atlan. Ohne Widerstand ließ sie sich eine Narko seinjektion geben, die nur örtlich wirksam wurde. Vorsichtig löste Fartuloon dann die Kruste und ein Stück der Haut ab. Was dar unter zum Vorschein kam, entsprach seinen Erwartungen. Das Ei war nur einen Zentimeter lang und pulsierte heftig, als wolle die Made jeden Augenblick ausschlüpfen. Er schob sie in einen Spezialbehälter, um sie später im La bor in aller Ruhe untersuchen zu können. Auch die VARIHJA verfügte über eine klei ne Krankenstation. Nachdem er auch das zweite Ei entfernt hatte, empfahl er der Patientin Ruhe. Er wollte sie später wieder aufsuchen. Auf kei nen Fall sollte sie das Depot verlassen. Auf dem Weg zum Vorhof begegnete er Garzohns Leuten und den Depotwächtern. Atlan stand bei ihnen und redete auf sie ein. Allem Anschein nach war keiner von ihnen bereit, sich der ärztlichen Kunst von Fartu loon anzuvertrauen. Als der einstmalige Leibarzt des Impera tors Gonozal es trotzdem versuchte, rannten sie davon oder wehrten sich mit aller Heftig keit. Zum ersten Mal zeigten die schläfrigen
23 Arkoniden eine erstaunliche Aktivität. Nur mit Mühe gelang es Fartuloon, sich mit sei nem Medikamentenkasten in den Gleiter zu retten. Atlan zog den Impulsstrahler und schalte te auf schwache Leistung. Die Getroffenen würden lediglich für eine gewisse Zeit para lysiert werden und keinen Schaden nehmen. Schnell ließ er den breitgefächerten Energie strahl über den Hof gleiten, bis sich keiner der Arkoniden mehr rührte. Dann erst wink te er Fartuloon zu. »Du kannst wieder rauskommen. Es scheint, deine Patienten haben Angst vor dir.« »Unsinn! Ein weiterer Nebeneffekt der Infektion durch die Eiablage der Insekten. Besten Dank übrigens, jetzt kann ich in Ru he operieren.« »Wir sehen uns inzwischen das Gebirge und die Kuppeln an.« »Dann laß mir den Strahler hier, ich muß auch die anderen im Depot noch narkotisie ren.« Atlan gab ihm die Waffe. »Paß gut auf dich auf und laß den Tele kom eingeschaltet. Notfalls nimm den Wa gen und zieh dich ins Schiff zurück. Und wenn die Insekten auftauchen sollten, dann renn, so schnell du kannst.« »Worauf du dich verlassen kannst«, versi cherte Fartuloon und grinste über das ganze Gesicht. Dann wurde er wieder ernst und bückte sich über Quorn, der ihm vor die Füße gefal len war. Atlan nahm hinter den Kontrollen des Gleiters Platz. Mexon setzte sich neben ihn und streckte die Beine aus. Er seufzte: »Ich wäre froh, wenn wir nie hierherge kommen wären.« »Wir sind es aber!« Atlan startete, nach dem er noch einen Blick in Richtung Fartu loon geworfen hatte. »Er ist ein tüchtiger Arzt mit viel Erfahrung. Ich bin überzeugt, daß er in zehn Minuten genau weiß, was er zu tun hat.« In geringer Höhe steuerte er auf das Ge
24 birge zu, während Mexon versuchte, die drei Kuppeln wiederzufinden. Es war nicht so einfach, wie er sich das vorgestellt hatte. Das Gelände war ziemlich unübersichtlich und mit Geröll bedeckt. Die Kuppeln, so be hauptete Mexon, hatten wie große, abgerun dete Steine ausgesehen. »Der Gipfel dort kommt mir bekannt vor«, sagte er plötzlich und deutete nach vorn. »Kamst du da von Osten?« »Ja, richtig. Ich entdeckte zuerst das Ein flugloch in der Steppe.« Atlan ging noch ein wenig tiefer. Erst jetzt stellte er fest, daß sie bereits die flache Bodenschwelle überflogen hatten, die den Anfang des Gebirges bildete. Dahinter lag wieder ein Stück Ebene mit weiten Senken und kleineren Mulden. Aus größerer Höhe waren die feinen Unterschiede nicht so gut zu erkennen. »Dort!« rief Mexon plötzlich aus. »Die Kuppeln! Direkt unter dem Gipfel! Ich wuß te es doch …« Nun sah Atlan sie auch. »Die Bauart ist bekannt«, murmelte er. »Ähnliche Kuppeln wurden auf neu ent deckten Welten errichtet. Sie wurden mit Wissenschaftlern besetzt und dienten dazu, die Lebensbedingungen zu studieren. Später erst kamen dann die Kolonisten – oder das Militär. Dann allerdings baute man meist die Stationen wieder ab, um sie zu einer anderen Welt zu bringen. Wenigstens war das noch so, als mein Vater Imperator war.« »Seitdem hat sich einiges geändert«, stimmte Mexon zu. Atlan kreiste über den Kuppeln, als könne er sich nicht zur Landung entschließen. Dann meinte er: »Wir müssen vorsichtig sein. Vielleicht hätten wir die Schutzanzüge mitnehmen sol len. Wenn wir den Gleiter verlassen, und die Insekten greifen an …« »Weit und breit nichts zu sehen, Atlan.« Das stimmte. Die Luft war klar. Nichts regte sich. Auch die Kuppeln wirkten leer und verlassen. Von einer eventuellen Gefahr
Clark Darlton war nichts zu sehen. Atlans Extrahirn signalisierte trotzdem Gefahr. Er war es gewohnt, auf die Warnung sei nes Extrahirns zu hören, darum zögerte er mit seinem Entschluß, dicht bei den Kup peln zu landen. Langsam nur ließ er den Gleiter der felsigen Oberfläche entgegensin ken. Einzelheiten waren noch immer nicht zu erkennen. »Was macht Fartuloon?« fragte er, um Zeit zu gewinnen. Mexon nahm Verbindung auf. Fartuloon meldete sich sofort: »Unserer Arkonidin geht es schon besser, sie assistiert mir. Man kann die Eier her ausoperieren, sie sitzen nicht sehr tief. Zum Glück sind auch die Einstichstellen gut mar kiert, so daß ich nicht lange suchen muß. Was mir Sorge bereitet, ist das Serum. Ich muß das eingespritzte Gift analysieren, und so hervorragend eingerichtet ist Garzohns Schiffslabor auch wieder nicht. Vielleicht finde ich etwas in der Krankenstation des Depots.« »Sieh mal nach!« riet Mexon. »Bei uns soweit alles in Ordnung.« Er warf einen Blick nach unten. »Worauf wartest du, At lan? Willst du nicht endlich landen?« »Wie lange bleibt es noch Tag?« »Etwa drei Stunden, meinen Berechnun gen nach.« »Vielleicht sollten wir bis zum Einbruch der Dunkelheit warten. Ich glaube nicht, daß die Insekten nachts angreifen.« Mexon schien ungehalten. »Wenn es hell ist, sehen wir es aber bes ser. Ich nehme an, sie verhalten sich wie alle Insekten und greifen nur im Kollektiv an. Wir werden durch den Schwarm rechtzeitig gewarnt.« »Kann sein.« Es war für Atlan schwer, die stummen Warnungen seines Extrahirns zu ignorieren. Aber was hätte er tun sollen? Wieder zurück zum Schiff fliegen, nachdem er die Kuppeln so dicht unter sich sah? Sie waren vielleicht die Antwort auf alle Fragen. »Also gut, wir werden landen. Halte deinen
Die Königin von Xuura Strahler bereit. Wir haben sonst keine ande re Waffe.« »Gegen eine Million Insekten wird er auch nicht viel nützen.« »Ich dachte eigentlich weniger an die In sekten …« Mexon erwiderte nichts. Aufmerksam be obachtete er die Kuppeln und das sie tren nende Gelände. Die Unruhe und Ungewiß heit Atlans begannen ihn anzustecken. Auch er wurde das Gefühl nicht los, daß jemand sie beobachtete und ihnen Gefahr drohte. Aber sein nüchterner Verstand sagte ihm, daß ein Aufgeben jetzt sinnlos sei. Wenn es dort unten wirklich einen Gegner gab, so mußte man ihn angreifen, wollte man ihn aus der Reserve locken. Ähnlich schien Atlan jetzt zu denken, denn nach einer letzten Umrundung setzte er zur Landung an. Um einen gewissen Überraschungseffekt zu erzielen, erhöhte er dabei die Geschwin digkeit und flog direkt auf die drei Kuppeln zu, hinter denen sich eine steile, aber nicht sehr hohe Felswand erhob. Er wollte unmit telbar davor absetzen. Der Gleiter flog direkt in die Energiebün del von zwei schweren Impulsstrahlern hin ein, ohne daß Atlan noch Gelegenheit ge habt hätte, den Kurs zu korrigieren. In einer Reflexbewegung gelang es ihm lediglich, die Fahrt etwas zu beschleunigen, was sich jedoch als nachteilig erwies. In voller Fahrt und mit halb zerschmolze nem Bug prallte der Gleiter dicht hinter den Kuppeln gegen die Felswand und stürzte ab. Es waren knapp zehn Meter, die sie fie len. Nur die Haltegurte bewahrten die bei den Männer davor, in der berstenden Kabine hin und her geschleudert zu werden. Mexons Sitz löste sich aus der Halterung und brach durch die Wandverkleidung der Kanzel. Mitsamt seinem Sessel fiel er senkrecht in die Tiefe und landete auf der kargen Gras narbe eines Steppenausläufers. Für einige Sekunden verlor er das Bewußtsein. Atlan spürte den Aufprall gegen den Fel sen, dann den Sturz und abermals eine hefti
25 ge Erschütterung. Unter seinen Füßen war eine Explosion, dann begann der Gleiter zu brennen. Hastig löste er die Haltegurte und kroch durch das Loch, das Mexons Sessel gerissen hatte. Bis zum Boden war es knapp anderthalb Meter. Er ließ sich einfach fallen.
4. Fartuloon konnte stolz auf seine medizini schen Fähigkeiten sein. Die Arkonidin, die er von den beiden Insekteneiern befreit hatte und bei der das Gift nicht so stark zu wirken schien wie bei den anderen Befallenen, er holte sich erstaunlich schnell. Sie hieß Corenar. »Glauben Sie, daß wir auch den anderen helfen können?« fragte sie, als Fartuloon aus der VARIHJA zurückkehrte. »Haben Sie ein Gegenmittel?« »Leider nicht. Bringen Sie mich zur Kran kenstation des Depots, Corenar. Vielleicht finden wir dort etwas. Die Eier haben wir zum größten Teil entfernen können. Damit ist eine unmittelbare Gefahr beseitigt. Leider können wir keinem mehr helfen, bei dem die Maden bereits ausschlüpften.« »Haben wir genügend Material, um ein Serum herstellen zu können?« »Ich denke schon. Die Analyse ist fertig. Nun kommt es nur noch darauf an, ob wir genügend Medikamente finden, um eine ent sprechende Menge des Serums zu fabrizie ren. Wie geht es übrigens den Leuten?« »Ganz gut, aber sie sind noch immer recht widerspenstig. Sieht so aus, als wollten sie nicht geheilt werden. Sie betrachten uns als ihre Feinde.« »Merkwürdig, Corenar, Sie scheinen ge gen das Gift immun gewesen zu sein. Die anderen Frauen nicht.« »Ich war schon immer etwas seltsam«, sagte sie und lächelte zum ersten Mal. Sie deutete auf sein Skarg. »Das mit dem Schwert müssen Sie mir erklären. Wie kann man heutzutage noch mit so einem altmodi schen Ding herumlaufen.«
26 Er lächelte ihr zu! »So altmodisch, wie es aussieht, ist es nun wieder nicht. Vielleicht erkläre ich es Ihnen wirklich einmal – später, wenn wir mehr Zeit haben.« Sie überzeugten sich, daß ihre Patienten in einem der obersten Räume eingesperrt waren und keinen Unsinn anstellen konnten, dann führte die Arkonidin Fartuloon in das Depot hinab. Sie wußte, wo die Krankensta tion lag. Fartuloon konnte seine Enttäuschung nicht verbergen, als er die katastrophale Un ordnung erblickte, die sich ihm beim Betre ten der Krankenstation darbot. In zwei Bet ten des eigentlichen Reviers entdeckten sie halb in Verwesung übergegangene Leichen, die von Maden völlig durchlöchert worden waren. Von den Tieren fehlte jede Spur. Sie mußten den Weg zur Oberfläche gefunden haben – oder sie hatten sich in einem guten Versteck verpuppt, falls sie dieses Entwick lungsstadium überhaupt kannten. Im Labor selbst gab es ebenfalls Schwie rigkeiten. Ein Teil der Schränke mit Instru menten und Medikamenten hatte sich von den Wänden gelöst und lag auf dem Boden. Schachteln, Flaschen und Kästchen lagen überall verstreut umher. Es würde schwer sein, sie zu sortieren. »Was war denn hier los?« fragte Fartu loon verwundert. »Wissen Sie es, Corenar?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Aber ich nehme an, es gab zu Be ginn der Insektenüberfälle und beim Anzei chen der ersten Krankheitserscheinungen ei ne Panik. Wahrscheinlich drangen die Er krankten hier ein und überwältigten das Per sonal. Ich habe Gerüchte gehört, aber nicht darauf geachtet. Schließlich war ich neu hier und kannte den Betrieb noch nicht. Sie müs sen das verstehen, Fartuloon …« »Ja, ich verstehe schon«, erwiderte Fartu loon beruhigend und wühlte in den herum liegenden Sachen. »Einige Präparate habe ich schon gefunden, aber wir benötigen mehr. Wenn wir doch wenigstens einen der Ärzte auftreiben könnten!«
Clark Darlton »Soll ich versuchen, einen zu finden?« Er richtete sich auf. »Bei den Verrückten? Nein, lieber nicht. Das wäre zu gefährlich, Corenar. Wir versu chen es allein, die Analyse liegt ja vor. Fan gen Sie schon mal an, das Zeug hier zu sor tieren, ich suche mir dann schon das Richti ge heraus.« Es war mühselige Kleinarbeit, die mehr Zeit als Kraft kostete. Einmal wurden sie da bei unterbrochen. Draußen auf dem Korridor war ein verdächtiges Geräusch, und dann taumelte ein Arkonide in die Krankenstati on, in der zitternden Hand einen entsicherten Impulsstrahler. Fartuloon gab Corenar einen Stoß, der sie in die schützende Ecke beförderte, wo sie liegenblieb. Sie sah, daß ihr Beschützer blitzschnell zur Seite sprang und sein seltsa mes Schwert zog. Ihrer Meinung nach konn te er damit gegen einen Impulsstrahler nicht fiel anfangen, schon gar nicht, wenn dieser im Besitz eines Halbverrückten war. Fartuloon versuchte es trotzdem: »Lassen Sie den Unsinn, wir wollen Ihnen doch nur helfen! Haben Sie schon die Ope ration hinter sich?« Der Mann sagte kein Wort, sondern schoß. Zum Glück schien er schon so ge schwächt zu sein, daß er nicht mehr zielen konnte. Das Energiebündel traf immerhin einen noch einigermaßen intakten Medika mentenschrank, aber noch ehe die Hitze den vielleicht entscheidenden Inhalt zerstören konnte, handelte Fartuloon. Corenar sah, daß er am Griff seines Schwertes manipulierte, ehe er es dem Ar koniden entgegenwarf. Ohne sichtbaren Schaden zu nehmen, durchquerte es das her umwandernde Energiebündel des Strahlers und traf den Mann mit der flachen Schneide gegen die Brust. Ein greller Blitzschein flammte auf und hüllte die Gestalt für Se kundenbruchteile ein. Als Corenar die Augen wieder öffnete, war schon alles vorbei. Der Arkonide war zusammengebrochen
Die Königin von Xuura und rührte sich nicht mehr. Fartuloon näher te sich ihm vorsichtig, drehte ihn auf den Rücken und untersuchte ihn. Dann nahm er das Skarg auf und schob es in die Scheide zurück. »Tot«, sagte er mit Bedauern. »Es gab keine andere Möglichkeit. Außerdem glaube ich, daß bei ihm die Maden schon ausge schlüpft sind. Sehen Sie weg, Corenar. Ich muß ihn verbrennen, wenn ich uns nicht alle in Gefahr bringen will.« Sie schloß wieder die Augen.
* Sie arbeiteten fast zwei Stunden ange strengt und ohne Pause, dann sagte Fartu loon: »Ich bin nicht sicher, ob wir Erfolg gehabt haben, aber das wird sich bald herausstellen. Die hergestellte Menge reicht für einige Be handlungen. Sollten wir uns nicht geirrt ha ben, machen wir weiter. Die Formel haben wir jetzt.« »So können wir anfangen?« »Natürlich! Kommen Sie mit, das ist bes ser.« Als sie die Tür des ersten Raumes öffne ten, wußte Corenar genau, was sie zu tun hatte. Fartuloon hatte ihr Instruktionen gege ben. Einen Strahler hatte sie nun. Er war auf Narkose geschaltet. Vier Männer waren in dem Raum. Fartu loon hatte sie bereits von den Insekteneiern befreit, was jedoch an ihrem geistigen Zu stand nichts änderte. Wie Wilde stürzten sie sich auf ihre Helfer. Die Arkonidin paralysierte mit dem breit gebündelten Energiestrahl die Angreifer, die vor der Schwelle zum Korridor zusammen brachen. Fartuloon gab ihnen die Injektion und schloß dann die Tür wieder. Jetzt erst fand er Zeit zu sagen: »Danke, Corenar, das haben Sie gut ge macht. Wir müssen nun eine gewisse Zeit warten, ehe wir eine Wirkung feststellen können. Das Serum reicht aber noch für drei bis vier weitere Injektionen, das sollten wir
27 nützen. Nehmen wir die schwersten Fälle.« Es war ähnlich wie beim ersten Mal und ging ebenfalls glatt. »Nun haben wir Zeit zum Ausruhen, Co renar. Es wäre sinnlos, schon jetzt erneut mit der Produktion des Serums zu beginnen. Wir brauchen ein Ergebnis, und das kann Stun den dauern. Gehen wir hinauf, ich möchte wissen, wie es Atlan und Mexon geht.« Schon im oberen Korridor versuchte Far tuloon, Kontakt herzustellen, aber er bekam keine Antwort. Vergeblich versuchte er zehn Minuten lang, eine Verbindung mit Atlan zu erhalten, aber sein Empfänger blieb stumm. »Vielleicht haben sie keine Zeit«, vermu tete Corenar. Fartuloon zuckte die Schultern. »Das kann ich mir nicht vorstellen. Sie tragen die Geräte am Arm, abgesehen von dem großen im Gleiter. In welcher Station sie sich auch immer befinden, sie könnten wenigstens antworten. Nun, wir werden uns später darum kümmern.« Er sah hinauf zum Himmel. »Es wird bald dunkel. Vielleicht wäre es gut, wir würden etwas essen und vielleicht ein oder zwei Stunden schlafen. Sie müssen müde sein.« Stumm nickte sie ihr Einverständnis. Neben der Krankenstation fanden sie einen verlassenen Raum, der einen relativ sauberen Eindruck machte. Corenar erbot sich, aus dem in der Nähe liegenden Lager Lebensmittel zu holen. Fartuloon zögerte mit seiner Einwilligung, aber er saß auf ei nem der Betten und fühlte sich hundeelend vor Erschöpfung. »Na schön, tun Sie es, aber seien Sie vor sichtig. Entsichern Sie den Strahler und hal ten ihn schußbereit. Und: keine Rücksicht, wenn Sie jemand angreift! Unsere Arbeit darf nicht gestört werden, sonst wird es bald keinen Lebenden mehr auf Xuura geben.« »Ich passe schon auf mich auf«, versprach sie und ging. Fartuloon streckte sich auf dem Bett aus, neben sich das Skarg. Die Müdigkeit über wältigte ihn, kaum daß er richtig lag. Trotz dem versuchte er wach zu bleiben, was ihm
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Clark Darlton
nur unter großen Schwierigkeiten gelang. Um nicht doch noch einzuschlafen, bevor Corenar zurückkam, dachte er angestrengt nach. Um Atlan und Mexon machte er sich vor erst keine Sorgen. Die beiden würden schon selbst auf sich aufpassen können. Aber das Serum bereitete ihm Kopfzerbrechen. Seiner Meinung nach hatte er es genau nach der. Giftanalyse zubereitet. Die Mischung war ein guter Nährboden für die unbekannten Viren, die er im Blut der Kranken entdeckt hatte. Seltsam war nur das Verhalten der Kran ken. Warum wehrten sie sich gegen eine Be handlung, während sie doch vorher so sto isch und gleichgültig gewesen waren? Die Gefahr der Maden war beseitigt, und damit auch das durch sie drohende Ende. Zurück blieb nur das unbekannte Gift und seine vor erst noch rätselhaften und nicht vorauszuse henden Auswirkungen. Fartuloon fand keine Antwort auf seine Fragen. Wenn doch Corenar endlich käme, damit er essen und schlafen konnte. Vielleicht wä re es besser gewesen, zum Schiff zu fahren und dort auszuruhen … Er hörte ein Geräusch draußen im Korri dor. Erleichtert atmete er auf. Corenar kehrte zurück. Ihr war nichts passiert. Dann, als er in Richtung Tür blickte, sah er in die Mündung eines Impulsstrahlers. Der Mann mit der Waffe trug die Uniform eines Offiziers der Flotte …
* Atlan schlug hart auf und ließ sich abrol len. Für Sekunden war er wie benommen, aber dann brachte ihn die Sorge um Mexon wieder zu sich. Mühsam richtete er sich auf und sah sich um. Er lag nur wenige Meter von dem völlig zerstörten Gleiter entfernt, der jetzt ausbrannte. Es war ein Glück, daß der Antrieb nicht explodierte. Aber das konnte jederzeit geschehen.
In einiger Entfernung lag Mexon, noch immer in seinem zerbrochenen Sessel und von den Gurten gehalten. Er schien gerade wieder zu sich zu kommen. Auf allen vieren kroch Atlan auf ihn zu, dabei überlegte er, wer wohl auf sie ge schossen haben konnte. Es bestand kein Zweifel daran, daß der Gleiter absichtlich zum Absturz gebracht worden war, aber von wem? Seine Frage wurde schneller beantwortet, als ihm lieb sein konnte. Noch zwei Meter von Mexon entfernt hörte er hinter sich eine Stimme sagen: »So, nun liegen bleiben! Den Rest besor gen wir schon.« Atlan gehorchte sofort. Er hatte nicht die geringste Lust, von hinten erschossen zu werden, von wem auch immer. Trotzdem riskierte er einen seitlichen Blick. Er sah die Stiefel von zwei Arkoniden auf sich zukom men. Dann spürte er den harten Druck einer Waffe im Rücken. »Sie können sich hinsetzen, Fremder! Wie ich sehe, haben Sie keine Waffe – sehr ver nünftig von Ihnen.« »Kümmern Sie sich um meinen Begleiter, er scheint verletzt zu sein.« »Machen wir, denn wir brauchen ihn le bendig.« Atlan lauschte dem Tonfall der Stimme nach. Etwas war in ihr, das merkwürdig schien. Sie kam ihm nicht direkt bekannt vor, aber diesen seltsamen Unterton hatte er schon einmal irgendwo gehört. Doch jetzt blieb ihm keine Zeit, länger darüber nachzu denken. Die beiden Kerle hatten den Gleiter abgeschossen, daran konnte kein Zweifel be stehen. Wer waren sie? Jetzt konnte er sie sehen. Der eine bückte sich und nahm Mexon den Strahler ab, der halb aus dem Gürtel gerutscht war. Der Mann war groß und kräftig gebaut und hatte brutale Gesichtszüge. Quer über die Stirn zog sich eine dunkle Narbe. Der andere sah ihm zum Verwechseln ähnlich, nur verfügte er nicht über eine Nar
Die Königin von Xuura be. Sie mußten Zwillingsbrüder sein. »Er kommt wieder zu sich, Ädirou«, sagte er und richtete sich nach kurzer Untersu chung Mexons wieder auf. »Da hat er Glück gehabt.« »Wir aber auch«, erwiderte der mit Ädi rou Angesprochene und trat Atlan nicht ge rade sanft in die Seite. »Stehen Sie auf, oder haben Sie sich etwas gebrochen?« Während Atlan sich aufrichtete, kam Me xon wieder völlig zu sich. »Was ist los?« wollte er wissen, dann sah er die beiden Arkoniden mit dem schußbe reiten Strahlern. »Sind das die Halunken, die uns abgeschossen haben?« »Binde ihn los, Bälthir«, forderte Ädirou ihn auf. »Wir haben den neuen Wirkstoff bald fertig, und da brauchen wir zwei Ver suchskaninchen. Die hier kamen gerade zur richtigen Zeit.« Mexon erhob sich ebenfalls und rieb sich die Arme. »Was wollen die von uns?« fragte er At lan, der ebenfalls auf den Beinen stand und seine Übelkeit zu überwinden suchte. Er fühlte sich noch längst nicht wieder kräftig genug, es mit den beiden Halsabschneidern aufzunehmen, ganz abgesehen von der Tat sache, daß er unbewaffnet war. »Keine Ahnung, aber sie werden es uns schon bald verraten.« »Los, unterhalten könnt ihr euch später«, knurrte Ädirou und deutete in Richtung der Kuppeln. »Und keine Dummheiten, wenn ich bitten darf. Tot können wir nichts mehr mit euch anfangen.« Was immer sie auch vorhaben, dachte At lan nur wenig beruhigt, sie brauchen uns tat sächlich lebend. Wozu? Er wagte es nicht, die Ahnung, die lang sam in ihm aufstieg, weiter auszubauen. Das Ganze mußte etwas mit den Insekten zu tun haben, daran bestand kein Zweifel. Dies hier war eine ehemalige Forschungsstation, auch das war ziemlich sicher. Die Zusammenhänge begannen sich all mählich aus dem Dunkel des Nichtwissens herauszuschälen.
29 Am westlichen Himmel dämmerte es be reits. Heimlich drückte Atlan den Knopf des Telekoms ein, aber es erfolgte keine Reakti on. Fartuloon antwortete nicht. Eine Sekun de später war Bälthir bei ihm und nahm ihm das Gerät ab. Mexon erging es nicht anders. In der Kuppel sah es einigermaßen or dentlich und aufgeräumt aus. Sie enthielten mehrere Räume, von denen die meisten bis zur Decke mit Vorräten und Kisten unbe kannten Inhalts angefüllt waren. Die beiden Arkoniden sperrten sie in eine leere Kammer ein, die außer einer breiten Lagerstatt und ei nigen Gefäßen nichts enthielt. Mit einem dumpfen Geräusch schloß sich die Tür hin ter ihnen. Sie waren allein. Draußen entfern ten sich die Schritte. »Was hat das alles zu bedeuten?« Atlan ging vorsichtig in dem Gefängnis auf und ab, aber zu seiner Beruhigung ver spürte er kaum noch Schmerzen. Auch Me xon schien keine ernsthaften Verletzungen durch den Absturz des Gleiters davongetra gen zu haben. »Keine Ahnung«, entgegnete er und legte dabei den Zeigefinger auf die Lippen. Er rechnete also damit, daß man ihr Gespräch belauschen konnte. »Sie werden uns schon sagen, was sie von uns wollen.« Er ging zu Mexon und setzte sich ebenfalls. Flüsternd fuhr er fort: »Ich glaube, es hat mit den In sekten zu tun. Ich sehe da gewisse Zusam menhänge, wenn es auch scheinbar keinen Sinn ergibt. Wir haben keine andere Wahl als abzuwarten. Außerdem solltest du Fartu loon nicht vergessen. Wenn wir nicht zu rückkehren, wird er sich in den Wagen set zen und losfahren. Früher oder später findet er die Kuppeln und den abgestürzten Glei ter.« Mexon nickte hoffnungsvoll. »Ich hoffe, wir bekommen etwas zu trin ken, ich habe einen schrecklichen Durst.«
* Fartuloon stand langsam auf und ließ sein
30 Skarg auf dem Bett liegen. Also hatte Core nar es doch nicht geschafft. Daß sie ihn ver raten hatte, glaubte er nicht. »Wie ich sehe, wurden Sie bereits operiert und von den Insekteneiern befreit. Ihnen droht keine Gefahr mehr. Was wollen Sie von mir?« »Kommen Sie mit, Sie Spion! Sie haben uns diese Biester auf den Hals geschickt.« »Die Insekten? Sie müssen verrückt sein!« »Kommen Sie schon! Nein, Ihr großes Messer können Sie ruhig liegenlassen, Sie werden es nicht mehr benötigen.« Mit dem Messer meinte er das Skarg, das Fartuloon so wie nebenbei ergreifen wollte. Meist hatte niemand etwas dagegen, wenn er es mit sich herumschleppte, denn jeder, der es nicht kannte, mußte es für ein harmloses Spielzeug halten. Draußen auf dem Gang tauchten weitere Arkoniden auf. Ihr Verhalten hatte sich stark verändert. Sie schienen plötzlich mit Energie geladen zu sein und voller Tatkraft. Aber sie handelten unlogisch und in jeder Hinsicht unmotiviert. Das Gift wirkt also noch im mer, wenn auch ganz anders als vorher. Vielleicht gab es noch ein weiteres Stadium, das dann zum völligen Verfall führte. Sie stießen Fartuloon in den nächsten Lift, der sie weiter nach unten brachte. Dann führten sie ihn durch einen halbdunklen Gang, öffneten eine primitive Tür aus dickem Plastikstoff und gaben ihm einen Tritt gegen sein korpulentes Hinterteil. Er stolperte in den nur dürftig erleuchteten Raum und hörte, wie hinter ihm die Tür zu geschlagen wurde. Auf dem einzigen Bett saß Corenar und sah ihm mit weit aufgerissenen Augen ent gegen. »Fartuloon!« rief sie verzweifelt. »Ich konnte es nicht verhindern! Sie über raschten mich im Lebensmittellager. Was nun?« Fartuloon rieb sich sein Hinterteil. »Der Kerl hat vielleicht einen Tritt am Leib! Wenn ich ihn erwische, verpasse ich
Clark Darlton ihm gleich fünf Injektionen – auch dorthin!« »Damit ist es jetzt wohl vorbei. Was ist nur mit den Leuten passiert? Sie sind ag gressiv und hören nicht zu. Sie werden ge walttätig und verschlossen jedem Argument gegenüber. Da waren sie mir schläfrig fast noch lieber.« Fartuloon setzte sich neben sie. »Hoffentlich kommen Sie nicht auf die Idee, das Schiff zu kapern und damit zu ver schwinden. Dann sitzen wir aber schön in der Tinte. Möchte wissen, warum Atlan und Mexon nicht antworteten.« Er betrachtete das nutzlose Gerät am Handgelenk. »Von hier unten aus kann ich ohnehin keine Ver bindung herstellen.« Sie legte ihre Hand auf seinen Arm. »Es tut mir leid, daß ich so versagte, Far tuloon.« Fast verlegen winkte er ab. »Ach was, das ist doch nicht Ihre Schuld. Ich bin genauso in die Falle gegangen. Wir sind nicht zum Essen und Schlafen gekom men.« Er rutschte zur Seite. »Legen Sie sich hin und versuchen Sie zu schlafen. Ich küm mere mich in der Zwischenzeit um die Tür. Sie sieht nicht sehr widerstandsfähig aus. Vielleicht kann ich sie aufkriegen.« »Ohne Hilfsmittel?« sie schüttelte traurig den Kopf. »Ich finde es nett von Ihnen, mir Mut zusprechen zu wollen, aber es ist zwecklos. Ich kenne das Material. Es ist praktisch unzerstörbar, sonst hätte man uns nicht hier eingesperrt.« »Die können nicht mehr folgerichtig den ken, Mädchen«, erinnerte er sie. »Sie ma chen Fehler – und das mit der Tür war nicht ihr erster. Also: schlafen Sie! Das ist ein ärztlicher Befehl!« Sie lächelte und schloß die Augen. Vorsichtig stand er auf und begann mit der Inspektion ihres Gefängnisses.
* Atlan und Mexon, die sich in einer ähnli chen Situation befanden, waren auf den glei chen Gedanken gekommen.
Die Königin von Xuura Etwa eine Stunde nach ihrer Gefangen nahme hatte ihnen der Kerl mit der Narbe auf der Stirn – Bälthir – einen Karton mit Konzentratwürfeln gebracht, dazu einen Krug mit Wasser. Er hatte keine ihrer Fra gen beantwortet und war wieder verschwun den. Draußen mußte es nun bereits Nacht sein. So müde sie auch waren, beide konnten sie jetzt nicht schlafen. Immerhin war es Atlan gelungen, mit Sicherheit festzustellen, daß es keine Abhörvorrichtung in ihrem Gefäng nis gab. Wahrscheinlich handelte es sich um einen bedeutungslosen Abstellraum. Die Wände bestanden aus massivem Ma terial, das härter als Fels war. Ihm war nicht beizukommen. Auch Decke und Fußboden gaben keinen Grund zur Hoffnung, ebenso wenig wie die Tür. Nach einer Stunde gaben die beiden Gefangenen es auf. »Es hat keinen Zweck«, sagte Mexon mutlos und setzte sich auf das einzige Bett. »Wir können uns ausruhen. Vielleicht brau chen wir morgen unsere Kräfte dringender als jetzt.« »Du hast recht.« Atlan setzte sich neben ihn. »Wenn wir uns nicht zu breit machen, haben wir beide Platz.« Sie waren so erschöpft, daß sie sich nicht gegenseitig störten, wenn Mexon auch schnarchte. Als sie erwachten, fühlten sie sich erfrischt und zu neuen Taten bereit, für die es jedoch vorerst noch keine Gelegenheit zu geben schien. Dann war ein Geräusch an der Tür, die sich bald darauf öffnete. Ädirou sagte im Befehlston: »Aufstehen, ihr Faulpelze. Wir wollen euch etwas zeigen.« »Haben noch nicht gefrühstückt!« knurrte Mexon frech. »Kommen Sie in einer halben Stunde wieder.« Ädirou war so verblüfft, daß er die Tür wieder schloß. Atlan verbiß ein Grinsen und packte zwei Konzentratwürfel aus der Kiste. Dazu tran ken sie Wasser. Genau dreißig Minuten spä ter erschien Ädirou abermals. In der Hand
31 hielt er den Strahler. »Los jetzt! Und macht keine Dummhei ten! Wir sind nicht sehr feinfühlig.« »Das glaube ich aufs Wort«, gab Atlan zu und folgte Mexon, der vorausging. Im großen Mittelraum erwartete sie Bäl thir. Er setzte gerade einen durchsichtigen Behälter auf den Tisch zurück und wandte sich ihnen zu. »Ich hoffe, Sie hatten eine gute Nacht. Gehören Sie übrigens zu der Depotbesat zung? Sie tragen keine Uniform.« »Wir kamen erst heute mit einem Han delsfrachter«, erwiderte Atlan und setzte sich einfach in einen Sessel. »Mit dem De pot haben wir nichts zu tun. Was wollen sie von uns? Warum schossen Sie uns ab?« »Immer der Reihe nach. Mein Bruder Ädirou wird Ihnen alles erklären. Niemand soll unaufgeklärt sterben. Aber wenn Sie Glück haben, werden Sie weiterleben.« Ädirou setzte sich den Gefangenen gegen über und gab Mexon ein Zeichen, ebenfalls Platz zu nehmen. Der Strahler lag auf seinen Knien. Atlan, der die Entfernung abschätzte, sah ein, daß ein Angriff jetzt zwecklos war. Außerdem war Bälthir ebenfalls bewaffnet. »So, also mit einem Schiff! Ein Händ ler?« »Ja«, blieb Atlan halbwegs bei der Wahr heit. »Wir haben mit der Garnison hier nichts zu tun, das betonte ich bereits. Aber wir fanden merkwürdige Verhältnisse vor. Ich nehme an, Sie haben Anteil daran.« »Richtig, das haben wir.« In Ädirous Stimme schwang Stolz mit. »Unsere Experi mente sind von Erfolg gekrönt, und bald werden wir die Maahks besiegen können. Wir werden es sein, Ädirou und Bälthir Gei go, die dem Großen Imperium den Weg zur Niederlage des Feindes gewiesen haben. Der Imperator wird uns belohnen. Er wird uns die Leitung des Großen Medizinischen Ar konrats übergeben müssen.« Nun wußte Atlan mit Sicherheit, daß die beiden Arkoniden den Verstand verloren hatten. Sie mußten verrückt sein, größen wahnsinnig und total verblendet. Doch so
32 lange er die Hintergründe nicht kannte, wollte er sich kein endgültiges Urteil bilden. Manchmal wirkten auch Genies wie Ver rückte. »Können Sie uns das näher erklären? Und vor allen Dingen möchten wir wissen, wel che Rolle wir dabei spielen sollen.« »Gemach, gemach«, mahnte Ädirou zur Geduld, wobei er allerdings hämisch grinste. »Sehen Sie, was dort in dem Behälter ist?« Atlan hatte es längst gesehen. In dem transparenten Gefäß, das oben abgedeckt war, krochen ungeflügelte und vielleicht fünf Zentimeter lange Insekten herum, die verzweifelt nach einem Ausweg aus ihrem Gefängnis zu suchen schienen. Mitten in dem Käfig stand eine kleine Schüssel mit ei ner trüben Flüssigkeit. Manchmal kroch eins der Insekten hin und trank. Dann nahm es die Fluchtversuche wieder auf. »Sie haben keine Flügel«, bemerkte Atlan und heuchelte wissenschaftliches Interesse. »Aber sie scheinen mit den fliegenden In sekten draußen in der Freiheit verwandt zu sein.« »Und ob sie das sind!« lachte Bälthir tri umphierend. »Aber sie sind eine Spezial züchtung, die uns erst nach langen Versu chen geglückt ist. Eigentlich haben wir ihre Entwicklungsreihe unterbrochen. Aus dem Ei schlüpft die Made, die sich später ver puppt. Aber aus der Puppe kriecht kein ge flügeltes Insekt, sondern in der ersten Phase ein Tier wie dieses hier. Es handelt sich um äußerst widerstandsfähige Käfer mit hartem Panzer und gemein scharfen Beißwerkzeu gen. Sie zerstören damit sogar Plastikstoffe. Und sie bringen es fertig, sich in jeden wei cheren Stoff hineinzubohren. So zum Bei spiel auch durch die Haut eines Maahks.« Er schwieg, als wolle er seine Worte in ihrer Bedeutung einsinken lassen. Atlan und Mexon blieben ebenfalls stumm. Sie ahnten nun, was kommen würde. Aber noch kam die letzte Aufklärung nicht. »Wir haben also den Entwicklungsprozeß angehalten. Aus jenen Exemplaren dort wer-
Clark Darlton den niemals geflügelte Insekten, sondern sie bleiben so, wie sie jetzt sind. Und sie lassen sich, wenn uns nicht alles täuscht, eines Ta ges auch programmieren. Doch um dieses Ziel zu erreichen, müssen noch Opfer ge bracht werden. Das verstehen Sie doch?« »Reichen die Opfer des Depots nicht?« wollte Atlan wissen. »Was wir dort vorfan den, war grauenhaft. Was hat das überhaupt mit Ihren Experimenten zu tun?« »Wir müssen die einzelnen Entwicklungs stadien studieren. Da es keine anderen Ver suchsobjekte gibt, mußten wir die Besatzung des Depots hernehmen. Sie haben selbst er lebt, wie hilflos sie ist. Und nun versuchen Sie sich vorzustellen, was geschehen könnte, wenn den Stützpunkten der Maahks ähnli ches passiert. Der Sieg wäre unser!« »Sind Sie Wissenschaftler?« fragte Atlan leidenschaftslos. Ädirou warf sich in die Brust. »Die größten des Imperiums, wage ich in aller Bescheidenheit zu behaupten. Der Er folg wird uns bestätigen.« Er deutete wieder auf das Behältnis mit den länglichen Käfern. »Sobald es uns gelungen ist, aus diesen harmlos wirkenden Insekten unbesiegbare Kampfmaschinen zu züchten, werden wir uns dem Imperator offenbaren. Wir werden einen unvorstellbaren Triumph erleben.« Seine Augen waren weit geöffnet. In ih nen flackerte beginnender Wahnsinn. Atlan wurde erst jetzt so richtig bewußt, in wel cher Gefahr er und Mexon schwebten. Die verrückt gewordenen Bewacher des Depots waren gegen diese beiden machtbesessenen »Wissenschaftler« harmlose Kinder. »Ein genialer Gedanke«, sagte er schließ lich vorsichtig und warf Mexon einen be deutsamen Blick zu. »Wirklich genial. Aber wieso lassen sich diese unscheinbar wirken den Käfer zu Kampfmaschinen umprogram mieren? Das erscheint mir reichlich unwahr scheinlich.« Er wollte die Geigos herausfordern, mehr aus ihnen hervorlocken. Je mehr er und Me xon wußten, um so leichter würde es sein, die beiden zu überwältigen.
Die Königin von Xuura »Das kann Bälthir Ihnen besser erklären – es ist sein Fachgebiet.« Der Bruder mit der Narbe war für die Ge legenheit, sich ebenfalls produzieren zu kön nen, offensichtlich dankbar. »Sobald es uns gelungen ist, durch gewis se Manipulationen den im ersten Experiment erfolgreich durchgeführten Entwicklungs stop genetisch zu sichern, werden wir ganze Völker dieser Käfer heranzüchten. Die flie genden Insekten dienen dann nur noch der Verseuchung von Maahkstützpunkten. Viel leicht aber brauchen wir sie dann überhaupt nicht mehr, wenn sich die Käfer von selbst vermehren, ohne das fliegende Stadium durchmachen zu müssen.« Er deutete auf das Behältnis. »Dies ist noch eine Generati on, die aus den Eiern der fliegenden Insek ten hervorgegangen ist, aber als Made er nährten sich die Tiere noch vom Fleisch le bender Individuen. Das war notwendig. Bald wird das überflüssig sein. Immerhin haben sie sich nun nicht mehr verwandelt und sind Käfer geblieben. Bald werden sie selber Eier legen. Und dann ist es soweit.« »Wie weit?« fragte Atlan ruhig. »Sie werden programmiert!« Er sah Atlan durchdringend an. »Sie glauben, ich wäre verrückt, nicht wahr?« Haß und Enttäu schung flammte in seinen irren Augen auf. »Sie werden bald einsehen, daß ich es nicht bin! Meine ersten Versuche in dieser Rich tung waren erfolgreich, müssen Sie wissen. Einige der Käfer – natürlich gesondert unter gebracht – tragen bereits winzige Explosiv körper in sich. Sie detonieren selbständig, sobald die Beißwerkzeuge eine gewisse Zeit intensiv beschäftigt waren, also nicht bei ge nau abgemessener Nahrungsaufnahme. Aber zum Beispiel dann, wenn sie sich durch die Haut eines Maahks hindurchgearbeitet ha ben. Oder durch das Fleisch eines Arkoni den.« Atlan hatte alle Mühe, auch weiterhin ru hig und gelassen zu bleiben. Innerlich ver suchte er, das Gehörte zu verdauen. Daß Wahnsinn solche Früchte tragen konnte, hat te er nie für möglich gehalten. Was er und
33 Mexon erlebten, übertraf jeden Alptraum. Wenn die Gebrüder Geigo nicht unschädlich gemacht werden konnten, gab es in einigen Jahren vielleicht ganze Generationen dieser explosiv geladenen Käfer, und sie würden nicht nur Maahks angreifen. Ganz davon abgesehen: die Geigos waren kaltblütige Mörder. Sie hatten schon genug Unheil angerichtet. »Wirklich genial«, behauptete er. »Der Dank des Imperiums ist euch sicher.« Ädirou nickte. »Ja, das ist sicher. Nur schade, daß ihr nicht mehr daran teilhaben könnt. Das tut uns wirklich leid. Immerhin werdet ihr die Gewißheit mit ins Grab nehmen dürfen, un serer großen Sache gedient zu haben.« »Was wird geschehen?« Atlan ahnte es, aber er wollte es genau wissen. »Warum müssen wir sterben?« Ädirou nickte freundlich in Richtung sei nes Bruders. »Bälthir hat mit seinen Versuchen das ex perimentelle Stadium hinter sich gebracht. Nun ist die Praxis an der Reihe. Wie er be reits erwähnte, haben wir schon Exemplare mit Explosivkörpern. Sie müssen noch ein oder zwei Tage hungern, ehe wir sie in eu rem Gefängnis freisetzen. Die Detonationen werden nicht so stark sein, daß sie die Kup pel zerstören, aber sie genügen vollauf, euch zu zerfetzen. Aber wir wollen es genau wis sen.« Atlan und Mexon sahen sich wortlos an. Bälthir begann zu kichern.
5. Koul Vaahrns und Jarak flüsterten mitein ander. »Hör zu, Jarak, es ist überhaupt kein Risi ko dabei. Garzohn hat sich dumm genug an gestellt und würde noch mehr Fehler ma chen. Ich will Atlan, sonst nichts. Seinen dicken Freund haben die Leute vom Depot schon geschnappt, und er ist der beste Kö der, den man sich denken kann.« »Aber warum willst du dann Garzohn sein
34 Schiff abnehmen?« »Warum sollen wir die Belohnung mit ihm teilen? Um so mehr bleibt doch für uns!« Das sah Jarak ein. »Und wie sollen wir das bewerkstelligen? So dumm, wie du sagst, ist Garzohn nun auch wieder nicht. Er sieht schon die ganze Zeit her zu uns.« Getrennt von den Bewachern des Depots hatte man sie in einem Raum im unteren Teil des Depots untergebracht. Seitdem Far tuloon ihnen und der Depotbesatzung die Ei er ausoperiert hatte, ging es ihnen wieder besser, aber nur die paar, die auch die Injek tion erhalten hatten, benahmen sich wieder einigermaßen normal. Seltsamerweise schie nen sie jedoch nicht zu wollen, daß alle die se Injektion erhielten. »Laß ihn nur hersehen, er hat keine Ah nung, wovon wir reden. Ich habe es mir so vorgestellt: wir befreien diesen dicken Far tuloon und versuchen, ins Freie zu kommen, am besten zum Schiff. Atlan wird dort sein, glaube ich. Wir benutzen Fartuloon dann als Geisel. So können wir Atlan zwingen, uns mitzunehmen. Einmal im Schiff wird sich schon eine Gelegenheit ergeben, es in unsere Gewalt zu bringen und Atlan zu überwälti gen.« »Ein gefährlicher Plan, Koul.« »Aber ein guter – wenn er gelingt.« Garzohn wälzte sich von der Lagerstatt und setzte sich. »Was habt ihr beiden dauernd zu flüstern? Könnt ihr nicht laut reden, damit euch jeder versteht?« Sein ganzer Körper war mit klei nen Pflastern bedeckt, besonders das Ge sicht. Nur die Augen, der Mund und die Na se schauten noch hervor. Das lähmende Gift hatte in seiner Wirkung nachgelassen. »Man könnte glauben, ihr hättet Geheimnisse vor uns.« Vaahrns winkte ab. »Unsinn, Drahmosch, wir unterhalten uns nur, das ist alles. Leg dich wieder hin, das ist besser für dich.« »Ich werde euch nicht aus den Augen las-
Clark Darlton sen«, drohte der Händler, mißtrauisch ge worden. Aber er blieb an seinem Platz sit zen. »Denkt nur nicht, wegen der Insekten bliebe ich bis zum Ende meines Lebens in diesem unterirdischen Gefängnis. Ich will zurück zum Schiff!« »Niemand hindert dich daran, nur fürchte ich, Atlan wird dir eins auf den Pelz bren nen, wenn du nach draußen kommst.« Garzohn knurrte etwas Unverständlich und legte sich wieder hin. Vaahrns blinzelte Jarak zu, sagte aber nichts mehr.
* Fartuloon setzte sich vorsichtig auf den Bettrand, um Corenar nicht aufzuwecken. Sie war eingeschlafen, während er das Ge fängnis untersuchte. Es war ihm klar, daß jeder Versuch, hier auszubrechen, völlig sinnlos sein mußte. Die Tür konnte er nicht von innen öffnen, ob wohl sie durch ein gewöhnliches Schloß und durch einen Riegel abgesichert war. Das Material war in der Tat unzerstörbar, außer dem fehlten ihm die nötigen Werkzeuge. Wenn er sein Skarg noch besessen hätte, wä re alles ein Kinderspiel gewesen. Corenar räkelte sich und schlug die Au gen auf. Sie sah Fartuloon und war sofort hellwach. »Nun, was ist? Was gefunden?« Er schüttelte resigniert den Kopf. »Ohne fremde Hilfe kommen wir hier nicht mehr raus«, teilte er ihr mit. »Und ich wüßte nicht, wer uns helfen sollte.« »Sie sollten sich auch ein wenig hinle gen«, schlug sie vor und machte Platz. »Es muß schon mitten in der Nacht sein.« »Müde bin ich, aber ich werde kaum schlafen können«, sagte er und streckte sich neben ihr aus. »Wenn ich doch nur wüßte, was Atlan und Mexon jetzt tun? Sie müßten längst von ihrem Ausflug zurück sein und Verdacht geschöpft haben. Hoffentlich ist ihnen nichts passiert.« »Sie denken an die Insekten?« Sie schürz
Die Königin von Xuura te die Lippen. »Solange sie im Gleiter sind, kann ihnen nichts geschehen.« Aber so leicht ließ Fartuloon sich nicht beruhigen. Er wußte, daß Atlan landen und den Gleiter verlassen würde, wenn er etwas entdeckte, das er untersuchen wollte. Wenn in einem solchen Augenblick ein Überfall der Insekten erfolgte, waren er und Mexon den Tieren hilflos ausgeliefert. Corenar wollte gerade etwas sagen, als er ein Geräusch an der Tür vernahm. Schnell legte er seine Hand auf ihren Mund und be deutete ihr, ruhig zu sein. Er selbst richtete sich vorsichtig auf und schlich auf den Ze henspitzen zur Tür, um zu lauschen. Draußen machte sich jemand am Schloß zu schaffen, aber es war offensichtlich, daß er keinen Schlüssel hatte. Es dauerte auch viel zu lange, bis er endlich den Riegel zu rückgeschoben hatte. »Was kann das sein?« flüsterte Corenar. »Bringen sie uns vielleicht was zu Essen? Mitten in der Nacht?« Fartuloon legte den Zeigefinger auf die Lippen. Angestrengt lauschte er. Jemand schob etwas in das Schloß der Tür. Es gab ein knackendes Geräusch, dann drehte sich langsam der faustgroße Knopf, der vorher unbeweglich gewesen war. Die Tür ging auf, und dann streckte Vaahrns vorsichtig den Kopf durch den ent standenen Spalt und sah die Arkonidin auf dem Bett sitzen. Fartuloon sah er nicht. »Wo ist der Dicke?« fragte er und kam herein, gefolgt von Jarak. Fartuloon machte einen schnellen Schritt zur Seite und nahm dem völlig überraschten Jarak den Strahler ab, den er in der Hand hielt. »Der Dicke ist hier, Vaahrns«, sagte er und verspürte stille Genugtuung, als der skrupellose Geschäftemacher erschrocken herumfuhr. »Ihr seid doch nicht gekommen, um uns zu befreien?« Vaahrns begriff und schaltete sehr schnell. »Natürlich sind wir das! Warum sollten wir sonst hier sein? Geben Sie Jarak die
35 Waffe zurück. Ich selbst bin unbewaffnet.« »Das sehe ich. Den Strahler behalte ich. Also raus mit der Sprache: was wollt ihr?« »Euch rausholen«, wiederholte Vaahrns mit dem Brustton der Überzeugung. »Die Verrückten hier hätten euch noch umge bracht.« »Ach ja, und dann sind wir nur noch halb soviel wert. Ich glaube euch kein Wort, und ich werde euch hier einsperren, bis ich die Wahrheit erfahren habe. Was sagt denn Garzohn dazu?« »Er weiß nichts davon«, versicherte Jarak hastig. »Und es ist auch besser, er erfährt es nicht. Aber wenn wir noch lange herumre den, wird er uns vermissen und Alarm schla gen. Wir wollten zum Schiff.« »Und dann mit uns abhauen?« Fartuloon grinste breit und schüttelte den Kopf. »Oh, wie selbstlos ihr doch seid! Ich bin direkt gerührt über soviel Edelmut.« Der Tonfall seiner Stimme veränderte sich jäh. »Setzt euch drüben aufs Bett! Corenar, komm her! Kannst du die Tür wieder verschließen?« »Wenn sie das Schloß nicht kaputt ge macht haben – ja.« »Versuche es! Und ihr, Vaahrns und Ja rak, bleibt hier! Wir holen euch, wenn es so weit ist. Aber vorher sind noch einige Dinge zu erledigen. Zum Wohle des Imperiums, übrigens …« Das Schloß schnappte automatisch ein, als sie die Tür von außen zudrückten. Die bei den Halunken saßen vorerst fest. Fartuloon atmete auf. »Ich weiß wirklich nicht, was sie mit uns vorhatten, aber etwas Gutes war es sicher lich nicht. Kennst du dich hier aus?« Als sie nickte, fuhr er fort: »Ich muß mein Schwert zurückhaben, nimm du inzwischen den Strahler. Und dann so schnell wie möglich zu der Kammer, in der man uns überwältig te.« Einmal begegneten sie zwei Arkoniden, die aber kaum auf sie achteten. Fartuloon sah mit geübtem Blick, daß sie vor längerer Zeit von den Insekten gestochen worden sein mußten. Die Eier mußten reif sein, und
36 die Maden konnten jeden Tag ausschlüpfen. Wenn sie nicht bald operiert würden, waren sie verloren. Doch dazu blieb jetzt keine Zeit. In der Krankenstation hatte sich nichts ge ändert. Auch das Skarg lag noch auf dem Bett. Fartuloon nahm es an sich und schob es in die Scheide. Sofort fühlte er sich wie der sicher. Aber in Zukunft würde er vor sichtiger sein müssen. »Und was jetzt?« fragte Corenar. »Wir wissen nicht, ob das Serum wirkt. Stellen wir weiteres her?« »Ich möchte erst wissen, ob Atlan und Mexon zurück sind. Sind Sie sicher, daß die Insekten nachts nicht angreifen?« »Genau weiß ich es nicht«, gab sie zö gernd zu. »Gehört habe ich es noch nicht.« »Dann gehen wir nach oben, ehe wir hier unter weitermachen. Behalten Sie den Strah ler, mir genügt das Schwert.« »Sie wollten mir noch erklären …« »Später, das hat Zeit, Corenar. Wir haben Wichtigeres zu tun.« Auf dem Weg zum Lift begegnete ihnen niemand. Das Depot wirkte wie ausgestor ben, wenigstens hier unten. Wahrscheinlich schliefen die Arkoniden. Die Strapazen der Operation konnte nicht spurlos an ihnen vor übergegangen sein. Fartuloon hätte am lieb sten sofort nach den bereits mit dem Serum geimpften gesehen, aber er wollte jetzt keine Zeit mehr verlieren. Im Korridor, der parallel zur Oberfläche von Xuura verlief, waren Geräusche. Hier war also noch jemand wach, vielleicht ein Posten. Fartuloon zog Corenar in einen kleinen Nebenraum kurz vor dem Ausgang. »Von hier müßte die Verbindung möglich sein, das geschah schon vorher.« Er manipu lierte an seinem Telekom und gab das Rufsi gnal. »Nur in unserem Teil funktionierte es nicht.« Im Empfangsteil des Geräts blieb es still. Niemand antwortete. Fartuloon wiederholte das Signal noch mehrmals, und endlich knackte es in dem
Clark Darlton winzigen, aber leistungsstarken Lautspre cher. Eine fremde Stimme sagte mürrisch: »Lassen Sie den Unsinn und wecken Sie uns nicht dauernd auf. Wenn Sie zu dem Handelsschiff gehören, dann starten Sie so schnell wie möglich. Auf Xuura gibt es nichts mehr für Sie zu holen.« Die Stimme schwieg. Fartuloon starrte das Gerät an, dann ließ er den Arm sinken. »Unsere Frequenz! Jemand hat Atlan und Mexon die Telekome abgenommen. Sie sind in Gefahr.« »Wir auch«, erinnerte ihn Corenar. »Was jetzt?« »Das Fahrzeug!« erinnerte sich Fartuloon. »Wir müssen zum Gebirge fahren, dorthin wollten die beiden auch. Wir müssen sie fin den!« »Und was wird aus dem Depot?« »Atlan ist wichtiger, Corenar, das müssen Sie verstehen.« »Wer ist eigentlich dieser Atlan?« begehr te sie zu wissen. Er warf ihr einen schrägen Blick zu. »Vielleicht ist es besser, du erfährst es nicht. Jedenfalls ist er mein Freund.« Zum ersten Mal hatte er die vertrauliche Anrede gebraucht. Sie lächelte ihm zu. »Also gut, wie du meinst. Retten wir dei nen Atlan, ehe wir hier weitermachen. Hof fentlich kommen wir unbemerkt an dem Po sten vorbei.« »Notfalls legen wir ihn schlafen«, meinte er und nahm sie bei der Hand. »Wir müssen zusammenbleiben.« Das Licht brannte, und es war nicht fest zustellen, ob es auf der Oberfläche nun Tag oder Nacht war. Jedes Zeitgefühl war verlo rengegangen, und die Uhr mit Bordzeit nütz te nichts. Fartuloon wollte Corenar gerade auf den Korridor ziehen, als er das Geräusch laufender Schritte hörte. Schnell ging er wieder in Deckung. An der offenen Tür vorbei rannten einige bewaffnete Arkoniden und fuchtelten mit ih ren Strahlern herum. Offenbar hatten sie die Flucht der beiden Gefangenen bemerkt und
Die Königin von Xuura besetzten nun den einzigen Fluchtweg. Se kunden später heulte eine Sirene. Fartuloon zog sich weiter zurück. »Das hat man nun davon, daß man ihnen geholfen hat. Mit den Insekteneiern im Bauch waren sie friedlicher. Bin nur ge spannt, wie sie sich verhalten, wenn das Gift wieder zu wirken beginnt.« »Wir sitzen hier fest«, befürchtete sie. »Raus kommen wir jedenfalls nicht mehr.« Vorsichtig sah Fartuloon aus der Tür. Vor dem Ausgang, der zum Vorhof führte, ent deckte er mindestens ein Dutzend Arkoni den in ihren zerlumpten Uniformen, die sich berieten. An ihren aufgeregten Gesten konn te er erkennen, das etwas geschehen sein mußte, das ihnen nicht in den Kram paßte. Wahrscheinlich die Flucht der Gefangenen. Er wandte sich um. »Wenn wir Glück haben, erreichen wir den Lift, ehe sie uns finden, Corenar. Versu chen wir es. Ich will nach den Burschen se hen, die wir impften, mehr können wir jetzt nicht tun.« »Warum sollen wir überhaupt noch Se rum herstellen? Du siehst doch, daß sie auch ohne die Impfung wieder ganz normal han deln.« »Das ist nicht normal!« widersprach Far tuloon überzeugt. »Beim Stich durch die In sekten erfolgt mit der Eiablage eine vorüber gehende geistige Lähmung, von der sie sich wieder erholen. Bleiben die Eier im Körper, tritt eine ständige Lethargie ein, bis die Ma den ausschlüpfen. Kommen die Eier aber heraus, so gibt es eine scheinbare Erholung der Gastkörper – das ist das Stadium, das wir gerade erleben. Morgen schon wird sich beginnender Wahnsinn bemerkbar machen, und wenn sie uns dann erwischen, sind wir verloren. Darum das Serum!« »Ich verstehe«, sagte sie und nickte ihm zu. »Gehen wir.« Sie erreichten den Lift und fuhren damit einige Stockwerke hinab. »Ich glaube, hier ist es«, meinte Fartuloon und sah hinaus auf den dämmrigen Gang. »Hier haben wir die Geimpften eingesperrt.
37 Vielleicht hat man sie noch nicht gefunden.« »Ich finde es wieder, komm!« Sie ging voran, den Strahler schußbereit in der Hand. Aber hier unten schien es kei nen Alarm gegeben zu haben, oder niemand kümmerte sich darum. Fartuloon folgte der Arkonidin mit dem Skarg in der Hand. Die vier Männer in dem kleinen Raum schliefen, als Corenar die Tür öffnete. Man schien sie in der Tat noch nicht gefunden zu haben. Ihre Gesichter wirkten gelöst und wie befreit. Ihr Atem ging regelmäßig. Sie sahen gesund aus. Fartuloon winkte Corenar zu. Erst als sie draußen auf dem Gang waren, meinte er lei se: »Ich glaube, wir haben es geschafft. Mor gen, wenn sie erwachen, wird für sie alles nur noch ein Alptraum gewesen sein. An die Arbeit, Assistentin! Ich frage mich nur, wie wir es anstellen, auch die anderen zu imp fen. Notfalls müssen wir sie wieder narkoti sieren.« »Hoffentlich bekommen wir genug Se rum.« »Ja, hoffentlich.« So schnell sie konnten liefen sie zum Lift und fuhren weiter nach unten, bis sie die Etage erreichten, auf der sich das Kranken revier befand. Corenar ging einige Meter vor Fartuloon, der die Rückendeckung übernom men hatte – ein Fehler, wie sich bald heraus stellte. Als sie an einer offenen Tür vorbeikam, nur noch ein Dutzend Schritte von der Kran kenstation entfernt, griffen plötzlich zwei Hände nach ihr und zerrten sie in den Raum. Gleichzeitig rief jemand: »Dicker, bleib stehen, oder das Mädchen ist tot!« Die Stimme kam von der anderen Seite. Dort stand ein Leutnant und richtete eine Waffe auf Fartuloon. Sein Gesicht verriet Entschlossenheit, aber in seinen Augen flackerte es verdächtig. Fartuloon blieb stehen und rührte sich nicht. »Laß dein komisches Schwert fallen!«
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Clark Darlton
Er legte es auf den Boden und richtete sich wieder auf. »Was soll das? Laßt mich in die Station! Nur das Serum kann euch retten. Ihr seid al le verloren, wenn ihr nicht auf mich hört.« »Wir sperren euch im Labor ein, da könnt ihr machen, was ihr wollt. Wir wissen nun, wer ihr seid! Los, geh schon weiter, du kennst ja den Weg.« Also hatte Garzohn wieder geredet, nach dem vorher keiner auf ihn gehört hatte. Im Augenblick begriffen die Arkoniden, daß sie einen wertvollen Fang gemacht hatten, aber würden sie es morgen auch noch wissen? Als sich die Tür zur Station hinter ihnen schloß, begann Corenar hemmungslos zu weinen. Fartuloon nahm ihren Kopf und leg te ihn gegen seine breite Brust. »Ich bin schuld!« schluchzte sie. »Warum hast du auf sie gehört? Sie hätten mich be stimmt nicht umgebracht, das war doch nur ein Bluff. Ich bin ihnen direkt in die Arme gelaufen …« »Nun hör aber auf, Mädchen. Sie haben es bitter ernst gemeint, mir blieb keine ande re Wahl. Außerdem kannst du nichts dafür, mich hätten sie ebenso überrascht. Aber was wollen wir denn mehr? Wir sind im Labor, und von mir aus können wir sofort wieder mit der Fabrikation des Serums anfangen. Vielleicht kommen uns morgen die bereits Geimpften zu Hilfe.« Fartuloon war müde zum Umfallen, aber er begann sofort mit der Arbeit. Trotz seines Protests half ihm Corenar dabei, statt sich wieder hinzulegen. Er machte sich nun ernsthafte Sorgen um Atlan und Mexon, und vor allen Dingen är gerte er sich darüber, daß draußen auf dem Korridor sein Skarg lag. Zum zweiten Mal hatte er es innerhalb weniger Stunden verloren.
* Ädirou Geigo verließ die Kuppel, als die Sonne aufgegangen war. Unter dem rechten Arm trug er einen kleinen Behälter, viel-
leicht zwanzig Zentimeter lang, halb so hoch und breit – und durchsichtig. In ihm saß ein besonders großes Exemplar der fliegenden Insekten. An den ausgebrannten Trümmern des ab geschossenen Gleiters vorbei bewegte sich Ädirou auf die niedrige Felswand zu und stieg an ihr über einen schmalen Pfad hoch, bis er das Plateau erreichte. Dort setzte er sich auf einen abgeflachten Stein und stellte den Kasten mit dem gefangenen Insekt auf seine Knie. Das Tier mochte gut zehn Zentimeter lang sein. Die Flügel lagen zusammengefaltet auf dem rötlich gefärbten Rücken. Mit seinen ungewöhnlich großen Augen sah es den Ar koniden unverwandt an, während die feinen Fühler, die vorn auf dem Kopf saßen, hin und her spielten. »Bald ist es soweit, meine geliebte Köni gin«, murmelte Ädirou, als könne das Insekt ihn verstehen. »Dann werden wir dich wie der freilassen, und du kannst zu deinem Volk zurückkehren. Du hast uns sehr gehol fen, wenn auch nicht immer freiwillig, aber ich muß gestehen, daß deine Untertanen dir treu ergeben sind und dir gehorchen. Und klug sind sie auch. Es war gut, daß du ihnen mitteiltest, wie unzerstörbar dein kleines Ge fängnis ist und daß sie es nicht öffnen kön nen, sonst wären sie vielleicht doch auf den Gedanken gekommen, uns anzugreifen, um dich zu befreien.« Er klopfte mit dem Knöchel seines Zeige fingers fast zärtlich auf den Deckel des Kästchens. Die Fühler waren nun auf ihn gerichtet. Er lauschte eine Weile, dann nickte er. »Wir werden unser Wort halten, Königin, ganz bestimmt. Deine Befürchtungen sind grundlos. Aber es dauert noch einige Zeit, bis wir am Ziel sind. Dein Volk wird starke und unbesiegbare Krieger bekommen. Aber wir brauchen noch Eier von dir, viele Eier, meine Liebe. Ruf ein Männchen herbei, das wir zu dir sperren können. Jetzt sofort!« Wieder bewegten sich die Fühler des In sekts. Ihre kugelförmig ausgebildeten Spit
Die Königin von Xuura zen deuteten hinaus in die Steppe, dorthin etwa, wo gestern noch der eine Schwarm in einem Loch verschwunden war. Ädirou holte indessen ein zweites, kleine res Kästchen aus einem Beutel, der an sei nem Gürtel befestigt war. Dabei kicherte er belustigt vor sich hin. Natürlich würde er nicht so dumm sein, das männliche Insekt hier draußen im Freien der Königin beizuge ben, das würde im Innern der Kuppel ge schehen, wo sie nicht fliehen konnte. Nicht nur die Königin konnte Eier legen oder sie beim Stich in Gastkörper versenken, aber ihre Eier waren es, die Ädirou für seine genetischen Experimente benötigte. Ledig lich die direkten Nachkommen der Königin ließen sich in ihren Entwicklungsstadien stoppen und blieben, wenn man richtig ma nipulierte, die angriffslustigen und gefährli chen Käfer. Mit bösartigem Summen kam das nur fünf bis sechs Zentimeter lange männliche Exem plar herbeigeflogen, umkreiste Ädirou mehr mals, ehe es sich zögernd auf dem größeren Kästchen niederließ. Zwischen ihm und der gefangenen Königin fand zweifellos eine Kommunikation statt, denn ihre Fühler be wegten sich heftig nach allen Seiten und schienen unsichtbare Impulse auszusenden. Ädirou öffnete den Deckel des kleinen Behälters und wartete. Die unbewußte Angst vor der Intelligenz der unscheinbaren Lebewesen steckte tief in ihm drin, aber der Wille zum Erfolg hatte sie verdrängt. Er fühlte sich ihnen überlegen, weil er stärker war – dank der Technik, die ihm zur Verfügung stand. Nur mit der Köni gin vermochte er eine Art telepathischen Kontakt aufzunehmen, nicht aber mit ihrem Volk, das wiederum bedingungslos alle Be fehle seiner Herrscherin befolgte. Das männliche Insekt breitete die transpa renten Flügel aus, erhob sich wenige Zenti meter und flog dann in das bereitgehaltene Kästchen hinein. Langsam schloß Ädirou den Deckel. »Sehr gut, meine Königin. In einer Stunde hast du Gesellschaft. Doch bevor ich dich
39 und deinen neuen Partner in die Station zu rückbringe, schick dein Volk aus. Sie sollen zum Schiff und zum Depot fliegen und für Nachwuchs sorgen. Es sind eure Feinde, die dort auf euch warten. Tötet sie!« Er blieb so lange auf dem Stein sitzen, bis er weiter oben in dem Felsen und drüben im Osten die rötlichbraunen Wolken aufsteigen sah, die sich bald darauf zu einer einzigen vereinigten, die in Richtung Depot davon flog. Damals, als er und sein Bruder mit den Experimenten begannen, war alles viel kom plizierter gewesen. Sie wußten zu jener Zeit noch nicht, daß es überhaupt eine Verständi gungsmöglichkeit mit den Insekten gab. Ei nige Arkoniden waren angefallen und gesto chen worden. Als sie dann starben, kam den beiden »Wissenschaftlern« der Gedanke, die Angriffslust der Tiere für ihre eigenen Zwecke zu nutzen. So wurde der Gedanke geboren, regelrechte Kampfmaschinen aus ihnen zu machen. Als die Forschungsstation abgebaut wer den sollte, weigerten sich die Brüder, sie zu verlassen. Inzwischen war es Ädirou gelun gen, Kontakt mit der noch freien Königin aufzunehmen und sie gegen das Depot und seine Besatzung aufzuhetzen. Was vorher nur gelegentlich geschah, erfolgte nun syste matisch und in einem solchen Ausmaß, daß sich kaum noch ein Arkonide ohne Schutz anzug aus dem Fort herauswagte. Dann gelang es Ädirou, die Königin mit Hilfe einer List einzufangen. Nun wurde es möglich, ihrem Volk alle seine Befehle auf zuzwingen, denn bald hatte er herausgefun den, daß sie die wertvollste Geisel war, die man sich vorstellen konnte. Als er an dem zerstörten Gleiter vorbei kam, blieb er stehen und betrachtete die Trümmer. Im Grunde genommen war es überflüssig, daß die beiden Gefangenen star ben, aber es war besser, man hinterließ kei nen Zeugen. Früher oder später würde das Oberkommando der Flotte ohnehin auf Xuu ra aufmerksam werden, und bei einer In spektion würde sich dann herausstellen, daß
40 es gar keine Station auf dem Planeten mehr gab. Ihm und Bälthir würde es dann leichtfal len, die einzigen Überlebenden zu spielen, schon deshalb, weil dies dann den Tatsachen entsprach. Man würde nicht nur ihre Genia lität, sondern auch noch ihren unerschrocke nen Mut bewundern müssen, der sie dazu veranlaßte, trotz der tödlichen Gefahr ihre Experimente fortgesetzt zu haben. In der Kuppel angelangt, empfing ihn sein Bruder: »Nun, hat es geklappt?« Er stellte die beiden Behälter auf den Tisch. »Natürlich, wie immer. Inzwischen erhal ten die Nichtskönner des Depots einen wei teren Denkzettel. Sie werden es noch bereu en, unser Genie verkannt zu haben. Diese Ignoranten!« Bälthir deutete auf die Königin. »Bring die beiden zusammen, Ädirou. Du weißt selbst, wie lange es dauert, bis aus den Eiern die Maden schlüpfen und aus den Pup pen dann die Käfer kriechen. Wir müssen ganz sicher sein, daß die Evolutionssystema tik unterbrochen wurde.« »Wir sind bald am Ziel«, tröstete ihn der andere. Er nahm die Kästchen vom Tisch. »Ich werde das gleich erledigen.« Er begab sich in eine gut isolierte Kam mer und schloß die Tür hinter sich ab. Dann erst öffnete er die beiden Deckel. Das männ liche Insekt kam hervorgekrochen, blieb am Rand des Gefäßes sitzen und zögerte. Die Königin breitete, ganz gegen ihre sonstigen Gewohnheit, die Flügel aus und stieg zur Decke hoch. Nach einigen Rund flügen durch den kleinen Raum ließ sie sich auf dem Tisch nieder und ließ die Flügel spielen. Es war offensichtlich, daß sie Kon takt hatte. Mit wem? Ädirou sah, daß die Flügel nicht auf ihn gerichtet waren, sondern in eine andere Richtung zeigten. Vielleicht gab sie ihrem angreifenden Volk neue Befehle …? »Mach, daß du wieder in dein Gefängnis
Clark Darlton kommst!« forderte Ädirou sie auf. »Ich weiß genau, daß du auch von dort aus die Verbin dung herstellen kannst. Wir haben keine Zeit zu verschenken.« Aber die Königin blieb sitzen und ließ ihn nicht aus den Augen. Wieder spürte Ädirou die längst vergessene Angst in sich aufsteigen. Wie sollte er die beiden Insekten einfangen, ohne nicht gesto chen zu werden, wenn sie sich weigerten? Verlassen konnte er den Raum auch nicht, ohne zu riskieren, daß sie entkamen. Er hatte keine Waffe dabei, und mit seinem Bruder konnte er auch keine Verbindung aufneh men, um ihn zu warnen. Er saß ganz schön in der Falle. Wenn er die Königin tötete, würden we der er noch Bälthir diesen Planeten jemals lebendig verlassen, dessen war er sicher. »Es dauert nicht mehr lange«, sagte er eindringlich und wußte, daß seine Gedan kenimpulse das Bewußtsein des Insekts er reichten. Eine Antwort allerdings erhielt er nie, abgesehen von den entsprechenden Re aktionen. »Geh in das Kästchen zurück, da mit ich dich in den großen Raum bringen kann, in dem die Sonne scheint.« Seine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, aber schließlich gehorchte die Köni gin doch. Langsam krabbelte sie an dem Ge fäß hoch und landete mit einem kleinen Satz in seinem Innern. Das Männchen folgte, Ädirou konnte erleichtert den Deckel schlie ßen. »Na, endlich!« empfing ihn Bälthir im Kuppellabor, wo er damit beschäftigt war, seine Käfer zu präparieren. »Es wird Zeit, daß wir neue Generationen heranzüchten, nur fürchte ich, daß unseren kleinen Freun den bald die Nahrung ausgehen wird. Aber zum Glück kam ja das Schiff der Händler. Die Mannschaft hilft uns wieder über ein paar Wochen hinweg.« »Was machen die Gefangenen?« fragte Ädirou und stellte den Kasten mit Königin und Bräutigam an das sonnige Fenster. »Wie lange wird es noch dauern, bis wir das Expe riment durchführen können?«
Die Königin von Xuura »Noch ein paar Tage. Lebende Objekte sind selten genug, und ich möchte kein Risi ko eingehen.« »Können deine Käfer auch nicht entkom men?« Bälthir lachte gezwungen. »Ach wo, wie sollten sie denn? Durch Stahl können sie sich nicht hindurchfressen, und wie man Schlösser öffnet, habe ich ih nen nicht beigebracht.« »Du hast sie eine Woche lang nicht mehr gefüttert.« »Stimmt! Was glaubst du, welchen Appe tit sie haben? Sie werden sich wie die Raub tiere auf ihre Opfer stürzen – und explodie ren.«
6. Mexon wanderte unruhig in dem Gefäng nis auf und ab. Atlan, der auf dem Bett saß, meinte schließlich: »Deine Nervosität ist überflüssig, Mexon, denn sie hilft uns auch nicht weiter. Vorläu fig ist auch mit einer Änderung der Lage kaum zu rechnen, denn dieser Bälthir hat heute früh gleich fünf Pakete mit Lebensmit telkonzentraten gebracht. Das Wasser reicht ebenfalls für ein paar Tage. Vielleicht pla nen sie einen Ausflug und wollen uns inzwi schen nicht verhungern lassen.« »Warum nur Fartuloon nicht auftaucht? Er müßte längst schon Verdacht geschöpft haben.« Atlan nickte. Sein Gesicht verriet Besorg nis. »Das frage ich mich auch. Es muß etwas passiert sein, mit dem wir nicht rechneten. Aber es ist nur Zeitverschwendung, nutzlose Betrachtungen anzustellen. Ich mache mir über etwas anderes Gedanken?« »Worüber?« Mexon kam zu ihm und setz te sich. »Hast du eine Idee, wie wir fliehen können?« Atlan schüttelte den Kopf. Seine Miene drückte Zweifel und Unsicherheit aus. »Ich weiß es nicht, aber seit ein paar
41 Stunden habe ich das Gefühl, jemand will mit mir Kontakt aufnehmen – telepathischen Kontakt, wohlgemerkt. Aber die Impulse er reichen mich nur mit geringer Intensität, und ich verstehe sie nicht. Es kann sich also um einen sehr schwachen Telepathen auf die sem Planeten handeln.« »Er ist unbewohnt, wenn man von der Be satzung des Depots und den beiden verrück ten Brüdern absieht.« Atlan sah Mexon durchdringend an. »Ist er wirklich unbewohnt, Mexon? Hast du nicht die fliegenden Insekten vergessen?« Mexon gab den Blick ungläubig zurück. »Du willst doch nicht im Ernst damit sa gen, daß du den Tieren telepathische Fähig keiten zutraust?« »Warum nicht? Wir wissen, daß viele In sektenarten derartige Fähigkeiten besitzen, wenn auch nicht besonders ausgeprägte. Warum nicht auch diese großen, geflügelten Insekten, die durch ihre gezielten Angriffe auf das Depot eine gewisse Intelligenz ver rieten? Ich bin sogar ziemlich sicher, daß meine Vermutung stimmt. Mein Extrahirn kann ihre Impulse empfangen, aber leider nicht entziffern. Immerhin glaube ich, Emo tionen unterscheiden zu können. Sie sind nicht feindlicher Natur.« »Du meinst, die Insekten wollten Kontakt mit dir aufnehmen?« Mexon schüttelte ver wundert den Kopf, aber in seinen Augen blitzte zum ersten Mal so etwas wie Hoff nung auf. »Das wäre phantastisch!« »Das wäre es in der Tat, aber etwas Ähn liches ist schon einmal geschehen. Und ich verhalte mich heute so wie damals: ich ver suche, den Kontakt zu erwidern. Ich muß den Absender der Impulse klarmachen, daß ich seine Absicht erahne, wenn auch nicht verstehe.« Atlan streckte sich wieder auf dem Bett aus und schloß die Augen. So konnte er sich besser auf das Unbekannte konzentrieren. Sich seiner Sache einigermaßen sicher, wer da Kontakt mit ihm aufnehmen wünschte, dachte er angestrengt an die verderblichen Absichten der Gebrüder Geigo und deren
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Clark Darlton
Experimente. Mexon verhielt sich ruhig, um seinen Freund nicht abzulenken oder gar zu stören. Er begann zu ahnen, daß gerade die un glaublichste und phantastischste aller nur denkbaren Möglichkeiten im Augenblick zur realsten wurde. Wenn Fartuloon ausgefallen war, in welcher Form auch immer, blieben nur die vergewaltigten Insekten, wobei es auch Mexon unbegreiflich blieb, wieso die Geigos eine solche Macht über sie besaßen. Atlan schaltete um auf Empfang, aber wieder blieben die Impulse, die er zweifellos auffangen konnte, in ihrer Bedeutung un klar. Immerhin verspürte er Sympathie und Hilfsbereitschaft. Das war mehr, als er er wartet hatte, und gab ihm neue Hoffnung. »Wir können sicher sein, daß jemand uns versteht und unsere Lage kennt. Er möchte auch helfen, aber ich weiß nicht, ob er die Mittel dazu hat. Vielleicht ist es nur ein ein ziges Insekt, das telepathisch veranlagt ist, vielleicht das Kollektiv des ganzen Volkes.« »Ob sie etwas unternehmen?« »Sicher werden sie das, denn ich spüre den Haß gegen die Geigobrüder. Sie hassen die beiden, aber sie scheinen ihnen gegen über aus irgendeinem Grund hilflos zu sein. Wir müßten mehr über sie und ihre Metho den erfahren.« »Sie zu fragen, erscheint mir als sinnlos.« »Außerdem tauchen sie so schnell nicht wieder auf. Nicht umsonst haben sie uns Wasser und Lebensmittel für ein paar Tage gebracht. Nein, wir können nur abwarten, was geschieht. Ich versuche, in Kontakt mit unserem unbekannten Freund zu bleiben.« »Wenn wir nur wüßten, was mit Fartu loon ist …«, seufzte Mexon.
* Im Depot geschah inzwischen nichts von Bedeutung – zumindest nicht nach außen hin. Acht Arkoniden hatten Fartuloons Injekti on inzwischen erhalten, aber er war durch die neuerliche Gefangennahme nicht in der
Lage, den Erfolg zu kontrollieren. Er wußte also nicht, wie sie sich nun verhielten. Die vier zuerst Geimpften waren nach langem Schlaf erfrischt aufgewacht. Das einzige, was noch nicht richtig funktionierte, war ihr Erinnerungsvermögen, darum fiel es ihnen auch schwer, die Zusammenhänge zu rekonstruieren. Sie sahen die Narben an ihren Körpern. Das half ihnen auf die Sprünge. »Die Fluginsekten!« murmelte einer von ihnen und erhob sich von seinem Lager. »Sie stachen uns, und dann weiß ich nichts mehr. Sie haben uns vergiftet. Aber es sieht so aus, als sei die Wirkung nun verflogen. Warum sind wir nicht in der Krankenstation, sondern hier?« »Keine Ahnung!« Der Leutnant des Ab wehrforts stand ebenfalls auf. »Irgend etwas stimmt da nicht. Kommt, Leute, melden wir uns beim Kommandanten. Er muß wissen, was passiert ist.« Im Nebenraum entdeckten sie die vier an deren Arkoniden. Sie schlossen sich zusam men, als der überall im Depot installierte In terkom nicht ansprach. Der Verdacht, daß etwas Ungewöhnliches die gewohnte Routi ne unterbrochen hatte, verstärkte sich. Lei der besaß keiner von ihnen eine Waffe. Unbehindert und ohne Zweifel erreichten sie mit dem Lift den obersten Korridor, wo der Kommandant gewöhnlich anzutreffen war. Aus Sicherheitsgründen hielt er sich meist in der Nähe der automatischen Feuer leitzentrale des Forts auf. Doch sein Büro war leer und verlassen. Überhaupt war kein einziger Arkonide auf seinem Posten. Bei einem Angriff der Maahks wäre der Feind siegreich gewesen, daran hätte auch die vollautomatische Anla ge nichts ändern können. Der Leutnant kniff die Lippen zusammen. »Die Krankenstation! Jetzt können nur noch die Ärzte helfen, denn ich bin sicher, die Insekten sind schuld. Das Gift! Es hat auch uns erwischt, aber wie durch ein Wun der wurden wir geheilt. Wir bleiben zusam men, bis wir aus dem Depot Waffen geholt
Die Königin von Xuura haben.« Bei der Abfahrt wurden sie auf einer der unteren Etagen aufgehalten. Drei Arkoniden bedrohten sie mit ihren Strahlern. Dann be gannen sie das Feuer zu eröffnen. Der Leutnant sah drei seiner Begleiter in den Energiebündel sterben und begriff so fort, daß etwas Ungeheuerliches geschehen sein mußte. Das war keine gewöhnliche Meuterei. Die Leute mußten den Verstand verloren haben und waren nicht mehr an sprechbar. »Entwaffnet sie!« rief er und schlug den nächsten Gegner nieder. Die überlebenden Geimpften schleppten die Überwältigten in eine unbenutzte Vor ratskammer und schlossen sie ein. Nun besa ßen sie wenigstens drei Impulsstrahler. Sie setzten ihren Weg zur Krankenstation mit verminderter Entschlossenheit fort. Nur dort gab es die Antwort auf ihre Fragen. Zwei Arkoniden lungerten vor dem Ein gang zur Station herum, ohne ihre Pflichten besonders ernst zu nehmen. Sie stritten sich einer Kleinigkeit wegen, und vielleicht wä ren sie sogar aufeinander losgegangen, wenn der Leutnant nicht das vereinbarte Zeichen zum Überfall gegeben hätte. Nachdem man die Paralysierten ebenfalls eingesperrt hatte, stellte der Leutnant fest, daß die Tür zur Krankenstation abgesperrt war. Ein Schlüssel fehlte. Kurz entschlossen zerstrahlte er das Schloß. »Corenar!« rief er verblüfft und blieb ste hen, als er die Arkonidin mit einem ihm fremden Zivilisten erblickte, der die Spitze eines altmodischen Schwertes auf ihn ge richtet hatte. »Was machst du denn hier?« Fartuloon begriff sofort, daß die beiden sich näher kannten. Er ließ das Schwert sin ken. »Hören Sie, Leutnant, und lassen Sie sich erklären. Halten Sie die anderen zurück!« Der Offizier gab seinen Begleitern einen Wink. Noch während Fartuloon ihn vorsich tig informierte, wurde ihm klar, daß er einen der von ihm Geimpften vor sich hatte. Das Serum wirkte also positiv.
43 »Corenar war mir eine unschätzbare Hil fe, Leutnant«, schloß er. »Wir haben inzwi schen weiteres Serum hergestellt, und mit Ihrer Unterstützung sollte es uns gelingen, die Besatzung des Depots von den Folgen der Insektenüberfälle zu heilen. Dazu ist es allerdings notwendig, daß wir die Überle benden überraschen und paralysieren. Einige von ihnen werden auch noch Eier im Körper haben.« »Was machen Ihre Freunde aus dem Schiff?« erinnerte ihn Corenar. »Darum kümmere ich mich schon, Core nar. Ich kann nur hoffen, daß ihnen während des Erkundungsflugs nichts zugestoßen ist.« Der Leutnant klopfte auf den Griff seiner Waffe. »Dann an die Arbeit, Doktor. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren …«
* Draußen mußte es schon wieder Nacht sein, als Atlan durch ein undefinierbares Ge räusch geweckt wurde. Er blieb ganz ruhig liegen und lauschte. Neben ihm schnarchte Mexon vor sich hin. Das Geräusch kam nicht von der Tür. Es war wie ein leichtes Schaben und Krat zen, das mitten im Raum zu hängen schien, gleichzeitig spürte Atlan wieder die fernen, schwachen Impulse, diesmal ohne jeden Zweifel beruhigend und aufmunternd zu gleich. Sie suggerierten Sicherheit und Hoff nung. Als er ein wenig den Kopf drehte, konnte er das Geräusch lokalisieren. Es schien vom Boden her zu kommen. Seine Augen hatten sich längst an das Dämmerlicht gewöhnt, das aus der Decke drang und den Raum nur mäßig aufhellte. Seine Aufmerksamkeit konzentrierte sich nun auf den Boden des Gefängnisses, dem er bisher nur wenig Beachtung geschenkt hatte. Er bestand aus Plastikfolie, die aber nur sehr dünn sein konnte und direkt auf dem natürli chen Untergrund der Planetenoberfläche lag. Langsam und vorsichtig glitt er aus dem
44 Bett. Noch wollte er Mexon nicht wecken, das hatte Zeit. Ihm war eine ungeheuerliche Vermutung gekommen, die sich aber durch aus mit dem vertrug, was er bisher erlebt hatte – vor allen Dingen hinsichtlich der te lepathischen Gedankenimpulse. Das Geräusch kam – in der Mitte des Raumes – genau von unten. Panik hätte ihn ergriffen, wären nicht die beruhigenden Impulse gewesen. Der Absen der mußte seine Gedanken voll empfangen und verstehen, denn er reagierte sofort auf jede Veränderung und konnte zwischen Hoffnung und Befürchtung Atlans im Bruchteil einer Sekunde unterscheiden, in dem er entsprechende Emotionen ausstrahl te. Die Insekten waren dabei, einen unterirdi schen Gang in das Gefängnis zu graben. Atlan setzte sich auf den Boden und war tete. Drüben im Bett hörte Mexon auf zu schnarchen. Dann sagte er mit verschlafener Stimme: »Wo steckst du? Machst du Spaziergän ge?« Atlan klärte ihn kurz auf und riet: »Bleibe im Bett, Mexon. Die Insekten ha ben nur Kontakt mit mir, nicht mit dir. Sie müssen es jeden Augenblick geschafft haben …« »Hoffentlich ergeht es uns nicht so wie den Leuten des Depots.« »Keine Sorge, Mexon. Ich kenne den Grund nicht, aber sie machen einen Unter schied. Vielleicht wurden sie zu den Angrif fen gezwungen, und zwar durch die Geigos. So wie man auch die Käfer zwingen will, uns anzugreifen und zu töten.« »Und warum …?« »Ruhig jetzt, Mexon! Sie kommen.« An mehreren Stellen erschienen die schar fen Spitzen der Beißwerkzeuge im Plastik boden und verbreiterten die Öffnung mit ra sender Geschwindigkeit. Schließlich wurde ein schräg in die Tiefe führender Gang sicht bar, der allerdings höchstens zwanzig Zenti meter Durchmesser besaß. Wenn er als Fluchtweg für die Arkoniden gedacht sein
Clark Darlton sollte, war er zu schmal. Dutzende der Fluginsekten kamen in das Gefängnis gekrochen, aber sie kümmerten sich weder um Atlan noch Mexon, sondern begannen sofort damit, den Gang zu vergrö ßern. Ein Teil der überflüssigen Erde ver schwand im unteren Teil des Ganges, der Rest wurde in die Zelle gebracht. Atlan kehrte zum Bett zurück. »Jetzt hast du den Beweis, daß sie uns be freien wollen. Sie tun es bestimmt nicht aus purer Nächstenliebe, aber wir werden bald wissen, was sie als Belohnung verlangen. Sie halfen uns, also werden wir auch ihnen helfen. Der gemeinsame Gegner ist das Ge brüderpaar. Ich fange an, die Zusammenhän ge zu begreifen, endgültige Gewißheit erhal ten wir aber erst dann, wenn die Geigos re den.« »Wohin wird der Gang führen?« fragte Mexon voller Zweifel. »In die Freiheit, darauf kannst du dich verlassen. Hätte das sonst alles einen Sinn?« Nach einer Weile stellten die Insekten ih re Tätigkeit ein. Sie verschwanden in dem unterirdischen Gang und kehrten nicht zu rück. Nun stand auch Mexon auf. »Er wäre groß genug für uns«, meinte er skeptisch. Die Impulse, die Atlan empfing, signali sierten Bestätigung. »Dann los, worauf warten wir?« sagte er entschlossen. »Aber vorsichtig, es geht ziemlich schräg nach unten. Wenn ich rufe, dann komm nach!« Vorsichtig ließ sich Atlan mit den Füßen zuerst in den Gang gleiten. Die Wände wa ren absolut glatt und boten seinen suchenden Zehen keinen Halt. Wenn es unten nicht weiterging, würde er nicht mehr hinaufklet tern können, wenn er erst einmal losgelassen hatte. Die Impulse signalisierten: Vertrauen! Er ließ los. Er rutschte knapp zwei Meter, dann bog der Gang in die Waagerechte ab. Die Insek ten hatten an dieser Stelle eine kleine runde
Die Königin von Xuura Kammer gegraben, die ein Umdrehen er möglichte. »Mexon! Alles in Ordnung, du kannst nachkommen!« Wenig später war der Freund bei ihm. »Schöne Rutschpartie. Keine Insekten hier?« »Keine. Kriechen wir weiter. Ich bin selbst gespannt, wo wir herauskommen. Die Richtung, schätze ich, verläuft nordwärts.« Bereits nach zehn Metern ging es wieder nach oben, allerdings nur in leichter Schrä ge. Die Luft wurde besser und frischer. Der Nachtwind kam ihnen entgegen. Bevor Atlan aus dem Loch kroch, lausch te er. Kein Geräusch war zu hören. Die Insek ten, die den Gang gegraben hatten, mußten wieder davongeflogen sein. Sie hatten die Gefangenen aus ihrem Gefängnis befreit, mehr nicht. Den Rest mußten sie selbst be sorgen, und Atlan ahnte, was dieser Rest sein sollte. Er half Mexon auf die Füße. Über ihnen war der Nachthimmel von Xuura, sternen klar und relativ hell. Die Umrisse der drei Kuppeln hoben sich gut dagegen ab. Aus ei nem der Fenster fiel noch Licht. Nur für einen Augenblick dachte Atlan daran, zu Fuß den Marsch zum Schiff anzu treten, um Waffen zu besorgen und nach Fartuloon zu sehen, aber er verwarf den Ge danken sofort wieder, als die Impulse schar fen Protest signalisierten. Er dachte an die Geigos. Reaktion: Haß und Wille zur Vernich tung. Damit waren die Absichten der Befreier klar. »Wir müssen es ohne Waffen versuchen«, flüsterte Atlan. »Immerhin haben wir das Überraschungsmoment auf unserer Seite. Wahrscheinlich finden wir auch in einer der Kuppeln ein Fahrzeug, mit dem wir zum De pot zurückkehren können.« Mexon ballte die Hände zu Fäusten. »Wir werden die beiden eine Abreibung geben, die sie für den Rest ihres Lebens
45 nicht mehr vergessen.« Vorsichtig schlichen sie sich näher an die Kuppeln heran, in der noch Licht brannte. Zum Glück gab es keine automatische Warnanlage. Die Gebrüder Geigo schienen sich hier absolut sicher zu fühlen. Als Atlan durch das Fenster sah, sah er Bälthir, den Geigo mit der Narbe, am Tisch sitzen. Er hatte ganze Stöße von Schreibfoli en vor sich liegen und machte Notizen. Auf Regalen standen die Behälter mit den Kä fern. Ädirou war nicht zu sehen. Vielleicht schlief er. Atlan zog Mexon zurück. »Wie kommen wir da hinein?« hauchte er. »Die Tür wird verschlossen sein. Das Öffnen würde Lärm verursachen und die Kerle warnen.« »Ich fürchte«, erwiderte Mexon, »wir werden bis zum Morgen warten müssen. Wenn einer der Brüder die Kuppel verläßt, schnappen wir ihn uns. Das wäre die sicher ste Methode.« »Aber auch die langwierigste.« Atlan lauschte auf die telepathischen Signale und registrierte Zustimmung. Das war entschei dend. »Aber du hast wahrscheinlich recht. Beziehen wir beim Fenster Posten. Es ist nicht kalt, einer kann also auf dem Boden schlafen, der andere wacht. Auch dieser Bäl thir wird sich bald zur Ruhe begeben, und ich kann nur hoffen, daß er nicht mehr nach uns sieht und die Flucht vorzeitig bemerkt.« Es wurde eine lange Nacht. Bälthir lösch te schließlich das Licht und verschwand durch die Tür. Alles in der Kuppel blieb ru hig. Mexon, der gerade Wache hatte, atmete erleichtert auf. Ihre Flucht war unbemerkt geblieben. Als der Morgen graute, weckte er Atlan.
7. Fartuloon und Corenar arbeiteten ununter brochen, um genügend Serum herzustellen und den restlichen Arkoniden des Stütz punkts die Eier aus den Körpern zu entfer nen. Bei einigen waren die Maden schon
46 ausgeschlüpft, und jede Hilfe kam zu spät. Der Leutnant und seine vier gesunden Un tergebenen halfen tatkräftig mit, die Situati on in den Griff zu bekommen. Es war nicht einfach, die Besatzung nach und nach zu überwältigen, ohne einem organisierten Wi derstand zu begegnen. Zum Glück handelten die Erkrankten unkontrolliert und planlos. Einige verfielen schon wieder in Lethargie und verkrochen sich in die äußersten Win keln des Depots, wo man sie nur nach länge ren Suchaktionen entdeckte und betäubte. Die Operierten und Geimpften wurden gesondert untergebracht und eingeschlossen, damit man sie weiter beobachten konnte. Zu dieser Gruppe gehörten auch Garzohn, Vaahrns und ihre Gefährten, die Fartuloon jedoch von den anderen isolierte, um jeden Klatsch im Keim zu ersticken. Vielleicht hatten die Depot-Arkoniden inzwischen ver gessen, was man ihnen über Atlan erzählt hatte. Es war schon wieder Nacht, als die schlimmste Arbeit überstanden war. Mit At lan und Mexon hatte es noch keine Funkver bindung gegeben. Fartuloon war so müde und erschöpft wie selten in seinem Leben. Als Corenar und der Leutnant zu ihm ins Labor kamen, hatte er kaum die Kraft, ihnen einen Platz anzubie ten. »Wir haben Ihnen viel zu verdanken«, sagte der Leutnant und setzte sich. Corenar blieb stehen. »Es wird Zeit, daß Sie sich um Ihre beiden Freunde kümmern.« Er zögerte, dann fuhr er fort: »Was ist mit diesem Händ ler, mit dessen Schiff Sie kamen? Zählt er auch zu Ihren Freunden?« »Solches zu behaupten, wäre übertrie ben«, antwortete Fartuloon vorsichtig. »Um ehrlich zu sein: wir wollten Vaahrns und sei ne Leute hier absetzen und ohne sie starten. Dafür gibt es wichtige Gründe, die ich Ihnen jetzt nicht erläutern möchte. Sie müssen mir vertrauen, das ist alles. Ich glaube, solches Vertrauen habe ich nun verdient.« »Dafür kann kein Zweifel bestehen, Dok tor. Ohne Sie wären wir alle verloren gewe-
Clark Darlton sen. Corenar hat mir alles erzählt. Ich werde also keine Fragen stellen, wenn mir auch seltsame Dinge zu Ohren gekommen sind.« »Kann ich mir denken«, brummte Fartu loon. Er sah auf seine Uhr. »Kann mit der Bordzeit nichts anfangen. Wie spät ist es?« »Gleich Mitternacht.« »Gut, dann werde ich einige Stunden schlafen und morgen die Suche nach meinen Freunden aufnehmen. Einen zweiten Gleiter habe ich nicht, aber vielleicht könnten Sie mir einen zur Verfügung stellen.« »Ich komme dann mit Ihnen«, erbot sich der Leutnant. »Danke. Also bis morgen …«
* Als Atlan die Sonne aufgehen sah, wur den die Gedankenimpulse wieder etwas stär ker und intensiver. Wenn er sich nicht täuschte, ließ sich jetzt sogar die Richtung bestimmen, aus der sie kamen. Sie kamen aus dem Innern der Kuppel. Ohne Mexon aufzuwecken, der auf dem Boden, dicht an die Wand der Kuppel ge schmiegt, noch immer schlief, schlich er ge bückt unter den Fenstern einmal um das Bauwerk herum, bis er sicher war, die richti ge Stelle gefunden zu haben. Vorsichtig richtete er sich auf, denn er stand genau unter einem anderen Fenster. Im Innern der Kuppel war niemand zu se hen. Die Gebrüder Geigo schienen also noch zu schlafen. Überall standen Behälter mit Fluginsekten in allen Entwicklungsstadien herum, aber die Impulse kamen zweifellos aus dem durchsichtigen Kasten, der auf der Fensterbank plaziert war. In seinem Innern saßen zwei Fluginsek ten, das eine kleiner und unscheinbar, das andere auffallend groß und besonders schön gezeichnet. Atlan wußte sofort, daß dies das Tier sein mußte, das telepathischen Kontakt mit ihm hielt und seine Befreiung veranlaßt hatte. Die Königin des Insektenvolks! Sie war selbst eine Gefangene der Geigo
Die Königin von Xuura brüder, aber ihr Volk gehorchte ihr. Sie hatte ihm den Befehl gegeben, die beiden Arkoni den aus ihrem Gefängnis zu befreien, damit diese wiederum sie befreien konnten – das alles begriff Atlan im Bruchteil einer Sekun de. Und noch während er es dachte, sah er, wie die Königin sich ihm zuwandte und ihre Fühler in seiner Richtung spielen ließ. »Wir werden dich da herausholen«, sagte er leise und auf den Sinn seiner Worte kon zentriert. »Wird dein Volk dann die Angriffe auf die Arkoniden einstellen?« Sie signalisierte Bejahung. Die Verständigung war nahezu perfekt. Atlan kehrte zu Mexon zurück und weck te ihn. In kurzen Worten informierte er ihn. »Wir müssen damit rechnen, daß unsere Flucht jeden Moment entdeckt wird oder daß einer der Brüder die Kuppel verläßt. In beiden Fällen müssen wir sofort handeln und die Überraschung ausnutzen. Der Rest ist dann einfach.« »Dein Wort in die Ohren aller guter Gei ster!« meinte Mexon und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Dann dachte er an seine Absichten und wurde erstaunlich schnell munter. »Ach ja, ich wollte den Gei gos eine saftige Lehre verpassen …! Wann geht es los?« »Das liegt nicht bei uns«, klärte Atlan ihn auf. »Komm, wir legen uns auf die Lauer.« Den umbauten Gang zu den anderen bei den Kuppeln konnten sie nicht überwachen, wohl aber den Ausgang ins Freie. Hier legte sich Mexon auf die Lauer, mit zwei faust dicken Steinen bewaffnet. Atlan blieb bei den Fenstern und lugte ab und zu vorsichtig in das Innere der Kuppel. Langsam verstrich die Zeit. Etwa zwei Stunden nach Sonnenaufgang erschien Ädirou in dem Kuppelraum und kontrollierte unlustig die Gefäße mit den In sekten. Besondere Aufmerksamkeit widmete er der Königin und ihrem männlichen Ge fährten. Dann verschwand er wieder. Von Bälthir war nichts zu sehen. Atlan schlich sich zum Eingang. »Vorsicht! Kann sein, daß Ädirou jetzt
47 rauskommt.« Mexon hob den Stein ein wenig. »Soll mir recht sein«, knurrte er. Es dauerte noch eine weitere halbe Stun de, ehe es endlich soweit war. Aber als Ädirou die Tür öffnete und her auskam, war er waffenlos. Mexon brachte es nicht fertig, auf den Ahnungslosen einzu schlagen. Er sprang einfach auf und packte ihn, bog ihm die Arme auf den Rücken, dann zog er ihn seitlich von der Tür weg. Atlan überzeugte sich, daß Ädirou allein war, dann sagte er: »Wir nehmen ihn mit. Er soll uns sagen, wo sein Bruder schläft und wo es Waffen gibt. Vor allen Dingen benötigen wir die Te lekome, um Kontakt mit Fartuloon aufzu nehmen.« Mexon gab Ädirou einen Rippenstoß. »Du hast gehört? Dann sei schön brav und gehorche, sonst ergeht es dir nicht gut.« »Wie habt ihr euch befreien können?« stammelte Ädirou fassungslos. »Wir haben gute Freunde«, versicherte ihm Mexon und grinste. Es gelang ihnen, auch Bälthir ohne große Schwierigkeiten zu überwältigen. Sie nah men ihre beiden Gefangenen mit in den großen Kuppelraum und banden ihre Hände aneinander. So konnten sie sich zwar bewe gen, sich aber nicht gegenseitig befreien. Atlan ging hinüber zu dem Kasten mit der Königin. Schon die ganze Zeit über hatte er ihre relativ starken Impulse empfangen, die Dankbarkeit und Hoffnung ausdrückten. Ädirou rief warnend: »Bleiben Sie da weg! Gehen Sie nicht an dieses Exemplar heran, es ist äußerst wert voll und unersetzlich für unsere Versuche.« Atlan hob den Deckel ab, ohne auf Ädi rous Gezeter zu achten. Das männliche Insekt flog sofort davon und verschwand im Gang, der hinaus ins Freie führte. Die Königin hingegen spreizte nur mehrmals ihre Flügel, wie um sie auf ih re Tragfähigkeit zu prüfen, dann kroch sie bedächtig aus ihrem kleinen Gefängnis und blieb ruhig auf dem Tischrand sitzen.
48 Mit ihren ausdrucksvollen Augen betrach tete sie Atlan, der sich an den Tisch gesetzt hatte. Mexon behielt die Gefangenen im Au ge – aber nur in einem. Mit dem anderen be obachtete er die Geschehnisse um Atlan, der nun leise auf das Tier einzusprechen begann. »Du hast uns befreit, dafür befreien wir dich, Königin. Wir hoffen, damit ist der Krieg zwischen euch und den Arkoniden be endet. Wenn du mir zustimmst, dann zeige mir, daß du mich verstanden hast.« Die Impulse signalisierten: Zustimmung! Aber auch: Rache! Ehe Atlan weiteren Kontakt aufnehmen konnte, erhob sich das Insekt und flog da von. Durch die offene Tür erreichte es das Freie und verschwand. »Sie sind verrückt!« plärrte Ädirou ver zweifelt, weil er sein Lebenswerk vernichtet sah. »Nun haben wir keine Gewalt mehr über sie und ihr Volk! Sie war es doch, die unsere Befehle weitergab …« Er brauchte nicht mehr zu sagen, Atlan hatte schon begriffen. Das Geheimnis war nun kein Geheimnis mehr. »Ihr habt die Insekten erpreßt – so also war es!« »Natürlich, was hätten wir denn sonst tun sollen?« fragte Bälthir frech. »Freilich hät ten sie uns nicht geholfen.« »Und die Toten im Depot? Sind sie der Preis für euren Wahnsinn?« »Opfer müssen der Wissenschaft gebracht werden«, behauptete Ädirou fast feierlich. »Ohne Opfer keine Erfolge. Laßt uns end lich frei.« »Ihr werdet nie mehr frei sein«, eröffnete ihm Atlan ruhig. »Nie mehr!« Er übersah das gefährliche Funkeln in den Augen Bälthirs und achtete auch nicht auf Mexon, der die Gefangenen viel zu oft unbe obachtet ließ. Die Geigos verständigten sich durch Zeichen, und dann handelten sie ge nau in dem Augenblick, in dem draußen das Geräusch eines sich schnell nähernden Fahr zeugs hörbar wurde. Mit einer heftigen Bewegung gelang es
Clark Darlton den Brüdern, ein paar der Gefäße, die auf den Regalen standen, mit den Ellenbogen herabzustoßen. Sie zerbrachen nicht, aber sie öffneten sich. Heraus kamen mehrere Dutzend der prä parierten Käfer. »Raus hier!« schrie Atlan und zerrte den überraschten Mexon mit sich. »Türen zu!« Sie hasteten durch den schmalen Korri dor. Mexon richtete den Strahler zurück und schoß auf einige noch flugfähige Exemplare der ersten Insektengeneration, die allem An schein nicht mehr unter dem Kommando der Königin standen. Das Labor geriet in Brand. Bälthir und Ädirou begannen zu schreien, als die ersten Käfer an ihnen emporkrabbel ten …
* Fartuloon versuchte noch einmal, Atlan und Mexon über den Bordfunk der VARIH JA zu erreichen, erhielt aber keine Antwort. Der Leutnant kam mit dem Fahrzeug und holte ihn ab. Er konnte sich schon denken, wo die Gesuchten zu finden waren, denn es gab nur eine einzige wissenschaftliche Stati on auf Xuura. Sie schlossen die Kabinenkuppel und fuh ren los. »Die Gebrüder Geigo, sie waren schon immer recht eigenwillig und exzentrisch, sie haben uns viel Ärger bereitet. Sie wollten mit den bisher harmlosen Insekten experi mentieren, obwohl die Station längst aufge löst worden war. Jetzt weiß ich, daß sie die Fluginsekten auf uns hetzten, obwohl mir nicht klar ist, wie sie das machten. Unsere Geduld ist nun erschöpft. Wir werden sie ausräuchern.« »Setzt bei Ihnen die Erinnerung wieder voll ein?« »Ich beginne plötzlich die Zusammenhän ge zu begreifen«, gab der Leutnant zu. »Alles war wie ausgelöscht, nachdem wir infiziert worden waren.« Er nickte Fartuloon zu. »Sie sehen, ich werde wieder gesund.« »Na, dann ist ja alles soweit in Ordnung.«
Die Königin von Xuura Die Kuppeln kamen in Sicht, dann hielten sie. Nichts bewegte sich. Doch dann, ur plötzlich und ohne Vorwarnung, kamen zwei Gestalten aus einer Tür gestürzt, wink ten und liefen auf das Fahrzeug zu. Fartuloon öffnete die Kabine. »Ihr rennt, als wären die Beißerchen hin ter euch her«, rief er ihnen halb im Scherz zu, um seine Erleichterung zu verbergen. »Wo stecken die beiden verrückten Wissen schaftler?« Noch ehe Atlan antworten konnte, fegte eine Druckwelle aus der Kuppeltür und wir belte den Staub zwischen den Gräsern auf. Eine zweite Explosion folgte und sprengte die Kuppel vollends in die Luft. Die Trüm mer fielen in sich zusammen und glühten aus. Unter ihnen gab es nichts Lebendes mehr. »Da hast du die Antwort«, sagte Atlan und kletterte in die Kabine. Mexon folgte. Fartuloon schloß den Eingang. Dann stellte er den Leutnant vor. »Er hat mir sehr gehol fen. Doch berichte! Was geschah?« Während sie zum Depot zurückfuhren, schilderte Atlan die merkwürdigen Vorgän ge in der Station der übereifrigen Forscher, denen der krankhafte Ehrgeiz den Verstand geraubt hatte. Alle Fragen waren nun beant wortet. Es gab kein Rätsel mehr. Ädirou und Bälthir Geigo waren durch ihre eigenen Schöpfungen gerichtet worden. »Die Fluginsekten werden das Depot nie mehr angreifen«, versicherte Atlan, als er seinen Bericht beendete. »Sie waren dazu gezwungen worden. Ihre natürliche Nahrung ist die Vegetation dieses Planeten, zu ihr werden sie zurückkehren, und Ihre Entwick lung wird, so wie vormals, normal verlau fen. Die gezüchteten Käfer sind tot. Sie kön nen sich nicht vermehren.« »Und wenn es Eier gibt?« fragte der Leut nant. »Sie wurden mit der Kuppel vernichtet.« Im Vorhof des Depots empfing sie der Kommandant. Noch von der kaum überwun denen »Krankheit« geschwächt, stützte er sich auf einen Stock. Einige seiner Offiziere
49 standen bei ihm. Fartuloon ging auf ihn zu, die Hand auf den Knauf des Schwertes gestützt. Im Hin tergrund sah er Garzohn und seine Freunde. Sie machten einen niedergeschlagenen Ein druck. »Die Geigos sind tot, sie verursachten den ganzen Zauber. Alles in Ordnung im De pot?« Der Kommandant bestätigte das und war tete, bis Atlan und Mexon aus dem Fahrzeug gestiegen waren. Dann sagte er: »Händler sind dafür bekannt, daß sie viel und gerne reden – und meist noch dazu lü gen. Was mir Garzohn, der Gauner, von Ih nen berichtete, klingt so phantastisch, daß ich es nicht glauben kann. Aber auch dann, wenn es die Wahrheit wäre …« Er schwieg und sah Atlan fragend an. Atlan lächelte. »Was dann, Kommandant?« Er behielt Fartuloon im Auge, der wachsam in der Nä he stand. Auch Mexon bereitete sich auf ei ne plötzliche Verteidigung vor. Er blieb in der Nähe des Leutnants, der einen Strahler im Gürtel stecken hatte. »Wenn Garzohn nicht lügen sollte, was würden Sie tun – nach dem, was passiert ist …?« »Nichts, Atlan. Gar nichts.« Er deutete in Richtung der VARIHJA. »Ihr Schiff! Es wartet.« »Es gehört dem Händler Garzohn.« Der Kommandant schüttelte entschieden den Kopf. »Es gehörte ihm! Wir haben es beschlag nahmt. Ich stelle es Ihnen zur Verfügung, damit Sie Ihrer Aufgabe nachgehen kön nen.« Er lächelte. »Ich hatte zu wenig Zeit, mehr darüber zu erfahren. Vielleicht berich ten Sie mir von Ihren Plänen.« »Sie wissen schon genug, Kommandant, aber ich möchte noch hinzufügen: Ich bin loyal gegenüber Arkon und dem Imperium, aber ich habe eine Menge gegen Orbana schol, den Mörder meines Vaters. Als Kri stallprinz ist es meine Pflicht, ihn zur Re chenschaft zu ziehen. Damit ist alles ge sagt.«
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Clark Darlton
»Sie werden dann Freunde haben«, sagte der Kommandant einfach.
* Noch einen Tag blieben sie auf Xuura. Fartuloon wollte sicher sein, daß die Hei lung eine endgültige war. Die Überlebenden hatten ausnahmslos gut auf das Serum ange sprochen, ihr Zustand war wieder als normal zu bezeichnen. Nachwirkungen waren nicht zu erkennen. Am folgenden Mittag brachte eine Dele gation des Depots Atlan und seine Begleiter zum nahen Schiff. Der Kommandant selbst saß hinter den Kontrollen des Fahrzeugs, in dem auch der Leutnant und Corenar Platz genommen hatten. Der Himmel war wolken los, kein Lüftchen regte sich. Fartuloon schaltete den Energieschirm ab und öffnete die Luke. Als sie in der warmen Sonne standen, spürte Atlan zum ersten Mal wieder die tele pathischen Impulse der Insektenkönigin. Gleichzeitig deutete Corenar nach Nord osten und rief: »Sie kommen wieder! Die Wolke – seht ihr?« Der Kommandant riß die Tür des Fahr zeugs auf. »Bringt euch in Sicherheit – schnell!« Aber Atlan schüttelte den Kopf. »Bleiben Sie, wo Sie sind, Kommandant. Niemand hat etwas zu befürchten, seit die Gebrüder Geigo tot sind. Sie waren es, die den Tieren ihren Willen aufzwangen, jetzt sind sie wieder frei und handeln, wie die Na tur es ihnen vorschreibt. Vielleicht will die Königin uns dafür jetzt auch den Beweis lie-
fern. Bleiben sie also, ich habe volles Ver trauen.« Und er spürte die Bitte um dieses Vertrau en in seinem Extrahirn. Die Wolke kam näher und verdunkelte teilweise die Sonne. Sie flog genau auf sie zu – und dann weiter nach Südwesten. »Dort liegen die großen Wälder«, sagte der Leutnant, der Corenars Hand hielt. »Sie holen sich Nahrung.« Kein einziges Insekt kam zu ihnen herab. Als die Wolke unter dem Horizont ver schwand, reichte der Kommandant Atlan die Hand. »Vergessen Sie nicht, was ich Ihnen ver sprach: Wenn der Tag der Entscheidung kommt, haben Sie Freunde.« Dann gab er Fartuloon die Hand. »Wir haben Ihnen zu danken, Doktor. Sie werden in uns gute Ver teidiger haben, sollte man Sie jemals vor ein Gericht stellen wollen.« Und zu Mexon ge wandt, meinte er: »Der künftige Imperator von Arkon kann sich glücklich schätzen, einen Freund wie Sie zu besitzen. Ich wün sche Ihnen einen guten Flug – und viel Glück.« Atlan stand noch in der Luke, während Fartuloon und Mexon schon dabei waren, die Startkontrollen zu aktivieren. Während er dem Kommandanten, dem Leutnant und Corenar zuwinkte, empfing er wieder die Impulse der Insektenkönigin. Sie signalisierte: Dank! Er schloß die Luke. Das Ziel hieß: Krau mon …
ENDE
Lesen Sie nächste Woche ATLAN Nr. 264: Der Mondträger von Harvey Patton Er verläßt die Flotte des Imperiums - er ist bereit, an Atlans Seite zu kämpfen