Abhandlungen zur Theologie des Alten und Neuen Testaments Herausgegeben von Prof. Dr. W. Eichrodt und Prof. Dr. O. Cullmann
Urchris ten turn und
Gottesdienst von
Oscar Cullmann Dr. Theol., D. D. Honorarprofessor der Universität Strasbourg
ord. Professor an der Universität Basel und der Ecole des Hautes·Etudes in Paris
Zweite vermehrte und veränderte Auflage
ZWINGLI·YERLAG ZüRICH
1950
Urchristentum und
Gottesdienst von
Oscar Cullmann
Dr. Theol., D. D.
Honorarprofessor der Universität Strasbourg
ord. Professor an der Universität Basel und der Ecole des Hautes-Etudes in Paris
Zweite vermehrte und veränderte Auflage
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ZWINGLI-VERLAG ZORICH 1950
Alle Rechte, insbesondere da. Obersetzungsrecht in fremde Sprachen, vorbehalten
Copyright 1950 by Zwingli -Verlag Zo.rich Druck Stampfenbach AG. Zürich Printed in Switzerland
INHALT Seite
Vorwort I. Grundzüge des urchristlichen Gottesdienstes 1. 2. 3. 4. 5.
Die Quellen .. Ort und Zeit .. Die verschiedenen Bestandteile Das Ziel des Gottesdienstes Die Verbindung der verschiedenen Bestandteile: Wortgottes. dienst und Mahlfeier .. 6. Freie Geistesäusserung und liturgische Bindung 7. Der christliche Grundcharakter
ll. lohannesevangelium fUnd urch':istlicher Gottesdienst 1. Die Absicht des Evangelisten .. 2. Johannes der Täufer und die Taufe Jesu. Kap. I, ~8. 15, 19-34 3. Die Hochzeit zu Kana. Kap. 2, I-lI 4. Die Tempelreinigung. Kap. 2, 12-22 5. Das Nikodemusgespräch. Kap. 3, 1-21 6. Das letzte Täuferzeugnis. Kap. 3, 22-36 7. Das Gespräch mit der Samariterin am Jakobsbrunnen. Kap. 4,1-30 8. Die Heilung von Bethesda am Schaf teich. Kap. 5, 1-19 9. Das Speisungswunder. Kap. 6, 1-13, 2~65 10. Die Heilung des Blindgeborenen am Siloahteich. Kap. 9, 1-39 11. Die Fusswaschung. Kap. 13, 1-20 12. Die Ahschiedsreden. Kap. 13, 31-Kap. 17 13. Der Lanzenstich. Kap. 19,34 14. Ergebnisse
Register
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29 34 35 38-115 39 60 67 72 76 80 82 86 89 99 102 106 llO ll3 ll6
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VORWORT ZUR ZWEITEN AUFLAGE Die Neuauflage dieser schon seit mehr als drei Jahren vergriffenen Schrüt hat länger auf sich warten lassen, als ich gewünscht hatte. Dies hängt damit zusammen, dass ich ursprünglich einen dritten Teil unter dem Titel «die neutestamentliche Tauflehre» hatte hinzufügen wollen. Nun hat jedoch diese Untersuchung, deren Ausführung ich zuerst in Angrüf nahm, nicht nur mehr Zeit, sondern auch mehr Seiten b& ansprucht, als ich geglaubt hatte. Aus diesem und andern Gründen, die ich im Vorwort zu jener Tauflehre darlege, habe ich mich entschlossen, sie ge s 0 nd e r tals Nr. 13 der Abhandlungen zur Theologie des Alten und Neuen Testaments zu veröffentlichen (1948),und somit habe ich verzichtet, sie der vorliegenden Neuauflage einzuverleiben. Den Anhang über «Spuren einer alten Taufformel im Neuen Testament», den ich der ersten Auflage von «Urchristentum und Gottesdienst» beigefügt hatte, habe ich daher in dieser zweiten Auflage von dieser Schrift losgelöst und in jener neuen Veröffentlichung, in die sie nun besser passt, untergebracht. Wenn trotzdem meine 1944 in erster Auflage herausgegebene Arbeit, besonders in .ihrem zweiten Hauptteil, hier in ver ä n der t e r und ver m ehr t e r Gestalt vorgelegt wird, so geschieht dies hauptsächlich im Hinblick auf die inzwischen erschienenen Studien, besonders die als vervieHältigtes Manuskript im Buchhandel verbreitete Arbeit von Wilhelm Mi c h a e I i s: Die Sakramente im Johannesevangelium, 1946 (BEG-Verlag, Bern). In sorgfältiger Analyse prüft der Verfasser, Kapitel für Kapitel vornehmend, den zweiten Teil meiner Untersuchung (<<Johannesevangelium und urchristlicher Gottesdienst»). Er gelangt zum Ergebnis (S.35), «meine Forderung, dass auch das Johannesevangelium als eine indirekte Quelle für unsere Kenntnis des urchristlichen Gottesdienstes zu werten sei, sei an sich festzuhalten, aber dahin abzuändern, dass einmal die Zahl der hierfür in Betracht kommenden Belege einzuschränken sei und dass die Stellung, die Sakrament und Gottesdienst im johanneischen Denken einnehmen, etwas anders zu fassen sei.» Ich bin meinem Berner Kollegen für die äusserst gründliche Nachprüfung der in meinem zweiten Teile entwickelten These aufrichtig
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dankbar. Denn er hat im einzelnen Fragezeichen gesetzt, wo sie tatsächlich zu setzen sind. Ich würde viele dieser Fragezeichen selber als solche annehmen, s 0 f ern j e d e Per i k 0 p e ein z eIn für sich behandelt würde. Aber für das Verständnis eines Evangeliums wie des johanneischen ist hier nun doch grundsätzlich eine methodische Erwägung anzustellen. Genügt hier eine re in a n a I y t i s ehe Betrachtungsweise, wie sie bei W. M ich a e I i s vorliegt? Die zugestandene Absicht dieses Evangelisten besteht doch darin, nicht alles aufzuzeichnen, sondern nur einiges (Kap. 20, 30f.), dieses aber mit einer ganz besondern Abzweckung. 1 ) Wenn dem so ist, werden wir dann der Art dieses Evangeliums gerecht, wenn wir nur an denjenigen Stellen ein bestimmtes Gegenwartsinteresse gelten lassen, wo der Verfasser dies ausdrücklich und unmissverständlich zu erkennen gib t, also z. B. ein Interesse für die Sakramente nur in Kap. 6, 51b-58 und etwa noch in Kap. 3,5 und Kap. 19,34? Wenn prinzipiell zugegeben ist, dass der vierte Evangelist alles, was er vom Leben Jesu berichtet, in den Dienst verschiedener theologischer und kirchlicher Gegenwartsinteressen des Urchristentums gestellt hat, wenn ferner anerkannt wird, dass unter diesen Interessen dasjenige für Taufe und Abendmahl an wichtigen Stellen sie her vorliegt und auch in den andern dem gleichen Verlasser zugeschriebenen Büchern des Neuen Testaments, vor allem im l. Johannesbrief, erscheint, können dann die genannten Fragezeichen, von denen jedes für sich genommen seine Berechtigung hat, wirklich meinen Versuch entkräften, diese gleiche Linie auch dort aufzuzeigen, wo der Verfasser sie- nicht sozusagen mit Rotstift kenntlich gemacht hat? Es lassen sich in unserm Evangelium Anspielungen auf Gegenwartsinteressen finden, die innerhalb der Perikopen, in denen sie stehen, nur ä u s s e r s t lei s e an g e d eu t e t sind und viel «fragwürdiger» als die von mir angenommenen erscheinen könnten, deren Vorhandensein jedoch von ganz andern Stellen des Evangeliums aus zufällig mit Sicherheit bestätigt wird. Nur wenn sich wirklich geradezu ein antigottesdienstliches Interesse im Evangelium nachweisen liesse, was aber mit besseren Gründen geschehen müsste als in R. B u I t man n s Johanneskommentar, würde ich mich davon überzeugen 1)
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S. S.39.
lassen, dass es nichts zu hedeuten hahe, wenn es auf jeden Fall gelingt, eine gottesdienstliche Linie zu verfolgen, an einigen Stellen in voller Sichtbarkeit, an andern angedeutet, an andern nur hlass durchschimmernd. AngesichtS! der vielfach mit Ahsicht nur a n d e u t end e n Red ewe i s e des Evangelisten kann eine höhere Beweiskraft allerdings nicht gefordert werden. Aher wegen der Unmöglichkeit, die Argumentation mathematisch-rigoros durchzuführen, darf nIcht einfach auf die Frage nach der heilsgeschichtlichen Verknüpfung der Einzelerzählung verzichtet werden. Denn der Verfasser fordert seine Leser und folglich den Exegeten auf, sie zu stellen. Meine Antwort auf die Bedenken und Einwände von W. M ich a e 1 i s ist also nehen den in jedem Einzelahschnitt angehrachten Bemerkungen zu seinen kritisehen Ausführungen hauptsächlich in dem dieser zweiten Auflage neu hinzugefügten Kapitel üher die A h sicht des vierten Evangelisten enthalten. Die Erwägung, dass meine These nur in ihrer Gesamtkonzeption Beweiskraft erhält, hat mich veranlasst, noch zwei weitere Kapitel hinzuzufügen, auf die ich in der ersten Auflage verzichtet hatte, weil mir in den in ihnen hehandelten Ahschnitten, der Geschichte von der Heilungj des Blindgeborenen am Siloahteich und den Ahschiedsreden, das gottesdienstliche Interesse, von dem ich allerdings von jeher fest üherzeugt war, zu Unrecht weniger deutlich gekennzeichnet schien als in den andern. So hahen gerade die von W. M ich a e 1 i s erhohenen Einwände, so paradox dies scheinen mag, mich hestimmt, durch diese Hinzufügungen Anlass zu weitern Fragezeichen zu gehen, allerdings in der Ueherzeugung, dass in diesem Falle die· Zahl der Belege ihre «Fragwürdigkeit» erhehlich verringert, wenn nicht aufheht. Die von W. M ich a e 1 i s aufgeworfenen Fragen waren mir für die vorliegende Neuauflage jedoch auch insofern wertvoll, als ich an einigen Stellen meine Ausführungen unter dem Einfluss der Kritik des Berner Neutestamentlers anders gefasst hahe. Das Kapitel üher die Ahsicht des Evangeliums enthält auch meine Antwort auf die mehr allgemein gehaltene Kritik des Holländers H. van der Loos.2) Er hehauptet, ich treibe Allegorie, eine Anklage, die mich fast komisch herührt, wenn ich hedenke, dass mein 2) H. van der Loos. Allegorische Exegese (Nederlands Theologisch Tijdschrift) 1948, S. 130 ff.
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Kampf gegen offene und versteckte Allegorie mir von anderer Seite hereits den Vorwurf eingehracht hat, ich hätte eineu«AntiallegorieKomplex». Wenn erwiesen ist, dass das J ohannesevangelium seIhst uns dazu auffordert, nach den Gegenwartsinteressen zu fragen, die den Verfasser veranlasst hahen, das Lehen J esu gerade in dieser Auswahl und in dieser Art zu erzählen, wenn ferner feststeht, dass damit keineswegs die historischen Tatsachen als solche n ach der A h sie h t des Eva n gel ist e n etwa an historischem Wert verlieren, so ist es nicht nur herechtigt, sondern von jedem Exegeten gefordert, den Versuch zu machen, diese Gegenwartsinteressen aufzuzeigen, allerdings nicht ins Blaue hinein, sondern von sichern Ausgangspunkten aus und im Anschluss an die Gesamtschau des Evangeliums. Ich hin mit W. Mi c ha el i s einverstanden, wenn er sich gegen die Meinung ausspricht, deren Anschein heim Lesen meiner Arheit, hesonders meiner Ausführungen über Kap. 6, «leicht entstehen könne», «als legten sich die sakramentalen Gedanken mit einer gewissen Aussehliesslichkeh über den ganzen Reichtum johanneischer Aussagen» (Michaelis S. 35). Es mag sein, dass der Charakter meiner Studie zu diesem Missverständnis Anlass geben konnte. Denn ich suche hier ja nicht etwa eine Gesamterklärung des ganzen J ohannesevangeliums zu gehen, sondern eine These über ein e n besondern Aspekt zu verteidigen; ich sehäle hier nur eines der Gegenwartsinteressen des Evangelisten heraus, allerdings, wie mir scheint, ein sehr wichtiges, das jedoch in einem Kommentar oder einer Darstellung der «johanneischen Theologie» neben andere zu stellen und mit ihnen dem ein e n fundamentalen Interesse- des Evangelisten unterzuordnen wäre: dem Bestreben zu zeigen, dass der in der vergangenen Heilsgeschichte und besonders in der Gemeinde gegenwärtige Christus, an den geglaubt wird, der g lei ehe ist wie der i n kar nie r t e. Die Erzählungen sind so ausgewählt und dargestellt, dass jene Identität besonders kräftig hervortritt. Es war nie meine Meinung gewesen, das gottesdienstliche. Interesse sei allen andern theologischen Anliegen des Johannesevangeliums üherzuordnen, wohl aher glaube ich, dass das tatsächliche Grundanliegen, wie ich es vorhin hestimmt hahe, hier an einem für den Evangelisten besonders wichtigen Punkt seinen konkreten Ausdruck findet. Ich denke, dass das neue Kapitel üher die Absicht des Evangelisten nun jedes Missverständnis in dieser Hinsicht ausschaltet.
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Zum Schlusse möchte ich nicht verfehlen, die von W. Mi c h a e I i s durchgeführte Ueherprüfung meiner These formal und inhaltlich als V orhild einer I 0 y ale n, s ach I ich e nun d f ö r der n den K r i t i k zu hezeichnen, wie sie im wissenschaftlichen und «leider auch:. theologischen Betrieh geradezu eine Seltenheit ist.
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Am ersten Teil (<
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I. Grundzüge des urchristlichen Gottesdienstes. 1. Die Quellen Aus unsern Quellen zur Erforschung des urchristlichen Gottesdienstes 1) ergibt sich zwar kein völlig eindeutiges Bild über den ä u s s ern Verlauf der gottesdienstlichen Versammlungen, wohl aber eine ziemlich klare gottesdienstliche Tendenz, die im folgenden aufgezeigt werden soll. Im grossen und ganzen kommen als Q u e 11 e n die Beschreibungen des Gemeindelebens in der Apostelgeschichte (2, 42 und 46; 5, 42), ferneil' die Ausführungen des Paulus im 1. Korintllerbrief (besondocs Kap. 14; ferner Kap.ll, 20ff.) in Betracht, dann aber auch alle Grussformeln und Doxologien der Briefe des Neuen Testaments. Eine wichtige Fundgrube ist weiter die J ohannesoffenbarung. Denn der Seher e,rwähnt nicht umsonst, dass er seine Schauungen an einem «Herrentag» hat (1,10), also zur Zeit, wo die christliche Gemeinde sich versammelt. So sieht er das ganze endzeitliche Drama im Rahmen des urchristlichen Gottesdienstes, der sozusagen im kommenden Äon seine Entsprechung hat und dort zugleich seine Erfüllung findet, so dass alles, was sich in der urchristlichen Gemeindeversammlung abspielt, von hier aus gesehen als eine Vorwegnahme dessen erscheint, was am Ende von Gott her geschieht. Daher ist die' ganze Johannesoffenbarung vom Gnaden- und Friedensgruss in kap. I, 4 an bis zum Schlussgehet: Komm, Herr Jesus, in Kap. 22, 20, und dem Gnadenwunsch im letzten Vers voll von Anspielungen auf liturgische Sitten 1) Die Bezeichnung «Gottesdienst» trifft sehr unvolkommen das, wovon in diesem und den beiden folgenden Aufsätzen die Rede ist. Denn wir werden sehen, dass es gerade zum Wesen der urchristlichen Gemeindeversammlungen gehört, dass hier Gott in Christus handelt, nicht der Mensch. In der Septuaginta gibt es einen Terminus, der etwa im eigentlichen Sinne von «Gottesdienst» gebraucht wird: AaTQsla für hebr. ~':lll' (siehe H. Strathmann in Th. Wb. z. N. T. Bd. IV, S. 61 ff.). Im Neuen Testament bezieht sich dieser Ausdruck an vier Stellen auf den alttestamentlichen Opferdienst (Röm. 9,4; Hebr. 9,1. 6; auch Joh. 16,2); an der andern, Röm. 12, 1, ist der Rahmen der Gemeindeversammlung ganz aufgegeben. Wenn wir, dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend, trotzdem die Bezeichnungen «Gottesrlienst» und «gottesdienstlich» verwenden, so geschieht dies unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass das Urchristentum den Begriff des «Gottesdienstes» entscheidend umgewandelt hat.
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der Urgemeinde. Dass auch das J ohannes eva n gel i u m in hervorragender Weise als Quelle für die Frage des urchristlichen Gottesdienstes zu bewerten ist, soll im nächsten Aufsatz eingehend begründet werden. 2 ) Neben diesen neutestamentlichen Hauptquellen haben wir das urchristliche Schrifttum bis ums Jahr 150 zu unserer Verfügung. Für unsere Frage ist es uni so mehr heranzuziehen, als gerade im Hinblick auf Gottesdienst und Liturgie die in einem Text bezeugten Ele~ mente viel älter sind als dieser Text selbst. Die für unser Problem wichtigste unter diesen ausserkanonischen urchristlichen Schriften ist die Didache, die ja die älteste christliche Liturgiensammlung bietet. Als Abschluss der uns hier heschäftigenden Entwicklung können wir den bedeutsamen Bericht des Apologeten lustin in seiner 1. Apologie (Kap. 67) hetrachten, wo zum ersten Mal die Gottesdienstordnung im einzelnen in einer Weise heschrieben wird, die Rückschlüsse auf die ganze urchristliche Zeit zuläs,st. 3 ) Endlich ist unter den Quellen hier auch ein heidnisches Dokument zu erwähnen: der Brief des Statthalters Plinius an den Kaiser Trajan, wo im Zusammenhang mit der Frage der Behandlung der Christen durch den Staat einige Angaben über die gottesdienstlichen Bräuche dieser Christen mitgeteilt werden, wie sie der Information und dem Verständnis eines heidnischen Beamten zugänglich waren. 4 ) H. Lietzmann 5 ) hat als Grundprinzip der liturgiegeschichtlichen Methode die Forderung aufgestellt, bei den spätern Quellen den Ausgangspunkt zu nehmen und von dort aus den Weg zurück in die Zeit der Anfänge zu suchen, wo die Quellen noch spärlich fliessen und die Entwicklung noch im Fluss ist. Obwohl dieser Methode im grossen und ganzen zuzustimmen ist, muss doch vor den Gefahren ihrer allzu einseitigen Anwendung gewarnt werden. Sie bringt nämlich leicht die Versuchung mit sich, spätere Entwicklungen um jeden Preis, in der ersten Zeit schon im Keime wenigstens finden zu wollen. Um dieser Gefahr zu entgehen, werden wir zunächst einmal einfach die verschiedenen gottesdienstlichen Bestandteile aus der frühesten Zeit ein2) S. unten S. 38 ff. 3) die deutsche Uehersetzung unten S. 32 Anm. 41. 4) Pli n i u B J u n. Epist. X., 96 ff. Die Uehersetzung des wichtigen § 7 s. unten S. 25 Anm. 30. 5) H. Lietzm(l1ln. Messe und Herrenmahl. Eine Studie zur Geschichte der Litur· gie. 1926.
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zeIn zusammenstellen, in der mehr oder weniger unverbundenen Weise, wie sie uns überliefert sind, und ohne zu versuchen, sie untereinander zu systematisieren. Allerdings werden wir nachher die Fragen, die sich daran anschliessen, aufzuwerfen haben: Wie waren diese Elemente untereinander verbunden? In welcher gegenseitigen Beziehung standen in dieser Ordnung die liturgische Gebundenheit und die Freiheit der Geisteswirkung ? Worin zeigt sich der spezifisch christliche Grundcharakter des urchristlichen Gottesdienstes?
2. Ort und Zeit. Im ersten Teil der Apostelgeschichte erfahren wir, dass die ersten Christen sich im Tempel versammelten (2,46 und 5,42, s. auch Luk.24,53) dem jüdischen Brauche gemäss, wie auch Jesus selbst in Jerusalem täglich im Tempel gelehrt hatte (Mark. 14, 49).5& Aber zugleich hören wir, wie schon rein ö r t I ich die christlichen Gemeindeve,rsammlnngen über den jüdischen Rahmen hinauswachsen. Denn zu gleicher Zeit kamen die ersten Jünger auch schon in einem besondern Hause zusammen: im Obergemach (1,13), wahrscheinlich im gleichen Saale, wo die Erscheinung des AuIerstandenen bei der Mahlzeit der Jünger am Ostersonntag stattgefunden hatte (Luk. 24, 33), im Hause der Mntter des Johannes Markus (Apostelgesch. 12, 12), in dem Jesus vielleicht anch das letzte Mahl mit seinen Jüngern vor seinem Tode eingenommen hatte. Auch das Haus, von dem die Pfingstgeschichte berichtet (Apostelgesch. 2,1), dürfte das g~eiche sein. Ob in Apostelgesch. 2, 46 und 5, 42 der Ansdruck "a'/:' ol"o'll wirklich mit dem Plural «abwechselnd in den Hänsern,. zn übersetzen ist, so dass für die J erusalemer Gemeinde mehrere· Privathäuser als Versammlungsorte gedient hätten, ist möglich, aber doch zum mindesten zweifelhaft. Neben Il'll '/:tji tBl}tji «im Tempel» kann es einfach bedeuten «zu Hause,., wie die bei Aquila und Priscilla sich versammelnde Hausgemeinde in Ephesus und Rom (1. Kor. 16, 19; Röm. 16,5), die in Kolossae bei Philemon (Philem.2) und die in 5a) E. Lohmeyer. Die Reinigung des Tempels (Theologische Blätter, 1941, Sp. 257 ff.) zeigt anderseits, wie die Tempelreinigung als eschatologischer Akt den Sinn hat, die endzeitliche Erwartung eines «Bethauses für alle Völker» zu erfüllen, was dann auf andere Weise im Abendmahl
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Laodicaea hei Nympha (KoI. 4, 15) sich versammelnde als iJ "m;' oZ"ov 8""A1jola hezeichnet wird. 6 ) Besonderes Gewicht wird im Urchristentum darauf gelegt, dass die ganze Gemeinde an ein e m Orte sich versammle (Bni '00 aino). Sonderversammlungen werden ahgelehnt. 7 ) Von der Z ei t der Versammlungen sagt die Apostelgeschichte, dass sie täglich stattfanden (2, 46 und 5, 42, s. auch Luk. 24, 53). Auch der Sabbat mag da und dort noch beobachtet worden sein. 8 ) Aber nun stellen wir auch hier das gleiche fest wie für den Ort: schon in ältester Zeit schafft sich der urchristliche Gottesdienst einen spezifisch christlichen Rahmen, indem ein Tag als gottesdienstlicher Tag besonders ausgezeichnet wird: der Herrentag. 9 ) Das ist nicht der jüdische Sabbat, sondern in bewusster Unterscheidung vom Judentum haben die ersten Christen den ersten Wochentag ausgesondert, denn an diesem Tage war Christus auferstanden, und an diesem Tage war er den beim Mahle versammelten Jüngern erschienen. Der Herrentag der ersten Christen war also eine Feier der Auferstehung Christi. J e der Herrentag war ein Osterfest, denn dieses war noch nicht auf einenpinzigen Sonntag im Jahre beschränkt. Diese Bedeutung des Sonntags wird heute vielfach vergessen. Wir haben es hier mit einem spezifisch christlichen Feiertag zu tun, und dass er seinen Sinn von der Auferstehung Christi her erhält, gibt uns einen wichtigen Fingerzeig für die christliche Grundbedeutung aller gottesdienstlichen Versammlungen der Urgemeinde. 10 ) Wohl gibt es in 6) Eine Hausgemeinde ist auch Röm. 16,23 vorausgesetzt. Aus späterer Zeit hören wir, dass in den heidenchristlichen Kirchen das triclinium für Lehrsäle und gottesdienstliche Versammlungen verwendet wurde. (A c t a Pet r i cu m Si mon e cap. 21. Lipsius.Bonnet I, 68 und Ac t a T horn a e cap. 131.) Diese Räume konnten allerdings nur eine beschränkte Zahl von Gläubigen aufnehmen. Nach Ac t a S a tu r ni n i cap. 2 waren in Abitinae 47 Personen in einem Privathaus versammelt. 7) 1. Kor. 11,20 f. Besonders I g n a t i u s von Antiochien warnt immer wieder vor Versammlungen solcher, die sich abspalten. S. Eph. 5,2; Magn. 7,1; TralI. 7,2; Philad. 4; Smyrn. 8, 1; 9, 1. 8) Ob allerdings, wie H. Lietzmann, Geschichte der alten Kirche 1932, S. 57, annimmt, Matth. 24,20 hierfür als Beleg angeführt werden kann, ist sehr frag· lieh. Die Worte /h1jCJ8 oa!3!3ciup, die in Mark. 13, 18 fehlen, können ebenso gut bei Markus weggelassen wie bei Matthäus hinzugefügt sein. 9) 1. Kor. 16,2; Apgsch. 20,7; Joh. Apok. 1,10; Didachc 14,1; Ignatius Magn. 9, 1; Bar n a b a s 15,9; Jus tin Apol. I, 67, 3. Pli n i u s b l' i e f X, 96, 7 (sicher ist hier mit dem s tat u s die s der Sonntag gemeint). 10) Später kommt bei Te r t u II i a n (De corona mil., cap. 3) die Auferstehungsfreude darin zum Ausdruck, dass man an diesem Tage nicht kniet beim Betcn und nicht fastet.
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der ersten ZeJit Hoch keine hesondere Bezeichnung für diesen Tag. Er wird noch nach dean jüdischen chronologischen Schema «erster W 0chentag» genannt. Als solcher erscheint er in den Auferstehungsherichten der Evangelien. Auch der Apostel Paulus heisst ihn so in 1. Kor. 16,2, wo er die Korinther auffordert, an diesem Tage etwas für die Kollekte beiseite zu legen. Die Apostelgeschichte (20,7) erzäblt im «Wir-Bericht», dass die Versammlung zum Brotbrechen, wo Paulus bis Mitternacht predigte, am «ersten Wochentag» stattfand. Erst in der Offenbarung Johannes (1,10) begegnet uns zum ersten Mal die spezifisch christliche Bezeichnung «Herrentag», ebenso in der Didache 14,1. Dabei müssen wir uns nun aber vergegenwärtigen, dass mit dem «Herrn» nicht Gott, sondern Christus gemeint ist. Es ist der Tag Christi, nämlich der Tag der Auferstehung Christi. ~T enn wir heute sagen, der Sonntag sei der «Tag des Herrn» (vergleiche französisch dimanche von dominica), sind wir geneigt, dies zu interpretieren im Lichte des alttestamentlichen Sabbatgebotes als Tag Gottes. Daran ist richtig, dass von der Auferstehung Christi her der von Gott eingesetzte Ruhetag auf den Auferstehungstag Christi verlegt und in diesem als «erfüllt» angesehen wurde. Aber es sollte dabei doch nicht vergessen werden, dass es für den christlichen Gottesdienst in erster Linie der Tag ist, «an dem Jesus von den Toten auferstanden ist» (Barnabasbrief 15,9). Dass weiterhin der mit diesem Tag verbundene heidnische Sonnenkultus symbolisch ausgewertet wurde, insofern hier ein Sinnbild für die Auferstehung gesehen wurde und dass dies zu der Verbreitung der BelZeichnung Sonntag auch in christlichen Kreisen (zum ersten Mal bezeugt bei «Justin» Apol I, 67,3) und zum Erheben dieses Tages zum gesetzlichen Feiertag unter dem synkretistisch eingestellten Konstantin dem Grossen 11) geführt hat, ändert nichts an dem ausschliesslich christlichen Ursprung des Sonntags in der Urgemeinse.
3. Die verschiedenen Bestandteile. Welches sind nun die wesentlichen Bestandteile der gottesdienstlichen Ve,rsammlungen? Da ist zunächst festzustellen, dass sie ausserordentlich v i elf ä I t i g sind und dass das gottesdienstliche Leben 11) S. Felix Stähelin. Constantin der Grosse und das Christentum. (Zeitschrift für Schweiz. Gesch. 1937, S. 385 ff.)
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unserer Kirchen demgegenüber merkwürdig reduziert erscheint. In der Apostelgeschichte (2, 42 und 46; 20, 7) werden die Lehre, die Predigt, die Gebete und das Brotbrechen erwähnt und zwar in einer Weise, die deutlich zeigt, dass diese Elemente von Anfang an alles gottesdienstliche Leben der christlichen Gemeinde begründeten. Wie wir uns die Pr e d i g t zu denken haben, läSBt sich aus den Beispielen der Apostelgeschichte entnehmen. Es wird vor allem die heilsgeschichtliche Linie vom Alten Testament zum Christusgeschehen der Gegenwart hin gezogen. Die G e b e t e sind wohl teils frei, den Umständen angepasst, und werden dann zwar nicht ausschliesslich, aher hauptsächlich als Sache der Propheten angesehen worden sein nach Didache 10, 6: «Den Propheten sei gestattet, Dank zu sagen, soviel sie wollen.,. Danehen aher wird wohl das Herrengehet hereits früh auch im Gottesdienst gesprochen worden sein, worauf die schon hald erfolgte Zufügung der Doxologie deutlich hinweist (Didache 8), die sozusagen das liturgische Echo der Gemeinde auf das von J esus gelehrte Gebet darstellt 12). Dass in Ga!. 4, 6 und Röm. 8, 15 alles Beten als ein « A b b a - Sagen» bezeichnet wird, scheint auch mit dem liturgischen Gehrauch des Vaterunsers zusammenzuhängen 13). Im 1. Klemensbrief hahen wir in den Kapiteln 59-61 das Beispiel eines liturgischen Gemeindegehetes, wie es ums Jahr 96 fester Bestand· teil des Gottesdienstes der römischen Kirche war.
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Als ältestes liturgisches Gebet ist aber das aramäisch erhaltene M ara n a t h a «unser Herr komm» anzusehen. Dass es sich um den Imperativ, also um ein Gebet: «unser Herr komm!,. und nicht um den Indikativ «unser Herr kommt» handelt, geht aus der griechischen Uehersetzung am Ende der Johannesoffenbarung (22,20) hervor, die den Imperativ setzt. 14 ) In der aramäischen Form steht 12) Die Worte «denn dein ist das Reich» usw. sind ja bekanntlich nicht von Jesus gesprochen, sondern erst unter dem Einfluss der urchristlichen Liturgie in späten Handschriften in den Matthäustext des Vaterunsers eingedrungen. Auch E. Lohmeyer. Das Vaterunser, 1946, S.173, vermutet, dass das Vaterunser ur· sprünglich bei der Feier des Mahles gebetet und dass darum ein Lobpreis an· gefügt worden ist. 13) Diese Paulusstellen setzen die einfache Anrede «Vater» voraus, wie sie im Lukastext des Herrengebets steht (nch:I3Q Luk.ll, 2). Denn das «u n s er Vater» des Matthäustextes würde aramäisch nicht ab b a, sondern a b b unheissen. 14) Dass an sich philologisch die Form ebenso gut mit dem Indikativ übersetzt werden könnte, ist unbestritten. S. zuletzt K. G. Kulm in Th. Wb. z. N. T. III,
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dieser GehetsruI am Ende des 1. Korintherhriefes (16, 22). Aus der Didache erfahren wir, dass er im hesondern hei der Mahlfeier im Zusammenhang mit der eucharistischen Liturgie gesprochen wurde (Kap. 10, 6). Dass dieses Gehet von Paulus unühersetzt weitergege.hen wird in einem griechischen Brief und dass es sich his in die Zeit der Ahfassung der Didache in dieser ursprünglichen Form erhalten hat, heweist die ausserordentlich wichtige Rolle, die dieses älteste liturgische Gehet der Urgemeinde gespielt haben muss. Die Didache hat uns andere eucharistische Gehete üherliefert, die fast wörtliche Parallelen im Judentum hahen. Im M ara n a t h a - Gehet stossen wir dagegen auf dem Boden des urchristlichen liturgischen Betens auf das spezifisch christliche Element, das sich eug anschliesst an die Tatsache, dass der christliche gottesdienstliche Tag der Tag der Auferstehung Christi ist. An diesem Tage war ja Christus hei einer Mahlzeit deri Jüngern erschienen. So soll er nun wieder erscheinen in der christlichen Mahlfeier, denn «wo zwei oder drei versammelt sind in seinem Namen, da ist er mitten unter ihnen» (Matth. 18,20). Diese Gegenwart in der Gemeinde im Geiste ist aher ein Angeld auf sein Kommen am Ende. So weist dieses alte Gehet zugleich zurück auf das Erscheinen Christi am Auferstehungstag, dann auf sein gegenwärtiges Erscheinen heim gemeinsamen Mahle der Ge. meinde und vorwärts auf sein Erscheinen am Ende, das ja auch gern im Bild eines messianischen Mahles vorgestellt wird. In allen drei Fällen handelt es sich um ein Mahl. Daher ist das « M ara n a t halt denn auch in erster Linie ein eucharistisches Gehet.15 )
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Damit gelangen wir aher zum «B rot h re c h e n,., dieser charakteristischsten Aeusserung des urchristlichen Gottesdienstes. Es kann hier nicht die Rede davon sein, dass wir das ganze so komplexe Prohlem des Herrenmahls der ersten Gemeinde und des letzten Ahendmahls Jesu hehandeln.16 ) Ich möchte nur auf die Punkte hinweisen, die für die Gesamtheurteilung des gottesdienstlichen 111) Das deutsche Tischgehet: «Komm Herr Jesu, sei unser Gast» kann dahel' in gewissem Sinne als eine getreue Wiedergabe des M ara n a t h a angesehen werden. 16) Ich verweise hier auf die gut orientierende Studie von E. Gaugler: Das Abendmahl im Neuen Testament, Basel, 1943.
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Lebens der Urgemeinde in Betracht kommen. Es darf als ausgemacht gelten, dass die ältesten Mahlfeiern im Rahmen einer wirk· lichen Mahlzeit stattfanden,17) wobei das Weintrinken nicht unbedingt erforderlich war, wie ja in der Apostelgeschichte überhaupt nur vom «Brotbrechen» gesprochen wird. Dass man nicht «Brotessen", sondern «Brotbrechen» sagt - ein ungewöhnlicher Ausdruck als Bezeichnung für eine Mahlzeit 18) - , beweist allerdings, dass doch das Bewusstsein, zugleich einen Akt von besonderer Bedeutung zu begehen, vorhanden war. Die Beziehung zum Blut und allgemein zum Tode Christi scheint hier zu fehlen. Es gehört zum Wesensmerkmal dieser Mahlzeiten, dass nach Apostelgeschichte 2, 46 «ausgelassene, Freude» hei ihnen herrscht. 19 ) Diese ist nicht primär durch die Erinnerung an das letzte Abendmahl ausgelöst worden, sondern erklärt sich zunächst durch die Erinnerung an jene andern Mahlze1iten, wo J esus gleich nach seiner Auferstehung den Jüngern gerade hei Tische erschienen ist. Nach Luk. 24,36 assen die elfe schon am Ostersonntag mit dem Auferstandenen, nachdem dieser kurz vorher (Luk. 24,30) mit den Emmausjüngern auch das Brot gebrochen hatte. In Luk. 24,36 wie in der Erzählung Joh. 21, 12 ff. besteht das mit dem Auferstandenen eingenommene Mahl in einem Fischgericht. Damit mag es zusammenhängen, dass späterhin das Fischsymbol, das allerdings noch andere Wurzeln hat, gerade mit der Eucharistie zusammengehracht wurde,20) und auch das weist auf die Beziehung zwischen der urchristlichen Mahlfeier und den Ersche1inungsmahlzeiten an Ostern hin. Wenn die ersten Erscheinungen des auferstandenen Christus gerade hei Tische stattgefunden hahen, so müssen wir viel mehr, als dies gewöhnlich geschieht, in Betracht ziehen, dass die er s t e n eucharistischen Mahlfeiern der Gemeinde auf die s e 0 s t e r m a h I z e i t e n zur ü c k h I i c k e n, in denen das Did. 10, I .:nachdem ihr euch gesättigt habt». S.1. Weiss. Das Urchristentum 1917, S. 41. - Vgl. auch J. Behm in Th. Wh. z. N. T. Bd. In, S. 727 ff. - J. Jeremias. Die Abendmahlsworte Jesu, 2. Ann. 1949, S. 64 f., hält die Bezeichnung sogar für einen Decknamen, der den Nicht· christen gegenüber das Arcanum des Abendmahls verbergen soll. 19) S. den Ausdruck ayaA,;Ua!1t~. Dass damit besonders die «eschatologische) Freude gemeint ist, zeigt R. Bultmann in Th. Wb. z. N. T. Bd. I, S. 19. In Korinth scheint diese sogar so ausgeartet zu haben, dass es vorkam, dass man sich betrank O. Kor. ll, 23). 20) Siehe die Reproduktionen in F. J. Dölger: Die Fischdenkmäler in der früh. christlichen Plastik und Kleinkunst, 1928. 17) 18)
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von J esus heim letzten Ahendmahl verheissene messianische Mahl schon teilweise vorweggenommen wurde. 21 • Wie eng der Auferstehungsgedanke üherhaupt mit der Erinnerung an jene Ostermahlzeiten mit dem Erscheinenden verknüpft war, geht aus Apostelgeschichte 10,41 hervor, wo wir in der Petrusrede lesen: «Diesen Christus hat Gott am dritten Tage auferweckt und erscheinen lassen nicht vor allem Volke, sondern vor den vorherhestimmten Zeugen, uns, die wir mit ihm g e g e s sen und ge t run k e n h a h e n n ach sei n e rAu f e r s t e h u n g von den Tot e n." Auch Apostelgeschichte 1,4 weist auf dieses «Zusammenessen» mit dem Auferstandenen hin. Denn der Ausdruck IJvva2~td{kevor. der immer falsch ühersetzt wird: «( der Auferstandene) war mit ihnen zusammen», heisst in Wirklichkeit präziser: «er nahm das Salz mit ihnen», wie denn die lateinischen, syrischen und koptischen Uehe,rsetzungen dieses Verhum hier tatsächlich mit «zusammenessen» wiedergegehen hahen. 22 So erklärt sich der «Juhel» hei den eucharistischen MahHeiern aus der Beziehung dieser Feier zu dem Auferstehungsgedanken, anderseits der Beziehung zum Gedanken an das messianische Mahl. 23) Zwischen Auferstehungsmahl Christi und dem noch ausstehenden eschatologischen Mahl nimmt das eucharistische Mahl der Gemeinde, die in Jesu Namen versammelt ist und in der er folglich im .Jtvev{ka jetzt effektiv gegenwärtig ist, seinen hestimmten Platz ein. Was wir von dem dreifachen Kommen Christi hei der Besprechung des M ara n a t ha gesagt hahen, trifft also für die Mahlfeier als solche zu. Das Kommen Christi inmitten der heim Mahle versammelten Gemeinde ist Vorwegnahme seines Kommens zum messianischen Mahle und schaut zurück auf das Essen der Jünger mit dem Auferstandenen in den Ostertagen. In der J ohannesoffenharung, die ja den gegenwärtigen Gottesdienst und seine Erfüllung im endzeitlichen Geschehen zusammenschaut, sagt daher Christus: «Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe. Wenn einer meine Stimme 21) Den eingehenden Beweis hierfür habe ich mich bemüht, in meinem Aufsatz «La signification de la Sainte Cime dans le christianisme primitib (Revue d'Histoire et de Philosophie rel., 1936, S. 1 ff.) zu erbringen. 22) In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass in den judenchristlichen Ps eu d 0 k 1 em e n tin e n Diamartyria IV und Horn. XIV, 7 die Eucharistie mit Brot und Salz gefeiert und geradezu als (ksTa2aßeiv TWV d2wv bezeichnet wird. 23) Entsprechend der Bedeutung von ltra22lalJ~~. s. oben S.18.
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hört und die Türe öffnet, so werde ich hei ihm eintreten und mit ihm es sen und er mit mir.» Das ist die Antwort auf das alte eucharistische Gehet: Maranatha! Das erfüllt· sich schon in den Mahlfeiern der Gemeinde. Die Betonung der Gegenwart des Auferstanden,en hei den gemeinsamen Mahlzeiten des Urchristentums entspricht der ohen festgestellten Tatsache, dass die ersten Christen als gottesdienstlichen Tag den Tag der Auferstehung Christi ausgewählt hahen, und der ganz zentralen Bedeutung des Gehetes «M ara n a t ha ». Die Bezeichnung «Herrenmahh (1. Kor. 1l,20) weist auch in diese Richtung. Paulus hat nun in 1. Kor. II den korinthischen Misshräuchen gegeniilier sich veranlasst gesehen, zu hetonen, dass die Mahlfeier der Gemeinde auf das letzte Abendmahl lesu vor seinem Tode zurückgeht. 24 ) Dieses letzte Mahl des historischen Jesus ist ja in 24) Die Unterscheidung der beiden Herrenmahlstypen, die H. Lietzmann. Messe und Herrenmahl, 1926, einerseits von der ägyptischen Liturgie (S e rapi 0 n) aus, anderseits von der Liturgie Hip pol y t s aus bis ins Urchristentum zurückverfolgt, 1. urgemeindlicher Typus der D i d ach e, ohne Beziehung auf den Tod Christi; 2. paulinischer Typus mit Beziehung auf den Tod Christi, enthält sehr wertvolle Wahrheits elemente, bedarf allerdings einer doppelten Ergänzung: 1. insofern gegen Lietzmonn der gemeinsame Ursprung bei der Typen im letzten Abendmahl des historischen Jesus zu suchen ist, wenn auch für den ersten Typus nur indirekt; 2. insofern der dir e k t e Ursprung des ersten Typus, den Lietzmonn unbefriedigenderweise in der täglichen Tischgemeinschaft des historischen Jeaus mit seinen Jüngern sucht, in Wirklichkeit, wie wir es hier gezeigt haben, in den bei Tische erfolgten Erscheinungsszenen zu sehen ist. F.-]. Leenhardt. Le sacrement de la Sainte Cime 1948, S. 64 ff. identifiziert meine Auffassung, wie ich sie in dem oben genannten Aufsatz (s. Anm.21) und besonders in dem vorliegenden Buche entwickle, ohne weiteres mit derjenigen H_ Lietzmanns, obwohl er auf S. 63 wenigstens noch von einer «Verlängerung» seiner Konstruktion spricht. Der vorstehende Absatz dieser Fussnote, in dem ich mich ausdrücklich von H. Lietzmonn distanziere, war w ö r t I ich Bchon in der Erstauflage enthalten, ebenso besonders meine oben im Text gebotenen Ausführungen, die keinen Zweifel darüber bestehen lassen können, dass für mich, trotz F.-]. Leenhardts gegenteiliger Behauptung, «das letzte Mahl des historischen Jesus in der Tat die Keimzelle der Mahlfeiern der Gemeinde» ist (s. oben den ganzen Abschnitt!). Indem ich den Einfluss der Ostermahlzeiten auf die ersten Feiern der Urkirche betone, stelle ich im Gegensatz zu H. Lietzmann gerade die Beziehung zu dem einen der Hauptgedanken her, die F.-]. Leenhardt wie ich selber als konstituierend für den von Jesus vollzogenen Akt ansieht, nämlich dem eschatologischen. Freilich hat Paulus die Korinther an die für Jesus und indirekt auch für die Urgemeinde unlöslich damit verbundene Bedeutung seines Todes erinnert. Dass der Apostel seinerseits mit dieser Betonung nicht etwa den eschatologischen Gedauken fallen lässt, habe ich bereits in der Erstauflage oben im Sperrdruck hervorgehoben. (S. hier das auf S. 21 Gesagte.) Es ist mir daher nicht recht begreiflich, wie F.-]. Leenhardt auf S.64 und 65 mir (ebenso wie Lietzmann und Loisy) die gegenteilige Meinung zuschreiben kann! Ich hatte in meinen Arbeiten ihrem Thema entsprechend nicht das ganze Problem
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der Tat die Keimzelle der Mahlfeiern der Gemeinde, insofern die Jünger nach der Auferstehung sich im Anschluss an jenes letzte Abendmahl zu dem Essen zusammenfanden, bei dem der Auferstandene ihnen dann erschien. Auch in den Abendmahlsworten, wie sie uns in den Synoptikern berichtet werden, liegt ja schon die Beziehung zu dem Gedanken des messianischen Mahls vor ("bis ich es neu essen werde ... »), und ferner zu dem des neuen Ge me ins c h a f t s b und es, der jetzt schon gestiftet wird durch Christi Tod. Im blendenden Lichte der Auferstehung war freilich der Gedanke, dass all dies durch den stellvertretenden Tod Christi geschehen ist, in der Mahlfeier der Urgemeinde, wie wir gesehen haben, völlig in den Hintergrund getreten. Darum hat Paulus sich veranlasst gesehen, ihn wieder zu betonen. Dabei hat er jedoch nicht, wie es dann erst in der später folgenden Entwicklung geschehen ist, etwa die eucharistischen Gedanken der Urgemeinde an das znkünftige Kommen Christi und an die gegenwärtig in der Mahlversammlung schon verwirklichte Gemeinschaft mit ihm fallen gelassen. In 1. Kor. ll, 26 betont er im Gegenteil, dass die eucharistische Verkündigung des Todes des Herrn geschehe, {( bis e r kom m t ». Von der gegenwärtigen e u c h a r ist i s c h e n Ver ein i gun g mit dem pneumatischen Auferstehungsleibe Christi, der mit der Kirche identisch ist, spricht er im 10. Kapitel des gleichen Korintherbriefes (Vers 16): «Das Brot, das wir brechen, ist es nicht Gemeinschaft mit dem Leibe Christi? Weil es ein Brot ist, so sind wir die vielen ein Leih.» Der durch Christi Gegenwart verwirklichte Gemeinschaftsgedanke, der bei unsern heutigen Abendmahlsfeiern zu sehr in den Hintergrund gedrängt ist, wird auch in dem schönen, an jüdische Vorlagen sich anschliessenden Gebet der Didache noch besonders hedes Abendmahls, sondern nur die Frage der ure h r ist I ich e n Feier zu behandeln. Wie wenig aber in Wirklichkeit meine eigene Auffassung der Bedeutung des letzten Mahles Jesu von derjenigen F.-J. Leenhardts abweicht, geht aus der kurzen oben angedeuteten Charakterisierung hervor, die ebenfalls schon in der Auflage von 1944 enthalten ist. Wenn F.·J. Leenhardt auf S. 69 behauptet, die Wechselbeziehung, die ich zwi. sehen Ostennahlzeiten, urchristlicher Mahlfeier und messianischem Mahle an· nehme, bedeute ein «Ueberspringen» der Grenzen der Zeit, so kann ich hier nur auf mein Buch «Christus und die Zeit», 2. Aufl. 1948, verweisen, in dem ich zeige, wie die Wechselwirkung der verschiedenen Zeitabschnitte bei aller gerade von mir so stark betonten Linearität der neutestamentlichen Zeitauffassung für die ganze urchristliche Sicht der Heilsgeschichte charakteristisch ist.
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tont: cWie dieses gebrochene Brot zerstreut war auf den Bergen und zusammengebracht eines wurde, so lasse deine Kirche von den Enden der Erde in dein Reich zusammengebracht werden:. (Kap. 9, 4). Die Didache kennt übrigens nur den urgemeindlichen, vorpaulinischen Typus der Mahlfeier, wo die Beziehung zum letzten Abendmahl Jesu und seinem Tod noch fehlt. Erst im Anschluss an das Zurückgreifen des Paulus auf die Keimzelle der urchristlichen Mahlzeiten, nämlich das letzte Abendmahl des historischen J esus, wird das von Christus vergossene Blut seine feste Stelle in der Eucharistie einnehmen. Mit der Zeit wird aber nun in der weitem Entwicklung umgekehrt der Todesgedanke so einseitig betont werden, dass die so wertvollen urchristlichen Beziehungen des Herrenmahls zur Auferstehung, zu jenem Essen mit dem Auferstandenen, und zum Kommen des Auferstandenen am Ende verloren gehen. Die Gegenwart Christi wird dann ausschliesslich an die Elemente gebunden, zumal es sich nicht mehr um eine eigentliche Mahlzeit handeln wird, während in der Urgemeinde Christus als mit den Sei n e n z u T i s c h e s i t zen d und am Mahle teilnehmend gedacht ist. Die Didache erlaubt uns, ausser den eucharistischen Gebeten noch andere Stücke aus der ältesten Her ren m a h 11 i t u r g i e festzustellen. So hören wir (Didache 9, 5), dass vor dem in das M ara na t h a ausmündenden Gebet die Aufforderung ergeht: «Niemand aber esse noch trinke von eurer Eucharistie ausser denen, die getauft sind auf den Namen des Herrn. Denn hiervon hat der Herr gesagt: ihr sollt das Heilige nicht den Hunden geben.:. Im Kapitel 14, 1 erfahren wir weiter, dass ein S ü n den b e k e n n t n i s dem Geniessen der Mahlzeit vorangehen muss und dass keiner, der mit einem Bruder Streit hat, zum Tische treten darf, bis sie sich versöhnt haben. Dass es sich bei dieser Aufforderung, die sich an Matth. 5,23, das Logion über die Versöhnung vor dem Opfer, anschliesst, um einen stehenden Brauch handelt, wird durch den Schluss des 1. Korintherbriefes bestätigt, wo Paulus Bruchstücke der ältesten eucharistischen Liturgie mit Absicht verwertet. Hier geht dem M ara n a t ha eine analoge Aufforderung voraus; «wenn jemand den Herrn nicht liebt, sei er verfluchb. Auch die liturgische Sitte des c he i I i gen Ku s ses », die im voranstehenden Vers (20) erwähnt wird und ebenso sonst im Neuen Testament als fester liturgischer Brauch erscheint (Röm. 16,16; 1. Thess. 5,26; 22
2. Kor. 13,12; 1. Petr. 5,14), stammt wohl sicher aus der eucharistischen Liturgie der Urgemeinde und hat den Sinn, dass eine völlige Verhrüderung vor der Mahlzeit stattfinden soll, damit der Herr, um dessen Kommen dann gehetet wird, wirklich in seiner Gemeinde erscheine. Wir sehen, dass die ganze Feier hinzielt auf diesen Höhepunkt, wo Christus im Geiste zu den Sein e n kom m t. Lietzmann 25) nimmt wohl mit Recht an, dass die in Didache 10,6 mitgeteilte Liturgie in Dialogform zu denken ist: Der Vorsteher: Es komme die Gnade und vergehe diese Welt! Die Gemeinde: Hosianna dem Sohne Davids! Der Vorsteher: Ist jemand heilig, der komme herzu, ist er es nicht, tue er Busse! Maranatha. Die Gemeinde: Amen.
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Wir kennen nunmehr den Grundstock des urchristlichen Gottesdienstes: Predigt, Gehet, Mahl. Aus den Paulushriefen erfahren wir aher nun weiter, dass hereits in der allerersten Zeit noch andere Bestandteile zum gottesdienstlichen Lehen der Urgemeinde gehören. Ausser der Lehre (Predigt) erwähnt Paulus im 1. Kor. 14,26 die Psalmen, die Offenharung, die Zungenrede und die Auslegung der Zungenrede. Mit der 0 f f e n h ar u n g ist nach Vers 29 und 32 die W eis sag u n g der Propheten gemeint. Sie unterscheidet sich insofern von der Lehre und Predigt, als sie nicht wie diese auf einem A6yo~ (JoqJ{aq und Y'IIw(Jsroq (1. Kor. 12, 8), das heisst verstandesmässiger Wortauslegung, sondern ehen auf einer anOXaAV'lptq, das heisst hesondern Eingehung heruht, wohei allerdings zu hemerken ist, dass h eid e als Gnadengahen, Charismen, gedacht sind. J edenfalls ist aher Raum nehen der Predigt für eine ganz freie Geistverkündigung, wohe.i Paulus freilich der Gemeinde die Notwendigkeit der prüfenden Kritik einschärft (1. Kor. 14,29 und 1. Thess. 5, 19: «löschet den Geist nicht aus, unterdrückt nicht die Weissagungen. Aher prüfet alles, das heste hehaltet.») Auch die Didache fordert zur Unterscheidung der wahren von der falschen Prophetie auf (Kap. 11-13). Grössere Vorsicht erheischt nach Paulus (1. Kor. 14) die Uehung !15) H. Lietzmann. Messe und Herrenmahl, S. 237.
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des Z u n gen red e n s, jener unartikulierten, unter Ausschaltung des Verstandes ausgestossenen Laute, im Gottesdienst. Immerhin lässt er auch dieses ganz und gar freie Geisteswirken in der gottesdienstlichen Versammlung als eine besondere Art des Gebets gelten, vorausgesetzt dass einer da ist, der es verstandesmässig auslege, dass es in Ordnung geschehe und dem Zweck der Zusammenkunft, dem «Aufbauen» der Kirche, sich einordne. Wo diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, soll es dagegen unterbleiben. Auch das Zungenreden erklärt sich wohl aus dem Enthusiasmus, der durch das gottesdienstliche Erleben des Kommens Christi in die Mahlversammlung, durch die Erfüllung des M ara n a t ha, hervorgerufen wird. 26 ) Wir sehen, wie ganz und gar freie und ungebundene Geistesäusserungen neben liturgisch gebundenen Formeln ihren Platz haben. Die öfters erwähnten P s alm e nun d H y m n e n (ausser 1. Kor. 14, 26 besonders Ko1. 3, 16 = Eph.5, 19), deren gottesdienstliche Verwendung aus dem Judentum übernommen ist, sind ebenfalls einerseits zu denken als freie Dichtungen, anderseits als liturgisch wiederholte Stiicke. Die uns bekannten Gesänge des urchristlichen Gottesdienstes, die uns besonders wiederum in der Johannesapokalypse erhalten sind, sind teilweise direkt. jüdischer Herkunft,27) teilweise den jüdischen Gesängen nachgebildet. Als älteste Christuslieder sind hier zu nennen : Offbg. 5, 9; 5, 12; 5, 13; 12, 10-12; 19, 1-2; 19, 6. Auch die sogenannten Oden Salomos gehören hierher. 28 ) Der Pliniusbrief erwähnt den Wechselgesang, in dem die Christen vor Sonnenaufgang «ein Lied auf Christus wie auf einen Gott» singen. Offenbar ist also liturgisch geordnetes Singen schon in den ersten Versammlungen gepflegt worden. 29 ) Der Pliniusbrief erwähnt weiter die Verpflichtung, die die Chri26) Ich hin der Meinung, dass auch das Pfingstwunder (Apgsch. 2) ein solches Kommen Christi voraussetzt, wohei dieses nicht notwendig mit der Erscheinung vor mehr als 500 Brüdern (1. Kor. 15,5) gleichzusetzen ist. 27) Gegen Ende des Jahrhunderts erfahren wir durch T er t u ll i an. De jejunio, cap. 13, dass hei den Agapen Psalm 133 gesungen wurde. 28) Diese Lieder, die in syrischer Uehersetzung von R. Harris entdeckt und 1909 zuerst veröffentlicht worden waren, können in deutscher Uehertragung durch H. Gressmann in E. Henneckes «Neutestamentlichen Apokryphen» (2. Auflage, 1924) S. 437 ff. nachgelesen werden. 29) Später erfahren wir durch T e r t u 11 i a n. De orat., cap. 27, dass die Schlußsätze der Psalmen respondiert werden. Zur ganzen Frage der Verwendung der Musik s. Markus ]enny. Musik und Gottesdienst nach dem Neuen Testament. (Musik und Gottesdienst 1948, S. 97 Cf.).
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sten hei ihrer Versammlung eingehen, «keinen Diehstahl, keinen Mord, keinen Ehehruch zu hegehen, nicht das Wort zu hrechen, anvertrautes Gut nicht ahzuleugnen».30) Es scheint sich hier um den D e kalo g zu handeln, der in diesem Falle auch liturgische Verwendung gefunden hätte, wofern mit den erwähnten Hinweisen nicht einfach der Teil der christlichen Predigt gemeint ist, für den ~Iinius, der heidnische Statthalter, sich in diesem Falle angesichts der Anklage gegen die Christen hesonders interessierte. Mit Sicherheit dürfen wir annehmen, dass B e k e n n t n i s f 0 rm eIn im urchristlichen Gottesdienst rezitiert wurden. Die Verben op,o?.o')'8iv und fSOp,O?"o')'8io1}m (Röm.l0, 10; PhiJ. 2, 11 u. a.) beziehen sich vor allem auf das Bekenntnis, dass Christus der Herr ist, so wie das liturgische Urgebet M ara na t ha die Wiederkunft dieses Herrn zum Gegenstand hat. Ich habe an anderer Stelle 31 ) gezeigt, wie im Neuen Testament und den anderen frühchristlichen Schriften dieses Bekenntnis zum Kyrios auch in ausgeführteren Formeln erscheint, da es einen feststehenden Wortlaut noch nicht gegeben hat. Allen diesen alten Bekenntnisformeln ist gemeinsam, dass sie christozentrisch sind und die g e gen w ä r t i geH e r r s c h a f t C h r ist i hetonen. So finden wir auch an diesem Punkt einen Grpndzug aller bisher hehandelten gottesdienstlichen Aeusserungen hestätigt: Christus, der auferstandene Herr, steht ganz im Mittelpunkt. Dass es neben dem Glaubensbekenntnis im Zusammenhang mit der Mahlfeier schon in früher Zeit auch ein S ü n den b e k e n n t n i s gegeben hat, haben wir in der Didache (14, 1) festgestellt. Das Neue Testament enthält des weiteren zahlreiche S e gen s f o'r m eIn, deren stereotyper und feierlicher Charakter sich aus der Verwendung in den Versammlungen der Gemeinde erklärt. Die 30) Wir geben hier den ganzen dem Gottesdienst gewidmeten Abschnitt dea Pliniusbriefes in Uebersetzung wieder (cap. X, 96,7): «(Die verhörten Christen) behaupteten, ihr ganzes Vergehen oder ihr ganzer Irrtum habe sich darauf beschränkt, dass sie sich regelmässig an einem festgesetzten Tage vor Sonnenaufgang versammelten, um im Wechselgesang ein Lied (carmen) auf Christus wie auf einen Gott zu singen, und um sich eidlich zu verpflichten, nicht etwa zu dem oder jenem Verbrechen, sondern keinen Diebstahl, keinen Mord, lteinen Ehebruch zu begehen, nicht das Wort zu brechen, anvertrautes Gut nicht abzuleugnen. Darauf seien sie ihrer Gewohnheit gemäss auseinander gegangen, wären daun wieder zusammengekommen, um eine Mahlzeit miteinander einzunehmen, aber eine gewöhnliche und unschuldige .. » 31) O. Cullmann. «Les premieres confessions de foi cbretiennes». 2. Aufl. 1948.
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,Segensformeln am Anfang: «Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserm Vater und unserm Herrn und Heiland- sind wohl die liturgischen Einleitungsformeln, die zu Beginn der Zusammenkünfte gesprochen wurden. Die Segensformeln, die am Schluss der Briefe stehen: «die Gnade unseres Herrn sei mit eurem Geist:. (Gal. 6, 18; Phil.4, 23), oder: «sei mit euch" (1. Kor. 16, 23), oder: .:sei mit allen» (Joh. Apok.22, 21), oder auch in der liturgisch volleren, dreigegliederten Form: «Die Gnade des Herrn Jesu8 Christus und .die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen» (2. Kor. 13, 13) bildete wohl den Uebergang zum eigentlichen Brotbrechen. Dem Gottesdienst entstammen ferner die überaus zahlreichen D 0 x 0 log i e n am Ende und auch inmitten der neutestamentlichen Schriften. Sie sind aus dem Judentum übernommen. Wir haben schon davon gesprochen, dass auch das Vaterunser bereits früh das gemeindliche Echo in einer Doxologie gefunden hat. Das Urchristentum scheute sich nicht, stereotype liturgische Formeln zu gebrauchen. 32 In den Paulusbriefen finden wir solche Doxologien in beson,ders grosser Zahl, bald mit: eVAol''1}t"6~ (Röm.l, 25; 9,5; 2. Kor. 11, 31; 2. Tim. 4, 18; Eph. 1, 3) bald mit 66sa eingeleitet (Röm. 11, 36; GaL 1, 5; Phil. 4, 20). Dass gerade die Paulusbriefe so viel liturgisches Gut enthalten, hängt wohl sicher damit zusammen, dass der Apostel bei der Abfassung seiner Briefe die versammelte gottesdienstliche Gemeinde im Geist vor sich sieht. Er weiss, dass seine Briefe dort zur Verlesung gelangen. Darum fügt er bereits die liturgischen Formeln zu seinem Briefe hinzu. Lietzmann hat mit Recht darauf hingewiesen, dass gerade die Schlussformeln der Paulusbriefe den liturgischen Wendungen entsprechen, die wir am Anfang der alten Abendmahlsliturgien finden (s. besonders 1. Kor. 16, 21 ff.). Das kommt daher, dass Paulus weiss, auf die Ver I e s u n g seines Briefes werde die Mahlfeier folgen. Ausdrücklich mahnt er am Ende des 1. Thessalonicherbriefes zur Verlesung des Briefes vor allen Brüdern. Und daran schliesst er die eucharistische Einleitungsformel: «Die Gnade unseres 32) Siehe zur Frage der Liturgie auch G. P. Wetter. Altchristliche Liturgien, I und 11, 1921/22. F. J. Dölger. Sol salutis. Gebet und Gesang im christlichen Altertum, 2. Aufl. 1925. Jacques Marty: Etude' de textes cultuels de prierc contenus dans le Nouveau Testament (Revue d'Histoire et de Philosophie rel., 1929, S. 234 ff., 366 H., 1930, S. 234 ff.).
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Herrn Jesua Christus sei mit euch.» Auch am Ende des Kolosserhriefes fordert er zur Verlesung auf. Im 1. Tim. 4, 13 wird das Vorlesen nehen der Lehre und Mahnrede dem Timotheus ans Herz gelegt. Es werden wohl auch in der ersten Zeit schon nicht nur christliche Schriften, sondern auch alttestamentliche zur Verlesung gelangt sein, ohwohl dies erst .in der 1. Apologie des Justin (67) hezeugt ist, wo es in der Beschreihung des Gottesdienstes heisst, es würden «die Memoiren der Apostel (Evangelien) oder die Schriften der Propheten vorgelesen, so lange es die Zeit erlauht». Mit den Prophetenschriften werden wohl alttestamentliche Bücher gemeint sein. Das Vorlesen des Alten Testaments ist ein fester Bestandteil des jüdischen Synagogengottesdienstes. Aber dass der Verlesung eines Briefes eines lehenden Apostels Christi doch der Hauptplatz wenigstens in den von Paulus gegründeten Gemeinden eingeräumt scheint, zeigt auch hier, wie der jüdische Rahmen gefüllt wird. Das liturgische, ehenfalls aus dem Judentum ühernommene Amen wird von der Gemeinde gesprochen, wie dies in 1. Kor. 14, 16 hezeugt ist. Ueherhaupt ist die Liturgie etwas ausserordentlich Lehendiges in diesen ersten Gemeinden, und auch liturgische Formeln hahen hier nichts Erstarrtes an sich. Alle Glieder heteiligen sich an der Liturgie. So wird auch in der Johannesoffenharung (5, 14) das «Amen» von den vier Tieren gesprochen, und Justin erwähnt in seiner Beschreibung des Gottesdienstes (Apol. I, 67), dass das ganze versammelte Volk in die vom Vorsteher gesprochenen Gehete einstimmt, indem es das «Amen» spricht.83 ) Auf liturgische Beteiligung aller weist ja auch der schon erwähnte «Wechselgesang», von dem Plinius redet.
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Wir hahen jetzt nur noch von der Tau fe zu sprechen. Auch hier lässt sich eine rudimentäre Liturgie schon für die aller älteste Zeit nachweisen. Die stereotype Verwendung des V erhums XroAV~W «hindern» in den Taufherichten der Apostelgeschichte 8, 36; 10, 47; 11, 17 (dazu auch Matth.3, 14 und Ehioniterevangelium und vielleicht Mark. 10, 13-16) scheint niir ein sicherer Hinweis zu sein auf eine liturgische Frage, die regelmässig gestellt wurde, wenn ein Täufling dem Taufenden vorgestellt wurde: r;l xroAvet. Gibt es ein 33) S. den vollständigen Text unten S.32 Anm. 40.
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Hindernis, dass der und der getauft werde? Oder der Täufling fragt seIhst: Gibt es ein Hindernis, dass ich getauft werde? 34) Darauf antwortet der Taufende nach Apostelgeschichte 8, 37 (<<westlicher» Text): «Wenn du von ganzem Her~en glaubst, ist es dir gewährt», und dann spricht der Täufling ein kurzes Christusbekenntnis : «Ich glaube, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist.» Die Taufe erfolgt in ältester Zeit nur unter Anrufung des Namens Christi. 35 ) _ . Darüber hinaus enthält die Didache (Kap. 7) Vorschriften für den äussern Vollzug der Taufe, die in «fliessendem Wassen stattfinden soll, während das Untertauchen in «anderm» Wasser und, wenn es sein muss, in warmem, und erst recht das blosse Besprengen des Hauptes nur im Notfalle zugelassen werden.
4. Das Ziel des Gottesdienstes. Wir kennen nunmehr die verschiedenen gottesdienstlichen Elemente des Urchristentums. Sie sind ausserordentlich zahlreich, und es ist erstaunlich, wie mannigfaltig schon in diesen ersten christlichen Gemeinden das gottesdienstliche Leben gestaltet ist. Wir müssen bereits angesichts dieser Fülle von Aeusserungen feststellen, dass in den uns zunächst stehenden protestantischen Kirchen die Gottesdienste viel ärmer sind, nicht nur was die freien Geisteswirkungen, sondern auch was das liturgische Gut und besonders was das Ziel der Gemeindeversammlungen betriffL Dieses Ziel wird von Paulus sehr weit als eine olxor'Jop,1}, ein «Aufbauen» der Gemeinde, bezeichnet (1. Kor. 14). Wir dürfen dieses Wort nicht in dem abgegriffenen pietistischen Sinn von «Erbauung» auffassen, sondern wir haben an das Bild von dem Lei b C h r ist i z u den k e n, der i n der G e m ein d e wir k I ich G e s tal t g e w i n n e n . s 0 11. Diesem Zweck, der im «Kommen Christi» in der MahHeier seinen Höhepunkt findet, werden alle die verschiedenen Aeusserungen untergeordnet, die wir einzeln untersucht haben. Dieser Zweck bestimmt den Reichtum und die Mannigfaltigkeit der gottesdienstlichen Bestandteile des Urchristentums. Aber anderseits wird von ihm aus deren Verwendung ständig geprüft und, wenn es nötig ist, begrenzt. 34) Ausführliche Begründung s. Anhang zu O. Cullmann. Die Tauflehre des Neuen Testaments. Erwachsenen- und Kindertaufe (A Th ANT 13) 1948, S. 65 ff. 35) Gal. 3,27; 1. Kor. 1, 13; Apgsch. 2,38; 8,16; 10,4.8; 19,5.
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Paulus hat auch diese zweite Notwendigkeit gesehen, er hat die Ge>fahren jenes Reichtums erkannt, aber er hat deshalb nicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, sondern im Gegenteil alles beibehalten, was dem «Aufbauen» des Leibes Christi dienen kann.
5. Die Verbindung der verschiedenen Bestandteile: Wortgottesdienst und Mahlfeier. Doch wir müssen nun vor allem fragen: in welcher Weise waren die verschiedenen Elemente miteinander ver b und e n? War es etwa so, dass in jeder Versammlung nur eines von ihnen zur Gestaltung gelangte? Da muss zunächst daran erinnert werden, dass in dieser Zeit eine grosse Freiheit herrschte, dass es zwar feste liturgische Formeln und Sitten gab, dass sie aber wohl in der Tat noch nicht in fester Reihenfolge standen und dass das- eine oder andere wohl auch fehlen durfte, zumal ja die Ausübung der verschiedenfachen gottesdienstlichen Manifestationen als Gnadengabe, als «Charisma», angesehen wurde und diese Charismen nicht immer alle miteinander in einer Gemeinde vorhanden waren. Immerhin betont Paulus gerade auch hn Hinblick auf diese «aufbauende» Tätigkeit der Gemeinde in den Versammlungen die Notwendigkeit des Zusammenwirkens dieser Charismen (1. Kor. 12, 5 ff.). Wenn auch nicht alle a,ufgezählten Bestandteile zu jeder Zusammenkuuft gehörten, so müssen wir doch annehmen, dass es gewisse Stücke gab, ohne die eine solche «aufbauende» Versammlung im Urchristentum nicht denkbar war. Es ist nun in den Darstellungen der alten Kirchen- und Liturgiegeschichte üblich geworden, streng zu unterscheiden zwischen Versammlung zur W ortverkündigung und Versammlung zum Mahle, was in dem gottesdienstlichen Nebeneinander von Synagogengottesdienst und Tempelkult im Judentum eine Entsprechung hätte. Es hätte also demnach zwei wesensverschiedene Arten von gottesdienstliche,r Versammlung gegeben. Die eine wäre ganz nach dem Vorbild des jüdischen Synagogengottesdienstes verlaufen, der ja ausschIiesslieh Wortgottesdienst war. In ihm hätten die Verlesung, die Predigt, das Gebet, der Segen, etwa auch noch Psalmengesang stattgefunden. Ganz von ihm getrennt sei das Brotbrechen, die Versammlung zur
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Mahlzeit, zu denken. Erst später habe man die beiden Formen miteinander verbunden. Bei Justin, der ums Jahr 150 als erster eine vollständige Beschreibung einer sonntäglichen Gemeindeversammlung gibt (Apol. I, 67),36) und wo offensichtlich allerdings beide Teile schon vereinigt sind, handle es sich eben bereits um eine spätere Entwicklung. In der Annahme einer ursprünglichen Unterscheidung zweier Gottesdienstformen haben wir es jedoch mit einem der wissenschaftlichen Dogmen zu tun, die in den Lehrbüchern so lange wiederholt werden, bis sie als Tatsachen hingenommen werden, deren Richtigkeit nicht mehr an den Texten nachgeprüft wird. 37 ) Was lehren uns aber nun die vorhandenen Texte über eine solche Trennung? Ausser der sehr vagen Beschreibung im Pliniushrief weiss kein einziger von ihr. Plinius 38) erwähnt allerdings, die Christen wären nach jener ersten Versammlung vor Sonnenaufgang wieder auseinandergegangen, um nachher zum Mahle zusammenzukommen. Abgesehen davon, dass die ganze Beschreibung bei Plinius ziemlich undurchsichtig ist,39) liegt aber doch auch hier offenbar das Empfinden vor, dass es sich um zwei Teile ein e s zusammenhängenden Aktes handelt. Dass es den ersten Teil ohne den zweiten hätte geben können, wie dies doch beim jüdischen Synagogen gottesdienst möglich war, ist sogar nach der Darstellung des Plinius nicht denkbar. Nun haben wir aber ausserdem christliche Texte, die eine systematische Unterscheidung zwischen Wortversammlung und Mahlversammlung eher ausschliessen. Wohl gibt es Texte, die nur vom Lehren sprechen (Apg. 5, 42), und andere, die nur vom Brotbrechen sprechen (Apg.2, 46). Aber das will nicht heissen, dass deshalb zwei Arten von Versammlungen unterschieden werden müssten. Die Mi s s ion 8 p red i g t der Apostel, die selbstverständlich nicht im Rahmen einer Mahlfeier stattfand, hat mit Gemeindegottesdienst nichts zu tun. Es geht daher nicht an, Apgsch. 5, 21 als Beleg für S. den Text unten S. 32 Anm. 40. So hesonders C. Weizsäcker. Das apostolische Zeitalter, 2. Aufl.I892, S. 548ff. R. Knopf. Das nachapostolische Zeitalter 1905, S. 227 fI. H. Lietzmann. Geschichte der alten Kirche Bd. I, 1932, S. 153 fr., Bd. 2, 1936, S. 121. J. Leippldt . Der Gottes· dienst der ältesten Kirche, 1937 pass. 38) S. ohen S. 25 Anm. 30. 39) Es sollte vor allem auch nicht vergessen werden, dass seine Quelle die Aus· sagen ahgefallener Christen und gefolterter Diakonissen sind. 36) 37)
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einen innergemeindlichen c W ortgottesdiensb anzuführen. 40 ) Diese schon in der ersten Auflage der vorliegenden Arbeit gemachte Bemerkung soll gegenüber den durch sie hervorgerufenen Einwänden ausdrücklich betont werden. Den sogenannten Wortgottesdienst hat es freilich gegeben, aber eben als Missionspredigt zur Bekehrung der Heiden nicht zum innern «Aufbau» der Gemeinde. Dass ein Ungläubiger auch einmal in eine Gemeindeversammlung kommt, 1. Kor. 14, 23, darf nicht dazu verleiten, den Unterschied zu verwischen. Jedenfalls schreibt der Verfas.ser der Apostelgeschichte in Kapitel 2, 42, dass die ersten Christen «verharrten in der Lehre der Apostel, der Gemeinschaft, dem Brotbrechen und den Gebeten», und im Kapitel 20, 7 ff. hören wir im Wir-Bericht, dass Paulus am Herrentag bei der Versammlung zum Brotbrechen eine Predigt hält und sogar eine besonders lange, die sich bis Mitternacht ausdehnt, und dass das B rot dar a n ans chI i e s sen d g e b r 0 c h e n wir d. Hier ist also die Situation ganz eindeutig. Abgesehen von diesem Befund, der klar dafür spricht, dass es in der Regel keine Versammlung gab ohne das gemeinsame Brotbrechen und dass ein ausschliesslichm- "Wortgottesdienst» als Gemeindefeier, wenn es einen solchen überhaupt gegeben hat, auf jeden Fall eine Ausnahme darstellt, müssen wir ferner beachten, dass es nicht angeht, alle die andern gottesdienstlichen Aeusserungen, von denen Paulus in 1. Kor. 14 spricht, vor allem Zungenreden, Auslegung des Zungenredens. Weissagung, nur jenem hypothetischen «Wortgottesdienst» zuzuweisen, wie dies hei der üblichen Annahme der Trennung geschieht. In Wirklichkeit erklärt sich gerade das Zungenreden doch kaum aus der synagogalen Atmosphäre eines reinen Wortgottesdienstes, sondern setzt im Gegenteil den Höhepunkt der Versammlung voraus, wo heim Brotbrechen das Gebet «M ara n a t h a » , die Bitte um das Kommen des Herrn, schon in Erfüllung geht und die Gegenwart Christi wirklich erlebt wird als Vorwegnahme seiner endzeitlichen Wiederkunft. Es entspricht auch allem, was wir über Ort und Zeit und den 40) Das tut H. Achelis. Das Christentum in den ersten drei Jahrhunderten. 1912. 1. Bd. S. 160, 6. Ueberdies glaubt er, die Angabe {X[f;O '00'11 oQ1}r;JO'lI Apgsch. 5,21 mit dem «ante lucem» des Pliniusbriefes (§ 7) zusammenbringen zu können, und so überschreibt er das Kapitel über den <Wortgottesdienst» geradezu:
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Grundcharakter der urchristlichen Versammlungen bisher festgestellt haben, dass die M a h I f eie r G run dun d .Z i e lall e r Ver sam m lu n gen ist. Wir haben gesehen, dass das «Haus» des Johamles Markus, in dem in Jerusalem die Zusammenkunft stattfand, vielleicht das gleiche war, in dem Jesns das letzte Abendmahl genommen hatte und nachher an Ostern den Jüngern erschienen war. Wir haben ferner gesehen, dass der Herrentag als Tag der Auferstehung Christi ausgesondert wurde, und wir wissen, dass das Brotbrechen der ersten Christen in engster Beziehung zu den Ostererscheinungen Christi bei einer Mahlzeit stand. Auch in den übrigen liturgischen Stücken, Bekenntnis und Gebet, steht der auferstandene Christus im Vordergrund, dessen Gegenwart in der Kirche in der gemeinsamen Mahlzeit offenbar wird, und das enthusiastische Zungenreden erklärt sich ebenfalls aus dem Erleben seines «Kommens». Bei der von Justin beschriebenen 41) Feier haben wir es also nicht insofern mit einer späteren Entwicklung zu tun, als hier die Eucharistie und die andern gottesdienstlichen Elemente, vor allem die Wortverkündigung, miteinander verbunden sind. Das war gewiss schon von Anfang an der Fall. Wohl aber hat sich in anderer Beziehung zur Zeit Justins allerdings bereits ein Wandel vollzogen, und zwar in zweifacher Richtung. Erstens stellen wir ein Verschwinden der freien Geistesäusserungen wie Weissagen, Zungenreden und Auslegen des Zungenredens fest. Das, was, abgesehen von der Eucharistie, übrig bleibt, erscheint nunmehr, aber erst in dieser spätern Form, als eine Anpassung an den Synagogengottesdienst. Erst jetzt entsteht wirklich ein erster Teil, den man als Wortverkündigung bezeichnen kann, der aber 41) Ich gebe den Abschnitt hier in deutscher Uebersetzung wieder: «An dem nach der Sonne benannten Tage fiudet die Zusammenkunft von allen, die in Städten oder auf dem Lande wohnen, an einem gemeinsamen Orte statt und werden die Memoiren der Apostel oder die Prophetenschriften vorgelesen, so lange es die Zeit erlaubt. Wenn der Vorleser fertig ist, hält der Vorsteher eine Ansprache, durch die er ermahnt und auffordert, diesen edlen Lehren und Bei· spielen nachzufolgen. Dann erheben wir uns alle und schicken Gebete zum Himmel. Und wie vorhin gesagt, sobald wir mit dem Gebet fertig sind, wird Brot und Wein mit Wasser aufgestellt, und der Vorsteher sendet auch Gebete und Dank. sagungen empor, so kräftig er kann, und das Volk stimmt ein, indem es das «Amen» spricht; und nun geschieht die Ausspendung an jeden und das gemeinsame Essen von den dargebrachten Gaben, und denen, die nicht zugegen sind, wird es durch die Diakonen zugeschickt ...»
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auch hier wirklich nur ein erster T eil ist. Diese Entwicklung wird begünstigt durch eine zweite Wandlung, die sich nun anbahnen wird: die MahHeier hört allmählich auf, ein wirkliches Essen zu sein, sie hat die Tendenz, zum kultischen Mahle zu werden. Damit hört sie auf, der allgemeine Rahmen der ganzen gottesdienstlichen Versammlung zu sein und wird zu einem zweiten Akt, der zwar mit dem ersten Akt der Wortverkündigung noch ein e Feier bildet, aber doch viel weniger eng verbunden ist als vorher. Die Entwicklung scheint sich mir hier also gerade im Gegensatz zu der üblichen Meinung nicht in der Richtung einer Vereinigung zweier ursprünglich verschiedener Vers.ammlungen vollzogen zu haben, sondern eher im Sinne einer erst allmählich eintretenden Unterscheidung zweier Akte. Getrennt sind diese allerdings auch hier nicht, wie dies etwa in unsern Kirchen der Fall ist, wo der allsonntägliche normale Gottesdienst nur noch Wortgottesdienst ist nach Art der Synagogengottesdienste und wo ein vollständiger christlicher Gottesdienst nur an einigen Sonntagen im Jahre gefeiert wird, und auch dann so, dass ein Teil der Gemeinde sich vor der Abendmahlsfeier zurückzieht. In der Urgemeinde sehe ich nur ein e n gottesdienstlichen Akt, der sich zwar wohl auch im Rahmen einer Gemeindeversammlung, aber nicht im Rahmen der MahHeier abgespielt hat: die Taufe. Das hängt zunächst mit ihrer besonderen Bedeutung zusammen: ihr Wesen ist nun gerade Einmaligkeit und nicht Wiederholung 42). Abgesehen davon wäre es auch praktisch unmöglich gewesen, die Taufe mit der MahHeier zu verbinden, da sie ja, wenn irgend möglich, in fliessendem Wasser durch Untertauchen vorgenommen werden musste. Es ist demnach nicht so, als ob das Urchristentum drei Arten von Gottesdiensten gekannt hätte, wie wir uns das nach modernem Beispiel vorzustellen pflegen : Wortgottesdienst und daneben Taufe und Abendmahl. V i e 1 m ehr gib t e s i n der U r kir ehe überhaupt nur diese beiden gottesdienstlichen Feiern: das gemeinsame Mahl, in dessen Rahmen immer Wortverkündigung stattfindet, und die Tau f e. Daher kommt die enge Zusammengehörigkeit von Taufe und Abendmahl im Urchristentum. Diese Verbindung der bei den Sakramente stammt nicht etwa erst aus späterer Zeit, sondern sie liegt ganz deutlich schon bei Paulus vor in 1. Kor. 10, 42)
S. unten S. 106.
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1-5 (Wolke "Q.fid Meer - Speise und Trank) und, Me wir sehen werden,42a ) im Johannesevangelium. (Fusswaschung und Lanzenstich).43)
6. Freie Geistesäusserung und liturgische Bindung. Wir haben hereits erwähnt, dass die freien Geistesäusserungen schon recht hald aus der Versammlung verschwunden sind und dass dies die Veränderungen mit hedingt hat, die wir hei Justin festgestellt haben. Es ist demgegenüber gerade die Stärke des früheren urchristlichen Gottesdienstes, dass hier noch freie Gottesdienstübung und liturgische Bindung Hand in Hand gehen und zusammen dem einen Ziel, dem «Aufbau» der Gemeinde, dienen. 44 ) Wohl hat es Gefahren von Anfang an gegehen: einerseits die Prophetie auszulöschen, anderseits sich ihr kritiklos hinzugehen. Es hedurfte wohl des gesunden Sinnes für Mass und Ordnung, wie ihn Paulus in so hervorragender Weise hesessen hat, um so verschiedene Elemente wie Glossolalie und Prophetie einerseits, liturgisch feste Akte und Formeln anderseits harmonisch zu vereinen. Indem er sie alle in das Licht des einen Zieles: der ol%ooo,un, rückte, ist es ihm gelungen, pneumatische Freiheit und liturgische Gehundenheit in einer und derselben gottesdienstlichen Versammlung unterzuhringen. Von dort aus kann er zugleich das Zungenreden unter gewissen Bedingungen erlauben und stereotype Formeln wiederholen, ohne dass mit dem einen Anarchie, mit dem andern tote Erstarrung eingetreten wäre. Gerade in dieser h arm 0 n i s c h e n Ver ein i gun g von Fr e i h e i tun d Geh und e n h e i t ist die Grösse und Einzigartigkeit des urchristlichen Gottesdienstes heschlossen. Weil Paulus dieses weitgesteckte Ziel des «Aufbaus'" der Gemeinde, des Leihes Christi, ständig vor Augen hat, verfällt er nicht in den Fehler, das gottesdienstliche Lehen auf ein Minimum. zu reduzieren, aus 42a) S. unten S. 102 Ef., HO ff. 48) R. Reitzenstein. Die Vorgeschichte der christlichen Taufe. 1930, bemüht sich, die Einheit von Taufe und Abendmahl religionsgeschichtlich zu begründen. 44) Die übliche Alternative: charismatischer oder liturgisch geordneter Gottes· dienst ist daher für das Urchristentum wohl nicht richtig. So nimmt H. Lietzmann, Geschichte der alten Kirche, Bd. 1, 1932, S. 153, eine ursprüngliche. völlige Uno gebundenheit an, die keine neuen und eigenartigen Kultusformen geschaffen, sondern sich in Nichts aufgelöst habe, so dass man nun auf die Formen des hel. lenistischen Synagogengottesdienstes zurückgegriffen habe.
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Angst vor liturgischer Bindung, aber auch nicht in den Fehler, aus Angst vor Sektierertum alle freien Geistesäusserungen prinzipiell aus dem Gottesdienst zu verweisen. Wäre es möglich gewesen, diese gottesdienstliche Harmonie aufrechtzuerhalten, so wäre den Sektenund Gemeinschaftsbildungen damit aufs wirksamste gesteuert gewesen.
7. Der christliche Grundcharakter. Wir kommen zur letzten Frage, die sich im Anschluss an unsere Untersuchung bereits zu verschiedenen Malen aufgedrongt und zum Teil schon bei den einzelnen gottesdienstlichen Erscheinungen eine Antwort gefunden hat. Welches ist der spezifisch c h r ist I ich e G run d c h ara k t e r des Gottesdienstes der Urgemeinden? Wir haben gesehen, dass die einzelnen Elemente der äusseren Form nach dem Judentum entstammen. Dazu mögen weiterhin noch heidnische. Einflüsse da und dort hinzugekommen sein, jedoch die Zielsetzung und Verwirklichung der urchristlichen Gemeindeversammlungen stellt tatsächlich etwas ganz Neues, ein durchaus im christlichen Glauben und nur von dorther zu begreifendes Ganzes dar. Welches spezifisch christliche Z i e I verfolgen zunächst die gottesdienstlichen Versammlungen? Sie dienen dem «Aufbau» der Gemeinde als des Lei b e s C h r ist i, des Geistleibes des Auferstandenen. Die Kirche als Leib dieses Christus soll in den Versammlungen der Gemeinde Gestalt gewinnen. Die Kirche baut sich selbst auf, indem die Gemeinde zusammenkommt. Weil aber diese Kirche, die da aufgebaut wird, der Geistleib des auferstandenen Christus selber ist, 80 können wir auch sagen, dass Christus selbst in der VersammIung der Gemeinde dargestellt wird: wo zwei oder drei versammeh sind in Christi Namen, da ist Christus mitten unter ihnen, und zwar so, dass er in ihrer Versammlung selbst Gestalt annimmt. Alles, was einem so verstandenen «Aufbauen» dient, und nur dies, gehört daher in den christlichen Gottesdienst. Dieses Ziel reinigt einerseits den christlichen Gottesdienst von Elementen, die nur profane, egozentrische, menschliche Bedürfnisse befriedigen, aber es schliesst auch alles Schwärmertum aus, das den Gottesdienst entleert in der Meinung, ihn zu reinigen. Dem Ziel des Aufbauens der Kirche als dem Leibe Christi dienen alle die verschiedenen Bestandteile, die
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wir in den urchristlichen Versammlungen vorgefunden haben: Brotbrechen, Verlesung, Verkündigung, Bekenntnis, Gebet, Doxologie, Segen, Hymnen in liturgischer und freier Form, der Prüfung unterworfenes Weissagen, Zungenreden, Auslegen des Zungenredens. Es ist ja nicht so, als ob bei alledem etwa nur der Mensch als solcher handelte. Die versammelte Gemeinde ist vielmehr das Organ, dessen Christus sich bedient, um seinen Leib als Kirche darzustellen. Darum bedarf es besonderer Geistesgaben in der Ausübung jener ver8chiedenartigen gottesdienstlichen Formen, und die gottesdienstliche Versammlung ist in Wirklichkeit eine Gabe Gottes an die Menschen. Nicht nur im Zungenreden ist es der Geist selbst, der «seufzt,. (Röm. 8, 26), sondern in allem Beten und Bekennen, Lobpreisen, Singen sowie besonders im Brotbrechen der Gemeinde ist es der Herr, der handelt. Von dem Ziel aller gottesdienstlichen Versammlung des Urchristentums aus sind zwei Grundzüge noch besonders hervorzuheben. Zunächst: die M a h I f eie r ist der natürliche Höhepunkt, dem der so verstandene Gottesdienst zustrebt und ohne den er überhaupt nicht denkbar ist, denn hier vereint sich Christus als Gekreuzigter und Auferstandener mit seiner Gemeinde und eint diese so in sich, «baut sie,. wirklich auf als seinen Leib (1. Kor. 10,17). Dem entspricht es, dass alle andern Teile des Gottesdienstes den auf ers t a n den e n Her r n der Kir c h e zum Gegenstand haben. Darum ist der Herrenauferstehungstag der christliche Feiertag. Darum will auch alle Verkündigung in der Predigt den Glauben an diesen Herrn auf Gi.-und seines Todes und seiner Auferstehung wecken und stärken. Auf diesen Herrn weist alle Verlesung der Schriften. Das Bekennen des Glaubens ist ein Bekennen zum gegenwärtigen Herrn, zum Kyrios. Das Bekennen der Sünden erfolgt im Hinblick auf das von diesem Herrn vollbrachte Versöhnungswerk. Das Gebet ist vor allem ein Beten für das Kommen des Herrn, für sein Kommen am Ende, aber auch für sein Kommen in die versll;mmelte Gemeinde, in Vorwegnahme seines endzeitlichen Kommens in der offenbaren Herrlichkeit. Dass der im Zentrum der christlichen Versammlung stehende auferstandene gegenwärtige Herr der Kirche zugleich ständig zurückweist auf den gekreuzigten und auferstandenen historischen J esus und vorwärts auf den kommenden Christus, zeigt uns den zweiten
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christlichen Grundzug des urgemeindlichen Gottesdienstes auf: sein Wesen ist der H eil i g e Gei s t. Denn das ist ja das Kennzeichen des Heiligen Geistes nach neutestamentlicher Anschauung, dass er auf der göttlichen Z e i t I i nie des Heilsgeschehens die G e gen war t bestimmt, aber 80, dass er auf Grund dessen, was in Christus in der Vergangenheit geschehen ist, schon die Zukunft, die Endzeit, vorwegnimmt.· Dieses Wesen des Heiligen Geistes wird nun aber hesonders deutlich sichtbar im urchristlichen Gottesdienst. Denn hier erfüllt sich von Christus her all das, was in der vergangenen Heilsgeschichte vollbracht worden ist - und was in der Zukunft vollendet wird. Darum schaut der Seher der Johannesoffenharung Gottesdienst und Endgeschehen zusammen. Weil der Heilige Geist, dieses Zukunftselement, das «Angeld,., das Wesen allen urchristlichen Gottesdienstes ausmacht, werden die gottesdienstlichen Handlungen in 1. Kor. 12, 5 H. in hesonderer Weise mit Geistesgahenin Verbindung gehracht. Darum ist es 80 wichtig, dass auch für freie Geisteswirkung Raum gelassen wird. Der urchristliche Gottesdienst erfolgt im Heiligen Geist (Joh. 4,23). Durch ihn wird die Gemeinde aufgebaut zum Leihe Christi. Die christliche Kirche ist der Ort des christlich verstandenen Heiligen Geistes, und dies zeigt sich gerade in ihren gottesdienstlichen Versammlungen der ersten Zeit. Auch die kuhisch sehr entwickelten hellenistischen Mysterienreligionen kennen ja den Geist. Aber er ist hei ihnen Transzendenz, die in die Immanenz hereindringt. Im Christentum ist er Zukunft, die sich auf Grund der Vergangenheit in der Gegenwart verwirklicht. Dieser zeitliche, an die Heilsgeschichte gehundene Charakter des Heiligen Geistes tut sich kund im Wesen des christlichen Gottesdienstes, wo nicht ein Mythus zur Darstellung gelangt, sondern wo das Christusgeschehen der .Gegenwart fest verhunden ist mit den historisch-zeitlichen Tatsachen der Vergangenheit und den endzeitlichen der Zukunft.
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11. Johannesevangelium und urchristlicher Gottesdienst. Vor b e m e r k u n g. Es ist in der neutestamentlichen Forschung seit langem anerkannt, dass die J ohannes 0 f f e n bar u n g viel liturgisches Gut aus dem gottesdienstlichen Leben des Urchristentums enthält, so dass man diese neutestamentliche Schrift geradezu als Quelle für dessen Erforschung, vor allem der christlichen Hymnen aus der ersten Zeit, benützen kann. l ) Der Seher, der seine Schauungen ja an einem Herrentag hat, wo die christliche Gemeinde sich versammelt, betrachtet sozusagen den urchristlichen Gottesdienst als eine Vorwegnahme des endzeitlichen Geschehens, so dass er Ausdrucksweise und Bilder zur Beschreibung des im Grunde unbeschreiblichen Enddramas dem gottesdienstlichen Leben entnehmen kann. Auch der erste J ohannes b r i e f scheint mir inhaltlich und stilistisch .nur dann verständlich, wenn seine liturgische Ausrichtung erkannt ist. Wir möchten im folgenden den Nachweis erbringen, dass sich auch durch das Johannes eva n gel i um hindurch eine gottesdienstliche Linie verfolgen lässt. Dass in dieser oder jener Perikope ein starkes Interesse des Verfassers vor allem für die Sakramente vorliegt, ist ja schon längst beachtet und in den Kommentaren gebührend besprochen worden. Wir möchten aber hier weitergehen und zeigen, wie das J ohannesevangelium es geradezu als ein e s seiner Hau p t a n I i e gen ansieht, die Beziehung zwischen dem Gottesdienst der urchristlichen Gegenwart und dem historischen Leben J esu herzustellen. Zunächst soll nun gezeigt werden, dass dies ein besonderer Aspekt der Gesamtperspektive ist, in die das Johannesevangelium die Geschichte des inkarnierten Logos stellt, indem es die völlige Identität des in der urchristlichen Gemeinde gegenwärtigen Herrn mit dem historischen J esus aufzuzeigen sucht und zwar an Hand der Tat s ach end e s Leb e n s J e s u, also die Linie zieht vom 1)
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S. oben S. 11.
Christus der Geschichte zu Christus dem Herrn der Gemeinde, in der sich die Fleischwerdung des Logos fortsetzL
1. Die Absicht des Evangelisten. Am Schlusse seines Evangeliums (Kap. 20, 30) schreibt der Verfasser' er könnte noch viele andere (J'Y/{J,sia J esu mitteilen, die in seinem Buche nicht aufgezeichnet seien. Damit wirft er selbst implizit die Frage nach dem Prinzip auf, das ihn bei ~er Auswa h I der Erzählungen geleitet hat; denn er setzt damit deutlich voraus, dass er eine viel reichere Tradition über das Leben Jesu zur Verfügung hatte. Warum hat er überhaupt nach so vielen andem zur Feder gegriffen, um ein Evangelium zu .schreib en ? Um diese Frage zu beantworten, sind wir nicht auf eine Hypothese angewiesen. Denn im folgenden Vers der gleichen Stelle erteilt er sie uns selber: «Diese Zeichen sind aufgeschrieben worden, da mit ihr gl a u b t, das s Je sn s der C h r ist u s der So h n Go tt e s ist ... » Der Evangelist sagt uns also selbst, dass er sich in seiner Auswahl nicht von einem historischen, sondern von einem theologisch-kirchlichen Prinzip hat leiten lassen, das auf den Glauben der Leser abzielt. Bedeutet dies etwa, wie man gewöhnlich behauptet, der vierte Evangelist interessiere sich nicht für den historischen J esus? Von vornherein muss betont werden, dass ein solcher Schluss ganz falsch wäre, da das theologische Prinzip, das der Verfasser angibt, "Jesus ist der Christus», ja gerade die Geschichte zum Subjekt hat. Denn wer Jesus sagt, sagt Geschichte. Die theologische Behauptung, die mit dem Worte «Christus» gegeben ist, bezieht sich also aUf J esus, auf die Geschichte. Dass gerade der J esus der Geschichte der Christus ist: das ist der Glaube, den der Evangelist seinen Lesern mitteilen will, indem er ein «Leben J esu" schreibt. Er hat dieses Leben so dargestellt, dass diese Beziehung zwischen dem Jesus der Geschichte und dem .. Christus» deutlich werde. Der .. Christus» ist aber Mittler des ge sam t e n göttlichen Heilsplans in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Darstellung jenes ganz kurzen Zeitraums, in dem J esus auf Erden wandelte, ist also diesem Zweck entsprechend 80 gestaltet, dass die Beziehung jenes einmaligen Geschehens zu dem die ganze Zeit Gottes umspannen39
den Heilsplan in Erscheinung trete. Dabei spielt die heilsgeschichtliche Gegenwart, in der der Verfasser und seine Leser nach J esu Auferstehung leben, eine besondere Rolle, denn ihr Glaube, in dieser n ach ö s t e r I ich enG e gen war t, ist das letzte Ziel dieses ganzen schriftstellerischen Unternehmens. In der allgemeinen Form, wie die Absicht des Evangelisten an der genannten Stelle ausgesprochen ist, lässt sie sich allerdings auf alle kanonischen Evangelien, auch die synoptischen, anwenden. Die form geschichtliche Betrachtungsweise der Evangelien lehrt uns ja, dass die Evangelien nicht Biographien, sondern Zeugnisse von J esus ~em Inkarnierten sind, die auf Glauben beruhen und zum Glauben führen wollen. Der Unterschied zwischen den Synoptikern und dem Johannesevangelium besteht aber darin, dass die synoptische Tradition das kollektive Werk der gläubigen Gemeinde ist, während wir es im Johannesevangelium mit einem mehr individuellen und bewussten Glaubenszeugnis zu tun haben. Daher haben wir hier von vornherein das Recht und die Pflicht, zu fragen, unter welchem b es 0 n der n A 8 P e k t dieser Glaube an Christus hier gemeint ist. Keiner der vier Evangelisten spricht so oft vom Glauben oder Nichtglauben der Augen- und Ohrenzeugen der Taten und Worte J csu. Dies geschieht immer im Hinblick auf die in den Schlussversen genannte Absicht. Der johanneische Glaubensbegriff steht in engstem Zusammenhang mit der Abfassung des Eva n gel i ums. Der Verfasser interessiert sich sozusagen für die Frage der «Erkenntnistheorie», die eine solche Art, die Ereignisse des Lebens J esu zu verstehen, stellt. Er interessiert sich für die Frage, wie es möglich ist, dass er selbst ein Leben J esu unter diesem besondern Gesichtswinkel schreiben kann und wie der Leser fähig ist, es zu verstehen. Wie kann im historisch Einmaligen jener Ereignisse die tiefe Beziehung zu Gottes Heilsplan in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft begriffen werden? Das heisst zunächst: wie kann das S ehe n zum G lau ben werden? Wir werden später feststellen, dass auf das Glauben noch das tiefere Ver s t ehe n folgen muss, das erst nach Christi Verherrlichung möglich sein wird. Die Beziehung von Sehen und Glauben im Hinblick auf das Leben Jesu ist daher ein Hauptproblem dieses Evangeliums. 2 ) Deshalb sind 2) S. dazu auch O. Cullmann. Eidsv xat Bnlo'rsvosv. La vie de Usus objet de la vue et de la foi d'apres le quatrieme Evangile in Melanges offerts a Maurice Goguel, 1950.
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«sehen» und «glauben» zwei Vokabeln, denen wir sozusagen auf Schritt und Tritt im Johannesevangelium begegnen. So hören wir bereits im Prolog: «wir haben seine Herrlichkeit ge s ehe n " (Kap. 1,14); das ganze Buc.h gipfelt aber in der Erzählung vom Apostel Thomas. Es kann nicht genug betont werden, dass dies nicht zufällig die let z te Erzählung des eigentlichen Evangeliums ist denn das 21. Kapitel ist ja ein Nachtrag - ; und es ist nicht genug beachtet worden, dass das letzte Wort J esu, das im vierten Evangelium steht, dasjenige von Kap. 20,29 ist, das Wort an Thomas: «weil du mich gesehen hast, hast du geglaubt. SeI i g si n d, die gl a u ben, 0 h n e ge s ehe n zu hab e n." Der Evangelist hat dieses Wort als Krönung seines Werkes ans Ende gesetzt, weil es sich auf die Leser seines ganzen Buches anwenden lässt. Diese befinden sich in der Tat in dieser Lage, dass sie nicht selbst gesehen haben und doch g lau ben soll e n. Die s e Situation steht als Problem im Hintergrund des g a n zen Eva n gel i ums. Der Verfasser will jedoch damit keineswegs behaupten, das Augenzeugnis sei ohne Bedeutung. Das Wort im Prolog über diejenigen, die die Herrlichkeit g~~hen haben, entspricht dem ehen erwähnten Wort am Ende des Evangeliums. Es ist also notwendig, dass es zu Lebzeiten J eSu Zeugen gegeben hat, die zuerst gesehen haben, und dass die SpäteITl, die nicht selbst gesehen haben, sich auf das Zeugnis jener stützen können, die wirklich mit ihren leiblichen Augen gesehen haben (1. Joh. 1,1 ff.). Aber es genügt nicht, gesehen zu haben, und es genügt nicht, sich auf ein Augenzeugnis zu stützen, so notwendig es auch sein mag; es muss ausserdem ein Glaubensakt hinzukommen, den das tiefere Verständnis des Lehens Jesu voraussetzt. In dieser Beziehung sind die Leser genau in der gleichen Lage wie der Evangelist selber. So finden wir denn im vierten Evangelium einerseits Stellen, die die Notwendigkeit des S ehe n s, anderseits solche, die die N otwendigdes GI a u b Cl n s betonen. Wie in dem ersten J ohannesbrief, so stehen auch im Evangelium die drei Verben oQav (mit den Synonymen), 1H11T8V8W und ytyvwo"wv in engster Verbindung (Kap. 14,7.9.17).3) Auf den ersten Blick scheint es ein Widerspruch zu sein, wenn einerseits vorausgesetzt wird, es komme auf das Sehen an, anderseits, es komme 3)
S. R. Bultmann in Th. Wb. z. NT Bd. I, S. 711lf.
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nicht auf das Sehen, sondern auf den Glauben an. Man sucht wohl den scheinbaren Widerspruch in der Weise zu lösen, dass man im ersten Falle ein rein geistiges Schauen annimmt. Dagegen spricht aber nun ganz unzweideutig die johanneische Verwendung der drei synonymen Vokabeln deu'V, 1}eCileBi'V, 1}Bdo""a~. Für die beiden letztgenannten lässt sich freilich der Sinn eines geistigen Schauens auch nachweisen. Aber nicht nur zeigt der johanneische Gebrauch der drei Verben, dass sie alle drei für ihn ohne erkennbaren Bedeutungsunterschied auswechselbar sind (so etwa 1}Bäa1}a~ 1:rrv 66sa'V Kap. 1, 14, zu vergleichen mit o1jJ'CI viI'V 66sa'V Kap. 11,40 und sl6s'V 1:11'11 66sa'V Kap. 12, 41), sondern es gibt Stellen, wo 1}sdoua~ (Kap. 1, 38; 4,35; 6, 5; 11,45) und 1}sCil eBi'V (Kap. 6, 19; 10, 12 u. ö.) unzweideutig gerade das leibliche Sehen bezeichnen."') An andern Stellen liegen beide Bedeutungen vor, und es ist gerade echt johanneische Art, dass der Evangelist diese Verben in ihrer Doppel"bedeutung gebraucht. 5 ) So ist es kein Widerspruch, wenn einerseits die Notwendigkeit des leiblichen Sehens, anderseits diejenige des Glaubens betont wird. In Wirklichkeit ist dieses Nebeneinander auch charakteristisch für das ganze Denken des vierten Evangelisten und für das Ziel, das er verfolgt. Was die Notwendigkeit des Sehens betrifft, so haben wir bereits das Wort des Prologs zitiert (das dem Anfang des 1. Johannesbriefs parallel läuft, wo alle menschlichen Sinne sozusagen als Zeugen angerufen werden): «wir haben seine Herrlichkeit g e s ehe n 81}Bar1d""e1}a Kap. 1,14). Nicht nur der oben erwähnte Gebrauch des Verbums 1}sdo""a~, sondern auch der Kontext (d l6yo~ ades 8Y8'JIS1:0) "beweist, dass hier das leibliche Sehen ganz sicher mit g e m ein t ist. Diese Feststellung ist unabhängig von der Frage nach den Konsequenzen zu machen, die sich daraus für die Verfasserfrage ergeben mögen, für die der Sinn der ersten Person Pluralis untersucht werden müsste. 6 ) "') S. WalteT BaueT. Griechisch-Deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testamentes, zu 1}sdo/ha~ und 1}sCileBCil. 5) S. 0 C.ullmann. Der johanneische Gebrauch doppeldeutiger .Ausdrücke als Schlüssel zum Verständnis des vierten Evangeliums (Theol. Zeitschrift 1948, ·S. 360 ff.) und unten S. 50 ff. 6) S. R. Bultmann. Das Evangelium des Johannes 1941, S. 45 f. und F. TOTm. Die Psychologie des vierten Evangeliums: Augenzeuge oder nicht? ZNW 1931, S. 125 ff.
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In der Erzählung von der Auferweckung des Lazarus teilt der Evangelist mit Absicht das Wort mit, durch das Jeaus seine Freude darüber ausdrückt, dass die Jünger die Gelegenheit haben, das Wunder zu sehen, als Augenzeugen diesem Wunder beizuwohnen: «ich freue mich um eu r e t will e n, nicht bei Lazarus gewesen zu sein (im Augenblick seiner Krankheit), damit ihr glaubet» (Kap. 1l,15). Im Zusammenhang mit V.21 (<<wenn du hier gewesen wärest, wäre mein Bruder nicht gestorben .. ) kann dies nur heissen, dass den Jüngern die Möglichkeit geboten werden soll, das Wunder der Auferweckung zunächst zu s ehe n, um dann zum Glauben zu gelangen. In der Tat hören wir dann im V.45, dass «viele von den Juden, die zu Maria gekommen waren und ge s ehe n hatten (-&BarJa/kBVOt ), was er getan hatte, an ihn glaubten." In ähnlicher Weise sagt Jesus in Kap. 12,30, dass die Himmelsstimme weg end e r a n wes end e n M eng e ertönt sei An diesen Stellen kommt es darauf an, dass die Zeugen wirklich sehen mit ihren Augen, hören mit ihren Ohren. Auch die Erzählung des Laufes der beiden Jünger zum Grabe Christi ist hier zu erwähnen: Der Lieblingsjünger, der als erster ankommt und erst nachher in das Grab eintritt, sieht und glaubt (Kap. 20,8). Der folgende Vers unterstreicht sozusagen die Notwendigkeit des Sehens und Glaubens mit der Erwägung, dass die beiden Apostel das Schriftverständnis als Beweis der Auferstehung ja noch nicht hatten. Es liegt auf der gleichen Linie, wenn auch Thomas den Auferstandenen zuerst betasten muss, bevor er zum Glauben gelangt (Kap. 20,27). Freilich sagt Christus nachher zu ihm: «weil du mich gesehen hast, bist du gläubig geworden; selig sind, die nicht sehen und gläubig we.rden.,. Damit soll hier am Schlusse des Evangeliums, wie schon bemerkt, auf diejenigen hingewiesen werden, die nicht mehr die Gelegenheit haben, zu sehen, und in dieser Lage sind die Leser des Evangeliums, die ja dann im übernächsten Vers direkt angeredet werden, und zwar gerade im Hinblick auf ihren «Glauben" : iva 1H(J1:BVrrr:e. So enthält wirklich die Thomasgeschichte sozusagen den Schlüssel des johanneischen Verständnisses des ganzen Lebens Jesu. Aber Thomas, der Apostel selber, muss sehen, er muss betasten. In dem Schlusswort des Auferstandenen liegt nicht unbedingt nur Tadel, denn auch die andern Apostel, von denen in den V.5, 19 ff. die Rede war, mussten ja die Hände und die Seite 43
ehe n. 7 ) Thomas ist ja dann tatsächlich auch zum wahren Glauben gelangt, er spricht ja das höchste Glaubensbekenntnis, das es für den vierten Evangelisten geben kann: «mein Herr und mein Gott!» (V. 28). !
Aber allerdings, um zu diesem Glauben zu kommen, genügt auch hier das Sehen a 11 ein nicht. Die Augenzeugen mus s t e n sehen, aber zu dem Sehen musste aue h für sie etwas anderes hinzukommen. Deshalb haben wir eine ganze Anzahl von Stellen, die nun im Gegenteil die Unzulänglichkeit des Sehens betonen und ihm das Glauben gegenüberstellen. Bei Thomas (Kap. 20, 28) wie bei dem Lieblingsjünger (Kap. 20,8) musste der Glaube auf das Sehen folgen. Die Unzulänglichkeit des Sehens tritt aber deutlicher an den Stellen zutage, wo der Glaube ni c h t darauf folgte. In der oben erwähnten Erzählung von der Auferweckung des Lazarus, wo Jesus ausdrücklich betont, das Wunder geschehe, damit es von denen, die bei ihm sind, wahrgenommen werden könne (Kap. 11, 15), heisst es nachher nicht nur, dass viele daraufhin tatsächlich zum Glauben gelangten (Kap. 11,45), sondern der Evangelist vermerkt im folgenden Vers 46, dass «einige aber» zu den Pharisäern gingen, um ihnen das Geschehene zu berichten, und die darauf folgende Notiz über die Folgen dieser Meldung zeigt wohl an, dass jene nV8~ in böser Absicht, also im Unglauben, die Pharisäer über das «Gesehene» in Kenntnis gesetzt hatten. Ihr Sehen hatte sie also nicht zum Glauben geführt. Verschiedene andere Stellen des Evangeliums weisen darauf hin, dass es zu Jesu Lebzeiten viele gab, die mit ihren Augen die Werke Jesu gesehen, viele auch, die seine Worte gehört und doch den Glauben nicht gewonnen hatten, der gegenüber diesem Gesehenen und diesem Gehörten notwendig ist. "Sehen» und «Glauben» fallen also nicht einfach miteinander zusammen. Schon im Kap. 2,23 merkt der Evangelist an, es habe nach dem Wunder der Hochzeit zu Kana in J erusalem viele Leute gegeben, die glaubten, nachdem sie die von Jesus vollbrachten Wunder gesehen hätten. Ab er Je s u s hab e sie h nie h tau f sie ver las sen. Das soll heissen, dass ein Glaube, der ausschliesslich auf dem Sehen beruht, der sozusagen mit dem Sehen zusammenfällt, nicht genügt. Ein Glaube, der nur 7) Dies hat Markus Barth. Der Augenzeuge, 1946, S. 196 f., richtig betont.
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aus geschauten Tatsachen abgeleitet ist und nichts weiter, ist nicht wahrer Glaube. Mit diesen Bemerkungen will der Evangelist daran erinnern, dass wahrer Glaube ein Akt ist, der sich im Herzen derer vollzieht, die glauben. Zum Sehen und Hören muss dieser innere Akt hinzukommen. So wirft in Kap. 4, 48 J esus dem königlichen Offizier und mit ihm seiner ganzen Generation zunächst vor: «wenn ihr nicht W under und Zeichen seht, so glaubt ihr nicht», und es ist der tiefere Sinn der darauf folgenden Erzählung, dass der königliche Offizier dann glaubt, 0 h n e zu se h e n (V. 50), als Jesus zu ihm sagt: «Dein Sohn lebt!» Der Glaube kommt hier nicht aus dem Sehen des Wunders, sondern aus einer innern Haltung, die der Offizier dem "Worte» Jesu gegenüber einnimmt. Das gleiche synoptische Motiv der Wundersucht der Menge dient in Kap. 6 dazu, die Unzulänglichkeit des hlossen Sehens festzustellen. Wenn im V.30 die Juden fragen: «was für ein Zeichen tust du, dass wir es sehen und dir glauben», so ist das nU1'1:8V8W hier wohl in diesem Sinne als ein unvollkommenes, weil aus dem Sehen, wie in Kap. 2,23, ohne den eigentlichen innern Glaubensakt nur Abgeleitetes zu verstehen. Die Juden haben ja vorher das Speisewunder schon gesehen. In. der Tat muss Jesus einige Verse weiter (V.36) zu ihnen sagen: «ihr habt gesehen und glaubt nicht.» In Kap. 7,5 hören wir, dass sogar die Brüder Jesu nicht glaubten, und doch haben sie nach V. 3 Gelegenheit gehabt, seine «W&kelt zu sehen. Von der Unzulänglichkeit des hlossen Sehens ist auch in Kap. 14, 7 ff. die Rede. Auf Jesu Aussage hin: «von jetzt an kennt ihr den Vater und habt ihn gesehen», bittet Philippus in völligem Unverständnis dieses Wortes: «Herr zeige uns den Vater, und das genügt uns», und Jesus muss ihn zurechtweisen, indem er wiederum die Feststellung macht: "SO lange bin ich bei euch, und du hast mich nicht erkannt.» Hier mag auch nochmals die Thomasgeschichte Kap. 20, 24 ff. erwähnt werden. ObwohL, wie wir festgestellt haben, das eigentliche Sehen dort auch als Notwendigkeit für den zur Zeit Jesu lebenden Apostel erscheint, spielt doch das andere Motiv ebenso stark mit, dass das Glauben, das zum Sehen hinzukommen muss, wichtiger als das Sehen ist. Dass das nur leibliche Sehen an sich noch nichts be-
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deutet, hesagt auch das Wort in Kap. 9, 39: ezum Gericht hin ich in diese Welt gekommen, damit die nicht Sehenden sehen und die Sehenden hlind werden.,. Hier ist pUnBw im Doppelsinn gehr~ucht.8)
Auch dort, wo das leibliche Sehen als eine Notwendigkeit vorausgesetzt wird, klingt die zweite Bedeutung, die des egeistigen Schauens:> als Forderung meistem mit an, und dieses Ineinander von eSehen mit den Augen,. und eSchauen im Glauhen» ist gerade charakteristisch für unser Evangelium. Dies ist der Fall in dem ohen erwähnten V. 14 des Prologs, weiter etwa in Kap. 6,40 und 14,19. Es kann daher sogar vorkommen, dass wie in Kap. H, 40 die Reihenfolge umgekehrt ist: ewenn du glaubst, wirst du die dOsa Gottes sehen.,.9) Auch die auf das Hören hezüglichen Worte schliessen oft die Forderung eines mehr als akustischen Hörens mit ein. Jedenfalls ist in der erwähnten Episode der Himmelsstimme, Kap. 12,28 ff., vorausgesetzt, dass die Menge, um derentwillen diese ertönt (V. 30), in ihr die Verherrlichung Christi durch Gott hätte vernehmen sollen, während sie in Wirklichkeit nur das Geräusch hört und sagt, es hahe gedonnert. Der Gleichzeitigkeit von leiblichem Sehen und gläuhigem Schauen und Erkennen entspricht auch die Doppelhedeutung des Worts, mit dem das 0 h j e k t des Sehens und Glaubem hezeichnet zu werden pflegt. Der Verfasser gehraucht nicht unsern modernen Begriff des Ereignisses, sondern den des eZeichens», (J'f/l-tBio'JI, und damit will er gerade auch wiederum auf die Doppelheit von sichtharem und doch zugleich höheres Glauhensverständnis erheischendem Geschehen hinweisen.
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Ein Motiv, das vom Evangelisten stark hetont wird, ist das der göttlichen Vor her he s tim m u n g. Es ist in diesem Zusammenhang hedeutsam, dass sich auch diese Aussagen auf das Glauhensverständnis des Lehem J esu heziehen und so ehenfalls die Generation der Leser mit im Auge hahen. Warum hahen die einen ge8) S. 53 und S. 99 f. 9) Damit ist Kap. I, 51 zu vergleichen.
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glaubt, die andern nicht, wo sie doch alle damals gesehen haben, und warum glauben in der Gegenwart des Verfassers die einen, während die andern verstockt bleiben, wo doch beide das Zeugnis von dem Leben Jesu hören? Das schon erwähnte Wort über die nicht Sehenden, die sehend, und die Sehenden, die blind werden (Kap. 9, 39), stellt wohl eine Variante zu den synoptischen Logien dar (Mk. 4,ll; Mtth. 13,3; Lnk. 8,10), die auf Jes. 6,9 fussen. Viel direkte;r antwortet der Evangelist mit dem Jesajatext in Kap. 12,37 ff. auf die Frage, warum so viele nicht an Jesus glaubten, obwohl er «so viele Zeichen vor ihnen vollbracht hatte». Durch das ganze Evangelium hindurch geht der Gedanke, dass nur die, die Christus vom Vater «gegeben sind», die der Vater «zieh!», zu ihm kommen. Das ist im Abschnitt Kap. 6, 36 ff., 44, 65 gerade im Hinblick auf die Beziehung von Glauben und Sehen gesagt. Im Hintergrund steht auch hier der Jesajatext über die Verblendung und Verstockung. Der. Gedanke kehrt in Kap. 8, 43 ff., hier auf das Nichthören bezogen, wieder, ferner in Kap. 10,25.
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Schon diejenigen, die seIhst den inkarnierten Logos sahen, mussten jenen innern Glaubensakt vollziehen, um wirklich zu glauben, nachdem sie geschaut hatten. Für die Generation, die nach Jesu Tod und Auferstehung lebt, ist dies umso notwendiger. Aber der Evangelist geht nun noch einen Schritt weiter. Nach der Auferstehung Christi ist jener innere Glaubensakt nicht nur notwendig, sondern das Ver s t ehe n ist lei c h t e r als zu Lebzeiten J esu. In der Tat ist das geistige Verständnis, das den Glauben zwar voraussetzt, aber nicht mit ihm identisch ist, nur möglich durch den heiligen Geist, und diesen gibt es erst seit der Verherrlichung Christi (Kap. 7,39). Dieser Gedanke ist für den Vedasser von grösster Bedeutung. Die Leser des Evangeliums können also nicht sagen, sie befänden sich in einer weniger günstigen Lage als die, welche Christus nach dem Fleische gesehen haben. Nein, im Gegenteil, sie sind gewissermassen in einer bevorzugten Stellung gegenüber denen, die nur zur Zeit des Inkarnierten gelebt haben. Deun sie haben jetzt den heiligen Geist, und dieser öffnet ihnen im Glauben das Verständnis und erklärt ihnen den tiefem Sinn der Ereignisse des
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Lebens J esu. Anderseits werden ihnen diese Ereignisse als materielle Tatsachen durch das Augenzeugnis der Apostel mitgeteilt, auf das sie sich stützen können (Kap. 17,20). Diese Grundlage ist allerdings auch für sie unerlässlich, aber das wahre Verständnis ist erst möglich, seitdem Christus «verherrlicht ist», d. h. seitdem er den Parakleten, den Geist der Wahrheit, geschickt hat. Sogar die Augen- und Ohrenzeugen können zum restlosen Verstehen des Lebens J esu, zum vollen Begreifen seines tiefem Sinnes, erst nach Jesu Tod und Auferstehung gelangen. Wir haben gesehen, einige von ihnen haben zwar den Glauben schon zu Lebzeiten J esu verwirklicht. Und doch können auch sie die tiefere Bedeutung seines Lebens, seine heilsgeschichtliche Verknüpfung mit Vergangenheit und Gegenwart erst nach Christi Verherrlichung erfassen. So haben alle Worte, die der Verfasset in den Abschiedsrooen, Kap. 14-16, wiedergibt, für ihn als Evangelisten einen höchst persönlichen Wert. Sie rechtfertigen gewissermassen sein ganzes literarisches Unternehmen: der heilige Geist, den Jesus in jener Stunde, am Vorabend seines Todes, versprochen hatte, hat auch ihm, dem Evangelisten, das besondere Verständnis des Lebens Jesu verliehen, das er in seinem Werk den Lesern übermittelt. Da sogar die, welche die Ereignisse g e s ehe n haben, einer höhern Kenntnis bedürfen, die erst seit J esu Verherrlichung möglich geworden ist, so braucht die Generation der Leser erst recht die Hilfe des Geistes der Wahrheit. Aber dieser wird ihnen nach Jesu Verheissung zuteil, und er ist in den Gläubigen am Werk, und zwar gerade und ganz besonders im Hinblick auf das Ver s t ehe n des i r dis c h e n Leb e n s J e s u. So liefern die beiden Stellen der Abschiedsreden, Kap. 14,26 und 16,12, sozusagen den Schlüssel zum Verständnis unseres Evangeliums. «Der heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch über alles belehren und wird euch an alles e r i n n ern, was ich euch gesagt habe.» (Kap. 14,26.) «Ich habe euch noch viel zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht erfassen. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, gekommen sein wird, so wird er euch in alle Wahrheit führen.» (Kap. 16,12 f.) Es ist nicht genügend beachtet worden, dass die Wirksamkeit des Parakleten sich in erster Linie auf das Ver s t ä n d n i s des Leb e n s J es u bezieht. Man spricht viel vom Selbstbewusstsein 48
Jesu. Im Zusammenhang mit dem Johannesevangelium wäre auch vom Selbstbewusstsein des Evangelisten zu sprechen, von seinem Bewusstsein, vom Parakleten inspiriert zu sein. In diesem Bewuss.tsein hat er die Ereignisse des Lebens Jesu in die ganz besondere Perspektive gestellt, die dieses Evangelium von den andern unterscheidet. So schärft er es im Verlauf seiner Erzählung den Lesern ständig aufs neue ein, dass die, welche alle diese Ereignisse gesehen haben, sie ihrer wahren Bedeutung nach erst na c h Jesu Tod und Auferstehung begriffen haben. Schon am Ende der Erzählung von der Tempelreinigung, Kap. 2,19, schreibt er ausdrücklich, die Jünger hätten sich erst na c h dem Tode des Herrn daran « er i n ne r t », dass er zu ihnen das Wort von seinem Leibe gesprochen hatte, der zerstört werden müsse. Alle Stellen im vierten Evangelium, wo von diesem «Erinnern» die Rede ist,l°, gehören inhaltlich mit den Aussagen über den Parakleten in den Abschiedsreden zusammen und haben für das Verständnis der johanneischen Eigenart! ein viel stärkeres Gewicht, als dies den Anschein hat. Diese «Erinnerung,. ist nicht einfach eine Erinnerung an die materielle Tatsache, sondern sie schliesst gleichzeitig dasjenige Verständnis der Tatsachen ein, das erst durch den heiligen Geist verliehen wird. Dank dieser ganz besondern Erinnerung im heiligen Geist versteht auch der Evangelist selbst erst den heilsgeschichtlichen Zusammenhang des Lebens Jesu mit dem Alten Testament. Wenn er im Verlauf seiner Erzählung auf diesen Zusammenhang hinweist, vermerkt er ausdrücklich, dass die Augenzeugen diesen erst später begriffen haben. So erwähnt er in Kap. 12, 16, die Tats.ache, dass Jesus auf einem Esel sass, sei eine Erfüllung von Jes. 40,9 und Zach. 9,9, und er fügt auch hier absichtlich hinzu, «dies hatten die Jünger zuerst nicht begriffen; erst nachdem Jesus verherrlicht war, er i n n e rt e TI. sie sich daran, dass dies über ihn geschrieben war und dass sie ihm das getan hatten.» Hierher gehört weiter das Wort Jesu an Petrus bei der Fusswaschung: «was ich tue, weisst du jetzt nicht, aber du wirst es nachher erfahren» (Kap. 13,7). An dieser Stelle handelt es sich, wie wir sehen werden,!l) um das Verständnis der Beziehung des damaligen Geschehens zu der Gegenwart der Ge10) S. dazu N. A. Dahl. Anamnesis. Memoire et commemoration dans le chri. stianisme primitif (Studia theologica 1947) S. 94. 11) S. 102.
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meinde. Anderseits verweist die schon erwähnte Bemerkung dei Evangelisten in Kap. 20,9 indirekt auf die ebenfalls erst später eintretende Erkenntnis ( ovdtnro ) des alttestamentlichen Zeugnisses für Christi Auferstehung. So beruhen auch seine Zusätze in Kap. 12, 32 und 18,32 auf dem tiefem Verständnis eines Jesuswortes, nämlich seinem Zusammenhang mit der Vergangenheit und der Zukunft der Heilsgeschichte, das dem Evangelisten erst nachträglich aufgegangen ist. Wenn wir auf alle diese Hinweise achten, an denen der Evangelist uns seine schriftstellerische Persönlichkeit und Absicht zu erkennen gibt, so muss es als Auf gab e des E xeg e t e n dieses Evangeliums bezeichnet werden, dieser Absicht in allen seinen Teilen Rechnung zu tragen, sich also nicht zu begnügen, eine berichtete Tatsache nur nach ihrer materiellen Seite zu würdigen, sondern nach den heilsgeschichtlichen Zusammenhängen zn fragen, die sich dem Evangelisten auf Grund jener «Erinnerung~ im Geiste erschlossen haben und um derentwillen er gerade die s e Tatsachen ausgewählt hat, und zwar gilt es, diesen Zusammenhängen, die seine Auswahl bestimmt haben, gerade aue h d 0 r t n achzugehen, wo er sie nicht besonders herausgestellt, sondern nur angedeutet hat. 12 ) Denn er hat Vertrauen in das Verständnisvermögen, das der Paraklet auch den Lesern zuteil werden lässt. Sie sollen an jener Fähigkeit des Evangelisten teilhekommen, das einmalige historische Geschehen oder das einmal von Jesus gesprochene Wort in ihrer heilsgeschichtlichen Verknüpfung und Entfaltung sozusagen z usa m m e n s c hau end zu verstehen.
Dass ein solches Doppelverständnis geradezu johanneische Absicht ist und zum Programm dieses Evangeliums gehört, wird nun ferner durch eine sprachliche Feststellung bestätigt: durch den auffallend häufigen und bereits in den vorstehenden Ausführungen 13) 12) Zur prinzipiellen Not wen d i g k e it, mit blossen leisen Andeutungen zu rechnen S. 52 und S. 70 Anm. 46. 13 Siehe oben S. 42 K. L. Schmidt. Der johanneische Charakter der Erzäh· lung vom Hochzeitswunder in Kana in Harnack.Ehrung 1921. S. 32 ff., hat bereits auf diese Eigenart hingewiesen, besonders im Hinblick auf die Verwendung des Wortes nM}s'V. (S.41).
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mehrfach festgestellten Gebrauch doppel- oder mehrdeutiger Ausdriicke.14 ) Das dritte Kapitel liefert uns mehrere Beispiele für diesen johanneischen Gebrauch doppelsinniger Worte, deren beide Bedeutungen gleichzeitig zum Ausdruck kommen sollen. Hier ist zunächst das mit dem Verbum 'YB'IIW/.fMjvat verbundene Adverb dvro1}811 zu erwähnen. Schon im Altertum haben die Erklärer des J ohannesevangeliums die Frage erörtert, ob hier der chronologische Gebrauch des Wortes cvon neuem» oder der lokale cvon oben» v:orliege. Es ist jedoch für die Art unseres Evangeliums charakteristisch, dass es sich hier nicht um eine Alternative handelt, sondern dass heides gemeint ist. Das grobe Unverständnis des Nikodemus, als oh es sic~ um eine Geburt E" 'rij~ "otUa~ 1?ij~ tJ1Y17:Qo~ handle (V. 4), betrifft nur das Verhum 'Y81IV'1J.fMjvat, nicht die Interpretation des dvro1}811 im Sinne von OsV7:8(lov. Denn dass es sich um ein reales zweites Gehorenwerden handelt, das ist nach dem Evangelisten auch Jesu Meinung (V. 7). Es unterliegt jedoch keinem Zweifel, dass dvro1}811 hier wie in 3, 31 und 19, II zugleich auch cvon oben» bedeutet., und dies hat Nikodemus noch nicht hegriffen. Wir werden sehen,tll) wie mit diesem Hinweis auf den lokalen Sinn die folgenden Verse (12 ff.) die christologische Begründung der cWieder»geburt aufzeigen: cKeiner ist zum Himmel hinaufgestiegen, ausser dem, der vom Himmel herahgestiegen ist, dem Menschensohn.» Wichtiger noch ist für unsere Fragestellung im gleichen Nikodemusgespräch das mehrdeutig gebrauchte Wort V1pro.fMjVat, das sich gerade an die Anspielung auf Christi Himmelfahrt (V. 13) anschliesst. Dieses Verhum ist zunächst konkret gemeint, wenn von der Schlange die Rede ist, die Moses «erhöht» hat (V. 14). Dieser Sinn wird nun ferner auf die Erhöhung Christi zum Kreuz hezogen. Dies ist keine Hypothese, sondern wird vom Evangelisten in 12, 32 f. direkt ausgesprochen: «Wenn ich von der Erde erhöht sein werde, werde ich alle zu mir ziehen. Das sag tee r als Hin w eis (a'1J/halvrov) auf die Art des Tod es, den er 8 t e r he n soll t c.» Zugleich zeigt aher der Zusammenhang sowohl in 3,14 14) Im folgenden resurniere ich meinen ausführlicheren, dieser Frage gewidme. ten Artikel Der johanneische Gebrauch doppeldeutiger Ausdrücke als Schliissel zum Verständnis des vierten Evangeliums (Theologische Zeitschrift, 1948 S. 360 ff.). 15) S. u. S. 78 f. '
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und 12, 32 als auch an der weitem Stelle 8, 28, wo uns das gleiche Verbum begegnet, dass die Erhöhung sich ausserdem auf die Himmelfahrt bezieht gemäss der üblichen neutestamentlichen Verwendung des Ausdrucks (Apogesch. 2, 33; 5, 3; Phi!. 2, 9) .Es ist interessant, festzustellen, dass es sich hier sozusagen um eine Dreiecksbeziehung handelt: die emporgehobene Schlange - der zum Kreuz emporgehobene - der zum Himmel erhöhte Men~chensohn. Hätten wir nebst der Nikodemusperikope nicht zufällig die vorhin erwähnte, vom Evangelisten selbst hinzugefügte Erklärung zu 12, 32, so würde in Kap. 3 die Einbeziehung der Anspielung auf das Kreuz wohl als unberechtigte «allegorische» Erklärung abgelehnt werden. Gerade dieses Beispiel bestätigt jedoch, das sau c h d 0 r t, w 0 der Ver f ass e r wie i n 3, 1 4 die s n ich tau s s p r ich t, Hinweise auf weitere heilsgeschichtliche Christusb e z i e h u n gen vor I i e gen. Dies möchte ich schon hier gegenüber dem Vorwurf, den der Holländer H. van der Loos gegen die Erstauflage dieser Arbeit erhoben hat,15 a ) mit besonderm Nachdruck betonen, anderseits auch gegenüber dem Haupteinwand von W. M ichaelis. 15b ) Dieses gleiche 3. Kapitel enthält übrigens sehr wahrscheinlich auch in dem vielzitierten V. 16 ein Verbum mit Doppelbedeutung. Das Verbum ilOa"wv mag hier zunächst im Sinne von an80retAev (1. J oh. 4, 9) gebraucht sein: Gott hat seinen Sohn in die Welt gesandt. Ferner aber liegt in diesem Zusammenhang, wo wir den sichern Hinweis aufs Kreuz festgestellt haben, gewiss zugleich auch der Sinn von nUQBowuev vor (Röm. 8,32): er hat ihn in den Tod «dahingegeben». So häufen sich in diesem Kapitel des Evangeliums die doppelsinnigen Worte in einer Weise, die besonders geeignet ist, unsern Blick für diese johanneische Eigenart zu schärfen, und wir versuchen nun, in der Reihenfolge der Kapitel die wichtigsten weitem Beispiele zu erwähnen, deren Zahl übrigens noch vermehrt werden könnte. 15c ) In 1,37 H., wo es sich um die erste Begegnung mit Jüngern handelt, verwendet der Evangelist das Verbum auoAov{}elv, und zwar zunächst wörtlich, in den Versen 37 und 38: Die beiden Jünger fol15a) 15b) 15c)
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Allegorische Exegese (Nederlands Theologisch Tijdschrift 1948, S. 130 ff. Die Sakramente im lohannesevangelium. (BEG Bem.) 1946. S. O. Cullmann den oben S. 51 Anm. 14 erwähnten Artikel.
gen Jesus hinterdrein, so dass er sich umdrehen muss, um sie anzuschauen. In den Versen 40 und 44 ist dagegen klar, dass mit diesem Wort zugleich die ständige Nachfolge der Jüngerschaft gemeint ist. In ähnlicher DoppeThedeutung kehrt das Verbum im Zwiegespräch zwischen Jesus und Petrus in 13,36 f. wieder. Die Untersuchung des Gebrauchs von ihporo in 3,14 hat ergeben, dass diese gleiche Vokabel nicht nur zu zwei-, sondern zu mehrfachen Tatsachenverbindungen Anlass geben kann, und wir werden die gleiche Feststellung für das cLebensbrot» und das «Lebenswasser» machen. Das vdroe ~ä)1J in Kap. 4, 10 bezeichnet zunächst konkret das Quellwasser im Gegensatz zu stehendem Wasser. Gemäss dem hebräischen bildlichen Gebrauch von cun c'~ liegt zweitens der allgemeine, im Alten Testament auf J ahve bezogene Sinn von Lebensquell vor. Nach 7,39 versteht der vierte Evangelist aber unter vdroe ~wv drittens präziser den Heiligen Geist, und wir werden ferner hier wie in 3, 5 eine Beziehung zum Taufwasser nachzuweisen suchen; in diesem Falle ergeben sich sogar vier Bedeutungen des gleichen Wortes! Das wird durch den parallelen Ausdruck de?;oq ?;i'jq. ~roi'jq (6, 35. 48) ganz besonders nahegelegt. Ausgangspunkt ist auch hier zunächst das konkrete Brot, wie es in der Wundererzählung der Menge zur Sättigung dargeboten wird. Von hier wird die Linie zunächst zu jenem andern Brot gezogen, das im Alten Testament ebenfalls auf Grund eines Wunders als de?;oq ex wO o'Öeavov von Gott geschenkt worden war: das Manna. Dieses aber wird nun weiterhin zugleich zu der Person Christi und dem eucharistischen Brot der Urkirche in Beziehung gesetzt. So erinnert diese mehrfache heilsgeschichtliche Verbindung auf Grund des gleichen Worts formal an das 'Ö1poro in 3, 14, inhaltlich besonders an das vdroe ~wv. Die Erzählung von der Heilung des Blindgeborenen findet ihren Höhepunkt im schon erwähnten Worte Jesu über die ?;vtpÄol (9, 39 ff.), und hier ist ganz deutlich, dass auf Grund des schon im Judentum geläufigen Doppelgebrauchs das Wort «blind» zugleich physisch blind und geistig blind bedeutet. Aehnlich wird in der Geschichte von der wunderbaren Heilung des Lahmen von Bethesda in 5, 6 ff. das Adjektivum iiy~'ijq im Sinne von physisch gesund verwendet. Aus der Bemerkung Jesu in 7,23, die diese Heilung visiert und sie ausdrücklich zur B e s c h n eid u n g in Parallele setzt, 53
geht jedoch hervor, dass im Hintergrund zugleich der Gedanke an kultische und ethische Reinheit beim Gebrauch dieses Wortes bestimmend war. Die Auferstehungsworte der Lazarusgeschichte (11, 24 ff.) bilden das Zentrum des ganzen Evangeliums, und es ist bedeutsam für unsere These, dass gerade diese wichtige Stelle auch das Verbum (wa(l'rijvat zugleich im geläufigen Sinne der endzeitlichen Auferstehung und in dem erst im Lichte der Verherrlichung Christi dem Verfasser aufgegangenen Sinne einer schon jetzt möglichen Vorwegnahme der Auferstehung in der Gegenwart verwendet. «Dein Bruder wird auferstehen», sagt Jesus zu Martha (V. 24). Sie meint, er spreche von der Auferstehung am letzten Tage, und gewiss soll diese unmittelbare Bedeutung des Worts hier nicht ausgeschlossen sein. Denn der Glaube an die endzeitliche futurische Auferstehung ist im J ohannesevangelium sicher bezeugt (6,39. 40. 44. 54; auch 5,29), und es geht nicht an, all diese Stellen mit R. Bultmann als Interpolationen auszuscheiden. Die modernisierenden Antithesen von gegenwärtigem .. mystischem» und futurisch eschatologischem Geschehen liegen dem Johannesevangelium fern. Es handelt sich auch hier nicht um eine Alternative, sondern um heilsgeschichtliche Verknüpfung des Christusgeschehens. So kommt es dem Evangelisten darauf an, dass Jeaus hier auf dem Hintergrund des auch von ihm geteilten jüdischen Glaubens an die Auferstehung am letzten Tage von einer Auferstehung spricht, die es in Christus, der seIhst «die Auferstehung und das Leben» ist, schon jetzt gibt für alle, die an ihn glauben (V.25). Dieses Verständnis der Auferstehung findet nun der Evangelist nachträglich schon in dem von ihm sicher historisch aufgefassten Ereignis der Auferweckung des Lazarus zeichenhaft gegeben. Hier handelt es sich um eine dritte Art von Auferstehung. Auch sie ist nicht endgültige Auferstehung, wie sie erst am letzten Tage Wirklichkeit wird; denn Lazarus wird ja na c h der berichteten Auferweckung wieder sterben müssen. Sie ist auch nicht mit der nachösterlichen, gegenwärtigen Auferstehung aller Gläubigen ohne weiteres gleichzusetzen, von der wir eben gesprochen haben. Wohl aber soll sie auf beides hinweisen: einerseits auf die endgültige Auferstehung, anderseits und dar auf I i e g t das Hau p t g e w ich t - auf die Vorwegnahme, die nach Ostern für all e Glaubenden Wirklichkeit wird: in Gegenwart des Inkarnier-
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"len hat hier an Lazarus eine Vorwegnahme schon vor Ostern als Hinweis darauf stattgefunden, dass späterhin jeder, der an Christus glauben wird, eleben wird, auch wenn er stirbt, und dass jeder, der lebt und an ihn glaubt, niemals sterben wird,.. Auch diese Aussage, die die Gegenwartsbeziehung des Ereignisses ins helle Licht rückt, beruht auf der hier vorliegenden Doppelbedeutung der beiden v'erben ~ijll und ano11'1li/oxllw: sie sind abwechselnd im physischen und im theologischen Sinne gebraucht.15d ) Das hekannte Kreuzeswort 1:1l1:BÄIlO1;at in 19,30 (80 auch V.28) hat von jeher zu Diskussionen darüber Anlass gegeben, ob es rein chronologisch oder theologisch zu fassen ist. Aber auch hier ist es falsch, eine Alternative aufzustellen. Denn gemäss dem Doppelsinn, den auch das Substantivum 1:BÄOS' in Kap. 13, I hat, bedeutet das Wort nach johanneischem Verständnis sicher beides zugleich. «Das Leben des Inkarnierten ist heendet,. und «sein Werk ist vollbrachh. Ausser diesen doppelsinnigen Wörtern wären auch ganze Sätze zu erwähnen, die als solche in zweifacher Bedeutung zu verstehen sind. Hierher gehört der Ausspruch des Hohenpriesters Kaiphas in ll, 50: «Es ist besser für euch, dass ein Mensch für das Volk sterbe und nicht die ganze Nation zugrunde gehe.,. Erst nach Christi Tod und Auferstehung hat sich dem Evangelisten der über die rein historische Tragweite des Satzes hinausgehende theologische Gedanke des stellvertretenden Leidens erschlossen, so dass er erkannt hat, dass der Hohepriester, ohne es selbst zu wissen, einen in doppelter Weise gültigen Ausspruch getan hatte.
15d Von hier fällt auch ein Licht auf die Verwendung eines weitern dOPP~I sinnigen Wortes dieses Kapitels: des Verbumfl' ,,-a:'9';uMI V.ll. Die Situation·Jr't h b.. ist hier allerdings verschieden von derjenigen der bisher behandelten Stell ' Hier ist nicht wie gewöhnlich die ferner liegende. abgeleitete, sondern im Gegenteil die unmittelbare und von den Jüngern einzig verstandene W ortbedeutung. also die von «Schlafen», letzten Endes diejenige, welche trotz allem das höhere Verständnis voraussetzt und in ihrer theologischen Tiefe von den Anwesenden doch noch nicht erfasst wird. Wohl gilt es zunächst, die andere Bedeutung des Verbums, die von Sterben, in ihrer ganzen Realität ernst zu nehmen. Aber obwohl Lazarus physisch gestorben ist, «schläft» er doch nur, denn sein Tod ist nur von kurzer Dauer. So ist seine Auferweckung ein Beispiel dafür, dass überall da, wo Christus am Werke ist, alles «Sterben» nur ein «Schlafen» ist. Der Fall liegt hier also etwa komplizierter als in den andern Beispielen, insofern der uno mittelbare Wortsinn von «Schlafen» erst dann in seiner theologischen Geladenheit begriffen werden kann, wenn zunächst einmal erkannt ist, dass Jesus aue h • und zwar zuerst mit jener Aussage: xBXolp/Yj1:at das physische Sterben gemeint hat. Die Zusammenschau ist auch hier erst im Zusammenhang des höhem Verständnisses möglich, wie es das Lazaruswunder zeichenhaft verkündet.
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So lässt sich von der kleinsten sprachlichen Einheit, dem Worte, bis zur grössern, dem Satze, vom Satze zur Perikope, von der Perikope zum ganzen Evangelium zeigen, wie der Evangelist bestrebt ist, in dem einmaligen, durchaus realen historischen Geschehen des Lebens J esu zugleich die zeichenhaft schon in diesem enthaltene weitere heilsgeschichtliche Entfaltung zu entdecken und im Leser das Verständnis für diese Zusammenschau von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wachzurufen.16 ) Von verschiedenen Gesichtspunkten aus sind wir also zum gleichen Ergebnis gelangt: die stumme Vora u ssetzun g diese s Evangeliums ist, dass das historische Geschehen, wie es hier dargestellt ist, in sich selber ausser dem mit den Sinnen Wahrnehmbaren den Hinweis auf weitere Heilstatsachen enthält, mit denen jene einmaligen Grunddaten verbunden si n d. Daher ist es falsch, wenn immer wieder «geschichtli~he» und «symbolische» Erklärung der johanneischen Erzählu~gen als Gegensätze gegeneinander ausgespielt werden und eine Alternative aufgestellt wird, als ob im Sinne des Evangelisten eine Aussage entweder nur als historiSche Tatsache oder nur als Hinweis auf einen theologischen «mystischen» Sachverhalt gemeint sein könne. Damit versperrt man sich von vornherein das Verständnis dieses Evangeliums, das gerade beides, einmalige Geschichte und Hinweis dieser Geschichte auf ihre Vor- und Nachwirkung in einer Zusammenschau darstellen will. 16) Von dem hier aufgezeigten vom Evangelisten beabsichtigten Gebrauch doppelsinniger Wörter aus wäre die je und je, neuerdings von C. F. Bumey The Aramaic Origin of the fourth Gospel, 1922, sowie von Ch.·C. TOTTCY The Aramaic Origin of the Gospel of John (Harvard Theological Review 1923, S. 305 fi.) und J. de Zwaan «lohn wrote in Aramic» (Journal of Biblical Literature 1938, S. 155 ff.) vertretene These zu prüfen,nach der das Johannes.Evangelium eine aramäische Grundlage voraussetzen würde. Sie würde sich dann nur halten lassen, wenn sich nachweisen liesse, dass "den doppelsinnigen griechischen Wörtern doppelsinnige aramäisehe Aequivalente entsprechen. Hier soll jedenfalls darauf hingewiesen werden, dass anderseits den hier zusammengestellten doppelsinnigen johanneischen Ausdrücken ein sehr wichtiger hinzuzufügen ist, wenn wir vom Aramäischen ausgehen. Es lässt.;ieh zeigen, dass die aramäische UeberRetzung der Worte 6 dp/vor; '/;oii 1feov 'I.c:lQow ,/;TI'V dl~a(}'/;lav ,/;ov ,,6C1/-tOV zugleich bedeutet: «das L a m m Gottes, das die Sünde der WeIt f 0 r t s c h a f f t» und «der K n e c h t Jah. ves, der die Sünde der Welt t r ä g t ». Hier hat der Doppelsinn der aramäischen Worte keine Entsprechung im Griechischen.
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Geschichte ist also hier einerseits nicht etwa nur «mythologisches. Gewand, das :rp.an abstreifen könnte, um das Evangelium zu «entmythologisieren». Aber anderseits möchten wir im Hinblick auf die nachstehenden Kapitel und die gegen unsere dort in der ersten Auflage des Buches durchgeführte Sicht erhobenen Einwände nochmals betonen, dass es nicht einen Fall in «allegorische» Auslegung bedeutet; wenn man im einzelnen nachzuweisen versucht, wie der Verfasser von den verschiedenen Begebenheiten des Lebens Jesu aus die Identität des inkarnierten mit dem verherrlichten, z. B. in den Sakramenten gegenwärtigen Christus aufzeigt. Unerlaubte Allegorese würde nur dann vorliegen, wenn die Realität des historischen Sinnes bestritten oder seine Rolle auf den Bildcharakter reduziert würde. Dies ist aber hei der hier durchgeführten Betrachtungsweise nicht der Fall. Anderseits wäre das Aufsuchen einer über das einmalige Geschehen hinausgehenden Bedeutung als «allegorisches» Verfahren dann abzulehnen, wenn es sich um ein Dokument handelte, das erwiesenermassen nur jenes eine Geschehen darstellen wollte. Wir haben jedoch gesehen, dass das J ohannesevangelium an so zahlreichen Stellen auf die Notwendigkeit eines Doppelverständnisses hinweist, dass das Aufsuchen auch des nicht ausgesprochenen tiefem Sinnes geradezu zum Prinzip der Erklärung die ses Evangeliums zu erheben ist. Das tiefere Verständnis, von dem hier die Rede ist, bezieht sich auf den Zusammenhang des historischen Lebens Jesu mit der gesam t e n Heilsgeschichte. Damit ist schon gesagt, dass es falsch wäre, zu meinen, die Linie sei nur zu einem einzigen Punkte dieses Geschehens zu ziehen. Vielmehr weist die eine Perikope etwa auf die vor der Inkarnation Jesu liegenden Ereignisse, die andere auf das Geschehen in der Gemeinde der Gegenwart des Evangelisten hin. Wir haben gesehen, es kommt vor, dass an einer und derselben Stelle verschiedene Hinweise vorliegen. Wenn wir in den folgenden Kapiteln dem Zweck dieser Abhandlung entsprechend speziell ein an besonders zahlreichen Stellen vorhandenes Interesse für den Gottesdienst der gegenwärtigen Gemeinde aufzeigen, so soll damit keineswegs etwa gesagt sein, dass nach der Absicht des Evangelisten nur diese eine Beziehung herzustellen wäre. Es ist vielmehr so, dass ähnliche Arbeiten wie die vorliegende über an-
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dere heils geschichtliche Verknüpfungen des Leb e n s J e s u z u s c h r e i ben w ä ren. Ich denke etwa an die Beziehung zum Alten Testament, die ja hier in dieser besonderen johanneischen Art unter dem Gesichtswinkel der nachträglichen «Erinnerung» gesehen ist, oder etwa an die BeQ:iehung des Lebens Jesu zu den zur Zeit des Evangelisten besonders aktuellen Haeresien, der doketischen und besonders derjenigen, die sich auf J ohannes den Täufer beruft. Mit dieser Anerkennung der Tatsache, dass hier nur ein - allerdings sehr wichtiges - Teilproblem der ganzen Frage nach dem heilsgeschichtlichen Sinn der historischen Einzeltatsachen behandelt wird, erledigt sich im voraus der Einwand W. Michaelis',t7) dass auch nach meiner These doch nur in einer Reihe von Kapiteln, nicht in allen, das Interesse für den Gottesdienst vorhanden sei. Wir haben gesehen, dass die Leben-Jesu-Darstellung unseres Evangelisten weitgehend auf einer Zusammenschau des historischen Jesus und des in der Gemeinde gegenwärtigen Herrn beruht. Die Gegenwart Christi in seiner Gemeinde äussert sich konkret im Gottesdienst. Dieser aber stellt sich, wie wir in der vorstehenden Arbeit über die Grundzüge des urchristlichen Gottesdienstes gesehen haben, immer entweder als Mahlfeier oder als Taufe dar. Wir haben festgestellt, dass es - jedenfalls in der Regel - keinen andern Rahmen für die verschiedenen gottesdienstlichen Elemente gibt. Dafür werden wir eine indirekte Bestätigung im J ohannesevangelium finden. das die beiden Sakramente in ihrer Zusammengehörigkeit offenbar als Ausdruck allen gottesdienstlichen Lebens der Urgemeinde betrachtet und -demgemäss die Beziehung herstellt zwischen dem b e S 0 n ders in diesen beiden Sakramenten gegenwärtigen Herrn der Gemeinde und dem Leben Jesu. Da, wie bereits bemerkt, in der vorliegenden Arbeit k ein e voll s t ä n d i g e E x e g e s e der in Betracht kommenden Perikopen geboten werden soll, müssen wir die Erklärung der berichteten Tatsachen als solche vielfach voraussetzen. Wir wollen hier nur das gottesdienstliche Interesse aufzeigen, um dessentwillen die Einzeltatsachen vom Evangelisten mitgeteilt werden. Allerdings soll dies von den Resultaten der Exegese aus geschehen. 17)
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op. eit. S. 16 u. 33.
Dass wir in dieser Hinsicht eine Linie durch die entscheidenden Erzählungen des Evangeliums hindurch verfolgen können und uns nicht nur mit sporadisch auftauchenden Anspielungen begnügen müssen, scheint mir die hier vertretene Betrachtungsweise zu rechtfertigen. Sie steht allerdings in völligem Widerspruch zu dem neuesten Kommentar des Johannesevangeliums, demjenigen Rudolf Bultmanns,18) der die Beziehungen zu Taufe und Abendmahl sogar an den Stellen bestreitet, wo ihr Vorhandensein bisher von der Mehrzahl der Exegeten angenommen wurde. Das hängt damit zusammen, dass Bultmann allzu ausschliessIich nur das eine Motiv der Offenbarung durch das Wort im J ohannesevangelium durchgeführt sieht. 19 ) Dagegen ist die Erkenntnis des liturgischen Interesses unseres Evangeliums in der Exegese der alten Kirche in sehr weitgehendem Masse vorhanden und ist von den Kirchenvätern und von der altchristlichen Kunst bezeugt.20) In dieser werden nicht nur einzelne Szenen aus unserm Evangelium als Illustration der Sakramente ver18) R. Bultmann. Das Evangelium des Johannes. 1941. (Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament begr. von H. A. W. Meyer.) Eine Neuauflage wird demnächst erscheinen. Von bleibendem Wert ist die äusserst vollständige undgründli~he Verarbeitung der gesamten alten und neuen Literatur, die aus diesem Kommentar für lange Zeit geradezu ein unentbehrliches Nachschlagewerk über das Johannesevangelium machen wird. Wertvoll ist auch das Streben, überall wirklich den theologischen Gehalt der Erzählungen zu erfassen, wenn auch gerade in dieser Hinsicht viele Fragezeichen zu setzen sind. Die Umstellung der Kapitel und Verse ist nicht so einleuchtend, dass es in einem so objektiven Kommentarwerk wie deDJ Meyerschen gerechtfertigt wäre, sie bereits als Einteilungsprinzip des zu kommentierenden Textes einzuführen. Das «Nachschlagen» ist jedenfalls hierdurch äusserst erschwert. 19) Für seine Ablehnung der Annahme irgendwelchen Interesses des Johannesevangeliums für die Sakramente sind besonders charakteristisch seine Ausführungen auf S. 360. Es sollte indes von vornherein zu denken geben, dass er sich gezwungen sieht, um seine Behauptung von der negativen Einstellung des Evangelisten zu den Sakramenten aufrechtzuerhalten, e n t s c h eid end eStelIen. wie wir sehen werden, als spätere Einschübe zu betrachten: Kap. 3,5; 6, 52b-58; 19, 34b-35. 20) Von neuern Forschern hat besonders C. T. Craig in seinem Aufsatz Sacramental interest in the fourth Gospel (Journal of Biblical Literature 1939, S. 31 fC.) in einigen Perikopen das Interesse des Evangelisten für die Sakramente aufgezeigt_ W. H. Raney. The Relation of the fourth Gospel to the Christian Cultus, 1933. versucht sogar, an Hand eines Vergleichs mit dem Rhythmus semitischer Hymnen die These durchzuführen, dass der Prolog, die johanneischen Reden und andere Stücke formal «Prosa-Hymnen» darstellen, die dazu bestimmt gewesen w·ären. von einem Chor als Praeludium oder Postludium zu der öffentlichen Verlesung der erzählenden Partien im Gottesdienst gesungen zu werden.
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wertet, sondern durch das ganze Mittelalter hat sich die Tradition erhalten, den Evangelisten Johannes seIhst mit dem Abendmahlskelch darzustellen.
2. Johannes der Täufer und die Taufe Jesu
Kap. 1,6--8. 15. 19--34. Auch in den Synoptikern steht Johannes der Täufer am Anfang des Evangeliums. Im vierten Evangelium ist die Abgrenzung seiner Tauftätigkeit gegenüber dem Handeln Christi schon im Prolog, dann in seiner Antwort an die jüdische Delegation und seinem daran angeschlossenen zweiten Zeugnis, nachher wiederum im Kap. 3, 22-36 in seinem letzten Zeugnis in einer Weise betont, die deutlich zeigt, dass es sich um ein besonderes Anliegen des Evangelisten handelt. Vom Taufen des Johannes und vom Getauftwerden Jesu aus soll hier die Linie zu der Taufe gezogen werden, die Christus gebracht hat und die in der christlichen Urgemeinde geüht wird. Das Gegenwartsinteresse des Evangelisten zeigt sich hier schon in der von der synoptischen abweichenden charakteristischen Darstellung.. Hätten wir im übrigen nur diese Täuferperikopen, so könnte ihre Beziehung auf die christliche Taufe problematisch scheinen. Nun werden wir aber durch das ganze Johannesevangelium hindurch ein merkwürdiges Interesse für das «Wasser» feststellen, und in diesem Zusammenhang müssen diese johanneischen Eingangsperikopen gelesen werden. 21 ) Nach Kap. 1,19-28 haben die Juden Priester und Levite n zum Täufer abgeordnet. Aus dieser Zusammensetzung der Delegation ist der gottesdienstliche Rahmen der Perikope von vornherein ersichtlich. Die Delegation besteht aus Spezialisten in gottesdienstlichen Reinheitsfragen. Der Täufer seIhst berichtet nachher, was bei der Taufe Jesu geschehen ist, und von da aus bezeichnet er Jesus als «Lamm Gottes, das der Welt Sünde fortnimmt». Damit wird, wie wir sehen werden, die Brocke zur positiven BedeUtung 21) Dies soll gerade im Hinblick auf dieses Kapitel im voraus betont werden, wo die von W. Michaelis, op. cit., gesetzten Fragezeichen in der ihm eigenen nur analytischen Sicht besonders berechtigt erscheinen mögen. Dass das Interesse an der Taufe sich mit andern Gegenwartsinteressen (hier mit der Bekämpfung der Täufersekte im a 11 g e m ein e n) verbindet, ist hier wie überall stumme Voraussetzung. (S. oben S. 57 f.)
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der christlichen Taufe geschlagen. Die Annahme, der Evangelist sehe im Getauftwerden Jesu einen Hinweis auf die Taufe der christlichen Gemeinde, heisst nichts anderes, als dass er den Sinn der Taufe Jesu richtig verstanden hat, denn sie ist tatsächlich die historische Grundlage der christlichen Taufe. 22 ) Zunächst aber gilt es, diese Christus-Taufe abzugrenzen. Schon der Prolog will zeigen, dass alles Taufen des Johannes nicht als selbständiger Akt in Betracht kommt, sondern nur als Hin w eis auf Christus. Zur Zeit des Verfassers hat es Leute gegeben, die dem Taufen des Johannes einen von Christus unabhängigen Wert beigemessen haben: die Jünger des Täufers, die nach dem Tode ihres Meisters behaupteten, Johannes der Täufer selbst sei der Christus, obwohl J ohannes zu seinen Lebzeiten niemals diesen Anspruch erhoben hatte. In den judenchristlichen Pseudoklementinen 23) hören wir, dass die Glieder dieser Sekte in der Tat lehrten, Johannes der Täufer sei der Messias. Die Leute, denen wir in Ephesus in der Apostelgeschichte 19, 3 begegnen und von denen es heisst, sie hätten nur die J ohannestaufe gekannt, gehören vielleicht auch hierher. Wir wissen ferner, dass in den mandäischen Schriften, deren Religionssystem als solches zwar ein spätes synkretistisches Produkt darstellt, aber auf einer frühem Stufe doch irgendwie mit der Sekte der Johannesjünger in Beziehung steht, J ohannes geradezu als Gegenspieler J esu erscheint, der als Lügenmessias bezeichnet wird. 24 ) Gegen solche Leute hatte das Urchristentum offenbar in der ältesten Zeit schon zu kämpfen, besonders wohl in Syrien, wo sich gnostische Tendenzen mit dem Anspruch der Johannesjünger verbunden haben. Das stellen wir in der pseudoklementinischen judenchristlichen Quellenschrift der K1)Q'vY/hara IIB'rl}ov fest. Im sogenannten Syzygienkanon wird hier das göttliche Geschehen in Form von aufeinanderfolgenden "Paaren» schematisiert, deren linkes Glied das böse Prinzip oder die falsche Prophetie, deren rechtes das gute Prinzip oder die wahre Prophetie darstellt. Es ist beachtenswert, dass J ohannes der Täufer hier unter den Ver22) S. dazu die Ausführungen in W. F. Flemington. The New Testament Doc· trine of Baptism, 1948, S. 29 ff. 23 Rec. I, 54, 60. 24) S. R. Bultmann. Die Bedeutung der neuersehlossenen mandäischen und manichäischen Quellen für das Verständnis des lohannes-Evangeliums in Z N W 1925, S. 100 ff.
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tretern der falschen Prophetie figuriert. 25) Das ist wohl der Niederschlag einer Polemik, die offenbar zwischen Judenchristen und lohannessekte stattgefunden hat. Dahei schiesst diese Polemik offensichtlich üher das Ziel hinaus, insofern ja J ohannes der Täufer seIhst für die falsche Wertung seiner Person von Seiten seiner Anhänger nicht verantwortli.ch zu machen ist. Das Johannesevangelium, dem es auch darauf ankommt, jene falsche Auffassung der Rolle des Täufers zu hekämpfen, ist nicht in den Fehler der Judenchristen verfallen. Wohl aher hetont es mit hesonderm Nachdruck, dass jene falsche Beurteilung der Absicht des Täufers seIhst radikal widerspricht. Aus diesem Grunde redet in diesem Evangelium sogar im Bericht üher die Taufe Jesu nicht der Verfasser seIher wie hei den Synoptikern, sondern er lässt den Täufer reden. Bereits im Prolog ist alles auf diese Abzweckung des Täuferzeugnisses ausgerichtet. 26 ) Schon hier, wo vom ewigen Logos, dem wahren Licht, die Rede ist, erscheint Johannes der Täufer, und zwar wird üher ihn ausgesagt, er sei n ich t das Licht. Vielmehr komme er nur in Betracht als Zeuge. Auch das seheinbare Vorrecht der chronologischen Priorität, das die Johannesjünger wohl hesonders gern ausspielten, lehnt der Täufer seIhst am Ende des Prologs energisch ah: «der nach mir kommt, ist vor mir gewesen, denn als erster war er vor mir» (V. 15 und 30).27) Das Täuferzeugnis; das in der Perikope von der jüdischen Gesandtsehaft enthalten ist, weist mit hesonderer Betonung (V. 20) jene falsche Wertung der Funktion des Täufers ah. 28 ) Der Evan25) Ps. Clem. Horn. 11,17. Diese Stelle wird nie genügend beachtet. S. dazu O. Cullmann. Le probleme litteraire et historique du roman pseudoclementin. 1930. S.89 und 240 ff. 26) Das hat besonders klar schon W. Baldensperger. Der Prolog des vierten Evangeliums, 1898, gezeigt. 27) Es ist interessant, dass die pseudoklementinischen K'Y/lllJ'Yf-tar;a IIsr;[Jov auch dieses chronologische Argument geradezu gegen Johannes den Täufer kehren. In dem schon erwähnten Syzygienkanon (s. oben S. 61) gilt nämlich für die Zeit nach Adam folgendes Prinzip: innerhalb eines jeden Paares stellt immer das Glied, welches zuerst kommt, die falsche Prophetie dar; das, welches nachher kommt, die wahre: Kain vor Abel, Ismael vor Isaak, Esau vor Jakob, Paulus vor Petrus, der Antichrist vor Christus. So auch Johannes der Täufer, der «Vor· läufer» (n[Joooo~ Horn. 11, 23) vor dem Menschensohn (s. auch Hom. 11, 17). S. dazu O. Cullmann. Le probleme litteraire et historique du roman pseudoclementin, S. 240 f. und cO on{Gw f-tov $/)xof-t13VO!; in Coniectanea Neotestamentica in honorem A. Fridrichsen, 1947, S. 26 ff. 28) Wf-tOJ"OY'lJG8V xa~ o'öx 1j[Jv1jGar;o xai Wf-tOJ,,0YrJG8V ön Ilyw O'Öx etf-ti 0 X[Jwr;o!;.
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gelist findet gar nicht Worte genug, um es den Lesern einzuhämmern, dass der historische J ohannes der Täufer nichts davon wissen wollte, unabhängig von dem «nach ihm Kommenden" seine Mission zu erfüllen: «er bekannte es und er leugnete es nicht, und er bekannte es".29) Wir sehen schon hier, wie im Johannesevangelium von der Gegenwart des Verfassers, von der Gegenwart der Urgemeinde, die Linie zurückgeführt wird in die Zeit der Inkarnation J esu. Es han· delt sich schon hier um die Taufe, und zwar zunächst um die A b lehnung eines Weiterbestehens der Johannestau f e, nachdem Christus die Geistestaufe gebracht hat. Durch den Mund des Täufers selbst wird dieses Fortbestehen bekämpft. Wo Christus zugegen ist, da gibt es keine Taufe der Vorbereitung mehr. Das Zeugnis des Täufers enthält aber bereits auch den pos i t i v e n Hinweis auf die christliche Taufe, deren Wesen es ist, dass zum Wasser der Gei s t hinzukommt. Diesen Hinweis kleidet der Täufer in der von V. 29 an folgenden Erzählung in die Form eines Berichts über die Taufe Jesu. Zunächst aber antwortet der Täufer auf die Frage der jüdischen Delegierten (V. 28), warum er tau f e, wenn er doch nicht der Messias und nicht der Elias und auch nicht der Prophet sei, im V.26: «Ich taufe mit Wasser, mitten unter euch steht der, welcher nach mir kommt ••. " Er sagt hier also noch nicht: der euch mit Geist taufen wird, wie im zweiten Zeugnis in V. 33 und wie bei Markus (I, 8), sondern als Gegenstück zu seinem Wassertaufen erwähnt er hier einfach nur die Tatsache, dass die Person des andern schon da ist. Dem tfapfen des Johannes wird zunächst nicht das Taufen Jesu, sondern seine Person gegenübergestellt. sO ) Der Gedanke, der hier vorerst nur implicite gegeben ist, ist der, dass der Sinn allen Taufens eben in der Per s 0 n Jesu selber erfüllt ist, und schon hier wird, wenn wir das Gegenwartsinteresse des 29) Sogar die Würde, Elias, der (am Ende kommende) Prophet, zu sein, die ihm in den Synoptikern von Jesus zugestanden wird (Matth. 11,14; 17,10-13), lehnt der Täufer seihst hier ab (V. 21). 30) Wenn W. Michaelis, op. cit. S. 2, mir ausdrücklich darin zustimmt, dass es sich in dieser Perikope «Um die Ablehnung eines Weiterbestehens der Johan. nestaufe handle~, so sollte er doch wohl auch darin mit mir einig sein, dass es auch hier das Taufen des Johannes und nicht nur seiner Person ist (wie er S. 4 schreibt), die im Vordergrund des Interesses steht, zumal auch die Person Jesu in der folgenden Perikope (S. dazu Anm. 31) die Person des (auf seinen Tod) g eta u ft e n Christus ist.
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Evangelisten an diesem ganzen Abschnitt richtig bestimmt haben, angedeutet, dass die christliche Taufe ganz und gar an die Person Christi gebunden ist. Darum ist sie Geistestaufe. Christus hat el'8t die wahre Taufe geschaffen, und zwar, wie wir nun in den folgen. den Versen sehen, indem er selbst auf seinen Tod getauft worden ist: darauf, dass er sein Leben für die Sünden der andern hingibt. Die Bindung der christlichen Taufe an den Tod C h r ist i ist hier im Zusammenhang des Täuferberichts über Jesu eigene Taufe angedeutet in der Bezeichnung Jesu durch den Täufer (V. 29): «Siehe, das La m m Go t t es, das die Sünde der Welt fort· nimmt.» Wenn der Evangelist diesen Bericht auf die Erzählung von der jüdischen Delegation an den Täufer folgen lässt, so genügt es nicht, dies mit der synoptischen Stoffanordnung zu erklären, viel. mehr muss er zwischen beiden eine innere Verbindung gesehen haben. Sie kann nur darin bestehen, dass die Tätigkeit des Täufers, also seine Wassertaufe, mit der hier als Todestaufe interpretierten Taufe Jesu konfrontiert wird, und zwar so, dass beide Male der Täu· fer selbst als Zeuge auftritt. 31) Schon die synoptische Geschichte von der Taufe Jesu hat den tiefern Sinn, dass Jesus bei seiner ~aufe der Auftrag zuteil wird, die Rolle des stellvertretend für sein V o!k leidenden Gottesknechts zu übernehmen. Denn die Gottesstimme gibt ja ein Wort wieder, das in Jesaja 42, I an den leidenden Gottesknecht, den Ebed J ahve, gerichtet ist. 32) Diese Beziehung zu J es. 42, ] ist im Johannesevangelium noch deutlicher, denn hier wird in V.34 - jedenfalls nach der Lesart des Sinaiticus, altlateinischer und der altsyrischen Uebersetzungen - das Wort präziser zitiert: «dieser ist der 8UAB",.6~ Gottes. So wird nämlich nach der Septuagintaübersetzung der Ebed Jahve an dieser Stelle angeredet. 33 ) Während durch die 31) Die Bemerkung W. Michaelis, op. eit. S. 4, es handle sich in Kap. 1,29 um einen neuen Abschnitt, trägt der johanneischen Eigenart in der Stoffanord. nung nicht Rechnung. 32) S. O. Cullmann. La signification du hapteme dans le Nouveau Testament in Revue de Theologie et de Philosophie (Lausanne) 1942, S. 121 ff. und Die Tauflehre des Neuen Testaments, 1948, S. 5 ff. S. vor allem S. 15 f. 33) 8UABU..6, ist Uebersetzung des hebr. be chi r i. - Die Lesart vt6~ stellt eine spätere Harmonisierung des Johannestextes mit dem Text der Synoptiker .dar. Die Lesart tuABU ..6~ nehmen auch A. Hamack. Studien zur Geschichte des N Ta und der alten Kirche 1931, S. 127 ff. und A. Loisy. Le quatrieme Evangile, 2. Aun. 1921 ad loc., als ursprünglich an. Aus "der Tatsache, dass die Perikope mit V.34 schliesst, ergibt sich nicht, wie W. Michaelis, op. cit. S. 3, meint, dass auch das Vorhergehende «nicht über den
Johannestaufe alle andern Juden sich nur für ihre eigenen Sünden taufen lassen, wird Christus hier der Auftrag zuteil, durch die von ihm zu erfüllende Mission des leidenden Gottesknechts sozusagen eine Generaltaufe vorzunehmen, die allen zu gute kommt und auf diese Weise die J ohannestaufe überflüssig macht. Im J ohannesevangelium ist dieser Gedanke nun in der Weise besonders betont, dass die Bezeichnung Christi als a{kvor; 7;OV -{hof! 6 atQwv 7;fJV d{kaQ'riav 7;OV %6r1{kOV als das Zentrum und der Höhepunkt des Täuferzeugnisses zwei Mal erscheint, im V. 29 vor dem Bericht über Jesu Taufe und gleich nachher im V.36, wo gerade auf dieses Zeugnis hin zwei der bisherigen Jünger des Johannes zu Jüngern Jesu werden. Allerdings scheint mit dem Ausdruck «Lamm Gottes, das der Welt Sünde fortschafft» in der griechischen Fassung eher an das Opferlamm gedacht zu sein, das die Sünden weg n i m m t (alQ8w) als an den leidenden Gottesknecht, der sie t r ä g t (rpSl'cl'll). Aber es handelt sich da um verwandte Gedanken. 34 ) Ausserdem ist daran zu erinnern, dass in J es. 53, 7 der Gottesknecht mit einem Lamme ver g I ich e n wird: «wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird ... » Endlich ist sehr zu beachten, dass das aramäische Wort für «L a m m» N'Sro zugleich die Bedeutung von « K n e c h t» hat. Wenn, wie Schlatter schon zu beweisen versucht hat 35) und C. F. Burney 36) auf Grund einer sorgfältigen philologischen Untersuchung wahrscheinlich gemacht hat, die Muttersprache des Verfassers des J ohannesevangeliums wirklich das Aramäische ist, so hätten wir hier einen weiteren Beleg dafür, dass mit dem «Lamm Gottes»37) der Ebed Jahve gemeint ist, auf den gerade bei der Taufe durch die Taufe Jesu gebildeten Zusammenhang hinausgeht». Gerade wenn wir die Lesart 8%18%7;6r; hier als ursprünglich ansehen, so entspricht dieser Schluss· vers 34 mit seinem Hinweis auf den leidenden Gottesknecht genau dem Eingangs. vers 29 mit der Bezeichnung Jesu als des «Lammes Gottes», und diese Umrah· mung zeigt an, dass es dem Evangelisten darauf ankommt, als S i n n des Getauft. werdens Jesu die Beziehung zu seinem Tod zu betonen. Dabei darf die pole. mische Tendenz, die sich durch dieses g a n z e Kapitel hindurchzieht, nicht ver· gessen werden: die Wassertaufe des Johannes als endgültig überholt hinzustellen. 34) S. dazu besonders Strack.Billerbeck. Kommentar z. N. T. aus Talmud und Midrasch. Bd. n S. 367 ff. 35) A. Schlatter. Sprache und Heimat des vierten Evangelisten. 1902. 36) C. F. Burney. The Aramaic Origin of the Fourth Gospel 1922. 37) Der Genitiv 7;OV 1}80V passt ohnehin nicht zum Opferlamm, wohl aber zum Ehed Jahve.
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Jesu die Gottesstimme hinweist. 38 ) Auch das aramäische Verbum r,ro" das nach Strack-Billerbeck 39) als Aequivalent für al(!8W in Betracht kommt, passt sowohl zum Opferlamm, das die Sünde «fortschafft», als zum leidenden Gottesknecht, der sie «trägt».40) So steht gleich am Eingang des J ohannesevangeliums der Hinweis auf die G r ü n dun g der c h r ist I ich e n Tau f e durch den, der als «Lamm» die Sünden der Welt fortschafft und so den Sinn allen Taufens erfüllt und die Taufe des Geistes gebracht hat. Diesen Geist hat der Täufer schon damals auf Jesus «herabsteigen und auf ihm ruhen sehen» (V. 32). Nur das Johannesevangelium betont, dass der Geist auf Jesus «ruhte»: 8fJ>l3we. Es kommt ihm darauf an, dass es sich nicht um eine bloss momentane Manifestation des Geistes handelte, sondern dass der Geist von dem, der von nun an die Geistestaufe bringen soll, in permanenter Weise Besitz ergriff. 41 ) So bezeugt das Johannesevangelium hier indirekt die Auffassung der christlichen Taufe als einer Taufe auf den Tod Christi 42), entsprechend der paulinischen Lehre von Röm. 6 und dem Sinn, den das Verbum «getauft werden» für Jesus schon in den synoptischen Logien hat, wenn er von seiner Taufe spricht: nämlich «sterben". (Mark. 10,39; Luk. 12, 50.) Das Taufsakrament verweist uns auf den Tod Christi: das ist ein Gedanke, dem wir im Johannesevangelium auch weiterhin begegnen werden. Zunächst aber folgt im 38) Auch E. Lohmeyer. Die Offenbarung des Johannes (Hdb. z. N. T.) 1926, neigt dazu, mit Bumey, U{!,v{o'Vals die Uebersetzung für das aramäische N'S~ anzusehen. Die Erwägung R. Bultmanns, op. eit. S. 67, dass das aramäische N':lV näher gelegen hätte, ist kein genügender Gegengrund. 39) Kommentar z. N. T. aus Talmud und Midrasch. Bd. II S. 370. 40) Das griechische Verbum alQ8w kann übrigens gelegentlich den Sinn von tp8(!8W annehmen; im Johannesevangelium bedeutet es allerdings «fortnehmen:., in der LXX steht in Jes. 53,4.11. 12 nicht alQsuv, sondern (u'Va)tp8Qsw. Aber auch 1. leremUui in Th. Wb. z. N. T. Bd. I, S. 343, neigt dazu, von der Uebersetzung des EvangelisteIl ufJ>'V6r; die urs p r ü n gl ich e Beziehung auf den Gottesknecht, aramäisch N'S::-, zu unterscheiden. S. auch seinen Artikel «'AfJ>'Vor; 'rOv -&sov - nalr; ,{}sov» (Zeitschr. für die N. T. Wissenschaft 1935, S. 115). 41) Es ist sehr zu beachten, dass es gerade in dem von der Gottesstimme zitierten Vers Jes. 42,1 weiter heisst: «ich habe ihm (dem Ebed Jahve) meinen Gei s t gegeben». 42) Gegenüber W. Michaelis' Bestreitung der Beziehung unseres Abschnitts zur christlichen Taufe sollen hier nochmals zwei Tatsachen betont werden: 1. dass die Taufe Jesu mit dem Hinweis auf das «Lamm Gottes» deutlich so dargestellt ist, dass sie als Grundlegung einer Taufe erscheint, die durch Christi Tod erst verwirklicht wird. 2. dass der hier als Täuferzeugnis mitgeteilte Bericht über Jesu Taufe aufs engste mit der polemischen Absicht verknüpft ist, das Weiterbestehen der Johannestaufe zu bekämpfen.
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Kap. 2 eine Perikope, in der die MahHeier ihrerseits in Beziehung zum Tod Christi gesetzt wird. So wie die christliche Taufe der Johannestaufe gegenüber abgegrenzt wird, so wird nun das Abendmahl gegenüber der jüdischen «Reinigung» abgegrenzt.
3. Die Hochzeit zu Kana. Kap. 2, 1-11. Es gehört zum johanneischen «Wunder,., zum 0'YJfU;[O'V, dass in besonderer Weise in der materiellen historischen Tatsache ein Hinweis auf das in der Gemeinde fortdauernde Christusgeschehen beschlossen ist. Wir haben hier auszugehen von der Antwort, die JesU8 in V.4 gibt: «meine Stunde ist noch nicht gekommen». Was für eine Stunde ist hier gemeint? Es ist offenkundig nicht die Stunde der Verwandlung des materiellen Wassers in materiellen Wein, denn dazu ist die Stunde ja gekommen. Es ist zu bemerken, dass dieses Wort vom Kommen der Stunde im J ohannesevangelium nicht nur hier steht, sondern noch mehrere Male vorkommt. Zunächst Kap. 7, 30: die Juden suchten ihn zu ergreifen, und niemand legte Hand an ihn, denn sei n e S tun d e war n 0 c h nie h t g e kom m e n. Die Stunde, die hier gemeint ist, ist offenbar die Stunde des Todes Jesu. Dann Kap. 8,20: «Jesus sagte diese Worte, als er im Tempel lehrte, am Orte, wo der Schatz war, und niemand ergriff ihn, denn sei n e S tun d e war n 0 c h nie h t g e kom me n.,. Auch hier ist klar, dass die noch nicht gekommene Stunde die Todesstunde J esu ist. Ferner Kap. 12,23: J esus antwortete ihnen: «Die S tun dei s t ge kom m e n, wo der Menschensohn verherrlicht werden soll." Das Verherrlichtwerden Jesu fällt im Johannesevangelium zusammen mit seinem Sterben. Weiter Kap. 13, I: "Vor dem Osterfest, da J esus wusste, dass sei n e S tun d e g e kom me n war, wo er aus dieser Welt fortgehen sollte zum Vater ... " Wiederum handelt es sich um die Todesstunde. Endlich Kap. 17, I, am Anfang des hohenpriesterlichen Gebets: « Vater, die S tun d e ist ge kom m e n! Verherrliche deinen Sohn!» Es besteht kein Zweifel, dass auch hier die Todesstunde gemeint ist. Wir haben dann noch die folgende Stelle hinzuzunehmen, die das bisherige Ergebnis bestätigt: Kap. 7, 1-10. Dieser Abschnitt enthält in V. 6 den Satz: m ein e Z e i t ist n 0 c h nie h t d a.
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Obwohl hier nicht w(la, sondern xat(lor; steht, ist der Sinn der gleiche. Es handelt sich um. die Zeit, «hinaufzuziehen nach J erusalem zum Fest,., und Jesus denkt an sein letztes Hinaufziehen nach Jernsalem zum Leiden. Die Perikope stellt überhaupt eine Analogie zur Kanageschichte dar. In dieser ist es die Mutter, die Jesus nahelegt, seine messianische Herrlichkeit durch ein Wunder zu bekunden; in Kap. 7, 1 ff. sind es die BrüderJesu, also auch Vertreter seiner Familie, die ihn auffordern, sich nach J erusalem zu begeben, um öffentlich durch seine Werke seine Herrlichkeit zu offenbaren. In der Kanageschichte weigert sich Jesus, den Willen der Mutter zu erfüllen, und er gibt als Motiv an: meine Stunde ist noch nicht gekommen. Ebenso weigert er sich in Kap. 7, den Willen seiner Brüder auszuführen, und er gibt als Motiv seiner Weigerung an: Ich gehe noch nicht auf dieses Fest, meine Zeit ist noch nicht da. Es kann nur die Zeit gemeint sein, wo J esus seine 1 e t z t e Reise nach J erusalem unternehmen wird, wo er durch seinen Tod verherrlicht wird. Die Analogie geht noch weiter. Inder Erzählung von der Hochzeit zu Kana wird Jesus den Wunsch seiner Mutter, den er soeben zurückgewiesen hat, dann doch erfüllen. Der Widerspruch ist nur scheinbar. Denn die Weigerung hat sich darauf bezogen, dass die Mutter die Verwandlung des dort stehenden Wassers in Wein als ein sich seIhst genügendes Wunder angesehen hat, während Jesus in ihm den Hinweis auf ein grösseres Wunder sieht, das er jetzt noch nicht vollhringen wird, da die «Stunde dazu noch nicht gekommen ist». So vollhringt er zwar jetzt doch schon das materielle Wunder, aber eben nur als Zeichen jenes kommenden. Genau das gleiche stellen wir in Kap. 7, 1 ff. fest. Trotzdem Jesus sich geweigert hat, der Aufforderung seiner Brüder nachzukommen, jetzt schon nach J erusalem hinaufzugehen, wird er ihr doch Folge leisten. 43 ) Auch hier hat sich die Weigerung darauf bezogen, dass die Jünger diese Jerusalemreise schon als eine endgültige angesehen haben, bei der die Proklamierung seiner Herrlichkeit stattfinden soll. J esus dagegen sieht in ihr nur ein Vorzeichen auf das spätere Hinaufziehen,44) denn die 43) R. Bultmann, op. cit. will den Widerspruch literarisch durch die Annahme lösen, der Evangelist habe in 7,1-13 ein Traditionsstück zugrunde gelegt, näm· lieh die Einleitung zu einer Wundergeschichte. 44) W. BaueT. Das Johannesevangelium (Hdb. z. N. T., herausgegebe.n von H. Lietzmann), 3. Auflage 1933, S.108, schlägt vor, das Verbumlwaßalv8wm V.8 in einem Doppelsinne zu verstehen: «hinaufsteigen zum Fest» und «hinaufsteigen
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endgültige J erusalemreise zur Offenbarung seiner Herrlichkeit kann nur das Leiden zum Ziele haben. Wenn er sich also schon jetzt dem Wunsche der Brüder gemäss nach Jerusalem begibt, so geschieht dies vorerst nur iliq 8V uQvmQi, es soll lediglich ein Hinweis auf die spätere Jerusalemreise sein, wo er, anders als die Brüder es sich vorstellen, hinaufziehen wird zur Verherrlichung durch das Todesleiden, dann nämlich, wenn «die Zeit da sein wird». Zu beachten ist endlich noch eine weitere Analogie: es handelt sich in. Kap. 7 um ein jüdisches Fest, im Kap. 2, 6 ist ein Reinigungsakt erwähnt. Der Hinweis auf den jüdischen Gottesdienst, der durch den Tod Christi in ganz neuer Weise bestimmt wird, ist also beiden Perikopen gemeinsam. Vorläufig kommt es aber hauptsächlich darauf an, festzustellen, dass die «noch nicht gekommene Zeit» auch in dieser so ganz verwandten Geschichte die Zeit der Todesverherrlichung Christi ist. Nachdem der Sinn der Worte «meine Stunde ist noch nicht gekommen» nunmehr feststeht,45) können wir fortfahren und fragen, was mit Was s e run d W ein gemeint ist, da es ja zum Wesen des J ohannesevangeliums gehört, dass Worte in einem Doppelsinn gebraucht werden, dass sie einerseits eine materielle Sache bedeuten, anderseits hindeuten auf etwas anderes. So werden wir auch im Gespräch mit der Samariterin, Kap. 4, 7 ff., feststellen, dass das Wort «Wasser» ausser dem Wortsinn dort ebenfalls noch einen andern Sinn einschliesst, und in der Geschichte vom Speisungswunder, Kap. 6, werden wir sehen, dass auch das Brot einen Doppelsinn aufweist, insofern es sich einerseits um materielles Brot, anderseits um das Brot der Eucharistie handelt. Das Speisungswun~er in Kap. 6 stellt das gen aue Gegenstück zum Kanawunder dar. Dort ein Brotwunder, hier ein Weinwunder, dort zum Himmel». Das würde jedenfalls der johanneischen Art durchaus entspre· ehen. -.-: Ueherhaupt ist im Bauerschen Kommentar der Rolle der Doppelhedeu. tung verschiedener Wörter die richtige Beachtung geschenkt. 45) W. Miclwelis, op. cit. S.5, setzt auch hinter diese Bestimmung der Bedeu· tung der «Stunde» Fragezeichen, erkerillt aher an, dass hier meinen «Argumenten eine gewisse Stärke nicht ahgesprochen werden» könne (S. 6). R. Bultmann, op. cit. S. 85, zieht aus der inhaltlichen Uehereinstimmung in den Texten, die von der gekommenen oder nicht gekommenen Stunde handeln, nur den Schluss, dass «für alle Ratlosigkeit des Menschen im Wunder der Offenharung die Hilfe gegehen sei». Aher mit dieser formalen Bestimmung ist die Beziehung unserer Geschichte zur Todesstunde doch nicht genügend in Betracht gezogen.
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ein Speisungswunder, hier ein Trinkwunder. Wenn wir in Betracht ziehen, dass die Kanageschichte durch das Wort von der noch nicht gekommenen Stunde von dem Evangelisten als Hin w eis auf den Tod C h r ist i angesehen wird, dass ferner in Kap. 6 das Brot auf das Ahendmahlsbrot bezogen wird, so liegt die Erklärung mehr als nahe, dass mit dem Wein auf das in der MahHeier dargereichte Blut Christi hingedeutet werden soll. Weil die Mutter diesen Sinn des Wunders noch nicht begreifen kann, spricht Jesus wohl zu ihr 1:l ~{kO~ :Ka~ (Jol rvva~. Das würde dann heissen: du teilst noch die jüdische Auffassung von der Verherrlichung.46) Mein Mes· siasberuf ist mir von Gott gesetzt, meine Stunde ist .noch nicht gekommen, wo das Wasser in Wein verwandelt wird, nämlich die Todesstunde, wo a m Kr e u z der G run d zur E u c h a r i . s t i e gel e g t wir d. Dann ist also der Wein Hinweis auf den Wein des Abendmahls, d. h. das Blut, das Christus zur Vergebung der Sünden vergiesst. 47 ) Was bedeutet dann hier das Wasscr? Die Antwort ist durch den V.6 nahegelegt. Danach sind die Wasserkrüge zur c Re i n i gun g der J u den,. bestimmt. Damit ist die gottesdienstliche Beziehung 46) Es ist hier W. Michaelis ohne weiteres zuzugehen, dass in Jesu Antwort «das völlige Ueberspringen des Gliedes, das [nach meiner Annahme] vom materiellen Wunder zu reden hätte» (op. cit. S. 6 f.), überraschend ist. Aber entspricht solche verkürzte Argumentation nicht im allgemeinen der Art der johanneischen Reden Jesu? Ich verweise hier etwa auf meine Ausführungen über die Doppel. bedeutung johanneischer Ausdrücke. Würde man z. B. die Beziehung des jl1pru1Jvijva, in Kap. 3,14 auf Christi Kreuzigung (und nicht nur auf seine Verherrlichung) nicht als willkürliche Konstruktion empfinden, wenn wir nicht zufällig in diesem Falle an ga n z an der e r S tell e, in Kap. 12,32, diese Erklärung erhielten? Ich kann daher W. Michaelis auch nicht beistimmen, wenn er hinsichtlich meiner Deutung des Weines auf den Abendmahlswein schreibt (S. 7), der Evan· gelist pflege «unmissverständlich», wenn schon nur andeutend, zu reden. Wohl gibt er an manchen Stellen die Erklärung selber, an andern überlässt er dies jedoch den Lesern und - den Exegeten. S. dazu im übrigen das Kapitel über die Absicht des Evangelisten S. 39 ff. 47) Diese Erklärung tut R. Bultmann, op. eit. S.84, mit der Bemerkung ab, «das Blut Jesu spiele bei Johannes kaum eine Rolle». Gemäss dem Schema, das er auf das ganze Evangelium anwendet, ist die Gahe des Weines «lesu Gabe als ganze», Jesus «als Offenbarer». Dagegen ist die Beziehung zum Ahendmahl richtig erkannt von Maurice Goguel. L'Eucharistie des origines a Justin Martyr, 1910. S. 196. Ebenso u. a. von Walt:" Bauer. Das Johannesevangelium (Hdb. z. N. T.) 1933, S. 46, und von C. T. Cralg. Sacramental interest in the fourth Gospel (Journal of Bihlical Literature 1939, S. 31 ff.). - Von den Kirchenvätern, die in diesem Wunder einen Hinw'eis ~uf die Eucharistie sehen, sind zu nennen Cyrill von lerusalem (Catech. XXII. Mystag. IV,12, S. Migue P. G. 33, co!. 1098) und Cyprian (Ep. 63, 12. S. Migne
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unserer Geschichte gegeben. 48 ) Wasser dient bis dahin zu Reinigungsriten der Juden. An Stelle aller dieser Riten tritt nunmehr der Abendmablswein, das Blut Christi. Die Reinigung von den Sünden erfolgt jetzt nicht mehr durch Befolgung jener Vorschriften, sondern im Abendmahl, in dem Christus, das «Lamm Gottes,., die Vergebung der Sünden durch seinen Kreuzestod den Gläubigen anbietet. Das ist das andere Kanawunder, auf das im materiellen Wunder hingewiesen wird. Es liesse sich überhaupt zeigen, dass die Sakramente für die Kirche das gleiche bedeuten wie die Wunder des historischen Jesus für dessen Zeitgenossen.49 ) Wie in der vorherbehandelten Perikope vom Täuferzeugnis wird hier von der materiellen historischen Tatsache aus eine Gegenwartsfrage des urgemeindJichen Lebens, und im besonderen des gottesdienstlichen Lebens, beantwortet.50 ) So wie dort die Taufe des Johannes im Tod Christi des Lammes, der die Sünden der Welt fortnimmt (trägt), ersetzt wird durch eine neue Geisttaufe, in der die Sündenvergebung an Christi Tod gebunden ist, so werden hier P. L. 4, col. 383). Im Missale Gothicum (Migne P. L. 72, col. 242) heisst es: «Der Erlöser und Herr möge den Wein des Opfers in sein Blut verwandeln, wie er einst Wasser in Wein verwandelt hat.» Die bildliche Darstellung in der Kata. kombe S. Pietro e MarceIIino (Wilpert T. 57) aus der 1. Hälfte des 3. Jahrhun. derts ist mit der Darstellung des Quellwunders Moses, des Symbols der Taure, verbunden. 48) Diese hat auch Karl Ludwig Schmidt erkannt in seinem Aufsatz «Der johauneische Charakter der Erzählung vom Hochzeits1yunder in Kana» (HarnackEhrung. Beiträge zur Kirchengeschichte 1921, S. 22 ff.). Allerdings deutet er die Geschichte nicht auf das Abendmahl, sondern die Taufe Christi, die hier als Taufe des Geistes (Wein) der Wassertaufe der Johannesjünger gegenübergestellt wäre, wobei auch der Gegensatz zu den jüdischen Riten mitschwinge. Obwohl diese Erklärung den Vorzug hat, einen besonders engen Zusammenhang zur Polemik gegen die Täufersekte zu schaffen, wie wir sie im 1. Kap. schon festgestellt haben, liegt doch die Deutung des Weins auf das Abendmahl viel näher, zumal dann auch hier der von K. L. Schmidt in allen johanneischen Wundern richtig hervorgehobene Gedanke, dass Christus das, was er b r i n g t, selber ist, noch deutlicher zum Ausdruck kommt. 49) Dass trotzdem o'Y}/-teio'll nur Bezeichnung für den Hin w eis aufs Sakrament, nicht für «Sakrament» selber ist, zeigt E. Gaugler. Das Abendmahl im Neuen Testament, 1943, S. 8 f. . 50) Dass genau wie in Kap. 6 dem Verfasser aus der Evangelientradition eine Geschichte vorgelegen hat, die nur das materielle Wunder berichtet, macht es verständlich, dass Nebenzüge vorhanden sind, die sich nicht sakramental ausdeuten lassen. Das Stehenhleiben solcher Nebenzüge, das W. Michaelis unter der Voraussetzung meiner Erklärung als «fast unerträglich» empfindet (op. cit. S.8), entkräftet diese also in Wirklichkeit nicht. Es ist ebensowenig ein Gegenargument wie die von W. Michaelis op. eit. S. 9 hervorgehobene Inkongruenz zwischen Wasser zum Reinigen und Wasser zum Trinken.
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die jüdischen Reinigungsvorschriften ersetzt durch die Reinigung, die Christus am Kreuz vollbracht hat und im Wein des Sakraments den Gläubigen anbietet. 51 ) Noch eine weitere Beziehung des Kanawunders zur Eucharistie lässt sich aufzeigen. Nach urchristlicher Auffassung ist die Mahlfeier Vorwegnahme des von den Juden erwarteten 52) messianischen Mahles. In der Johannesoffenbarung Kap. 3,20 ist beides zusammengesehen: «Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe. Wenn einer meine Stimme hört, werde ich bei ihm eintreten, und ich werde mit ihm essen, und er mit mir.» Wir haben ja gesehen, dass es sich ur8prünglich um ein Zusammenessen mit Christus auch in der Eucharistie handelt. 53) So liegt wohl auch hier an dieser Stelle des Evangeliums dieser Gedanke an das messianische Mahl vor. Das Hochzeitsmahl zu Kana ist Hinweis auf das eucharistische Mahl, das seinerseits Vorwegnahme des messianischen Mahles ist. Taufe und Abendmahl: das einmalige und das wiederholhare Vergebungssakrament, beide aber in der gleichen Weise gebunden an den Kreuzestod Christi. Diesen Sinn beider Sakramente sieht der Evangelist vorgezeichnet in Tatsachen des Lebens Jesu. So schliesst sich die Kanageschichte inhaltlich direkt an das Täuferzeugnis des vorhergehenden Kapitels an. Aber auch die nun folgende Geschichte von der Tempelreinigung ist durch das gleiche Interesse am neuen christlichen Gottesdienst, in dem Christus in den Sakramenten weiterwirkt, mit der Kanageschichte verbunden.
4. Die Tempelreinigung. Kap. 2, 12-22. Von der Kultstätte, dem Tempel, ist hier die Rede. So wie die Johannestaufe und wie die jüdischen Reinigungsvorschriften als Mittel der Sündenvergebung abgelöst werden durch die Person Christi und zwar des Gekreuzigten, der in Taufe und Abendmahl der gläubigen Gemeinde gegenwärtig ist, so wird nach dem johanneischen Verständnis der Tempelreinigung der T e m p e I ku 1 t 51) Auch im Wort vom Weinstock, Kap. 15, 1, sieht der Evangelist eine Be· ziehung zum Abendmahlswein. S. unten S. 103. 52) S. z. B. Hen. 62,14---15. Weitere Texte bei F. Spitta. Zur Geschichte und Literatur des Urchristentums. 1. Bd. 1393 S. 269 ff. und A. Schweitzer. Die Mystik des Apostels Paulus, 1930, S. 232 ff. 53) S. oben S. 19 ff.
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selbst durch die Person Christi ersetzt: auf seinen gekreuzigten und am dritten Tage auferstandenen Leih weist das Tempelwort Jesu vom Abreissen und Wiederaufrichten hin (V. 19). Dabei ist im V. 22 vom Evangelisten ausdrücklich angedeutet, dass es sich bei diesem Hinweis auf den gekreuzigten und auferstandenen Leib Christi um ein nachträglich gewonnenes Verständnis jenes Wortes handelt: «als Jesus auferstanden war von den Toten, erinnerten sich seine Jünger daran, dass er dieses Wort gesprochen hatte. »54 ) Aehnlich hatte der Evangelist· im V. 17 angemerkt, dass die Jünger erst später erkannten, dass die Tat Jesu eine Erfüllung von Psalm 69,10 war. So wird also auch hier die Linie vom historischen Ereignis des Lebens J esu nach beiden Seiten, zur heilsgeschichtlichen Gegenwart und zur Vergangenheit., gezogen. Was für das ganze Johannesevangelium charakteristisch ist, an den meisten Stellen aber nur stillschweigend vorausgesetzt ist., wird hier vom Evangelisten ausdrücklich vermerkt. Was der johanneische Christus in Kap. 16, 12 verheisst: «ich habe euch noch viel zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommt, wird er euch leiten in alle Wahrheit», das sieht der Evangelist im Hinblick auf das neue Verständnis des Lehens J esu überall verwirklicht. 'Das in den Synoptikern in anderer Form und als falsches Zeugnis 55) erst im Prozess Jesu auftauchende Wort lautet hiec als echtes Tempelwort Jesu (V. 19) : «Zerstört diesen Tempel, und in drei Tagen werde ich ihn aufrichten.» Welches auch sein ursprünglicher Sinn sei,56) es ist wohl sicher, dass zur Zeit des Evangelisten die Beziehung des Bildes des Tempels auf die Gemeinde geläufig war: Markus denkt bei dem «nicht von Händen gefertigten» Tempel in Kap. 14, 58 wohl sicher an die Verwertung eines zumindest von ibm auf die Gemeinde gedeuteten Jesuslogions durch die falschen Zeugen. Ferner ist 2. Kor. 6, 16 zu erwähnen: «wir sind der Tempel des lebendigen Gottes», Eph. 2,21 und 1. Petr. 2, 5, wo von der Gemeinde als dem geistlichen Haus gesprochen wird. Aber darüber hinaus sieht Ueher dieses «Erinnern» s. oben S. 49. eyw xa?;aA.v()'w, Die Fälschung dürfte wohl in dem Per· sonenW'echsel liegen. Nach Mk. 13,2 hat Jesus die Zerstörung des Tempels vorhergesagt, nicht aher, dass er selbst das Abreissen vornehmen werde. 56) Wenn Jesus gesagt hat, er werde nach der Zerstörung des Tempels in 3 Tagen (= in einer kurzen Zeitspanne) einen (<
55) Mk. 14,57 f. par.
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der Evangelist hier noch tiefere Zusammenhänge im Lichte des Ostergeschehens. Nicht nur die Gemeinde, sondern den Lei b C h r ist i selber findet er im Wort vom Tempel bezeichnet. Dabei wird wohl die Auffassung von der Gemeinde als dem Leib Christi, die bei Paulus eine theologisch so grosse Bedeutung hat, gewiss auch hier vorliegen, so dass sich die Beziehung Tempel-Gemeinde-Leih Christi gut erklärt. 57 ) Durch die Verbindung mit dem Wort vom Abreissen und Wiederaufbauen wird nun dieser Leib als der Getötete und Auferstandene dem jüdischen Tempelkult gegenübergestellt. An Stelle des jüdischen Tempelgottesdienstes tritt der Gottesdienst, in dem der Gekreuzigte und Auferstandene die ganz zentrale Stelle einnimmt, die dem Tempel im jüdischen Gottesdienst zukommt. Die «Herrlichkeit», die c:Schekina,. Gottes ist nun nicht mehr an den Tempel gebunden, sondern wie der Prolog schon verkündet: diese göttliche d6~a ist jetzt erschienen in dem fleischgewordenen Wort. Auch die Antwort Jesu an Nathanael in Kap. 1,51 hatte mit ihrem Hinweis auf den Jakobstraum von der Leiter zu Bethel (Gen. 28,10 ff.) diesen Gedanken mitenthalten, dass die Brücke zwischen Himmel und Erde nicht mehr wie dort an einen Fleck Erde, einen 117) AuchE. C. Hoskyns, The fourth Gospel. Ed. F. N. Davey 1947, S. 196. bezieht den Gedanken an die Gemeinde in die Erklärung mit ein und charakte. risiert die Absicht des Evangelisten richtig, wenn er schreiht: «he expects his readers to read his book to the end» (S. 197). Wir haben W. Michaelis, op. eit. S. 10 f., 17 gegenüber schon oben S. 52 gezeigt, dass solche «Dreiecksbeziehungen~ durchaus der johanneischen Eigenart enteprechen (vgl. Joh. 3,14). Im übrigen meint W. Michaelis, op. cit. S. 11, die Unmöglicheit einer Bezie· hung des Tempelworts auch anf die Gemeinde mit der Bemerkung zu beweisen, dann wären ja «die Juden aufgefordert, die Gemeinde zu zerstören:.. Das ist aber doch wohl eine allzu pedantische Reflexion, mit der wir nicht an die Inter· pretation der johanneischen in doppel. oder gar mehrfachem Sinn gebrauchten Ausdriicke herangehen dürfen. Man versuche z. B. einmal, eine genaue Entsprechung der drei Bedeutungen der Erhöhung in Joh. 3,14 (<<erhöhte:. Schlange) zu postulieren. Die Aussage, dass Christus wie die eherne Schlange erhöht werden muss womit nicht nur die Erhöhung zum Himmel, sondern nach Kap. 12, 33 auch' die Kreuzigung gemeint ist, ergibt ja auch die Schwierigkeit, dass zwar das Erhöhen der Schlange durch Moses und das Erhöhen Christi zum Himmel durch Gott sich entsprechen, während das Erhöhen Christi aus Kreuz durch die Juden, bzw. Römer, s t ren g gen 0 m m e n nicht neben diese beiden gött· lichen Heilsakte gestellt werden dürfte. - Bei der Anwendung des Tempelworts auf die Gemeinde ist im Imperativ (der übrigens auch im Hinblick auf Christi getöteten Leib nicht als eigentliche «Aufforderung an die Juden» verstanden werden darf) der steinerne Tempel gemeint, im Futurumsatz die Gemeinde. Dies ist besonders gut begreiflich, wenn, wie ich annehme (Anm. 56), ein solches Wort in dieser Bedeutung tatsächlich von Jesus ausgesprochen worden ist und dem Evangelisten bekannt war.
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Stein, gehunden ist (<
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stie die Rede wie in der ersten vom Blute. Wie dem auch sei, die Beziehung zwischen beiden Erzählungen ist auch ohnehin offenkundig. Beide Male wird die neue christliche Art des Gottes,dienstes in gleicher Weise der jüdischen gegenübergestellt. In der gleichen Absicht hatte der vierte Evangelist auch schon von Jesu Taufe gesprochen. Auf die Taufe kommt er nun wiederum zu sprechen, und zwar mit der gleichen Bezogenheit auf den Tod und die Auferstehung Christi, in der nun folgenden Perikope, dem Nikodemusgespräch.
5. Das Nikodemusgespräch. Kap. 3, 1-21. Es lassen sich in dem Gespräch zwei Teile unterscheiden: die V.1-12 behandeln eher die subjektive Seite der Wiedergeburt, die Wirkung auf den Menschen, dieV. 13-21 die objektive Seite, den ausserhalb des Menschen liegenden Ursprung dieser Wiedergeburt. In beiden Teilen aber ist die Wiedergeburt gemeint, die in der Tau f e erfolgt. Die Anhäufung von Ausdrücken, denen der Evangelist in der für ihn so charakteristischen Weise eine Doppelbedeutung beimisst, den nächstliegenden Wortsinn und den auf den tiefem Gegenwartszusammenhang hinweisenden, ist hier besonders auffallend. Vor allem stellen wir dies bei dem Ausdruck ysvv'Y}{}ijvat avw{}sv V. 3 ff. fest, der den Ausgangspunkt des Gesprächs bildet. Er bedeutet zunächst «wiederum geboren werden», und Nikodemus versteht ihn zuerst nur in diesem Sinn, V. 5. Aber es ist nun, wie wir gesehen haben,57b) gerade typisch, dass von Anfang an dieser Ausdruck ausserdem auch im lokalen Sinne eines «von oben her geboren werden» gemeint ist, und damit ist die innere Beziehung zum Menschensohn hergestellt, der nach V. 13 im Hinblick auf die s e Geburt der Glaubenden «zum Himmel hinaufsteigen muss", nachdem er von dort herabgestiegen ist. So ist mit diesem avw{}sv aber auch schon die Beziehung zur objektiven Seite der Wiedergeburt hergestellt. Dass die Wie der g e bur t an die Tau fe gebunden ist, legt bereits die allgemein urchristliche Auffassung nahe. Das paulinische Hauptkapitel von der Taufe, Röm. 6, spricht V. 4 von der «Neuheit 57b) S. oben S. 51.
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des Lehens», in der wir auf Grund der Taufe auf den Tod Christi wandeln. In Tit. 3, 5 haben wir sogar eine direkte Parallele zu unserer Stelle: «er hat uns errettet durch das Bad der Wiedergeburt und der Erneuerung des heiligen Geistes».58) Aber abgesehen von der allgemein urchristlichen Annahme eines Zusammenhangs von Wiedergeburt und Taufe ist dieser hier direkt ausgesprochen in der Antwort Jesu auf die von völligem Unverständnis des Nikodemus zeugende Frage V. 4. Er präzisiert hier den Sinn des avro11ev ')'BV1I'I11Hjvat, indem er nu~ ganz deutlich die Taufe bezeichnet (V. 5) : «wenn einer nicht geboren wird aus Was s e run d Gei s t ... " Die Worte Ma~oq "al glaubt Bultmann mit einigen andern Auslegern allerdings streichen zu sollen. Aber diese Streichung ist durch den handschriftlichen Befund ausgeschlossen und erst recht durch den Zusammenhang.59) Denn es kommt dem Verfasser hier wie im ganzen Evangeli1,lm darauf an, dass der Geist imMateriellen vorhanden ist, so wie der Logos Fleisch geworden ist. Das bezieht sich aber nun in ganz besonderer Weise auf das Sakrament. So gebraucht der Evangelist besonders gern den Ausdruck .. Wasser,., um vom Geiste zu sprechen (Kap. 4, 10 und 14; Kap. 7, 37-39 60 ) Einer zur Zeit des Urchristentums nachweisbaren Tendenz gegen58) S. ferner Barnabasbrief 16,8, Hermas Sim. IX,16, Justin Apol. I, 61, 66. 59) Zuerst H. H. Wendt. Die Lehre Jesu, 1886, S. 261, ferner besonders K. Lake. The Influence of textual Criticism, 1904, und E. von Dobschütz, Zum Charakter des 4. Evangeliums. (Z. N. W. 1929, S.166.) Die Art und Weise, wie über die «Zugehörigkeit» der Worte v6a~oq "a~ zum Text diskutiert zu werden pflegt und wie die Möglichkeit ihrer spätem Inter· polation sogar von einem 80 «konservativen» Forscher wie W. Michaelis erwogen wird, könnte wirklich den Anschein erwecken, als gäbe es irgend einen alten Zeugen für diese Lesart! Das ist aber durchaus nicht der Fall. Es liegt auch keine andere «force majeure» vor, die Frage ernstlich aufzuwerfen. Denn die Tatsache, dass diese Worte von einigen Textzeugen in V.8 sehr wahrscheinlich erst später -eingefügt worden sind, beweist doch nichts für den V. 5. Die sinnbildliche Deutung des von ihm als ursprünglich betrachteten Wortes v6ro(l als an8(l/ka nVBVltan"ov. wie sie H. Odeberg, The Fourth Gospel, 1929, S. 48 ff. unter Ablehnung seiner Beziehung auf die Taufe, im Zusammenhang mit der jüdischen Mystik vorschlägt, ist nicht sehr naheliegend. R. H. Strachan. Tbe Fourth Gospel, 3. Aufl., 1941, S. 134. verbindet sie mit der Deutung auf die Taufe. In diesem Falle hätten wir es auch hier mit einem für das vierte Evangelium .charakteristischen Doppelsinn zu tun. - Für loachim leremias. Hat die Urkirche die Kindertaufe geübt? 2. Aufl. 1949, S. 43 ff,. steht die Beziehung auf die Taufe fest, und er sieht hier eine Weiterbildung der Logions Mk. 10, 15 = Luk. 18, 17, das seinerseits das ursprüngliche Logion, Muh. 18,3, im Sinne einer Forderung der Kindertaufe umgebildet hat. 60) S. unten S. 83.
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über, die neue GeistestauIe vom Wasser überhaupt zu lösen, wird hier geradezu betont, dass in der TauIe der christlichen Gemeinde beides zusammengehört: Wasser und Geist. Dabei mag wiederum an Jesu eigene Taufe durch Johannes gedacht sein, wo ja die Verbindung von Wasser und Geist vollzogen wurde. Dass noch lange die Beziehung der christlichen Geisttaufe zum Wasser im Urchristentum als Problem empfunden worden ist, beweist Tertullian, der in seinem Traktat über die Taufe diesen Zusammenhang mit Genesis 1, 2 begründet, wo der Geist Gottes über den Wassern schwebt. 61 ) Das Neue an der christlichen Taufe besteht freilich in der Geistverleihung, wenn sie auch ans Wasser gebunden bleibt. Diese Geiitverleihung zeigt, dass die Wiedergeburt trotz dem materiellen, vom Menschen im Wasser vollzogenen Akt ein göttliches Wunder ist. Das cWoher- und cWohin- des lIlJlBV!W (in der Doppelbed.eutung cWind- und «Geist,.) ist nicht eine Möglichkeit, über die der Mensch verfügen kann. 62) Im zweiten Teil des Gesprächs, das von dem 0 b j e k t iv e n Urs p run g der Wiedergeburt in der Taufe handelt, zeigt Jesus nun, wie diese Geistverleihung zusammen mit der im gleichen Sakrament angebotenen Sündenvergebung von C h r ist i Tod und Auf e r s t e h u n g abhängt und dass deshalb jenes Wunder der Wiedergeburt, das dem Nikodemus so unbegreiflich ist, geschehen kann. Dass die Sündenvergebung, die durch die Taufe erlangt wird, von Christi Tod abhängt, wissen wir bereits durch das Täuferzeugnis, das Jesus als Lamm Gottes bezeichnet (Kap. 1, 29 und 36). Hier wird nun die Geburt aus dem Gei s t , wie sie in der Taufe erfolgt, ebenfalls auf Christi Tod gegründet. Der Geist setzt ja schon chronologisch Christi oe Verherrlichung:o im johanneischen Sinn des Sterbens voraus; das hören wir in Kap. 7, 39: «noch war der Geist nicht, denn Jesus war noch nicht verherrlicht worden". Hier im Nikodemusgespräch handelt es sich aber um mehr. Hier wird der innere Zusammenhang zwischen der subjektiven Wirkung der Neugeburt und ihrem objektiven Ursprung, dem Tod und der Auferstehung Christi, aufgezeigt. Auf die Frage des Nikodemus, wie denn eine 61) De baptismo, eap. 3. S. über die Beziehung von Wasser und Geist O. Cull· mann. Die Tauflehre des Neuen Testaments, 1948, S. 6 ff. und W. F. Flemington,
op. eit. S. 37 fl. 62) Diese «wunderhafte:. Seite ist gut erfasst von R. Buhmann, op. eit. S. 98 ff.
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solche Wiedergeburt von oben möglich sei, antwortet Jesus V. 13 H.: weil der Menschensohn, der herabgestiegen ist, «hinaufgestiegen» ist. Da ist der Ursprung der christlichen Taufe. Es handelt sich bei der Wiedergeburt nicht um einen bloss subjektiven mystischen Vorgang. Wieder werden wir beim Sakrament auf die Per s 0 n C h r ist i verwiesen. Und wieder auf seine Person, insofern es sich um den Gekreuzigten und Auferstandenen handelt. Die Taufe ist das zur Gegenwart gewordene Christusgeschehen. Diese nähere Bestimmung wird nun gegeben, indem jenes «Hinaufsteigen» des Menschensohns wieder in echt johanneischer Weise durch den Begriff des «Erhöhtwerdens», fpoo{Hjvat' in seiner mehrfachen Anwendung erläutert wird, und zwar im Anschluss an die alttestamentliche Erzählung vom Erhöhtwerden der ehernen Schlange, durch deren Anblick alle von den Schlangen Gebissenen errettet wurdtm., Num. 21, 5 ff. Das gleiche Verbum v1poo{Hjvat ist in derselben johanneischen Doppelbedeutung der «Erhöhung zum Himmel» und der «Erhöhnng zum Krenz» gebraucht in Joh. 8,28: «wenn ihr den Menschensohn erhöht haben werdet, werdet ihr erkennen, dass ich es bin» und besonders in Joh. 12,32: «wenn ich von der Erde erhöht sein werde, werde ich alle zu mir ziehen»; im folgenden V. 33 ist dort ausdrücklich gesagt, dass Jesus damit «anzeigte, welchen Todes er sterben würde». So hat dieses Verbum hier geradezu die beiden dem Sinne nach entgegengesetzten Bedeutungen von «Verherrlichtwerden,. und «Sterben». Der Ursprung der Wiedergeburt, die in der Taufe am Christusgläuhigen vollzogen wird, ist also die Kreuzigung und die Auferstehung Jesu Christi, und wir werden direkt an Röm. 6 erinnert, wo Paulus ausführt, dass wir in der Taufe mit Christus sterben und mit ihm auferstehen. Auf den stellvertretenden Tod Christi weist im gleichen Zusammenhang der V.16 hin: «also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingebornen Sohn gegeben hat». Hier ist das Verbum 8000"8'11 in einem Doppelsinn gebraucht: er hat ihn der Welt «geschenkt», aber auch im Sinne von naQsdoo"8V (s. Röm. 8,32), er hat ihn «in den Tod dahingegeben». Darum ist es möglich geworden, dass wir in der Taufe avoo1hv geboren werden. Der Schluss des Gesprächs, der vom "Gericht» handelt, betont einerseits die Notwendigkeit -des GI a u ben s an das objektive Christusgeschehen, anderseits die Tatsache, dass die Entscheidung
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in jenem Geschehen schon gefallen ist, für uns daher in Glauben
oder Unglauben fällt. Im Zusammenhang mit der ganzen Peri,kope hesagt dies, dass auch die Wiedergeburt schon endzeitliches Geschehen ist. So schliesst sich denn auch das Nikodemusgespräch direkt an die vorhergehenden Perikopen an. Ihnen allen ist der Gedanke gemeinsam, dass schon das Leben des inkarnierten Christus auf den durch den Tod erhöhten, in den Sakramenten der Kirche gegenwärtigen Christus hinweist. So folgt nun auf das Nikodemusgespräch ein letztes Zeugnis des Täufers, das auf jene erste Taufbelehrung in Kap. 1, 19-34 zurijckgreift.
6. Das letzte Täuferzeugnis. Kap. 3, 22-36~ Wenn es noch eines Beweises bedürfte, dass es sich im Nikodemusgespräch über die Wiedergeburt tatsächlich um die Taufe handelt, so wäre die enge formale Verbindung dieser Perikope mit· dem unmittelbar darauf folgenden letzten Täuferzeugnis eine weitere Bestätigung hierfür. 63 ) Es wal' soeben gezeigt" worden, dass der objektive Urheber der in der Taufe sich vollziehenden Wiedergeburt der ist, der zum Himmel gestiegen ist, der im doppelten Sinne «erhöht» worden ist. Jetzt gilt es, in diesem Zusammenhang noch einmal die neue Geistestaufe gegenüber der Tau f e des J 0 h a n n e s abzugrenzen. Wiederum sehen wir, was für eine lebenswichtige Frage das in den urchristlichen Kreisen, denen der Verfasser des 10hannesevangeliums angehört, offeubar gewesen ist. Es muss gezeigt werden, dass die Johannestaufe nicht jene Taufe «von oben" sein kann, von der soeben die Rede gewesen ist; denn nicht Johannes ist der, «welcher zum Himmel gestiegen ist~ nachdem er von dort herabgestiegen war», sondern es ist Jesus. Wiederum ist es der Täufer selbst, der dies ausführt, und zwar gerade im Anschluss an die Eifersucht, die unter seinen Jüngern wegen des Erfolgs der von J esus gespendeten Taufe entstanden ist. Es ist zu einem Streit zwi-schen den Johannesjüngern und einem Juden (V. 25) über die got63) R. Bultmann, op. eit. S. 116, hat diese organische Verbindung gerade be· seitigt, indem er die· V. 31-36 noch zum Nikodemusgespräch zieht, das letzte 'fäuferzeugnis von V. 22-30 aber als literarisches Gebilde absondert.
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tesdienstliche Frage dep xa{}aQH1p,Or; gekommen. 64 ) Diese Eifersucht der Johannesjünger beweist eben, dass sie das Verhältnis zwischen dem Werk Jesu und der Johannestaufe nicht begriffen haben. Ihr Meister selbst unternimmt es daher, sie zu belehren. Die Bezugnahme der Täuferrede auf das Nikodemusgespräch ist ganz deutlich im V. 31. Das Leitmotiv, von dem das Nikodemusgespräch ausgegangen war, a'Vw{}/J'V, kehrt hier wieder,65) aber nun, indem von hier aus die heiden Taufen ins richtige Verhältnis gerückt werden, oder besser gesagt: die Urheber der beiden Taufen; denn aus der vorhergehenden Perikope wissen wir ja nun, dass die Taufe, welche ein «a'Vw{}/J'V Geborenwerden» in den Menschen bewirken soll, von einem kommen muss, der hinaufgestiegen ist, nachdem er von dort gekommen ist. Der Täufer selbst aber erklärt nun in V. 31: 0 a'Vw{}/J'V 8QXOp,/J'Vor; üuivw mi'VTW'V 8C1Ü'V. «Der von oben kommt, ist über allen», und das ist Jesus, denn er, Johannes, ist nicht Ct'Vw{}/J'V, nicht vom Himmel, sondern «von der Erde», wie es einem, der nur Zeuge ist, angemessen ist. Zum Beweise erinnert der Täufer hier noch einmal leise an die Tau f e J e s u in den V. 34/35: «nicht mit Mass spendet er den Gei s tl Subjekt ist wohl Gott, aber Gott, insofern er die Fülle des Geistes auf Jesus bei dessen Taufe gesandt hat. Der johanneische Bericht hat ja in Kap. 1,32 und 33 betont, dass der Geist sich nicht nur momentan in jenem Augenblick auf J esus herabgelassen hat, sondern um dauernd auf ihm zu «ruhen»: 8p,8t'V/J'V. Er, Jesus, also ist es, der allein die Geistestaufe bringen, das a'Vw{}/J'V Geborenwerden der Menschen bewerkstelligen kann. Er ist der a'Vw{}/J'V 8QXOp,/J'Vor;, nicht der Täufer. Wir sehen: auch an diesem letzten Täuferzeugnis hat das lohan114) Im Sinaiticus, der altlateinischen und der altsyrischen (eur.) Uebersetzung steht hier der Plural'!ov6a{w'V. Der Singular ist wohl als die lectio difficilior'als urspriinglich anzusehen (ebenso R. Bultmann, op. eit. S. 123). Der Vorschlag M. Goguels, Jean Baptiste, 1928, S. 89 f., hier p,/JTa '!'Y/C10V zu lesen, ist textkritisch nicht zu rechtfertigen. 65) Dies halte ich nach wie vor gegenüber den auch zu diesem Abschnitt von W. Michaelis, op, cit. S. 13 f. gesetzten Fragezeichen für entscheidend. Der Hin· weis darauf, dass Unterschiede zwischen dieser und der Nikodemusperikope be· stehen (S.15), wäre - das muss auch hier wiederum gesagt werden - nur dann ein Gegenargument, wenn wirklich eine so logische Entsprechung, wie W. Michaelis sie fordert, postuliert werden dürfte.
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nesevangelium ein ganz und gar aktuelles Interesse, und auch hier dient eine Episode aus der Zeit des inkarnierten Christus dazu, das rechte Verständnis der Taufe zu fördern, das falsche zu bekämpfen.
7. Das Gespräch mit der Samariterin am Jakobsbrunnen. Kap. 4,1-30. Auch dieses Gespräch ist in erster Linie ein gottesdienstliches. Das zeigen deutlich die Verse 20-24 über die nQoo,,(w'TjOtq, die rechte An b e tun g, die im Zentrum des Gesprächs stehen. Schon in der Geschichte von der Tempelreinigung haben wir gesehen, dass es dem Evangelisten darauf ankommt, vom. Leben J esu aus zu zeigen, dass die Person Christi des Gestorbenen und Auferstandenen an die Stelle des Tempels getreten ist. Hier tritt die «Anbetung im Geiste und in der Wahrheit» an die Stelle der Anbetung im Tempel. Die· eer Anbetung 6'11 n'lleV/-"an gegenüber wird der Tempel ebenso bedeu· tungslos wie der Garizim der Samariter. 66 ) Es entspricht ganz dem. was wir bisher über Christus als Zentrum allen Gottesdienstes gehört haben, wenn hier der Geist, dessen Kommen an Christi Verherrlichung gebunden ist (Kap. 7,39), allen Gottesdienst charak· terisiert. 67 ) Dieser Geist, dieses 1r:'IIBv/-"a, "in,. dem nunmehr alle Anbetung erfolgt, ist aber auch, wie wir im Nikodemusgespräch festgestellt haben, der Geist, der die Wiedergeburt in der Tau f e bewirkt. Wenn das Zentrum allen Gottesdienstes der Geist ist, dann wird eofort ersichtlich, welch grosse Rolle der Taufe für den christlichen Gottesdienst zukommt. So verstehen wir, dass das Gespräch mit der Samariterin über das "Lebenswasser:> sich an das Kapitel über die 66) Wenn W. Michaelis, op. cit. 8.16, meint es sei durch den Text nahegelegt. daßs eher nur von Anbetung schlechthin, nicht speziell von gottesdienstlicher Anbetung die Rede sei, so ist zu bemerken, dass in einem Rahmen, wo Tempel und Garizim im Vordergrund stehen, genau wie in der Erzählung von der Tempelreinigung, die gottesdienstliche Anbetung auf jeden Fall das Primäre ist. 67) Mit Recht betont R. Bultmann, op. cit. 8.140, dass das 6'11n'lleV/-"au nicht im Sinne einer «geistigen, innerlichen:., sondern der <eschatologischen~ Gottesverehrung verstanden ist. Das paulinischt: /l'II XQt01:t'jJ Bl'llatist mit diesernQoo"vV1jOtq 6'11 n'VeV/-"auverwandt_ Gottes 60sa ist nicht mehr an den Tempel gebunden; in ihrem Bereich befindet sich schon jetzt, wer 6'11 XQt01:t'jJ ist.
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Taufe anschliesst, und man kann wirklich behaupten, dass die ganze Anordnung der Perikopen in diesen ersten Kapiteln des J ohannesevangeliums durch den gottesdienstlichen Gedanken bestimmt ist. 68 ) Die Beziehung zur Taufe liegt nun aber wohl sicher auch innerhalb dieses Gesprächs selbst vor. 69 ) Bevor dieses zur zentralen Frage der gottesdienstlichen Anbetung überhaupt gelangt, dreht es sich ja um das «L e ben s was s er», das ildw(J ~cT)1I" Wir kennen nunmehr die johanneische Ausdrucksweise zur Genüge, um von vornherein zu vermuten, dass auch dieses Wort, das zunächst das «fliessende Wasser» bezeichnet, in einer Doppelbedeutung gebraucht ist. Hier ist dies ausserdem ausdrücklich gesagt. Jesus unterscheidet im V.13 deutlich das wirkliche Wasser, das den Anlass zum Gespräch gegeben hat, von einem solchen, das er zu trinken geben wird und das die Wirkung hat, dass der von ihm trinkt, in Ewigkeit keinen Durst mehr haben wird. Was ist im Johannesevangelium mit diesem «Wasser zum Leben»
(V. 10 und V. 14), das in der orientalischen Umwelt ein weit verbreiteter Begriff ist,70) gemeint? Zur Beantwortung ist die Stelle Kap. 7,37-39 heranzuziehen. Da ruft Jesus: «Wenn einer Durst hat, komme er zu mir und trinke. Wenn einer glaubt, so werden, wie die Schrift sagt, Ströme lebenden Wassers aus seinem Busen fliessen. Das sag tee r vom Gei s t, den die an ihn Glaubenden erhalten sollten.» 71) Von da aus wird im Gespräch mit der Samariterin der Zusammenhang der Ausführungen über das «Lebenswasser» mit den zentralen Versen über die Anbetung im Gei s t e ganz deutlich, aber darüber hinaus auch der Zusammenhang mit dem unmittelbar vorhergehenden Kapitel 3, das von der Taufe handelt. Wenn in der Unterredung mit der Samariterin vom Geist die Rede ist, so ist dabei nicht zu vergessen, dass dieser Geist in der Taufe mitgeteilt 118) Der Einwand von W. Michaelis, op. cit. S .16, das «Gegenwartsinteresee) des Evangelisten müsste doch dann auch in den spätem Kapiteln. vor allem in den Abschiedsreden, «in der Richtung auf Gottesdienst und Sakramente gedrängt haben», dürfte durch die Zufügung der nenen Kapitel in dieser 2. Auflage (S. besonders das Kapitel über die Ahschiedsreden) beantwortet sein. 69) Sie ist bereits von Jus tin erkannt worden. Dial. c. Tryph. XIV, 1. Ire· na e u s, adv. haer. IH, 17, l. 70) S. dazu Walter Bauer. Das Johannesevangelium (Hdb. z. N. T.), 1933, S. 68 f. 71) Nach Strack·Billerbeck. Kommentar z. N. T. aus Talmud und Midrasch Bd. H, S. 433 Cf., deuten die rabbinischen Gelehrten den Ausdruck «Lebenswassen meistens auf die Tora, aber auch auf den Geist.
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wird und die Wiedergeburt bewirkt 72) (<
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Freilich ist im Kap. 4 vom «Trinken» des Wassers die Rede, was mit der Beziehung auf den Geist und die Taufe schwer vereinbar scheint. Das kommt daher, dass Wasser zum Trinken den materiellen Ausgangspunkt des Gesprächs bildet, und es darf auch daran erinnert werden, dass in manchen gnostischen Taufsekten des Altertums das T~ufwasser getrunken wird. 16 ) So handelt es sich auch hier um die neue Geburt wie im Nikodemusgespräch. Hier erscheint sie als Geburt «zum ewigen Leben». Im zitierten V.13 werden wir daran erinnert, dass die Wiedergeburt aus dem Geist in der Taufe nur ein Mal und zwar ein für a II e Mal stattfindet: «... der wird nicht mehr Durst haben in Ewigkeit.» Das ist genau de.r Gedanke, der im Johannesevangelium und zwar im Kap. 13 wiederkehrt, in der Erzählung von der Fusswaschung. Wir werden sehen, dass auch jene Szene ganz auf die Sakramente bezogen ist und als Wesensmerkmal der Taufe gegenüber dem Abendmahl die Einmaligkeit hervorhebt.l1 ) Die verschiedenen allegorischen Erklärungen der f ü n f M ä n n er, die die Samariterin gehabt hatte, und des Konkubinats, in dem sie jetzt lebt, sind nicht befriedigend. Da wir gesehen haben, dass der Evangelist auch in diesem Gespräch Hinweise auf den Gottesdienst und die Taufe sieht, dürfen wir wenigstens die Frage aufwerfen, ob er bei der Enthüllung des Lebens der Samariterin nicht etwa daran gedacht hat, dass der Taufe die Enthüllung des bisherigen Lebens in seiner Sündhaftigkeit vorangeht. 78 ) Aber diese 75) S. R. Bultmann, op. eit. S. 135 und Walter Bauer. Das Johannesevangelium (Hdb. z. N. T., 3. Aufl. 1933, S.69). 76) S. W. Bousset, Hauptprohleme der Gnosis. 1907, S.293, und L. Fendt, Gno· stische Mysterien. 1922, S. 36. 17) S. unten S. 106. - W. Michaelis'. Einwand (op. cit. S. 18), dass die gleiche Bemerk~ng «der wird nicht mehr Durst hahen in Ewigkeit~ doch auch in Kap. 6, 35 steht und auf das Abendmahl hezogen ist, könnte zunächst herechtigt scheinen. Aber dadurch, dass die Bitte der Juden «Gib uns dieses Brot i m m er· f 0 r t» (Kap. 6,34) dort der Anlass zu diesen Worten ist, wird in jenem Kapitel mit der gleichen Feststellung die Fortdauer der Wirkung in der Wie der. hol u n g des Sakraments angedeutet, hier dagegen, wo diese Worte im Gegenteil gerade durch den Gegensatz zur Notwendigkeit einer Wiederholung des Aktes (ganz ähnlich wie in Kap. 13) hervorgemfen sind, wird durch sie die Fortdauer der Wirkung im Sinne des «e i n für all e Mal» hezeichnet 18) R. Bultmann, op. cit. S. 138, erklärt diesen Zug der Geschichte ähnlich, aher allerdings nur im Zusammenhang mit der Offenbamng und wiedemm ohne irgend· welche Heranziehung der Taufe unter dem Titel «die Offenbamng als Aufdeckung des menschlichen Seins». Dass schon das Ehelehen der Samariterin hei den Juden als sündhaft angesehen
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Frage kann höchstens gestellt werden. Denn im Texte seIhst ist von Sunde nicht gesprochen. Ebenso kann auch nur mit Vorsicht die Frage aufgeworfen werden, ob in der Nah run g, von der in den an das Gespräch sich anschliessenden Versen 31-34 die Rede ist, nach des Evangelisten Meinung nicht zugleich ein Hinweis auf das Abendmahl zu sehen ist. Die Tatsache, dass Jesus seIhst in V.34 diese Nahrung auf sein Tun des Willens Gottes und auf die Vollendung des ihm aufgetragenen Werkes deutet, könnte dafür sprechen, wenn wir bedenken, in welcher Weise das Kana-Abendmahlwunder auf die noch nicht gekommene Stunde des Todes weist und wie Jesus auch in Kap. 6, 38 in der eucharistischen Rede betont, dass er den Willen des Vaters tut. Sicher aber ist, dass diese Geschichte nach dem Verständnis des Evangelisten zugleich die für die Gemeinde so wichtige Frage des Gottesdienstes und der Taufe hinweisend behandelt.
8. Die Heilung von Bethesda am Schafteich.
Kap. 5, 1_19.79 ) Es mag zunächst als eine gewaltsame Systematisierung erscheinen, wenn wir auch diese Erzählung zum Erweis für unsere Behauptung heranziehen, dass es ein Hauptanliegen des Evangelisten ist, die Linien vom gottesdienstlichen Leben der Urkirche zum Leben Jesu zu ziehen. Immerhin haben schon andere diese Geschichte mit der Taufe zusammengebracht. sO ) So bereits Tertullian in seinem Traktat über die Taufe (De baptismo, cap. 5), wenn er schreibt, dass die Heilkraft, die das Wasser dieses Teiches bereits vorher besass, hinweist auf die zukünftigen Heilmittel für unsere Seele, cwie es denn werden musste, zeigt Strack-Billerbeck, Kommentar z. N. T. aus Talmud und Midrasch. 11. Bd., S.437. 79) Ich ändere in dieser Weise die Ueberschrift, die ich in der 1. Auflage über dieses Kapitel gesetzt hatte (Die Heilung am Teiche Bethsatha), da ich mich durch die soeben erschienene gehaltvolle, auf neuem archäologischen Funden beruhende Studie von loachim leremias. Die Wiederentdeckung von Bethesda. 1949, habe überzeugen lassen, dass die Lesart B'fJSa{}a (Ne Eus.) sekundär ist und dass die stark bezeugte Lesart A D G L a r folgendennassen zu übersetzen ist: «es ist aber in Jerusalem im Schafteich die auf aramäisch Bethesda genannte Stätte mit fünf Säulenhallell~. 80) Von neuem Kommentatoren ist zu nennen: Adalbert Merx. Das Evangelium des Johannes. 1911. S. auch Albert Schweitzer. Die Mystik des Apostels Paulu8. 1930, S. 346.
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gewöhnlich geschieht, dass materielle Dinge uns erheben zur Erkenntnis der geistigen». Als die Tage kamen, wo die Gnade Gottes reichlicher auf die Menschen floss, da erhielt «das Wasser mehr Kraft, der Engel (s. Joh. 5,4) grössere Macht». «Was damals einen einzigen Menschen im Jahr errettete, das erettet täglich ganze Völker und zerstört den Tod, indem es die Sünden fortwäscht. Denn indem die Taufe die Sünde vergibt, erlässt sie auch die Strafe.• Die ältesten bildlichern Darstellungen unseres Wunders bezeugen diese Erklärung für eine noch frühere Zeit.81 ) Wohl müssen wir bei der Verwertung der evangelischen Geschichte durch die Kirchenväter vorsichtig sein, da sie Gegenwartsfragen ihrer Zeit oft auf Grund einer gekünsteltem Exegese zu jener Geschichte in Beziehung setzen. Was aber das J ohannesevangelium betrifft, 80 sind wir nach allem, was wir über seinen Charakter fest~ gestellt haben, zu der Behauptung herechtigt, dass es hier geradezu Ziel der Exegese sein muss, das urchristliche Gegenwartsinteresse jeder Erzählung herauszuarheiten. So ist es hier nicht allegorische Willkür, wenn Tertullian diese Erzählung auf die Taufe hezieht. Nach den unmitt~lhar vorhergehenden Kapiteln, die voller ausgesprochener oder angedeuteter Hinweise auf die Taufe der christlichen Gemeinde sind, drängt sich auch hier die Beziehung auf die Taufe geradezu auf. Wenn auch die Erzählung im Geiste der synoptischen Heilungserzählungen ahgefasst ist, 80 geht sie doch üher jene Erzählungen hinaus, gerade weil sie auch noch andere Elemente enthält oder mit den synoptischen Evangelien gemeinsame Elemente hesonders hetont, die uns erlauben, die erwähnte Linie zu ziehen. Es scheint in der Tat nicht zufällig, dass der Evangelist unter analogen Heilungsherichten, wie sie uns aus den Synoptikern hekannt sind, gerade diese ausgesucht hat, wo die Heilung durch Je5us durch den ganzen äusseren Rahmen, in dem sie stattfindet, 80 unzweideutig der Heilung durch das Untertauchen im heilkräftigen 81) Die älteste Darstellung befindet sich in der «capella greca» und stammt aus dem Anfang des 2. Jahrhunderts. Links neben dem Lahmen ist das Quellwunder Mose abgebildet (Symbol der Taufe). In der Sakramentskapelle von S. Callisto aus der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts (Wilpert T.27/3) ist die Lahmenheilung mit zwei andern typischen Taufbildern zusammengestellt, von denen das eine die Taufe Jesu, das andere den Fischer zeigt, der einen Fisch angelt. Weitere Bezeugungen aus späterer Zeit s. Wilpert, T. 74,1 und T.168.
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Schafteich am «Ort der Barmherzigkeit» (= Bethesda 82) gegenübergestellt wird. Schon hier soll erwähnt werden, dass einige Kapitel später (Kap. 9) ausgerechnet auch eine solche Blindenheilung erzählt wird, die an einem Teiche, am Siloah stattfindet. 83 ) Im Schafteich, an dem unsere Szene spielt, hatten offenbar schon Wunder stattgefunden, wenn der «Engel» das Wasser bewegte; - ob der V. 4 ursprünglich ist oder nicht, die Vorstellung vom Wasserengel ist sicher vorausgesetzt. Von nun an ist es nicht mehr nötig, diesen einen Augenblick abzuwarten,. wo sich das Wasser bewegt, und auch an diesen bestim,mten Ort ist die Heilung nicht mehr gebunden. Vielmehr tri t t nun C h r ist usa n die S tell e des wass erb ewe gen den Eng e 1 s. Wenn die durch archäologische Erwägungen nahegelegte Vermutung richtig ist, dass «der Doppelteich in urkirchlicher Zeit Schauplatz mancher christlicher Taufe, sowohl im jüdischen wie im heidnischen Jerusalem gewesen ist»,84) so bestätigt es sich auch von hier aus, dass der «Sitz im Leben» für unsere Erzählung richtig bestimmt ist, wenn wir sie der Absicht des Evangelisten entsprechend in Beziehung zur Taufe setzen. Christi Person bewirkt jetzt die Heilung - und mit der Heilung die Sündenvergebung. Die Verbindung von Heilung und S ü n den ver g e b u n g, wie sie in den Versen 14-16 vollzogen wird, ist auch bei den Synoptikern ein geläufiger Zug. Hier aber gewinnt er im Zusammenhang mit dem Wasserwunder, das nun ersetzt wird, eine besondere Bedeutung, die auch wieder auf die Taufe hinweist. Im Hintergrund steht hier beim Evangelisten gewiss der Gedanke an jenes andere Wasser, in dem Sündenvergebung durch Christus erlangt wird. In jedem Taufakt geschieht das Wunder der Sündenvergebung. I n der Tau fes e t zen sie h C h r ist i H eilu n g s w und e r f 0 r t. Mit Nachdruck verlangt Jesus vom Geheilten, weiterhin nicht mehr zu sündigen, «damit ihm nicht Schlimmeres passiere» (V. 14). Wir werden daran erinnert, dass im Urchristentum auch die Sündenvergebung, die in der Taufe erfolgt, 82) S. zur Bedeutung des Namens' I. leremias, op. cit., S. 3 f. Darauf, dass der Name für den Evangelisten wichtig ist, weist im analogen Fall des Siloahteiches die dort explizit gegebene christologische Erklärung (Kap. 9, 7). S. unten S. 100. 83) Gegen die Identifizierung der beiden Teiche, wie sie zuletzt von R. Bult. mann, op. eit., S. 179, A. 9 als Möglichkeit erwogen wird und für die neben andern Argumenten die Tatsache spricht, dass der Siloah eine intermittierende Quelle ist, s. leremias, op. eit., S. 9 H. 84) I. leremias, op. cit., S. 24.
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die Aufforderung, nicht mehr zu sündigen, in sich schliesst (Röm. 6) und dass die nach der Taufe begangenen Sünden schlimmere Folgen haben (Hebr. 6,4 ff. und 10,26). Endlich lässt sich auch die Diskussion über den S a b bat, die mit dieser Erzählung aufs engste verknüpft ist, zu einem gottesdienstlichen aktuellen Problem der Urgemeinde in Beziehung setzen. Zur Zeit, wo der Evangelist schreibt, wird ja von der Gemeinde nicht mehr der Sabbat, sondern der erste Wochentag als Ruhetag beobachtet. Der Barnabasbrief (Kap. 15, 9) führt aus, dass der wahre Sabbat als «achter» Tag noch ausstehe (s. auch Hebl:. 4,9), und er deutet ihn auf den kommenden Aeon, wobei allerdings gleichzeitig an den Sonntag gedacht ist. Denn wie der christliche Gottesdienst überhaupt,85) so ist auch der christliche gottesdienstlich~. Feiertag Vorwegnahme des kommenden Gottesreichs, so wie die Auferstehung Christi, die an diesem Tage ja gefeiert wird, auf die allgemeine Auferstehung hinweist. Es könnte sein, dass das Wort vom «Arbeiten Gottes bis jetzt», I!ror; aen (V. 17), das. als Rechtfertigung der Heilung am Sabbat nur hier im J ohannesevangelium, nicht in den Synoptikern steht, einen ähnlichen Gedankengang voraussetzt, so dass an dieser Stelle gleichzeitig eine Anspielung auf den kommenden Aeon und sein gegenwärtiges Vorbild, den Sonntag, gefunde·n werden könnte. 86 ) Mit Sicherheit kann allerdings nicht bewiesen werden, dass der Evangelist auf diese Weise hier an den Sonntag gedacht hat; wohl aber dürfte feststehen, dass er für die Nie h t b e ach tun g des S a b bat s durch die Gemeinde seiner Zeit eine Rechtfertigung in dieser Geschichte gesehen hat, die für ihn zugleich die Ablösung aller vergangenen Wasserheilungswunder durch das Taufwunder der Sündenvergebung in Christus bedeutet.
9. Das Speisungswunder. Kap. 6, 1-13, 26-65~ Die lange Rede, die J esus im J ohannesevangelium nach dem SpeiIlungswunder zu dessen Deutung hält, ist schon seit dem Altertum 85) S. oben S. 17, 19 f., 37. 86) S. auch Kap. 9, 4, wo von dem Ende des Wirkens Jesu die Rede ist Es ist zu Hwägen, ob im Hinblick auf den Zusammenhang mit der g a n zen Perikope bier auch an eine feste Verbindung der Taufe mit dem Sonntag zu denken ist, wie es W. Michaelis, op. eit. S. 21 für den allerdings von ihm in Frage gestellten Fall postuliert, dass die Heilung auf die Taufe zu deuten ist.
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von den meisten Exegeten als Eucharistierede aufgefasst worden. Für diese Auslegung spricht schon die Verwendung charakteristischer Ahendmahlsworte wie Ö~Ö611CH, 'ÖnBQ, aQ-';o~, a~""a, tpaysill, nlllsw. Obwohl es hin und wieder Erklärer wie Clemens von Alexandrien 87) und Origenes 88) gegeben hat, die ohne jede Bezugnahme auf das Abendmahlssakrament in den Ausführungen J esu über das Lebensbrot nur symbolische Anspielungen auf die Ernährung der menschlichen Seele mit dem Wort, der Lehre Christi, gesehen haben, ist doch gerade dieses Kapitel die Stelle im Johannesevangelium, für welche sich die Erklärung, die wir in der vorliegenden Arbeit in einer viel grösseren Zahl von johanneischen Perikopen durchführen, schon immer von selbst aufgedrängt hat. 89 ) Paidagogos I, 6, 46--47. Joh. Kommentar VI, 43; X, 17; XX, 41-43. 89) Es besteht hier in der Tat ein ziemlich weitgehender Consensus. Von den Kirchenvätern sind zu nennen u. 'a. C h r y sos tom u s. Horn. 46. C y r i 11, T h e o· phylakt, Cyprian Testim. L 22. Von neueren Forschern: M. J. Lagrange. Evangile selon S. Jean. 4. Aufl. 1927; Albert &hweitzer. Die Mystik des Apostels Paulus, 1930 (S. 352 ff.); A. Schlauer. Der Evangelist Johannes, 1930. W. F. Howard. The Fourth Gospel, 1931. F. Tillmann. Das Johannesevangelium, 4. Aun. 1931. Walter Bauer. Das Johannesevangelium Hdh. z. N. T.), 3. Aufl. 1931. E. C. Hoskyu.•. Tbe Fourth Gospel. 1947. R. Bultmann, op. cit. S.161 kann, wenigstens was die Verse 5lb-58 betrifft, nicht bestreiten dass «hier zweifellos vom sakramentalen Mahle der Eucharistie ,die Rede ist». Um jedoch auch hier wie im ganzen Evangelium die Bezugnahme auf die Sakramente ausschliessen zu können, scheidet er diesen ganzen Abschnitt als spätere Interpolation aus. Auf diese Weise kann er dann die Beziehung der übrigen Ausführungen über das Lebensbrot auf die Eucharistie bestreiten. Das ist aber ein gewaltsames Verfahren. Der Hiatus zwischen diesem Abschnitt und dem vorhergehenden, den R. Bultmann annimmt, besteht in Wirklichkeit nicht. Denn ,das gehört gerade zum Wesen der j ohanneischen Betrachtungsweise. dass das Le. bensbrot einerseits der historische Offenbarer selbst ist, anderseits derjenige. der sich nun auch weiter im Sakrament offenbart. Ausser von R. Bultmann ist in neuerer Zeit die Beziehung zur Eucharistie auch von H. Ode berg. The fourth Gospel, 1929, bestritten worden. Seiner Bestreitung liegt die an sich durchaus richtige und wertvolle Beobachtung zu Grunde, dass es in der Umwe1t des Johannesevangeliums, vor allem auch im Judentum, eine bild· liche Redeweise vom «Brot» und von der «Nahrung» gibt, dass z. B. im Judentum ,die Tora als «Brot» bezeichnet wird. (S. Strack·Billerbeck, Kommentar z. N. T. aus Talmud und Midrasch. Bd. 11, S. 482 f.). Damit ist aber im Rahmen des Johan. nesevangeliums die w e i t e re Beziehung auf das Eucharistiebrot nicht aus· geschlossen, sondern im Gegenteil nahegelegt. Uebrigens betont gerade Bultmann, op. cit. 166, dass in der gleichen Umwelt «sakramentaler Glaube und Glaube an ,das Offenbarungswort oft verbunden sind». Er verweist auch auf I g n a t i u sund vor allem auf die 0 den S a 10m 0 s . Warum dann nur in den nach Bultmann 'später eingeschobenen Versen 51b-58 und nicht in den Versen 27-51a eine analoge Verbindung vorliegen soll, ist nicht einzusehen, und deshalb ist die Ausscheidung der Verse 51b-58 auch von hier aus nicht einleuchtend. 87) 88)
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Hier lässt der Verfasser durch J esus seIhst die Linie .vom materiellen Wunder der Speisung zum Wunder des Sakraments ziehen. Das, worauf das Wunder der Speisung nur hinweist, wird hier in einer Rede ausgeführt, während es in den meisten andern Perikopen dem Leser überlassen bleibt, aus einigen, allerdings besonders betonten Andeutungen den Hinweis auf die Sakramente herauszulesen. Allerdings legen auch hier bereits in der Erzählung des Wunders seIher enthaltene Einzelzüge den Gedanken an die Eucharistie nahe, so das Fischgericht 90) und die eucharistische Terminologie in V.l1. Immerhin sind diese Hinweise vielleicht eher schwächer als in den andern hier behandelten Wunderberichten. Doch möchte ich gerade diese Tatsache zur Rechtfertigung meiner auf das ganze Evangelium angewandten Betrachtungsweise besonders unterstreichen. Denn bei der Annahme, dass es sich in der nachfolgenden Rede um die Eucharistie handelt, seIhst wenn diese Beziehung, was. ich nicht glaube, sich nur auf Vers 35 b und die Verse 51 b-58 beschränken sollte, mus sau f j e den Fall vor aus g e set z t werden, dass der Evangelist schon beim Niederschreiben der Erzählung in diesem Wunder einen Hi"nweis auf die Eucharistie gesehen hat, dass er also schon dort, ohne es zu sag e n ,91) an die Eu c h a r ist i e mit ge d ach t ha 1Ich halte gerade dies für ein Hauptargument gegen diejenigen Bestreiter meiner These, die wie W. Michaelis wenigstens für die Verse 51b-58 die eucharistische Erklärung nicht in Abrede stellen und diese Verse auch nicht streichen. J 0 h. 6, I - I 3 z e i g t • wie eine johanneische Erzählung aussieht, bei deren Abfassung der E.vangelist sicher zugleich an das einmalige Ereignis und an die Eucharis t i e g e d ach t hat. Alle Fragezeichen, die zu meiner Erklärung der andern Perikopen gesetzt worden sind, wären zu der Behauptung, dass der Verfasser schon in dieser Erzählung als solcher 90)
S. ohen S. 18.
91)
W. Michaelis, op. cit., S. 22, lässt auch die ohen vermuteten schwachen
eucharistischen Anklänge innerhalh der Erzählung nicht als solche gelten. Damit verstärkt er aher die Beweiskraft der ohigen Argumentation. - Dass, wie er op. eit. S. 29 anzunehmen scheint, der Evangelist erst im Verlauf des Niederschreihens der Rede auf den Gedanken gekommen sein sollte, die Eucharistie wäre mit einzuheziehen, lässt sich doch im Ernst nicht hehaupten.
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eme Beziehung zur Eucharistie gesehen, in verstärktem Masse zu setzen, und. doch heweisen die erst viel später folgenden Verse 51h-58, dass solche Fragezeichen johanneischer Eigenart nicht gerecht werden. 92 ) Die Rede zerfällt in zwei Teile: V. 27---47 und 48-65. Beide Teile handeln vom Ahendmahl, aher der erste Teil, insofern er die Perso n Christi als das Lehenshrot darstellt, der zweite Teil, indem in direkterer Weise das Ahendmahlshrot hezeichnet wird. Am Ende eines jeden Teils steht ein Ahschnitt über die Notwendigkeit des Glauhens heim Empfang des Lehenshrotes (V. 36---47 und V.60-71). Diese Betonung der Notwendigkeit des GI a u he n s im Zusammenhang der Ahendmahlshelehrung enthält die Antwort auf Einwände, die gewiss auch zur Zeit des Evangelisten gegen die Ahendmahlsfeier erhohen worden sind, die ja von Aussenstehenden zur Zeit der alten Kirche, wie wir wissen, immer als hesonders anstössig empfunden wurde. Auch zur Zeit des Evangelisten mag es viele gegehen hahen, denen das Wort vom Essen des Brotes <1"A'1JQ6~, «hart» schien (V.60) und die daran Anstosa nahmen (V. 61). An sie richtet sich das, was üher die Unerlässlichkeit des Glauhens gesagt ist. Ohne den Glauhen, der ein Geschenk Gottes ist, ist jenes Essen des Brotes wirkungslos. Wenn der erste Teil das "Brot Gottes» als das deutet, «das vom Himmel herahsteigt und der Welt Lehen spendet» (V. 33), so ist damit nicht etwa nur an eine «geistige» Offenharung gedacht, sondern an die Per s 0 n des historischen Jesus, der im Johannesevangelium nicht nur die Offenharung hringt, sondern die Offenbarung seIher i s t. 93 ) Ferner finden wir aher auch hier den Gedanken, der hinter allen Texten steht, die wir untersucht hahen, dass der Ge92) Der gegenteilige Schluss, den W. Michaelis, op. cit., S. 22, merkwürdiger· weise zieht, nur dort könne vom Abendmahl die Rede sein, wo der Evangelist dies unmissverständlich zu erkennen gebe wie in V. 35b und 51b-58, ist also nicht möglich. 93) Das ist in R. Bultmanns Kommentar durchweg sehr eindrücklich heraus· gearbeitet. so besonders op. cit. S.168. S. dazu auch die Arbeit von Edllard Schweizer: Ego eimi. Die religions geschichtliche Herkunft und theologische Be· deutung der johanneischen Bildreden, zugleich ein Beitrag zur Quellenfrage des vierten Evangeliums. 1939. Aber gerade von da aus drängt sich ja die Beziehung zur Eucharistie auf, wenn man die ganze Art des lohannesevangeliums berücksichtigt.
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meinde die Person Christi in besonderer Weise im Sakrament, Taufe und Abendmahl, geschenkt ist. So ist auch hier zugleich an die historische Erscheinung J esu und an die Gegenwart des Auferstandenen in der Mahlfeier gedacht. Dass in der uns bekannten johanneischen Art bei des zusammen geschaut ist, das zeigt gleich der V. 34: sie sagten zu ihm: Gib uns dieses Brot im m e r f 0 r t , naVTOTS. Diese Gabe soll nicht beschränkt sein auf den einmaligen Akt des Speisungswunders, auch nicht auf die historische Inkarnation überhaupt, sondern auch nach Christi Tod soll dieses Brot weiter gespendet werden: immerfort, aber nun anders als die Juden es meinen,94) nämlich so wie Jesus es in seiner Antwort ausspricht: «Ich bin das Lebensbrot» (V. 35). Da e r das Lebensbrot ist, wird es den Seinen niemals entzogen werden. Dass dabei an das Abendmahlsbrot gedacht ist, zeigt der Schluss des Verses, wo nicht nur von Stillung des Hungers, sondern auch des Durstes die Rede ist, also an beide Elemente gedacht ist, obwohl der Zusammenhang nur vom Brot spricht. 95 ) Noch eine weitere Beziehung ist schon in diesem ersten Teil hergestellt zur Eucharistie. Das Erscheinen Christi in der Mahlfeier der Gemeinde ist ja im Urchristentum immer auch als Vorwegnahme seines Erscheinens am Ende der Tage aufgefasst worden. 96 ) Diese e s c hat 0 log i s c h e Bezogenheit, die wir beim Kanawunder als dem Vorbild des messianischen Mahles gefunden haben, ist hier angedeutet in dem Wort vom Manna und der Wüste. In der jüdischen Eschatologie ist nämlich das Manna ein Element der messianischen Zeit. Es wird erwartet, dass das Mannawunder sich am Ende der Tage in permanenter Weise zeige. Das hören wir in der syr. Baruchapokalypse (Kap. 29, 8): «Zu jener Zeit werden die Vorräte des 94) Die Bemerkung W. Michaelis, op. cit. S. 23 Ef.• dass die luden es sind, die das Stichwort «immerfort» liefern und dass es in ihrer Bitte gerade andel's ge· meint ist, ist richtig, und dies ist von mir im Wortlaut der L Auflage tatsächlich zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. Ein Argument gegen die von mir her· gestellte Beziehung (Christus. der in der Eucharistie immerfort angeboten wird) ist dies jedoch durchaus nicht. Es liessen sich doch viele Beispiele aus dem lohan· nesevangelium dafür anführen, dass es geradezu zum johanneischen Stil gehört, dass Iesus das gleiche sagt wie seine Gesprächspartner, es aber anders meint. 95) Für den loyalen Hinweis auf V. 35h, dessen Bedeutung mir in der ersten Auflage entgangen war, bin ich W. Michaelis sehr dankbar (op. cit. S. 24,). Auch er nimmt hier schon im ersten Teil der Rede eine wenn auch nur «flüchtige» Bezugnahme auf die Eucharistie an. 96) S. oben S. 17, 19 f., 37.
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Mannas z~ Erde fallen. In dieser Zeit werden sie davon essen, denn es wird letzte Zeit sein.,.9T) Wir wissen hereits, dass im Johannesevangelium die Sakramente in der Gegenwart genau die Rolle spielen, die das Wunder zur Zeit der historischen Inkarnation und am Ende der Tage spielt. So hat denn auch hier das Wunder der Mahlfeier, in dem der Gemeinde das Lehenshrot gespendet wird, seinen Platz zwischen dem Speisungswunder und dem endzeitlichen Mannawunder. Die Beziehung zur Eschatologie, die für die MahHeier von Anfang an schon hei ihrer Grundlegung charakteristisch ist, kommt auch in den Versen 39 und 44 zum Ausdruck: «Ich werde ihn auferwecken am letzten Tage». Es ist ja der Leih des Auf e r s ta n den e n, der im Abendmahl gegenwärtig ist. Er s c h a f f t schon jetzt Lehen, Auferstehung, in uns, und darin liegt die Verheissung auch unserer Auferweckung. Bevor die Rede im zweiten Teil noch unmittelbarer die Abendmahlselemente und den Abendmahlsakt hezeichnet, handelt sie (V. 42-43) im Rahmen der Ausführungen über die Notwendigkeit des Glauhens von dem Anstoss, den das Wissen um die me n s c h I ich eHe r k u n f t des Christus erregt, der hier von sich selbst sagt, er sei das vom Himmel herahkommende Lehenshrot. Dieses Aergernis der niedern Ahstammung des inkarnierten Christus entspricht dem Aergernis, dass der Auferstandene in seiner Gemeinde in einfachem Brote, das gegessen wird, seine Gegenwart hekundet. Das ist der Zusammenhang zwischen der niedern irdischen Herkunft Jesu und seiner Erscheinung in der MahHeier. Christus, das Lehenshrot, kommt zwar vom Himmel, aher wenn er auf die Erde herahsteigt, so wählt er sich hier gerade die niederste Erscheinungsform aus, in seiner historischen Inkarnation wie jetzt in seiner Kirche. So handelt es sich heide Male um eine harte, anstosserregende Rede, einen C1"l'f}()6~ l61'o~ (V. 60). Dass diese Beziehung in diesem Kapitel wirklich hesteht, heweist der Parallelismus zwischen V.43 und 61, wo es heide Male heisst, dass die Zuhörer «murren" über die Rede: l'O'l'l'V~OVC1W, das eine Mal über die allzu hekannte Herkunft Jesu, das andere Mal üher das «Zerkauen des Fleisches Jesu,. und 97) S. dazu ferner Strack.Billerbeck, Kommentar z. N. T. aus Talmud und Midrasch, Bd.lI, S.481, weiter Bd. IV, S.890 und 954.
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das «Trinken seines Blutes». Damit sind wir aher hereits hei dem zweiten Teil der Rede angelangt. Nochmals kommt sie auf das Mannawunder zurück, aher nun nicht mehr, um der Offenbarung, die Moses gehracht hat, diejenige gegenüherzustellen, die er seIhst in seiner Person ist, vielmehr stehen sich hier Manna und Brot der Eucharistie gegenüher. 98 ) Chri. stus hleibt auch weiterhin personhaft die Offenharung, aher nun nicht mehr in seiner geschichtlichen Inkarnation, sondern in der Kirche, und zwar hier im Ahendmahl, wo er nicht «dinghaft», wohl aher handelnd gegenwärtig ist. Das Manna hatte die Väter nur für den Augenhlick genährt; es hat ihnen nicht das «Lehen» gehracht: «sie sind gestorhen» (V. 49). Das Manna war eine «vergängliche Speise» (V. 27). Das Brot dagegen, in dem der Auferstandene gegen· wärtig ist und Auferstehung schafft, hewahrt alle die, welche davon essen, vor dem Tode (V. 50). Der Gedanke, dass in der MahHeier auch eine Verhindung mit dem Auf e r s t a n den e n stattfindet, liegt schon allen paulinischen Ausführungen üher das Ahendmahl in 1. Kor. 10, 14 ff. und doch wohl auch 1l,17 zugrunde. 99 ) Weil es sich um Gemeinschaft mit dem Auferstehungsleibe handelt, hat es nach Paulus so schlimme Folgen für den menschlichen Leih, wenn einer das Mahl unwürdig einnimmt und nicht unterscheidet, wall das für ein Leih ist (1. Kor. ll, 29). Der Apostel geht soweit, Krankheit 98) Ueber das Verhältnis zwischen beiden Teilen der Rede s. auch E .. Gaugier. Das Abendmahl im Neuen Testament. 1943. S.58. Obwohl er gegenüber R. Bult. mann die Zugehörigkeit des ausgesprochen eucharistischen Abschnittes zur ganzen Rede betont, kommt es ihm hier allerdings darauf an, zu zeigen, dass derall. gemeinere Sinn der Brotrede des ersten Teils den Sinn der Abendmahlsdeutung bestimme und nicht umgekehrt. Stärker ist die Zusammengehörigkeit der beiden Teile von Hermann Sasse. «Das Abendmahl im Neuen Testament» in dem Sammelband «Vom Sakrament des Al. tars», 1941, S. 57, betont, wenn er hier sehr richtig schreibt: (es) «stehen hier zwei Gedanl{enreihen über das Lebensbrot nebeneinander, die auf den ersten Blick ein· ander zu widersprechen scheinen und doch für den Evangelisten kontrapunktisch zusammengehören». Welches nun auch das Verhältnis zwischen dem «allgemeineren» und dem eucha. ristischen Sinn der Brotrede sei: wenn schon einmal zugegeben ist, dass im ersten Teil V. 35b auf das Abendmahl hinweist, im zweiten Teil der ganze Abschnitt 51b-58 (so W. Michaelis op. cit.), dann geht es nicht an, zu meinen, an allen an· dern Stellen der Rede sei diese Beziehung völlig vergessen. Andernfalls würden diese Verse eben doch einen Fremdkörper im Ganzen darstellen, und dann mag man sie ebenso gut mit R. Bultmann ganz aus der Rede verweisen. 99) Diese Seite ist bei E. Gaugier. Das Abendmahl im Neuen Testament, 1943. wo die Beziehung zum Sühnetod Christi und dem Bundesgedanken sehr gut dargestellt ist, nicht genügend beachtet.
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und Sterben in der Korinthergemeinde auf solches Unwürdigessen zurückzuführen. 100 ) Aber wie bei Paulus, so ist auch hier ständig nicht nur an die Gemeinschaft mit dem Auferstehungsleih gedacht, sondern zugleich an die Aneignung der von J esus vollbrachten S ü h n e ta t: das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Lehen der Welt». Echt johanneisch hat das Verbum OlOOJ~~ hier wiederum zwei Bedeutungen: «austeilen» und «dahingeben in den Tod,.. Wie die Taufe, so ist auch das Abendmahl an Christi Tod gebunden. Das wird ja überall betont, wo das Johannesevangelium auf die Sakramente hinweist. Im Hinblick auf den Tod wie auf die Auferstehung ist die Eucharistie wie die Taufe zur Gegenwart gewordenes Christusgeschehen. Warum steht aber hier «Fleisch», odQ~, und nicht «Leib», owp,u ?101) In allen Abendmahlstexten heisst es doch ow~u. Die m a t e r i e 11 e Sei t e dieses Sakraments wird hier in geradezu anstössiger Weise gesteigert. Es kommt noch dazu, dass auch das Verbum im V. 54 nicht wie in den vorhergehenden Versen das einfache «essen", fO{HWV, gJuysiv, ist, sondern das grob konkrete T;QWYSW, «zerbeissen».102) Wir verstehen dies nur, wenn wir bedenken, dass es auch schon im ersten Teil darauf angekommen ist, zu betonen, dass das vom Himmel herabsteigende Lebenselement der ganz und gar inkarnierte Christus ist, dessen Vater und Mutter die Juden kennen (V.42). Genau wie die Johannesbriefe, so hat auch das Johannes.100) Hermann Sasse. «Das Abendmahl im Neuen Testament» in «Vom Sakra. ment des Altars», 1941, S. 55, betont mit Recht, dass beachtet werden muss, dass unwürdige Teilnahme lei b I ich gestraft wird und dass man sich an Stelle der charakteristischen Formulierung 1. Kor. 11, 30 nicht gut einen Satz denken könne wie: «Darum haben viele im Beruf Misserfolg gehabt und manche sind völlig verarmt.» - S. dazu O. Cullmann. La delivrance anticipee du corps humain d'aprils le Nouveau Testament. (Hommage et Reconnaissance. 60e anniversaire de K. Barth) S. 31 ff. 101) K. Götz. Das Abendmahl eine Diatheke Jesu oder sein letztes Gleichnis, 1920, erklärt die Tatsache durch Zurückgehen auf das aramäische N'tt':! • das zugleich durch (JJo~t und durch odQ~ wiedergegeben werden kann. W. Michaelis, op. eit. S. 27, vermutet, der Evangelist habe odp~ gewählt, weil nach ihm ow,uu nur den Leichnam Jesu bezeichne. Falls dies richtig sein sollte, so würde die Annahme einer antidoketischen Spitze an dieser Stelle hinfällig. 102) Dass T;QWYSW für Johannes einfach an Stelle von 801}'lsw ohne Bedeutungsunterschied stehe (W. Michaelis, op. cit. S. 27), ist durch Kap. 13,18 doch wohl nicht erwiesen, zumal es sich auch dort um einen aufs Abendmahl bezogenen Text handelt.
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evangelium ein stark a n t i d 0 k e t i s ehe s Interesse. Es kommt ihm von Anfang an darauf an, zu zeigen, dass Christus in einem wirklichen und nicht nur in einem Scheinleihe gewirkt hat, dass der Logos wirklich im «Fleische» ersc~ienen ist. Die göttliche Herrlichkeit, die 66~u im Fleische sich offenbarend, in der fJaQ~: das ist das Leitmotiv des ganzen Evangeliums. Das hezieht sich aber nicht nur auf den historischen J esus, sondern auch auf den Auferstandenen, insofern er auf Erden seine Gegenwart kundtut. Es gehört zum Wesen des Sakraments, dass das nVSV/kU auch hier in der fJaQ~ erscheint. Gerade weil der vierte Evangelist wie kein anderer die Gottheit des Logos betont und gerade weil er dementsprechend in unserm Kapitel über die Eucharistie (V.63) sagt, dass das ausschlaggebende, lebenschaffende Element allerdings nicht das Fleisch, nicht die fJaQS ist, sondern der Geist, das nVSV/kU, gerade deshalb ist dieser Evangelist auch wie kein anderer bestrebt, dem missverständlichen Schluss vorzubeugen, der hieraus gezogen werden könnte, als sei deshalb das Fleisch, die fJaQ~, als Mittlerin der Geisteswirkung etwa nicht ernst zu nehmen. Daher die geradezu anstössige Redeweise vom «Zerkauen» des Fleisches». Dieses Aergernis gehört nun einmal zum Sakrament, genau wie der menschliche Leib zum Logos gehört. Der johanneische Christus will mit dieser Rede die Zuhörer «skandalisieren», auf dass sie aufmerken auf das, worauf es bei aller Offenbarung in Christus ankommt. Auf die Bemerkung der Jünger hin, das Wort vom Zerkauen des Fleisches und Trinken des Blutes sei «hart» (V. 60), antwortet Jesns (V. 61-62), indem er die, welche Anstoss daran nehmen, auf seine Auf f a h r t zum H i m m e 1 hinweist. Was hat das in diesem Zusammenhang zu bedeuten? Offenbar soll das Wunder der Himmelfahrt den Jüngern helfen, das Wunder der Eucharistie, zu begreifen. Gleich im Anschluss an die Erwähnung der Himmelfahrt ist die Rede vom Geist. Denn dieser ist ja allerdings das Wichtige am Sakrament, das, was das Leben schafft (V. 63). Auf Grund der Himmelfahrt Christi ist der Geist nun am Werk, freilich im Fleische, dessen Wirklichkeit völlig ernst zu nehmen ist, obwohl nie h t das F 1 eis ehe s ist, das «Leben schafft»; denn das Fleisch (an sich) «nützt nichts,. (V. 63). Zwischen dem massiven Ausdruck TQWYSW Tr/V fJaQ'w und dem Satz 11 fJCtQ~ ov" wrpslsi ovt5Bv besteht kein Wider-
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spruch; dieses Nebeneinander steht im Gegenteil ganz im Einklang mit dem Grundgedanken des J ohannesevangeliums.102a ) Die Erwähnung der Himmelfahrt zur Erklärung des Wunders der Eucharistie entspricht ganz ihrer analogen Ewähnung im Nikodemusgespräch zur Erklärung des Wunders der Wiedergeburt in der Taufe (Kap. 3, 13 s. oben S. 78 f.). Im V. 64 wird im Zusammenhang mit der nochmaligen Betonung der Notwendigkeit des Glaubens auf J u das I s kar i 0 tangespielt. Diese Anspielung bestätigt noch einmal, dass diese ganze Rede von der Eucharistie handelt und dass der Hinweis auf die Eucharistie nicht erst nachträglich in die Rede eingetragen worden ist, sondern zum ganzen Rahmen gehört. Wir wissen ja aus den Synoptikern, dass Judas Iskariot beim letzten Abendmahl zugegen gewesen l\Tar und dass Jesus seinen Verrat d01;t vorausgesagt hatte. Es ist in der Tat nichts Selbstverständliches, dass einer, der das lebenspendende Mahl miteingenommen hat, J esus verrät. Das wird im Zusammenhang der johanneischen Ausführungen in unserm Kapitel besonders zum Problem. lOS ) Da an dieser Stelle die Notwendigkeit des von Gott gewirkten Glaubens hervorgehoben wird, erscheint Judas hier als Beispiel dafür, dass der GI a u b e bei der Eucharistie unumgänglich ist und dass auch in dieser Hinsicht das «Fleisch,. allein nichts nützt. In V. 53 und 56 ist nicht nur vom Essen, sondern auch vom « Tri n k endes Bluts» die Rede. Aber das Essen des Leibes, .des Fleisches, ist hier weit mehr betont als das Trinken des Blutes. Das hängt einerseits damit zusammen, dass sich die Rede ja an das Speisungswunder anschliesst, bei dem der Wein keine Rolle gespielt hat. Anderseits erklärt es sich aber daraus, dass auf den W ein des eucharistischen Sakraments im J ohannesevangelium bereits vorher hingewiesen worden ist, nämlich in der Erzählung vom Kanawunder. Dort steht der Wein im Vordergrund, hier das Brot. Beides gehört zusammen, und so ist dieses ganze 6. Kapitel inhaltlich mit Kap. 2 zusammenzustellen: dort ein Weinwunder, hier ein Brotwunder, beides aber Hinweise auf dasjenige Wein- und Brotwunder, das sich in der Gemeinde, in der Eucharistie vollzieht. 102a) Dass es sich um «reale Gegenwart» handelt, die aber nicht dinghaft. nicht substanzhaft, sondern ereignishaft zu verstehen ist, zeigt auf seine Weise E. Gaugler. Das Abendmahl im Neuen Testament, 1943. lOS) S. unten S. 108 f.
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In diesen beiden Geschichten aus dem Leben Jesu zieht der Evangelist die Linie zum Sakrament des Abendmahls, so wie er sie von den andern bisher behandelten Berichten zur Taufe hin gezogen hat. Dass Taufe und Abendmahl als die beiden Gottesdienstformen zusammengehören, haben wir schon an der ganz parallelen inhaltlichen Wesensbestimmung gesehen, die wir aus diesen Hinweisen entnommen haben. Mit der Erzählung von der Blindenheilung kommen wir wieder zur Taufe.
10. Die Heilung des Blindgehorenen am Siloahteich.
Kap. 9, 1-39. In der Geschichte der Auslegung ist die Beziehung dieser Erzählung auf die Taufe sehr alt. Den Kirchenvätern ist diese Deutung geläufig. Wir finden sie bei lrenaeus/04 ) und späterhin taucht sie mehrfach auf, so bei Ambrosius und Augustin. E. C. Hoskyns verweist im besondern auch auf die altchristlichen Lektionarien, nach denen unser~ Perikope ebenso wie die Erzählung der Heilung von Bethesda und diejenige von der Samariterin speziell für die Taufliturgie verwendet wurden. 105 ) Ausser Hoskyns sehen von den neuern Erklärern vor allem M. ]. Lagrange 106) und A. Omodeo 107) in dem hier berichteten Wunder einen vom Evangelisten beabsichtigten Hinweis auf jenes andere Wunder, das sich in jeder Taufe ereignet. Die Zusammengehörigkeit der beiden Wunder, desjenigen der Lahmenheilung, Kap. 5, und desjenigen der Blindenheilung, Kap. 9, adv. haer. V, 15,3. The Fourth Gospel. Ed. Davey, 1947, S. 363 ff. Ausserdem spricht Hoskyus, op. cit., S. 351, auch von einer Katakombenfreske des frühen zweiten Jahrhunderts, auf der dieses Wunder zusammen mit andern Taufsymbolen dargestellt wäre. Auf jeden Fall stimmt jedoch die Belegstelle, die er dafür angibt (WilpeTt. Die Male· reien der Katakomben Roms, T. 68, 3) nicht. - Dagegen hat G. Quispel (Leyden) mich mündlich auf die Tatsache aufmerksam gemacht, dass auch die Szene des gnten Hirten als beliebtes Taufsymbol verwendet wird. Lässt dies darauf schlies· sen, dass die Rede Joh. 10 über den guten Hirten, die sich ja - jedenfalls in der überlieferten Anordnung - direkt an die Erzählung von der Heilung des Blindgeborenen anschliesst, als Taufrede aufgefasst wurde, analog der Rede, die in Kap. 6 auf das Speisungswunder folgt? 106) M. J. Lagrange. Evangile selon St. Jean. 7. Aun., 1948, S.257. 107) A. Omodeo. La mistica Giovallnea, 1930. 104) 105)
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ist offensichtlich. Beide Male handelt es sich um eine Heilung an einem Teich/oS) beide Male um eine Heilung am Sabbat, und beide Male ruft sie eine Diskussion zwischen Jeaus und den Juden hervor. Diejenige, die auf die Heilung am Schafteiche in Bethesda folgt, zeigt in Jesus den Spender des «L e ben s ", diejenige, die auf die Heilung am Teiche Siloah folgt, den Spender des Li c h t s. «Ich bin das Licht der WeIt», heisst es gleich am Anfang der Erzählung, V. 5. Wenn unsere Erklärung des Wunders von Bethesda richtig ist, so ist schon von hier aus wahrscheinlich, dass der Evangelist auch in der wunderbaren Blindenheilung die Taufe vorgebildet sieht, und zwar mit besonderer Betonung der Tatsache, dass die, welche meinen, sehend zu sein, nicht zur Quelle des Lichtes kommen, während denen, weIche um ihre Blindheit wissen, die Erleuchtung geschenkt werden kann. Dieser in V. 39 ausgedrückte Gedanke entspricht den Edahrungen der Urgemeinde: zur Taufe auf Christus kommen die, welche um ihre Sünde wissen. Eine Bestätigung findet diese Annahme in der Tatsache, dass die Taufe schon früh als rprona{koq bezeichnet wird und bereits im Hebräerbrief (Kap. 6,4 und 10, 32) das Verbum rprona1Njva~ gleichbedeutend mit ßanna11ijva~ ist. 109 ) Die Vermutung liegt mehr als nahe, dass auch dem Verfasser des J ohannesevangeliums dkse Terminologie geläufig war. Wenn dem aber so ist, dann ist es fast ausgeschlossen, dass er hier nicht an die Taufe gedacht haben sollte. Dass er nämlich auch in dieser Begebenheit einen Hinweis auf christologisch-heilsgeschichtliche Verknüpfung gesehen hat, geht deutlich aus V. 7 hervor, wo er an einem Einzelzug diese Beziehung implicit aufzeigt: in der Deutung des Namens des Teiches Siloah. Den hebräischen Namen, der eigentlich eine «effusio aquae» bezeichnet, bezieht er vom Partizipium Passiv aus auf Christus, den «Abgesandten».11°) Wie der Blinde durch das Wasser des Siloah das Augenlicht erhält, so erhält der Täufling im Taufwasser die lOS) Ueber die von l.leremias abgelehnte Annahme der Identität der beiden Teiche, s. oben S. 88 Anm. 83. 109) S. Otto Michel. Der Brief an die Hebräer (Krit .. exeg. Kommentar über das N. T.), 2. Aun., 1949, S.147. Ib. Anm.2, Literatnrangabe. 110) Wir haben oben S. 88 A. 82 schon erwähnt, dass von hier aus damit zu rechnen ist, dass in der analogen Erzählung, Kap. 5, der Evangelist sich der Bedeutung des Namens Bethesda (Ort der Barmherzigkeit) bewusst ist.
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«Erleuchtung» durch Christus, den «Abgesandten».I11) Angesichts des vom Evangelisten hier selbst gebotenen Hinweises auf einen tiefern Sinn des einmaligen Geschehens sind wir an dieser Stelle ger ade z u auf g e f 0 r der t, zu fragen, was es zu bedeuten hat, wenn gerade ein Wasser in Zusammenhang mit Christus dem «Abgesandten:> gebracht wird. Die Frage stellen, heisst sie beantworten. Dann drängen sich weitere Beziehungen zur Taufe von selbst auf, so die Tatsache, dass von Anfang der Erzählung an die Blindheit des Geheilten unter dem Gesichtswinkel der Sünde gesehen wird. Man könnte eine weitere Analogie darin finden, dass der Blinde nicht nur die Waschung vorzunehmen hat, sondern dass ihm von Jesus ein Teig aufgelegt wird. Es hiesse wohl zu weit gehen, wollte man den altkirchlichen Brauch des Effeta bis in die Zeit des Evangelisten zurückführen. Eher ist anzunehmen, tlass das altkirchliche Verständnis der tatsächlichen Beziehung dieser johanneischen Erzählung zur Taufe zum Taufbrauch des Effeta geführt hat, und auch dies ist für unsere Frage nicht ohne Wichtigkeit.n 2 ) Sicher ist aber, dass in der ältesten Christenheit der Taufakt mit der Handauflegung verbunden war, und in dieser Beziehung stellt der Doppelakt des Auflegens des Teigs und des Waschens im Siloah eine Analogie dar. Auch die Folge ist bedeutsam, die die Heilung des Blindgeborenen nach sich zieht: die Juden erkommunizieren ihn ( lt.noov'Vdywyo~ V. 22, 6~Bßa).o'V a-tn;o'V 8~W, V. 34). So zieht auch die Taufe auf Christus den Ausschluss aus der Synagoge nach sich. Endlich ist auch der Dialog zwischen J esus und dem Geheilten in den Versen 35-37 so aufgebaut, dass er geradezu an die liturgischen Fragen und Antworten des ältesten Taufrituals erinnert. Die Gegner der Betrachtungsweise, die wir in dieser Arbeit auf das Johannesevangelium anwenden, werden nicht verfehlen, auch die Fragwürdigkeit der an dieser Perikope von uns gemachten Beobachtungen zu betonen, und wir können hier nur wiederholen, dass jeder Einzelzug, für sich genommen, in der Tat noch nicht viel zu 111) R. Bultmanll, op. eit., S. 253 sieht auch hier seiner ganzen Tendenz entsprechend den Vergleichspunkt nur allgemein darin, dass der Glaube von Jesus dem Gesandten das Licht der Offenbarung empfängt. 112) S. dazu J. Dölger. Der Exorzismus im altchristlichen Taufritual, 1909, S. 118 ff., 130 H. A. Jacoby. Zur Heilung des Blinden von Bethesda (Zeitschrift für die N. T.liche Wissenschaft 10, S. 185 ff.).
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bedeuten hätte, dass aber die Gesamtheit dieser Züge auch diese Erzählung, zumal wenn sie in den Zusammenhang des ganzen Evangeliums gestellt wird, als eine solche erweist, die für den Evangelisten zugleich einmaliges Geschehen im historischen Leben J esu und liturgisches Geschehen in der Gemeinde des Erhöhten darstellt. Eine grössere Beweiskraft als die in den hier gemachten Beobachtungen enthaltene kann angesichts der gewollt nur andeutenden Redeweise des Evangelisten nicht gefordert werden. Wollte man aber im Hinblick auf diese Schwierigkeit überhaupt auf das Forschen nach einem tiefern Sinn verzichten, so hiesse das, die exegetische Aufgabe nur halb erfüllen.
11. Die Fusswaschung. Kap. 13, 1-20. Diese Erzählung ist besonders interessant, insofern hier wie in der Episode vom Lanzenstich, von der später noch zu sprechen ist, von ein und derselben Begebenheit aus Taufe und Abendmahl, deren Zusammengehörigkeit wir verschiedenfach betont haben, auch formal zusammengestellt sind, was zugleich doch auch Anlass gibt, die beiden Sakramente voneinander zu unterscheiden. Wie in der Erzählung von der Tempelreinigung in Kap. 2, 22 ausdrücklich vermerkt ist, dass die Jünger erst nachträglich sich an das Wort Jesu über den Tempel erinnerten und es offenbar erst dann verstanden, so sagt auch hier Jesus zu Petms im V.6: «Was ich tue (indem ich euch die Füsse wasche), weisst du nicht, aber du wirst es später erfahren». Was hier von Petrus gesagt ist, gilt auch für den Evangelisten. Auch er hat den Sinn dessen, was hier geschehen ist, die tieferen Beziehungen zur Gegenwart, erst fk8't;Ct wv't;a erkannt. Welches sind nun diese Beziehungen? Die Fusswaschung fand am gleichen Abend statt, an dem J esus nach den Synoptikern das Abendmahl einsetzte. An sich war der Akt der Fuss,waschung nichts Besonderes, er entsprach vielmehr der allgemein üblichen Sitte. Das Aussergewöhnliche war nur, dass es Jesus war, der seinen Jüngern die Füsse wusch. Es ist verständlich, dass die Synoptiker, die ihr ganzes Interesse auf die Einsetzung des Abendmahls konzentriert haben, diese Szene, die vor dem eigentlichen Mahl stattfand, nicht erwähnt haben.
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Schwerer verständlich scheint dagegen, dass das J ohannesevangelium die Ein set z u n g des A ben d m a hIs n ich t ber ich t e t, da die Erzählung dieser Begebenheit, wie Paulus 1. Kor. n,23 zeigt, seit der ältesten Zeit fixiert und bekannt war. Aber gerade die johanneische Tendenz, die wir in dieser Arbeit uns bemühen, aufzuzeigen, liefert uns die Erklärung für die genannte Tatsache. Da ist zunächst daran zu erinnern, dass der Evangelist schon im ersten Teil seines Evangeliums vom Abendmahl gesprochen hat, und zwar schon zwei Mal: zunächst im Kap. 2 vom Kanawunder, dann im Kap. 6 vom Speisungswunder aus. Es ist charakteristisch für das Johannesevangelium, dass es vom Abendmahl handelt, nicht indem es einfach wie die Synoptiker die Einsetzungsgeschichte mitteilt, sondern indem es zeigt, wie von a n der n Gesc h ich t end e s L'e ben s J es u aus eine Beziehung zu diesem Sakrament herzustellen ist. So teilt der Evangelist hier, wo er sogar über den gleichen Abend berichtet, an dem das Abendmahl eingesetzt wurde, eine Szene mit, die sich vor derjenigen der Einsetzung zugetragen hat und die auf das Abendmahl selbst nur hinweist.113 ) Wir haben daher hier geradezu ein Schulbeispiel, das uns in dieser Beziehung einen Einblick in die Eigenart des Johannesevangeliums gewährt.n4 ) Von den verschiedenen Eucharistiegedanken war im Kap. 2 derjenige des Sühnetodes, im Kap. 6 derjenige der lebenspendenden Auferstehungskraft des Abendmahls besonders betont; hier steht der Gedanke der L i e b e s g e m ein s c h a f t im Vordergrund: Gemeinschaft mit Christus, und dadurch Gemeinschaft der Jünger untereinander. Als Petrus sich widersetzt: «niemals wirst du mir die Füsse waschen .. (V.8), antwortet ihm Jesus, dass er nur auf diese Weise Anteil an ihm bekomme. Gedacht ist dabei an das eucha113) R. Bultmann, op. eit., S. 375, 5, hält es für «grotesk», dass die Eucharistie durch diesen Akt der Fusswaschung abgebildet sein sollte. E. Lohmerer. Die Fuss· waschung (Z N W 1939, S. 74 ff.), erklärt die Handlung als einen Ordinationsritus für die Apostel. Auch A. Fridrichsen. Bemerkungen zur Fusswaschung, Joh. XIII (Z N W, 1939, S. 94 ft) nimmt keine Beziehung auf das Abendmahl an, findet allerdings in der Erzählung eine Polemik gegen rituelle Bäder. 114) Anders erklärt Albert Schweitzer. Die Mystik des Apostels Paulus, 1930, S. 355, die Tatsache, dass das Johannesevangelium den Einsetzungsbericht fort· lässt. Das sei deshalb geschehen, weil nach dem Johannesevangelium die Sakra· mente erst seit dem Tode und der Auferstehung Jesu möglich geworden seien, so dass die Eucharistie nicht vor dem Tode Jesu könne gefeiert worden sein. - Der· artige rationale Erwägungen liegen jedoch dem Evangelisten fern.
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ristische Sakrament, auf Grund dessen Gemeinschaft mit Christus in der Kirche verwirklicht wird. Einige Verse nachher ist die Rede von der Gemeinschaft der Brüder untereinander. Beides gehört ja im Abendmahl aufs engste zusammen, so wie bei Paulus in 1. Kor. 10, 16-17 der Leih Christi zugleich der Auferstehungsleih des Erhöhten und die Gemeinde 1St. - Wir begreifen nunmehr, weshalb der Evangelist hier die Szene von der Fusswaschung und nicht die Einsetzungsszene mitteilt: er will hier ein e n Abendmahlsgedanken besonders illustrieren, von dem in den beiden andern johanneischen Abendmahlstexten, Kap. 2 und Kap. 6, noch nicht die Rede gewesen ist. Dazu eignete sich in besonderer Weise die Fus8waschungSSzene. Aber es kommt nun noch ein weiterer Grund hinzu, der den Verfasser veranlasst hat, gerade im Anschluss an die Erzählung dieser Szene indirekt vom Abendmahl zu sprechen. Diese Begebenheit erlaubt es ihm nämlich, eine Beziehung zwischen den bei den Sakramenten, Abendmahl und Taufe, herzustellen. Wir werden sehen, dass er es überhaupt liebt, beide zu konfrontieren, wie wir ja bereits einen weitgehenden Par a 11 e I i s mus in der Wesensbestimmung der beiden festgestellt haben. Die Verse 9-10 spielen deutlich auf die Taufe an,115) Petrus bittet, J esus möge ihn ganz waschen, nicht nur an den Füssen, und darauf antwortet J esus: nein, wer ein Mal (ganz) gewaschen sei, der habe eine zweite Waschung ausser der Fusswaschung 116) nicht nötig. Diese Worte können doch wohl nur diesen einen Sinn haben: 115) Ist die Erklärung, die W. Michaelis, op. eit., S. 30 und 32 vorschlägt, das Gebadetsein bezeichne «die erste Begegnung mit Wort und Dienst Jesu», oder «den Eintritt in die ganz neue Weh der Liebesgemeinschaft», nun wirklich naheliegender als die Beziehung auf die Taufe? .116) Die Worte st !kf} 7:ovq n66aq fehlen bekanntlich im Sinaiticus, in einigen lat. Uebersetzungen und bei Kirchenvätern, sind aber im übrigen gut bezeugt. R. Bultmann, op. cit., S. 357, hält sie nicht für ursprünglich und fasst den Vers im Sinne eines Bildwortes auf: «wie der, der gebadet ist, keiner Waschung mehr bedarf, sondern ganz rein ist, so bedarf der, der durch die Fusswaschung GemeinBchaft mit mir bekommen hat, keiner weitern Reinigung». In der FussW'aschung aher sieht er den Dienst Jesu dargestellt, den er durch das Wo r t (Joh. 15, 3) den Seinen leistet. Eine Beziehung zur Tauf.e liege nicht vor. Wenn an die Taufe gedacht sei, so nur im Sinne einer ihre Notwendigkeit ablehnenden Haltung! Ebenfalls spiritualistisch, ohne Beziehung auf die Sakramente, ist die Perikope erklärt bei R. P. Braun. «Le lavement des pieds et la reponse de Usus a Pierre.» in Revue biblique 1935, S. 22 ff. und bei Ph. Menoud. «Le probleme johannique» in Revue de Theologie et de Philosophie (Lausanne), 1943, S.3l fund «L'evangile de lean d'apres les recherehes recentes, 2. Aun., 1947, S.56.
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wer die Taufe empfangen hat, bedarf, auch wenn er von neueIn sündigt, k ein erz w e i t e n Tau f e, denn man kann nicht zwei Mal getauft werden. Die Deutung der Worte vom «gebadet sein,. auf die Taufe drängt sich um so mehr auf, als ja das Taufen im Urchristentum in einem wirklichen Untertauchen des ganzen Körpers besteht.117 ) Die Ablehnung einer zweiten Taufe finden wir auch im Hebräerbrief (Kap. 6,6), wo sie damit begründet wird, dass Christus nicht zwei Mal gekreuzigt werden könne. Wir wissen ja, dass es im Umkreis des Urchristentums Strömungen gegeben hat, die auf eine Wi~ derholung der Taufe gedrungen haben; es gab Sekten, die täglich tauften, so die der Hemerobaptisten. Diese Praxis wird also auch hier verworfen. 11S ) Wohl aber ist nach dieser Erzählung eines nötig, dass die Jünger für die nach der Taufe begangenen Sünden in der Gemeinschaft mit Christus und den Brüdern die Eucharistie i m m e r wie der feiern. Das bedeuten die Worte «nur an den Füssen» Bi Mi ?;ovq :rr;6daq in V.I0. Diese Worte stehen zwar nicht überall,119) sind aber im ganzen doch gut bezeugt. Gegen Bultmann, der mit andern Forschern diese Worte für eine spätere Interpolation hält, ist ihre Ursprünglichkeit auch aus inhaltlichen Gründen anzunehmen. Bultmann sieht sich zu ihrer Streichung veranlasst, weil er hier wie in den andern behandelten Perikopen die Beziehung zu den Sakramenten bestreitet und aus diesem Grunde die Unterscheidung von zwei notwendigen Reinigungen unvereinbar findet mit der Aussage, dass der ABAOVIA-B'IIOq ganz rein sei.120 ) Bultmann geht hier sogar so weit, 117) Die Beziehung auf die Taufe bei Te r t u lli an. De baptismo, cap. 12 (auch T h e 0 d 0 r von Mo p s u e s t i a, Au g u s tin. Er a 8 mus). H. v. Campenhausen. «Zur Auslegung von Joh. 13, 6-10» in ZN W, 1934, S. 259 Cf., be· zieht nicht dieses «Gebadet sein», sondern die Fusswaschung auf die Taufe und sieht in unserer Erzählung die Tendenz, den altkirchlichen Taufritus, bei dem der Täufling nur his zum Knöchel im Wasser steht, gegen das vollständige Untertauchen zu verteidigen. Die Schwäche dieser Erklärung zeigt sich aber darin, dass das «Gebadetsein» in diesem Falle keine Deutung findet, die zu derjenigen der Fusswaschung passt. Wenn v. Campenhausen im «Gebadetsein» die durch das «Wort» erlangte Reinheit sieht, so hat das mit dem Problem
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dass er im Gegenteil in dieser Perikope sogar eine Polemik des Evangelisten gegen die Notwendigkeit der Sakramente angedeutet zu sehen glaubt, mit denen dieser sich nur abgefunden hätte um des kirchlichen Brauches willen! In Wirklichkeit will der Evangelist hier einerseits zeigen, dass die beiden Sakramente zusammengehören_ Anderseits soll aber hier zugleich gerade der Unterschied zwischen beiden aufgezeigt werden: die Taufe ist ein mal i g, sie kann nicht wiederholt werden, so wie der Tod Christi nicht wiederholt werden kann. 121 ) Wir haben diesen Gedanken - allerdings in anderer Form - bereits im Gespräch mit der Samariterin gefunden. Dagegen gibt es ein Sakrament, das wie der hol t werden soll, auf Wiederholung angelegt ist: das Sakrament der Liebesgemeinschaft des Abendmahls. Das bedeuten die Worte et ",,11 1:ovq .n6oaq im V. 10.122 ) In der Taufe bekommt der ein z eIn e ein für alle Mal Teil an Christus, in der Eucharistie die G e m ein deals solche und zwar immer wieder. 123 )
12. Die Ahschiedsreden. Kap. 13, 31-17. Die johanneischen Abschiedsreden J esu können eigentlich nur dann in ihrer Tiefe erfasst werden, wenn ihr eucharistischer Charakter erkannt ist. Auch dies ist längst von den meisten Erklärern 121) Zum Gedanken der Einmaligkeit der Taufe s. Karl Barth. Die kirchliche Lehre von der Taufe (Theol. Studien 14), 1943, S. 41.ff. und O. Cullmann. Die Tauflehre des Neuen Testaments, 1948, S. 24 f. 122) Dagegen spricht doch nicht die von W. Michaelis, op. cit., S. 31 geltend gemachte Tatsache, dass die Fusswaschung hier ja auch nur ein einmaliger Akt ist! Selbstverständlich ist sie das. Aber worauf es mir ankommt, ist doch, dass die Gemeinschaft mit Christus nach meiner Deutung nicht mit dem einmaligen Sakrament der Taufe geregelt ist. Wenn einem Akt, von dem es ausdrücklich heisst, er sei unwiederholbar, ein anderer gegenübergestellt wird, der die gleiche Wirkung wie jener einmalige hat, aber nachher stattfindet, so ergibt sich doch daraus, dass dessen Wiederholbarkeit damit gegeben ist. Darauf weist die Aufforderung in V.14 hin_ - Die Bemerkung (op. cit., S. 31), eine Aufuellung vom Bilde her würde auch nicht weiterführen, da ja auch die Wiederholbarkeit des Ganzbades nicht bestritten werden könne; ferner die Behauptung (ib), es ergäbe sich bei meiner Deutung eine Unterordnung des Abendmahls unter die Taufe, gehen von der unmöglichen Voraussetzung aus, die bei W. Michaelis nicht nur hier vorliegt, als ob ein Hinweis der berichteten Tatsache auf eine andere nur dann angenommen werden dürfe, wenn die Entsprechung bis in die subtilsten Konsequenzen logisch vollkommen wäre. 123) Eine Beziehung der Erzählung auf beide Sakramente nehmen auch an M. Goguel. L'Eucharistie des origines a Justin Martyr. 1910, S. 195 f. W. Bauer. op. eit., S. 172 und Loisy, op. cit., S. 388. - Ausser Joh. 19, 34 (s. u. S. HO) stellt auch 1. Joh. 5,6 die beiden Sakramente zusammen.
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gesehen 124) und zuletzt von E. C. Hoskyns 125) besonders betont worden. Darauf weist schon der ganze Rahmen hin, in dem diese Reden ,gesprochen werden. 126 ) Welches auch ihre ursprüngliche Anordnung sei, sie nehmen ihren Ausgang beim letzten Mahle, im Augenblick wo Judas, der Verräter, nachdem er den Bissen genommen hat, bei Nacht hinausgegangen ist (Kap. 13,30 und 31), während Jesus mit den andern Jüngern, denen er die Füsse gewaschen und mit denen er gegessen hat, im Gemache bleibt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Worte vom «Bereiten der Wohnungen in des Vaters Hause,. (Kap. 14, 2 f.) auf das «Bereiten» des Mahles im Obergemach (Mark. 14,12 ff., Luk. 22,8) Bezug nehmen und überhaupt erst von hier aus ganz verständlich werden. 127 ) Dies würde durchaus der zeitlichen Spannung zwischen Gegenwart und Zukunft und der Auffassung des Gottesdienstes als einer Vorwegnahme des Endes entsprechen, wie sie für das Urchristentum charakteristisch ist. Die ganze Rede setzt den Hintergrund des Abendmahls voraus und zieht nun direkt die Linien zur Gegenwart der Kirche. Das, was wir im ganzen Evangelium als ein Hauptanliegen des Verfassers erkennen, ist hier in direkter Weise ausgesprochen: der noch auf Erden weilende J esus verheisst den Abendmahlsgästen, was ihrer Gemeinschaft zuteil werden wird, wenn er verherrlicht sein wird; er zeigt ihnen, wie von dieser hier eingenommenen Mahlzeit aus die Gemeinschaft der Jünger untereinander und der Jünger mit Christus ständige Wirklichkeit sein wird. Daher liefern die Abschiedsreden geradezu den Schlüssel zum Verständnis des ganzen Evangeliums. Wir haben in unserm Kapitel über die Absicht des Evangelisten gezeigt, wie nach der Verheissung in Kap. 14,26 und 16,13 der Geist der Wahrheit erst auf Grund der besondern von ihm gewirkten «Erinnerung» eine Leben-Jesu-Darstellung wie die des Johannes, evangeliums möglich macht. Wenn wir nun beachten, dass diese Worte eigentlich Abendmahlsworte sind, so fällt von hier ein beson124) S. G. H. C. Me GregoT. Eucharistie Origins. 1928, S. 217 ff., A. Loisy. Le quatrieme Evangile, 2. Aufl., 1921, ad.loc. M. Goguel. L'Eucharistie des origines alustin Martyr. 1910, S. 197 f. 125) op. eit., S. 471 ff. 126) R. H. Straehan. The Fourth Gospel. 3. Aun., 1941, S. 275 f., vertritt die schon vor ihm verteidigte These, nach der die Abschiedsreden geradezu von einem Propheten verfasst wären, der eine eucharistische Feier leite (S. Didache 13). 127) S. Hoskyns, op. eit., S. 453.
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deres Licht auf die von uns in der vorliegenden Arbeit vertretene These. Das letzte Abendmahl J esu und die Eucharistie der Urgemeinde~ wie sie zur Zeit des Evangelisten gefeiert wird, sind hier zusammen· geschaut. So wundert es uns nicht, dass wir in den eucharistischen Gebeten der eDidache,. wesentliche Grundbegriffe dieser johanneischen Reden finden. 128 ) Christus ist hier noch auf Erden, und doch feiert er sozusagen vorausschauend schon die erste Eucharistie der Jüngergemeinde. Das sogenannte hohepriesterliche Gebet (Kap. 17) ist ein typisch eucharistisches Gebet. Es unterscheidet sich allerdings von den spätem Eucharutiegebeten dadurch, dass nur Christus selber, der sich selbst in den Tod gibt, es sprechen kann. Der Anfang des 15. Kapitels: eich bin der wahre Weinstock,. geht aus vom Abendmahlswein, wenn auch im übrigen alttestament· liche Bilder hier verwertet sind. Mit Recht ist längst beachtet worden, dass dieser Abschnitt das genaue Gegenstück zu Kap. 6 bildet. Dort heisst es: eich bin das Brot des Lehens» (Kap. 6,35), hier: eich bin der wahre Weinstock». Es ist nicht ohne Bedeutung, dass das eucharistische Gebet der Didache (Kap. 9,2) dem Vater für den «heiligen Weinstock Davids:o dankt. So wie in Kap. 6,32 der c Vater das wahre Brot aus dem Himmel gibt», so ist hier in Kap. 15,1 der Vater der Weingärtner, dem der wahre Weinstock gehört. Der Parallelismus zwischen diesen heiden Eucharistie-Kapiteln zeigt sich femeJ," darin, dass hier wie dort der Blick auch auf die Ungläubigen geworfen wird und zwar dort hinsichtlich des Essens des Fleisches und des Trinkens des Blutes Christi (Kap. 6,60ff.), hier hinsichtlich der engen Verbundenheit der Schosse mit dem Weinstock, beide Male also hinsichtlich der Teilnahme an der Eucharistie. «Jedes Schoss an mir, das nicht Frucht trägt, das nimmt er weg,. (V. 2) ; «wenn jemand nicht in mir bleibt, wird er weggeworfen wie das Schoss und verdorrt, und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer und sie verbrennen,. (V. 6). Die Entsprechung der heiden Kapitel geht noch weiter. Wir haben gesehen, die unmittelbare Einleitung zu den Abschiedsreden bilden die an Judas den Verräter gerichteten mit dem besond~rn Akt ver· bundenen Worte J esu. Er hat am Mahle teilgenommen, aber J esus 128) G. H. C. Me Gregor, op. eil., S. 221, weist ausserdem auf die Verwandt· schaft des hohenpriesterlichen Gebets mit dem jüdischen «Kiddush» hin.
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kannte ihn als den Verräter im Augenblick, wo er mit den Jüngern ass. Es mag wohl als Problem empfunden worden sein, dass Judas an jener innigsten Gemeinschaft mit Christus teilgehabt hatte. Deshalb betonen Kap. 6 wie Kap. 13, dass Jesus seinen Verräter kannte. Damit soll gesagt sein, dass für Judas das Essen mit Jesus etwas anderes zu bedeuten hatte als für die übrigen Jünger. Es ist ja verwunderlich, dass im Kap. 6,70, wie wir gesehen haben, Judas plötzlich auftaucht. Wir verstehen nun noch besser, dass seine Teilnahme ·am letzten Abendmahl J esu erklärt werden soll: «unter euch ist ein Teufel; er meinte aber Judas, den Sohn des Simon Iskariot; denn dieser sollte ihn verraten, einer von den Zwölfen.» Dass es einer der Intimsten war, ist hier besonders betont. Genau dementsprechend sagt Jesus in Kap. 13,10 schon bei der Fusswaschung: «Ihr seid rein, aber nicht alle; denn er kannte seinen Verräter; deshalb sagte er: ihr seid nicht alle rein.» Der gleiche Ausdruck xa1}ae 6r; steht aber in dem Abschnitt über den Weinstock und die Schosse: «schon seid ihr rein» (Kap. 15,2), und es bestätigt sich, dass unsere Deutung dieser Verse richtig ist. Bei denen, die weggeworfen und verbrannt werden, ist also genau wie in Kap. 6,60 zunächst an alle Ungläubi.gen, dann aber im besonderen an Judas gedacht. Die Verbundenheit der Schosse mit dem Weinstock ist demnach in erster Linie die eucharistische Gemeinschaft der Gläubigen mit Christus. Die Abschiedsreden des Johannesevangeliums gehören aufs engste zusammen mit den Johannesbriefen. Diese sind wohl sogar stilistisch als eine liturgische Unterweisung zu verstehen. Wir können dies hier nicht näher ausführen 129) und müssen uns darauf beschränken, auf den in den Abschiedsreden wie in den JohanneSbriefen stark liturgisch gefärbten Begriff der Agape hinzuweisen. 1ao ) Das «neue Gebot», dass die Jünger sich untereinander lieben sollen, hat seinen Grund in dem einmaligen Liebesakt, auf den alle Eucharistie zurückgeht: «s 0 wie ich euch geliebt habe» (Joh. 13,34 H.). Die Verse 129) Wir hoffen, dies in der hei Delachaux.Niestle (Neuchitel) erscheinenden Kommentarreihe «Commentaire du Nouveau Testament» zu tun. 130) M. Goguel. L'Eucharistie des origines a Justin Martyr, 1910, S. 209 geht sogar so weit, dass er 1. Joh. 3, 1 folgendermassen übersetzt: «voyez quelle agape Dieu a mise a notre disposition afin que nous arrivions a etre appeIes enfants ode Dieu».
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9-13 des 15. Kapitels bieten eine eucharistische Belehrung über den Tod Christi. Auch die Gemeinschaft der sich untereinander liebenden Jünger mit C h r ist u s ist eucharistisch fundiert, und wenn wir in den Abschiedsreden hören: «ich komme wieder», so ist hier entsprechend der johanneischen Tendenz, einen gleichen Ausdruck in mehrfacher Bedeutung zu gebrauchen, zugleich an die Erscheinung an Ostern, an das endgültige Wiederkommen am Ende der Tage und an das Wiederkommen in der zur Mahlfeier versammelten Gemeinde zu denken, die eine Vorwegnahme des Endes bedeutet. Dass dieses zwischenzeitliche «gottesdienstliche» Kommen an die Entsendung des Parakleten gebunden ist, hat im 6. Kapitel (Vers 63) seine Entsprechung in dem Hinweis auf den Geist, und im 4. Kapitel in den Ausführungen über die Anbetung im Geist und in der Wahrheit. Die ganze gottesdienstliche Ausrichtung der Abschiedsreden zeigt sich auch in der starken Betonung der Notwendigkeit des «Gebets in Christi Namen». Dieses hat ja seinen Grund gerade in dem hohenpriesterlichen Liebesakt, der die Eucharistie begründet und der in Jesu eigenem Gebet, Kap. 17, seinen tiefsten eucharistischen Ausdruck findet. Dem «Anbeten im Geist und in der Wahrheit», auf das Jesus im Gespräch mit der Samariterin hingewiesen hat, entspricht das «Beten im Namen Christi».
13. Der Lanzenstich. Kap. 19, 34., Im letzten Text, von dem wir zu sprechen haben, werden wieder die beiden Sakramente konfrontiert, und er zeigt noch einmal besonders deutlich die in unserer Arbeit durch das ganze Evangelium verfolgte Tendenz auf. Der Lanzenstich, von dem nur im J ohannesevangelium berichtet wird, steht in direktem Zusammenhang mit dem Brechen der Schenkel, dem crurif'gium, dessen Zweck es ist, den Tod zu beschleunigen. Da dies bei J esus nicht mehr nötig ist, beschränkt sich der Soldat darauf, durch den Lanzenstich festzustellen, dass er wirklich gestorben ist, oder jedenfalls den Tod sicherzustellen. Der Evangelist teilt diese Einzelheit nur mit wegen der dabei gemachten Feststellung, dass Blut und Wasser aus der Wunde herausflossen. Auch diese Beobachtung hält er nicht um ihrer selbst willen in seinem
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Evangelium fest, sondern weil sie ein besonders eklatantes Zeichen der Beziehung zwischen dem Tod C h r ist i und den bei den Sakramenten iSt. 131 ) Wir haben gesehen, dass sich dieser Gedanke durch das ganze Evangelium hindurchzieht; in den verschiedensten Begebenheiten des Lebens Jesu hat der Verfasser diesen Zusammenhang von Taufe und Abendmahl mit dem Tode Christi «vorgezeichnet» gefunden. In besonders eindringlicher Weise kann er ihn aber an diesem Höhepunkt des Lebens J esu zeigen. Nicht nur dass die bei den Sakramente in Wasser und Blut hier in ihrer Zusammengehörigkeit angedeutet erscheinen, sondern besonders wichtig ist es dem Evangelisten für seine ganze Betrachtungsweise, die wir kennen gelernt haben, dass gerade am Gekreuzigten sozusagen handgreiflich die Bindung der Sakramente an Christi Tod zu erfassen ist. Diese Bindung ist i n haI t I ich in dem Sinne zu verstehen, dass Christus in beiden Sakramenten seiner Kirche das in seinem Tod vollbrachte Sühnewerk schenkt. Sie ist aber auch ehr 0 n 0 I 0 gis c h zu verstehen;132) kaum ist der historische Jesus verschieden 131) Das hahen schon die Kirchenväter gesehen (C h r y sos tom u 8, A u g u . tin u. a.; bei Te r t u 11 i a n fälschlich auf Wassertaufe und Bluttaufe be· zogen). Wie in Kap. 3, 5 und Kap. 6, 51b-58 macht sich R. Bultmann die Aufrecht· erhaltung seiner These von der innern Ablehnung der Sakramente durch den Evangelisten auch an dieser entscheidenden Stelle zu leicht, wenn et diese Anspie. lung auf Taufe und Abendmahl, die auch er nicht bestreiten kann, zusammen mit dem Echtheitszeugnis in Vers 35 als späteren kirchlichen Einschub ahtnt. - Im übrigen wird h~er die Beziehung auf Taufe und Abendmahl von den weitaus mei· sten Erklärem ebenfalls angenommen. Eine Ausnahme bildet F. Büchsel. Das Evan· gelium nach Johannes (Das N. T. Deutsch) 1934, S.174, der sie zwar auch <
111
- noch hängt sein Leih am Kreuz - , als sich bereits zeigt, in welcher Form er von jetzt ab auf Erden gegenwärtig Bein wird: im Sakrament, in Taufe und Abendmahl, und wir wissen aus Kap. 6, dass dies ebenso real gemeint ist wie die Fleischlichkeit des historischen Jesus, ebenso real, wie das aus der Wunde fliessende Wasser und Blut es sind. Diese kurze Episode bedeutet für den Evangelisten wirklich einen H ö h e p unk t; sie enthält den Schlüssel zum Verständnis der Perikopen, die wir untersucht haben. Alle Gegenwartsbeziehungen, die vom Evangelisten in jenen Erzählungen geschaut werden, konzentrieren sich für ihn sozusagen hier am Kreuz. Nur so erklärt sich der merkwürdig feierliche Nachdruck, mit dem er diese an sich unwichtige Szene durch ein besonderes Echtheitszeugnis beglaubigt (V. 35): «der, welcher es gesehen hat, legt Zeugnis davon ab, und jener weiss, dass sein Zeugnis wahr ist». Wenn für diese Episode in besonderer Weise die Augenzeugenschaft betont wird, so deshalb, weil es dem Evangelisten darauf ankommt, zu zeigen, dass dieses Ereignis, das eine für die gegenwärtige Gemeinde so überaus wichtige Verheissung einschliesst, eben wirklich auch selbst in seiner Realität ganz und gar feststeht. So wie es wirkliches Wasser und wirkliches Blut war, das aus der Wunde floss, so wird auch Christi Gegenwart im .Taufwasser und im Abendmahlswein wirklich sein. Wenn der 1. Johannesbrief (Kap. 5, 6~8) schreibt, Christus komme roit Wasser und Blut, so ist wohl an unsere Stelle des Evangeliums gedacht. In den johanneischen Schriften entsprechen sich der historische J esus und der im Sakrament erscheinende Christus der Kirche. Ihre Identität soll im Evangelium aufgezeigt werden an Hand des Lebens J esu. Der johanneische A n t i d 0 k e t i s mus bezieht sich daher auf beide, auf den historischen Jesus und auf den im Sakrament gegenwärtigen. Als J esus stirbt, lässt er die Seinen nicht verwaist. Die Verheissung, dass er in einer kurzen· Weile wiederkommen werde, enthält von hier .aus auch einen neuen Sinn. Denn jenes Wort der Abschiedsrede ist ja echt johanneisch im zwei- oder sogar dreifachen Sinn gemeint: als Rückkehr des an Ostern Erscheinenden, als Rückkehr am Ende, dazwischen aber als Rückkehr im Geist, reduzieren zu müssen. Dies scheint mir aber weder berechtigt noch notwendig, 11m zu zeigen, dass der Unterschied zwischen Paulus und lohannes nicht dort liegt, wo Albert Schweitzer ihn zu sehen meint.
112
wie sie - nicht ausschliesslich, aber besonders kräftig - im Sakrament Wirklichkeit wird. Der Gottesdienst ist ja Vorwegnahme des Endgeschehens.
14. Ergebnisse. Wir haben einerseits ein neues Verständnis der Eigenart und der Absicht des J ohannesevangeliums gewonnen, anderseits wird durch die Ergebnisse unserer Untersuchung unsere Kenntnis des Wesens des urchristlichen Gottesdienstes vertieft, da nunmehr auch das J ohannesevangelium zur indirekten Quelle für seine Erforschung wird. Wir haben festgestellt, dass sich das gottesdienstliche Interesst nicht etwa hloss hier und dort im J ohannesevangelium nachweisen lässt, sondern in einer erstaunlich grossen Zahl von solchen Perikopen, denen im Rahmen des ganzen Evangeliums eine e n t s c h eiden d e Stelle zukommt. Wir haben uns dabei mit Absicht auf solche Ab.schnitte beschränkt, in denen dieses Interesse offensichtlich ist. Wenn wir auch glauhen, dass analoge Anspielungen noch an andern Stellen gefunden werden können/ 33 ) so wollen wir aller-dings doch nicht etwa behaupten, dass sämtliche Erzählungen ohne Ausnahme auf den Gottesdienst, im besonderen auf die Sakramente, bezogen werden müssten. Ich habe bereits erwähnt, dass das gotte&dienstliche Interesse, das der Evangelist am Leben J esu hat, nur einen - allerdings besonders wichtigen - Aspekt eines allgemeineren Interesses des vierten Evangelisten darstellt: die Linie vom Leben Jesu zum Christus der Gemeinde überhaupt herzustellen, um 133) Dass der Abschnitt Kap. 7, 1-10 hier auch zu nennen wäre, haben wir bereits erw·ähnt. S. oben S. 67 f. Ed. Schwarz. Osterbetrachtungen (Z N W 1906. S. 1) verweist in einer kurzen Notiz S. 22 übrigens noch auf eine andere gottesdienstliche Beziehung: die Uebernahme des Laubhüttenfestes durch das Christentum wäre hier abgelehnt. Ferner ist auch Kap. 7,37-39 zu erwähnen. S. o. S. 84 Strack.Billerbeck, Kommentar z. N. T. aus Talmud und Midrasch, Bd. 11, S. 491 erinnert daran, dass am Laubhüttenfest eine Wasserspende stattfand. Von hier aus ist die Beziehung zur Taufe besonders naheliegend. S. dazu Albert Schweitzer. Die Mystik des Apostels Paulus, 1930, S. 347. - Auf die Bedeutung der johanneischen Feste im allgemeinen für die Struktur des Evangeliums hat in einem bisher ungedruckten Referat J. Lowe auf der 3. Tagung der Studiorum Novi Testamenti Societas (14.-16. Sept. 1949 in OxIord) hingewiesen. Zur Frage der jüdischen Feste s. H. St. J. Thackeray. The Septuagint and lewish worship. A Study in origins. 1923.
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ihre Identität nachzuweisen. Weil der Christus der Gemeinde in besonderer Weise in den Sakramenten zug.egen ist, führt jene Linie in so vielen, wenn auch nicht in allen Erzählungen zu den Sakramenten.134 ) Die Bestätigung dafür, dass die in vorstehender Arbeit aufgezeigte Sicht richtig ist, finden wir weiter in der Tatsache, dass die Gesamtwertung und Beschreibung der Sakramente, die sich aus sämtlichen behandelten Perikopen ergibt, durchaus einheitlich ist. Folgende Züge charakterisieren die johanneische Auffassung des Gottesdienstes: 1. Die göttliche Gegenwart ist nicht mehr an den T e m p e 1 gehunden, sondern an die Per s 0 n Christi. Mittelpunkt des Gottesdienstes ist daher C h r ist u s. Deshalb ist der Gottesdienst nicht mehr örtlich begrenzt, sondern alle Anbetung wird zur Anbetung im « Gei s t », und auch der Sabbat ist abgetan. 2. Weil Christus das Zentrum allen Gottesdienstes ist, sind auch alle Mittel der Vergangenheit, um die Verbindung zwischen. Gott und dem sündigen Menschen im Gottesdienst herzustellen: Reinigungsriten, Bäder, Johannestaufe, ersetzt durch die Gnadenmittel, in denen der ha n d e 1 n d e Christus sich selber in der Fülle des Geistbesitzes der Gemeinde mitteilt: die Sakramente der Tau f e und des A ben d m a h 1 s , die unentbehrlichen Aeusserungen christlichen Gottesdienstes. 3. Beiden ist gemeinsam, dass Christus sich in ihnen, um seine Gegenwart im Geiste zu bekunden, m a t e r i e 11 e r E r s c h einun g s f 0 r m e n bedient, die auf das Christus g e s c h ehe n hinweisen: Wasser, Brot und Wein. Obwohl nicht diese Elemente an sich das «nutzbringende» im Sakrament darstellen, so sind sie doch notwendig, so wie der Fleischesleib notwendig war für das Werk des inkarnierten Logos. Ihre Missachtung gehört mit der doketischen Missachtung der niedern Herkunft J esu zusammen. 4. Beiden Sakramenten ist gemeinsam, dass sie in der Zeit nach der Auferstehung an die Stelle der vom inkarnierten Christus vollbrachten W und e r treten. 134) Zum Verständnis der gesamten johanneischen Literatur erwähnt E. Stauf/er. Die Theologie des Neuen Testaments. 1941, S. 25, die spätere patristische Bezeich· nung des lohannes als des «Liturgen>. - Vgl. auch den oben S. 60 gemachten Hinweis auf die Darstellung des lohannes in der mittelalterlichen Kunst.
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5. Beiden ist gemeinsam, dass sie aufs engste an J e s u Tod gebunden sind: einerseits chronologisch,135) anderseits besonders in ihrer Gnadenwirkung, insofern diese in der durch Christi Sühnetat erlangten Sündenvergebung besteht. 6. Beiden ist gemeinsam, dass sie an Christi HimmeHahrt gebunden sind, weil Christus seine Gegenwart im Geiste mitteilt und durch den Geist die antizipierte Teilnahme an seiner Auf e r s t e h u n g vermittelt. 7. Beiden ist gemeinsam, dass sie in ihrer Wirkung nur Vorwegnahme dessen sind, was am End e der Tag e geschehen wird. 8. Beide setzen die Notwendigkeit des GI a u ben s voraus. 9. Der U n t e r s chi e d zwischen Taufe und Abendmahl besteht nach dem Johannesevangelium darin, dass es zum Wesen der Taufe gehört, dass sie ein mal i g, unwiederholbar, ist, dass es dagegen zum Wesen des Abendmahls gehört, dass es wie der hol t wird. Damit hängt es zusammen, dass zu den im vorstehenden genannten gemeinsamen Wirkungen in der Tau f e als besondere Wirkung die Wie der g e bur t, im A ben d m a h 1 als besondere Wirkung die L i e b e s g e m ein s c h a f t der Brüder hinzukommt. In der Taufe bekommt der ein z eIn e ein für allemal, im Abendmahl die Ge me i n deals solche immer wieder Teil an Christus und seinem Werk.
135) Was aber Albert Schweitzers Schluss nicht rechtfertigt, dass ihre G run dleg u n g nach dem Evangelisten nicht auf den historischen Jesus zurückgehe. S. oben S. 103 Anm. 114. Im Gegenteil, das ganze Evangelium soll ja diesen Ursprung der Sakramente im historischen Lehen Jesu nachweisen.
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Stellenregister (Die eingeklammerten Zahlen verweisen auf die Anmerkungen.)
Genesis 1,2 23,10 ff. 33,19 48,22 Numeri 21,5 ff. Psalmen 69,10 133 lesaja 6,9 40,9 42,1 53,4 ff. Sacharja 9,9 Matthäus 3,14 5,23 11,14 12,38--45 13,3 17,10---13 18,20 24,20 Markus 1,8 4,11 10,13 10,15 10,39 13,2 13,18 14,12 14,49 14,57 f. Lukas 8,10 H,2 12,50 22,8 24,30 24,33 24,36 24,53
78 74 34 34 79 73 24 (27) 47 49 64; 66 (41) 65; 66 (40) 49 27 22 63 (29) 75 47 63 (29) 17 14 (8) 63 47 27 77 (59) 66 73 (55) 14 (8) 107 13 73 (55,56) 47 16 (13) 66 107 18 13 18 13; 14
lohannes 1,6--8.15.19--34 60ff.; 80 1,14 41; 42; 46 1,29,36 73 1,32,33 31 1,37 ff. 52 1,33 42 1,51 46 (9); 74 2 93, 103 f. 2,1--ll 67 ff. 2,6 69 2,12--22 72 ff. 2,19 49 2,22 102 2,23 44f. 3 51 f.; 33 3,1--21 76 ff. 3,5 6; 53; 59 (19); 34; Hl (13l) 3,13 93 5lf.; 53; 3,14 70 (46); 74 (57) -(j0; 80 f. 3,22--36 51 3,31 llO 4 82 Cf. 4,1--30 69 4,7 ff. 4,10 ff. 53 ; 77 37 4,23 42 4,35 45 4,43--50 99; 100 (llO) 5 86 ff. 5,1--19 5,6 ff. 53; 106 (123) 5,29 54 6 8; 45; 69 f.; 103 f.; 109 6, 1·13. 26·65 89 ff. 6,5 42 6,19 42 6,32 Ef. 103 85 (77) 6,34 f. 6,35 ff. 47; 53; 84; 108 86 6,38 6,39 ff. 54
6,40 46 6,48 53 6,51 ff. 75 (57a) 6,51hff. 6; 59 (19); III (13l) 6,60 ff. 103f. 6,63 HO 6,70 109 7,1--10 67 fi.; 113 (133) 7,5 45 7,23 53 7,30 67 7, 37ff. 77; 83 f.; H3 (133) 7,39 47; 53; 78; 82 8,20 67 3,28 52; 79 47 3,43 88; 99 ff. 9,1--39 83 (82) 9,7 46; 47; 53 9,39 If. 99 (105) 10 42 10,12 47 10,25 43; 44 H, 15 ff. 54f. ll, 24 If. 42; 46 ll,40 42; 44 ll, 45 I. 55 ll,50 49 12,16 67; 74 (57) 12,23 43; 46 12,23 ff. 12,32 f. 50; 51 C.; 70 (46); 74 (57); 79 12,37 ff. 47 12,41 42 13 85; 109 13,1 55; 67 13,1--20 102 ff. 13,7 49 13,10 109 96 (102) 13,18 107 13,30 f. 13,31 ff.· 106 If. 109 13,34 ff. 53 13,36 f.
117
14,21. 107 14,7 Ef. 41; 45 14, 9 41 14,17 41 14,19 46 14,26 48; 107 15,1 fE. 108; 72 (51) 15,3 104 (116) 15,9-lS 110 11 (1) 16,2 16,12 48; 73 16, lS 107 17 108; 110 17, I 67 17,20 48 50 18,32 51 19,11 55 19,30 6; 59 (19); 19,34 f. 106 (1~3); 110 ff.; IH (131) 43 20,5,19 43; 44 20,8 50 20,9 45 20,24 ff. 43 20,27 44 20,28 41 20,29 6; 39 20,30 r. 18 21,12 ff.
Apostelgeschichte
1,4 1,11
19 13 l! ~4 (26) 2,1 13 2,33 52 2,38 28 (35) 2,42 11; 16; 31 2,46 H; 13; 14; 16; 18; 30 5,3 52 5,21 30; 31 (40) 5,4~ H; 13; 14; 30 8,16 ~8 (35) 8,36 27 8,37 28 10,41 19 10,47 27 10,48 ~8 (35) 11,17 27 12,12 13 19,3 61 19,5 28 (35) 20,7 14(9); 15; 16; 31
118
Römer
1,25 6 6,4 8,15 8,26 8,32 9,4 9,5 10,10 11,36 12,1 16,5 16,16 16,23
Epheser
26 66; 79; 89 76 16 36 52; 79 11(1) 26 25 26 11 (1) 13 22 14 (6)
I. Korinther
28 (35) 33 95 10,161. 21; 104 10,17 36; 75 20 11 95 11,17 l1,20ff. 11; 14 (7); 20 18 (19); 103 11,23 21 11,26 95; 96 (100) 11,29 f. 29; 37 12,5 ff. 23 12,8 11;23;28;31 14 27 14,16 31 14,23 23; 24 14,26 23 14,29,32 24 (26) 15,5 14 (9); 15 16,2 13 16,19 22 16,20 26 16,211f. 17 16,22 26 16,23 1,13 10,1-5 10, 14ff.
2. Korinther
6,16 11,31 13,12 13,23
73 26 23 26
Galater
1,5 3,27 4,6 6,18
26 28 (35) 16 26
1,3 2,21 5,19
26 73 24
Philipper
2,9 2,11 4,20 4,23
52 25 26 26
Kolosser
3,16 4,15 4,16
24 14 ~7
1. Thessalonicher
5,19 5,26 5,28
~3
%Z ~6
1. Timotheus
4,13 2. Timotheus
4,18
27 26
Titus
3,5
77
Philemon
2 Hebräer
4,9 6,4 6,6 9,1,6 10,26 10,32
13
89 89; 100 105 11 (1) 89 100
1. Petrus
2,5 5,14
11
23
I. Iohannes 41; 42 I, I ff. 109 (130) 3, I 52 4,9 112 5,6----8 Offenbarung 11 1,4 11;14(9);15 1,10 3,20 72 24 5,9 24 5,12 24 5,13 27 5,14 24 12,10-1~ 24 19,1-2 24 19,6 11; 16 22,20
Namenregister Achelis, H.
31 (40)
Baldensperger, W. 62 (26) Bamahas 14 (9); 15; 77 (58); 89 Barth, K. 106 (121) Barth, M. 44 (7) Bauer, W. 42 (4); 68 (44); 70 (47); 83 (70); 85 (75); 90 (89); 106 (123) Behm, J. 18 (18) 85 (76) Bousset, W. Braun 104 (116) Büchse!, F. 111 (131) Buhmann, R. 6; 18 (19); 41 (3); 42 (6); 54; 59; 61 (24); 66 (38); 68 (43); 69 (45); 70 (47); 77; 78 (62); 80 (63); 81 (64); 82 (67); 84; 85 (75); 85 (78); 88 (83); 90 (89); 92 (93); 95 (98); 101 (111); 103 (113); 104·(116); 105; 111 (131) Bumey, C. F. 56 (16); 65
v. Campenhausen, H. 105 (117) Clemens v. Alexandrien 90 Craig, C. T. 59 (20); 70 (47) Cullmann, O. 19 (21); 25 (31); 28 (34); 40 (2); 42 (5); 51 (14); 62 (25); 64 (32); 78 (61); 96 (100); 106 (121); 109 (129) Cyprian 71 (47) Cyrill v. Jerusalem 70 (47) Dahl, N. A. 49 (10) 77 (59) v. Dohschütz, E. Dölger, F. J. 18 (20); 26 (32); 101(112) Fendt, L. Flemington, W. F. Fridrichsen, A.
85 (76) 61 (22); 78 (61) 103 (113)
Gaugler, E. 17 (16); 71 (49); 95 (98, 99); 98 (102a) Goguel, M. 70(47); 81(64); 106(123); 107 (124); 109 (130) Götz, K. 96 (101) Mc Gregor, G. H. C. (128) Harnack, A. Hermas
107 (124); 108 64 (33) 77 (58)
Hoskyns, E. C. 74 (57); 90 (89); 99; 107 Howard, W. F. 90 (89) Ignatius Irenaeus
14 (7); 14 (9) 83 (69); 99
Jacohy, A. 101 (112) Jenny, M. 24 (29) Jeremias, J. 18 (18); 66 (40); 77 (59); 86 (79); 88 (82, 83); 100 (108) Justin 12; 14 (9); 15; 27; 30; 32; 77 (58); 83 (69)
Knopf, R. Kuhn, K.G.
30 (37) 16 (14)
Lagrange, M. J. 90 (89); 99 Lake, K. 77 (59) Leenhardt, F ..J. 20 (24) Leipoldt, J. 30 (37) Lietzmann, H. 12; 14(8); 20 (24); 23; 26; 30 (37); 34 (44) Lohmeyer, E. 13 (5a); 16 (12); 66 (38); 103 (113) Loisy, A. 64 (33); 106 (123); 107 (124) van der Loos, H. 71.; 52 (15a) 113 (133) Lowe, J. Marty, J. 26 (32) Menoud, Ph. 104 (116) Merx, Ad. 86 (80) Michaelis, W. 511.; 52 (15h); 58; 60; 63 (30); 64 (31); 66 (42); 69 (45); 70 (46); 71 (50); 74 (57); 75 (57a); 77 (59); 81 (65); 82 (66); 83 (68); 84 (72); 85 (77); 89 (86); 91; 92 (92); 93 (94, 95); 95 (98); 96 (101); 104 (115); 106 (122); 111 (131, 132) Michel, O. 100 (109) Odeherg, H. Omodeo, A. Origenes Plinius
77 (59); 90 (89) 99 90 12; 14 (9); 24; 25 (30)
119
Quispel, G. Raney, W.B. Reitzenstein. R.
99 (105) 59 (20) 34 (43)
95 (98); 96 (100) Sasse, H. Schlatter, A. 65; 90 (89) Schmidt. K. L. 50 (13); 71 (48) 113 (133) Schwarz, E. Schw'eitzer, A. 72 (52); 86 (80); 90 (89); 103 (114); 111 (132); 113 (133); 115 (135.) 92 (93) Schweizer, E. 72 (52) Spitta, F. 15 (11) Staehelin, F. 114 (134) BtauEfer, E. 77 (59); 107 (126) Strachan, R. H.
Strack·Billerbeck 65 (34); 66; 83 (71); 86 (78); 90 (89); 94 (97); 113 (133) Strathmann, H. 11 (1) Tertullian 14 (10); 24 (27); 86 f.; 105 (117, 118); 111 (131) 113 (133) Thackeray, H. St. J. 90 (89) Tillmann, F. 42 (6) Torm, F. 56 (16) Torrey, Ch.·C. Weiss, J. Weizsäcker, C. Wendt, H. H. Werner, M. Wetter, G. P. de Zwaan, J.
18 (18) 30 (37) 77 (59) 111 (132) 26 (32) 56 (16)
Abhandlungen zur Theologie des Alten und Neuen .Testaments Herausgegeben von Prof. Dr. Walther Eichrodt und Prof. Dr. Oscar Cullmann
3
Nr. 1
W. Michaelis:
Zur Engelchristologie im Urchristentum vergriffen
Nr. 2
E. Gaugler:
Das Abendmahl im Neuen Testament 70 Seiten vergriffen, neue Auflage in Vorbereitung
Nr. 3
O. Cullmann:
Urchristentum und Gottesdienst
120 Seiten
2. vermehrte und veränderte Auflage
Fr. 7.80 Nr. 4
W. Eichrodt:
Nr. 5
K. L. Schmidt: Kanonische und apokryphe Evangelien und 96 Seiten· Fr. 6.Apostelgeschichten
Nr. 6
W. G. Kümmel: Verheißung und Erfüllung. Untersuchungen zur eschatologischen Verkündigung Jesu
Das Menschenverständnis des Alten Testaments 80 Seiten . 2. Auflage· Fr. 6.50
vergriffen, Neuauflage in Vorbereitung
Nr. 7
1. Hering:
Nr. 8
Ed. Schweizer: Das Leben des Herrn in der Gemeinde und ihren Diensten 152 Seiten Fr. 3.50
Nr. 9
R.Liechtenhan: Die urchristliche Mission
Nr. 10
1.1. Stad:n: · ... Das Leid~~ des U~sch~ldigen in BabyIon und Israel 83 Seiten Fr. 5.50
Nr.11
l.leremias:
Die Gleichnisse Jesu
Nr. 12
O. Cullmann:
Die Tauflehre des Neuen Testaments. Erwachsenen- und Kindertaufe 80 Seiten . Fr. 5.50
Die biblischen Grundlagen des christlichen Hu· manismus 35 Seiten . Fr. 3.20
94 Seiten
118 Seiten
För1sefzung .auf Umschlagseite 3• ....
Fr. 7.80
Fr. 9.-
Nr. 13 W. G. Kümmel: Das Bild des Menschen im Neuen Testament 64 Seiten . Fr. 5.50 Nr. 14 R.Morgenthaler: Die lukanische Geschichtsschreibung I. Teil: Gestalt 204 Seiten
Fr. 10.80
Nr. 15 R.Morgenthaler: Die lukanische Geschichtsschreibung 11. Teil: Gehalt 116 Seiten
Fr. 7.50
:'Jr. 16 ]. feremias :
Unbekannte Jesusworte
Fr. 7.-
Nr. 17 A. Bentzen:
Messias - Moses redivivus - Menschensohn Skizzen zum Thema Weissagung und Erfüllung 88 Seiten· Fr. 7.--
Nr.18 ehr. Maurer:
Ignatius von Antiochien und das Johannesevangelium 112 Se,iten- Fr. 9.80
Nr. 19 W. Bieder
Die Vorstellung von der Höllenfahrt Jesu Christi. Beitrag zur Entstehungsgeschichte der Vorstellung vom sog. Descensus ad inferos. 233 Seiten - Fr. 12.-
88 Seiten