Thomas von Kienperg
Leda und der Schwan
und andere Gedichte … eB B
Thomas von Kienperg Leda und der Schwan und andere Gedichte …
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Thomas von Kienperg http://dritte.stoa.x-net.at
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. Ausgabe, Januar 2005 Texte: © Thomas von Kienperg, 2005 © eBOOK-Bibliothek 2005 für diese Ausgabe Titelbild: Cesare da Sesto »Leda and the Swan« (50)
Leda und der Schwan Im Mondenschein, am Waldesteiche an seines Ufers sanftem Rand da ruhte sie, die Schönheitsreiche, im nächtlich wunderstillen Land! Die kühle Spröde, sie begehrte ach! zur Buhlin manch Götterherz. Doch sie verlachte nur, verwehrte; trieb mit den Freiern ihren Scherz! Da rauschte leis’ die sanfte Welle, gleichwie die Flut sich regt im Meer und auf den Wogen, silberhelle, zieht ein lichter Schwan daher! „Wer bist du, schöner nächt’ger Bote“, also die Erstaunte sprach, „dienst du einem höhern Gotte, oder bringst du Ungemach?“ Allein der edle, kühne Schiffer wiegt das Gefieder in stiller Lust, zieht seine Kreise näher, tiefer, birgt schmeichelnd den Hals an ihrer Brust! Dem großen Kroniden! Es war ihm gelungen! Willig bot sich ihm dar das Weib! Von höchster Liebesglut durchdrungen, gab sie hin den sterblichen Leib!
Die Anakreontiker Milde fächelt der Zephyr die Haine zarte Stimmen im Garten flüstern erquicklich duften die Rosen, und lüstern funkeln im güldenen Becher die Weine. Es rauschet betörend und lieblich der Quell In Lüften die Sonne, sie glänzet so hell. Sittig wandeln die Damen im Parke Silber reich von der Tafel blinket Und zu köstlichem Mahle winket Daß wollüstig schauert die Seele im Marke. Freude und Wonne erfüllen die Brust Schöpfet und kostet die herrliche Lust. In schattigem Dufte ladet die Laube Gar lockend zur Rast im süßen Vereine Feinsliebchen schlafet im blühenden Haine Vom Marmorbecken grüßt girrend die Taube. Im seligen Taumel von Rausch und Genuß Finden sich Lippen in glühendem Kuß. Holde Musik wallt herüber vom Schlosse Pärchen lagern sich selig umschlungen Und vom brausenden Wahn bezwungen Ruht mancher erschöpft in liebendem Schoße. O Freude des Lebens! dir geb’ ich mich hin, mit fröhlichem Herzen, mit freudigem Sinn!
Am Himmel leuchten die goldenen Sterne Nacht sinkt hernieder mit Zauberschwingen Und in den nächtlichen Büschen klingen Der Nachtigall Lieder so schön in der Ferne. Jeder Gedanke ein lieblicher Traum Ziehen empor sie zum himmlischen Raum. Das irdische Glück und die himmlische Freude Sind Geschwister nur eines Lebens Und die Früchte getrennten Strebens Bescheren dem Toren nur Schmerzen im Leide. Drum Vivat! dem Weine, dem Weib, dem Gesang Dem Glücklichen dünket das Leben nicht lang.
Die Zunge der Philomele Zwei Töchter besaß Athenens König — Sie ergötzten sein Herz nicht wenig — der Hellenen Gebieter Pandion. Einen Freier wollte er erwählen sich mit Prokne zu vermählen vor Attikas Prytanenthron! Des Herrschers Bestreben zu erfüllen frommte die Tochter des Vaters Willen und freite den stolzen Tereus. Doch dem düst’ren Gemahle sanken der Begierde Lustgedanken bald nach dem styg’schen Erebus. Es stand der Finst’re einsam sinnend seiner Tücke Ränke spinnend auf den Mauern des Parthenon. Und es lauschte der Verzückte Den ehelichen Banden Entrückte sprühend der Lyra Freudenton! Und aus dem Gemache sah man wallen durch des Haines schatt’ge Hallen Philomele, die liebliche Sängerin! Des Königs Gunst hatte sie erkoren als des Vaters Liebling, zweitgeboren, riß sie arglos den Würger zur Untat hin!
Des Päans Lob hörte man erschallen Und hoher Anmut süßes Lallen erfüllte der Götter Preislied! Ach! O Eumeniden, mögt ihr sühnen, das frevle Wagen jenes Kühnen, der dieser Jungfrau Urteil sprach! Und es trat der dunkle Rächer, der treuen Schwester Ehebrecher, vor die Jungfrau dräuend hin: „Du sollst mit mir das Lager teilen! Meines Herzens Glut zu heilen, strebt verlangend mir der Sinn!“ Und die Bedrängte mit keuschen Sinnen frommer Gottverehrerinnen mit königlicher Acht gebeut: „Nimmer kann ich dir willfahren, der in Eheschwur, dem wunderbaren, du meine Schwester hast gefreit!“ Nicht rührte ihres Wortes Mahnen, das Verräterherz. Doch ahnen die treuen Sinne das Unheil schon. „Und bist du mein nicht wohlgesonnen, gewähre sträubend deine Wonnen mir zur Lust und mir zum Lohn!“
Und der Tolle, fühllos verblendet Entweiht des Gürtels Bande, schändet frevelnd des unschuld’gen Kindes Leib! Und daß niemand es erführe, geheim bliebe die Schandesmäre, raubt die Zunge er dem Weib! Verflossen das frevelnde Ergötzen gewahret die Schwester mit Entsetzen die weinende Schwester! Im Schoße ein Kleid! Und in bitterlichem Weinen Strömten die Tränen auf das Leinen Darein sie gewirkt das arge Leid! In dem stummgeschlag’nen Munde rasch erstirbt die Schreckenskunde, die Schwester mit Grau’n die Stumme sah! „Weh mir! Das Kleid, das bräutlich reine, des Bildnis verrät im Heuchelscheine den Gatten mir! Der Würger ist nah!“ Es strebten die Schwestern schnell von hinnen Dem nahen Unheil zu entrinnen doch hatte der Finst’re sie schon erspäht! Flugs treibt er seine Mörderscharen im Busen die Schandtat zu bewahren, er des Orkus Beistand fleht!
Als ermattet die zarten Glieder Sanken die Fliehn’den erschöpft darnieder, bei des Waldes nahem Rand! Denn die Leidgeprüften sahen Schon der Verfolger Rosse nahen empfah’n sich treulich der Gotteshand! Und es erhörte die Betrübten, Pyrrhas Töchter, die geliebten, auf des Olympos Wolken Zeus! Und in dem weiten Himmelsbogen, des herrlichen Kroniden zogen Aar und Blitze ihren Kreis. Noch ehe Tereus’ Mörderscharen bei den getreuen Schwestern waren ward das Wunder schnell vollbracht! Eine Schwalbe saß auf grünem Reise, der Nachtigall schmelzende Weise verkündete der Götter Macht! Schaudernd lauschten die Achaier, dem holden Liede, wert und teuer, und bebend riefen alle aus: „Horcht! Des nächt’gen Vogels Klage, kündt’ den Schänder uns am Tage!“ der wandte rasch das Pferd voll Graus.
Des gestrengen Orkus Richterwaage Fördert die Schandtat schnell zu Tage Es ertönte laut des Königs Ruf: „Noch eh’ die Abendglocken schallen wirst du nach dem Avernus wallen, zu deinesgleichen, der dich schuf!“ Und höret ein Herz, das einsam, leise Wacht, in Nächten die schmerzliche Weise es gedenke stets Philomelens ein! Wenn in dem stillen Haine Syringen, der Pandora mächtige Worte erklingen: „Des Weibes Nein achte als ein Nein!“
Arktophylax Geboren, jagend durch die Wälder zu streifen kanntest du, Kallisto, nicht das wilde Begehren des höchsten Gottes von Hellas, dem hehren, des Gedanken, o Schönste, nur dich umschweifen! Der Leto Tochter nur schien deine Liebe geweiht — einem Leben, voll jungfräulicher Herrlichkeit! Dennoch, stolze Jäg’rin, mußtest du erliegen eines Gottes Liebe; und tausend Schwüre — daß niemand deines Gürtels Bande rühre — sie mußte endlich Zeus selbst besiegen! erkennend der Liebe höh’ren Gewinn gabst glühend du dich dem Gotte hin! Nicht schonten dich, Ärmste, die neid’schen Geschicke! wie konnt’ es der Gefährtin verborgen bleiben! Und beim Bade, das verbot’ne Treiben enthüllte der schwangere Leib ihrem Blicke! Artemis, Zürnende! ohn’ Erbarmens Zier, stießest du die verlaß’ne Gesellin von dir! Kallisto, du arme Verstoß’ne, Verhöhnte wardst im Leide beschenket mit einem Sohne — dem vielteuren Arkas! zu herrlichem Lohne der dich mit den düstern Geschicken versöhnte! Doch als Hera, die Göttliche, den Trug erkannt ward geschwinde zur Bärin Kallisto gewandt!
Es strebte ein Himmel selbst sie zu vereinen; denn ewig strahlen in weit gestirnter Ferne als des Himmels schönste beider Bären Sterne wenn Ursa maior und minor den Himmel bescheinen! Schön bist du, Mater ursa, von Zeus an den Himmel gebannt wie dein Sohn Arktophylax! Dir als Hüter gesandt!
An die Horen Hoch flammen Auroras Purpurrosen Schweifend Sonnenlichter kosen Über blühendes Gefild. Im Busen Hymen lieblich klingen Und Cupido mit zärtlichen Schwingen Wecket Eunomias schwellend Bild. Weh Dike! Du Schaffnerin süßer Gaben In Fülle Menschenherzen laben Sich an Chloes goldner Frucht! Heitre Frauen unter bräutlichem Kranze, Auf Kores Haupt in lichtem Glanze Ruhet die Krone höchster Zucht. Durch des Herbstes bunten Reigen In der Dryaden kahlen Zweigen Wandelt still Eirenen hin. In der Greise hellem Blicke Spielet wähnend in verflossnem Glücke Venus! Die Minnespenderin. Aus eines heißen Herzens Gluten Ergeußen schwellnder Liebe Fluten, Wenn das Auge auch im Lethe bricht! Es leidet Liebe, die unerwidert, hoffend, bangend im Busen zittert, denn sie erstirbt im Lethe nicht!
Das Auge des Polyphem Dort wo am Strande der Lotophagen der Klippen Türme zum Himmel ragen warf des Sturmes unbändiger Sinn Ulyß an Eilands Gestade hin. Ihn begehrte die zaub’rische Circe, Kalypso, die Göttin, zum Gemahl, doch seine Treue niemals stürze Penelope in herbe Qual! Und als der Griechen rüst’ge Schiffe gestrandet lagen am Felsenriffe, wählt aus der Gesellen teurem Kreis zwölf Mann der kühne Odysseus. „Wir wollen nach dem Land uns wagen, ihr andern bleibt im sichern Port!“ so hörte man den Dulder sagen nach seinem Schiffe strebend fort. Als Aurora hell den Himmel schmücket mit rosigem Schimmer die Flut beglücket teilet des Schiffes mächtiger Kiel die sanfte Woge; sein lichter Gespiel! Bald sah’n die Gefährten am Klippenrande tief umschattet vom Lorbeerhain eine Grotte im fremden Zyklopenlande und traten mit bänglichem Schauder ein.
Auch einen Beutel ambrosischen Weines in das Dunkel des schattichten Haines in das düst’re Gewölbe trugen sie; es schreckte sie weder Last noch Müh’! Dunkel war um sie her, nur bleiche Gebeine schimmerten greulich hervor, denn eines Toten modrige Leiche verbarg das graue Felsentor! Entsetzt sah man die Freunde stehen, mit bangen Herzen den Himmel flehen, daß in seines Waltens Gnad’ vor Unheil sie ein Gott bewahrt! Da erbebte plötzlich die Erde wie Donner! und Ulyß’ Wange erbleicht; da der Zyklop mit seiner Herde seiner Wohnstatt Dach erreicht! Und der Zyklop mit scharfem Blicke des einen Auges, das voll der Tücke die Gesellen sogleich durchdringt gar grimmig seine Keule schwingt! „Was wollt“, rief brüllend er, „ihr Wichte in Polyphemos’ Felsenhort! Nimmer ergötzte am Sonnenlichte sich Akis! (Verweg’ne, ihr seht in dort!)“
„Mörder!“ rief Ulyß in heißem Zorne „erquickenden Lebens frischem Borne gibst du der Liebe sel’ges Glück den Tod dem Leben nicht zurück! Jovi brachest du die Treue, Akis rissest du von Galateen, du mordetest der Herzen zweie, vor dem Richterthrone wirst du steh’n!“ Es lachte jetzo das Ungeheuer: „Mein ist des Rächers Amt, nicht Euer! Die ihr des mächt’gen Poseidon Sohn ergrimmt in frechem, dreistem Hohn!“ Kaum waren der Nächte zweie verklungen, schwand der getreuen Schiffer Zahl ihrer sechs hatt’ er bald verschlungen bereitend sich ein garstig Mahl! Am dritten Tage — das Scheusal wachte, da Ulyß die kühnliche List bedachte sprach jener in vertraulichem Schein: „Ein Trunk ziemet dir von dem Wein, den einst mir Apollons Priester ließ schenken!“ Und das Scheusal, in Gier entfacht Genoß des Weines ohne Bedenken Schloß in dumpfem Schlummer das Auge zur Nacht!
Und es haschten die Gefährten mit Eile Nun des Ungetüms knotichte Keule! Denn jener, er lag schwer berauscht! Kein Auge wacht! Kein Ohr mehr lauscht! Schärfen die Keule sogleich zur Spitze, betreiben das Werk mit rüst’ger Eil; sie härtend in des Feuers Hitze! Den wack’ren Schiffern werde Heil! Von gottgesandter Kraft geführet da jeder kühn den Arm gerühret bohrt des Pfahles Spitze sich Glühend ins Aug’ dem Wüterich! „Der Riese soll die Untat sühnen!“ ruft Ulyß, der geprüfte Held, „wir wollen dem Olympier dienen, Zeus Kronion! Dem Herrn der Welt!“ Es brüllte der Riese in argen Schmerzen und Mut ergoß Zeus in die kühnen Herzen da sie ersannen den listigen Trug der das Zyklopenauge mit Blindheit schlug. Und es bargen sich die Gefährten schützend in der lockigen Widder Vließ daß die Helden, die leidbewährten, er mit den Tieren aus der Höhle entließ.
Geschwinde eilen die Genossen zum Strande Zu ihren Schiffen am Klippenrande setzen rüstig die Segel in wilder Jagd! Der Zyklope gar gräßlich klagt: „Der schändlich mein Auge geblendet! Wehe! Du bist Laertens Sohn! Es kündete mir, wie das Schicksal endet Einstmalen der Seher Telemon!“ So jammerte kläglich der Zyklope in die liebenden Arme von Penelope eilte der Dulder Odysseus des ein blindes Auge zu zeugen weiß! Nicht, da sehend der Blick gewaltet Erfährt mancher noch der Wahrheit Macht, die Seele sich sehend erst gestaltet wenn das Auge umhüllet finstere Nacht!
Der Treusam Aus Xanthos’ trotzigen Mauern ritt Bellerophon auf beflügeltem Rosse, Rings bedräu’n ihn der Pfeile Geschosse. Doch sie hemmen nicht seines Pferdes Tritt Rasch eilt es dahin mit fliegendem Schritt „Sie sollen mein Roß mir nicht scheuen! So zieh’ ich, mein Liebchen zu freien!“ So fliegt er über den lichten Plan mit traumbefangenen Sinnen da schallt es einher von den Zinnen: „Es ruhe nimmer, o Jüngling, dein Bann!“ spricht Peisistratos’ Sohn, der Tyrann, „Im Nacken die blankichten Streiter, seien fürder dir stete Begleiter!“ Der gestrenge Fürst der Lykier Öffnet der Feste Pforte Und weist nach entferntem Orte. „Ihr Krieger!“, ruft er, „ergreifet den Speer, verfolgt den Empörer mit blitzender Wehr, doch tuet ihm nichts zuleide! Vernichtet den Quell seiner Freude!“
Woraufhin einer der Häscher spricht: „Wir kennen den Hort seiner Lieben! Sie mag Erynniens’ Geißel betrüben!“ „Entfachet verderblichen Feuers Licht!“ fährt es dem König vom Angesicht, „und ist Nemesis’ Rache gediehen, so lasset in Frieden in ziehen!“ Es schwingen des Königs Reiter sich Geschwind auf die harrenden Pferde Und donnernd erbebet die Erde. „Weh dir, kühner Jüngling, hüte dich! Es sinnen die Parzen dir fürchterlich! Spornend das Roß gestreichet Auf daß es sein Ziel erreichet!“ Und der Jüngling an Gebirges Kluft bahnt Eilends den Weg sich gerade Da teilt eine Schlucht seine Pfade. Und nicht eines Menschen hilfreiche Hand Weist ihn an jenseit’ger Gestade sich’res Land, so magst hie, armer Knab’, du verweilen, indes der Feinde Rosse enteilen.
Und er wendet zum Hippogryphe den Blick, dem Halse, dem stolz erhöhten: „Errette mich von den Nöten!“ Kein Auge schweift ängstlich ans Ufer zurück, Fortuna erweiset den Wagenden Glück, und hoch über greulichte Schlüfte, brauset das Roß durch die Lüfte. Überwindend des Berges ragend Gestein Will er durch Waldes Dunkel sich wagen, da hört eine Stimme er klagen: „Erbarmet Euch, ach! edler Jüngling, mein, eine Schäf’rin, wart’ ich in unsel’ger Pein, daß mich, die Gebärn’de, entbinde, ein Barmherz’ger vom empfangenen Kinde!“ Der Jüngling sogleich vom Rosse springt: „Weh! Dich hat der Buhle verlassen! Heiß’ deine Hand mich erfassen!“ Mutterschmerz aller Freuden höchste bringt, heißer Seufzer aus ihrem Munde dringt, und getreulich hält er die Wacht, bis das Kindlein sie niedergebracht!
Und als ritterlich er solchen Dienst vollendet Zu Pferde er rüstig sich schwinget Und flugs nach dem Walde es dränget. Wenn das Gestirn, das finst’re, die Seligkeit schändet, sei am Nächsten die Liebe dir nicht verpfändet, und geschwinde den Forst er durcheilet, als Räubers Horde das Tannicht zerteilet! Es umringen ihn schnell die Bösewichter Und säumen des Reitenden Eile, mit schauderhaftem Geheule. „Was wollt!“, rief der Jüngling, „ihr Gelichter, seiet nimmermehr meines Lebens Richter!“ und kühn das Schwert er gezücket, die feige Bande im Walde entrücket. Und es neiget sich schon der Sonne Strahl, als freie Flur er gewinnet, und Abendrot fein ihn umspinnet, da grüßet ihn stolz mit einem Mal seiner Geliebten Schloß hoch über dem Tal. „Sieh! seiner Zinnen luft’ges Band spielet mit des Himmels rosichtem Brand!“
So ruft er und spornet eilends sein Roß, und als das Ziel er erreichet, im Sattel jäh er erbleichet! Die Flamme schlägt lohend auf vom Schloß Erhellend der Erde blutigen Schoß Und auf Bergfrieds schwindlichten Zinnen, Steht die Geliebte mit erschaudernden Sinnen. Und die verderbliche Garbe umflammt Den Turm in neblichtem Wehen, den gaffend die Häscher umstehen. „Dies gebeut uns des Königs Amt! deines Frevels willen sei auf ewig verdammt! Es verlangte dich nach der Götter Gut, sei denn bestraft mit der Schwere Mut!“ Und auf des Turmes flammender Zinne wehet Der Kamöne weißes Linnen im Winde, da ruft’s empor zu dem unschuld’gen Kinde: „Und wenn auch der Welten Lauf vergehet, der Liebenden Treue, nicht wankend, bestehet!“ Und mit heldenmüt’gem Evoe Stürzt er sich in die brennende Lohe.
Und in Äthers glutenden Sphären, sieht Hespers Bahnen man gülden schon zieh’n, der Eos Sonnenrosse feurig entflieh’n und funkensprüh’nde Chimären umfrieden die Stätte mit schnaubichten Chören indes das Auge Lunens erscheinet und der Liebenden Schicksal beweinet. Ach! Keine Märe ward davon gesungen! Und getroffen von federndem Speere Sinkt sterbend dahin die Chimäre. Und die Häscher, die der König gedungen, seh’n die Beiden liebend umschlungen, an flammn’den Abgrund gesetzet den Fuß, während Kronion entrücket den Pegasus. Da klingt eine Stimme hell durch die Nacht: „Ihre Lippen süß an den meinen! Jetzt mag der Tod uns vereinen!“ Und heiliger Opferflamme Macht Erhellt des gestirnten Himmels Pracht Und in bänglichem, angstvollem Schauern Schweifen die Blicke empor zu den Mauern.
Der beiden Leiber schimmern in Mondes Glanz Die Mauern erzittern im Feuer Und schwankend bricht das Gemäuer Und aus brennender Festen Feuerkranz Fließt süß es hernieder in Seligkeit ganz: „Verkündet, o Mörder, die Ode, von liebender Treu bis zum Tode!“
Die Höllenbotin von Theben Einst hauste in dem Lande Theben, finster, feindlich allem Leben ein Wesen, furchtbar von Gestalt; der Griechen waffenkund’ge Scharen, wie gewandt im Streit sie waren, sie beugte willig die Gewalt! Viele waren schon gefallen, o Schreckensmär’! zu schnödem Raub dem Untier! Von den Helden allen blieb nur der Verwesung Staub! Ein Geheimnis barg im Busen kundig nur den weisen Musen des Orkus falsche Kreatur; jenen Schleier zu erheben setzte ein, das teure Leben wagend, manches Helden Schwur. Nicht Pfeil, nicht Speer galt’s zu versenden, das Arge trug des Wissens Schein, ein Rätsel nur, wenn ungelöst es blieb, verblich des Lebens Sein.
Schon viele waren hingesunken, sonder Hoffnung, leidestrunken, erstarb der zagen Herzen Mut; doch in einem starken Herzen stachelte der Leiden Schmerzen kühn die hehre Kampfesglut! Dem grimmen Wesen zu begegnen, gürtete sich Ödipus allein mit Wissens Kraft gesegnet förderte er seinen Fuß! Die Kampfeslust, die fromm entfachte, beflügelt’ ihn, und er gedachte nicht des schicksalsträcht’gen Winks; und eh’ er solches noch bedenket, schreitet für und für er, lenket, seinen Schritt zur furchtbar’n Sphinx! Schaudernd dreh’n sich ihm die Sinne, zwei blutrünstige Augen dräu’n, und flehend bittet er die Musen, ihm Götterweisheit zu verleih’n!
Die Sphinx, sie regt sich düsterdrohend, aus ihrem Rachen, feuerlohend, sie die furchtbar’n Worte spricht: „Ein Rätsel nur sollst du mir lösen, doch stirbst du, wie die andern Wesen, bekennst du mir die Antwort nicht!“ Und Ödipus, der fromm Beherzte, sprach: „So soll die Losung sein! Vermag die List ich nicht zu lösen, so freue sich die Hölle mein!“ „Weh dir“, begann das Ungeheuer, „unlösbar ist das Abenteuer, das frech du zu bestehen wagst! Bedenke! all die treuen Freunde aus des Griechenstamms Gemeinde deren Leben du beklagst!“ „Wohl klage ich“, hub an der Kühne, „um manchen werten, teuren Freund, des Manen fordern rastlos Sühne, zu rächen des Gerechten Feind!“
„Gut denn, du Tor“, begann die Böse, „dünkst du so weise dich, so löse geschwind des Rätsels Frage mir! Es gibt in uns’rer Schöpfung Werden, ein wandelbares Ding auf Erden, vier Füße hat’s! Doch ist’s kein Tier! Es kann sich auch auf Drei’n bewegen, oder nur auf deren Zwei’n, je mehr der Füße sich da regen, je länger währt der Schritte Reih’n!“ Da lachte es aus Höllenschlünden: „Weißt du die Antwort nur zu finden, so tue schnell sie wissend kund! Noch keiner wußte sie zu geben, es bezahlte mit dem Leben, der blöde, unberedte Mund!“ – „O ihr der Hölle Ausgeburten!“, rief Ödipus, der treue Held, „ich kenne solch ein Wesen dorten nur eines auf der Welt!“
„Denn wenn aus warmen Mutterschößen wir mühsam uns’re Glieder lösen, tastend uns auf allen vier’n; dann lernen wir, in höherm Streben, uns’res Leibs Gestalt erheben, Fuß auf Fuß die Schritte führ’n! Und bleicht das Alter uns die Locke, es wallt der Greis am muntern Stab, und wandelt auf der Füße dreie, bis hinunter in sein Grab!“ „Es kann“ rief laut der edle Retter, „allein das Abbild aller Götter, der Mensch nur dieses Wesen sein!“ Die Sphinx, sie steht entsetzt, vernichtet, der hohe Gott, er hat gerichtet, und forderte das Opfer ein! Es herrschte in dem Lande Theben, fortan wieder des Friedens Macht, doch ach! es mußt’ in unsagbarem Leide leben, der ihn gebracht!
Die letzte Jagd des Aktäon Ein stolzer Held war Aktäon Im Jagen wohl gewandt! Und blut’ger Meute Hunde floh’n Voran ihm über Land. Auf heller Flur, im dunklen Wald Ihm froh das Halali erschallt Und des kühnen Jägers Spuren Führten quer und wild durch Böotiens Fluren. Da früh Aurorens Rosenhauch Die Wälder rings erhellt Der Jägersmann in Forst und Strauch Den Ur und Eber fällt! Zog Aktäon nach dem Gewild; Rasch hat sich das Geschick erfüllt! Denn zu Füßen der wilden Meute Lag gar manche reiche Beute! Die Sonne stieg am Himmelszelt Hochan bis zum Zenit. Ihr Brand, er sengte heiß das Feld Als einen Hain man sieht! „O du kühler, du schatt’ger Hain“, spricht jener, „sollst mir Ruhstatt sein!“ Behenden Laufes, mit Windesschnelle, Eilt er nach des Haines Quelle.
Die Meute hetzt ihm hinterdrein Doch plötzlich stockt sein Schritt. Gewahrend einen munt’ren Reih’n In blüh’nden Haines Mitt’! Denn eine heit’re Nymphenschar Scherzt in dem Bade, silberklar; Der Jäger gebeut der Meute Schweigen: „Störet nicht der Nymphen Reigen!“ Sein Arm, er teilet das Gesträuch Entzückt das Auge hängt Gefesselt an dem Bild, das weich Und warm zum Herzen drängt! Ein Hund, der nah’ dem Herren wacht — Das Tier — es regt sich unbedacht! Die Anadyomenen, mit Erschrecken, den heimlichen Späher sogleich entdecken! „Vermessener!“, rief aus das Weib, das himmelsschön und streng nun steht; mit göttergleichem Leib inmitten ihrer Meng’. „Vermessener! was wagtest du zu stören dieser Stätte Ruh! Ein Sterblicher! Die Ruh zu scheuchen! Die Göttin beim Bade zu beschleichen!“
„Denn wisse, armer, kühner Tor“, nun schrecklich spricht das Weib, „noch nie sah’n Sterbliche zuvor der Göttin nackten Leib! Des Jagens Herrin heiße ich! Weh dir, Verweg’ner! Hüte dich! Der Artemis beim Bade zu stören wagte, sei von den Hunden itzt der Gejagte!“ „Tritt näher, Freund!“, die Göttin sprach und mit betörtem Blick folgt der Böotier gleich ihr nach tritt näher noch ein Stück. Mit dem Borne sie ihn schnell benetzt! „Auf, Hussa! Jenen Hirsch dort hetzt!“ also befahrend des Jägers Hunden. „Er soll mir bluten! Aus tausend Wunden!“ Und sieh! Nicht mehr ein Jägersmann Stand vor den Hunden dort! Den Damhirsch schlug der Zauberbann. Die Meute schnaubet Mord! Und ach! die Hunde rissen gut, bald lag das Wild in seinem Blut! Stets werden die Götter dies bitter rächen: Wenn Sterbliche heil’ge Gebote brechen!
Der Schwur des Kreuzfahrers (Arco und Kunigunde)
I.
Einst in den Auen der Burgund, In einem schönen Garten Erging sich Fräulein Kunigund Den Liebsten zu erwarten. Erst gestern hat Graf Delacour Gelobt mit heißem Liebesschwur, betört von süßen Träumen, gewißlich nicht zu säumen!
II.
Die Dame voller Ungeduld Klapp klapp drang’s her vom Schlosse, fährt auf: horch da! mit neuer Huld sich wendet nach dem Rosse, das ach! den Heißersehnten bringt „Willkommen!“ ruft das Fräulein, dringt in ihn, sich zu erwarmen, in ihren weichen Armen.
III.
Der Graf, er schwingt sich schnell vom Roß Mit feierlichen Zügen; „Mein teurer Freund! Welch schönes Los an Amors Brust zu fliegen!“ Indes der Freund, mit stillem Harm Schließt Kunigunden in den Arm: „Muß fort von hier! Muß eilen, kann länger nicht verweilen!“
IV.
„Was ist dir, Liebster, was, sag an, bedeuten deine Worte?“ „Daß ich nicht länger bleiben kann an diesem Friedensorte! Denn nach dem fernen Morgenland Das Kreuz zu fah’n vor Heidenhand In ritterlichen Mühen Verlangt es mich zu ziehen!“
V.
„Willst fort von hier?“ die Holde sprach nun flehend unter Tränen, „und ich soll hier, in Harm und Schmach in heißem Streit dich wähnen? Gibst Cupido dem Mars du hin? Verirrt, verworren ist dein Sinn!“ „O könntest du verstehen, mein Sehnen und mein Gehen!“
VI.
„Und willst“, so fuhr Feinsliebchen fort, „auf ewig mich verlassen?“ „Hab’ Ruh’, mein Herz, ich will ja dort kein’ neue Braut erfassen!“ „Und wenn du nun nicht wiederkehrst? Dein Antlitz ewig mir verwehrst?“ „Das mag ein Gott verhüten!“ „Ach, Liebster, laß dich bitten!“
VII.
„Mein Herz kann nun nicht mehr zurück, dem König ist’s verpfändet, wie auch mein Herz, den Schwur vom Glück nicht frevlen Sinns gewendet!“ „Und dennoch ziehst du von mir fort?“ „Mein Herz, ich muß! Ich gab mein Wort!“ „Weh! Zwei hast du gegeben!“ „O laß mich ziehn, mein Leben!“
VIII.
Nun wandte sich gestrengen Sinns Die Dame nach dem Ritter: „Ob rauhen, blutigen Gewinns der lieblos, leer und bitter, läßt du mein Herz verwaist zurück!“ und strebt mit wildem Zornesblick dem Grafen zu entfliehen: „Ach, Liebchen, laß mich ziehen!“
IX.
Die zürnende Geliebte war indessen schon enteilet, es stand der Ärmste einsam da, die Brust war ihm zerteilet! Und Tränen standen ihm im Blick: „Ich komm, ich komm bestimmt zurück! Ich schwöre es, beim Leben! Ich hab’ mein Wort gegeben!“
X.
Und es verging so manches Jahr, der Graf, er kam nicht wieder, und vor dem Schloß, ein blühend Paar schritt scherzend auf und nieder. Zwei Kindlein sprangen ringsumher! Welch ruhig Glück! und nimmermehr Gedachten sie des Fernen, der unter fremden Sternen.
XI.
Auf einmal kömmt auf stiller Bahn ein Zug mit heil’gem Reize, und Ritter ziehen ihm hinan mit flammend rotem Kreuze. Dahinter ruht auf stiller Bahr’, der wohl einst ihresgleichen war, die Brust durchbohrt, die rote, das Antlitz bleich im Tode!
XII.
„Sieh jene Ritter, die dort ziehn“, die Dame spricht zum Gatten, „ich will sie fragen, was geschehn, dir flugs Bericht erstatten!“ Rasch eilt sie auf die Reuter zu, gewahrt den Leichnam gleich im Nu, und spricht mit scheuem Flehen: „Ihr Herrn, was ist geschehen?“
XIII.
„Vom Sarazen’, den wir bekriegt, so kehren wir itzt wieder! Denn unter Kreuz und Schwerte liegt Jerusalem darnieder! Auch jener dort, den Gott gericht’, er fehlte nimmer seiner Pflicht, und hat, getreu, sein Leben, für Christum hingegeben!“
XIV.
Und ahnend die Erschrockne steht Itzt vor den Rittern allen, „Ihr Herren“, ruft sie aus, „gesteht — wer ist es, der gefallen?“ „Ein Held, der auch im Tode nicht, vergaß, was seine Ehrenpflicht, dem teuer war der Name, noch sterbend seiner Dame!“
XV.
Die Bange schlägt das Kreuz sogleich Und flüstert leise amen, „Ihr Ritter“, ruft sie schreckensbleich, „wohlan, ihr Herrn, den Namen …!“ Und in des Antlitz’ edler Spur, erkennt sie schaudernd Delacour der ihrer, Kunigunden, gedacht in letzter Stunden!
XVI.
Die Unglückliche weinend sinkt Dem Leichnam hin zu Füßen; Ihn still mit heißen Zähren tränkt, ihn überströmt mit Küssen; erkennt in ihrer Tränen Flut, daß ihres Lebens höchstes Gut gleich einer wilden Taube dem Falken ward zum Raube!
XVII.
Zuletzt ergreift sie seine Hand, und schluchzt: „O weh mir Armen! Die Liebe hab’ ich nicht erkannt, o Gott, so hab’ Erbarmen!“ Die Ritter traten stumm zurück, und legten das zerbrochne Glück zu ihren Füßen nieder! Und kehrten niemals wieder!
Der Untergang der Titanic „Fluctuat nec mergitur“
I.
Hart an Albions Gestade Wiegt sich stolz ein Riesenschiff Spiegelt sich im Flutenbade Kühnlich trotzend jedem Riff! Die Weltenmeere zu durchpflügen Glitt es jüngst vom Stapellauf Den wilden Wogen zu obsiegen — Königin den Ozean hinauf! An der Mole Zu Southampton Schaukelt noch der mächt’ge Kahn! Am Kai Gewimmel — Leutgetümmel — Schickt zur Jungfernfahrt sich an!
II.
Und es kommen die Matrosen Schreiten rasch aufs hohe Deck Von der Reling prangen Rosen Froh geschmückt von Bug bis Heck. Und am Ufer jauchzt die Menge Schreit der Königin „Hurra!“ Jubelnd schallen die Gesänge, und alles ruft „Titania!“ Majestätisch Kühn-pathetisch Steht der Riesenkahn im Port! „Hurray! God bless our goddess!“ klingt es froh an jedem Ort!
III.
Und es strömet immer dichter Im Hafen dort das Volk herbei Lachend, weinende Gesichter Das Herz voll Weh und Abschiedstreu! Es umarmt mit heißen Tränen Der Vater noch sein Weib und Kind, und gesellt sich dann zu jenen die wartend vor dem Schiffe sind! Laute Pfiffe Auf dem Schiffe Künden mächtig das Signal! Heiße Küsse Letzte Grüße Vor dem Ritt ins Wellental!
IV.
Nun tritt der Passagiere Haufen Flutend doch zuletzt an Bord. Weiber schluchzen; Männer laufen Aus ihren lieben Armen fort! Von der Höhe ruft’s hernieder Noch ein Letztesmal „Adieu! Sehen wir uns jemals wieder?“ „Gott schütze euch auf hoher See!“ Lautes Stampfen Wildes Dampfen Die „Titanic“ sticht in See! Tücherschwenken Händewinken Blicke voller Abschiedsweh!
V.
Lange blicken noch die Schiffer Nach Southamptons Port zurück. Der Strand wird klein, die Fluten tiefer Die Küste schwindet ihrem Blick. Des Atlantiks weiter Bogen Nimmt nun die „Titanic“ auf Rings umher nur Wind und Wogen Mit dem Himmel obenauf! Meeresstätte Wogenglätte Das Schiff, es gleitet flugs dahin! Der Kurs hält Die neue Welt Harret schon der Seglerin!
VI.
Ohn’ Gefahr wird jetzt die Schwelle Des Atlantiks schnell passiert. Eisberg’ triften auf der Stelle Wo des Nordens Reich regiert! Die Menge auf den Decken droben Ahnt dabei nichts Arges gar: „Mag rings das Element nur toben! Dieses Schiff ist unsinkbar!“ Das Meer, es lüget Und betrüget Wiegt den Mensch in holdem Schein! Wer will gewahren Die Gefahren Wer dringt in seine Tiefen ein!
VII.
Schreie tönen vom Verdecke Und die Alarmsirene schrillt; Und in siedenheißem Schrecke Die Furcht den bangen Busen schwillt! Donnernd kracht es vorn am Schiffe Und der stähl’rne Bug zerbirst! an des Eisbergs tück’schem Riffe bis zur Titanic höchstem First! „Herr und Gott in der Not steh’ uns armen Sündern bei! Mach daß uns Hilf daß uns Die Gottesmutter gnädig sei!“
VIII.
Der Panik und Verzweiflung Drängen Strömt jetzt durch den lecken Kahn! Matrosen hasten in den Gängen, das Schiff vorm Sinken zu bewahr’n! „Titanic! Königin der Wellen, du galtest doch als unsinkbar! wie konntest du nun doch zerschellen an des Eisbergs ragender Gefahr!“ „Die Titanic — ohne Panik — wird nicht sinken auf den Grund! Und zur Not Manch Rettungsboot Bringt ans Ufer uns gesund!“
IX.
Doch des Kapitänes Worte Versagen in der schrei’nden Not Die Flut bricht brausend durch die Pforte Reißt manchen in den eis’gen Tod! „Zum Heck! zum Heck!“, ruft es, „wir sinken!“ Das Grauen faßt die Menschen an! Im kalten Grabe zu ertrinken, das ganze Schiff, mit Maus und Mann! Das mächt’ge Schiff Am Eisbergriff Neigt langsam vor sich in die Flut! Das Wasser schießt Und ergießt Donnernd sich in wilder Wut!
X.
Es drängt die Masse sich nach hinten Als die „Titanic“ vorn versinkt Das Rettungsboot fliegt von den Winden Als nirgends sonst mehr Hilfe winkt! Die Nebel wallen um die Türme, zum Spielball wird der Riesenkahn! Es brausen Wogensang und Stürme, und tobend bricht die Gischt sich Bahn! Sturm und Not Leid und Tod Sendet wild die Sturmesflut! Frau und Kind Nimm geschwind Herr du auf in deine Hut!
XI.
Plötzlich tönt ein lautes Krachen Und brüllend birst das Schiff entzwei! und des frost’gen Meeres Rachen verschlingt sein Opfer ohne Reu’! Man sieht noch Menschen sich umarmen, ringend um ihr armes Blut! das Herz am Herzen sich erwarmen, bis sie verschlingt die wilde Flut! Titanenschiff Sinket tief In das kalte Meer hinab! Sei nun du Süße Ruh! den Menschen dort ein ew’ges Grab!
XII.
Wärst du gefolget deinen Zielen Nie lebtest du in Ewigkeit! Ein Schiff nur wärst du unter vielen, verloren längst in Raum und Zeit! Unsterblich bist du schöne Sage, es bleibt kein Auge tränenleer! und sicher noch am jüngsten Tage, gedenkt man deines Grabs im Meer!
Das unbekannte Liebchen Blumen prangen auf den Fluren die keusche Welt steht bunt geschmückt errötend folg’ ich ihren Spuren, sie, die mich so still beglückt! Nicht Reichtum frommt dem Himmelskinde nur der Blüten schlichte Zier bekränzt in festlichem Gewinde die holde Stirne für und für! Behänget reich euch mit Geschmeiden Ergötzt euch an des Goldes Glanz Nie wird es euch so herrlich kleiden wie diese Maid der Blütenkranz! Denn wo der Mensch vergeblich waltet schafft reich in Fülle die Natur Der Formen schönste sie gestaltet in ihresgleichen Wesen nur! Gefesselt hängt mein Auge, schmachtet am Engelsbilde hoffnungsreich; und zücht’gen Blickes Strahl betrachtet mich armen Schwärmer, sanft und weich! O tränk’ ich von der holden Lippe der tiefsten Minne süße Glut! Es schlägt das Herz mir in der Rippe und rascher, heißer strömt das Blut!
Was ist das für ein lieblich Wesen das meinen Sinn betört, berauscht In wilde Herzen Sanftmut flößen verborg’ne Blicke, schnell getauscht! Ich erliege! All mein Sehnen wendet dem teuren Geschöpf sich zu, meine Gedanken, voll Weh und Tränen, gewähren mir nimmer Rast noch Ruh’! Und sieh! Ein liebreich Huldeslächeln verherrlicht das schöne Angesicht! Das Auge strahlt! Die Düfte fächeln! Doch ich erreiche die Schöne nicht! Ach ist es Schicksal, das uns bindet, was Herz an Herz so mächtig zieht man ewig sucht, doch niemals findet und ewig begehrt, was sich ewig flieht!
An Kerstinen O lieblichstes Bildnis du unter den Frauen Deine Augen, strahlend, wie zwei Sterne, so hell; Die zarte Wang’, deine anmut’gen Blicke betauen mich frisch wie die Auen der springende Quell. Ach könnt’ immerzu deine Gestalt ich schauen an deiner bräutlichen Schönheit mich erbauen! Schwebend, wie ein himmlisches Angebinde wallt über die Fluren dein Engelsbild und wüchsen Schwingen dir holdem Kinde wie glichest du doch den Engeln so mild! Doch irdisch sind wir; nicht frei von Sünde wandeln wir über der Erde Gründe! Lieblich, gleich Rosen blüh’n deine Wangen an deinen zarten Busen es mächtig mich zieht o könnt’ an deinen Lippen küssend ich hangen deinen Leib berühren, der so herrlich erblüht! In deiner Arme glücksel’gem Umfangen stillte ich bald meines Herzens Verlangen! Und wüßt’ ich, o Schöne, es nur zu sagen, für wen dein Herz in Liebe schlägt! Wie leicht wär’ da des Bekennens Wagen daß süßer Sinn mein Herz bewegt! Ach Liebe! wie muß sie oft heimlich verzagen statt ihre reine Schönheit ans Licht zu tragen!
Das Büßerlied Die fromme Büßerin
Cantus poenae, mortuos stellae, mea maxima culpa! Wer schuf die Welt in ihren Sünden, wer schlug die Erd’ mit ihrem Fluch; wer ließ auch mich, Betörte, finden Verführers Pfad, der Tugend Bruch! Verbannt, gesteinigt sind die Herzen, die der Wollust Laster schwärzen! Wer gab mich diesem schönen Leibe, hat reich mit Liebreiz mich bedacht? Wer schenkt dem tugendhaften Weibe der Schönheit Blendwerk, lustentfacht? Werde Fluch den schnell Bereiten, die meines Leibes sich erfreuten! Kurz war die Zeit der schnellen Lüste lang ist die Frist der Buß’ und Reu’, und irrend in des Lebens Wüste wankt des Sünders Gottestreu! Schwarz und düster sind die Wogen, die mich in den Abgrund hinabgezogen! Schwarz und dunkel auch die Gewölke die jagend zu meinen Häupten zieh’n! und, gleich der Tugend, alle Völker in finsterm Geschwader den Himmel flieh’n! Wo, Schwestern, ist der Hoffnung Segen, der tröstlich dem Büßer tritt entgegen?
Weh! Tief verschlossen in Kerkers Gevierte, der Pandorabüchse liegt sie mir! Wenn, o Hoffnung, dein Stern mich führte, der Opfer herrlichstes brächt’ ich dir! Und gält’ es, das Leben selbst zu stillen, ich gäb’ es hin, um Heiles willen! So scheid’ ich denn! Schön warst du, Jugend, fragend nicht nach Buß’ noch Heil, wurdest Fall du meiner Tugend, sei mir gleich das Leben feil! Nicht mord’ ich es in frevlem Streben, auch Gott hat seinen Sohn gegeben! Denn Leben ist Pfand nur aus Gottes Händen, der Tod, er gilt dem Dasein gleich, wenn wir es, liebend, selbst beenden, eingehend in der Sel’gen Reich, wer wollte richten des Himmels Geschicke, die Pfänder, geliehen nur, fordern zurücke?
Liebe und Leiden dedié à Mlle. Pachoinig
All meine Gedanken Umschweifen, Liebchen, dich; Doch Dornenkränze ranken Mir um das Herze sich! Allen Sinn umfängst du Mit Liebeswonnen mir; Und immerfort, ach immerzu Sehnet mich nach dir! Ich dachte immer Liebe Erfüllte froh das Herz Und nimmer, daß es trübe Versinkt in Weh und Schmerz! Der Liebe große Leiden Die Leidenschaft nur übt; Auch sie erträgt mit Freuden Die Seele nur, die liebt!
Frühlingsreigen Schüchtern spinnet im Morgentaue gold’ne Lichter der Sonne Strahl, der knospende Hag, die grüne Aue, des Himmels lichte Weite, die blaue, sie grüßet Aurora viel tausendmal! Lieblich grünet die junge Weide o herrlich Wunder! An Baches Rand weiß Röslein blühend auf der Heide Blütenwunder in duft’gem Kleide gestreuet aus des Schöpfers Hand! Und von des Baumes Laube singet Beglückend die Lerche mit voller Lust und reiner Glocken Schall erklinget der Erdenschoß sich bräutlich verjünget und Sehnsucht erfüllt die enge Brust! Inmitten der sonnengeschmückten Fluren Windet die Jungfrau den Blumenkranz. Immen schwärmend den Reigen führen Zauberchöre am Herzen rühren zart zerfließend im Himmelsglanz. Warum trübe den Lenz beweinen, wenn hell darüber die Sonne lacht? Dem ew’gen Frieden möge sie scheinen, lasset ach! uns zart die Herzen vereinen, daß holde Liebe Elysen bewacht!
Akrostichon
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Manch Geheimnis schlummert in Wunderdingen, an den Geist bestrickende Zauberschwingen rühren, der Seele tiefsten Grund, innewohnende Geister schlingen jubelnd sich um der Götter Mund! Unser, so ruh’n die Düfte, die linden, atmend in dieser Worte Bund, nun, wer mag dazu den Schlüssel finden, Ach! Wer den Namen jener Pflanze mir künden?
Epitaph Ich bin die Flamme, ich bin das Schwert! Das hohe Banner der Liebe trug ich voran; Unbezwinglich, so wankt’ es inmitten von Grauen und Schlacht! Doch fiel es nicht! Und einen Engel seh’ ich, in laut’rer Sonne stehend; licht hebt sich der strahlende Himmel empor und lächelnd winket die ewige Braut! Alles Irdische ist nur mehr ein Schatten, die ew’ge Ahndung quillt leuchtend in meiner Brust empor weihend das Opfer der ewigen Braut! Jauchzend, so werf’ ich mich ihr in den Arm, jubelnd steigt die befreite Seele zum Himmel hinan, hoch die Drommetten, das Banner voran … Ich bin die Flamme, ich bin das Schwert! Th. v. K.