Diss. ETH Nr. 11068
Untersuchungen zum Formverhalten mikroskopisch kleiner Fluidtropfen in stationären und instationäre...
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Diss. ETH Nr. 11068
Untersuchungen zum Formverhalten mikroskopisch kleiner Fluidtropfen in stationären und instationären Scherströmungen
Abhandlung zur Erlangung des Titels Doktorin der Technischen Wissenschaften der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich
vorgelegt von
Bettina Wolf Dipl.-Ing., Universität Karlsruhe (T. H.) geboren am 10. Oktober 1965 in Duisburg, Deutschland
Angenommen auf Antrag von Prof. Dr.-Ing. E. J. Windhab, Referent Prof. Dr.-Ing. V. Denk, Koreferent
Zürich 1995
DANK Diese Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als Mitarbeiterin im wissenschaftlichen Team von Prof. Dr.-Ing. Erich Windhab. Durchgeführt wurde diese Arbeit in den Jahren von 1989 bis 1992 am Deutschen Institut für Lebensmitteltechnik e. V. (DIL, D-Quakenbrück) und von 1992 bis 1995 am Lehrstuhl für Lebensmittelverfahrenstechnik am Institut für Lebensmittelwissenschaften der Eidgenössisch Technischen Hochschule Zürich (LMVT). Zu allererst möchte ich an dieser Stelle Herrn Prof. Dr.-Ing. Erich Windhab für die Möglichkeit, ihm nach Zürich folgen zu können, ganz herzlich danken. Dieser Wechsel hat die wissenschaflichen Inhalte dieser Arbeit im positiven Sinne wesentlich beeinflusst. Desweiteren möchte ich Herrn Prof. Dr.-Ing. Erich Windhab für die Übernahme des Referats sowie die stete Unterstützung und die zahlreichen Anregungen im Laufe meiner Arbeit herzlichst danken. Neben seiner wissenschaftlichen Unterstützung hat insbesondere sein persönliches Engagement zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Ganz besonders danken möchte ich Prof. Dr.-Ing. Viktor Denk vom Lehrstuhl für Fluidmechanik und Prozessautomation von der Technischen Universität München für die ständige Begleitung meiner Arbeit und die Übernahme des Koreferats. Ohne das Engagement von Prof. Dr.-Ing. Erich Windhab und Prof. Dr.-Ing. Viktor Denk bei der Begründung des Forschungsbereiches der "Mikrofluidmechanik" und dessen Belebung mit wissenschafltichen Inhalten, zu welchem die "Quakenbrücker Makrobioaerosole" eines wesentlichen Beitrag geleistet haben, hätte ich diese Doktorarbeit nicht beginnen und durchführen können. Desweiteren gilt mein besonderer Dank Dr.-Ing. Hermann Nirschl vom Lehrstuhl für Fluidmechanik und Prozessautomation von der Technischen Universität München für die Durchführung numerischer Berechnungen sowie die Kooperation im Projekt "Mikrofluidmechanik". Den Mitarbeitern des DIL sowie des LMVT, welche zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben, sei herzlich gedankt. Mein spezieller Dank gilt den mechanischen und elektrotechnischen Werkstätten beider Institute für Kon-
struktion, Aufbau und Steuerung der in dieser Arbeit eingesetzten Versuchsapparate. Speziell erwähnen möchte ich Herrn Daniel Kiechl und Herrn Albert Wahl vom LMVT. Ohne den Einsatz der im EDV Bereich engagierten Kollegen hätte die (bildanalytische) Auswertung meiner Versuchsdaten nicht so gut durchgeführt werden können, wie das der Fall war. Daneben möchte ich auch allen Studenten und Hilfsassistenten, welche zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben, danken. Für die Finanzierung sei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Schweizerischen Nationalfonds (NF) an dieser Stelle gedankt. Ohne die Begleitung und stete Ermutigung seitens meiner Eltern wäre diese Arbeit nicht entstanden. Ihnen gilt mein besonderer Dank. Darüberhinaus möchte ich Michael Stranzinger für die moralische Unterstützung in der Phase des Zusammenschreibens dieser Arbeit meinen Dank aussprechen.
1 Einführung
-1-
INHALTSVERZEICHNIS
ZUSAMMENFASSUNG/SUMMARY..................................................................4
1
EINFÜHRUNG........................................................................................7
2
ALLGEMEINE GRUNDLAGEN............................................................10 2.1
Emulsionen 10
2.1.1 2.1.2 2.1.3
Einleitung Struktur 10 Emulgierprozess
11
2.2
Grenzflächen fluider Stoffsysteme
13
2.2.1
Grundlagen 13 Grenzflächenspannung und Kapillardruck 14 Beeinflussung der Grenzflächenspannung an Fluid/FluidGrenzflächen 17 Spreitungsvermögen von Grenzflächenfilmen 19
2.2.2 2.2.3 2.2.4
2.3
Strömungsmechanische/rheologische Grundlagen 19
2.3.1 2.3.2
Uniaxiale stationäre Scherströmung Scherversuch 21 Rheologische Grundkörper und Ersatzmodelle 21
2.3.3
10
19
2.4
Rheologische Eigenschaften von Phasengrenzflächen
23
2.5
Fliess- und Strukturverhalten disperser Stoffsysteme
25
1 Einführung 2.5.1 2.5.2
-2Viskositätsfunktion 25 Darstellung von Partikelgrössenverteilungen (Strukturbeschreibung)
27
1 Einführung 3
LITERATURÜBERBLICK....................................................................29 3.1
Grundlegende Arbeiten von TAYLOR zum Deformations und Zerteilungsverhalten kleiner deformierbarer Körper in der laminaren Scherströmung 29
3.2
Stationäre und instationäre Deformation und Zerteilung in der laminaren Scherströmung 36
3.2.1 3.2.2 3.2.3
Einleitung Stationäre Deformation Instationäre Deformation 39 Tropfenaufbruch
3.2.4 3.3
4
-3-
36 37 41
Einfluss von Grenzflächeneigenschaften auf Tropfendeformation und Tropfenaufbruch in der laminaren Scherströmung (Ermittlung von Grenzflächenviskosität/-elastizität) 48
MATERIAL UND METHODEN.............................................................55 4.1
Analytische Methoden
4.1.1
Ermittlung des stationären Scherfliessverhaltens 57 Grenzflächenspannungsmessung 59 Messen von Partikelstrukturen und Partikelgrössenverteilungen 61
4.1.2 4.1.3
55
4.2
Untersuchungen zum Deformations- und Zerteilungsverhalten von Einzeltropfen 64
4.2.1
Strömungsapparate 64 Fluidsysteme 67 Grenzflächenspannungsverhalten der Fluidpaarungen dispers/kontinuierlich (Stoffsysteme) 71
4.2.2 4.2.3
1 Einführung
-4-
4.3
Fixierung deformierter Teilchenstrukturen 73
4.3.1
Fluidmaterial 73 Prozessapparatur 74 Prozessführung zur Herstellung "formfixierter Emulsionen" 75
4.3.2 4.3.3
1 Einführung 5
-5-
VERSUCHSERGEBNISSE, APPROXIMATIONEN UND MODELLIERUNGEN............................................................................76 5.1
Deformations- und Zerteilungsverhalten kleiner Tropfen (Einzeltropfen) in der Scherströmung 76
5.1.1
Tropfenformbeschreibung/Deformationsmass 76 Stationäre Deformation Instationäres Deformations-/Relaxationsverhalten Nicht-ellipsoidale Tropfendeformation und Tropfenzerteilung
5.1.2 5.1.3 5.1.4
5.2
Untersuchung des Einflusses von Grenzflächeneigenschaften auf das instationäre Deformationsverhalten kleiner Tropfen in der Scherströmung 129
5.2.1
Einführung neuartiger grenzflächenrheologischer Parameter Modellierung des instationären Deformations- und Relaxationsverhaltens Grenzflächenviskositäten und Grenzflächenelastizitäten der untersuchten Stoffsysteme dispers/kontinuierlich 135
5.2.2 5.2.3
5.3
Emulsionen formfixierter Teilchen
78 100 115
129 130
149
6
SCHLUSSDISKUSSION....................................................................153
7
LITERATURVERZEICHNIS...............................................................157
ANHANG..........................................................................................................A1 A1 A2 A3 A4
Kapillardruck am ellipsoidalen Körper A1 Gleichungen zum instationären Deformationsverhalten [4] A10 NIH Image Makro A11 Berechnung der Oberfläche eines Ellipsoids A15
1 Einführung A5
-6Modellierung des Deformationsverhaltens A16
1 Einführung
-7-
ZUSAMMENFASSUNG/SUMMARY Untersuchungen zum Formverhalten mikroskopisch kleiner Fluidtropfen in stationären und instationären Scherströmungen In Emulsionssystemen besteht zwischen den dispergierten Tropfen und der kontinuierlichen Phase eine deformierbare Grenzfläche. Als Funktion der physikalischen Stoffeigenschaften des Tropfens sowie der Grenzfläche und des umgebenden Fluids resultiert aus den an der Tropfenoberfläche angreifenden Spannungen eine Deformation. Bei Überschreiten stoffsystemspezifischer kritischer Deformationen erfolgt eine Zerteilung des Tropfens. Neben den rheologischen Materialfunktionen der dispersen und kontinuierlichen Phase bestimmen die dynamischen Eigenschaften der Fluidgrenzflächen Ausmass und Kinetik von Deformation und Zerteilung. Die gezielte Zerstörung einer Fluidgrenzfläche ist beispielsweise das Ziel beim Emulgierprozess. In Kolloidmühlen oder Zahnkranzdispergierapparaten werden Emulsionen durch Übertragen von "Zerteilungsspannungen" aus der strömenden kontinuierlichen Phase auf die Tropfengrenzfläche erzeugt. Dem Emulgierprozess nachgeschaltete Verarbeitungsschritte sollen meist keine weitere dispergierende Wirkung auf die dispersen Emulsionstropfen aufweisen. In dieser Arbeit wurde der Zusammenhang zwischen zeitabhängiger Deformation des Einzeltropfens und der diese verursachende umgebende Fluidströmung experimentell untersucht und modellhaft beschrieben. Als Strömungsformen wurden stationäre und instationäre ("Anlaufströmung", "Relaxationsströmung") Scherströmungen ausgewählt (häufigste Strömungsform in Emulgierprozessen). Zur experimentellen Detektion erfolgte der Aufbau "opto-rheometrischer" Versuchseinrichtungen, in welchen das zeitabhängige Deformationsverhalten von Tropfengrenzflächen am Einzeltropfen (bildanalytisch unterstützt) erfasst wird. Mit diesen Untersuchungswerkzeugen wurde das Deformations- und Zerteilungsverhalten von Tropfen mit NEWTONschem oder strukturviskosem Fliessverhalten in stationären und instationären ("Anlaufströmung", "Relaxationsströmung") Scherströmungen mit ebenfalls NEWTONschen Strömungsfluiden experimentell ermittelt. Der Aufbau der Fluidgrenzfläche zwischen Tropfen und umgebendem Strömungsfluid wurde durch Zugabe von grenzflächenaktiven Stoffen (Emulgatoren) beeinflusst. Aus dem veränderten molekularen Grenzflächenaufbau resultiert ein verändertes Grenzflächenspannungsverhalten. Folglich wird das Deformations- und Zerteilungsverhalten der Tropfen beeinflusst. In Experimenten konnten Hinweise gefunden werden, dass neben der Grenzflächenspannung weitere Grenzflächeneigenschaften Einfluss auf das Deformations- und Zerteilungsverhalten von Fluidtropfen nehmen. Experimentelle Untersuchungen zum Tropfendeformationsverhalten zeigten eine massgebliche Beeinflussung des Deformationsausmasses durch lokal an der Grenzfläche übertragene Normalspannungen. Dieses experimentelle Ergebnis konnte numerisch unterstützt werden.
1 Einführung
-8-
Die modellhafte Beschreibung des Deformationsverhaltens der Fluidtropfen erfolgte mit einem "rheologisch-mechanischen Analogiemodell" (Feder/Dämpfermodell). Das Deformationsverhalten der Tropfengrenzfläche konnte auf Basis einer neuen Definition der grenzflächenrheologischen Parameter (Grenzflächenviskosität, Grenzflächenelastizität) in die Modellierung einbezogen werden. Die Bewegungsgleichung des aufgestellten Tropfenmodells wurde für die instationären Scherversuchsführungen ("Anlaufströmung", "Relaxationsströmung") gelöst und über die Energiebilanz mit der ins Tropfenvolumen eingetragenen Scherdeformationsenergie gekoppelt. Mit den resultierenden Deformationsgleichungen für den Tropfen kann das experimentell ermittelte Tropfendeformationsverhalten in der "Anlaufströmung" und in der "Relaxationsströmung" beschrieben werden. Die grenzflächenrheologischen Modellparameter wurden für die untersuchten Fluidsysteme quantifiziert. In Deformationsexperimenten zur Tropfenzerteilung konnten aus der Literatur bekannte Formen der Fluidtropfenzerteilung (in Scherströmungen) beobachtet werden. Zusätzlich zeigte sich ein Einfluss der Deformationszeit auf das Zerteilungsverhalten der Tropfen. Umsetzungsorientierte Schritte (in Richtung Produktentwicklung) wurden in dieser Arbeit im Hinblick auf die gezielte Ausnutzung der Deformierbarkeit disperser Fluidteilchen zur Erzeugung neuartig strukturierter, disperser Stoffsysteme unternommen. Es erfolgte der Aufbau einer Prozessapparatur zur "Formfixierung" deformierter Emulsionstropfen. Mit rheologischen Messungen konnte die erwartete Beeinflussbarkeit des Viskositätsverhaltens durch die Deformation der Emulsionsteilchen bestätigt werden. Stärker deformierte und fixierte Emulsionsteilchen führten zu deutlich erniedrigten Viskositätswerten.
SUMMARY Investigation of the deformation behaviour of small fluid droplets in steady and unsteady shear flow In emulsion systems there is a deformable interface between the dispersed droplets and the continuous phase. The droplets are deformed by the stresses acting in fluid flow. High stresses lead to droplet break up. The extent and the kinetics of droplet deformation and break up depend on the physical properties of the disperse and continuous phase fluids and the interface. The physical properties which influence deformation behaviour are the rheological behaviour of both phase fluids and the dynamic behaviour of the interface. Break up of fluid droplets is the aim of any emulsification process. In colloid mills or toothed-discs dispersing machines, emulsions are created by the transfer of "break up stresses" from the flowing continuous phase to the droplet interface. Process steps which follow the emulsification process often should not lead to droplet break up.
1 Einführung
-9-
In this work the relationship between time dependent deformation behaviour of a single fluid droplet under planar steady shear flow conditions, as well as relaxation behaviour, was studied. For the experimental study "optical flow devices" were constructed which allow direct observation of the deformation and break up behaviour of single droplets. The droplet shape can be measured using image analysing techniques. Deformation studies were carried out using Newtonian continuous phase fluids. The rheological behaviour of the disperse phase fluid was varied (Newtonian, structure viscous). The structure of the interface between the droplet and the continuous phase were influenced by addition of interface active agents (emulsifiers) to the disperse phase fluid. Different molecular structure of the interface leads to a different interfacial tension behaviour. Consequently the deformation and break up behaviour of the droplets change. In experimental studies it was found that besides the interfacial tension other interfacial properties influence the deformation and break up behaviour of fluid droplets. The shear flow conditions causing droplet deformation cannot be characterised only by the shear stress acting in the continuous phase regardless of local changes near the droplet. Besides shear stresses, normal stresses act at the droplet interface. The normal stresses in particular seem to be responsible for different deformation behaviour of droplets in continuous phase fluids with different Newtonian viscosities under equal "macroscopic" shear stresses (shear stress in unaffected continuous phase flow). The deformation behaviour of droplets under planar steady shear flow conditions, as well as relaxation behaviour, were modelled theoretically with a "rheological model" using a combination of springs and dash pots. In the modelling, the rheological properties of the disperse phase fluid as well as the dynamical deformation behaviour of the interface were taken into account. The deformation behaviour of the interface was described with newly introduced interfacial rheological parameters. Coupling the solution of the equation of motion with the shear energy balance leads to an equation for the time dependent deformation and relaxation behaviour of the droplets. By comparing the model results with the available experimental results the interfacial model parameters were quantified for the fluid systems studied. Experimental studies on the break up behaviour of fluid droplets under shear flow conditions illustrated the different forms of droplet break up which are known from the literature. An influence of the deformation time on the break up behaviour was observed. Using the mechanism of droplet deformation in steady shear flow, a process to create "shape-fixed emulsions" was constructed. "Shape-fixed emulsions" are emulsions whose droplets were fixed (became rigid) in steady shear flow. The emulsion particles are flow-induced structured. As a consequence, the viscosity of these emulsions is reduced in comparison with "spherical emulsions".
1 Einführung 1
- 10 -
EINFÜHRUNG
Bei der Fluidumströmung sogenannter kleiner deformierbarer Körper, worunter "deformierbare Modellobjekte" im Mikrometer- bis Millimetermassstab zu verstehen sind, werden diese in Abhängigkeit der vom Fluid am Körper erzeugten Spannungen deformiert. Als Funktion der physikalischen Stoffeigenschaften des Körpers sowie der Grenzfläche und des umgebenden Fluids resultiert aus den an der Körperoberfläche angreifenden Spannungen eine bleibende oder elastische Verformung des Körpers. Bei Überschreiten einer kritischen Deformation erfolgt dessen Zerstörung. Die Kenntnis des Zusammenhanges zwischen der Deformierbarkeit kleiner Körper und dem lokal wirkenden Spannungstensor ist sowohl im Hinblick auf eine gezielte Zerstörung (z. B. Homogenisation, Zellaufschluss) als auch eine möglichst schonende fluidmechanische Beanspruchung (zum Bsp. bei Fermentation, Filtration, hydrodynamischem Transport, Rührprozessen) von Fluidsystemen mit biologischen (Zellen, Mikroorganismen) sowie nicht biologischen deformierbaren Körpern (Mikrokapseln, Fluidtropfen, Gasblasen) interessant. Aus der Literatur sind einige Arbeiten über das Deformationsverhalten von Tropfen bzw. Gasblasen in unterschiedlichen Fluidströmungen bekannt. Dabei wurde in den meisten systematisch durchgeführten Untersuchungen die Kinetik der Tropfendeformation nur theoretisch behandelt. Grundlage der theoretischen Analyse zum Tropfendeformationsverhalten bilden die NAVIER/STOKESschen Differentialgleichungen für die schleichende Umströmung von Kugeln [1, 2, 3, 4]. In dieser Arbeit wurde der Zusammenhang zwischen zeitabhängiger Deformation des Einzeltropfens und der diese verursachenden umgebenden Fluidströmung experimentell untersucht und modellhaft beschrieben. Experimentelle Untersuchungen zum Tropfendeformationsverhalten erfolgten durch direkte Beobachtung des Deformationsvorganges. Als definierte, die deformierbaren dispersen Teilchen beanspruchende, Fluidströmung wurde die uniaxiale Scherströmung ausgewählt. Stationäre und instationäre Scherströmungen stellen in der Praxis eine der wesentlichen Beanspruchungsformen disperser Teilchen in Fluidströmungen dar. In der Regel wird die uniaxiale Scherströmung auch zur Charakterisierung der rheologischen Eigenschaften fluider Stoffsysteme ausgewählt. Im Rahmen dieser Arbeit aufgebaute "Untersuchungswerkzeuge" (verschiedene Strömungsapparate) wurden dahingehend konzipiert, neben der uniaxialen Scherströmung sowohl die uniaxiale Dehnströmung als auch die hyperbolische Strömung in zukünftige Untersuchungen einbeziehen zu können. Die uniaxiale Dehnströmung als reine Deformationsströmung ist in Bezug auf die Tropfenzerteilung "effizienter" als die uniaxiale Scherströmung 1. Die uniaxiale Scherströmung koppelt einen Verzerrungsanteil und einen Rotationsanteil. Nur 1
Die Zerkleinerung von Flüssigkeitstropfen ist in der Regel das Ziel der Beanspruchung von Tropfen in Fluidströmungen.
1 Einführung
- 11 -
der Verzerrungsanteil ist in Bezug auf Tropfendeformation und Tropfenzerteilung "wirksam". Damit resultiert bei vergleichbarer eingebrachter Strömungsenergie in der uniaxialen Dehnströmung ein höherer "Wirkungsgrad" für die Tropfenzerteilung als in der uniaxialen Scherströmung. Der Einbezug der uniaxialen Dehnströmung in die Dispergierströmung von Emulgierapparaten erfolgt in der Praxis bisher nicht gezielt. Entwicklungsarbeiten in diese Richtung wurden begonnen. Die Untersuchung von Fluidtropfen in der hyperbolischen Strömung ist im Vergleich zur Scher- und Dehnströmung deutlich weniger praxisrelevant: Es existieren praktisch keine verfahrenstechnischen Prozesse, bei welchen Fluidtropfen eine ausgeprägte hyperbolische Strömung "erleben". Das Deformations- und Zerteilungsverhalten von Flüssigkeitstropfen in Fluidströmungen wird massgeblich von den rheologischen Materialfunktionen des Tropfen- und des Strömungsfluids sowie dem Grenzflächenverhalten (Grenzflächenspannung, -elastizität und -viskosität) beeinflusst. Diese Stoffparameter wurden im Rahmen der Untersuchungen zu dieser Arbeit gezielt variiert. Als Tropfenfluid kamen Flüssigkeiten NEWTONschen, strukturviskosen und viskoelastischen Fliessverhaltens zum Einsatz. Als Strömungsfluide wurden NEWTONsche Fluide gewählt. Die Grenzflächeneigenschaften sind durch die Wahl unterschiedlicher Tropfenfluide und die Zugabe von Emulgatoren verändert worden. Zur modellhaften Beschreibung des Tropfendeformationsverhaltens wurde in dieser Arbeit untersucht, inwieweit zur strömungsmechanischen Beschreibung (NAVIER/STOKES-Gleichungen) [1, 2, 3, 4], das stationäre und instationäre Deformationsverhalten in der uniaxialen Scherströmung mit einem "rheologischmechanischen" Analogiemodell beschrieben werden kann. Während die "strömungsmechanische Analyse" des Tropfendeformationsverhaltens lokale Deformations- und Spannungszustände an der Tropfengrenzfläche einbezieht, wird bei der Modellierung mit einem "rheologisch-mechanischen" Analogiemodell das "Gesamtsystem Tropfen" (inneres Fluid und Grenzfläche) integral betrachtet. Die physikalischen Eigenschaften der Grenzfläche wurden auf Basis neuartiger grenzflächenrheologischer Parameter quantifiziert. Der funktionale Zusammenhang zwischen diesen Grössen und dem Deformationsverhalten von Fluidtropfen erweitert den Kenntnisstand zur verbesserten stoffsystemspezifischen Beschreibung des Dispergierverhaltens (Emulgierverhalten) für Fluid/FluidMehrphasensysteme. In einer parallel zu den oben genannten Untersuchungen durchgeführten experimentellen Arbeit wurde untersucht, inwieweit die Deformierbarkeit disperser fluider Teilchen ausgenutzt werden kann, neuartig strukturierte Stoffsysteme zu erzeugen. Die strömungsinduzierte Strukturierung von Emulsionen durch Deformation und Orientierung der fluiden dispersen Teilchen kann nur im "Spannungsfeld" aufrecht erhalten werden. Bei "Wegnahme" der deformierenden Spannungen "relaxiert" die Struktur in der Regel vollständig. Wird der Mechanismus der Relaxation der Teilchen in der Fluidströmung "ausgeschaltet", so entstehen Stoffsysteme mit dispersen Inhaltsbestandteilen strömungsinduzierter Form. Es ist zu erwarten, dass ein derartiges Stoffsystem im Vergleich zum "ursprünglichen" (nicht strukturierten) Stoffsystem ein verändertes rheologisches Verhalten aufweist.
1 Einführung
- 12 -
2
ALLGEMEINE GRUNDLAGEN
2.1
Emulsionen
2.2.1
Einleitung
Das "Einzeltropfensystem" (Hauptgegenstand der Untersuchungen in dieser Arbeit) stellt ein "idealisiertes Emulsionssystem" dar, bei welchem Wechselwirkungen zwischen den dispergierten Tropfen "ausgeschaltet" sind. Die Beschreibung der Struktur und Herstellung von Emulsionssystemen (in den nachfolgenden Kapiteln 2.2.2 und 2.2.3) erfolgt im Hinblick auf die Übertragung der am Einzeltropfen gewonnenen Erkenntnisse zum Defomations- und Zerteilungsverhalten von Tropfen in Fluidströmungen auf "praxisrelevante" Vieltropfensysteme (Emulsionen) in Kapitel 6 (Schlussdiskussion) dieser Arbeit. Darüber hinaus bilden Emulsionssysteme die Grundlage eines in dieser Arbeit vorgestellten verfahrenstechnischen Prozesses, in welchem die Deformierbarkeit von Emulsionstropfen in Fluidströmungen unter produktentwicklerischen Aspekten "ausgenutzt" wird (vgl. Kapitel 4.3 und 5.3).
2.2.2
Struktur
Emulsionen sind disperse Mehrphasensysteme, bestehend aus mindestens einer lipophilen und einer hydrophilen Flüssigkeit. In der "kontinuierlichen Phase"2 liegt die andere Flüssigkeit in Form von Tröpfchen vor; sie bildet die "disperse Phase"3. Der disperse Zustand einer Emulsion muss durch Zugabe von Emulgierhilfsstoffen, Emulgatoren und/oder Stabilisatoren, stabilisiert werden. Emulgatoren zählen zur Stoffklasse der Tenside, dass heisst sie besitzen einen lipophilen und einen hydrophilen Molekülteil (vgl. Abb. 2.1). Bedingt durch ihren amphiphilen4 Molekülcharakter lagern sich Emulgatormoleküle an Grenzflächen zwischen zwei fluiden Phasen eines dispersen Stoffsystems an und erniedrigen dort die Grenzflächenspannung (vgl. Kap. 2.2.3). Stabilisatoren gehören zur Stoffklasse der Hydrokolloide. Dabei handelt es sich um makromolekulare hydrophile Substanzen, die in Wasser entweder (kolloidal) löslich oder quellbar sind. Stabilisatoren werden bei der Emulsionsherstellung der kontinuierlichen Phase zugegeben und kommen folglich hauptsächlich bei O/W-Emulsionen (vgl. Abb. 2.1) zum Einsatz. Ihre Wirkung beruht auf einer Erhöhung der Viskosität der kontinuierlichen Phase und der daraus folgenden Verringerung der Sedimentation bzw. Annäherung der Tropfen. Falls durch den 2 3 4
Die "kontinuierliche Phase" wird zum Teil auch als "äussere" oder "offene Phase" bezeichnet. Synonym zum Begriff der "dispersen Phase" wird auch "innere Phase" oder "geschlossene Phase" verwendet. Moleküle mit einem hydrophilen und einem lipophilen Molekülteil werden als "amphiphile Moleküle" bezeichnet.
1 Einführung
- 13 -
Stabilisator die Fliessgrenze5 der kontinuierlichen Phase ausreichend erhöht wird, werden Relativbewegungen der dispersen und kontinuierlichen Phase vollständig unterdrückt.
Emulgatormolek l
hydrophil
O/W-Emulsion
lipophil
W/O-Emulsion
l
Wasser
Wasser
l
Abb. 2.1:
Anordnung der Phasen bei O/W- und W/O-Emulsionen und Orientierung der Emulgatormoleküle an der Phasengrenzfläche ("Öl" (O) steht für die lipophile Flüssigkeit, "Wasser" (W) für die hydrophile Flüssigkeit)
2.1.2
Emulgierprozess
Abbildung 2.2 zeigt schematisch am Beispiel einer O/W-Emulsion die beim Emulgieren ablaufenden Vorgänge (vgl. zur Form des Tropfenaufbruchs auch Kap. 3.2.4). Vor dem eigentlichen Emulgierprozess wird meist eine grobdisperse Rohemulsion erzeugt ("Voremulgieren"). Dies geschieht durch Vermischen (Eintrag mechanischer Energie) der einzelnen Rezepturbestandteile. Im einfachsten Fall sind dies die disperse Phase, die kontinuierliche Phase und ein Emulgatorsystem. Bei Lebensmittelstoffsystemen werden darüber hinaus oft Stabilisatoren, Gewürze, Geschmacksstoffe und Konservierungsmittel zugegeben. Beim eigentlichen Emulgierprozess, dem "Feinemulgieren", werden die Tropfen durch erneuten Eintrag mechanischer Energie in das System deformiert. Bei Überschreiten kritischer Deformationen zerteilen sie. Beim Feinemulgieren ist der Eintrag mechanischer Energie in das Mehrphasensystem wesentlich höher als beim Voremulgieren. Durch die Zerteilung der Tropfen vergrössert sich die Phasengrenzfläche im Stoffsystem und die an der Phasengrenzfläche adsorbierten Emulgatormole5
Die Fliessgrenze entspricht der zur Einleitung eines Fliessvorganges notwendigen Mindestschubspannung.
Abb. 2.2:
disp. Phase
Emulgator
kont. Phase
Vorgänge beim Emulgierprozess einer O/W-Emulsion Emulgatormizelle
Erzeugung einer Rohemulsion
mechanische Energie
Feinemulgierprozess
Deformation
Zustand im Gleichgewicht (der Emulgatoradsorption)
Zerteilung
mechanische Energie
1 Einführung - 14 -
1 Einführung
- 15 -
küle spreiten. Es entsteht ein Adsorptionsungleichgewicht von Emulgatormolekülen an der erzeugten Phasengrenzfläche. Das Adsorptionsungleichgewicht wird durch Diffusion freier Emulgatormoleküle an die Grenzfläche in Abhängigkeit der Emulgatorkinetik (vgl. Kap. 2.2.3) ausgeglichen und damit die erzielte Tropfendispersität stabilisiert. Der Emulgierprozess in der Fluidströmung erfolgt im industriellen Massstab vorwiegend in der laminaren oder turbulenten Scherströmung von Rotor/StatorDispergiermaschinen (Kolloidmühlen, Zahnkranzdispergierapparate) oder unter Ausnutzung von zusätzlichen Kavitationseffekten in Hochdruckhomogenisatoren. Eine Übersicht an Emulgiermaschinen geben zum Bsp. HOLLEY/ WEISSER [5]. Die Effizienz eines Emulgierprozesses, welche in der Regel mit der erzielten Tropfendispersität beschrieben wird (vgl. Kap. 2.5.2), kann durch die gezielte Auswahl des Emulgierapparates (Kolloidmühle, Zahnkranzdispergierapparat, Hochdruckhomogenisator) und Führung des Emulgierprozesses sowie den Einsatz geeigneter Emulgatoren optimiert werden. Für bestimmte Emulsionsstoffsysteme aus dem Lebensmittelbereich wird zum Bsp. vorgeschlagen, im Hinblick auf emulgatorkinetische Effekte (vgl. Kap. 2.2.3) laminare Scherströmungsspalte mehrfach zu passieren [6].
2.2
Grenzflächen fluider Stoffsysteme
2.2.1
Grundlagen
Nach BROCKHAUS [7] wird unter einer Grenzfläche die geometrische Grenze zwischen zwei verschiedenen Körpern, von denen mindestens einer fest oder flüssig sein muss, verstanden. Eine scharfe Grenzfläche stellt eine "Unstetigkeitsfläche" dar, denn beim Übergang vom einen Medium in das andere ändern sich typische stoffliche Eigenschaften. Bei submikroskopischer Betrachtung gibt es keine ideal scharfe Grenzfläche. Es existiert immer ein (möglicherweise auf wenige Moleküldurchmesser beschränkter) Übergangsbereich, in dem sich die Eigenschaften "allmählich" ändern. Jeder der beiden benachbarten Körper hat eine parallel zur Grenzfläche liegende "Grenzschicht", in der hineindiffundierte Atome des anderen Körpers enthalten sind. Die Eigenschaften dieser Grenzschichten weichen in dem Masse von denen des "reinen" Materials ab, wie sie denen des Nachbarn ähnlicher werden. Die in der Grenzschicht liegenden Moleküle sind gegenüber denen des "reinen" Materials energetisch ausgezeichnet, da sie nach einer Seite hin anderen Bindungskräften unterworfen sind. Daraus ergeben sich die typischen Eigenschaften von Grenzflächen (Grenzflächenspannung und resultierende Effekte).
1 Einführung 2.2.2
- 16 Grenzflächenspannung und Kapillardruck
Die Grenzflächenspannung σ6 ist die an der Grenzfläche zweier Phasen auftretende Spannung, welche bestrebt ist, die Grenzfläche zu verkleinern. Sie beruht darauf, dass die intermolekulare Wechselwirkung an der Grenzfläche anders als in der reinen Phase ist [7]. Die Grenzflächenspannung stellt nach Definition eine Kraft pro Längeneinheit dar. Der Kraftvektor liegt in der jeweiligen Grenzfläche. Nach YOUNG/LAPLACE [8] können die mechanischen Eigenschaften einer Grenzfläche zwischen zwei Phasen modellhaft durch die einer ausgedehnten Membran unendlich kleiner Dicke beschrieben werden. Mit der Einführung des Begriffs der Grenzflächenspannung wurden von YOUNG/LAPLACE die Bedingungen für mechanisches Gleichgewicht an einer allgemeinen gekrümmten Grenzfläche zwischen zwei Phasen abgeleitet [8] (vgl. Gleichung (2.1)). In Gleichung (2.1) bezeichnet P'' den Druck, unter dem sich die Flüssigkeit im Kugelinneren befindet. P' entspricht dem Druck, welcher von aussen auf die Kugeloberfläche wirkt. Es gilt P'' > P'. Die Differenz zwischen P'' und P' wird als Kapillardruck ∆pk bezeichnet (vgl. Gleichung (2.1)). Für die Oberfläche einer Kugel mit dem Radius R resultiert die LAPLACEGleichung (vgl. Gleichung (2.2)).
∆pk =
P©©− P©= ∆pk
(2.1)
2⋅σ R
(2.2)
Gleichung (2.2) besagt, dass durch die Grenzflächenspannung σ in einer Kugeloberfläche mit dem Radius R ein mechanisches Gleichgewicht zwischen zwei Flüssigkeiten aufrechterhalten wird, welche unter den Drücken P'' und P' stehen [8]. Für eine allgemeine Grenzfläche zwischen zwei Phasen, welche lokal durch die Hauptkrümmungsradien R1 und R 2 beschrieben werden kann, kann der Kapillardruck ∆pk nach Gleichung (2.3) berechnet werden [8]. 1 1 + ∆pk = σ ⋅ R1 R2
(2.3)
Im Hinblick auf den Gegenstand dieser Arbeit ist der Kapillardruck bzw. die Kapillardruckverteilung über der Oberfläche eines ellipsoidalen Körpers mit den drei Hauptachsenlängen L, B und C (vgl. Abb. 2.3 sowie Gleichung (2.4)) von Interesse. Wie in Kapitel 5.1.1 gezeigt wird, entspricht die Form eines in der uniaxialen Scherströmung deformierten Tropfens in guter Näherung der eines Ellipsoids.
6
Entgegen dem üblichen Symbol γ für die Grenzflächenspannung wird in dieser Arbeit das Symbol σ zur Unterscheidung von der Deformation γ verwendet.
1 Einführung
- 17 y
(0, B/2, 0)
(L/2, 0, 0) (0, 0, C/2)
x
z Abb. 2.3:
Ellipsoid mit den Hauptachsenlängen L, B und C
y
(0, B/2, 0)
ϕ
(L/2, 0, 0) z=0
Abb. 2.4:
x
Ellipsoid in der x,y-Schnittebene z=0 (Draufsicht (z-Richtung)); Definition von ϕ mit Bezug auf Abb. 2.5
1 Einführung
- 18 -
15000
Ι
ΙΙΙ
Ι
∆pk ·σ -1 / m-1
10000
ΙΙ 5000
ΙV y
ΙΙ
ΙΙΙ
Ι
z=0
x
ΙV
0 0
1/2·π
π
3/2·π
2·π
ϕ / rad
Abb. 2.5:
Kapillardruck/Grenzflächenspannungs-Verhältnis (∆pk·σ-1) in der x,y-Schnittebene z=0 (vgl. Abb. 2.4) über der Oberfläche eines rotationssymmetrischen Ellipsoids (B=C) mit L=750 µm, B=C=500 µm x2
y2 z2 + + =1 (L / 2)2 (B / 2)2 (C / 2)2
(2.4)
Die Berechnung der Kapillardruckverteilung über der Oberfläche eines Ellipsoids ist im Anhang 1 beschrieben. Abbildung 2.5 gibt das Ergebnis entlang der Randkontur in der x,y-Ebene der Schnittebene z=0 (vgl. Abb. 2.4) für ein rotationssymmetrisches Ellipsoid wieder. Auf der Ordinate ist der Kapillardruck bezogen auf eine Grenzflächenspannung (∆pk·σ-1) dargestellt. So kann der Einfluss lokal unterschiedlicher Hauptkrümmungsradien auf den Kapillardruck (lokal) unabhängig von Stoffsystemkenngrössen aufgezeigt werden. Der Kapillardruck bzw. ∆pk·σ-1 ist an den "Tropfenenden" (Punkt Ι und ΙΙΙ in Abb. 2.5) maximal. Im Bereich der grössten Oberflächendehnung des kugelförmigen Tropfens zum ellipsoidalen Körper ("Tropfenmitte"; Punkt ΙΙ und ΙV in Abb. 2.5) ist ∆ p k·σ-1 minimal. Der Kapillardruck "stabilisiert" einen Tropfen gegen Zerteilung (vgl. Kap. 3).
1 Einführung
- 19 -
Damit ist erwartbar, dass ein Tropfen ausgehend von der "Tropfenmitte" (lokal geringster Kapillardruck) zerteilt. Da die stoffliche Zusammensetzung der Grenzfläche sowie das rheologische Verhalten der Tropfen- und der Strömungsfluide die Tropfenzerteilung beeinflussen, können auch Tropfenaufbruchformen resultieren, welche nicht (wie bei alleinigem Einfluss der Grenzflächenspannung (bzw. des Kapillardrucks) zu erwarten) von der "Tropfenmitte" ausgehen. In Kapitel 3.2.4 wird der Stand der Forschung zu Tropfenaufbruchmechanismen und -formen ausführlich dargestellt.
2.2.3
Beeinflussung der Grenzflächenspannung an Fluid/FluidGrenzflächen
Eine gezielte Beeinflussung der Grenzflächenspannung zwischen zwei fluiden Phasen kann durch den Einsatz von Emulgatoren (vgl. Kapitel 2.1.1) erfolgen. In Abhängigkeit der Emulgatorkonzentration an der Phasengrenzfläche stellt sich eine bestimmte Belegungsdichte Γ und resultierend eine bestimmte Grenzflächenspannung σ ein. Die Konzentrationsabhängigkeit der Grenzflächenspannung im Adsorptionsgleichgewicht zeigt Abbildung 2.6. Dabei ist vorausgesetzt, dass nur in einer der beiden Phasen Emulgatormoleküle gelöst sind und diese an der Grenzfläche in einer monomolekularen Schicht adsorbieren. Die Grenzflächenspannung im Adsorptionsgleichgewicht nimmt mit zunehmender Emulgatorkonzentration bis zum Erreichen der "kritischen Mizellbildungskonzentration" CMC ab und bleibt oberhalb dieser konstant. Oberhalb der CMC bilden Emulgatormoleküle in der kontinuierlichen Phase Mizellen (vgl. Abb. 2.2). Die in Abbildung 2.6 angegebenen Gleichungen beschreiben die Konzentrationsabhängigkeit der Grenzflächenspannung (SZISKOWSKI-Gleichung; σ0 = Grenzflächenspannung zwischen den reinen Phasen, cE = Emulgatorkonzentration, k1 , k 2 = Anpassungskonstanten [9]) sowie der Grenzflächenbelegungsdichte (GIBBSsche Isothermengleichung, R = universelle Gaskonstante, T = absolute Temperatur, c' E = dimensionslose Emulgatorkonzentration: c'E = c E / mol·m-3 [10]). Die Beziehungen zwischen der Grenzflächenspannung σ bzw. der Belegungsdichte Γ und der Emulgatorkonzentration beschreiben Gleichgewichtszustände und erlauben keine Aussage über die Kinetik der Grenzflächenbelegung. Diese spielt bei der Emulsionsherstellung im Hinblick auf das Emulgierergebnis eine wichtige Rolle. Beim Emulgierprozess findet, wie in Kapitel 2.1.3 dargestellt, eine Tropfenzerkleinerung und dadurch eine Vergrösserung der Phasengrenzfläche statt. Folglich nimmt die Belegungsdichte ab und die Grenzflächenspannung zu. Da die "tropfenerhaltenden Kräfte" proportional zur Grenzflächenspannung sind (vgl. Kap. 3), wird die Tropfenzerkleinerung durch eine schnelle Belegung der Phasengrenze mit Emulgatormolekülen im Vergleich zu einer langsamen Emulgatorkinetik erleichtert. Eine ausführliche Darstellung der Grundlagen zu emulgatorkinetischen Prozessen, welche im Rahmen dieser Arbeit keine spezielle Betrachtung erfahren, kann zum Bsp. [11] entnommen werden. Im weiteren werden Grenzflächenspannungswerte, welche sich im Adsorptions-
1 Einführung
- 20 -
gleichgewicht der Phasengrenzfläche einstellen, mit σstat bezeichnet.
σ0
σ = σ 0 − k1 ⋅ ln(1+ k 2 ⋅ cE )
σ
σCMC
Γ max
Γ
Γ=−
0 ln c E
Abb. 2.6:
1 ∂σ ⋅ R ⋅ T ∂ ln c©E T
ln CMC
Konzentrationsabhängigkeit der Grenzflächenspannung und GIBBSsche Isotherme
1 Einführung 2.2.4
- 21 Spreitungsvermögen von Grenzflächenfilmen
Unter Spreitung ist die Bewegung adsorbierter Moleküle an der Grenzfläche zu verstehen. Molekülbewegungen an einer Grenzfläche beruhen auf Belegungsdichtegradienten. Dieser Mechanismus wird auch als MARANGONI-Effekt bezeichnet. Der MARANGONI-Effekt bewirkt die Gleichverteilung von Emulgatormolekülen an Grenzflächen. Bei der Deformation einer Tropfengrenzfläche wird diese vergrössert. Für emulgatorhaltige Systeme resultiert dabei an der Grenzfläche neben der "Unterbelegung" mit Emulgatormolekülen (vgl. Kapitel 2.2.3) auch eine "Ungleichverteilung" der Emulgatormoleküle. Der MARANGONI-Effekt wird wirksam (vgl. Abb. 3.10 auf Seite 49).
2.3
Strömungsmechanische/rheologische Grundlagen
2.3.1
Uniaxiale stationäre Scherströmung
In Abbildung 2.7 ist eine uniaxiale stationäre Scherströmung zwischen zwei unendlich ausgedehnten Platten sowie die entsprechende Verformung eines Materialelementes in dieser Strömung skizziert. Das Geschwindigkeitsfeld der hier betrachteten uniaxialen Scherströmung besitzt Komponenten nur in xRichtung.
bewegte Wand uW
undeformiertes Materialelement H u(y)
y
deformiertes Materialelement
x
feste Wand
Abb. 2.7:
Uniaxiale stationäre Scherströmung und Deformation eines Materialelementes
1 Einführung
- 22 -
Die Geschwindigkeit steigt unter Voraussetzung der Wandhaftung des Fluids im gezeigten "Scherfeld" linear vom Wert Null an der festen Wand bis zum Wert uW (Wandgeschwindigkeit) an der bewegten Wand. Die Schergeschwindigkeit (nach Gleichung (2.5) definiert) ist im gezeigten Parallelplattenspalt über der Spaltbreite konstant (vgl. Gleichung (2.6)). γ« =
du dy
u γ« = W H
(2.5)
(in Abbildung 2.7)
(2.6)
In der Einführung (Kap. 1) wurde dargelegt, dass die bei uniaxialer Scherung auftretende Deformation durch die Überlagerung von Verzerrung und Rotation darstellbar ist. In Abbildung 2.8 ist dies veranschaulicht: Verzerrung und Rotation eines würfelförmigen Materialelements sind als getrennte Vorgänge aufgezeigt. Bzgl. weiterer Grundlagen wird auf Lehrbücher zu Rheologie oder Strömungsmechanik verwiesen (zum Bsp. [12], [13]).
y u(y)
undeformiertes Materialelement
verzerrtes Materialelement
verzerrtes und gedrehtes = deformiertes Materialelement
x Abb. 2.8:
Deformation eines würfelförmigen Fluidvolumens (Materialelement) in der uniaxialen Scherströmung
1 Einführung 2.3.2
- 23 Scherversuch
Im stationären Scherversuch kann die Viskositätsfunktion η(γ˙ ) bzw. die Schubspannungsfunktion τ(γ˙ ) ermittelt werden. Der Zusammenhang zwischen diesen beiden Funktionen ist mit dem NEWTONschen Schubspannungsansatz (vgl. Gleichung (2.7)) gegeben. τ( γ«) = η( γ«) ⋅ γ«
(2.7)
Ist die Viskosität η einer Flüssigkeit unabhängig von der Schergeschwindigkeit γ˙ , so wird ihr Fliessverhalten als NEWTONsch bezeichnet. Im Fall abnehmender Viskosität bei Steigerung der Schergeschwindigkeit liegt "strukturviskoses" Fliessverhalten vor. "Dilatantes" Fliessverhalten bezeichnet eine Viskositätserhöhung bei Schergeschwindigkeitssteigerung. Besitzt das Fluid eine Fliessgrenze, so wird dies als plastisches Verhalten bezeichnet. Instationäre Scherversuche (Oszillationsversuche) wurden in dieser Arbeit nur zur Vervollständigung der Charakterisierung des Fliessverhaltens eingesetzter Fluidmaterialien ausgeführt. Bei der Diskussion der Ergebnisse zum Tropfendeformationsverhalten in der stationären Scherströmung in Kapitel 5 werden diese Ergebnisse jedoch nicht benötigt. Grundlagen zur Oszillations-rheometrie können zum Bsp. PAHL et al oder WEIPERT et al [14, 13] entnommen werden.
2.3.3
Rheologische Grundkörper und Ersatzmodelle
Eine Möglichkeit, das rheologische Verhalten von Stoffsystemen zu modellieren, bietet die Beschreibung mit "mechanischen Ersatzmodellen". Diese werden durch geeignete Parallel- oder Serienschaltung rheologischer Grundkörper gebildet. Als rheologische Grundkörper zur Modellierung ideal elastischen, ideal viskosen und ideal plastischen Stoffverhaltens dienen Feder-, Dämpfer- und Reibungselemente (vgl. Tabelle 2.1). Mit diesen "rheologisch-mechanischen Analogiemodellen" kann jedoch kein Aufschluss über strukturelle Gegebenheiten erhalten werden. Federelemente dienen als Ersatzmodell für das ideal elastische Fliessverhalten eines HOOKEschen-Festkörpers. Der Schubmodul G beschreibt die Proportionalitätskonstante zwischen Schubspannung τ und Deformation γ (τ = G·γ). Für ideal viskoses Fliessverhalten ist die aufgeprägte Spannung τ der sich einstellenden Deformationsgeschwindigkeit ˙γ proportional (NEWTONscher Schubspannungsansatz). Als Kenngrösse im "Ersatzschaltbild" (Dämpfer) tritt die (dynamische) Viskosität η auf (vgl. Gleichung (2.7) in Kapitel 2.3.2).
1 Einführung Tab. 2.1:
- 24 Rheologische Grundkörper
Rheologischer Grundkörper Federelement
Schaltbild
rheologische Kenngrösse G Schubmodul (Federmodul)
Dämpferelement
η dynamische Viskosität
Reibelement
τ0 Fliessgrenze
Plastisches Stoffverhalten ist dadurch gekennzeichnet, dass beim Anlegen einer Spannung unterhalb eines kritischen Wertes (=ˆ Fliessgrenze τ0) Festkörperverhalten auftritt. Erst bei Überschreiten dieses Wertes erfolgt Fliessen. Das zu diesem Stoffverhalten zugehörige rheologische Grundmodell ist ein Reibelement mit der Fliessgrenze τ0 als charakteristische Konstante. Ein ideal plastischer Körper wird auch als ST-VENANT-Körper bezeichnet. Zur Modellierung allgemeinen Fliessverhaltens werden die rheologischen Grundkörper zu "rheologisch-mechanischen Ersatzmodellen" kombiniert. Tabelle 2.2 zeigt zwei häufig verwendete rheologische Ersatzmodelle zur Beschreibung viskoelastischen Fliessverhaltens. Im KELVIN/VOIGT-Modell werden ein Dämpfer- und ein Federelement parallel geschaltet. Die Hintereinanderschaltung eines Dämpfer- und eines Federelements entspricht dem MAXWELL-Modell. Neben den Ersatzschaltbildern sind in Tabelle 2.2 zugehörige Differentialgleichungen für den stationären Scherversuch angegeben.
1 Einführung Tab. 2.2:
- 25 Rheologisch-mechanische Ersatzmodelle
Rheologisches Ersatzmodell KELVIN/VOIGT-Modell
Schaltbild
Verhalten im Scherversuch η ⋅ γ« + G ⋅ γ = τ1 mit: τ = τ1 für t ≥ 0
MAXWELL-Modell
τ« τ + = γ«1 G η mit: γ˙ = ˙γ 1 für t ≥ 0
2.4
Rheologische Eigenschaften von Phasengrenzflächen
Die rheologischen Eigenschaften einer Grenzfläche zwischen zwei fluiden Phasen werden mit der Grenzflächenviskosität und der Grenzflächenelastizität beschrieben. Zeit- sowie schergeschwindigkeitsabhängige Grenzflächeneigenschaften sind bislang nur unzureichend beschrieben. In Lehrbüchern zur physikalischen Chemie konnten zwei verschiedene Modelle zur Beschreibung rheologischer Eigenschaften einer Grenzfläche gefunden werden: In [15] werden Grenzflächen (und Oberflächen7) als zweidimensionale Filme betrachtet und grenzflächenrheologische Parameter als "ebene Grössen" definiert. Grundlagen zur "Rheologie in der Ebene" sind im nächsten Abschnitt anhand einer Veröffentlichung von SCRIVEN [16] erläutert. MOORE/HUMMEL [8] beschreiben eine Grenzfläche als ein "dreidimensionales Gebilde" und definieren die Grenzflächenviskosität mit dem NEWTONschen Schubspannungsansatz. Diese dreidimensionale Betrachtungsweise von Grenzflächen wurde von anderen Autoren bislang nicht aufgegriffen. Üblicherweise wird in der Rheologie das Fliessverhalten von Fluidvolumina betrachtet. Eine "scharfe" Grenzfläche stellt eine Ebene dar: Eine Ausdehnung in 7
Der Übergang von einer flüssigen Phase in eine andere flüssige Phase wird als Grenzfläche bezeichnet. Als Oberfläche wird eine Übergangsfläche von einer Flüssigkeit zu einem Gas bezeichnet.
1 Einführung
- 26 -
die dritte Raumrichtung ist praktisch nicht vorhanden. Die "Zweidimensionalität" einer Grenzfläche hat zur Folge, dass die Grössen Schergeschwindigkeit und Spannungstensor für die Beschreibung des Fliessverhaltens in einer Ebene neu zu definieren sind. SCRIVEN [16] hat die allgemeine Bewegungsgleichung für eine "NEWTONsche Fluidgrenzfläche" abgeleitet. Definitionsgemäss bedeutet "NEWTONsches Fliessverhalten" einer Grenzfläche Proportionalität zwischen Spannung und Schergeschwindigkeit. Nach SCRIVEN wird das rheologische Verhalten einer "NEWTONschen Fluidgrenzfläche" durch die Gleichgewichtsgrenzflächenspannung, die Grenzflächendehnviskosität und die Grenzflächenscherviskosität vollständig beschrieben. Grenzflächenviskosi-tätsparameter charakterisieren den Widerstand einer Grenzfläche gegen Deformation. Die Definitionen dieser Parameter sind in den nachfolgenden Abschnitten dieses Kapitels angegeben. SCRIVEN hat eine Grenzfläche betrachtet, deren Ausdehnung und Form zeitabhängig ist. Für die Ableitung einer Schergeschwindigkeit in der Grenzfläche entwickelte SCRIVEN die folgende Modellvorstellung: Ein Beobachter setzt sich auf einen Materialpunkt in der Fläche, welche mit der Zeit ihre Form und Grösse verändert. Der "mitbewegte" Beobachter erfährt diese zeitliche Ände-rung in Form und Grösse der Fläche als lokale Änderung der Flächen-krümmung. Als Deformationsgeschwindigkeit der Fluidgrenzfläche wird die zeitliche Änderung des Abstandes zweier benachbarter Materialpunkte (wie sie ein mitbewegter Beobachter erlebt) bezeichnet. Auf die betrachtete Fläche wirken von aussen Strömungskräfte. Im Inneren der Fläche wirken entlang jeden Linienelements Reibungskräfte. Das Verhältnis aus innerer Reibungskraft zur Länge des Linienelements ist die Grenzflächenspannung σ. Die Gleichungen (2.8), (2.10) und (2.11) geben die Definitionen grenzflächenrheologischer Parameter für den Fall "NEWTONschen Grenzflächenfliessverhaltens" wieder. Eine Modellierung schergeschwindigkeitsabhängiger oder zeitabhängiger Fliesseigenschaften einer Grenzfläche sind bislang nicht beschrieben. Bei der Definition einer Grenzflächenviskosität wird zwischen der Beanspruchungsart Dehnung und Scherung und damit den grenzflächenrheologischen Parametern "Dehnviskosität" κ und "Scherviskosität" η s unterschieden. Gleichung (2.8) gibt die Definition für die Grenzflächendehnviskosität κ wieder [15]. ∆σ = κ ⋅
1 dA ⋅ A dt
(2.8)
Eine messtechnische Ermittlung von κ als Grenzflächendehnviskosität ist bislang nur indirekt möglich: In Kapitel 3.3 werden Methoden beschrieben, κ aus dem Deformationsexperiment mit kleinen Tröpfchen in Fluidströmungen zu ermitteln. Oberflächendehnviskositäten können nach einer Methode von VAN DEN TEMPEL et al [17] im Tensiometer gemessen werden. Die Oberfläche, deren κ -Wert ermittelt werden soll, wird in einer Filmwaage in einer Ebene gedehnt [15]. Damit ist eine Spreitung der Emulgatormoleküle auf der Oberfläche verbunden (vgl. Kap. 2.2.4). Es stellt sich ein Adsorptionsungleichgewicht ein, welches durch Adsorption neuer Emulgatormoleküle an die Grenzfläche ausgeglichen wird. Die bis zum Erreichen des Gleichgewichts-
1 Einführung
- 27 -
zustandes zwischen Adsorption und Desorption von Emulgatormolekülen an der Grenzfläche bestehende zeitliche Änderung der Grenzflächenspannung wird messtechnisch erfasst. Wird die Dehnung der Oberfläche so gesteuert, dass Gleichung (2.9) gilt, ist κ direkt proportional zur gemessenen Oberflächenspannungsänderung ∆σ. 1 dA dln A ⋅ = = kons tan t A dt dt
(2.9)
Der Wert von κ im Adsorptions-/Desorptionsgleichgewicht von Emulgatormolekülen an die vollständig gedehnte Grenzfläche wird als Grenzflächenelastizität E bezeichnet [15]. Gleichung (2.10) gibt ihre Definition wieder. E-1 beschreibt die Kompressibilität der Grenzfläche [15]. E=
dσ dln A
(2.10)
Eine Methode zur messtechnischen Ermittlung von E einer mit grenzflächenaktiven Molekülen monomolekular belegten Oberfläche beschreiben LUCASSEN et al [18, 19]. Die Methode ist auf Grenzflächen nicht übertragbar. Die Scherviskosität einer Grenzfläche ηs ist nach ADAMSON [15a] folgendermassen definiert: Werden in einer ebenen Grenzfläche zwei parallel zueinander liegende Linienelemente geschert, so entspricht ηs dem Reibungskoeffizient. Es gilt Gleichung (2.11). In Lehrbüchern zur physikalischen Chemie wie zum Bsp. [15] werden verschiedene Methoden zur Messung von ηs beschrieben. σ = ηs ⋅ γ«
(2.11)
Die Parameter κ, E und ηs bzw. Änderungen dieser Parameter innerhalb einer Grenzfläche werden durch molekulare Vorgänge verursacht. Eine molekulare Theorie existiert bisher nicht [8].
2.5
Fliess- und Strukturverhalten disperser Stoffsysteme
2.5.1
Viskositätsfunktion
Abbildung 2.9 zeigt eine typische für nicht-NEWTONsche Fluide bzw. für disperse Stoffsysteme im stationären Scherversuch ermittelte Viskositätsfunktion. Im Verlauf dieser Viskositätsfunktion werden nach WINDHAB in [13] ein sogenannter Niedrig- und Hochschergeschwindigkeitsbereich unterschieden. Im Hochschergeschwindigkeitsbereich, welcher durch ˙γ > ˙γ krit gekennzeichnet ist (vgl. Abb. 2.9), werden disperse Inhaltsbestandteile strukturiert. Während im
Abb. 2.9: dominante Strömungskräfte
starke Scherung
˙ Schergeschwindigkeit γ
Tropfen-/ Blasenzerteilung isotrope Restrukturierung
Strömungsstörungen
stark scherstrukturiert
beginnende scherinduzierte Strukturierung
γ˙ krit.
dominante disperse Wechselw. oder Brown' sche Bewegung
η∞
schwache Scherung
Viskosität schwache η disp.Wechselw. ηο
το
Fliessgrenze
starke disperse Wechselwirkungen
1 Einführung - 28 -
Viskositäts-/Strukturverhalten eines Emulsionssystems [13]
ersten Bereich intermolekulare bzw. interpartikuläre Wechselwirkungskräfte das Viskositätsverhalten bestimmen, dominieren im zweiten Bereich die hydrodynamischen viskosen Kräfte als sogenannte Strukturkräfte. In laminaren
1 Einführung
- 29 -
Scherströmungen, aber auch in Dehnströmungen und hyperbolischen Strömungen, werden strömungsinduzierte Strukturen der dispersen und/oder makromolekularen Komponenten ausgebildet. Bei sehr hohen Schergeschwindigkeiten kann dieser Effekt derart ausgeprägt sein, dass die dispersen Komponenten keinen "spürbaren" Einfluss auf das Fliessverhalten mehr ausüben. In der Folge ergibt sich wiederum NEWTONsches Fliessverhalten (obere NEWTONsche Grenzviskosität η ∞ ). Bei einer weiteren Steigerung der Schergeschwindigkeit können zum Bsp. Strömungsstörungen zu einer "Zerstörung" der strömungsinduzierten Struktur führen. Strömungsinduzierte Strukturen entstehen zum Bsp. bei Feststoffpartikeln (Suspensionen) sowie Makromolekülen durch eine (formabhängige) Orientierung in der Strömung. Bei deformierbaren Partikeln (Tropfen, Blasen) erfolgt eine Deformation zum Ellipsoid, welcher sich zerteilen, sofern die kritische WEBER-Zahl (vgl. Kapitel 3.2.4) überschritten wird [13].
2.5.2
Darstellung von Partikelgrössenverteilungen (Strukturbeschreibung)
Die Struktur disperser Stoffsysteme wird massgeblich vom Anteil der dispersen Phase am Gesamtsystem, sowie Grösse und Form der einzelnen Partikeln bestimmt. Für kugelförmige Teilchen werden zur Charakterisierung der "Dispersität" eines dispersen Stoffsystems Partikelverteilungen angegeben. Liegen nicht kugelförmige disperse Teilchen vor, werden "Äquivalentdurchmesser" definiert. Zum Bsp. wird aus der Projektionsfläche eines nicht kugelförmigen Teilchens der "Durchmesser der Kugel gleicher Projektionsfläche" ermittelt [20]. Die Partikelverteilungssummenfunktion Qr(x*) gibt den Mengenanteil - bezogen auf die Gesamtmenge - an, welcher kleiner als die Dispersitätsgrösse x* ist [20] (vgl. Gleichung (2.12)). Qr ( x * ) =
Menge aller Partikeln mit x ≤ x * Gesamtmenge aller Partikeln
(2.12)
Der Index r der Verteilungssummenfunktion wird zur Kennzeichnung der Mengenart verwendet. In Tabelle 2.3 sind die verschiedenen Mengenarten aufgeführt. Tab. 2.3:
Mengenarten [20]
Mengenart Anzahl Fläche Masse/Volumen
Dimension Länge0 Länge2 Länge3
Index r=0 r=2 r=3
Bezeichnung Q0(x) Q2(x) Q3(x)
1 Einführung
- 30 -
Abbildung 2.10 zeigt am Beispiel der Q3-Verteilung schematisch den Verlauf von Partikelgrössenverteilungssummenfunktionen. Der Medianwert x50,3 (vgl. Gleichung (2.13)) wird häufig zur Angabe der mittleren Partikelgrösse eines dispersen Stoffsystems verwendet. Weitere spezielle Partikelgrössen sind der x90,3- und der x10,3-Wert (Q3 (x90,3) = 0.9; Q3(x10,3) = 0.1), welche häufig zur Charakterisierung der Teilchengrössenverteilung in dispersen Stoffsystemen verwendet werden. Weitere Grundlagen zu Partikelgrössenverteilungen sind zum Bsp. in [21] nachzulesen.
(
)
Q3 x50,3 = 0.5
(2.13)
Q3(x) 1
0.5
0 0
Abb. 2.10:
xmin
x50,3
Q3-Verteilung (schematisch)
xmax
x
1 Einführung
- 31 -
3
LITERATURÜBERBLICK
3.1
Grundlegende Arbeiten von TAYLOR zum Deformations- und Zerteilungsverhalten kleiner deformierbarer Körper in der laminaren Scherströmung
In den 30er Jahren wurden von TAYLOR [1, 2] erste Arbeiten zum Deformations- und Zerteilungsverhalten von in Flüssigkeitsströmungen dispergierten Tropfen publiziert. TAYLOR hat sowohl das polydisperse Stoffsystem (Emulsion) als auch einzelne Tropfen betrachtet. In einer ersten Arbeit führte TAYLOR [1] theoretische Berechnungen zum Deformationsverhalten von Tropfen in der laminaren Scherströmung sowie in der einfachen Dehnströmung durch. TAYLOR ging davon aus, dass die Deformation von Fluidtropfen in einer beliebigen Fluidströmung durch die von den viskosen Strömungskräften an der Grenzfläche induzierten Spannungen hervorgerufen wird [1, 2]. Der Deformation der Tropfen wirken die Grenzflächenspannungskräfte als "tropfenerhaltende" Kräfte entgegen. Zur Beschreibung der Tropfendeformation definierte TAYLOR das Deformationsmass D entsprechend Gleichung (3.1) [2]. D= mit:
L− B L +B
(3.1)
D = Deformation L = grösste Länge des Tropfens (in der Projektionsebene parallel zum Geschwindigkeitsfeld) B = grösste Breite des Tropfens (in der Projektionsebene parallel zum Geschwindigkeitsfeld)
Die Grundlage der theoretischen Analyse TAYLORs zum Deformationsverhalten kleiner deformierbarer Teilchen in Fluidströmungen bilden die NAVIER/STOKES-Gleichungen für die schleichende Umströmung von Kugeln [22]. Zur analytischen Lösung der NAVIER/STOKES-Gleichungen hat TAYLOR die in Tabelle 3.1 aufgeführten Voraussetzungen getroffen [2]. Die Bedingung der Schubspannungskontinuität bei Überschreiten der Grenzfläche impliziert nach TAYLOR [2], dass keine Grenzflächenfilme bestehen. Grenzt ein Film das Strömungsfluid vom Tropfenfluid ab, erfährt die Schubspannung in diesem Film eine Änderung. Nachfolgend werden die theoretischen und experimentellen Ergebnisse TAYLORs zu Tropfendeformation und -zerteilung in laminarer Scherströmung8 zitiert [2].
8
Die laminare Scherströmung ist die Strömungsform, welche in dieser Arbeit experimentell untersucht wurde (Deformations-/Zerteilungsverhalten kleiner Tropfen).
1 Einführung Tab. 3.1: -
-
- 32 Voraussetzungen nach TAYLOR zur Ableitung von "Deformationsgleichungen" [2]
Das Tropfenfluid und das Strömungsfluid sind NEWTONsch (Viskosität ηd bzw. ηk). Die Tropfen sind so klein bzw. die herrschenden Strömungskräfte so gering, dass die Tropfenform in der Strömung nur geringfügig von der Kugelform abweicht (TAYLOR führte seine Berechnungen für Kugeln durch.). Zwischen äusserer Tropfenoberfläche und umgebendem Strömungsfluid tritt kein Schlupf auf. Die an der Grenzfläche von aussen angreifende Schubspannung wird vollständig ins Tropfeninnere übertragen (Schubspannungskontinuität über die Grenzfläche: τi = τa). Die an der Grenzfläche herrschenden Normalspannungen werden mit der Gleichung nach LAPLACE für den Kapillardruck (vgl. Kap. 2.2.2) berechnet (TAYLOR berücksichtigte Strömungen im Tropfeninnern nicht).
Für die Tropfendeformation in der laminaren Scherströmung formulierte TAYLOR [2] die in den Gleichungen (3.3) bzw. (3.4) und (3.5) angegebenen Beziehungen für die Deformation D und den "Schrägstellungswinkel" α. α ist der Winkel zwischen der Achse der längsten Tropfenausdehnung und der Richtung des Geschwindigkeitsfeldes (vgl. Abb. 5.2 in Kapitel 5.1.1). Für die Ableitung der Gleichungen (3.3) bzw. (3.4) und (3.5) hat TAYLOR die in Tabelle 3.2 aufgeführten Einschränkungen für das Viskositätsverhältnis ηd/ηk und die nach Gleichung (3.2) definierte dimensionslose Kennzahl F getroffen [2]. F stellt das Verhältnis der "deformierenden" Spannung zur "formerhaltenden" Spannung dar, welche ein Flüssigkeitstropfen in der Scherströmung erfährt. Die "formerhaltende" Spannung im Tropfeninneren resultiert aus den Grenzflächenspannungskräften, welche als Kapillardruck ∆pk beschrieben werden. TAYLOR berücksichtigt bei der Definiton von F (vgl. Nenner in Gleichung (3.2)) den halben Wert des Kapillardruckes des kugelförmigen Tropfens (Berechnung nach der LAPLACE-Gleichung (2.2), vgl. Kap. 2.2.2) [2]. Als "tropfendeformierende" Spannung wird die Schubspannung τ der umgebenden Scherströmung eingesetzt. Für NEWTONsches Fliessverhalten berechnet sich τ nach Gleichung (2.7) (vgl. Kap. 2.3.2). τ stellt ein integrales Mass der auf die Tropfengrenzfläche wirkenden Schubspannungen dar. Lokal ist die Schubspannung verschieden. Darüber hinaus wirken von der Fluidumströmung auch Normalspannungen auf das Tröpfchen. F=
τ⋅x 2⋅σ
(3.2)
NIRSCHL [23] hat in seiner Dissertation Berechnungen zum Schubspannungsund Normalspannungsverhalten an der Oberfläche umströmter Körper ausgeführt. Im Vergleich mit eigenen experimentellen Resultaten zum Deformationsverhalten von Tropfen in der Scherströmung wird in Kapitel 5 näher auf die Arbeit von NIRSCHL eingegangen.
1 Einführung Tab. 3.2:
- 33 Einschränkungen von TAYLOR an den F-Wert und das Viskositätsverhältnis ηd /ηk zur Ableitung von Deformationsgleichungen [2] -
F << 1 ηd/ηk ≈ 1
η 19 ⋅ d + 16 ηk D = F⋅ η 16 ⋅ d + 16 ηk
(3.3)
η 19 ⋅ d + 16 τ⋅x ηk ⇔D= ⋅ η 2 ⋅ σ 16 ⋅ d + 16 ηk (mit F aus Gleichung (3.2))(3.4) α=
π 4
(3.5)
TAYLOR hat angeführt, dass der Wert für den Bruch auf der rechten Seite der Gleichung (3.4) im Bereich von 0 < ηd/ηk < ∞ "nur" zwischen 1 und 1.188 variiert9. Auf Basis dieser Überlegung hat TAYLOR Gleichung (3.6) bzw. (3.7) formuliert [2]. Nach Gleichung (3.7) gilt D ~ τ. D≈F ⇔D≈
(3.6) τ⋅x 2 ⋅ σ (mit F aus Gleichung (3.2))(3.7)
In [1] hat TAYLOR die in Gleichung (3.8) angegebene Beziehung für die "kritische Tropfenaufbruchschergeschwindigkeit" ˙γ krit für einen in der laminaren Scherströmung dispergierten Tropfen mit dem Durchmesser x abgeleitet.
γ«krit =
η 16 ⋅ d + 16 ηk
σ ⋅ x ⋅ ηk ηd 19 ⋅ η + 16 k
(3.8)
Umformen von Gleichung (3.8) führt auf Gleichung (3.9) für den "kritischen Tropfenaufbruchdurchmesser" x krit. Die grössten Tropfen, welche in der gegebenen Scherströmung "existieren", weisen den "Grenztropfendurchmesser" xkrit auf. 9
Für ηd /ηk -> 0 wird in Gleichung 3.4 der Term auf der rechten Seite 1. Für ηd /ηk -> ∞ bleibt auf der rechten Seite der Bruch 19/16 stehen (19/16 = 1.188).
1 Einführung
- 34 -
xkrit =
η 16 ⋅ d + 16 ηk
σ ⋅ ηk ⋅ γ« ηd + 16 19 ⋅ ηk
(3.9)
Einsetzen von Gleichung (3.9) für den Grenztropfendurchmesser x krit in Gleichung (3.4) für die Deformation D eines Tropfen in der Scherströmung liefert Gleichung (3.10) für die "kritische Tropfenaufbruchdeformation" D krit. Berücksichtigen von Gleichung (3.6) führt auf Gleichung (3.11) für Fkrit (kritischer F-Wert für den Aufbruch eines Tropfens in der laminaren Scherströmung). Dkrit =
1 2
(3.10)
Fkrit =
1 2
(3.11)
Im Grenzfall hochviskoser Tropfen im laminaren Scherfeld (ηd /η k » 1), dass heisst bei Vernachlässigung von Grenzflächenspannungseffekten gegenüber Trägheitskräften, erhielt TAYLOR das in den Gleichungen (3.12) und (3.13) angegebene theoretische Ergebnis für die Deformation D und den "Schrägstellungswinkel" α. α ist für ηd /η k » 1 konstant (vgl. Gleichung (3.13). D ist für ηd /η k » 1 und kleine Deformationen (eine der wesentlichen Voraussetzungen von TAYLOR [2] für die Ableitung seiner Deformationsgleichungen, vgl. Tab. 3.1) nur vom Viskositätsverhältnis ηd /ηk abhängig. D=
L − B 5 ηk = ⋅ L + B 4 ηd α=
(3.12) π 2
(3.13)
Zur experimentellen Überprüfung seiner theoretischen Ableitungen zum Deformationsverhalten kleiner Tropfen in der Scherströmung hat TAYLOR [2] einen "Parallelbandapparat" aufgebaut. Abbildung 3.1 zeigt diesen Apparat. Die Scherströmung wird zwischen den beiden parallelen Bändern ausgebildet. Die beiden Bänder werden so angetrieben, dass sie zueinander entgegengesetzt umlaufen. Damit kann ein exakt in der Spaltmitte befindlicher Tropfen bei identischer Umlaufgeschwindigkeit beider Bänder "dynamisch fixiert" werden: Relativ zu einem äusseren Beobachter steht der Tropfen in der Scherströmung still. Durch die Möglichkeit, beide Motoren in ihrer Drehzahl separat regeln zu können, werden auch nicht exakt in die Spaltmitte eingegebene Tropfen "dy na-misch fixiert". TAYLOR hat die Tropfen zur Erfassung der Deformationszustände fotografiert [2].
1 Einführung
- 35 -
FILM FILM DROP
Abb. 3.1:
"Parallelbandapparat" von TAYLOR [2]
TAYLOR hat in seinem Versuchsapparat Glukosesirup als Strömungsfluid verwendet. Das Fliessverhalten von Glukosesirup ist NEWTONsch. Als Tropfenfluide hat TAYLOR verschiedene Fluide NEWTONschen Fliessverhaltens eingesetzt [2]. Damit konnte TAYLOR das Viskositätsverhältnis ηd/η k und das Grenzflächenspannungsverhalten σ in seinen Experimenten zum Deformationsund Aufbruchverhalten einzelner Tropfen variieren. Die erzielten experimentellen Ergebnisse verglich er mit seinen theoretischen Ableitungen.
1 Einführung
- 36 -
2.5
η d/ηk = 0.0003; σ = 0.023 N/m; x = 3140 µm 2.0
η d/ηk = 0.9; σ = 0.008 N/m; x = 1940 µm η d/ηk = 0.9; σ = 0.008 N/m; x = 1720 µm
D
1.5
1.0
0.5
"theoretisches" Ergebnis: D ≈ F (vgl. Gleichung (3.4)) 0.0 0.0
0.5
1.0
1.5
2.0
2.5
F
Abb. 3.2:
Experimentelle und theoretische Ergebnisse von TAYLOR [2]
Abbildung 3.2 gibt eine Zusammenfassung von TAYLORs Ergebnissen [2]. Eingetragen sind die von TAYLOR im Experiment ermittelten Werte für D (stationärer Deformationszustand) als Funktion von F. Berechnete D-Werte liegen nach TAYLORs halbempirisch abgeleiteter Gleichung (3.4) auf der in Abb. 3.2 eingezeichneten Geraden. Bei kleinen F-Werten ermittelte TAYLOR im Experiment überwiegend grössere Werte als nach Gleichung (3.4) berechnet werden. Für F > ~ 0.4 erhielt TAYLOR "zu niedrige" D-Werte. Im Hinblick auf die Voraussetzung "geringe Deformation" bei der Ableitung der "Deformationstheorie" konnte nicht erwartet werden, dass experimentell ermittelte D-Werte kleiner als berechnete D-Werte sind. TAYLORs Deformationstheorie beschreibt die experimentellen Ergebnisse bei grösseren D-Werten10 besser als bei kleinen D-Werten. Abbildung 3.3 illustriert diesen Zusammenhang: Aufgetragen wurde der nach Gleichung (3.14) definierte "Abweichungsparameter" zwischen berechnetem und experimentellem Ergebnis. Das so definierte Abweichungsmass liefert teilweise Werte von > ~ 50% (bzw. 0.5). Damit sind TAYLORs berechnete Ergebnisse in Bezug auf die experimentelle Verifizierung nicht zufriedenstellend. TAYLOR selbst hat diese Abweichungen mit dem Experiment begründet: Der von ihm als Strömungfluid eingesetzte Glukosesirup wies nicht bei allen Versuchen dieselbe molekulare Struktur auf. Damit schwankten sowohl das Viskositätsverhältnis ηd/ηk als auch die Grenzflächenspannung σ, was TAYLOR nicht für jedes Experiment überprüft hat. Ausserdem enthält Glukosesirup Spuren grenzflächenaktiver Substanzen. Grenzflächenkinetische Effekte beeinflussen das Tropfendefor10
bzw. F-Werten
1 Einführung
- 37 -
mations- und Aufbruchverhalten durch Spreitung der Emulgatormoleküle auf der Tropfengrenzfläche bei der Deformation (Tropfengrenzfläche vergrössert sich). Der Stand des Wissens zur Abhängigkeit des Tropfendeformationsverhaltens von grenzflächenaktiven Substanzen wird in Kapitel 3.3 dargestellt. Als weiteren Grund für die Abweichungen zwischen Theorie und Experiment hat TAYLOR [2] vermutet, dass die von ihm durchgeführten Grenzflächenspannungsmessungen mit grossen Fehlern behaftet waren. Damit setzt TAYLOR in seine Deformationsgleichungen möglicherweise stark von der Realität abweichende Werte für die Grenzflächenspannung σ ein. Dtheo − Dexp
(3.14)
Dtheo
D theo − Dexp D theo 0.4 0.2 0.0 -0.2 -0.4 -0.6 -0.8
η d/ηk = 0.0003; σ = 0.023 N/m; x = 3140 µm
-1.0
η d/ηk = 0.9; σ = 0.008 N/m; x = 1940 µm
-1.2
η d/ηk = 0.9; σ = 0.008 N/m; x = 1720 µm
-1.4 0.0
0.5
1.0
1.5
2.0
2.5
F
Abb. 3.3:
Abweichungen zwischen Experiment und Theorie bei TAYLOR [2]
Neben stationären Tropfendeformationen hat TAYLOR das Zerteilen von Tropfen in der laminaren Scherströmung beobachtet [2]. Den Mechanismus des Tropfenaufbruchs für ein Stoffsystem mit ηd/ηk = 0.5 hat TAYLOR wie folgt beschrieben [2]: Die Tropfen deformieren zu langen Fäden und zerteilen bei Überschreiten von F krit in viele kleine Tropfen, deren Durchmesser im Vergleich zum "Ausgangstropfen" ca. 1/100 kleiner sind. Für ein Stoffsystem mit ηd /ηk = 0.9 beobachtete TAYLOR [2] ein Aufbrechen des Tropfens ausgehend von einer Einschnürung in der Tropfenmitte. Tropfenaufbruchmechanismen und -formen wurden in anderen Arbeiten eingehender untersucht (vgl. Zusammenstellung in Kapitel 3.2.4).
1 Einführung
- 38 -
3.2
Stationäre und instationäre Deformation und Zerteilung in der laminaren Scherströmung
3.2.1
Einleitung
Aufbauend auf die im vorhergehenden Kapitel (3.1) beschriebenen Arbeiten zum Deformations- und Zerteilungsverhalten kleiner Fluidtropfen in definierten Fluidströmungen von TAYLOR [1, 2] sind in zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten weiterführende experimentelle, theoretische und numerische Ergebnisse publiziert worden. Nachfolgend werden die Ergebnisse einiger, für diese Arbeit wichtiger, Untersuchungen kurz zusammengefasst dargestellt.
rotierender Innenzylinder
kontinuierliche Phase ("Strömungsfluid") in der Scherströmung "stillstehender" Tropfen
Aufzeichnung der Deformation mittels Fotoapparat oder Videokamera
rotierender Aussenzylinder
Abb. 3.4:
Prinzipskizze eines COUETTE-Apparates mit kontrarotierenden Zylindern
Als Versuchsanordnung zur Durchführung der Deformations- und Zerteilungsexperimente an einzelnen Tropfen in der laminaren Scherströmung wurde in den nachfolgend zitierten Arbeiten ein sogenannter COUETTE-Apparat mit kontrarotierenden Zylindern verwendet. Abbildung 3.4 zeigt die Prinzipskizze eines solchen Apparates. So wie TAYLOR [2] durch die gegenläufige Bewegung der Bänder im "Parallelbandapparat" eine dynamische Fixierung deformierter Teilchen realisiert hatte, wird dies im "COUETTE-Apparat" durch getrennt angetriebene und in entgegengesetzter Richtung rotierende Innen- und Aussenzylinder erreicht. Bei Beanspruchung im Zylinderspalt erfährt ein Tropfen - im Gegensatz zur Beanspruchung im ebenen Scherspalt zwischen
1 Einführung
- 39 -
zwei Bändern - eine Schergeschwindigkeits- bzw. Schubspannungsverteilung. Dennoch wurde der "Couette-Apparat" in den meisten Arbeiten bevorzugt eingesetzt11.
3.2.2
Stationäre Deformation
Systematische Untersuchungen zu Tropfendeformation und Tropfenaufbruch in der laminaren Scherströmung haben RUMSCHEIDT/MASON [24] durchgeführt (ηd /ηk ≤ 30, 500 µm ≤ x ≤ 2 mm, D < ~ 0.4). RUMSCHEIDT/MASON [24] stellten für die Deformation D Abweichungen zwischen berechneten (TAYLORs "Deformationsgleichung", vgl. Gleichungen (3.4)) und experimentell ermittelten Werten fest (bis zu 75%). CERF [3] hat sich in einer theoretischen Arbeit mit dem stationären Deformationsverhalten von Fluidtropfen in der laminaren Scherströmung beschäftigt. Für den "Schrägstellungswinkel" α hat CERF [3] unter der Bedingung kleiner Tropfendeformationen Gleichung (3.15) abgeleitet 12. Nach CERF [3] kann α mit Gleichung (3.15) auch für Viskositätsverhältnisse ausserhalb der von TAYLOR [2] betrachteten Grenzfälle (ηd /η k ≈1 oder η d /ηk > 1) berechnet werden. η 2⋅ d ηk π α = ⋅ 1+ ⋅D 5 4
(3.15)
In einer weiteren theoretischen Arbeit wurde von COX [4] das zeitabhängige Deformationsverhalten von Tropfen in einer beliebigen Fluidströmung, ausgehend vom Ruhezustand, einbezogen. Wie TAYLOR [2] löste COX [4] die NAVIER/STOKES-Gleichungen für die schleichende Umströmung eines Körpers mit dem Ansatz von LAMB [22]. Dabei erweiterte COX [4] die Gültigkeit der Lösung in Bezug auf den Wertebereich von F (vgl. Gleichung (3.2) in Kap. 3.1) bzw. k (vgl. Gleichung (3.16)) und ηd /ηk. k=
1 F
(3.16)
Die einzige Bedingung ist auch für COXs [4] "Deformationsgleichungen" (vgl. Gleichung (3.17) bis (3.22)) diejenige geringer Tropfendeformation. Der Voraus11
Als Gründe werden angegeben: Ein COUETTE-Apparat sei einfacher aufzubauen als ein Bandapparat. Der Antrieb zweier Zylinder sei zur "Einstellung" der dynamischen Fixierung einfacher zu regeln als der Antrieb zweier Bänder.
12
Die weiteren von CERF [3] getroffenen Annahmen zur Ableitung von Gleichung (3.15) sind mit den in Tabelle 3.1 aufgeführten Annahmen von TAYLOR [2] (zur Ableitung von Deformationsgleichungen) identisch (vgl. Seite 30).
1 Einführung
- 40 -
setzung geringer Tropfendeformation genügen die in Tabelle 3.3 aufgeführten "Kombinationen" von k und ηd/ηk (nach COX [4]). Tab. 3.3:
Gültigkeitsbereiche der "Deformationsgleichungen" (vgl. Gleichung (3.17) bis (3.22)) von COX [4] k-> ∞ und ηd /ηk ≈ 1 k ≈ 1 und ηd /ηk -> ∞ k-> ∞ und ηd /ηk -> ∞
-
Im Gegensatz zu TAYLOR [2] (und CERF [3]) führte COX [4] seine Berechnungen unter Berücksichtigung der Form der deformierten Tropfen (ellipsoidal) durch. Die weiteren von COX [4] formulierten Voraussetzungen und Randbedingungen zur Lösung der strömungsmechanischen Grundgleichungen entsprechen denjenigen von TAYLOR [2]. Für die Deformation D und den "Schräg-stellungswinkel" α im stationären Zustand erhielt COX [4] die in den Glei-chungen (3.17) und (3.18) angegebenen Beziehungen (unter der Voraussetzung kleiner Deformationen, Tab. 3.3).
D=
η 5 ⋅ 19 ⋅ d + 16 ηk η 4 ⋅ d + 1 ηk
( 20 ⋅ k )
2
η + 19 ⋅ d ηk
η 19 ⋅ d ηk π 1 α = + tan−1 4 2 20 ⋅ k
2
(3.17)
(3.18)
Die Werte für den Winkel α im stationären Deformationszustand liegen zwischen 45° und 90° ( π /4 ≤ α ≤ π/2). Für den Grenzfall ηd /η k ≈ 1 und k -> ∞ gelten im stationären Fall die Gleichungen (3.19) und (3.20) sowie für k ≈ 1 und ηd /ηk -> ∞ die Gleichungen (3.21) und (3.22), welche mit den Gleichungen von TAYLOR [2] (vgl. Gleichungen (3.4), (3.5), (3.12) und (3.13)) für den jeweiligen Grenzfall übereinstimmen. ηd 19 ⋅ η + 16 1 k D≈ ⋅ ηd k + 1 16 ⋅ ηk α≈
π 4
(3.19)
(3.20)
1 Einführung
- 41 -
5η D ≈ d 4 ηk α≈
−1
π 2
(3.21
(3.22)
TORZA et al [25, 26] haben im Experiment die stationäre Deformation D und den dazugehörigen Winkel α für Tropfengrössen von 600 µm ≤ x ≤ 1400 µm und Schergeschwindigkeiten von 0.1 s-1 ≤ γ˙ ≤ 5 s-1 aufgenommen. Für die er< 0.4) erhielten sie mit der Gleichung von COX mittelten Deformationswerte (D ~ [4] (Gleichung (3.19); Berücksichtigung der ellipsoidalen Form deformierter Tropfen (kleine Deformationen)) bessere Übereinstimmung als mit der Gleichung von TAYLOR [2] (Gleichung (3.12)). Für kleine η d /η k- und grosse ηd /η k-Werte erhielten TORZA et al [25, 26] im Experiment in guter Näherung ähnliche Werte, wie sie mit den Gleichungen von TAYLOR [2] für den entsprechenden Grenzfall berechnet werden können. Für den Winkel α im stationären Fall gilt für η d /η k > 1 eine ebenso gute Übereinstimmung mit Gleichung (3.18) von COX [4]. Die Messwerte für den Winkel α stimmen für kleine Viskositätsverhältnisse mit den theoretischen Vorhersagen nach TAYLOR [2] und COX [4] nicht gut überein. Eine bessere Korrelation berechneter α-Werte mit den von TORZA et al [25, 26 experimentell ermittelten α-Werten wurde mit Gleichung 3.23 von CHAFFEY/BRENNER [27] erhalten. ηd ηd 19 ⋅ η + 16 ⋅ 2 ⋅ η + 16 π k k ⋅k α= + 4 ηd 80 ⋅ 1+ ηk
3.2.3
(3.23)
Instationäre Deformation
Zum instationären Deformationsverhalten13 kleiner Tropfen in der laminaren Scherströmung sind im wesentlichen theoretische Arbeiten durchgeführt worden. Allgemein ist das "Anfahrverhalten" einzelner Tropfen nach Aufprägung eines Schergeschwindigkeits- bzw. Schubspannungssprunges (bei Error! ) = 0 bzw. τ = 0) Gegenstand dieser Arbeiten. In experimentellen Untersuchungen beobach-tete Phänomene zum Tropfendeformationsverhalten in der "Anlaufströmung" werden mit Ausnahme der Arbeit von TORZA et al [25, 26] nur qualitativ be-schrieben. COX [4] formulierte für den instationären Deformationsverlauf die in Anhang 2 aufgeführten Gleichungen (zu den Voraussetzungen und Randbedingungen vgl. 13
Das Aufbruchverhalten, ein ebenfalls instationärer Vorgang, wird im nachfolgenden Kapitel separat behandelt.
1 Einführung
- 42 -
Kap. 3.2.2). COX [4] wählte dabei die in Gleichung (3.24) angegebene dimensionslose Darstellung der zeitabhängigen Deformation (vgl. Gleichung (3.16) zur Definition von k). η D( γ ) = f k, d ηk
mit: γ = γ˙ · t
(3.24)
Abbildung 3.5 zeigt beispielhaft das theoretische Ergebnis des zeitabhängigen Deformationsverlaufes kleiner Tropfen in der "Anlaufströmung" für einige Werte von k und ηd/ηk.
ηd/ηk = 1, k = 0.1 ηd/ηk = 1, k = 1
2.0
1.6
ηd/ηk = 1, k = 10 ηd/ηk = 0.1, k = 1
1.4
ηd/ηk = 10, k = 1
1.8
D
1.2 1.0 0.8 0.6 0.4 0.2 0.0 0
10
20
30
40
γ
Abb. 3.5:
Zeitabhängiger Deformationsverlauf berechnet nach COXs "Deformationsgleichungen" [4] (vgl. Anhang 2)
Die Kurvenverläufe (in Abb. 3.5) zeigen, dass die zeitabhängige Deformation einer Schwingung folgt. Die Schwingung ist in Abhängigkeit des Viskositätsverhältnisses ηd / η k und des k-Wertes unterschiedlich stark ausgeprägt (vgl. Legende in Abbildung 3.5). Der "Schrägstellungswinkel" α schwingt entsprechend der Deformation D als Funktion der Zeit (vgl. [4]) bzw. der Deformation γ (γ = γ˙ ·t). Auch TORZA et al [25, 26] haben das instationäre Deformationsverhalten theoretisch beschrieben. Sie erhielten Gleichungen für D(γ) und α(γ), welche denen von COX [4] sehr ähnlich sind. Experimente führten TORZA et al [25, 26] mit
1 Einführung
- 43 -
Tropfen des Grössenbereichs 600 µm ≤ x ≤ 1400 µm für Stoffsysteme mit 4.34 ≤ ηd /η k ≤ 45 bei Schergeschwindigkeiten von 0.1 s - 1 ≤ Error! Zusammenfassend zum Kenntnisstand bzgl. instationären Deformationsverhaltens kleiner Tropfen in laminaren Scherströmungen ist festzuhalten: Das zeitabhängige Deformationsverhalten wurde theoretisch abgeleitet. Dabei wurde die Relaxation der Tropfen nicht einbezogen. Experimentelle Ergebnisse zum Deformationsverhalten liegen für "grosse" Viskositätsverhältnisse vor, bei welchen das Ausmass der Tropfendeformation jedoch gering ist. Im Bereich "kleinerer" Viskositätsverhältnisse besteht Bedarf an experimentellen Vergleichsergebnissen. Viskositätsverhältnisse von ηd /η k < ~ 1 sind oftmals die "Rea-lität" bei der praktischen Emulsionsherstellung (zum Beispiel im Bereich der Lebensmittelverfahrenstechnik bei Feinkostsossen).
3.2.4
Tropfenaufbruch
Experimentelle Untersuchungen zum Tropfenaufbruch schliessen in vielen publizierten Arbeiten Untersuchungen zum Verlauf der Fluidströmung im Tropfeninneren ("inneren Zirkulationsströmung") ein. Das disperse Fluid wurde zu diesem Zweck mit Tracerpartikeln versehen und deren Bahnlinien beobachtet. Die Form der "inneren Zirkulationsströmung" steht in engem Zusammenhang mit der Deformierbarkeit sowie Zerteilbarkeit der Tropfen. Wird einem Tropfen in der Fluidströmung eine bzgl. Zerteilung kritische Beanspruchung aufgeprägt, so bilden sich in Abhängigkeit bestimmter Stoffsystemparameter unterschiedliche (geometrische) Formen von Deformation und Zerteilung aus. Die nachfolgend aufgeführten Zusammenhänge zum Tropfenaufbruchverhalten in der laminaren Scherströmung wurden in den verschiedenen experimentellen Arbeiten übereinstimmend beobachtet. Erhöhte Viskosität der kontinuierlichen Phase begünstigt bei Konstanthaltung der übrigen Stoffsystem- und Strömungsparameter das Aufbrechen eines Tropfens. Bei erniedrigter Grenzflächenspannung findet der Tropfenaufbruch (für Tropfen gleicher Grösse) bei geringerer Schergeschwindigkeit statt. Diese Tatsache korrespondiert mit Erkenntnissen von GRACE [28] aus Experimenten zum Mischverhalten zweier nicht mischbarer Fluide: Bei Erniedrigung der Grenzflächenspannung resultieren zu "kleineren" Durchmessern verschobene Tropfengrössenverteilungen, sofern keine Koaleszenz stattfindet und grenzflächenaktive Substanzen das Grenzflächenverhalten bzgl. Viskosität und Elastizität nicht beeinflussen. Wird der Tropfendurchmesser verkleinert, so muss dem Tropfen zum Aufbruch eine höhere Schergeschwindigkeit aufgeprägt werden. BARTOK/MASON [29] beobachteten in ihren Untersuchungen, dass die Bahnlinien im Inneren eines, in einer Scherströmung befindlichen, kugelförmigen Tropfens einer sphärischen Zirkulationsströmung folgen. Sie folgerten, dass der Tropfen durch die sphärische Form der "inneren Zirkulationsströmung" gegen Deformation und Aufbruch stabilisiert wird. Im Falle deformierter Tropfen beobachteten BARTOK/MASON [29] für grössere und damit deutlich ellipsoidal
1 Einführung
- 44 -
deformierte Tropfen (Durchmesser > 200 µm) eine "innere Zirkulationsströmung" mit einer Exzentrizität der Bahnlinien, welche grösser als die der Tropfenform ist. Der Effekt ist zunehmend mit steigender Schergeschwindigkeit. Als weitere Auswirkung steigender Schergeschwindigkeit stellten BARTOK/MASON [29] fest, dass die Tropfenform merklich von der eines Ellipsoids abweicht. In Übereinstimmung mit TAYLOR [2] beobachteten BARTOK/MASON [29] für ein Stoffsystem mit ηd /ηk = 1.34·10-4 das Ausbilden einer sigmoidalen Tropfenform und ein Abtrennen kleinster Tropfen an den Tropfenenden. Nach dem Abtrennvorgang kehrt der Tropfen in eine stabile ellipsoidale Form zurück. Für ein Stoffsystem mit η d/η k = 2.2 hingegen beobachteten BARTOK/MASON [29] bei zunehmender Schergeschwindigkeit eine stetige Zunahme der Deformation. Oberhalb einer charakteristischen Schergeschwindigkeit, welche stoffsystemspezifisch variiert, erfolgt in der Tropfenmitte momentan eine Einschnürung. Der Tropfen zerteilt mittig in zwei gössere und drei kleinere Tropfen. Ein ähnliches Verhalten wurde von TAYLOR [2] für ein Stoffsystem mit ηd /ηk = 0.9 beobachtet. RUMSCHEIDT/MASON [24] haben die Phänomene unterschiedlicher Deformations- und Aufbruchmechanismen genauer untersucht. Bzgl. des Verhaltens der Tropfen bei "überkritischer Deformation" beobachteten sie mit zunehmender Beanspruchung in Abhängigkeit des Viskositätsverhältnisses η d /η k die vier nachfolgend der Tropfen in Scherströmungen beschriebenen Deformationsund Aufbruchmechanismen. Dabei beeinflusst die Grösse der Tropfen (untersuchter Bereich: 500 µm ≤ x ≤ 2 mm) die Art des Mechanismus nicht. Abbildung 3.6 zeigt die verschiedenen Deformations- und Aufbruchformen. "Klasse A" (0 ≤ ηd/ηk ≤ 0.019) Für Schergeschwindigkeiten oberhalb einer kritischen Schergeschwindigkeit (vgl. Gleichung (3.8)) beobachteten RUMSCHEIDT/MASON [24] eine plötzliche Änderung der Tropfenform von ellipsoidal auf sigmoidal mit α > π/4. Von den spitz ausgebildeten Enden brechen "Flüssigkeitsfragmente" mit einem Durchmesser von je ca. 50 µm ab. Dieser Vorgang wiederholt sich so lange, bis der Tropfen bei der "angelegten" Schergeschwindigkeit eine stabile ellipsoidale Form zurückbildet. "Klasse B" (0.03 ≤ ηd/ηk ≤ 2.2), Variante "B1" Bei der kritischen Schergeschwindigkeit (vgl. Gleichung (3.8)) bildet sich in der Tropfenmitte momentan eine Einschnürung aus, aus der eine Tropfenzerteilung in zwei indentische "Tochtertropfen" und drei Satellitentropfen resultiert. "Klasse B" (0.03 ≤ ηd/ηk ≤ 2.2), Variante "B2" Dieser Deformations- bzw. Aufbruchmechanismus entspricht einer Variation der "Klasse B1", bei welcher der Tropfen in einen immer länger werdenden Faden deformiert, bis er in unzählige kleinste Tropfen zerbricht. "Klasse C" (ηd/ηk > 3.8 )
1 Einführung
- 45 -
Dieser Mechanismus wird für "grosse" ηd /ηk - Werte beobachtet. Wie bereits von TAYLOR [2] vorhergesagt wurde, deformieren die Tropfen mit zunehmender Schergeschwindigkeit, bis sie bei einer Orientierung von α = π/2 eine (auch bei weiterer Steigerung der Schergeschwindigkeit) konstante Deformation annehmen und nicht zerteilen.
a)
b)
c)
d)
Abb. 3.6:
Deformations-/Aufbruchverhalten kleiner Tropfen in der Scherströmung nach RUMSCHEIDT/MASON [24]; a): "Klasse A", b): "Klasse B1", c): "Klasse B2", d): "Klasse C" (Die Pfeile symbolisieren die Strömungsrichtung.)
1 Einführung
- 46 -
Im Experiment haben RUMSCHEIDT/MASON [24] für "Klasse A-" und "Klasse B-Tropfen" im Mittelwert eine bzgl. des Tropfenaufbruchs kritische Tropfendeformation von Dkrit = 0.59 ± 0.06 ermittelt. Für zwei Stoffsysteme (ηd /η k ≈ 1) beobachteten RUMSCHEIDT/MASON [24], dass die Tropfen mit steigender Schergeschwindigkeit oberhalb der kritischen Schergeschwindigkeit (vgl. Gleichung (3.8)) in "unendlich" lange Fäden deformieren. Die Tropfenzerteilung erfolgt schliesslich bei der Relaxation. Dabei genügt es, dass ein Schergeschwindigkeitssprung auf einen Wert unterhalb des kritischen Wertes erfolgt ist (nicht notwendigerweise auf ˙γ = 0). KARAM/BELLINGER [30] haben dieses Phänomen in ihren Experimenten ebenfalls beobachtet. Sie erklären es damit, dass während des Relaxationsprozesses die inneren, den Tropfen gegen Aufbruch stabilisierenden, Zirkulationsströmungen entfallen. Auch die weiteren von KARAM/BELLINGER [30] im Experiment gemachten Beobachtungen entsprechen im wesentlichen den Beobachtungen von RUMSCHEIDT/MASON [24]. Bei ihrer Einteilung des Mechanismus von Tropfendeformation und -aufbruch in Abhängigkeit des Viskositätsverhältnisses ηd /ηk, welches Abbildung 3.7 zeigt, haben sie leicht veränderte Grenzen angegeben und das "Ergebnis" der Zerteilung in Hinblick auf die Anzahl der gebildeten Tropfenfragmente genauer untersucht.
DEFORMATION PRIOR TO BREAK-UP
AFTER BREAK-UP
VISCOSITY RATIO ηd / ηk 0.03 - .3 0.3 - 4 0.006 - 3
Abb. 3.7:
NO BREAK-UP
<4
NO BREAK-UP
> 0.005
Tropfenaufbruchsformen nach KARAM/BELLINGER [30]
1 Einführung
- 47 -
KARAM/BELLINGER [30] haben Grenzwerte für das Viskositätsverhältnis ηd/ηk angegeben, ausserhalb derer nach ihren Erkenntnissen kein Tropfenaufbruch in laminarer Strömung erfolgen kann: 0.005 ≤ ηd /ηk ≥ 4. Innerhalb dieser Gren-zen sei für möglichst effiziente Tropfenzerkleinerung in der laminaren Scherströmung ein Viskositätsverhältnis von 0.2 ≤ ηd /ηk ≤ 1 optimal. KARAM/BELLINGER [30] entwickelten die Arbeitshypothese entwickelt, dass das ideal zu zerkleinernde Stoffsystem keine grenzflächenaktiven Substanzen enthält und die Fluide der dispersen und der kontinuierlichen Phase gleiche Viskositäten aufweisen. Grenzflächenaktive Substanzen bewirken den Aufbau eines viskoelastischen Grenzflächenfilms und Hemmung des Deformationsverhaltens. Ausserdem ermittelten KARAM/BELLINGER [30] Grenztropfendurchmessern x krit (Durchmesser der grössten nicht zerteilten Tropfen) in der laminaren Scherströmung. Sie verglichen ihre experimentellen Werte mit nach Gleichung (3.9) berechneten Werten ("TAYLOR-Gleichung"). Die Abweichungen bewegen sich im Mittel bei Faktor ≈ 3. Darüber hinaus zeigen Experimente von KARAM/BELLINGER [30], dass den Tropfen Mindestdeformationen von D > 0.5 zur Initiierung einer Zerteilung aufgeprägt werden müssen (entgegen TAYLORs Vorhersagen (D krit = 0.5) [2]). Die Abweichungen, sowohl in Bezug auf xkrit als auch auf D krit, haben KARAM und BELLINGER [30] darauf zurückgeführt, dass TAYLOR in der Ableitung seiner Theorie die "inneren Zirkulationsströmungen", welche den Tropfen offensichtlich gegen Aufbruch stabilisieren, nicht berücksichtigt hat.
RUMSCHEIDT/MASON [24] KARAM/BELLINGER [30]
100.0
TORZA et al [25, 26] GRACE [28]
"Klasse B"
Dkrit
10.0
1.0
"Klasse A"
0.1 0.0001
0.001
0.01
0.1
1
10
η d/η k
Abb. 3.8:
Literaturversuchsergebnisse zum Tropfenaufbruch in der laminaren Scherströmung
1 Einführung
- 48 -
Ein wesentliches qualitatives Ergebnis der experimentellen Arbeit von TORZA et al [25, 26] zum Tropfenaufbruch ist die Beobachtung, dass der Schergeschwindigkeitsgradient d˙γ / dt = ˙˙ γ das Zerteilungsverhalten von Tropfen beeinflusst. So wurde von TORZA et al [25, 26] eine Abhängigkeit der "Tropfenaufbruchschergeschwindigkeit" ˙γ krit von ˙˙γ festgestellt. Darüber hinaus beobachteten TORZA et al [25, 26], dass ˙˙γ bestimmt, ob ein Tropfen "Klasse B1-" oder "Klasse B2-Verhalten" beim Aufbruch zeigt. Für kleine ˙˙γ , bei welchen der Tropfen während der Deformation "Deformationsgleichgewichtszustände" durchläuft, ist der Tropfenaufbruchmechanismus unabhängig von Durchmesser und Viskosität des Tropfens: Der Tropfenaufbruch erfolgt nach Klasse B1. Grosse ˙˙γ deformieren die kugelförmigen Tropfen unmittelbar fadenähnlich. Die Tropfen zeigen Klasse B2-Verhalten. Die spontane Deformation der Tropfen lässt diesen keine Zeit zum Relaxieren. Folglich zerteilen sie. "Aufbruchmechanismus A" beobachteten TORZA et al [25, 26] für grosse ˙˙γ an Stoffsystemen kleiner Viskositätsverhältnisse. Bei kleinen ˙˙γ wurde dahingegen für dieselben Stoffsysteme Tropfenaufbruch nach "Klasse B1" festgestellt. In guter Übereinstimmung zu den Beobachtungen von RUMSCHEIDT/MASON [24] sowie KARAM/BELLINGER [30] wurde von TORZA et al [25, 26] Tropfenaufbruch nur für ηd /ηk < 3 beobachtet. Zahlreiche Experimente zur Einzeltropfenzerkleinerung in der laminaren Scherströmung hat GRACE [28] im Rahmen seiner Arbeiten zum Dispergierverhalten in hochviskosen unmischbaren Fluidsystemen durchgeführt. In Abbildung 3.8 sind die Ergebnisse von GRACE [28] sowie von [24, 25, 26, 30] dargestellt. Aufgetragen sind die im Experiment ermittelten D-Werte des Tropfenaufbruchs Dkrit. Die dimensionslose Grösse Dkrit ist nach Gleichung (3.25) definiert, wobei F krit mit der eigentlichen Messgrösse γ˙ krit entsprechend Gleichung (3.2) zu berechnen ist. η 19 ⋅ d + 16 ηk Dkrit = Fkrit ⋅ η 16 ⋅ d + 16 ηk
(3.25)
Die Werte für D krit zeigen im Bereich von 0.1 ≤ ηd /ηk ≤ 1 ein Minimum, für das mit Ausnahme der Ergebnisse von KARAM/BELLINGER [30] Dkrit ≈ 0.5 gilt. Dkrit ≈ 0.5 entspricht dem erwarteten Wert für ηd/η k ≈ 1. GRACE [28] hat die systematisch höher liegenden Werte für Dkrit von KARAM/BELLINGER [30] darauf zurückgeführt, dass sie zu deren Berechnung die Gleichgewichtswerte der Grenzflächenspannung eingesetzt haben. Dahingegen wurden von GRACE [28] Grenzflächenspannungswerte eingesetzt, welche sich bei der Messung für die frisch in Kontakt gebrachten Phasen ergeben. Damit liegen diese Werte um den Faktor 2 bis 3 höher, als diejenigen von KARAM/BELLINGER [28]. Die < 0.1 ergeben sich unterschiedlichen Ergebnisse für Dkrit im Bereich von ηd/ηk ~ durch unterschiedliche Mechanismen des Tropfenaufbruchs. Bei den von RUMSCHEIDT/MASON [24] sowie teilweise von GRACE [28] in diesem Bereich angegebenen Ergebnissen zerteilen die Tropfen nach dem Mechanismus "Klasse A" (durch Abtrennen kleinster Tropfen an sigmoidal ausgeprägten Tropfen-
1 Einführung
- 49 -
enden). Bei den übrigen eingetragenen Ergebnissen für ηd/ηk < ~ 0.1 erfolgt der Tropfenaufbruch nach "Klasse B". Für ηd /ηk > ~ 1 steigt Dkrit stark an. Der Tropfenaufbruch in der Fluidströmung wird durch die zunehmend höhere Viskosität des Tropfenfluids im Vergleich zum umgebenden Fluid erschwert. Die Tropfen weichen der Deformation und damit dem Aufbruch durch Rotation um die eigene Achse aus (festkörperähnliches Verhalten). Für ηd/ηk < ~ 1 steigt D krit für Tropfenzerteilung nach "Klasse B" ebenfalls an. Eine Erklärung dieses experimetellen Befundes bedarf beim derzeitigen Stand der Forschung weiterer Untersuchungen. Desweiteren ist ungeklärt, warum für ηd /ηk < ~ 1 der Tropfenaufbruch in Abhängigkeit des Stoffsystems und der Beschaffenheit der Grenzfläche nach Klasse A oder nach Klasse B erfolgt. Ein solch unterschiedliches Verhalten konnte im Rahmen der experimentellen Untersuchungen zu dieser Arbeit ebenfalls beobachtet werden (vgl. Kapitel 5.1.4). In der Literatur werden für die dimensionslose Kennzahl F bzw. Fkrit teilweise andere Bezeichnungen gewählt. In der Emulgiertechnologie ist es üblich, von der WEBER-Zahl "We" bzw. der kritischen WEBER-Zahl "Wekr" zu sprechen. In Worten ist die WEBER-Zahl als Verhältnis "tropfendeformierender" zu "tropfenerhaltender" Spannungen definiert. Die formelmässige Definition von We gibt Gleichung (3.26) wieder. Die Schubspannung τ "repräsentiert" die von der Strömung auf den Tropfen übertragende, deformierend wirkende Spannung. Der Kapillardruck ∆pk wird als Spannungsgrösse eingeführt, welche den Tropfen ˆ "Deformagegen die Deformation in der Fluidumströmung "stabilisiert" (∆pk = tionswiderstand"). In der We-Zahl werden, von der Strömung auf den Tropfen übertragene, Normalspannungen nicht berücksichtigt. We =
τ ∆pk
(3.26)
Mit der LAPLACE-Gleichung für den Kapillardruck kugelförmiger Tropfen (vgl. Gleichung (2.2)) resultiert für die We-Zahl im Fall der laminaren Strömung ( τ = ηk · Error! )) Gleichung (3.27). η ⋅ γ« ⋅ x τ ⋅ x F = = We = k 4⋅σ 4⋅σ 2
(3.27)
Die kritische WEBER-Zahl We krit gibt die für den Tropfenaufbruch kritische Schubspannung an. Es gilt folgender Zusammenhang: We < We krit -> Tropfendeformation We ≥ Wekrit -> Tropfenaufbruch Für Fkrit und Wekrit gilt der in Gleichung (3.28) dargestellte Zusammenhang. Wekrit =
1 ⋅Fkrit 2
(3.28)
Mit der Tatsache, dass für 0.001 ≤ η d /ηk ≤ 1 in guter Näherung Dkrit ≈ Fkrit ist (vgl. Kap. 3.1.1), gilt auch Gleichung (3.29).
1 Einführung
- 50 -
Wekrit ≈
1 ⋅Dkrit 2
(3.29)
Die theoretische kritische Weber-Zahl Wekrit beträgt 0.25. Abbildung 3.9 zeigt die in Abbildung 3.8 dargestellten Ergebnisse als Wekrit (ηd /ηk).
RUMSCHEIDT/MASON [24] KARAM/BELLINGER [30]
100.0
TORZA et al [25, 26] GRACE [28] "Klasse B"
Wekrit
10.0
1.0
"Klasse A" 0.1 0.0001
0.001
0.01
0.1
1
10
η d/η k
Abb. 3.9:
Literaturversuchsergebnisse zum Tropfenaufbruch in der laminaren Scherströmung in der Darstellung als Wekrit(ηd /ηk)
3.3
Einfluss von Grenzflächeneigenschaften auf Tropfendeformation und Tropfenaufbruch in der laminaren Scherströ-mung (Ermittlung von Grenzflächenviskosität/-elastizität)
In den Arbeiten von TORZA et al [25, 26] zur Berechnung und experimentellen Ermittlung von Fluidströmungen um stationär deformierte Einzeltropfen in der Scherströmung wurde darauf hingewiesen, dass die Annahme der Schubspannungskontinuität bei Überschreiten der Grenzfläche für das theoretische Deformationsergebnis eine sensitive Grösse darstellt. Dies stellt eine wichtige Grundlage der "Deformationstheorien" von TAYLOR [2], COX [4] und TORZA et al [25, 26] dar. Wie in Kapitel 3.1 ausgeführt wurde, wird unter "Schubspan-
1 Einführung
- 51 -
nungskontinuität über die Grenzfläche" nach TAYLOR [2] sowie COX [4] und TORZA et al [25, 26] die Übertragung der Schubspannung vom umströmenden Fluid direkt auf das Tropfenfluid verstanden. Vorhandene Grenzflächenfilme (adsorbierte Emulgatorschichten) werden bei der Formulierung der Schubspannungskontinuität über die Grenzfläche nicht berücksichtigt. TORZA et al [25, 26] stellten bei ihren Untersuchungen Unterschiede zwischen berechneten und experimentell ermittelten Verläufen von Stromlinien ausserhalb stationär deformierter Einzeltropfen in der Scherströmung fest. Die Abweichungen zwischen Theorie und Experiment wurden von diesen Autoren darauf zurückgeführt, dass die Bedingung der Schubspannungskontinuität bei Überschreiten der Grenzfläche im experimentellen Vergleichsversuch selten erfüllt ist. Die in verschiedenen Veröffentlichungen [24, 25, 26, 30] übereinstimmend gegebene Erklärung lautet: Spuren von Verunreinigungen oder gezielt zugesetzte grenzflächenaktive Substanzen (Emulgatoren) verursachen an der Grenzfläche lokal Gradienten in der Grenzflächenspannung. Durch die Grenzflächenspannungsverteilung innerhalb der Tropfengrenzfläche werden die vom umgebenden Fluid auf das "innere" Fluid übertragenen Schubspannungen teilweise kompensiert. Damit wird die innere Zirkulationsströmung im Vergleich zur emulgatorfreien Grenzfläche geschwächt. Diese molekulare Modellvorstellung der "Kompensation von Schubspannung durch Grenzflächenspannungsgradienten" steht mit dem MARANGONI-Effekt (vgl. Kap. 2.2.4) in enger Beziehung. Abbildung 3.10 illustriert die Emulgatorbewegung an der Grenzfläche deformierter Tropfen. Teilbild A zeigt einen kugelförmigen, in einem umgebenden Fluid ruhenden Tropfen. Die Emulgatormoleküle sind gleichmässig an der Grenzfläche verteilt. Teilbild B in Abbildung 3.10 zeigt denselben Tropfen in der stationären Umströmung durch das umgebende Fluid. Die an der Tropfengrenzfläche adsorbierten Emulgatormoleküle werden durch die Umströmung an den "Tropfenenden" angehäuft ("Stromlinieneffekt"). Es entsteht ein Gradient in der Belegungsdichte der Tropfengrenzfläche mit Emulgatormolekülen. Diese lokal unterschiedlichen Emulgatorkonzentrationen verursachen einen Gradienten in der Grenzflächenspannung. Durch den MARANGONI-Effekt sind die Emulgatormoleküle bestrebt, diesen Konzentrationsgradienten "auszugleichen". Wie in Kapitel 2.4 angeführt wurde, fehlt bislang eine Theorie zu molekularen Vorgängen an Grenzflächen.
A: ruhender Tropfen
B: stationär umströmter Tropfen
"Stromlinieneffekt" "MARANGONI-Effekt"
Abb. 3.10:
Verteilung von Emulgatormolekülen an einer Tropfengrenzfläche:
1 Einführung
- 52 -
In der Literatur gibt es theoretische Arbeiten, welche bei der Entwicklung von "Deformationstheorien" den Aufbau eines Grenzflächenspannungsgradienten in der Grenzfläche berücksichtigen. WEI et al [31], FLUMERFELT [32] und PHILLIPS et al [33] haben dazu die Grenzflächenviskositätsparameter η s und κ sowie die Grenzflächenelastizität E verwendet. WEI/SCHMIDT/SLATTERY [31] entwickelten eine Theorie, die aus der Messung der "Zirkulationszeiten" einer emulgatorbehafteten Tropfengrenzfläche in der laminaren Scherströmung die Grenzflächendehnviskosität κ berechnen lässt. Für die Anwendung ihrer Theorie zur Berechnung von κ muss die Grenzflächenscherviskosität ηs bekannt sein. Gleichung (3.30) beschreibt den Parameter, mit dem nach WEI et al [31] κ in Kenntnis von ηs berechnet werden kann. Die Theorie von WEI et al [31] beruht auf zahlreichen Annahmen, welche in Tabelle 3.4 zusammengefasst sind. Elastisches Grenzflächenverhalten haben WEI et al [31] in ihre Überlegungen nicht einbezogen. Zirkulationszeit = f(3·κ+2·ηs) Tab. 3.4: -
-
(3.30)
Voraussetzungen von WEI et al [31] zur Ableitung einer Gleichung zur Berechnung von κ (in Kenntnis von ηs) Das Stoffsystem enthält nur ein Tensid. Das Tropfenfluid und das Strömungsfluid sind inkompressible NEWTONsche Fluide. Das Fliessverhalten der Grenzfläche ist NEWTONsch (vgl. Kapitel 2.4). Die Grenzflächenspannung σ, die Grenzflächendehnviskosität κ, die Grenzflächenscherviskosität ηs und die Massendichte der Grenzfläche sind Funktionen der Emulgatorkonzentration an der Grenzfläche. Die Emulgatorkonzentration an der Grenzfläche ist eine Funktion der Emulgatorkonzentration in beiden Fluidphasen. Die Grenzflächenspannung ist über der gesamten Grenzfläche konstant. Der Parameter F ist sehr klein (vgl. Gleichung (3.2) auf Seite 30 zur Definition von F). Die Phasengrenzfläche (d. h. die Tropfenform und die Tropfenorientierung) hat einen stationären Deformationszustand erreicht.
Die in der vorstehenden Tabelle angeführten Annahmen von WEI et al [31] für ihre Grenzflächenviskositätstheorie zeigt den eingeschränkten Anwendungsbereich dieser Theorie. WEI et al [31] haben ihre Theorie auf Versuchsergebnisse von RUMSCHEIDT/MASON [24] angewandt. Zahlenwerte für die Grenzflächenscherviskosität η s von Fluid/Fluid-Grenzflächen liegen in der Literatur nicht vor. Daher wenden WEI et al [31] ihre Theorie auf Vergleichsversuche von RUMSCHEIDT/MASON mit emulgatorfreien Stoffsystemen an: Die Grenzflächenviskositätsparameter κ und ηs emulgatorfreier Grenzflächen sind entsprechend ihrer Definition Null (vgl. Kap. 2.4). Folglich ist theoretisch auch der in Gleichung (3.30) aufgeführte Parameter (3· κ+2·ηs) Null. Wie die von
1 Einführung
- 53 -
WEI et al [31] berechneten Zahlenwerte für (3· κ+2·η s) in Tabelle 3.5 zeigen, wird für die emulgatorfreie Grenzfläche ein von Null verschiedener Grenzflächenparameter berechnet. Darüber hinaus sind die berechneten Werte offensichtlich von der Tropfengrösse abhängig. Eine Bewertung dieses Ergebnisses ist praktisch nicht möglich, da keine unabhängig ermittelten experimentellen Vergleichswerte vorliegen. Tab. 3.5:
Grenzflächenviskositätsparameter nach [31] für Wassertropfen in Silikonöl (ηd /ηk = 1.9·10-4) Versuchsparameter [24] F -> 0, x = 600 µm F -> 0, x = 740 µm
(3·κ+2·ηs) / g·s-1 2.2 2.9
[31]
Von FLUMERFELT [32] existiert eine weitere Theorie zur Ermittlung von Grenzflächenviskositätsparametern. FLUMERFELT [32] hat die Theorie bzw. das Vorgehen von COX [4] (vgl. Kapitel 3.2.2) zur Berechnung der Deformation D und der Orientierung α eines in der stationären Scherströmung deformierten Tropfens als Basis der Entwicklung "neuer" Deformationsgleichungen herangezogen. Die Theorie von FLUMERFELT [32] berücksichtigt neben Grenzflächenviskositätseffekten auch das Auftreten eines Grenzflächenspannungsgradienten innerhalb der Grenzfläche. Der von FLUMERFELT [32] eingeführte Parameter, welcher Grenzflächenspannungsgradienten berücksichtigt, entspricht der Grenzflächenelastizität E (vgl. Gleichung (2.10) auf Seite 25). Die Grenzflächenviskositätsparameter κ und η s hat FLUMERFELT [32] in Form dimensionsloser Kennzahlen berücksichtigt: Nηs und Nκ bzw. Nκ'. In den Gleichungen (3.31) bis (3.33) sind die Definitionen der dimensionslosen Grenzflächenviskositätsparameter angegeben. N κ wird als die dimensionslose Grenzflächendehnviskosität bezeichnet. Nκ' bezeichnet die scheinbare dimensionslose Grenzflächendehnviskosität. Diese Grösse beinhaltet die Grenzflächenelastizität E. Die dimensionslose Grösse NM ist im wesentlichen eine Funktion der Massenaustauschgeschwindigkeit von Emulgatormolekülen an der Grenzfläche. Je höher der Massenstrom des Emulgators ist, desto kleiner wird N M , und desto geringer ist der Einfluss von Grenzflächenspannungsgradienten in der Grenzfläche auf das theoretische Ergebnis für D und α . F ist nach Gleichung (3.2) definiert (vgl. Kap. 3.1). Nηs ist die dimensionslose Grenzflächenscherviskosität. κ ⋅2 ηk ⋅ x
(3.31)
N ⋅E Nκ©≡ Nκ + M F
(3.32)
Nκ ≡
N ηs ≡
ηs ⋅ 2 ηk ⋅ x
(3.33)
1 Einführung
- 54 -
Das Ergebnis der theoretischen Ausführungen von FLUMERFELT [32] ist kurz zusammengefasst folgendes: κ und ηs können in Kenntnis der Deformation D und des Orientierungswinkels α eines in der stationären Scherströmung deformierten Tropfens berechnet werden. Abbildung 3.11 gibt ein Diagramm aus der Veröffentlichung FLUMERFELTs [32] wieder, welche den theoretisch berechneten Einfluss von Nηs und Nκ' auf D zeigt.
D = 0.1 Nκ' = 0 Nκ' = 100 F
Nηs = 100 Nηs = 10 Nηs = 0
(ηd/η k)-1 Abb. 3.11:
Einfluss der dimensionslosen Grenzflächenviskositätsparameter Nκ' und Nηs auf die Tropfendeformation skizziert von FLUMERFELT (Abb. 3 in [32])
Den Vergleich der FLUMERFELT-Theorie [32] mit dem Experiment haben PHILLIPS/GRAVES/FLUMERFELT [33] durchgeführt. In dem theoretischen Teil der Arbeit von PHILLIPS et al [33] wird zunächst die Arbeit von COX [4] analysiert. PHILLIPS et al [33] haben die Gleichungen von COX [4] für den stationären Deformationszustand eines Tropfens in der Scherströmung umgeformt. Sie stellten die Gleichungen (3.34) und (3.35) auf. Der Parameter S14 ist nach Gleichung (3.35) nur vom Viskositätsverhältnis ηd /ηk des untersuchten Stoffsystems 14
PHILLIPS et al [33] bezeichnen diesen Parameter mit F. Hier wird S gewählt, da F bereits mit Gleichung (3.2) definiert wurde.
1 Einführung
- 55 -
abhängig. Mit der Bestimmung von D und α aus dem Deformationsexperiment kann die Gültigkeit der Theorie von COX durch Vergleich des theoretischen SWertes (Gleichung (3.35)) mit dem experimentellen S-Wert (Gleichung (3.34)) einfach überprüft werden. Diese Vorgehensweise bietet nach PHILLIPS et al [33] den Vorteil, dass ˙γ , x und σ in den Vergleich "Theorie <-> Experiment" nicht eingehen. Die in der Literatur beschriebenen experimentellen Erfahrungen zur Bestimmung von ˙γ , x und σ haben nach PHILLIPS et al [33] gezeigt, dass γ˙ , x und σ oft nicht genau bestimmt werden können. 1
2 19 ⋅D 1 S= ⋅ 1+ π 20 2 tan 2 ⋅ α − 2
(3.34)
η 19 ⋅ d + 16 ηk ⋅ S= ηd 16 ⋅ + 16 ηk
(3.35)
1 ηd ηk
Literaturergebnisse für D und α (Werte im stationären Deformationszustand) haben PHILLIPS et al [33] mit der Theorie von COX [4] nach der vorstehend beschriebenen Methode verglichen. Stellten PHILLIPS et al [33] Unterschiede zwischen theoretischem und experimentellem S-Wert fest, wurde postuliert, dass Grenzflächenviskositätseffekte das Deformations- und Orientierungsverhalten der Tropfen beeinflusst haben. Für solche Ergebnisse wurden von PHILLIPS et al [33] die Parameter κ' und ηs mit den Messwerten D und α nach der FLUMERFELT-Theorie [32] berechnet und mit dem Parameter (3·κ'+2·ηs) verglichen. (3·κ'+2·ηs) wird im "Zirkulationsexperiment" bestimmt. Dabei haben PHILLIPS et al [33] in Erweiterung zur Arbeit von WEI et al [31] im Grenzflächenviskositätsparameter (3· κ'+2· η s ) die scheinbare Grenzflächendehnviskosität κ' eingeführt. Tabelle 3.6 (vgl. Seite 54) fasst die Ergebnisse von PHILLIPS et al [33] zusammen (untersuchter Tropfengrössenbereich: 150 µm < ~ < x ~ 1000 µm). Der Stand des Wissens zum Zusammenhang zwischen Deformations- und Orientierungsverhalten kleiner Tropfen in der stationären Scherströmung und grenzflächenrheologischen Parametern kann wie folgt kurz zusammengefasst werden: Die Grenzflächenviskositätsparameter κ' und η s können aus D- und α -Werten des stationären Deformationszustandes berechnet werden. Das Deformationsund Relaxationsverhaltens einer Tropfengrenzfläche in der instationären Scherströmung wurde bisher nicht unter Berücksichtigung grenzflächenrheologischer Parameter beschrieben.
1 Einführung Tab. 3.6: -
-
- 56 Ergebnisse von PHILLIPS et al [33]
Für Stoffsysteme mit Fluidphasen hoher Viskosität (ηd » und ηk») stellten PHILLIPS et al eine gute Übereinstimmung der experimentellen Ergebnisse für D und α mit der Theorie von COX [4] fest (Vergleich von S aus Gleichung (3.34) und (3.35)). Für Stoffsysteme mit einem Gemisch aus Mineralöl und Tetrachlorethylen oder Tetrabrommethan als Tropfenfluid wurden grosse Abweichungen zwischen dem theoretischen S-Wert (Gleichung (3.35)) und dem experimentellen S-Wert (Gleichung (3.34)) festgestellt. Für diese Stoffsysteme berechneten PHILLIPS et al [33] κ' und ηs. Für jedes untersuchte Stoffsystem mittelten PHILLIPS et al [33] κ' und ηs aus verschiedenen Deformationsexperimenten. Der Vergleich dieser κ'- und ηs-Werte (berechnet mit D und α ) mit dem Parameter (3·κ'+2· η s ) liefert nach PHILLIPS et al [33] kein zufriedenstellendes Ergebnis. Die Messung der Zirkulationszeit ist mit so starken Schwankungen verbunden, dass für verschiedene Versuche mit demselben Stoffsystem deutlich unterschiedliche Werte für (3·κ'+2·ηs) resultieren.
1 Einführung
- 57 -
4
Material und Methoden
4.1
Analytische Methoden
4.1.1
Ermittlung des stationären Scherfliessverhaltens
Zur Ermittlung des stationären Scherfliessverhaltens der untersuchten Fluidsysteme wurden in dieser Arbeit Rotationsrheometer eingesetzt. Im rheometrischen Messspalt wird eine ebene laminare Schichtenströmung (= "rheometrische Strömung") erzeugt. Die von der gescherten Flüssigkeit auf die Wände der Scherspaltbegrenzung übertragene Schubspannung τ verhält sich proportional zum messbaren Drehmoment Md . Aus Md kann in Kenntnis der Geometrie die Schubspannung τ berechnet werden. Die Viskosität η ergibt sich aus dem NEWTONschen Schubspannungsansatz (vgl. Gleichung (2.7) auf Seite 21). Ein Rheometer, bei welchem die Deformation γ (bzw. die Schergeschwindigkeit γ˙ ) vorgegeben und Md gemessen wird, wird als "deformationsgesteuert" bezeichnet. Das umgekehrte Messprinzip wird in "drehmomentgesteuerten" oder "schubspannungsgesteuerten" Rotationsrheometern verwirklicht: Der im rheometrischen Messspalt befindlichen Flüssigkeit wird ein Drehmoment Md (bzw. eine Schubspannung τ) aufgeprägt. Als Messgrösse dient die Deformation γ (bzw. die Winkelgeschwindigkeit ω). Für den stationären Scherversuch im zylindrischen Messspalt und im Kegel /Platte-Messspalt können τ und γ˙ nach den in Tabelle 4.1 angegebenen Gleichungen berechnet werden. Die Gleichungen (4.1) bis (4.4) gelten für NEWTONsches Fliessverhalten. Für den Kegel/Platte-Spalt setzt die Berechnung von γ˙ nach Gleichung (4.2) voraus, dass α <~ 6° gilt [13]. Damit gilt im gesamten Scherspalt ˙γ = konstant. Bei der Ableitung der Gleichungen für den Zylindermessspalt wird davon ausgegangen, dass Di/Da ≥ 0.97 (vgl. Skizze in Tabelle 4.1) gilt. Damit kann der Scherspalt in guter Näherung als ebener Scherspalt angesehen werden. Korrekturfunktionen zum Einfluss der Scherspaltkrümmung können [13] entnommen werden. Im Zylindermessspalt gilt für die Schubspannung der in Abbildung 4.1 dargestellte Verlauf. Der Schubspannungsverlauf ist fluidunabhängig. Der resultierende Geschwindigkeitsverlauf und die massgebliche Wandschergeschwindigkeit am Zylinder, an welchem Md gemessen wird, hängt von der Fliesskurve τ(γ˙ ) ab [13].
1 Einführung Tab. 4.1:
- 58 Berechnungsgleichungen für τ und γ˙ für den stationären Scherversuch bei NEWTONschem Fliessverhalten Geometrie Kegel/Platte
Berechnungsgleichungen
D
τ=
12 ⋅Md π ⋅D3
(4.1)
ω α
(4.2)
γ« = α
konzentrischer Zylinderspalt Da
τi =
Di
γ«i =
2 ⋅Md π ⋅Di2 ⋅L
(4.3)
2⋅ω D 1− i Da
2
(4.4)
L
Die in Tabelle 4.1 angegebenen Gleichungen (4.3) und (4.4) für τ i15 bzw. ˙γ i im stationären Scherversuch gelten für NEWTONsches Fliessverhalten. Bei nichtNEWTONschem Fliessverhalten wird mit den Gleichungen (4.3) und (4.4) die scheinbare Schergeschwindigkeit bzw. Schubspannung berechnet: τi bzw. γ˙ i werden unter der Annahme NEWTONschen Fliessverhaltens berechnet. Ist das Fliessgesetz τ(γ˙ ) bekannt, so kann es in der Ableitung der Gleichungen für τ i bzw. γ˙ i berücksichtigt werden. Für Fluide unbekannten Fliessgesetzes kann mit Hilfe eines Reihenansatzes nach KRIEGER/ELROD/MARON [34] die sogenannte wahre Schergeschwindigkeit berechnet werden. Daneben kann auch die 15
Der Index "i" bedeutet "innen": Md wird am rotierenden Innenzylinder gemessen.
1 Einführung
- 59 -
sogenannte Methode der repräsentativen Viskosität angewendet werden. Die beiden Methoden sind zum Bsp. von WEIPERT et al [13] beschrieben. Auf die Berechnung "wahrer Schergeschwindigkeiten" und "repräsentativer Viskositäten" bei der Auswertung rheometrischer Messergebnisse wurde in der vorliegenden Arbeit verzichtet.
r
τi τ (r ) ~ 1/ r 2
τa
Ri Ra
Abb. 4.1:
Schubspannungsverlauf im konzentrischen Zylinderspalt [13]
Bei Zyinderrheometern werden zwei Bauarten unterschieden: Das "COUETTESystem" und das "SEARLE-System" (vgl. Abb. 4.2). Beim "COUETTE-System" ist der Aussenzylinder drehend. Beim "SEARLE-System" dreht der Innenzylinder. Die Drehmomentmessung erfolgt bei beiden Bauarten am Innenzylinder. In dieser Arbeit wurden die deformationsgesteuerten Geräte RMS 800 und RFS ΙΙ der RHEOMETRIC SCIENTIFIC GmbH, D-Bensheim, eingesetzt. Das RMS 800 und das RFS ΙΙ arbeiten nach dem "COUETTE-Prinzip".
1 Einführung
- 60 -
ω
Drehmomentmessung
Innenzylinder
Messubstanz
Aussenzylinder
ω
COUETTE-System (deformationsgest. Bauart)
SEARLE-System (deformationsgest. Bauart) deformationsgesteuertes Rheo.
Beanspruchungsgrösse
ω (t)
Md (t)
Messgrösse
Md (t)
ω (t)
ω (t) Md (t)
Abb. 4.2:
spannungsgesteuertes Rheo.
"Geometrie" "Geometrie"
Rotationsrheometer
γ˙ ( t ) τ (t)
η( γ«, t ) =
τ ( γ«, t ) γ«( t )
1 Einführung 4.1.2
- 61 Grenzflächenspannungsmessung
Die Messung der Grenzflächenspannung erfolgte in dieser Arbeit mit dem Tropfenvolumentensiometer TVT1 16 der LAUDA DR. R. WOBSER GmbH & CO. KG, D-Lauda-Königshofen. Das Messprinzip des Tropfenvolumentensiometers besteht in der Bestimmung des Volumens eines von einer Kapillaren ablösenden Tropfens. Das Tropfenfluid gelangt aus einer Spritze in die Kapillare. Die Kapillare taucht in die Flüssigkeit ein, gegen die die Grenzflächenspannung der dispersen Phase ermittelt werden soll. Zwischen den beiden Flüssigkeiten muss ein Dichteunterschied bestehen, sonst kann dieses Messprinzip nicht angewandt werden. Abbildung 4.3 zeigt eine schematische Darstellung der Messvorrichtung (TVT1). Der Tropfen bewegt sich durch eine Lichtschranke, welche die "Tropfenbildungszeit" registriert (vgl. Abb. 4.4). Aus der Kräftebilanz am Tropfen zum Zeitpunkt des Abreissens kann nach Gleichung (4.5) die Grenzflächenspannung σ berechnet werden. σ= mit:
V: g: ∆ρ :
F: rcap:
V ⋅ g ⋅ ∆ρ ⋅F 2 ⋅ π ⋅r cap
(4.5)
Tropfenvolumen zum Ablösezeitpunkt, Erdbeschleunigung, Differenz der Dichten der beiden Phasen, Korrekturfaktor, Radius der Kapillaren.
Am TVT1 gibt es verschiedene Varianten der Messführung. Im Rahmen der Messungen zu dieser Arbeit kam die "dynamische Messvariante" zum Einsatz. Bei dieser Messvariante werden durch kontinuierliche Volumendosierung aufeinanderfolgend Tropfen gebildet. Die Volumina der Tropfen können mit den geometrischen Abmessungen des Glaskörpers (Spritze), der Kolbenvorschubgeschwindigkeit und der Tropfenbildungszeit berechnet werden. Die Volumina für Tropfen gleicher "Tropfenbildungszeit" werden gemittelt und die Grenzflächenspannung σ nach Gleichung (4.5) berechnet. Variable Tropfenbildungszeiten können über die Vorschubgeschwindigkeit des Kolbens (vgl. Abb. 4.3) erreicht werden. Für Stoffsysteme, welche grenzflächenaktive Moleküle enthalten, resultiert die Aufnahme einer "zeitabhängigen Grenzflächenspannung". Abbildung 4.5 zeigt einen charakteristischen Verlauf für σ(t). Die dargestellte Zeit t entspricht der "Tropfenbildungszeit". Extrapolation der Messwerte für t -> ∞ führt auf den stationären Wert der Grenzflächenspannung σstat. Enthalten Stoffsysteme keine grenzflächenaktive Moleküle, so ist σ (t) = konstant für alle Tropfenbildungszeiten.
16
Ausnahmsweise wurden Messungen mit der WILHELMI-Plattenmethode durchgeführt. In solchen Fällen wird dies angegeben. Zur Methode vergleiche zum Bsp. [8].
1 Einführung
- 62 -
Kolben, definierter Vorschub durch einen Schrittmotor
Präzisionsspritze aus Glas, temperiert Tropfenfluid (disperse Phase) Kapillare (Edelstahl) kont. Phase Tropfen Küvette aus Glas, temperiert und nach oben abgeschlossen Abb. 4.3:
Aufbau / Messprinzip des Tropfenvolumentensiometer TVT1
Leuchtdioden (einzelne oder alle eingeschaltet, materialabhängig) Abb. 4.4:
Photoelektroden
Messdatenerfassung am TVT1 (Seitenansicht)
1 Einführung
- 63 -
σ
σstat
stationäre Grenzflächenspannung
0 0 t
Abb. 4.5:
Zeitabhängiges Grenzflächenspannungsverhalten eines emulgatorhaltigen Stoffsystems (schematisch)
4.1.3
Messen von Partikelstrukturen und Partikelgrössenverteilungen
In dieser Arbeit wurde das zeitabhängige Deformationsverhalten von Fluidtropfen bildanalytisch quantifiziert. Die Form und Grösse nicht kugelförmiger Suspensionsteilchen (vgl. Kapitel 5.3) wurde ebenfalls bildanalytisch charakterisiert. Abbildung 4.6 zeigt einen schematischen Überblick des eingesetzten Bildanalysearbeitsplatzes. Tabelle 4.2 gibt die Spezifikationen der verschiedenen Komponenten wieder. Bildanalytische Messungen wurden mit "live-Bildern" oder ausgehend von aufgezeichneten Videobildern durchgeführt. Die Deformations- und Relaxationsvorgänge von Tropfen in Fluidströmungen wurden mit einer an ein Inversmikroskop17 angeschlossenen Videokamera auf Videobänder aufgezeichnet. Unter Ausnutzung der "Einzelbildschaltung" wurden die zeitabhängigen Vorgänge ausgewertet. Die Strömungsapparaturen werden auf dem Mikroskopiertisch (Ausführung als x,y-Tisch) positioniert und die deformierenden Tropfen 17
Die Strömungszellen, welche in Kapitel 4.2.1 vorgestellt werden, bedingen den Einsatz eines Inversmikroskopes (Objektivrevolver unterhalb des Mikroskopiertisches).
1 Einführung
- 64 -
unter Verwendung von Objektiven mit "extrem langen" Arbeitsabständen beobachtet18.
Inversmikroskop Videokamera (CCD - Shutter, schwarz/weiss) mit Tubus zum Inversmikroskop
BildanalyseSoftware
Videosignal
Videosignal
Videosignal
Computer (Macintosh) mit eingebauter Digitalisierkarte
Monitor
Videorekorder
Abb. 4.6:
Bildanalyse-Arbeitsplatz
Bei der in Abbildung 4.6 dargestellten Konfiguration des Bildanalyse-Systems wird das zu analysierende Bild dem Computer als Videosignal zugeführt19. Das Videosignal wird via Digitalisierkarte und entsprechendem Befehlssatz der Bildanalyse-Software als sogenanntes "Live-Bild" auf dem Computermonitor dargestellt. Die Bildinformation kann "eingefroren" und als Datenfile abgespeichert werden. Das Datenfile enthält die Informationen der Belegung der einzelnen Bildschirmpunkte mit Grauwerten (schwarz/weiss-Kamera) zwischen 0 (weiss) und 255 (schwarz). Die Bilder können mittels Bildanalyse-Software bearbeitet werden. Beispielsweise können Kanten von Gegenständen hervorgehoben oder ein "Bildrauschen" unterdrückt werden. Im Anschluss an die Bild18
19
"Normalobjektive" für die Inversmikroskopie haben zu geringe Arbeitsabstände, um die Tropfen in einer Entfernung von der unteren Scherspaltbegrenzung "plazieren" zu können, welche Randeffekte auf das Deformationsverhalten ausschliessen lässt. Der Anschluss eines Scanners an den Computer lässt auch das Einscannen von auszuwertenden Bildern zu.
1 Einführung
- 65 -
bearbeitung, welche dem Anwendungsfall angepasst werden muss, wird das Bild in ein schwarz/weiss-Bild umgewandelt. Automatische Längen- oder Flächenmessungen können nur auf Basis von schwarz/weiss-Bildern durchgeführt werden. Eine Flächenmessung bedeutet, dass die Anzahl zusammenhängender, mit der Information "schwarz" (Grauwert 255) belegter Bildschirmpunkte ermittelt wird. Die geometrische Grösse der Fläche kann mit einem Skalierungsfaktor ausgerechnet werden. Der Skalierungsfaktor entspricht der in Gleichung (4.6) angegebenen Grösse, welche durch Vermessen eines Längenmassstabes für die Mikroskopie ermittelt wird. Skalierungsfaktor =
Tab. 4.2:
Anzahl der Messpunkte auf der Linie bekannte geometrische Länge der Linie (4.6)
Bestandteile des Bildanalyse-Arbeitsplatzes
Komponente Spezifikation Inversmikroskop (Lichtmikroskop) DIAPHOT-TMD, NIKON, CH-Küsnacht; Einsatz eines 4 x Normalobjektives sowie Spezialobjektiven mit extra langen Arbeitsabständen im Vergrösserungsbereich von 10 x und 20 x Videokamera SONY Black and White Video Camera SSC-M370CE (Camera Adaptor SONY CMA-D7CE) Videorekorder PANASONIC Video Cassette Recorder AG-7350 Monitor SONY Triniton Color Video Monitor PVM-1444QM Computer Macintosh (ΙΙ cx, später: Quadra 650) Digitalisierkarte Quick Capture (Frame Grabber (Frame Grabber Board) Board for the Macintosh ΙΙ) von DATA TRANSLATION, USA Bildanalyse-Software NIH IMAGE 1.54 (public domain image processing and analysis program for the Macintosh; software is available to Internet users via anonymous ftp from zippy.nimh.nih.gov [13a8.231.98.32]) In dieser Arbeit waren nahezu alle zu analysierenden Flächen elliptisch oder kreisförmig. Die eingesetzte Bildanalyse-Software NIH IMAGE bietet die Möglichkeit, sich von einer derartigen Fläche die zur mathematischen Beschreibung notwendigen Abmessungen angeben zu lassen (Länge und Breite, vgl. Kap. 5.1). Die Auswertung solcher Flächen wurde durch die Programmierung eines sogenannten Makros auf der Oberfläche von NIH IMAGE weitestgehend vereinfacht (automatisiert). Die Textdatei des Makros, welches für die Auswertung von
1 Einführung
- 66 -
Videosequenzen zum Deformationsverhalten einzelner kleiner Tropfen in der Scherströmung (vgl. Kap. 4.2) und zur Analyse mikroskopischer Aufnahmen von Emulsionsstrukturen (vgl. Kap. 5.3) im Fall elliptischer oder kreisförmiger Teilchenprojektionsflächen eingesetzt wurde, ist in Anhang 3 dargestellt. Geometrische Abmessungen nicht elliptischer oder nicht kreisförmiger Flächen wurden halbautomatisch ermittelt. Durch Markieren mit der Computermaus wurden Längen oder Flächen mit dem Grauwert 255 (schwarz) belegt und damit einer Auswertung zugänglich gemacht. Die Berechnung von Partikelgrössenverteilungen (vgl. Kapitel 2.5.6) kann mit der eingesetzten Bildanalyse-Software nicht durchgeführt werden. Die in Kapitel 5.1.4 angeführten Ergebnisse bildanalytisch ermittelter Partikelgrössenverteilungen (Q0 -Verteilungen) wurden mit der Tabellenkalkulationssoftware "EXCEL" (EXCEL 4.0 D für Macintosh) berechnet.
4.2
Untersuchungen zum Deformations- und Zerteilungsverhalten am Einzeltropfen
4.2.1
Strömungsapparate
Erste Untersuchungen wurden mit einem transparenten Kegel/Platte-Messspalt (Plexiglaskegel und Glasplatte) unter Verwendung eines kommerziellen Rheometerkopfes als Kegelantrieb durchgeführt. Dieser Antrieb ermöglicht die Durchführung des stationären Scherversuches sowie des Spann- und Relaxationsversuches als instationäre Versuchsführungen. Die Beobachtung der Vorgänge in der stationären Scherströmung durch einen "externen" Beobachter wird bei diesem Versuchsaufbau durch die Bewegung der Teilchen in der Scherströmung erschwert. Wird neben dem Kegel auch die Platte angetrieben, so kann das Prinzip der sogenannten dynamischen Fixierung ausgenutzt werden. Der in Kapitel 3.2.1 beschriebene "COUETTE-Apparat mit kontrarotierenden Zylindern" realisiert die "dynamische Teilchenfixierung" für den zylindrischen Scherspalt. Ein solcher Apparat wurde zum Bsp. von RUMSCHEIDT/MASON [24] zur experimentellen Untersuchung des Deformationsverhaltens von Fluidtropfen eingesetzt. Zur Umsetzung der "dynamischen Teilchenfixierung" im Kegel/Platte-Apparat werden Kegel und Platte separat voneinander regelbar in entgegengesetzter Richtung angetrieben. Wie im "COUETTE-Apparat mit kontrarotierenden Zylindern" erscheint ein Fluidtropfen in der Scherströmung bei geeigneter Wahl der Drehzahlen relativ zum externen Beobachter als stillstehend. Unter Nutzung dieses Prinzips wurde eine "gegenläufig rotierende Kegel/Platte-Scherzelle" aufgebaut [35]. Der Vorteil der Ausführung der Scherspaltgeometrie als Kegel/Platte-Spalt mit kleinem Kegelöffnungswinkel ( < ~ 6°) gegenüber anderen rotationsrheometrischen Geometrien besteht in der Konstanz von Schergeschwindigkeit und Schubspannung im Scherspalt. Nachdem Experimente in der Kegel/Platte-Scherzelle zeigten, dass das Deformationsergebnis Wandeinflüsse (Scherspaltwände) aufwies (vgl. Kap. 5.1.1), wurde ein ähnlich dem "Parallelbandapparat" von TAYLOR [2] konzipierter Strömungsapparat (Bandscherapparatur) aufgebaut. Wie im Kegel/Platte-Scherspalt mit kleinem Kegelöffnungswinkel ist in der ebenen Schichten-
1 Einführung
- 67 -
strömung zwischen zwei planparallelen Platten (hier als Bänder (auf 1 mm Dicke abgeschliffene NBR-Kautschuk-Endlostreibriemen mit Polyestergewebe, Treibriemenfabrik GRAF AG, CH-Staad) ausgeführt) die Schergeschwindigkeit ortsunabhängig. Gegenüber dem Kegel/Platte-Spalt besteht jedoch der Vorteil, dass Scherspaltbreiten grundsätzlich der Grösse des zu untersuchenden Körpers leichter angepasst und damit Randeffekte minimiert werden können. Im Vergleich zu TAYLORs "Parallelbandapparat" [2] bietet die in dieser Arbeit aufgebaute Versuchseinrichtung die Möglichkeit, neben dem planparallelen Scherspalt einen sich verjüngenden Scherspalt und damit auch Dehnströmungen sowie hyperbolische Strömungen (im "4-Rollen-Spalt" bei Entfernen der Bänder) zu realisieren.
Antrieb Thermostat
Schermesszelle Inversmikroskop
Video
Kamera Bildanalysesystem
Abb. 4.7:
Schema des mikroskopisch optorheometrischen Messsystems
Zur Visualisierung von Deformation und Zerteilung dispergierter Teilchen werden die Strömungsapparate an ein Inversmikroskop mit angeschlossenem Videosystem adaptiert. Abbildung 4.7 zeigt ein allgemeines Schema des mikroskopischen optorheometrischen Messsystems [35, 36, 37]. Der schematische Aufbau der "Kegel/Platte-Scherzelle mit dynamischer Fixierung" ist in Abbildung. 4.8 dargestellt. Abbildung 4.9 zeigt eine Skizze der Bandscherapparatur mit den wesentlichen Bauteilen. Die Bänder werden parallel zueinander ausgerichtet und die getrennt regelbaren Antriebe A1 und A2 wie in Abbildung 4.9 eingezeichnet angetrieben (Umlauf der beiden Bänder entgegengesetzt). Der Abstand der Bänder ist im Versuch so einzustellen, dass Randeffekte ausgeschlossen werden können (Abstand des Tropfens zu jedem Band > ˆ Tropfendurchmesser)). ~ 10·x (x =
1 Einführung
- 68 Antrieb (Platte)
Antrieb (Kegel) Platte
Kegel
Kugellager
Mikroskopobjektiv Abb. 4.8:
"Gegenläufig rotierende Kegel/Platte-Einrichtung" mit "dynamischer Fixierung"
UR
A1 UR F
FR1
S
FR3
UR B
Bänder
UR
FR4
FR2 F
A2
S
UR
y UR
transparente Behälterwand
x z A1,A2: Antriebsrollen mit separaten Motoren FR…: Führungsrollen, Rolle 1 mit 2 sowie 3 mit 4 durch gemeinsamen Spindeltrieb axial in y-Richtung verschieblich UR: Umlenkrollen F: Feder zum Spannen der Bänder S: Stift zur Befestigung der Federn B: Beobachtungsfenster (Inversmikroskop) Abb. 4.9:
Bandscherapparatur (Draufsicht)
1 Einführung 4.2.2
- 69 Fluidsysteme
Für die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Experimente wurden zunächst rheologisch einfache Fluide (NEWTONsches Fliessverhalten) ohne grenzflächenaktive Additive eingesetzt. In weiteren Versuchen wurde einerseits das Grenzflächenspannungsverhalten des Emulsionssystems (dispers/kontinuierlich) und andererseits das rheologi-sche Verhalten der dispersen Phase variiert (Strukturviskosität, Viskoelastizität). Die kontinuierliche Phase wurde NEWTONsch beibehalten, da sich in dieser Arbeit die experimentellen Untersuchungen am Einzeltropfen auf das Studium von NEWTONschen Strömungsfluiden beschränkten. Die Fluide von disperser und kontinuierlicher Phase sind ineinander nicht mischbar auszuwählen. Das Strömungsfluid (kontinuierliche Phase) muss transparent sein. Fluide kontinuierlicher Phase Die Untersuchungen zum stationären und instationären Deformations- und Zerteilungsverhalten in der Bandscherapparatur wurden mit Silikonölen als Strömungsfluid (kontinuierliche Phase) durchgeführt. Silikonöle sind aufgrund ihrer Transparenz und der relativ guten Lagerbeständigkeit prädestiniert, als Strömungsfluid eingesetzt zu werden. Es wurden Silikonöle der Serie AK (WACKER-CHEMIE (Schweiz) AG, CH - Liestal) eingesetzt, welche im angewendeten Schergeschwindigkeitsbereich (˙γ ≤ 2.5 s-1) und Temperaturbereich (≈ 25°C) NEWTONsches Fliessverhalten aufweisen (Überprüfung am Rotations-rheometer). In Silikonölen besteht im allgemeinen keine Löslichkeit von Wasser und anderen hydrophilen Flüssigkeiten, welche als Tropfenfluid eingesetzt wurden. Fluide disperser Phase Die Fluide disperser Phase wurden zur besseren Tropfenerkennung /Beobachtung (Kontrastieren zur Verarbeitung durch die Bildanalyse-Software) mit geeigneten Farbstoffen (Lebensmittelfarbstoffe oder Farbstoffe für die Mikroskopie) gefärbt. Es wurde jeweils abgeklärt, dass der Farbstoff keine Veränderungen der physikalischen Fluideigenschaften (Viskosität, Grenzflächenspannung) bewirkt. Wasser Das Fliessverhalten von Wasser ist NEWTONsch, die Viskosität beträgt bei 25 °C 0.89·10-3 Pas [38].
1 Einführung
- 70 DRIVANIL (25/250)-Lösungen
DRIVANIL (25/250) ist ein Produkt der HÜLS (Schweiz) AG, CH-Küsnacht. Es ist ein wasserlösliches, hochmolekulares Alkylenoxid-Mischaddukt und liegt als leicht trübe, gelblich gefärbte, hochviskose und praktisch geruchslose Flüssigkeit vor [39]. Zur Anwendung als Tropfenfluid wurde DRIVANIL zur Einstellung bestimmter Viskositäten verdünnt. Damit Sedimentationseffekte der Tropfen in der Bandscherapparatur weitestgehend unterdrückt werden konnten, wurde durch Verwendung von technischem Alkohol 20 in Kombination mit Wasser als Verdünnungsfluid die Dichte der DRIVANIL-Lösung (Tropfenfluid) an die Dichte der umgebenden kontinuierlichen Phase (Silikonöl) für die jeweilige Stoffsystemkombination (vgl. Kapitel 4.2.3) angeglichen. Im angewandten Schergeschwindigkeitsbereich ist das Fliessverhalten der DRIVANIL-Lösungen NEWTONsch. Ausgeprägte elastische Eigenschaften waren im Oszillationsversuch nicht ermittelbar; es wurden Phasenverschiebungswinkel von 90° gemessen. Wässrige Polyethylenglykollösungen Wässrige Polyethlylenglykollösungen zeigen nahezu NEWTONsches Fliessverhalten und sind nicht grenzflächenaktiv. Eingesetzt wurde ein PEG (Polyethylenglykol) vom Typ Polywachs der CHEMISCHEN WERKE HÜLS, D-Marl. Wässrige Xanthanlösungen Neben den Fluiden mit NEWTONschem Fliessverhalten wurden auch "strukturviskose Fluide ohne Fliessgrenze" als Tropfenfluid eingesetzt. Bei der Auswahl von geeignetem Fluidmaterial war darauf zu achten, dass die Grenzflächenspannung gegenüber Silikonöl in derselben Grössenordnung wie die eines verwendeten "NEWTONschen Tropfenfluids" liegt, um die Effekte "Fliessverhalten" und "Grenzflächenspannungsverhalten" auf die Tropfendeformation separat beschreiben zu können. Wässrige Xanthanlösungen erfüllten diese Voraussetzungen (vgl. Tab. 4.3 auf Seite 73). Xanthan ist ein von Mikroorganismen fermentiertes Polysaccharid ("Biopolymer"), welches chemisch als Cellulosederivat eingeordnet wird. Xanthanmoleküle besitzen relative Molekulargewichte von > 106 und sind in ihrem Strukturaufbau als langgestreckt zu bezeichnen. Nähere Angaben zum Molekülaufbau befinden sich zum Bsp. in [40]. Die Fliesseigenschaften wässriger Xanthanlösungen werden wesentlich von der Konzentration an Xanthanmolekülen beeinflusst [41].
20
"denaturierter Industriefeinsprit" der Zusammensetzung: 89.5 Gew.% Ethanol, 5.7 Gew.% Wasser, 4.8 Gew.% Methanol
1 Einführung
- 71 -
100.00 0.1 % Xanthan
η / Pas
10.00
0.5 % Xanthan
1.00
0.10
0.01 0.01
0.10
1.00
10.00
100.00
γ« / s −1
Abb. 4.10:
Viskositätsfunktionen der für die "Einzeltropfenversuche" verwendeten Xanthanlösungen bei 25°C (RFS ΙΙ, Kegel/Platte-Geometrie)
10
0.1 % Xanthan
G' / Pa
0.5 % Xanthan
1
0.1 0.01
0.10
1.00
10.00
ω / rad / s
Abb. 4.11:
Elastizitätsfunktionen der für die "Einzeltropfenversuche" verwendeten Xanthanlösungen bei 25°C (RFS ΙΙ, Kegel/Platte-Geometrie)
1 Einführung
- 72 -
Im Rahmen der durchgeführten Versuche wurden zwei Xanthanlösungen unterschiedlicher Konzentration (0.1 Gew.%, 0.5 Gew.%) eingesetzt. Zur Stabilisierung des in wässriger Lösung ausgebildeten Netzwerkes bei mechanischer Beanspruchung wurden die Lösungen in einer 0.1-molaren Kochsalzlösung angesetzt. Das eingesetzte Xanthan, Markenname "RHODIGEL EASY", wurde von der MEYHALL AG, CH-Kreuzlingen, zur Verfügung gestellt. Abbildung 4.10 zeigt die Viskositätsfunktionen und Abbildung 4.11 die Elastizitätsfunktionen der beiden Xanthanlösungen (bei 25°C). Die Speichermoduli G' wurden im Frequenztest im linear viskoelastischen Deformationsbereich (vgl. zum Bsp. [13, 14] zu Grundlagen der Oszillationsrheometrie) aufgenommen. Wässrige Emulgatorlösungen An wässrigen Emulgatorlösungen (als Tropfenfluid) wurden eine 5 Gew.%ige Lösung des Emulgators L123 und eine 5 Gew.%ige Lösung des Emulgators P eingesetzt. Beide Produkte wurden von der CHEMISCHEN FABRIK ZIMMERLI AG, CH-Aarburg, zur Verfügung gestellt (heute Vertrieb durch die SCHÄRER & SCHLÄPFER AG, CH-Rothrist). Die für beide Emulgatorlösungen gewählte relativ hohe Konzentration von 5 Gew.% Emulgator sollte gewährleisten, mit der Emulgatorkonzentration oberhalb der kritischen Mizellbildungskonzentration (CMC, vergleiche Kapitel 2.2.3) zu liegen und ein hohes Angebot an freien Emulgatormolekülen bei Vergrösserung der Phasengrenzfläche durch Tropfendeformation zur Verfügung zu stellen.
η / Pas
0.035 0.030
5% L123
0.025
5% P
0.020 0.015 0.010 0.005 0.000 0.1
1.0
10.0
γ. / s -1
Abb. 4.12:
Viskositätsfunktionen der für die "Einzeltropfenversuche" verwendeten Emulgatorlsg. bei 25°C (RFS ΙΙ, COUETTE-Geometrie)
1 Einführung
- 73 -
L123 ist ein Fettalkoholpolyglykolether21 mit HLB-Wert22 ≈ 8. L123-Lösung ist in Wasser dispergierbar und weist eine besondere chemische Affinität zu mineralischen und fetten Ölen23 auf [42]. Der Emulgator P gehört zu den Dialkylphenolpolyglykolethern (Dialkylphenol mit 10 EO). Er ist in Wasser löslich, in Mineralöl hingegen unlöslich. Die wässri-ge Emulgatorlösung weist einen HLB-Wert von ≈ 13 auf [42]. Das Fliessverhalten (bei 25 °C) der beiden Emulgatorlösungen zeigt Abbildung 4.12. Die 5 %ige Lösung des Emulgators P zeigt NEWTONsches Fliessverhalten ( η = 1.96·10-3 Pas). Das Fliessverhalten der 5 %igen L123-Lösung ist leicht strukturviskos24, wobei die Viskositätsfunktion oberhalb der NEWTONschen Viskosität der 5 %igen P-Lösung liegt. Elastisches Verhalten war an diesen beiden Lösungen im Oszillationsversuch 25 nicht erkennbar (Phasenverschiebungswinkel = 90°).
4.2.3
Grenzflächenspannungsverhalten der Fluidpaarungen dispers/kontinuierlich (Stoffsysteme)
Tabelle 4.3 gibt einen Überblick über das Grenzflächenspannungsverhalten der aus den vorstehend beschriebenen Fluiden gebildeten Stoffsystemkombinationen dispers/kontinuierlich. Für die emulgatorfreien Stoffsysteme ist der im Tropfenvolumentensiometer (vgl. Kapitel 4.1.2) ermittelte stationäre Wert für die Grenzflächenspannung σstat (bei 25°C) angegeben. Im Fall der emulgatorhaltigen dispersen Fluide zeigt Abbildung 4.13 die zeitlichen Verläufe der Grenzflächenspannung σ (t), von denen in Tabelle 4.3 die Werte für 200 s Tropfenbildungszeit (vgl. Kapitel 4.1.2) eingetragen sind. Die Grenzflächenspannung wurde aus messtechnischen Gründen gegenüber einem niedrigviskosen Silikonöl (AK-Öl) gemessen. Die in Tabelle 4.3 auf Seite 72 angegebenen Grenzflächenspannungen der dispersen Fluide wurden gegenüber Ak 100 (η ≈ 0.1 Pas) ermittelt. Es wurde davon ausgegangen, dass der stationäre Wert für die Grenzflächenspannung bei Systemen chemisch ähnlich aufgebauter Grenzflächen vergleichbar ist. Zur Absicherung dieser Annahme wurden mit Wasser Vergleichsmessungen gegenüber verschiedenen (niedrigviskosen) Silikonölen durchgeführt. Der Mittelwert der Grenzflächenspannung aus Messungen gegenüber AK 10 (η ≈ 0.01 Pas), AK 50 (η ≈ 0.05 21 22
23 24
25
C12:C14 mit Streuung von etwa 70:30; 3 Ethylenoxid-Einheiten Der HLB-Wert eines Emulgators ist wie folgt definiert: HLB = 20·M W/M, wobei MW dem Molekulargewicht des hydrophilen Molekülteils und M dem Molekulargewicht des gesamten Moleküls entspricht. Als Faustregel gilt, dass Emulgatoren mit HLB < ~ 10 eher in lipophilen Flüssigkeiten löslich sind und W/O-Emulsionen stabilisieren. Für Emulga> 10 gilt oftmals verbesserte Löslichkeit in hydrophilen Flüssigkeiten. toren mit HLB ~ Damit sind sie zur Herstellung von O/W-Emulsionen prädestiniert. Silikonöle zählen zu den mineralischen Ölen. Die Strukturviskosität der 5 %igen L123-Lösung ist darauf zurückzuführen, dass die Emulgatorlösung in Wasser Tröpfchen bildet (HLB > 10) und nur im geringen Masse gelöst wird. Strukturviskoses Fliessverhalten ist typisch für Emulsionssysteme. Vergleiche Anmerkung zur Oszillationsrheometrie auf Seite 70.
1 Einführung
- 74 -
Pas) und AK 100 (η ≈ 0.1 Pas) betrug 0.037 ± 0.001 N/m. Wasser und Xanthanlösung weisen gegenüber Silikonöl annähernd die gleiche Grenzflächenspannung auf. Im Vergleich zu Wasser und Xanthanlösungen ist DRIVANIL gegenüber Silikonöl "grenzflächenaktiver"26, wobei auch hier keine kinetischen Effekte ermittelt werden konnte. Von den beiden unterschiedlich viskosen DRIVANIL-Lösungen weist die niedriger viskose Lösung eine geringfügig höhere Grenzflächenspannung gegenüber Silikonöl auf. Dieser Effekt ist jedoch nur indirekt mit der Viskosität der DRIVANIL–Lösung verbunden: Die DRIVANIL-Lösungen wurden durch Verdünnen mit Alkohol in ihrer Viskosität eingestellt. Die niedriger viskose DRIVANIL-Lösung enthält weniger DRIVANIL und daher weniger "grenzflächenaktive" Moleküle. Folglich resultiert eine erhöhte Grenzflächenspannung.
σ / 10-3 N/m
6.00 5.50
5% L123
5.00
5% P
4.50
σstat
4.00 3.50
σstat
3.00 2.50 2.00 0
50
100
150
200
250
300
t/s
Abb. 4.13:
26
Grenzflächenkinetik der beiden Emulgatorlösungen an der Grenzfläche zu Silikonöl (bei 25°C)
"Grenzflächenaktiv" ist in diesem Zusammenhang in Anführungszeichen gesetzt, da Grenzflächenaktivität im üblichen Sinne vorhandene "Grenzflächenkinetik" bedeutet.
1 Einführung Tab. 4.3:
- 75 Stationäre Grenzflächenspannung der Tropfenfluide gegenüber Silikonöl (AK-Öle) bei 25°C disperse Phase
Wasser DRIVANIL-Lösung (ηd = 1 Pas und ηd = 1.2 Pas) DRIVANIL-Lösung (ηd = 1.83 Pas) 40 %ige wässrige PEG-Lösung27 0.1 %ige Xanthanlösung 0.5%ige Xanthanlösung 5 %ige wässrige L123-Lösung 5 %ige wässrige P-Lösung
stationäre Grenzflächenspannung σstat / 10-3 N/m 37 6.5 6.0 28 38 38 4.5 3.4
4.3
Fixierung deformierter Teilchenstrukturen
4.3.1
Fluidmaterial
Im Rahmen dieser Arbeit wurde die Erzeugung neuartig strukturierter Stoffsysteme unter Ausnutzung der Deformierbarkeit fluider, disperser Teilchen untersucht (vgl. Einführung (Kap. 1)). Die Erzeugung strukturierter Stoffsysteme erfolgte auf Basis der "Fixierung" eines Emulsionssystems im strukturinduzierten Fliesszustand (vgl. Kap. 2.5.1). Diese "Fixierung" ist im Sinne einer Verfestigung der fluiden dispersen Teilchen (deformierbar/deformiert) in starre Teilchen zu verstehen. Die Stoffsysteme dispers/kontinuierlich wurden so ausgewählt, dass die dispersen Teilchen thermisch verfestigen. In dieser Arbeit wurde ausschliesslich mit Modellstoffsystemen gearbeitet. Tabelle 4.4 gibt einen Überblick über die eingesetzten Stoffsysteme. In ersten Untersuchungen (im Rotationsrheometer) wurde eine Hühnereiklarlösung als Tropfenfluid verwendet (Verfestigung durch Erhitzen auf Denaturierungstemperatur). Für weitere Versuche im kleinen Technikumsmassstab (in der in Kapitel 4.3.2 beschriebenen kontinuierlichen Prozessapparatur) wurde als disperse Phase ein kristallisierendes Stoffsystem gewählt.
27
Messmethode: Wilhelmi-Platte (ausnahmsweise)
1 Einführung Tab. 4.4:
- 76 Fluidmaterial für die Versuche zur Formfixierung deformierter Teilchenstrukturen (Weitere Stoffdaten sind in Kap. 5.3 angegeben.) kontinuierliche Phase Silikonöl AK 60.000 (vgl. Kap. 4.2.2; η ≈ 60 Pas bei Raumtemperatur)
disperse Phase wässrige Hühnereiklarproteinlösung (33 Gew.% sprühgetrocknetes Hühnereiweiss; Fa. REX DENECKE, D - Berlin; Denaturierungstemperaturbereich: ≈ 60 - 70 °C) Versuche im klei- Glukosesirup (Glukose- Laurinsäure (FLUKA CHEMInen Technikums- sirup V43, BLATTMANN KALIEN AG, CH - Buchs; Kristallisationstemperatur: 41 °C) AG, CH - Wädenswil) massstab Voruntersuchunge n (Labormassstab)
4.3.2
Prozessapparatur
υ
w,aus,1
υ
w,aus,2
Md . V
n
Ri Ra
"formfixierte Emulsion" υaus
υein Rohemulsion
υ Abb. 4.14:
w,ein,1
υ
w,ein,2
Heiz-/Kühlmäntel
Prozessapparat zur Erzeugung "formfixierter Emulsionen" ("Rohrapparat")
Abbildung 4.14 zeigt eine Skizze des "Rohrapparates". Tabelle 4.5 gibt einen Überblick über die Geometrie dieses Apparates. Der Rohrapparat wurde als axial durchströmter konzentrischer Zylinderspalt ausgeführt. Der Innenzylinder ist über eine Welle mit dem Motor verbunden. Die Schergeschwindigkeit im Scherspalt, welche aus der Rotation des Innenzylinders resultiert, konnte im Bereich von 20 s-1 < ~ γ˙ < ~ 3440 s-1 variiert werden28. Aus der axialen Durchströmung des Rohrapparates resultiert ein axial überlagertes Scherprofil. Im Rahmen der Versuche, deren Ergebnisse in der vorliegenden Arbeit (Kap. 5.3) dar28
γ˙ als Schergeschwindigkeit am Innenzylinder berechnet (γ˙ i , vgl. Tab. 4.1 in Kap. 4.1.1).
1 Einführung
- 77 -
gestellt sind, wurde der Volumenstrom so eingestellt, dass das radiale Scherprofil massgeblich für die Deformation der Teilchen "verantwortlich" war ( V˙ «) . Tab. 4.5:
Geometrie des Rohrapparates
Radius des Innenzylinders Ri = 19 mm Radius des Aussenzylinders Ra = 20 mm Länge des Innenzylinders (= ˆ Länge des Scherspaltes) Li = 440 mm
4.3.3
Prozessführung zur Herstellung "formfixierter Emulsionen"
Nachfolgend wird die Prozessführung im Rohrapparat zur Erzeugung "formfixierter Laurinsäure-in-Glukosesirup-Emulsionen" beschrieben. Abbildung 4.14 zeigt, dass in den konzentrischen Zylinderspalt des Rohrapparates eine Rohemulsion eingegeben wird. Die Rohemulsion wird in einem vorgeschalteten temperierbaren Vorlagegefäss durch Rühren hergestellt. Tabelle 4.6 gibt einen Überblick über die "Prozesseintrittstemperaturen". Tab. 4.6:
Temperaturen im Herstellungsprozess "formfixierter Laurinsäurein-Glukosesirup-Emulsionen" υein
= 80 °C υw,ein,1 = 80 °C υw,ein,2 = 10 °C Wie Abbildung 4.14 zeigt, ist der Scherspalt in zwei Temperaturbereiche unterteilt. Im ersten Bereich des Scherspaltes wird die Emulsion auf einer Temperatur oberhalb der Kristallisationstemperatur der dispersen Teilchen gehalten. Diese Haltestrecke diente der Einstellung eines Deformations-/Zerteilungsgleichgewichtes der Tropfen bei der gewählten Schergeschwindigkeit. Im zweiten Temperaturbereich des Scherspaltes erfolgt die Kristallisation der dispersen Fluidteilchen. Die Laurinsäureteilchen kristallisieren beim Eintritt in die zweite Temperaturzone (υw,ein,2 = 10 °C) schlagartig. Im Rahmen der durchgeführten Experimente wurde die "Formtreue" der deformierten Tropfen beim Übergang von der ersten in die zweite Temperaturzone nicht untersucht29. Die axiale Durchströmung des Apparates wird durch Anschluss einer Saugpumpe auf der Apparateaustrittsseite gewährleistet. Die Volumenstromregelung erfolgt mit einem Ventil (auf der Apparateaustrittsseite). 29
Die Veränderung der Temperatur bewirkt eine Viskositätsänderung. Bei Konstanz der Schergeschwindigkeit resultieren veränderte "Deformationsspannungen" an der Tropfengrenzfläche. Die "Deformationsspannungsänderungskinetik" steht in Konkurrenz mit der Teilchenverfestigungskinetik. Bei schneller Verfestigungskinetik kann davon ausgegangen werden, dass die Teilchen beim Übergang von der ersten in die zweite Temperaturzone "formtreu" bleiben (hier nicht untersucht).
1 Einführung
- 78 -
5
Versuchsergebnisse, Approximationen und Modellierungen
5.1
Deformations- und Zerteilungsverhalten kleiner Tropfen (Einzeltropfen) in der Scherströmung
5.1.1
Tropfenformbeschreibung/Deformationsmass
Abbildung 5.1 zeigt beispielhaft Deformationszustände kleiner Tropfen, welche in der Bandscherapparatur aufgezeichnet wurden. Die Form der Tropfen ist in der dargestellten Projektionsebene in guter Näherung elliptisch. Zur experimentellen Überprüfung, ob die Tropfenform in der senkrecht auf dieser Ebene stehenden Projektionsebene ebenfalls elliptisch ist, und damit der Tropfen als Ellipsoid beschrieben werden kann, wurde der Versuchsaufbau der Bandscherapparatur modifiziert: Die Deformationsvorgänge wurden zusätzlich zur zRichtung (vgl. Skizze des Bandscherapparates in Abb. 4.9 auf Seite 66) auch in x-Richtung beobachtet. Die eingesetzte Optik (Makroobjektiv) erfordert Tropfendurchmesser von mindestens ca. 1 mm 30. Die Aufnahmen zeigen eindeutig, dass auch diese Projektionsfläche des deformierten Tropfens elliptisch ist. Damit kann ein in der Bandscherapparatur (laminare Scherströmung) deformierter Tropfen als Ellipsoid beschrieben werden (vgl. Abb. 5.2). Die drei Hauptachslängen des ellipsoidal geformten Tropfens sind unterschiedlich. Aus der Ermittlung der zwei Hauptachslängen in der Projektionsebene, wie sie im Experiment üblicherweise abgebildet werden (entsprechend Abb. 5.2), kann aus der Bedingung der Volumenkonstanz die dritte Hauptachslänge berechnet werden (vgl. Gleichung 5.1). In der stationären Scherströmung deformierte Tropfen sowie deren zeitabhängiges Deformations- und Relaxationsverhalten sind Gegenstand der Darstellungen in Kapitel 5.1.2 und 5.1.3. C=
x3 L ⋅B
(5.1)
Wie das Bildmaterial zeigt, weicht die Form der Tropfen oberhalb stoffsystemspezifischer Schubspannungsgrenzen von der eines Ellipsoids ab. Auf Basis der gewonnenen experimentellen Erfahrungen wird geschlossen, dass das Abweichen von der Ellipsoidform zugleich Indikator für die Initiierung von Zerteilungsvorgängen ist. Nicht-ellipsoidale Tropfendeformation und Tropfenzerteilung werden in Kapitel 5.1.4 diskutiert. Auch BARTOK/MASON [29] haben beschrieben, dass die Form der deformierten Tropfen ellipsoidal ist. Sie treffen jedoch keine Aussagen zur Rotationssymmetrie, von der die Tropfen - nach den im Rahmen dieser Arbeit gefundenen Erkenntnissen - deutlich abweichen.
30
Tropfen mit x < 1 mm werden mit dem Makroobjektiv zu klein abgebildet, um sie bildanalytisch auswerten zu können.
1 Einführung
- 79 -
a
b
c
d
y
x
Abb. 5.1:
100 µm
Stationäre Deformation eines Wassertropfen (x ≈ 500 µm) in Silikonöl (ηk ≈ 10.5 Pas) bei verschiedenen Beanspruchungsschubspannungen: a: τ = 0 Pa; b: τ = 11 Pa; c: τ = 14 Pa; d: τ = 25 Pa
Im Rahmen der Ergebnisdarstellung wurde als Deformationsmass die dimensionslose Oberflächenvergrösserung gewählt. Sie stellt das Verhältnis der aktuellen Oberfläche zur Oberfläche des nicht deformierten Tropfens dar und wird mit A/A0 bezeichnet. A0 entspricht der Oberfläche einer Kugel mit dem Durchmesser x ("Anfangstropfen", vgl. Gleichung (5.2)). Die Wahl eines solchen, bisher nicht üblichen Deformationsmasses erfolgte im Hinblick auf die Modellvorstellung, dass die dem Tropfen durch das umgebende Strömungsfluid aufgeprägte "Scherleistung" vollständig in die Vergrösserung der Tropfengrenzfläche sowie viskose Fliessvorgänge in der Tropfengrenzfläche und im Tropfeninneren umgesetzt wird (Vernachlässigung dissipierter Anteile). Diese Modellvorstellung wird in Kapitel 5.2 eingehender diskutiert. A0 = π ⋅ x2
(5.2)
Die Oberfläche A eines nicht rotationssymmetrischen Ellipsoids kann über die Lösung des Oberflächenintegrals bestimmt werden. Im Anhang 3 sind die entsprechenden Formeln aufgeführt. Die Berechnung der Oberfläche A wurde mit Hilfe des Softwarepakets "MATHEMATICA" für Macintosh (MATHEMATICA
1 Einführung
- 80 -
2.1) durchgeführt.
v1 = 0
v1 (y)
B
L
x v2 (y)
y z
C
α
x
v2 = 0
Abb. 5.2:
Geometrische Beschreibung deformierter Tropfen nach Lage ( Orientierung und Form (Beanspruchung in der Bandscherapparatur)
Die Form der in den verschiedenen eingesetzten Kegel/Platte-Scherzellen deformierten Fluidtropfen wich mitunter erheblich von der eines Ellipsoids ab. Die abweichende Form konnte auf Randeinflüsse zurückgeführt werden. In Folge dieses "Ergebnisses" wurde die Konzeption der Bandscherapparatur vorgenommen. In Kapitel 5.1.2 werden Ergebnisse von Experimenten in Kegel/PlatteApparaturen dargestellt, insofern sie Untersuchungen in der Bandscherapparatur ergänzen. Zur Berechnung des Deformationsmasses A/A 0 wurde die Tropfenform dennoch näherungsweise als Ellipsoid beschrieben.
5.1.2
Stationäre Deformation
In diesem Kapitel werden die Ergebnisse der Deformationsversuche für den stationären Deformationszustand im Scherströmungsfeld (ellipsoidale Tropfenform) dargestellt und diskutiert. Als Mass der Beanspruchung der Tropfen wird die Schubspannung τ der ungestörten Scherströmung angegeben. "Mikroskopisch" entsprechen das Geschwindigkeits- und das Spannungsfeld in unmittelbarer Nähe der Tropfen nicht dem der ungestörten Scherströmung. Aufgrund der Tropfendeformation und
1 Einführung
- 81 -
Tropfenausrichtung im Scherfeld ergeben sich lokale Abhängigkeiten für ˙γ und τ . Abbildung 5.3 zeigt beispielhaft das nach NIRSCHL [43] numerisch berechnete Geschwindigkeitsfeld eines in laminarer Scherströmung umströmten Ellipsoids. Die Berechnungsmethode von NIRSCHL sowie die Stoffund Strömungsparameter, welche bei der Berechnung des in Abbildung 5.3 dargestellten Geschwindigkeitsfeldes berücksichtigt wurden, ist an späterer Stelle in diesem Kapitel (beginnend auf Seite 88) beschrieben. Zur makroskopischen Charakterisierung der die Tropfen beanspruchenden Scherströmung ist es naheliegend, die "makroskopische" vom Umgebungsfluid übertragene Schubspannung τ heranzuziehen.
α
L
B
y
z
Abb. 5.3:
x
Geschwindigkeitsverteilung um ein Ellipsoid (Anströmwinkel α = 47°) in stationärer Scherströmung in der Ebene z = 0 nach [43]; Strömungskonditionen und Stoffsystemparameter sind in Tabelle 5.4 auf Seite 89 angegeben
1 Einführung
- 82 -
Die nachfolgend dargestellten Ergebnisse wurden überwiegend mittels Bandscherapparatur ermittelt. Bei Versuchsergebnissen, welche in einer der Kegel/Platte-Scherzellen gemessen wurden, erfolgt der spezielle Hinweis. Die Güte der bildanalytischen Auswertung von "Tropfendeformationsbildern" wurde durch Mehrfachauswertungen einzelner Bilder geprüft. Die Messgrössen L und B zeigten bei den Mehrfachmessungen keine signifikanten Abweichun< 1%) voneinander. Desweiteren wurde die Reproduzierbarkeit der gen (~ Tropfendeformationsexperimente durch wiederholte Scherbeanspruchung desselben Tropfens bei τ = konstant getestet. L und B der Wiederholungsexperi< 1%) voneinmente zeigten ebenfalls keine signifikanten Abweichungen (~ ander. Zur Untersuchung des Einflusses verschiedener Strömungskonditionen (τ, γ˙ ) oder Stoffsystemparameter (zum Bsp. ηk, ηd , σ) gleich grosser Tropfen konnten im Experiment Schwankungen des Ausgangstropfendurchmessers (sofern "neue" Tropfen in das Strömungsfluid eingegeben werden mussten) nicht vermieden werden. Am Beispiel des Stoffsystems "Wassertropfen in Silikonöl" (ηk = 10.5 Pas) wurden für x ≈ 500 µm die Auswirkungen von Schwankungen im Durchmesser x auf das Deformationsmass A/A0 im stationären Deformationszustand ermittelt. Das Deformationsmass A/A0 wurde in Kapitel 5.1.1 eingeführt. (A/A0)stat wurde für alle in dieser Arbeit dargestellten Ergebnisse aus den zeitabhängigen Werten für A/A 0 durch Mittelung für "grosse" Beanspruchungszeiten erhalten. Die "instationären Ergebnisse" sind in Kapitel 5.1.3 dargestellt. Tabelle 5.1 zeigt (A/A0 )stat für Wassertropfen (x ≈ 500 µm) bei verschiedenen Beanspruchungsschubspannungen τ. Für jede Schubspannung τ wurden 3 Versuche mit jeweils neu in die Scherströmung eingegebenen Tropfen (x ≈ 500 µm) ausgeführt. Es zeigt sich ein Streubreite der Tropfendurchmesser von maximal ±3 % (vgl. Tabelle 5.1). Das "Messergebnis" (A/A0 )stat weist Streubreiten von maximal ca. ±0.1 % auf (vgl. Tabelle 5.1). Tab. 5.1:
Stationäre Deformation von Wassertropfen mit x ≈ 500 µm in Silikonöl (ηk = 10.54 Pas) bei verschiedenen Beanspruchungsschubspannungen τ
11 Pa 14 Pa 25 Pa
x
(A/A0)stat 499 µm ± 6 µm (± 1.2 %) 1.008 ± 0.001 (± 0.1 %) 501 µm ± 8 µm (± 1.6 %) 1.014 ± 0.001 (± 0.1 %) 496 µm ± 15 µm (± 3 %) 1.043 ± 0.0005 (< 0.1 %)
Deformationsversuche mit unterschiedlichen dispersen Fluiden (ηd und σ variabel, ηk ≈ 10.5 Pas, x ≈ 500 µm) In den Abbildungen 5.4 und 5.5 sind die stationären Deformationen aller in der Bandscherapparatur durchgeführten Versuche mit Tropfen von x ≈ 500 µm in
1 Einführung
- 83 -
Silikonöl mit ηk ≈ 10.5 Pas dargestellt. Aufgetragen wurde das dimensionslose Oberflächermass (A/A0)stat als Funktion der Schubspannung τ . In der Abbildungslegende sind die verschiedenen dispersen Phasen bezeichnet. Das aufgrund der apparativen Möglichkeiten aufprägbare Schubspannungsmaximum betrug für diese Versuche 25 Pa.
1.05 Wasser 1.04 0.1%ige
(A/A0 )stat
Xanthanlösung 1.03
0.5%ige Xanthanlösung 1.02
1.01
1.00
0
5
10
15
20
25
τ / Pa
Abb. 5.4:
Stationäre Deformation (A/A0)stat von Tropfen (x ≈ 500 µm) in Silikonöl (ηk ≈ 10.5 Pas)
In Abbildung 5.4 wurden die Messergebnisse zusammengefasst, welche für emulgatorfreie Stoffsysteme näherungsweise identischer Grenzflächenspannung erhalten wurden (bei x ≈ konstant und ηk ≈ konstant). Für diese Stoffsysteme (Wasser und Xanthanlösungen als disperse Phase) konnte keine Tropfenzerkleinerung bei τ ≤ 25 Pa beobachtet werden. Die Deformation (A/A0 )stat steigt mit zunehmender Schubspannung, wobei die Unterschiede im Deformationsmass (A/A0 )stat(τ) zwischen den Werten der drei Stoffsysteme signifikant sind. Die Ursache unterschiedlich stark ausgeprägten Deformationsverhaltens von Tropfen kann durch unterschiedliches Grenzflächenverhalten (Grenzflächenelastizität, Grenzflächenspannung) oder unterschiedliches viskoelastisches Fliessverhalten des Tropfenfluids hervorgerufen werden. In Tabelle 5.2 sind die Grenzflächenspannungen σ und die Viskositätsverhältnisse ηd /ηk für die Stoffsysteme tabelliert, deren Deformationsverhalten in diesem Abschnitt diskutiert
1 Einführung
- 84 -
wird. Die Grenzflächenspannungen sind näherungsweise konstant. Die ηd /ηkWerte bzw. die Viskositäten der dispersen Phase sind bei den hier betrachteten Stoffsystemen deutlich unterschiedlich. Darüber hinaus unterscheiden sich diese Stoffsysteme in ihren elastischen Eigenschaften, wie Abbildung 4.11 auf Seite 69 für die Xanthanlösungen zeigt. Wasser besitzt kein elastisches Deformationsverhalten.
1.22 1.20
Wasser
1.18
(A/A0 )stat
1.16 1.14
DRIVANIL-Lösung 1 Pas
1.12
L123-Lösung
1.10 P-Lösung
1.08 1.06 1.04 1.02 1.00
0
5
10
15
20
25
τ / Pa
Abb. 5.5:
Stationäre Deformation (A/A0)stat von Tropfen (x ≈ 500 µm) in Silikonöl (ηk =10.54 Pas)
Mit aus der Literatur bekannten Modellen bzw. Theorien zur stationären Deformation kleiner Tropfen in der laminaren Scherströmung [2, 4] (vgl. Gleichung (3.3) [2] bzw. Gleichung (3.17) [4] auf Seite 30 bzw. Seite 38) berechnete Ergebnisse für die Deformation D fallen für Tropfen aus Wasser und Xanthanlösung (0.1%ig und 0.5%ig) zusammen. Die Grösse D wurde von TAYLOR [1] zur Beschreibung der Tropfendeformationen eingeführt und von den meisten Autoren, welche sich mit dem Deformationsverhalten von Tropfen in Fluidströmungen beschäftigt haben, ebenfalls verwendet. Abbildung 5.6 (Seite 84) zeigt berechnete (Gleichung (3.17) [4]) und experimentell (Bandscherapparatur) ermittelte Ergebnisse für D. Auf der Ordinate ist der stationäre Wert des Deformationsmasses D eingetragen.
1 Einführung Tab. 5.2:
- 85 Grenzflächenspannungen und Viskositätsverhältnisse (bei 25 °C)
disperse Phase Wasser 0.1%ige Xanthanlösung 0.5%ige Xanthanlösung
ηd /ηk (τ
> 12 Pa) 8.84·10-5 3.3·10-4 - 3.8·10-431 0.18 - 0.2731
σ
/ N/m 0.037 0.038 0.038
Berechnete D stat-Werte liegen deutlich tiefer als experimentell ermittelte Werte (vgl. Abb. 5.6). Die Abweichung in Richtung kleinerer berechneter als gemessener Werte kann damit erklärt werden, dass eine der wesentlichen Voraussetzungen in der Ableitung der Gleichungen von COX [4] und TAYLOR [2], vgl. Kapitel 3, die "kleine Deformation" war. Diese wurde jedoch nicht exakt quantifiziert. Abweichungen zwischen Theorie und Experiment wurden teilweise bereits von TAYLOR [2], RUMSCHEIDT/MASON [24] sowie KARAM/BELLINGER [30] (vgl. Kapitel 3) beschrieben. Wie Abbildung 5.6 zeigt, wurde im Experiment für alle drei Stoffsysteme ein in guter Näherung linearer Zusammenhang zwischen der Deformation D stat und der Schubspannung τ gefunden. Der lineare Zusammenhang zwischen Dstat und τ wurde zuerst von TAYLOR [2] abgeleitet und gilt auch nach der "Deformationstheorie" von COX [4]. Auf die Darstellung von Regressionsgeraden wird verzichtet, da die Steigung der Regressionsgeraden von der theoretisch vorhergesagten Steigung deutlich abweicht. Abbildung 5.5 auf Seite 82 zeigt einen erwarteten Einfluss der Grenzflächeneigenschaften (Grenzflächenspannung) auf das Ausmass der Deformation. Wie die Darstellung der Ergebnisse in Form von A/A0 (τ,σ) in Abbildung 5.7 auf Seite 85 unterstreicht, führen niedrige Grenzflächenspannungen zu verstärkter stationärer Deformation. Insbesondere im Bereich kleiner Grenzflächenspannungen ist der Einfluss der Grenzflächenspannung auf die Deformation erheblich. Für sehr kleine Grenzflächenspannungen ( σ < ~ 2·10-3 N/m) strebt die Deformation gegen unendlich grosse Werte. Tatsächlich sind jedoch der Deformation durch Zerkleinerung Grenzen gesetzt. Mit zunehmender Grenzflächenspannung flacht der Kurvenverlauf ab und nähert sich asymptotisch dem Wert 1. Ein Tropfen "unendlich grosser" Grenzflächenspannung würde nicht deformieren.
31
Die Xanthanlösungen sind strukturviskos (vgl. Kapitel 4.2.2). Damit ist das Viskositätsverhältnis ηd /ηk keine Konstante. Die in Tabelle 5.2 angegebenen Wertebereiche für ηd /ηk gelten für den in der Bandscherapparatur untersuchten Schubspannungsbereich τ ≈ 4 - 25 Pa.
1 Einführung
- 86 -
0.30
offene Symbole: Experiment geschl. Symbole: Rechnung 0.25
Wasser 0.1%ige Xanthanlsg.
Dstat
0.20
0.5%ige Xanthanlsg.
0.15
0.10
0.05
0.00 0
5
10
15
20
25
τ / Pa
Abb. 5.6:
Stationäre Deformation Dstat von Tropfen aus Wasser- und Xanthanlösung (x ≈ 500 µm) in Silikonöl (ηk ≈ 10.5 Pas) aus dem Experiment im Vergleich mit berechneten Werten (nach Gleichung (3.17) von COX [4] (vgl. Kapitel 3.2.2))
DRIVANIL-Tropfen und "P-haltige" Tropfen (x ≈ 500 µm) weisen bei τ ≈ 11 Pa Deformationsformen32 auf, welche bei weiterer Steigerung von τ zur Tropfenzerteilung führen. "L123-haltige" Tropfen zeigen ein solches Verhalten bei τ > ~ 20 Pa. P-Tropfen weisen in Silikonöl eine geringere Grenzflächenspannung als L123-Tropfen auf (vgl. Tabelle 5.3). Die Grenzflächenspannung bzw. der Kapillardruck (vgl. LAPLACE-Gleichung (2.2) in Kapitel 2.2.2) haben Anteil am Deformationswiderstand eines Tropfens in der Fluidströmung (vgl. Modellierung des Tropfendeformations-/Relaxationsverhalten in Kapitel 5.2). Mit der geringeren Grenzflächenspannung von P-Tropfen konnte ein geringerer Wert für τ, oberhalb dessen die Tropfenzerteilung initiiert wird, erwartet werden. Die im Vergleich zu L123-Tropfen ebenfalls leichter zerteilenden DRIVANIL-Tropfen weisen in Silikonöl eine grössere Grenzflächenspannung (vgl. Tabelle 5.3) als P-Tropfen und L123-Tropfen auf. Wie das Experiment zeigt, sind DRIVANILTropfen "genauso leicht" zerteilbar wie P-Tropfen. Dies ist ein experimenteller Hinweis darauf, dass die Grenzflächenspannung nicht der einzige Grenzflächenparameter ist, welcher das Tropfendeformationsverhalten beeinflusst. 32
Die Form der deformierten Tropfen ist nicht ellipsoidal, sondern "langgestreckt". In Kapitel 5.1.1 wurde angeführt, dass das Abweichen von der Ellipsoidform als Indikator für die Initiierung von Zerteilungsvorgängen bewertet wird.
1 Einführung
- 87 -
1.24 1.22
τ ≈ 3 Pa
1.20
τ ≈ 11 Pa
1.18
(A/A0)stat
1.16
τ ≈ 14 Pa
1.14 1.12
τ ≈ 20 Pa
1.10
τ ≈ 25 Pa
1.08 1.06 1.04 1.02 1.00
0
10
20
30
40
σ / 10-3 N/m
Abb. 5.7:
Stationäre Deformation von Tropfen (x ≈ 500 µm) in Silikonöl (ηk ≈ 10.5 Pas) als Funktion der Grenzflächenspannung
Tab. 5.3:
Stationäre Grenzflächenspannung Tropfenfluid
DRIVANIL-Lösung (ηd = 1 Pas) 5 %ige wässrige L123-Lösung 5 %ige wässrige P-Lösung
stationäre Grenzflächenspannung σstat / 10-3 N / m 6.5 4.5 3.4
1 Einführung
- 88 -
Deformationsversuche unter Variation der Viskosität des Strömungsfluids (ηk variabel, ηd ≈ 1.2 Pas, σ = 0.0065 N/m, x ≈ 180 µm)
(A/A0 )stat
1.14 1.13 1.12 1.11
η k = 105 Pas
1.10 1.09 1.08
η k = 10.3 Pas
(ηd/η k = 0.011)
(ηd/η k = 0.117)
1.07 1.06 1.05 1.04 1.03 1.02 1.01 1.00
0
20
40
60
80
τ / Pa
Abb. 5.8:
Stationäre Deformation (A/A0)stat von Tropfen (ηd = 1.2 Pas, x ≈ 180 µm) in verschiedenen Silikonölen (σ = konstant)
In Abbildung 5.8 sind die stationären Deformationen disperser Tropfen ( ηd = 1.2 Pas, x ≈ 180 µm) in zwei verschieden viskosen Silikonölen ( ηk = 105 Pas sowie ηk = 10.3 Pas) als Funktion der Scherbeanspruchungsschubspannung dargestellt. Die Grenzflächenspannungen beider Stoffsysteme sind identisch. Abbildung 5.8 zeigt deutlich, dass Tropfen in höher viskoser Silikonölumgebung zur Erzielung gleicher Deformationen höhere Schubspannungen aufgeprägt werden müssen. Zur zusätzlichen Bestätigung dieses experimentell ermittelten Zusammenhanges ist in Abbildung 5.9 das Ergebnis vergleichbarer Versuche aus der Kegel/Platte-Scherzelle (mit "dynamischer Fixierung", vgl. Kapitel 4.2.1) dargestellt. Da in der Kegel/Platte-Scherzelle die Wahrscheinlichkeit von Wandeinflüssen auf das Deformationsverhalten verstärkt gegeben war (vgl. Kapitel 5.1.1), werden nachfolgend nur die in der Bandscherapparatur erhaltenen Ergebnisse im Detail diskutiert.
1 Einführung
- 89 -
1.50
η k = 550Pas (ηd/η k = 0.002) 1.40
η k = 120Pas (ηd/η k = 0.008) ηk = 70Pas (η d/ηk = 0.014)
(A/A0 )stat
1.30
1.20
1.10
1.00
0
100
200
300
400
500
τ /Pa
Abb. 5.9:
Versuchsergebnisse aus der Kegel/Platte-Scherzelle) mit "dynamischer Fixierung"): Stationäre Deformation (A/A 0 )stat von Wassertropfen (x ≈ 260 µm) in verschiedenen Silikonölen
Die stärkere Deformation von Tropfen mit η d = konstant und verminderter Viskosität der kontinuierlichen Phase (ηk) bei gleichen makroskopischen Schubspannungen τ kann unter Betrachtung der "Spannungsverhältnisse" an der Tropfengrenzfläche erklärt werden. Eine derartige Betrachtung wird nachfolgend für zwei ausgewählte Punkte der Tropfengrenzfläche vorgenommen. Ausgewählt wurden die beiden Punkte der Tropfengrenzfläche, in welchen bei der Deformation die grösste und die kleinste Grenzflächenkrümmung besteht. Diese Punkte sind die "Tropfenenden" und die "Tropfenmitte". In Abbildung 5.10 sind diese Punkte schematisch dargestellt. Zusätzlich zeigt Abbildung 5.10 das Kräfte- bzw. Spannungsgleichgewicht in diesen Punkten. In Abbildung 5.10 sind Normalspannungen mit "N" und Schubspannungen mit "τ" bezeichnet (∆pk = Kapillardruck). Der Index "i" steht für innen, der Index "a" für aussen. Die mit einem Strich versehenen Spannungssymbole bezeichnen Spannungen an den "Tropfenenden". Spannungen an der "Tropfenmitte" sind mit einem Doppelstrich gekennzeichnet (vgl. Abbildung 5.10).
1 Einführung
- 90 "Tropfenmitte"
"Tropfenende"
τi' − ∆p ' + N ' k i
Na' τa'
− ∆pk'' + Ni'' τi''
y
z Abb. 5.10:
τa'' Na''
x
Lokale Kräftegleichgewichte in ausgezeichneten Punkten in der Schnittebene z =0 der Grenzfläche eines stationär in der Scherströmung deformierten Tropfens ("Tropfenmitte", "Tropfenende")
Die in Abbildung 5.10 eingetragenen Schubspannungsgrössen resultieren aus der Umströmung des Tropfens. Über den "Querschnitt" der Tropfengrenzfläche wird lokale Schubspannungskontinuität angenommen (vgl. Gleichung (5.3)). τi ( x, y,z ) = τa ( x, y,z )
(5.3)
Neben Schubspannungen resultieren aus der Umströmung des Tropfens an der Tropfengrenzfläche auch Normalspannungen. Einen zusätzlichen "Normalspannungsbeitrag" leistet im Tropfeninneren der Kapillardruck ∆pk . ∆pk resultiert aus der Grenzflächenspannung und ist damit sowohl im ruhenden (kugelförmigen) als auch im deformierten (umströmten, ellipsoidal geformten) Tropfen "vorhanden". Im Fall des ruhenden Tropfen entspricht der Betrag der "inneren Normalspannung" dem Kapillardruck des kugelförmigen Tropfens (vgl. Gleichung (5.4)). Ni = ∆pk0
(5.4)
Zur Quantifizierung der lokalen "Spannungsverhältnisse" an der Tropfengrenzfläche (in der "Tropfenmitte" und an den "Tropfenenden", vgl. Abbildung 5.10) werden die Normalspannungen N und die Schubspannungen τ aus der Umströmung des Tropfens nach einer Methode von NIRSCHL [23] numerisch berechnet. Für seine Rechnung modelliert NIRSCHL das umströmte Ellipsoid als einen (ellipsoidalen) Körper mit starrer Grenzfläche, welcher mit dispersem Fluid "gefüllt" ist (Der Einbezug der Deformierbarkeit der Grenzfläche in die
1 Einführung
- 91 -
numerische Berechnungsmethode ist in der Entwicklung.). Die Abbildungen 5.11 und 5.12 zeigen für das Scherdeformationsexperiment, für welches Abbildung 5.3 das Geschwindigkeitsfeld darstellt, beispielhaft die Normalspannungsverteilung innerhalb (Abb. 5.11) sowie ausserhalb (Abb. 5.12) eines deformierten Tropfens (numerische Ergebnisse nach NIRSCHL [43]). Tabelle 5.4 gibt einen Überblick über die Stoffsystem- und Strömungsparameter, welche bei der benutzten numerischen Methode berücksichtigt werden [23]. Tab. 5.4:
Strömungskonditionen und Stoffsystemparameter zur Berechnung des Geschwindigkeitsfeldes in Abbildung 5.3 und des Druckfeldes in den Abbildungen 5.11 (innen) und 5.12 (aussen) [43]
REYNOLDS-ZAHL der Umströmung (kontinuierliches Fluid, vgl. Gleichung (5.5)) REYNOLDS-ZAHL der inneren Strömung (disperses Fluid, vgl. Gleichung (5.6)) Viskositätsverhältnis Dichte der kontinuierlichen Phase Dichte der dispersen Phase Anstellung des Ellipsoids in der Scherströmung Länge des Ellipsoids Breite des Ellipsoids in der x,y-Ebene (z=0) Breite des Ellipsoids in der y,z-Ebene (x=0) Durchmesser des undeformierten Tropfens makroskopische Schubspannung
Rek = 2.1·10-6 Red = 0.183·10-6 ηd /ηk = 0.117 (ηd = 1.2 Pas, ηk = 10.3 Pas) ρk = 970 kg/m3 ρd = 984 kg/m3 α = 47°
L = 189 µm B = 156 µm C = 179 µm x = 174 µm τ
= 7.6 Pa
τ ⋅ x2 ⋅ ρk ηk 2
(5.5)
τ ⋅ x 2 ⋅ ρd Red = ηk ⋅ ηd
(5.6)
Rek =
1 Einführung
α
- 92 -
L
τ i'
Isobaren
N i'
B N i''
τ i''
τ i''
τ i'
N i''
y
τ i'
N i' x
z
N i' = Normalspannungsmaximum, N i'' = Normalspannungsminimum, τ i' = Schubspannungsmaximum, τ i'' = Schubspannungsminimum
Abb. 5.11:
Isobaren der Normalspannungsverteilung an der inneren Oberfläche eines stationär umströmten Ellipsoids (Anströmwinkel α = 47°) (Blickwinkel aus der Ebene z = 0) nach [43] (vgl. Abb. 5.10 zur Bezeichnungsweise der Spannungen, Strömungskonditionen und Stoffsystemparameter sind in Tabelle 5.4 angegeben)
1 Einführung
α
- 93 -
L
B
N a' N a ''
N a '' N a ''
y
z
x
N a '' = Normalspannungsminimum, N a ' = Normalspannungsmaximum , Schubspannungsmaxima und -minima liegen wie in Abbildung 5.11 für "innen" angegeben ( τ i (x,y,z) = τ a (x,y,z)) Abb. 5.12:
Isobaren der Normalspannungsverteilung an der äusseren Oberfläche eines stationär umströmten Ellipsoids (Anströmwinkel α = 47°) (Blickwinkel: Ebene z = 0) nach [43] (vgl. Abb. 5.10 zur Bezeichnungsweise der Spannungen, Strömungskonditionen und Stoffsystemparameter sind in Tabelle 5.4 angegeben)
Die numerische Rechnung wurde einbezogen, um das in Abbildung 5.8 dargestellte Deformationsergebnis (stärkere Deformation von Tropfen mit ηd = konstant und verminderter Viskosität der kontinuierlichen Phase (ηk) bei gleichen makroskopischen Schubspannungen τ) unter Betrachtung lokaler "Spannungsverhältnisse" an der Tropfengrenzfläche zu erklären (vgl. Seite 86). Die numerischen Ergebnisse für Normal- und Schubspannung an den "Tropfenenden" und in der "Tropfenmitte" (Beschreibung in Abbildung 5.10) zeigen die Abbil-
1 Einführung
- 94 -
dungen 5.13 bis 5.15. Die Spannungswerte sind als Funktion von (A/A 0 )stat aufgetragen. Die Schubspannungen (vgl. Abbildung 5.15) wurden nur für ausgewählte Versuchsführungen berechnet. Für diese Versuchsführungen bzw. Tropfendeformationen (L, B, C) und Tropfenorientierungen (α) sind die Schubspannungen in der "Tropfenmitte" Null [43].
η k = 105 Pas (ηd/η k = 0.011) 300
η k = 10.3 Pas (ηd/η k = 0.117)
200
Normalspannung / Pa
∆ pk0 100
"innere Normalspannungen" an den "Tropfenenden" (Ni')
0 -100 -200 -300
"äussere Normalspannungen" an den "Tropfenenden" (Na')
-400 -500 1.00
1.05
1.10
1.15
(A/A0) stat
Abb. 5.13:
Lokale Normalspannung an den "Tropfenenden" (vgl. Abb. 5.10) für das in Abbildung 5.8 dargestellte Deformationsergebnis (Rechnung nach [43])
Wie Abbildung 5.13 zeigt, wirken an der Tropfengrenzfläche mit der stärksten Krümmung (an den "Tropfenenden") die "äusseren Normalspannungen" als Zugspannungen, die "inneren Normalspannungen" als Druckspannungen. Dabei werden für grössere stationäre Deformationen erwartungsgemäss betragsmässig grössere Normalspannungswerte (an den "Tropfenenden") berechnet. Für die (beim deformierten Tropfen) am stärksten gedehnte Stelle der Grenzfläche (geringste Krümmung, "Tropfenmitte") zeigt Abbildung 5.14, dass die "äusseren" und die "inneren" Normalspannungen als Druckspannungen auf die Grenzfläche wirken (positive Werte). Die "innere" Normalspannung ist in der "Tropfenmitte" mit dem Kapillardruck des kugelförmigen Tropfens (∆pk0 ) identisch. Im deformierten Tropfen ist der Kapillardruck in der "Tropfenmitte" jedoch nicht mit ∆pk0 identisch. Der Kapillardruck ist an der gekrümmten Grenzfläche
1 Einführung
- 95 -
eine Funktion der lokalen Hauptkrümmungsradien (Angabe/Diskussion lokaler Kapillardruckwerte auf Seite 96) Die "äusseren" Normalspannungen (in der "Tropfenmitte") nehmen mit zunehmender Deformation zu.
300
"innere Normalspannungen" in der "Tropfenmitte" (Ni'')
200
Normalspannung / Pa
∆ pk0 100 0
"äussere Normalspannungen" in der "Tropfenmitte" (Na'')
-100 -200 -300
ηk = 105 Pas (η d/ηk = 0.011) -400
η k = 10.3 Pas (ηd/η k = 0.117)
-500 1.00
1.05
1.10
1.15
(A/A0) stat
Abb. 5.14:
Lokale Normalspannung in der "Tropfenmitte" (vgl. Abb. 5.10) für das in Abbildung 5.8 dargestellte Deformationsergebnis (Rechnung nach [43])
Betragsmässig sind die Normalspannungen ("innere" und "äussere") in der "Tropfenmitte" geringer als an den "Tropfenenden". Die Abbildungen 5.13 und 5.14 zeigen deutlich, dass der Normalspannungsverlauf als Funktion der stationären Deformation vom Viskositätsverhältnis unabhängig ist. Abbildung 5.15 zeigt die lokale Schubspannung für die Punkte der stärksten Krümmung an der Grenzfläche des umströmten Tropfens ("Tropfenenden"). An den Punkten der Grenzfläche mit der geringsten Krümmung ("Tropfenmitte") ist die Schubspannung Null. Wie die in Abbildung 5.15 eingetragenen Schubspannungswerte für die "Tropfenenden" zeigen, ist die lokale Schubspannung von der Viskosität des Strömungsfluids abhängig. Für gleiche Tropfendeformation (A/A0)stat sind die Schubspannungswerte im höher viskosen Strömungsfluid (zunehmendes ηk) grösser (vgl. Abb. 5.15). Damit spiegeln die "Grenzflächenschubspannungswerte" die ηk-Abhängigkeit von Tropfendeformation und makroskopischer Schubspannung τ der Tropfenumströmung (für ηd = konstant) wieder, welche in Abbildung 5.8 aufgezeigt wurde.
1 Einführung
- 96 -
Die Berechnung von "Grenzflächennormalspannungen" und "Grenzflächenschubspannungen" aus der Umströmung des Tropfens an der Grenzfläche deformierter Tropfen wurde vorgenommen, um eine Erklärung für den in Abbildung 5.8 dargestellten experimentellen Befund aufzuzeigen33.
300
Schubspannung an den "Tropfenenden" (=τmax, Schubspannung in der "Tropfenmitte" = Null)
200
τi ' = τa' / Pa
100 0 -100 -200
η k = 105 Pas (ηd/η k = 0.011) -300
η k = 10.3 Pas (ηd/η k = 0.117)
-400
-500 1.00
1.05
1.10
1.15
(A/A0) stat
Abb. 5.15:
Lokale Schubspannung an den "Tropfenenden" (vgl. Abb. 5.10) für ausgewählte Versuchsführungen des in Abbildung 5.8 dargestellten Deformationsergebnisses (Rechnung nach [43])
Abbildung 5.16 zeigt für τ = 24 Pa deutlich, dass die von der Umströmung des Teilchens auf die Tropfengrenzfläche übertragenen Normalspannungen massgeblich verantwortlich für die stärkere Tropfendeformation im niedriger viskosen Strömungsfluid bei gleicher makroskopischer "Deformationsschubspannung" τ sind. Zur Vervollständigung der Betrachtungen lokaler Spannungsverhältnisse sind in Abbildung 5.17 die Kapillardruckwerte (an den "Tropfenenden" und in der "Tropfenmitte") eingetragen. Der Kapillardruck ∆pk wurde mit den lokalen Grenzflächenkrümmungen der Tropfen nach der LAPLACE-Gleichung (2.2) (vgl. Kapitel 2.2.2) berechnet (Bestimmung der Grenzflächenkrümmungen aus 33
Stärkere Deformation gleich grosser Tropfen bei gleicher makroskopischer Schubspannungsbeanspruchung (τ) im Strömungsfluid mit geringerer Viskosität (ηk)
1 Einführung
- 97 -
der experimentell ermittelten Tropfenform). Neben der Grenzflächenspannung gehen keine weiteren Stoffsystemparameter in die Berechnung von ∆ pk ein (Strömungsparameter nehmen auch keinen Einfluss).
Beanspruchungsschubspannung Beanspruchungsschubspannung (makroskopischeSchubspannung Schubspannungττ)) (makroskopische lokales Schubspannungsmaximum Schubspannungsmaximum ((τ lokales τi'i'==ττaa' )' ) lokale"äussere "äussereNormalspannung" Normalspannung"(N (Naa'),'), lokale Maximum Maximum lokale lokale "innere "innere Normalspannung" Normalspannung"(N (Ni'i), ' ), Maximum Maximum
200
(A/A0) stat = 1.043
(A/A0) stat = 1.018
Spannung / Pa
150
100
50
0
-50
10.3
Abb. 5.16:
η k / Pas
105
Lokale Normal- und Schubspannungen an den "Tropfenenden" (vgl. Abb. 5.10) für τ = 24 Pa ("Beanspruchungsschubspannung", vgl. schwarze Balken im Diagramm), ηd = konstant und ηk variabel (Teilergebnisse aus den Abbildungen 5.13 bis 5.15)
Wie Abbildung 5.17 zeigt, wächst der Kapillardruck an den "Tropfenenden" entsprechend der Zunahme der Grenzflächenkrümmung mit zunehmender Tropfendeformation (A/A 0 )stat. In der "Tropfenmitte" flacht der Tropfen im Vergleich zur Kugelform mit zunehmender Tropfendeformation ab. Folglich sinkt der Kapillardruck ∆pk'' mit steigender Deformation (A/A 0 )stat.
1 Einführung
- 98 -
ηk = 105 Pas (ηd/ηk = 0.011)
600
η k = 10.3 Pas, (ηd/η k = 0.117)
Normalspannung / Pa
500
Kapillardruck an den "Tropfenenden" (∆pk')
400
300
200
Kapillardruck in der "Tropfenmitte" (∆pk'')
∆pk0 100
0 1.00
1.05
1.10
1.15
(A/A0) stat
Abb. 5.17:
Lokaler Kapillardruck in der "Tropfenmitte" und an den "Tropfenenden" (aus der Tropfenform berechnet) für das in Abbildung 5.8 dargestellte Deformationsergebnis
Die Güte der Übereinstimmung zwischen Experiment und Strömungsrechnung (nach [43]) zeigen die Abbildungen 5.18 und 5.19 (für die beiden ausgewählten Punkte der Tropfengrenzfläche). In beiden Abbildungen ist auf der Ordinate das Ergebnis für die aus der Umströmung berechneten Normalspannungen dargestellt. Auf der Abszisse sind die aus der Tropfenform (Grenzflächenkrümmung) berechneten Kapillardruckwerte eingetragen. Die Wertepaare weichen in beiden Abbildungen (Abb. 5.18 und 5.19) von der Geraden mit der Steigung 1 leicht ab. Es zeigen sich systematische Abweichungen. An den "Tropfenenden" liefert die Umströmungsnumerik zu kleine, in der "Tropfenmitte" dagegen zu grosse Normalspannungswerte. Mögliche Gründe liegen in der Annahme einer "starren" (nicht deformierbaren) Grenzfläche für die Strömungsberechnung sowie in experimentellen Ungenauigkeiten bei der Deformationsdetektion.
1 Einführung
- 99 -
|N a'-N i ' | / Pa (Umströmungsnumerik)
700
ηk = 105 Pas (ηd/ηk = 0.011)
600
ηk = 10.3 Pas, (η d/ηk = 0.117)
500 400
|Na'-N i'| = |- ∆p k'|
300 200 100
0 0
200
400
|- ∆pk'| / Pa
Abb. 5.18:
600
(Grenzflächenkrümmung)
Vergleich von Numerik und Experiment an den "Tropfenenden" (Normalspannungen)
|N a''-N i'' / Pa (Umströmungsnumerik)
200 180
ηk = 105 Pas (ηd/ηk = 0.011)
160
ηk = 10.3 Pas, (η d/ηk = 0.117)
140 120 100 80 60
|N a''-N i''| =|- ∆pk''|
40 20 0 0
50
|- ∆pk''| / Pa
Abb. 5.19:
100
150
200
(Grenzflächenkrümmung)
Vergleich von Numerik und Experiment in der "Tropfenmitte" (Normalspannungen)
1 Einführung
- 100 -
Deformationsversuche unter Variation der Viskositäten beider Fluidphasen bei vergleichbarem Viskositätsverhältnis ηd/ηk sowie des Tropfendurchmessers (ηd, ηk und x variabel, ηd/ηk = konstant, σ ≈ 0.006 N/m, ) Ergebnisse stationärer Deformationsexperimente für zwei Stoffsysteme mit vergleichbarem Viskositätsverhältnis ηd/η k (ηd /ηk ≈0.1) jedoch unterschiedlichen Absolutviskositäten bei konstanter Grenzflächenspannung sind in Abbildung 5.20 dargestellt. Nach dem Literaturkenntnisstand sollten Stoffsysteme gleicher Viskositätsverhältnisse gleichartig deformieren. Es wurden Versuche mit drei verschiedenen Tropfendurchmessern durchgeführt. Der Einfluss des Tropfendurchmessers auf die stationäre Deformation ist eindeutig: Bei vergleichbarer Schubspannung deformiert ein kleiner Tropfen weniger stark als ein grosser Tropfen. Der Grund für den grösseren "Deformationswiderstand" kleinerer Tropfen ist die Abhängigkeit des Kapillardrucks vom reziproken Wert des Tropfendurchmessers. Bei den beiden untersuchten Stoffsystemen werden für Tropfen mit x ≈ 500 µm bei τ ≈ 3 Pa deutlich von 1 verschiedene Deformationen ermittelt. Die kleineren untersuchten Tropfen liegen bei dieser Beanspruchungsschubspannung praktisch kugelförmig (nicht deformiert) vor. Beim Tropfendurchmesser von x ≈ 100 µ m deformieren die Tropfen beider Stoffsysteme gleichartig. Für Tropfen mit x ≈ 300 µm jedoch zeigt sich bei τ > ~ 10 Pa ein steilerer Anstieg von (A/A0 )stat(τ) im Fall des Stoffsystems mit den höhe-ren Absolutviskositäten. Bei τ ≈ 25 Pa kann dort eine Zerteilung des Tropfens festgestellt werden (vgl. Kap. 5.1.4). Damit wird hier für Stoffsysteme gleichen Viskositätsverhältnisses η d /η k unterschiedliches Tropfendeformationsverhalten ermittelt. Die stärkere Deformation der höher viskosen Tropfen in der höher vis-kosen Silikonölumgebung kann möglicherweise mit der weniger stark ausge-prägten inneren Fluidströmung, welche in Bezug auf die Deformation der Trop-fen stabilisierend wirkt, erklärt werden. Bei identischer makroskopischer Schub-spannung τ ist die Schergeschwindigkeit und damit eine "charakteristische" Ge-schwindigkeit im Tropfeninneren entsprechend der betrachteten Fluidvis-kositäten ca. um den Faktor 2 verschieden anzunehmen (im Fall des niedriger viskosen Tropfenfluids grösser). Für die in Abbildung 5.20 dargestellten Ergebnisse zeigen die Abbildungen 5.21 und 5.22 für x ≈ 100 µ m und x ≈ 300 µ m den Vergleich der im Experiment erhaltenen Deformationsergebnisse mit Berechnungen nach der theoretischen Gleichung (3.17) von COX [4] (vgl. Kapitel 3.2.2).
(A/A0 )stat
1 Einführung
- 101 -
η d = 1 Pas; ηk = 10.63 Pas; x ≈ 100 µm
1.180 1.160 1.140 1.120 1.100 1.080 1.060 1.040 1.020 1.000
η d = 1 Pas; ηk = 10.63 Pas; x ≈ 300 µm η d = 1 Pas; ηk = 10.63 Pas; x ≈ 500 µm η d = 1.83 Pas; ηk = 18.43 Pas; x ≈ 100 µm η d = 1.83 Pas; ηk = 18.43 Pas; x ≈ 300 µm η d = 1.83 Pas; ηk = 18.43 Pas; x ≈ 500 µm
0
5
10
15
20
25
τ / Pa
Abb. 5.20:
Stationäre Deformation (A/A 0 )stat von DRIVANIL-Tropfen in Silikonöl mit variablem x, ηd und ηk und konstantem ηd/ηk und σ
0.60
offene Symbole: Experiment geschl. Symbole: Rechnung
0.50
x ≈ 100 µm
0.40
Dstat
x ≈ 300 µm 0.30 0.20 0.10 0.00 0
5
10
15
20
25
τ / Pa
Abb. 5.21:
Dstat für DRIVANIL-Tropfen (ηd = 1 Pas) in Silikonöl (η k ≈ 10.5 Pas) aus dem Experiment im Vergleich mit berechneten Werten (nach Gleichung (3.17) von COX [4] (vgl. Kapitel 3.2.2))
1 Einführung
- 102 -
0.60
offene Symbole: Experiment geschl. Symbole: Rechnung
0.50
x ≈ 100 µm
Dstat
0.40
x ≈ 300 µm
0.30 0.20 0.10 0.00 0
5
10
15
20
25
τ / Pa
Abb. 5.22:
Stationäre Deformation Dstat für DRIVANIL-Tropfen mit ηd = 1.83 Pas in Silikonöl mit η k ≈ 18.5 Pas aus dem Experiment im Vergleich mit berechneten Werten (nach Gleichung (3.17) von COX [4] (vgl. Kapitel 3.2.2))
Die Abbildungen 5.21 und 5.22 zeigen deutliche Abweichungen zwischen den experimentell ermittelten und den berechneten Deformationsergebnissen. Für DRIVANIL-Tropfen werden im Experiment geringere Deformationen gemessen, als nach der Theorie [4] berechnet wird. Damit ergibt sich für DRIVANIL-Tropfen im Vergleich "Theorie nach [4] <-> Experiment" gegensätzliches Verhalten zu Wasser- und Xanthantropfen (vgl. Abbildung 5.6).
5.1.3
Instationäres Deformations-/Relaxationsverhalten
In diesem Kapitel werden die zeitabhängigen Deformations- und Relaxationsverläufe aus "Einzeltropfenversuchen" dargestellt, deren stationäre Deformationszustände in Kapitel 5.1.2 diskutiert sind. Dabei wird hier beispielhaft Bezug auf Ergebnisse von Versuchen mit η k ≈ 10.5 Pas und x ≈ 500 µ m genommen. Die Abbildungen 5.23 bis 5.28 zeigen die Kurvenverläufe A/A 0 (t). Die Streuung der A/A0 -Werte (vgl. Abb. 5.23 bis 5.28) beruhen auf Unregelmässigkeiten in der Messung der Tropfengeometrie (L und B), welche in die Berechnung der Oberfläche A des deformierten Teilchens eingehen. Im Hinblick auf Tropfenzerteilung kritisches Deformationsverhalten (vgl. Kap. 5.1.1) ist Gegenstand eines separaten Kapitels (Kap. 5.1.4).
1 Einführung
- 103 -
1.05
11 Pa 1.04
14 Pa 1.03
A/A0
25 Pa 1.02 1.01
1.00 Deformation
0.01
0.10
1.00
Relaxation
10.00 0.01
1.00
10.00
t/s
t/s
Abb. 5.23:
0.10
Instationäre Deformation/Relaxation A/A0 (t) von Wassertropfen (x ≈ 500 µm) in Silikonöl (ηk ≈ 10.5 Pas)
1.04
14 Pa 1.03
25 Pa A/A0
1.02 1.01 1.01
Deformation 0.01
0.10
1.00 t/s
Abb. 5.24:
Relaxation 10.00 0.01
0.10
1.00
10.00
t/s
Instationäre Deformation/Relaxation A/A0 (t) von Tropfen 0.1%iger Xanthanlösung (x ≈ 500 µm) in Silikonöl (ηk ≈ 10.5 Pas)
1 Einführung
- 104 -
1.05
14 Pa
1.04
20 Pa 1.03
A/A0
25 Pa 1.02 1.01 1.00
Deformation 0.01
0.10
1.00
Relaxation 10.00 0.01
0.10
t/s
Abb. 5.25:
1.00
10.00
t/s
Instationäre Deformation/Relaxation A/A0 (t) von Tropfen 0.5%iger Xanthanlösung (x ≈ 500 µm) in Silikonöl (ηk ≈ 10.5 Pas)
1.03 3 Pa
A/A0
1.02
1.01
1.00 Deformation
0.01
0.10 t/s
Abb. 5.26:
1.00
Relaxation
10.00 0.01
0.10
1.00
10.00
t/s
Instationäre Deformation/Relaxation A/A0 (t) von DRIVANILTropfen (x ≈ 500 µm, ηd = 1 Pas) in Silikonöl (ηk ≈ 10.5 Pas)
A/A0
1 Einführung
- 105 -
1.26 1.24 1.22 1.20 1.18 1.16 1.14 1.12 1.10 1.08 1.06 1.04 1.02
3 Pa 11 Pa 14 Pa
Deformation
Relaxation
1.00 0.01
0.10
1.00
10.00 0.01
0.10
t/s
Abb. 5.27:
1.00
10.00
t/s
Instationäre Deformation/Relaxation A/A0(t) von Tropfen aus L123Emulgator-Lösung (x ≈ 500 µm) in Silikonöl (ηk ≈ 10.5 Pas)
1.05 1.04
4 Pa
A/A0
1.03 1.02 1.01 1.00 Deformation 0.01
0.10
t/s
Abb. 5.28:
1.00
Relaxation 10.00 0.01
0.10
1.00
10.00
t/s
Instationäre Deformation/Relaxation A/A 0 (t) von Tropfen aus PEmulgator-Lösung (x ≈ 500 µm) in Silikonöl (ηk ≈ 10.5 Pas)
1 Einführung
- 106 -
In den Abbildungen 5.23 bis 5.28 wurde die Zeitachse logarithmisch gewählt, um die Ergebnisse bei Deformations- und Relaxationsbeginn in höherer zeitlicher "Auflösung" darzustellen. A/A0(t) im Diagramm mit linearer Zeitachse zeigt Abbildung 5.29 (beispielhaft für Wassertropfen).
1.05 11 Pa
1.04
14 Pa
A / A0
1.03 25 Pa 1.02 1.01 1.00
Deformation 0.00
2.00
t/s
Abb. 5.29:
Relaxation 4.00
0.00
2.00
4.00
t/s
A/A0(t) für "Wassertropfen in Silikonöl" (x ≈ 500 µm, ηk ≈ 10.5 Pas; vgl. Abbildung 5.23)
Alle aufgezeichneten instationären Versuchsergebnisse zeigen beim Vergleich des Zeitverhaltens für Deformation und Relaxation der Tropfen, dass die Tropfendeformation langsamer erfolgt als die Tropfenrelaxation. Dieses Verhalten kann aufgrund der unterschiedlichen "Strömungskonditionen", welchen der Tropfen bei der Deformation und der Relaxation ausgesetzt ist, erklärt werden. Bei der stationären Scherung erfahren Tropfen und umgebendes Fluid eine mit der Zeit zunehmende Deformation. Gleichung (5.7) beschreibt die Abhängigkeit der Deformation der kontinuierlichen Phase γ k von der Deformationszeit t. ˙γ k bezeichnet die konstante Schergeschwindigkeit, welche der kontinuierlichen Phase im Deformationsversuch für t ≥ 0 aufgeprägt wird. Für im Hinblick auf eine Zerteilung "unkritische" Beanspruchungsschergeschwindigkeiten bzw. schubspannungen deformiert ein Tropfen, bis er eine stationäre ellipsoidale Form annimmt. Bei "genügend langer" Beanspruchung oberhalb kritischer Schergeschwindigkeits- bzw. Schubspannungswerte zerteilt ein Tropfen. Ein zusätzlich zur Schubspannung vorliegender Einfluss der Normalspannungen auf das Ausmass der Tropfendeformation konnte in Kapitel 5.1.2 gezeigt werden. Den Einfluss der Deformationszeit auf das "Zerkleinerungsereignis" zeigen
1 Einführung
- 107 -
die in Kapitel 5.1.4 beschriebenen experimentellen Resultate. γ k = γ«k0 ⋅ t;
Deformation:
γ«k0 = kons tan t
(5.7)
Bei der Relaxation gilt für trel ≥ 0 (t = Relaxationszeit): Relaxation:
γ k = kons tan t;
γ«k = 0
(5.8)
Der Tropfen "erlebt" folglich während der Relaxation keine Änderung der Deformation in seiner makroskopischen Umgebung. Der treibende "Mechanismus" der Tropfenrelaxation ist die Elastizität der Tropfengrenzfläche. Der Kapillardruck ist Bestandteil dieses elastischen "Rückdeformationsmechanismus". Abbildung 5.30 veranschaulicht das Deformationsverhalten der kontinuierlichen Phase, welches ein Tropfen bei der Deformations- und der Relaxationsversuchsführung in der Bandscherapparatur erfährt. γ k(t) ist in Abbildung 5.30 für einen exemplarisch ausgewählten Versuch an Wassertropfen aufgetragen. Neben γ k(t) zeigt Abbildung 5.30 das Versuchsergebnis für die instationäre Tropfendeformation. Die Tropfendeformation ist ein dreidimensionaler Vorgang und kann mit der rheologischen Grösse γ (Scherdeformation) nicht exakt beschrieben werden. Deshalb ist die zeitabhängige Tropfendeformation in Abbildung 5.30 mit dem Deformationsmass A/A0 (t) beschrieben. Für jedes einzelne Deformationsexperiment, dessen Ergebnis in den Abbildung 5.23 bis 5.28 dargestellt ist, wurde eine Deformations- und eine Relaxationszeit berechnet. Die Gleichungen (5.9) und (5.10) geben die Definitionen für die * und die Relaxationszeit t rel * wieder. Abbildung 5.31 stellt Deformationszeit tdef * , Abbildung 5.32 Relaxationszeiten trel * die berechneten Deformationszeiten tdef dar. A 1 A = t def = 1+ ⋅ − 1 e A 0 stat A0
(5.9)
A A 1 A * trel = trel = − ⋅ − 1 A 0 A 0 stat e A 0 stat
(5.10)
t*def
1 Einführung
- 108 -
14
1.016 1.014
12
A/A0 1.012
10
1.010
γk
1.008 1.006
γk
6
A/A0
8
1.004
4 1.002 2
1.000 Relaxation
Deformation
0 0.01
0.1
1 t/s
Abb. 5.30:
34
10
0.01
0.1
1
10
t/s
Deformation von kontinuierlicher Phase und Tropfen34 am Bsp. eines Wassertropfens (x ≈ 500 µm, τ = 11 Pa, ηk = 10.5 Pas)
geglätteter Kurvenverlauf A/A 0 (t)
1 Einführung
- 109 -
Wasser
0.7
* tdef /s
0.1%ige Xanthanlsg. 0.6
0.5%ige Xanthanlsg.
0.5
DRIVANIL 1 Pas L123-Lsg. P-Lsg.
0.4 0.3 0.2 0.1 0 0
5
10
15
20
25
τ / Pa
Abb. 5.31:
* (x ≈ 500 µm, ηk ≈ 10.5 Pas) Deformationszeiten tdef
0.7 Wasser
0.6
* trel /s
0.1%ige Xanthanlsg. 0.5
0.5%ige Xanthanlsg.
0.4
DRIVANIL 1 Pas L123-Lsg. P-Lsg.
0.3 0.2 0.1 0 0
5
10
15
20
τ / Pa
Abb. 5.32:
* (x ≈ 500 µm, ηk ≈ 10.5 Pas) Relaxationszeiten trel
25
1 Einführung
- 110 -
Die Relaxation der Tropfen vom Ellipsoid zur Kugel erfolgt teilweise so schnell, * teilweise keine Messergebnisse vorliegen. Zur Berechdass zum Zeitpunkt t rel * nung von trel wurde zwischen zwei Messpunkten A/A0(trel) linear interpoliert. Die Funktion A/A 0 (trel) folgt in guter Näherung einer Exponen-tialfunktion, womit die lineare Interpolation zwischen zwei Messpunkten nur Näherungscharakter besitzt. * * Wie die Darstellung von tdef und trel in den Abbildungen 5.31 und 5.32 für Tropfen unterschiedlichen Viskositäts- und Grenzflächenspannungsverhaltens * und trel * von diesen (σstat, (vgl. Kapitel 4.2.2 bzw.Kapitel 4.2.3) zeigt, sind tdef * σ (t), ηd ) Stoffsystemparametern abhängige Grössen. Zusätzlich sind tdef und * tr e l von der Schubspannung τ abhängig. Für grössere Schubspannungen τ defor-mieren Tropfen stärker und die nach den Gleichungen (5.9) und (5.10) * und trel * nehmen grössere Werte an. Für tdef * und trel * definier-ten Zeiten tdef gelten die in den Gleichungen (5.11) und (5.12) dargestellten funktionalen Abhängigkeiten, welche erst auf der Basis weiterer systematischer Untersuchungen quantifizier-bar sind.
t*def = f ( σ stat ,σ(t), ηd , τ ) für ηk = kons tan t
(5.11)
* trel = f ( σ stat ,σ(t), ηd , τ ) für ηk = kons tan t
(5.12)
Gegenstand der weiteren Betrachtungen zum instationären Deformationsverhalten ist der Vergleich experimentell erhaltener Ergebnisse mit Berechnungen nach COX [4] (Gleichung (A2.1) in Anhang 2). Die Abbildungen 5.33 und 5.35 zeigen Resultate für Versuche am Stoffsystem "Wassertropfen in Silikonöl" sowie eine Auswahl weiterer Experimente. In den Abbildungen 5.34 und 5.36 sind die Ergebnisse in der von COX [4] gewählten dimensionslosen Form D(γ k) dargestellt. Der kleinste Abszissenwert wurde zu γ k = 0.01 gewählt, da für γ k < 0.01 keine experimentellen Vergleichsergebnisse vorliegen.
1 Einführung
- 111 -
0.30
11 Pa 0.25
14 Pa
D
0.20
20 Pa 25 Pa
0.15
0.10 0.05 0.00 0.01
0.10
1.00
10.00
γk
Abb. 5.33:
Zeitabhängige Deformation D(γ k) der Versuche an Wassertropfen (x ≈ 500 µm) in Silikonöl (ηk ≈ 10.5 Pas) aus dem Experiment
0.30 11 Pa 0.25 14 Pa
D
0.20
20 Pa
0.15
25 Pa
0.10 0.05 0.00 0.01
0.1
1
10
γk
Abb. 5.34:
Zeitabhängige Deformation D( γ k) für Wassertropfen (x ≈ 500 µ m) in Silikonöl ( ηk ≈ 10.5 Pas) berechnet nach [4] (Gleichung (A2.1) in Anhang 2)
1 Einführung
- 112 -
0.1%ige Xanthanlsg., τ = 25 Pa
0.60
0.5%ige Xanthanlsg., τ = 25 Pa
DRIVANIL-Lsg., τ = 3 Pa
0.50
L123-Lsg., τ = 3 Pa
D
0.40
L123-Lsg., τ = 11 Pa
0.30 0.20 0.10 0.00 0.01
0.1
1
10
γk
Abb. 5.35:
D(γ k) aus dem Experiment für verschiedene Versuche in Silikonöl (ηk ≈ 10.5 Pas, x ≈ 500 µm)
0.60 0.50
D
0.40 0.30 0.20 0.10 0.00 0.01
0.1
1.0
10.0
γk
Abb. 5.36:
Nach [4] (Gleichung (A2.1) in Anhang 2) berechnete instationäre Deformationen D(γ k) für die in Abbildung 5.35 dargestellten experimentellen Ergebnisse (Legende: vgl. Abbildung 5.35)
1 Einführung
- 113 -
Die Abbildungen 5.34 und 5.36 für die berechneten D(γ k)-Verläufe lassen teilweise keinen instationären Bereich der Tropfendeformation erkennen. In solchen Fällen hat sich auf der gewählten γ k-Skala (γ k > 0.01) nach der "Deformationstheorie" von COX [4] bereits die stationäre Deformation Dstat eingestellt. Nur für die beiden Versuche mit den Tropfenfluiden 0.5%ige Xanthanlösung und DRIVANIL-Lösung wird auf für γ k > 0.01 ein instationärer Deformationsbereich berechnet (vgl. Abbildung 5.36). Diese beiden Tropfenfluide weisen "ausreichend" hohe Viskositäten ηd auf, um der "Stoffsystembedingung" ηd /ηk ≈ 1, für welche COX [4] die Deformationsgleichung (A2.1) (vgl. Anhang 2) abgeleitet hat, näherungsweise zu genügen. DRIVANIL-Lösung und 0.5%ige Xanthanlösung weisen in Silikonöl mit ηk ≈ 10.5 Pas ein Viskositätsverhältnis von ηd/η k ≈ 10 -1 auf (Die Strukturviskosität der Xanthanlösung wurde berücksichtigt.). Die weiteren hier einbezogenen Stoffsysteme besitzen ein Viskositätsverhältnis von ηd /ηk ≈ 10 -2. Die durchgeführten Experimente und Berechnungen zeigen eindeutig, dass für Stoffsysteme mit η d /η k < 1 das instationäre Deformationsverhalten mit den verfügbaren Berechnungsansätzen nicht beschrieben werden kann. Wie in Kapitel 5.1.2 gezeigt wurde, ist häufig bereits die Vorhersage stationärer Deformationszustände auf theoretischer Basis nur ungenügend möglich. In einem abschliessenden Abschnitt dieses Kapitels werden Zusammenhänge zwischen den durchgeführten Untersuchungen zum Deformationsverhalten eines Einzeltropfens in der Scherströmung und dem Fliess- und Strukturverhalten von Emulsionen (= Vieltropfensystem) (in der laminaren Scherströmung) aufgezeigt. Das Viskositätsverhalten einer Emulsion, welches schematisch in Kapitel 2.5.1 dargestellt wurde, wird von der Deformation jeden einzelnen Emulsionstropfens und der Deformation des zwischen den Tropfen befindlichen Fluids (kontinuierliche Phase) bestimmt. Die einzelnen Tropfen werden deformiert und in der Scherströmung orientiert. Zur Orientierung der deformierten Tropfen in der Scherströmung realer Emulsionssysteme wird für die nachfolgende Betrachtung angenommen, dass die deformierten Einzeltropfen (Ellipsoide) im Emulsionssystem näherungsweise parallel zu den Stromlinien (Geschwindigkeitsfeld) ausgerichtet sind (α = 90°; vgl. Abb. 5.2. in Kapitel 5.1.1). Ein näherungsweise parallel zum Geschwindigkeitsfeld einer stationären Scherströmung orientierter, deformierter Emulsionstropfen weist eine geringere "Anströmfläche" als ein volumengleicher, kugelförmiger Tropfen auf. Der Anströmwiderstand von Partikeln wird allgemein mit dem cW-Wert beschrieben. Für die schleichende Umströmung eines kugelförmigen Teilchens mit dem Durchmesser x gilt für den cW -Wert die STOKES-Gleichung (vgl. Gleichung (5.13)) [44]. cW =
24 Re
(5.13)
Für die Angabe des cW-Wertes für eine nicht kreisförmige Anströmfläche kann dies durch Einführung eines Formfaktors in Gleichung (5.13) berücksichtigt werden. Es resultiert Gleichung (5.14). x ist der Durchmesser des undeformier-
1 Einführung
- 114 -
ten Teilchens. x ist der Durchmesser einer Kugel, deren Anströmfläche der elliptischen Anströmfläche des 3-dimensional deformierten Tropfens entspricht. Als Bedingung zur Berechnung von xAV wird Volumenkonstanz angenommen. Damit kann xAV nach Gleichung (5.15) berechnet werden (B und C sind die Achslängen der angeströmten elliptischen Fläche). Für ein nicht deformiertes Teilchen resultiert xAV = x. cW =
x AV =
24 x2 ⋅ Re x2AV
3 V 3 4 ⋅ π ⋅ x3 x3 ⋅ = ⋅ = 2 A Anström 2 6 ⋅ π ⋅B ⋅ C B ⋅ C
(5.14)
(5.15)
Verknüpfung von Gleichung (5.14) und (5.15) liefert Gleichung (5.16). 24 B2 ⋅ C2 cW = ⋅ Re x4
(5.16)
Mit der Definition für Rek nach Gleichung (5.5) (vgl. Seite 89) resultiert für den cW-Wert des deformierten Tropfens Gleichung (5.17). cW =
24 ⋅ ηk2 B2 ⋅ C2 ⋅ τ ⋅ ρk x6
(5.17)
Den nach Gleichung (5.17) definierten cW-Wert zeigt Abbildung 5.37 als Funktion der Deformation A/A0 für die an Wassertropfen durchgeführten Experimente. In Abbildung 5.38 sind die cW-Werte für den stationären Deformationszustand als Funktion der Schergeschwindigkeit γ˙ k dargestellt. Die in der Bandscherapparatur untersuchten Schergeschwindigkeiten sind relativ klein. Sie liegen jedoch je nach Schubspannung in dem Bereich, in dem das Fliessverhalten von Emulsionen häufig strukturviskos ist. In Folge der grösseren Deformation der Tropfen bei grösseren Schergeschwindigkeiten nimmt der c W -Wert bei steigendem γ˙ ab. Der Abfall verläuft im untersuchten Schubspannungsbereich exponentiell (linear bei halblogarithmischer Darstellung in Abbildung 5.38). Für grosse Schergeschwindigkeiten nähert sich cW asymptotisch einem oberen Grenzwert c W∞ . (Der Index "∞" wurde in Anlehnung an die obere NEWTONsche Grenzviskosität, welche für hohe Schergeschwindigkeiten beim Fliessverhalten von Emulsionen detektierbar ist (vgl. Kapitel 2.5.1), eingeführt.)
1 Einführung
- 115 -
1.00E+10
11 Pa 14 Pa
cW
20 Pa 25 Pa
1.00E+09 1.00
1.01
1.02
1.03
1.04
1.05
A/A0(t)
Abb. 5.37:
cW(A/A0(t)) für Wassertropfen (x ≈ 500 µm) in Silikonöl ( ηk ≈ 10.5 Pas) - Anfahrverhalten (Deformation)
In Kenntnis der funktionalen Abhängigkeit cW(γ˙k , x) für Tropfen eines Emulsionssystems ist das Viskositätsverhalten der Emulsion unter der Voraussetzung modellierbar, dass interpartikuläre Wechselwirkungen das Fliessverhalten nicht beeinflussen und die Teilchen parallel zum Geschwindigkeitsfeld orientiert sind. Zur Berechnung von cW(γ˙k ) der Emulsion ist für jede Schergeschwindigkeit c W(x) über alle Tropfengrössen zu integrieren. Zur Durchführung einer derartigen Modellrechnung liegen beim derzeitigen experimentellen Untersuchungsstand zu wenig Ergebnisse vor. In Kapitel 5.1.2 wurde die Beeinflussung der Tropfendeformation durch, von der Umströmung des Tropfens auf die Grenzfläche übertragene, Normalspannungen diskutiert. In diesem Abschnitt wird nun untersucht, ob der c W-Wert Aufschluss über den Einfluss des "Normalspannungseffektes" geben kann. Abbildung 5.39 zeigt cWstat für die in Kapitel 5.1.2 in diesem Zusammenhang diskutierten Ergebnisse als Funktion vonτ . Der Einfluss des "Normalspannungseffektes" wird mit kleiner werdenden Schergeschwindig-keiten γ˙ k geringer. Damit sollten sich die Kurven cWstat bei kleinen Schubspannungen τ unabhängig von ηk annähern. Abbildung 5.39 zeigt näherungsweise ein solches Verhalten von cWstat (τ). Der vermutete Zusammenhang besteht qualitativ tendenziell, bedarf vor einer weiteren Diskussion jedoch experimenteller Absicherung.
1 Einführung
- 116 -
c Wstat
1.00E+10
1.00E+09 0
0.5
1
1.5
2
2.5
−1 γ˙ k / s
Abb. 5.38:
Stationärer cW-Wert cWstat (γ˙ k) für Wassertropfen (x ≈ 500 µm) in Silikonöl (ηk ≈ 10.5 Pas)
1.00E+11
ηk = 105 Pas
cWstat
ηk = 10.3 Pas 1.00E+10
1.00E+09 0
20
40
60
80
τ / Pa
Abb. 5.39:
cW(τ) für DRIVANIL-Tropfen ( ηd = 1.2 Pas, x ≈ 180 µm) bei Beanspruchung in unterschiedlich viskosen Silikonölen (σ = konstant)
1 Einführung 5.1.4
- 117 Nicht-ellipsoidale Tropfendeformation und Tropfenzerteilung
Nachfolgend werden aus Experimenten in der Bandscherapparatur erhaltene Ergebnisse zur Tropfenzerteilung und zum Phänomen der "nicht-ellipsoidalen Tropfendeformation" dargestellt. In den Kapiteln 5.1.2 und 5.1.3 wurden nur solche Versuchsergebnisse diskutiert, bei denen die deformierten Tropfen in guter Näherung ellipsoidale Form besassen. Wich der Tropfen von der ellipsoiden Form ab, wurde im allgemeinen ein "schlankerer" Körper beobachtet. Eine derartige "Deformationsform" gehört in Anlehnung an die in der Literatur [24, 30] übliche Einteilung von Deformations- bzw. Zerteilungsmechanismen in "Klasse A" (vgl. Kap. 3.2.4). Im Experiment beobachtet wurde "Klasse A-Verhalten" für Stoffsysteme mit emulgatorhaltigen dispersen Fluiden. Ausser "Klasse A-" konnte im Experiment ebenfalls "Klasse B-Verhalten" (B1 und B2) beobachtet werden. "Klasse B-Verhalten" zeigen zum Bsp. Stoffsysteme mit DRIVANIL-Lösungen als Tropfenfluid. Tabelle 5.5 gibt einen Überblick zu den experimentell beobachteten Zerteilungsmechanismen der untersuchten Stoffsysteme. Im Anschluss daran werden, geordnet nach Deformations- bzw. Zerteilungsmechanismus, die experimentellen Beobachtungen näher beschrieben. Tab. 5.5:
Zerteilungsmechanismen disperse Phase
5%ige wässrige L123-Lösung 5%ige wässrige P-Lösung DRIVANIL-Lösung, ηd = 1 Pas DRIVANIL-Lösung, ηd = 1.83 Pas DRIVANIL-Lösung, ηd = 1 Pas
kontinuierliche Phase "AK 10.500" "AK 10.500" "AK 10.500" "AK 18.500" AK 100.000
Zerteilungsmechanismus Klasse A Klasse A Klasse B1 Klasse B1 Klasse B2
Klasse A-Deformationsverhalten In den Abbildungen 5.40 und 5.41 sind stationäre Deformationszustände von emulgatorhaltigen Tropfen (Emulgator L123) in Silikonöl dargestellt. Während der in Abbildung 5.40 dargestellte Deformationzustand ellipsoidal ist, weicht die in Abbildung 5.41 dargestellte Form (bei höherer Schubspannung) deutlich in Richtung "schlank sigmoidaler" Körperform ab. Die Krümmung der beiden äusseren Tropfenenden ist konvex. Für dieses Stoffsystem erfolgte der "Umschlag" von ellipsoidaler zu sigmoidaler Deformation im Schubspannungsbereich zwischen τ = 14 Pa und τ = 20 Pa. Für das zweite untersuchte emulgatorhaltige Stoffsystem (Emulgator P) fand dieser Übergang im Bereich von 3 Pa > 20 Pa bzw. τ ~ > 11 Pa ≤ τ ≤ 11 Pa statt. Die Deformationsversuche bei τ ~ (Emulgator L123 bzw. Emulgator P) zeigten ein Abtrennen kleinster Tropfen an den Tropfenenden. Nach dem Abtrennen von je einem kleinen Tropfen mit einem Durchmesser von < ~ 10 µm blieben die "Resttropfen" sigmoidal geformt. Bei der Relaxation, dass heisst der Rückdeformation des Tropfens, wurde keine weitere Zerkleinerung beobachtet.
1 Einführung
- 118 -
Innerhalb der L123-Tropfen konnten im Experiment Strömungsvorgänge (in der Literatur als innere Zirkulationsströmung bezeichnet) beobachtet werden. Der flüssige Emulgator L123 ist stark hydrophob und bildet daher in Wasser kleinste Tropfen. Die "inneren" Tropfen bewegen sich auf Bahnen parallel zur äusseren Kontur des "grossen" stationär deformierten oder instationär deformierenden Tropfens. Im Moment des Schubspannungs- bzw. Schergeschwindigkeitssprung auf Null stoppt die innere Strömung. Digitalisierte Bilder zur inneren Fluidzirkulation können die Bewegung der kleinen Tröpfchen nur unzureichend wiedergeben (ungeeignete Optik: Die Optik wurde für die Beobachtung des Gesamttropfens optimiert.). Im Originalvideo ist die Bewegung eindeutig detektierbar. Die sigmoidale Form der Tropfendeformation bzw. das Deformationsverhalten nach Klasse A sowie die Form der inneren Zirkulationsströmung entspricht in Bezug auf das Literaturwissen den Erwartungen. Das Viskositätsverhältnis ηd/ηk liegt in der Grössenordnung von 10-3 für das L123-haltige Tropfenfluid (schergeschwindigkeitsabhängig, da die L123-Lösung strukturviskoses Fliessverhalten zeigt) bzw. bei 10-4 für die P-Tropfen und damit im Bereich, in welchem "Klasse A-Deformationsverhalten" erwartet werden kann (vgl. Abbildung 3.6 in Kapitel 3.2.4). In der Literatur (RUMSCHEIDT/MASON sowie KARAM/BELLINGER [24, 30]) werden für "Klasse A-Deformationsverhalten" We kr-Zahlen im Bereich von 0.2 bis 0.5 dokumentiert (vgl. Abbildung 3.9 in Kapitel 3.2.4). Für L123- und PTropfen wurden die in Tabelle 5.6 aufgeführten We kr-Zahlen ermittelt. Im Vergleich zu den Experimenten von RUMSCHEIDT/MASON [24] und KARAM/BELLINGER [30] wurde in der Bandscherapparatur für L123-Tropfen eine grössere Wekr-Zahl bestimmt, als RUMSCHEIDT/MASON [24] und KARAM/BELLINGER [30] für "Klasse A-Deformationsverhalten" bestimmten. Die für P-Tropfen ermittelte Wekr-Zahl liegt im Wertebereich (0.2 bis 0.5) der Literaturergebnisse [24, 30] für Wekr. Tab. 5.6:
Wekr-Zahlen Tropfenfluid L123-Lösung P-Lösung
Wekr aus dem Zerteilungsexperiment 0.56 0.39
Neben kritischen Beanspruchungen bzgl. Tropfenzerkleinerung wurde das Deformationsausmass der Tropfen einer näheren Betrachtung unterzogen. Dabei wurden zur Quantifizierung des Deformationszustandes das in der Literatur [1, 2, 4, 24, 25, 26, 28, 29, 30] übliche Deformationsmass D (vgl. Gleichung (3.1) in Kapitel 3.1) gewählt. Die dimensionslose Oberflächenvergrösserung A/A0 kann aufgrund der komplexen Form bei nicht-ellipsoidal deformierenden Tropfen aus der zweidimensionalen Abbildung nicht berechnet werden. In die Berechnung von D geht die Tropfenlänge L und die Tropfen-breite B ein. L wurde als längste Ausdehnung des Tropfens zwischen den äusseren Enden bestimmt. Abbildung 5.42 zeigt D im stationären Deforma-tionszustand für L123- und P-Tropfen. Nach Vorhersagen von TAYLOR [2] sollte D(τ) entgegen
1 Einführung
- 119 -
der hier experimentell ermittelten Abhängigkeit linear sein. Derartige Abweichungen wurden bereits zum Teil auch von anderen Experimentatoren (TAYLOR [2], RUMSCHEIDT/MASON [24], KARAM/BELLINGER [30] beobachtet (vgl. Kap. 3).
y
x
z
500 µm Stationäre Deformation eines L123-Tropfen (x ≈ 500 µm) in Silikonöl (ηk = 10.57 Pas) bei τ = 14 Pa
Abb. 5.40:
y
z
Abb. 5.41:
x
500 µm
Stationäre Deformation eines L123-Tropfen (x ≈ 500 µm) in Sili-
1 Einführung
- 120 konöl (ηk = 10.57 Pas) bei τ = 20 Pa
1.0 0.9
L123 - Tropfen
0.8
P-Tropfen
0.7
D stat
0.6 0.5 0.4 0.3 0.2 0.1 0.0 0
5
10
15
20
25
τ / Pa
Abb. 5.42:
Deformationsmass D für die Experimente mit P- und L123Tropfen Klasse B1-Deformationsverhalten
Für einen Tropfendurchmesser von x = 475 µm zerteilt ein DRIVANIL-Tropfen (ηd = 1 Pas) in Silikonöl (η k = 10.63 Pas) genau bei τ = 12 Pa. Abbildung 5.43 zeigt eine Auswahl an Bildern vom Zerteilungsprozess. Als t = 0 wurde hier der Zeitpunkt gewählt, bei welchem der dargestellte Tropfen bereits deformiert ist. Die Zeitangaben sollen die Zeitskala des Tropfenaufbruchs verdeutlichen. Nach der Tropfenzerteilung liegen im gewählten Beispiel (Abbildung 5.43) 5 Tropfen vor, deren (bildanalytisch bestimmte) Durchmesser in Tabelle 5.7 angegeben sind. Der für dieses Stoffsystem beobachtete Zerteilungsmechanismus sowie das "Resultat" der Zerteilung, 2 gleich grosse "Tochtertropfen" und 3 "Satellitentropfen", konnte anhand der in Kapitel 3 zitierten Arbeit von [29] erwartet werden. Tab. 5.7:
Tropfendurchmesser nach Zerteilung (Bezugnahme: Abb. 5.43) Bruchstück "Satellitentropfen" "Tochtertropfen"
1 2 3 4 5
x / µm 28 36 90 375 375
1 Einführung
- 121 -
y
x
z
t = 6.66 s
t=0s
t = 23.26 s
t = 33.90 s
t = 37.86 s
t = 38.50 s
t = 38.58 s 4
t = 40.86 s 5
1 3 2 t -> ∞ Abb. 5.43:
500 µm
Zerteilung eines DRIVANIL-Tropfens ( ηd = 1 Pas) in Silikonöl (ηk = 10.63 Pas) bei τ = 12 Pa in stationärer Scherströmung (x = 475 µm)
Tabelle 5.8 zeigt den für DRIVANIL-Tropfen in der Bandscherapparatur ermittelten Wekr-Wert. Zum Vergleich ist der von [24] experimentell ermittelte WekrWert für ein Stoffsystem, welches dasselbe Viskositätsverhältnis wie das hier betrachtete Stoffsystem (ηd/ηk = 0.095) aufweist, eingetragen. Die beiden experimentellen Werte sind übereinstimmend. Mit der von TAYLOR [2] abgeleiteten "Deformationsgleichung" (vgl. Gleichung (3.25) in Kapitel 3.1) wird annähernd derselbe Wert berechnet (vgl. Tabelle 5.8). Bei "Klasse B1-Deformationsverhalten" ist es schwierig, Angaben über Tropfenlängen oder Deformationsausmasse zu treffen, welche bzgl. einer anschliessenden Zerteilung kritisch sind. Das verfügbare Bildmaterial lässt die folgenden Aussagen in Bezug auf das hier diskutierte Stoffsystem (vgl. Legende zu Abb. 5.43) zu: Bei einer Beanspruchungsschubspannung von τ = 11 Pa konnte beobachtet werden, dass der Tropfen keinen stationären Deformationszustand erreichte. Aus einer anfänglich ellipsoidalen Deformation bildete sich (wie bei τ = 12 Pa) ein durch "ballonartig ausgebildete Enden" gekennzeichneter, langge-
1 Einführung
- 122 -
streckter Tropfen zunehmender Länge mit zunehmender Beanspruchungsdauer aus. Aus dieser Form relaxierte der Tropfen zur Kugelform ohne zu Zerteilen. Abbildung 5.44 zeigt diesen Vorgang in Bildern. Das Deformationsmass D als Funktion der Zeit D ist in Abbildung 5.45 dargestellt. Tab. 5.8:
Wekr-Zahlen für die Zerteilung von DRIVANIL-Tropfen
ηd /ηk
theoretischer Wert nach Gleichung (3.25) von [2]
experimenteller Wert von [24]
0.095
0.25
0.22
experimenteller Wert aus dem Zerteilungsexperiment in der Bandscherapparatur 0.23
Der Relaxationsvorgang setzte zwischen t = 19.00 s und t = 19.28 s ein. Für t ≥ 1.08 s wich die Form des Tropfens von der eines Ellipsoids ab. Bei längerer Beanspruchungsdauer wäre der Tropfen zerteilt, wie Abbildung 5.46 anhand von Bildmaterial aus einem weiteren Experimentes bei τ = 11 Pa zeigt. Ab dem dritten Teilbild ist in Abbildung 5.46 jeweils nur ein Bereich in der Mitte des Tropfens bzw. im Bereich der Einschnürung abgebildet. Der beobachtete Zerteilungmechanismus stellt eine Kombination aus "Klasse B1" und "Klasse B2" dar. Im mittleren eingeschnürten Bereich des Tropfens finden Schwingungen statt, bevor der Tropfen zerteilt. Im zuvor eingeschnürten Bereich entstehen die in Abbildung 5.46 unten rechts gezeigten "Satelliten-tropfen". Aus den Tropfenenden resultierten zwei "Tochtertropfen", welche ausserhalb des Beobachtungsbereiches lagen.
1 Einführung
- 123 -
Deformation -> y
z
x t=0s
t = 0.72 s
t = 10.96 s
t = 19.00 s
Relaxation ->
t = 20.28 s
t = 19.28 s
t = 22.08 s
t = 22.68 s
500 µm t = 23.68 s
Abb. 5.44:
t = 25.30 s
Deformation eines DRIVANIL-Tropfens (ηd = 1 Pas) in Silikonöl (ηk = 10.63 Pas) bei τ = 11 Pa in der stationären Scherströmung (x ≈ 500 µm)
1 Einführung
- 124 -
1.0 0.9
Deformation
Relaxation
0.8 0.7
D
0.6 0.5 0.4 0.3 0.2 0.1 0.0 0
5
10
15
20
25
30
t/s
Abb. 5.45:
D(t) für den in Abb. 5.44 anhand von "Deformationsbildern" dargestellten Vorgang
In weiteren Bandscherapparaturversuchen mit DRIVANIL-Lösung als Tropfenfluid konnte eine Besonderheit zur Tropfenzerteilung beobachtet werden: Tropfenzerteilung während der Relaxation. Abbildung 5.47 zeigt dieses Zerteilungsverhalten mit "Deformationsbildern". Das Bildmaterial resultiert aus einer Versuchs-serie mit DRIVANIL-Lösung (Tropfenfluid) und Silikonöl (kontinuierliche Phase), welche, im Vergleich zu den vorangehend dargestellen Ergebnissen, höhere Absolutviskositäten aufwiesen (ηd = 1.83 Pas, ηk = 18.43 Pas). Die Zerteilungsschubspannung für Tropfen mit x ≈ 500 µm beträgt τ = 14 Pa. Die experimentellen Beobachtungen zum Deformations- und Zerteilungsverhalten für DRIVANIL-Tropfen (ηd = 1.83 Pas) mit x ≈ 500 µm in Silikonöl ( ηk = 18.43 Pas) sind in Tabelle 5.9 beschrieben. Die Zeit, für welche die Tropfen der Deformationsströmung ausgesetzt wurden, betrug konstant 30 s. Für τ = 14 Pa wird in Tabelle 5.9 der bei der Tropfenrelaxation beobachtete Zerteilungsmechanismus beschrieben. Gleichartiges Verhalten wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit für längere Beanspruchungszeiten (als 30 s) auch für τ = 12 Pa beobachtet worden. Der offensichtlich massgebliche Einfluss der "Verweilzeit" der Tropfen in der Scherströmung in Bezug Zerteilung beim Deformations- oder Relaxationsvorgang bedarf weiterer Untersuchungen.
1 Einführung
- 125 -
y x
z
t = 4.36 s
t = 23.20
t = 23.92 s
t = 23.56 s
t = 24.16 s
t = 24.76 s
t = 25.96 s
t = 26.56 s
t = 27.76 s
t = 28.36 s 500 µm
Abb. 5.46:
Zerteilung eines DRIVANIL-Tropfens mit ηd = 1 Pas in Silikonöl mit ηk = 10.63 Pas bei τ = 11 Pa in der stationären Scherströmung (x ≈ 500 µm), Detailaufnahmen des "mittleren" Tropfenbereichs
1 Einführung
- 126 -
y
z
x
t=0s
t = 0.36 s
t = 1.66 s
t = 4.70 s
t = 22.16 s
t = 33.42 s
t = 36.78 s
t = 37.94 s 500 µm
Abb. 5.47:
Zerteilung eines DRIVANIL-Tropfens (ηd = 1.83 Pas, x ≈ 500 µ m) in Silikonöl (η k = 18.43 Pas) bei der Relaxation ( τ = 14 Pa, Relaxationsbeginn bei t ≈ 30 s)
1 Einführung Tab. 5.9:
τ
- 127 Experimentelle Beobachtungen zum Deformations-/Zerteilungsverhalten von DRIVANIL-Tropfen (ηd = 1.83 Pas, x ≈ 500 µ m) in ˆ Beanspruchungsschubspannung in Silikonöl (ηk = 18.43 Pas); τ = der Bandscherapparatur
/ Pa 11
12
14
Zerteilung?
Beschreibung des Deformations- bzw. Zerteilungsverhaltens keine Die Tropfenform ist bei der Deformation und der Relaxation ellipsoidal. Eine stationäre Deformation stellt sich nicht ein35. keine Der Tropfen deformiert mit ellipsoidaler Form. Wie bei τ = 11 Pa wird kein stationärer Deformationszustand erreicht1. Der Tropfen relaxiert ohne zu Zerteilen zur Kugelform, wobei sich bei der Relaxation in der Tropfenmitte "vorübergehend" eine Einschnürung ausbildet ("Hantelform") (vgl. "Relaxationsbilder" in Abbildung 5.44). erfolgt bei der Wie bei τ = 11 Pa und τ = 12 Pa deforRelaxation miert der Tropfen mit ellipsoidaler Form und erreicht keine stationäre Deformation 1 . Die Relaxation des Tropfens erfolgt (wie bei τ = 12 Pa) über die "Hantelform", wobei der Tropfen zerteilt (vgl. Abbildung 5.47). Klasse B2-Deformationsverhalten
In höher viskosem Silikonöl ( ηk = 105 Pas) deformieren bzw. zerteilen DRIVANIL-Tropfen (ηd = 1 Pas) nach Klasse B2: Sie bilden lange Fäden aus, in denen periodisch verteilt und mit der Deformationszeit in "Intensität" und Anzahl zunehmend Einschnürungen ausgebildet werden. An diesen Stellen zerteilt der Tropfen nach und nach in viele kleine Tropfen. Im Bereich jeder Einschnürung entsteht ein grosser und ein kleiner (x ≈ 1 µm) Tropfen36. Für "Klasse B2-Deformationsverhalten" wurden in der Bandscherapparatur die in Tabelle 5.10 aufgeführten Wekr -Zahlen ermittelt. Zusätzlich ist der Literaturwert aus Experimenten von [28] (vgl. Kapitel 3.2.4) angegeben.
35
36
Aufgrund der experimentellen Erfahrung kann davon ausgegangen werden, dass eine länger gewählte Beanspruchungszeit bei dieser Schubspannung zur Tropfenzerteilung geführt hätte. Dieses Zerteilungsverhalten ist nicht bildhaft dargestellt, da die digitalisierten Bilder (= Momentaufnahmen) die periodischen Schwingungen des langgestreckten Tropfens nicht erkennen lassen. Im Originalvideo ist dieser Vorgang eindeutig erkennbar.
1 Einführung Tab. 5.10:
- 128 Wekr-Zahlen für "Klasse B2-Deformationsverhalten" (ηk ηd /ηk = 0.0095, σ = 0.0065 N/m) x / µm 100 300 500
= 105 Pas,
Wekr aus dem Zerteilungsexperiment in der Bandscherapparatur 0.38 0.38 0.47
experimentelle Literaturwerte für Wekr 0.7 1 4.33
Literaturstelle [25, 26] [28] [30]
Die im Bandscherapparaturexperiment ermittelten Wekr-Zahlen liegen tiefer, als die in der Literatur [25, 26, 28, 30] publizierten Werte. Wie die grafische Darstellung von Wekr(ηd /ηk) in Abbildung 3.9 im Grundlagenteil dieser Arbeit zeigt, wurde von RUMSCHEIDT/MASON [24] und GRACE [28] für ηd /ηk ≈ 0.01 zusätzlich zu "Klasse B2-Zerteilungsverhalten" auch "Klasse AZerteilungsverhalten" beobachtet. Ähnliche Beobachtungen wurden auch in dieser Arbeit gemacht: Das zuletzt betrachtete Stoffsystem DRIVANIL/Silikonöl weist ein Viskositätsverhältnis auf, welches nahezu demjenigen des untersuchten emulgatorhaltigen Stoffsystems entspricht. Das Zerteilungsverhalten erfolgt jedoch nach einem anderen Mechanismus: DRIVANIL-Tropfen zerteilen nach Klasse B2 und emulgatorhaltige Tropfen nach Klasse A. Dieses unterschiedliche Deformationsverhalten hat seine Ursache im unterschiedlichen Grenzflächenaufbau emulgatorfreier und emulgatorhaltiger Stoffsysteme. Die Struktur einer Fluidgrenzfläche bestimmt deren Deformationsverhalten massgeblich. In Kapitel 5.2 wird das instationäre Deformations- und Relaxationsverhalten von Fluidtropfen in der Scherströmung modelliert. Für die verschiedenen in dieser Arbeit untersuchten Stoffsysteme werden grenzflächenrheologische Parameter berechnet. Diese unterscheiden sich in Abhängigkeit der Grenzflächenstruktur (Emulgator ja/nein) deutlich (vgl. Kapitel 5.2).
1 Einführung
- 129 -
Erzeugung einer Emulsion aus einem Einzeltropfen Die nachfolgend vorgestellten Ergebnisse experimenteller Untersuchungen zeigen, wie die Dispersitätsverteilung einer Emulsion aussieht, welche durch Zerkleinern eines Einzeltropfens hergestellt wurde. In der Kegel/Platte-Einrichtung mit "dynamischer Fixierung", welche in Kapitel 4.2.1 beschrieben wurde, wurden Tropfen bestehend aus einer 40%igen wässrigen PEG-Lösung (vgl. Kapitel 4.2.2) in einer Umgebung aus Silikonöl bei γ˙ = 5 s- 1 zerkleinert. Die Beanspruchungsdauer betrug jeweils 10 Minuten. Die Viskosität des Tropfenfluids betrug 3.5 Pas, die der kontinuierlichen Phase 36 Pas. Das Viskositätsverhältnis berechnete sich damit zu ηd /ηk ≈ 0.1 und die Beanspruchungsschubspannung zu τ = 180 Pa. Die Zerteilung erfolgte erwartungsgemäss nach "Klasse B1". Abbildung 5.48 zeigt kumulative Anzahlverteilungen dreier untersuchter "Ausgangstropfengrössen" x0 . Q 0 (x) wurde durch bildanalytische Auswertung ermittelt, wobei die "Emulsion" für diese Auswertung im rheometrischen Scherspalt belassen wurde.
1.0 0.9 0.8 0.7
Q0
0.6 0.5 0.4
x0 = 1080 µm
0.3
x0 = 1270 µm x0 = 1605 µm
0.2 0.1 0.0 0
20
40
60
80
100
120
140
160
x / µm
Abb. 5.48:
Kumulative Anzahlverteilungen zerkleinerter Einzeltropfen ( ηk = 36 Pas; ηd/ηk ≈ 0.1; σ = 0.028 N/m; τ = 180 Pa für t = 10 min)
Aus den Einzeltropfenzerkleinerungen resultieren bimodale Tropfengrössenverteilungen. Für die drei untersuchte Tropfen unterschiedlichen "Ausgangstropfendurchmessers" x0 wurden nach der 10minütigen Scherbeanspruchung zwei Tropfengrössenklassen gefunden. Tabelle 5.11 gibt die Tropfendurchmesser der zwei detektierten Grössenklassen wieder. Offensichtlich befinden sich in Grössenklasse 1 die "Satellitentropfen" und in Grössenklasse 2 die "Tochter-
1 Einführung
- 130 -
tropfen". Tab. 5.11:
Tropfengrössenklassen nach Einzeltropfenzerkleinerung (Bezug: Abbildung 5.48) Klasse 1: Klasse 2:
Tropfendurchmesser x< ~ 20 µm 40 µm < ~ x< ~ 140 µm
Wie die kumulativen Anzahlverteilungen in Abbildung 5.48 deutlich zeigen, weisen die Emulsionen unterschiedliche maximale Tropfendurchmesser xmax auf. Die xmax-Werte sowie die Wekr-Zahlen (berechnet mit xmax) sind in Tabelle 5.12 tabelliert. Literaturwerte für We kr (ηd /ηk ≈0.1) liegen im Bereich von 0.2 bis 0.3 [24, 25, 26, 28]. Tab. 5.12:
Maximale Tropfendurchmesser und Wekr-Zahlen (Bezug: Abbildung 5.48) x0 / µm 1080 1270 1605
xmax / µm 142 108 96
Wekr 0.23 0.17 0.15
Eine nähere Betrachtung des "Klasse B1-Zerkleinerungsmechanismus" lässt das experimentelle Ergebnis unterschiedlicher x max-Werte für unterschiedliche x0 -Werte qualitativ erklären: Aufgrund experimenteller Erfahrungen zur Einzeltropfenzerkleinerung (vgl. Seite 118 - 119) wurde davon ausgegangen, dass das Volumen des Ausgangstropfens bei jedem Zerkleinerungsereignis auf zwei "Tochtertropfen" aufgeteilt wird. Für die theoretische Berechnung eines "Tochtertropfendurchmessers" x T in Abhängigkeit des "Ausgangstropfendurchmessers" x0 gilt damit Gleichung (5.18). x T = 0.7937 ⋅ x0
(5.18)
Tabelle 5.13 zeigt xT (berechnet nach Gleichung (5.18)) für jedes Zerkleinerungsereignis der drei untersuchten Tropfengrössen (x = 1080 µm, x = 1270 µm, x = 1605 µm) für We > ~ 0.18. Nach jeder Zerkleinerung des Tropfens gilt x0 = xT für das folgende Zerkleinerungsereignis. We ≈ 0.18 entspricht der mittleren Wekr-Zahl, welche aus den in Tabelle 5.13 angegebenen Einzelwerten berechnet wurde. Der für We ≈ We kr angegebene xT-Wert entspricht einem "theoretischen" x max-Wert. Die "theoretischen" x m a x-Werte sind für grössere "Ausgangstropfendurchmesser" x0 erniedrigt, wobei im "theoretischen" x maxWert nicht so grosse Unterschiede wie experimentell ermittelten xmax-Wert bestehen.
1 Einführung Tab. 5.13:
- 131 "Tochtertropfendurchmesser" (Die in der ersten Zeile angegebenen x 0 -Werte entsprechen den "Ausgangstropfendurchmessern" und stellen streng genommen nur x0 für das erste Zerkleinerungsereignis dar.)
x0 = 1080 µm xT/µm We(xT) 857 1.38 678 1.09 536 0.86 424 0.68 336 0.54 266 0.43 210 0.34 166 0.27 131 0.21
x0 = 1270 µm xT/µm We(xT) 1008 1.62 800 1.29 635 1.02 504 0.81 400 0.64 317 0.51 252 0.40 200 0.32 159 0.26 126 0.20 100 0.16
x0 = 1605 µm xT/µm We(xT) 1274 2.05 1011 1.62 803 1.29 637 1.02 506 0.81 401 0.64 318 0.51 253 0.41 201 0.32 159 0.26 126 0.20 100 0.16 80 0.13
5.2
Untersuchung des Einflusses von Grenzflächeneigenschaften auf das instationäre Deformationsverhalten kleiner Tropfen in der Scherströmung
5.2.1
Einführung neuartiger grenzflächenrheologischer Parameter
Die Grenzflächendehnviskosität κ und die Grenzflächenelastizität E sind grenzflächenspezifische Stoffgrössen, welche gemäss ihrer herkömmlichen Definition in direktem Zusammenhang mit emulgatorkinetischen Vorgängen stehen. Damit sind κ und E als Stoffgrössen auf emulgatorfreie Grenzflächen nicht übertragbar. Ähnlich verhält es sich mit der Scherviskosität ηs eines Grenzflächenfilms (vgl. Kapitel 2.4). Im Rahmen dieser Arbeit wird das Deformationsverhalten von deformierbaren Tropfengrenzflächen in Fluidströmungen auf Basis experimenteller Erfahrungen unter Einbezug neuartiger grenzflächenrheologischer Parameter, welche unabhängig von der Beschaffenheit der Grenzfläche zu beschreiben sind, modelliert. Der Einfluss von grenzflächenaktiven Stoffen auf das Deformationsverhalten einer Grenzfläche ist mit grenzflächenrheologischen Kenngrössen darzustellen. Die Grössen κ, E und ηs sind zur mechanistischen Beschreibung des Deformationsverhaltens von Tropfengrenzflächen in Fluidströmungen nicht geeignet. Die in dieser Arbeit eingeführten neuartigen grenzflächenrheologischen Para-meter werden aus einem mechanischen Analogiemodell, welches die Tropfendeformation in stationären und instationären Scherströmungen beschreiben lässt, abgeleitet.
1 Einführung 5.2.2
- 132 Modellierung des instationären Relaxationsverhaltens
Deformations-
und
In dieser Arbeit wurde untersucht, inwieweit das instationäre Deformations- und Relaxationsverhalten kleiner deformierbarer Körper in der Scherströmung durch ein Modell beschrieben werden kann, welches eine Kopplung mit der "integralen" Grösse "volumenspezifischer Scherleistungseintrag" zulässt. Damit ist die "verfahrenstechnische" Übertragung für laminare Strömungsprozesse in einfacher Weise möglich. Bei dieser Modellierung wird der deformierbare Körper (Tropfen) mit einem mechanischen Analogiemodell beschrieben. Abbildung 5.49 zeigt dieses "rheologisch-mechanische" Modell. Es wurde theoretisch (Modell) und experimentell untersucht, wie der Körper bei Aufprägung einer konstanten Schubspannung τ bzw. Schergeschwindigkeit γ˙ deformiert und bei Wegnahme von τ bzw. ˙γ relaxiert. Für den hier untersuchten Anwendungsfall NEWTONscher Strömungsfluide berechnet sich τ nach dem NEWTONschen Schubspannungsansatz (τ = ηk·˙γ ). Nachfolgend sind alle Deformations- und Schergeschwindigkeitsgrössen mit Indizes versehen, welche verdeutlichen, ob sich diese rheologischen Grössen auf die kontinuierliche Phase (Index k), die disperse Phase (inneres Fluid, Index d) oder den Tropfen (inneres Fluid + Grenzfläche, Index T) beziehen. Zusätzlich werden Deformationsvorgänge und Relaxationsvorgänge durch die Indizes "def" und "rel" bezeichnet. Aus der Beanspruchung des Körpers in der stationären Scherströmung resultiert ein zunächst instationäres Deformationsverhalten. Nach ausreichend langer Scherzeit (abhängig von τ , γ˙ k und Stoffsystem) erfährt der Körper eine stationäre Deformation (vgl. experimentelle "Deformationsergebnisse" in den Kapiteln 5.1.2 und 5.1.3). Bei der hier vorgenommenen Modellierung wird zunächst vorausgesetzt, dass das Fliessverhalten der dispersen Phase rein viskos ist37. Der Dämpfer mit der Konstanten ηd beschreibt im "rheologisch-mechanischen" Modell den Einfluss der dispersen Fluidphase am Deformationsverhalten des Tropfens. Der Grenzfläche werden viskose (Dämpfer ηG) und elastische (Feder GG1 und Feder GG2) Eigenschaften zugeordnet. Festkörperartige Fluideigenschaften werden auch nicht angenommen. Das elastische Deformationsverhalten der Tropfengrenzfläche wird durch die Grenzflächenspannung sowie die Wechselwirkungen von grenzflächenaktiven Molekülen in einem "Grenzflächenfilm" verursacht. Proportional zur Grenzflächenspannung σ ist der Kapillardruck ∆pk (vgl. LAPLACE-Gleichung (2.2) in Kapitel 2.2.2).
37
Elastische Anteile am Fliessverhalten der dispersen Phase sind durch ein zusätzliches Federelement zu berücksichtigen. Fliessgrenzen werden durch Zuschaltung eines Reibelements berücksichtigt.
1 Einführung
- 133 -
Kraft F(t)
GG1 ηG
ηd
GG2
Kraft F(t)
Abb. 5.49:
Rheologisch-mechanisches Modell für deformierbare disperse Körper (Tropfen)
Die Deformation des kugelförmigen zum ellipsoidalen Tropfen verursacht an der Grenzfläche lokale Veränderungen im Kapillardruck. Über die gesamte Grenzfläche gemittelt bleibt der Kapillardruck konstant (vgl. Anhang A1.2). Es gilt Gleichung (5.19). Der Index "0" steht für die Kugelform des undeformierten Tropfens.∆¯¯¯ pk bezeichnet den über die Tropfengrenzfläche gemittelten Kapillardruck. ∆pk = ∆pk0 =
4⋅σ x
(5.19)
Die "Verteilung" der Grenzflächenelastizität entsprechend Abbildung 5.49 auf zwei Federelemente (mit den Schubmoduli GG1 und GG2 ) stützt sich auf die Erfahrung mit verschiedenen untersuchten Modellierungsansätzen und die Notwendigkeit neben dem Kapillardruck (Schubmodul GG1, vgl. Gleichung (5.20)) weitere Mechanismen (zum Bsp. Marangonieffekt = "Elastizität" aufgrund von Konzentrationsgradienten in der Grenzfläche; Schubmodul GG2 ) einzubeziehen. GG1 = ∆pk
(5.20)
Der Schubmodul GG2 sowie die Dämpfungskonstante ηG sind zunächst unbekannt. ηd kann rheometrisch ermittelt werden. Die Bewegungsgleichung des aufgezeigten rheologisch-mechanischen Modells beschreibt die Differentialgleichung (5.21). Zur Ableitung dieser Bewegungs-
1 Einführung
- 134 -
gleichung wurden die Schubmoduli G G 1 und GG2 entsprechend Gleichung (5.22) zur Gesamtelastizität G zusammengefasst. Die Hintereinanderschaltung der Federn bedingt, dass G das geometrische Mittel der einzelnen elastischen Moduli darstellt. Die Teilviskositäten des Systems addieren sich bei der angenommenen Parallelschaltung zur Gesamtviskosität η (vgl. Gleichung (5.23)). Die Herleitung der Bewegungsgleichung (5.21) ist in Anhang A5.1 ausführlich dargestellt. τ = G ⋅ γ T + η ⋅ γ«T G=
GG1 ⋅ GG2 GG1 + GG2
η = ηd + ηG
(5.21)
(5.22) (5.23)
Bei der Deformationsversuchsführung in der Bandscherapparatur erfährt der Tropfen eine konstante makroskopische "Beanspruchungsschubspannung" τ (bzw. eine konstante Schergeschwindigkeit γ˙ k ). Im Relaxationsversuch ist die von aussen auf den Tropfen aufgeprägte Schubspannung bzw. Schergeschwindigkeit gleich Null. Die Lösung der Differentialgleichung (5.21) für den Deformations- sowie den Relaxationsversuch zeigt Tabelle 5.14 (ausführliche Darstellung im Anhang A5.2 bzw. A5.3). Die stationäre Deformation des Tropfens im Deformationsversuch kann durch Grenzwertbetrachtung für unendlich grosse Zeiten aus Gleichung (5.24) abgeleitet werden. Das Resultat zeigt Gleichung (5.26). Beim Relaxationsversuch strebt γT,rel für unendlich grosse Zeiten erwartungsgemäss gegen Null (vgl. Gleichung (5.27)). Der Tropfen ist wieder kugelförmig. Beim Deformationsvorgang wird in den Tropfen ebenso wie in die kontinuierliche Phase Scherenergie eingetragen. Für die vorgenommene Modellierung wurde davon ausgegangen, dass die gesamte Scherenergie in elastische Deformationsvorgänge, welche zur Oberflächenvergrösserung des Tropfens führen, und viskose Fliessvorgänge in der Grenzfläche sowie im Tropfeninneren einfliesst. Beim Relaxationsvorgang ist das System "sich selbst überlassen": Die eingetragene Scherenergie ist Null. Tabelle 5.15 zeigt eine "Leistungsbilanz" (volumenspezifische Energieeintrag pro Zeiteinheit) für Tropfendeformation und Tropfenrelaxation. Eine ausführliche Ableitung dieser "Leistungsbilanz" ist am Beispiel der Deformationsversuchsführung im Anhang 5.2 dargestellt.
1 Einführung Tab. 5.14:
- 135 Lösungen der Bewegungsgleichung (5.21) für unterschiedliche Versuchsführungen Deformationsversuch
(mit τ = "makroskopische Beanspruchungsschubspannung"; τ = konstant bzw. γ˙ k = konstant) γ T,def =
τ ⋅ ( GG1 + GG2 ) GG1 ⋅ GG2 ⋅ 1− exp − ⋅ t GG1 ⋅ GG2 ( GG1 + GG2 ) ⋅ ( ηd + ηG )
(5.24)
Relaxationsversuch γ T,rel =
τ ⋅ ( GG1 + GG2 ) GG1 ⋅ GG2 ⋅ exp − ⋅ t GG1 ⋅ GG2 ( GG1 + GG2 ) ⋅ ( ηd + ηG )
γ T,def,stat =
(5.25)
τ ⋅ ( GG1 + GG2 ) GG1 ⋅ GG2
(5.26)
γ T,rel,stat = 0
Tab. 5.15:
(5.27)
"Leistungsbilanzen" für unterschiedliche Versuchsführungen Deformationsversuch
(mit τ = "makroskopische Beanspruchungsschubspannung"; τ = konstant bzw. γ˙ k = konstant; A = Tropfenoberfläche) ηk ⋅ γ«k ⋅ γ«T,def = ( ηd + ηG ) ⋅ γ«2T,def +
GG1 ⋅ GG2 dA ⋅ GG1 + GG2 A ⋅ dt
(5.28)
( ηk ⋅ γ«k = τ ) Relaxationsversuch ( γ˙ k = 0) 0 = ( ηd + ηG ) ⋅ γ«2T,rel +
GG1 ⋅ GG2 dA ⋅ GG1 + GG2 A ⋅ dt
(5.29)
Die Kopplung der Bewegungsgleichung mit der Energieerhaltung für die beiden Versuchsführungen liefert die Gleichungen (5.30) und (5.31) (vgl. Tabelle 5.16). Aus der Lösung der beiden Differentialgleichungen resultieren die Gleichungen (5.32) und (5.34) für A/A0 (t) (vgl. Anhang A5.2 und A5.3). Gleichung (5.32)
1 Einführung
- 136 -
beschreibt das Ergebnis für den Deformationsversuch, Gleichung (5.34) für den Relaxationsversuch (vgl. Tabelle 5.17). Die stationäre Deformation Astat (vgl. Gleichung (5.33)) ergibt sich durch Grenzwertbetrachtung t -> ∞ aus Gleichung (5.32). Tab. 5.16:
Differentialgleichungen für die Oberflächenänderung eines Tropfens in der Scherströmung (τ = "makroskopische Beanspruchungsschubspannung") Deformationsversuch
τ 2 ⋅ ( GG1 + GG2 ) dA = A ⋅ dt GG1 ⋅ GG2 ⋅ ( ηd + ηG ) 2 ⋅ ( GG1 + GG2 ) GG1 + GG2 × exp − ⋅ t − exp − ⋅ t GG1 ⋅ GG2 ⋅ ( ηd + ηG ) GG1 ⋅ GG2 ⋅ ( ηd + ηG )
(5.30)
Relaxationsversuch τ 2 ⋅ ( GG1 + GG2 ) 2 ⋅ ( GG1 + GG2 ) dA = ⋅ exp − ⋅ t A ⋅ dt GG1 ⋅ GG2 ⋅ ( ηd + ηG ) GG1 ⋅ GG2 ⋅ ( ηd + ηG )
(5.31)
In den Gleichungen (5.32) bis (5.34) sind die Parameter G und η unbekannte Grössen. Mit G G1 = ∆pk lässt sich aus den experimentellen Daten G G2 ermitteln (vgl. Gleichung (5.35)). 1
GG2 =
2 τ2 GG1 ⋅ A 2 ⋅ln A 0 stat 1 2
τ2 GG1 − A 2 ⋅ln A 0 stat
(5.35)
Die Viskosität ηG kann in Kenntnis von GG2 (und GG1)aus dem instationären Verlauf A/A 0 (t) (Deformation oder Relaxation) approximiert werden (vgl. Gleichung (5.32) bzw. Gleichung (5.34)).
1 Einführung Tab. 5.17:
- 137 A/A0(t) (nach Integration der Gleichungen (5.30) und (5.31)) für den Deformations- und den Relaxationsversuch Deformationsversuch
τ 2 ⋅ ( G + G )2 A G1 G2 = exp 2 A0 GG1 ⋅ GG22 τ 2 ⋅ ( GG1 + GG2 )
( GG1 + GG2 ) ⋅ t − ⋅ 1− exp − GG1 ⋅ GG2 ⋅ ( ηd + ηG )
2 ⋅ ( GG1 + GG2 ) ⋅ 1− exp − ⋅ t G ⋅G ⋅ η + η 2 ⋅ GG12 ⋅ GG22 G1 G2 ( d G ) 2
τ 2 ⋅ ( G + G )2 A G1 G2 = exp 2 2 A 0 stat 2 ⋅ GG1 ⋅ GG2
(5.32)
(5.33)
Relaxationsversuch τ 2 ⋅ ( G + G )2 2 ⋅ ( GG1 + GG2 ) A G1 G2 = exp ⋅ exp − ⋅ t G ⋅G ⋅ η + η 2 2 A0 G1 G2 ( d G) 2 ⋅ GG1 ⋅ GG2
5.2.3
(5.34)
Grenzflächenviskositäten und Grenzflächenelastizitäten der untersuchten Stoffsysteme dispers/kontinuierlich
In Kapitel 5.2.2 wurde das instationäre Deformations- und Relaxationsverhalten von Fluidtropfen in stationären Scherströmungen modelliert. Dieses Modell wird nachfolgend in seiner Anwendbarkeit auf das in dieser Arbeit experimentell ermittelte Datenmaterial geprüft. Wie in Kapitel 5.2.2 beschrieben, sind dazu zunächst die Parameter ηG und GG2 zu berechnen. Grundlage der Berech-nung für ηG und GG2 ist das experimentell ermittelte Ergebnis A/A0 (t). Resul-tieren für gleichartig aufgebaute Grenzflächen konstante ηG- und GG2 -Werte, so sind diese Grössen nicht nur Anpassungsparameter, sondern Stoffsystemkonstanten. ηG wurde in dieser Arbeit für alle untersuchten Stoffsysteme zunächst aus dem Deformationsverlauf berechnet (vgl. Gleichung (5.32)). Der Deformationsverlauf wurde gewählt, da im Vergleich zum Relaxationsverlauf grösstenteils mehr experimentelle Daten A/A0 (t) zur Verfügung stehen (Deformation erfolgt langsamer als Relaxation (vgl. Kapitel 5.1.3)). Für einzelne Stoffsysteme wurde ηG zusätzlich aus dem Relaxationsverlauf approximiert. "ηGrel-Werte" sind bei der Ergebnisdiskussion für die einzelnen Stoffsysteme tabelliert.
Tabelle 5.18 zeigt die grenzflächenrheologischen Parameter GG1 (= ∆pk) , GG2 und η G (aus dem Deformationsverlauf approximiert) für die in dieser Arbeit
1 Einführung
- 138 -
untersuchten Stoffsysteme. Die Abbildungen 5.50 bis 5.59 zeigen die "Modellergebnisse" für A/A0(t) im Vergleich mit experimentellen Ergebnissen. Die Einzelergebnisse werden nachfolgend im Detail diskutiert. Tab. 5.18:
Grenzflächenrheologische Parameter (Approximation von ηG aus dem Deformationsverlauf)
G / Pa GG1 / Pa GG2 / Pa ηG / Pas ηd / Pas "Wasser in Silikonöl (ηk = 10.5 Pas)" x ≈ 500 µm 11 87 300 123 27 0.001 14 84 300 117 28 0.001 24 83 290 116 26 0.001 "0.1%ige Xanthanlsg. in Silikonöl (ηk = 10.5 Pas)" x ≈ 500 µm 14 108 303 168 21 0.04 25 95 306 138 30 0.037 "0.5%ige Xanthanlsg. in Silikonöl (ηk = 10.5 Pas)" x ≈ 500 µm 14 88 313 123 19 2.84 20 96 317 137 11 2.21 25 92 312 130 18 1.89 "L123-Lösung in Silikonöl (ηk = 10.5 Pas)" x ≈ 500 µm 3 16 36 29 7 0.027 11 19 39 36 21 0.016 14 22 36 55 15 0.015 "P-Lösung in Silikonöl ( ηk = 10.5 Pas)" x ≈ 500 µm 3 10 28 15 9 0.002 "DRIVANIL (ηd = 1 Pas) in Silikonöl (ηk = 10.5 Pas)" x ≈ 500 µm 3 17 52 25 9 1 "DRIVANIL (ηd = 1 Pas) in Silikonöl (ηk = 10.5 Pas)" x ≈ 300 µm 11 46 90 94 31 1 14 50 90 113 21 1 20 55 90 138 23 1 25 60 90 176 24 1 τ/
Pa
Tropfenfluide Wasser und Xanthanlösung (0.1 %ig und 0.5 %ig) Die Messergebnisse der Stoffsysteme mit Wasser und Xanthanlösung (0.1%ig und 0.5%ig) als disperse Phase lassen sich mit dem erstellten Modell für den Deformations- und den Relaxationsversuch gut beschreiben (vgl. Abbildungen 5.50 bis 5.52). Aus den für Wasser und 0.5%ige Xanthanlösung bei verschiedenen Schubspannungen aufgenommenen Funktionsverläufen A/A0(t) resultieren näherungsweise konstante Werte für GG2 und ηG. Die Unabhängigkeit der GG2- und ηG-Werte von τ zeigt, dass diese Grössen offensichtlich Stoffsystemgrössen sind. GG2 und ηG sind jedoch tropfengrössenabhängig, wie im letzten Abschnitt dieses Kapitels dargestellt wird (vgl. GG2- und ηG-Werte für DRIVANIL-Tropfen in Tabelle 5.18).
1 Einführung
- 139 -
1.05 11 Pa 1.04
14 Pa
25 Pa
1.03
A/A0
Deformation
1.02 1.01 1.00
0.01
0.10
1.00
10.00
t/s
1.05 Relaxation
11 Pa
1.04
A/A0
14 Pa
25 Pa
1.03 1.02 1.01 1.00
0.01
0.10
1.00
10.00
t/s
Abb. 5.50:
A/A0(t) von Wassertropfen (x ≈ 500 µm) in Silikonöl ( η k ≈ 10.5 Pas); Punktsymbole: Experiment; Linie: Berechnung nach Modellgleichung (5.32) (Deformation) bzw. (5.34) (Relaxation) mit den in Tabelle 5.18 angeführten GG2- und ηG-Werten
1 Einführung
- 140 -
1.04 14 Pa
25 Pa
1.03
A/A0
Deformation
1.02
1.01
1.00
0.01
0.10
1.00
10.00
t/s
1.04
Relaxation
14 Pa
25 Pa
1.03
A/A0
1.02
1.01
1.00
0.01
0.10
1.00
10.00
t/s
Abb. 5.51:
A/A0(t) von Tropfen aus 0.1%iger Xanthanlösung (x ≈ 500 µm) in Silikonöl ( η k ≈ 10.5 Pas); Punktsymbole: Experiment; Linie: Berechnung nach Modellgleichung (5.32) (Deformation) bzw. (5.34) (Relaxation) mit den in Tabelle 5.18 angeführten G G2- und ηG-Werten
1 Einführung
- 141 -
1.05
14 Pa 1.04
Deformation
20 Pa 25 Pa
A/A0
1.03 1.02 1.01 1.00
0.01
0.10
t/s
10.00
1.00
1.05 Relaxation
14 Pa
1.04
20 Pa 25 Pa
A/A0
1.03 1.02 1.01 1.00
0.01
Abb. 5.52:
0.10
t/s
1.00
10.00
A/A0(t) von Tropfen aus 0.5%iger Xanthanlösung (x ≈ 500 µm) in Silikonöl (η k ≈ 10.5 Pas); Punktsymbole: Experiment; Linie: Berechnung nach Modellgleichung (5.32) (Deformation) bzw. (5.34) (Relaxation) mit den in Tabelle 5.18 angeführten GG2 - und ηGWerten
1 Einführung
- 142 -
Bei der 0.1%igen Xanthanlösung liegen zwei voneinander abweichende Ergebnisse für GG2 und ηG vor. GG2 und ηG, welche aus der Versuchsführung bei τ = 14 Pa berechnet wurden, sind als Ausreisser zu werten: Diese Werte sind deutlich verschieden von den weiteren Resultaten für GG2 und ηG, welche für die Tropfenfluide Wasser und Xanthanlösung berechnet wurden. Tabelle 5.19 zeigt Mittelwerte der grenzflächenrheologischen Parameter GG2 und ηG für die in diesem Abschnitt diskutierten Ergebnisse. Die Grenzflächenelastizität GG2 für Wassertropfen (x ≈ 500 µm) ist niedriger als für gleich grosse Tropfen aus 0.5%iger Xanthanlösung. Auf die Grenzflächenspannung kann dieses abweichende Verhalten nicht zurückgeführt werden, da sie für beide Stoffsysteme identisch ist (vgl. Tabelle 4.3 in Kap. 4.2.3). Für die Grenzflächenviskosität ηG resultiert bei xanthanhaltigen Tropfen ein geringerer Wert als für Tropfen aus Wasser. In künftigen Experimente gilt es abzuklären, ob die Unterschiede der GG2 - und der η G-Werte dieser beiden Stoffsysteme signifikant sind. Tab. 5.19:
Mittelwerte der Grenzflächenelastizität GG2 und der Grenzflächenviskosität ηG für Tropfen mit x ≈ 500 µm in Silikonöl (ηk = 10.5 Pas) Tropfenfluid Wasser 0.5%ige Xanthanlösung
GG2 / Pa 119 130
ηG
/ Pas 27 16
Emulgatorhaltige Tropfenfluide (Emulgator L123 und Emulgator P) Für das L123-emulgatorhaltige Tropfenfluid resultiert aus der Anpassung der Gleichungen (5.32) und (5.34) an das Experiment weder ein konstanter GG2Wert noch ein konstanter ηG-Wert. Die für L123-Lösung berechneten GG2-Werte liegen deutlich tiefer, als die G G2-Werte gleich grosser Wasser- und Xathantropfen (x ≈ 500 µ m). Damit folgt GG2 derselben Tendenz wie GG1 . GG1 ist aufgrund der erniedrigten Grenzflächenspannung im emulgatorhaltigen Stoffsystem niedriger (G G1 = ∆pk0 ; ∆pk0 ~ σ). Die Grenzflächenviskosität ist von der Grenzflächenspannung unabhängig: Die η G -Werte liegen in derselben Grössenordnung wie die ηG-Werte für Wasser- und Xanthantropfen. Der Deformationsverlauf A/A0 (t) wird für L123-Tropfen mit Gleichung (5.32) (und den G G2 bzw. ηG-Werten entsprechend Tabelle 5.18) für jedes Experiment gut angenähert, wie Abbildung A5.53 illustriert. Das Überschwingverhalten von A/A0(t) bei τ = 14 Pa ist mit dem Modell nicht beschreibbar: Der "Überschwingeffekt" wurde bei der Modellierung des Deformationsverhaltens auch nicht einbezogen, da sein Auftreten bisher experimentell nicht systematisch untersucht wurde. Dennoch kann dieser Effekt als typisch elasti-sches Verhalten eingestuft werden (vergleichbares Verhalten viskoelastischer einphasiger Fluide).
A/A0
1 Einführung
- 143 -
1.26 1.24 1.22 1.20 1.18 1.16 1.14 1.12 1.10 1.08 1.06 1.04 1.02 1.00
Deformation
3 Pa
11 Pa 14 Pa
0.01
0.10
10.00
1.00
A/A0
t/s
1.26 1.24 1.22 1.20 1.18 1.16 1.14 1.12 1.10 1.08 1.06 1.04 1.02 1.00
Relaxation
3 Pa
11 Pa 14 Pa
0.01
0.10
1.00
10.00
t/s
Abb. 5.53:
A/A0(t) von Tropfen aus L123-Lösung (x ≈ 500 µm) in Silikonöl (ηk ≈ 10.5 Pas); Punktsymbole: Experiment; Linie: Berechnung nach Modellgleichung (5.32) (Deformation) bzw. (5.34) (Relaxation) mit den in Tabelle 5.18 angeführten GG2- und ηG-Werten
A/A0
1 Einführung
- 144 -
1.26 1.24 1.22 1.20 1.18 1.16 1.14 1.12 1.10 1.08 1.06 1.04 1.02 1.00 0.01
Relaxation
3 Pa
11 Pa 14 Pa
0.10
1.00
10.00
t/s
Abb. 5.54:
Instationäre Relaxation A/A0(t) von Tropfen aus L123-Lösung (x ≈ 500 µm) in Silikonöl (ηk ≈ 10.5 Pas); Punktsymbole: Experiment; Linie: Berechnung nach Modellgleichung (5.34) mit den in Tabelle 5.18 angeführten G G 2 - und ηG-Werten; gestrichelte Linie: Berechnung nach Modellgleichung (5.34) mit den in Tabelle 5.20 angeführten GG2- und ηGrel-Werten
Für die Relaxationsversuchsführungen zeigt Abbildung 5.53 für τ = 11 Pa und τ = 14 Pa keine gute Übereinstimmung zwischen "Modellergebnis" und experimentellem Ergebnis38. Die "Modellergebnisse" wurden mit den in Tabelle 5.18 aufgeführten GG2- und ηG-Werten berechnet. Erfolgt die Approximation von ηG dahingegen aus dem Relaxationsverlauf, so wird der experimentell ermittelte Relaxations-verlauf A/A0(t) mit Modellgleichung (5.34) für die Relaxation erwartungsgemäss besser angepasst (vgl. Abb. 5.54). Tabelle 5.20 auf Seite 144 zeigt die aus dem Relaxationsverlauf angepassten ηG-Werte (ηGrel).
38
Aufgrund der geringen Zahl durchgeführter Versuche wurden keine Vertrauensbereiche berechnet und in die Abbildungen eingetragen.
1 Einführung
- 145 -
1.05 4 Pa
1.04
Deformation
A/A0
1.03 1.02 1.01 1.00
0.01
0.10
10.00
1.00 t/s
1.05 Relaxation 1.04
4 Pa
A/A0
1.03 1.02 1.01 1.00
0.01
0.10
1.00
10.00
t/s
Abb. 5.55:
A/A0(t) von Tropfen aus P-Lösung (x ≈ 500 µm) in Silikonöl ( η k ≈ 10.5 Pas); Punktsymbole: Experiment; Linie: Berechnung nach Modellgleichung (5.32) (Deformation) bzw. (5.34) (Relaxation) mit den in Tabelle 5.18 angeführten GG2- und ηG-Werten
1 Einführung
- 146 -
1.05 Relaxation
4 Pa
1.04
A/A0
1.03 1.02 1.01 1.00
0.01
0.10
1.00
10.00
t/s
Abb. 5.56:
A/A0(t) von Tropfen aus P-Lösung (x ≈ 500 µm) in Silikonöl ( η k ≈ 10.5 Pas); Punktsymbole: Experiment; Linie: Berechnung nach Modellgleichung (5.34) mit den in Tabelle 5.18 angeführten GG2und ηG-Werten; gestrichelte Linie: Berechnung nach Modellgleichung (5.34) mit den in Tabelle 5.20 angeführten G G2 - und ηGrel-Werten
Tab. 5.20:
Approximation von ηG aus dem Relaxationsverlauf für emulgatorhaltige Tropfen (Emulgatorkonzentration > CMC, x ≈ 500 µ m) in Silikonöl (ηk = 10.5 Pas) Emulgator L123 P
τ/
Pa 3 11 14 3
ηGrel
/ Pas 7 23 18 11
Für das P-emulgatorhaltige Tropfenfluid liegt nur ein "orientierendes" Einzelergebnis vor. Das P-Emulgatorsystem weist eine geringere Grenzflächenspannung als das L123-emulgatorhaltige Stoffsystem auf. Folglich ist G G1 für einen gleich grossen Tropfen geringer. Der G G2-Wert liegt ebenfalls entsprechend tiefer.
1 Einführung
- 147 -
Wie beim L123-Emulgator wird auch beim P-Emulgator das Relaxationsverhalten der Tropfen mit dem ηG-Wert, welcher aus dem Deformationsverlauf approximiert wurde, nicht zufriedenstellend beschrieben. Abbildung 5.55 zeigt die entsprechenden Funktionsverläufe A/A 0 (t). Aus dem Relaxationsverlauf resultiert für den P-Emulgator der in Tabelle 5.20 aufgeführte ηG-Wert ( ηGrel). Abbildung 5.56 zeigt A/A0(t) berechnet mit ηGrel. Tropfen aus DRIVANIL-Lösung mit x ≈ 500 µm und x ≈ 300 µm Wie für die emulgatorhaltigen Tropfenfluide werden für die DRIVANIL-Tropfen aus den (A/A0)stat-Werten keine von τ unabhängigen GG2-Werte berechnet. Der GG2 -Wert des Tropfens mit x ≈ 500 µm liegt in der Grössenordnung der GG2-Werte für die P- und L123-emulgatorhaltigen Stoffsysteme (Ergebnisse für x ≈ 500 µm). G G1 ist grösser als beim L123-haltigen Tropfenfluid, da auch die Grenzflächenspannung grösser ist (vgl. Tabelle 4.3 in Kapitel 4.2.3). Im Vergleich mit Wasser- und Xanthantropfen sind beide Grenzflächenelastizitätsparameter (GG1 und GG2) für DRIVANIL-Tropfen deutlich erniedrigt: Die Grenzflächenspannung an der Grenzfläche DRIVANIL-Lösung/Silikonöl ist deutlich niedriger als an der Grenzfläche Wasser/Silikonöl bzw. Xanthanlösung/Silikonöl. Die hier experimentell ermittelte Abhängigkeit des Grenzflächenelastizitätsparameters GG2 von der Grenzflächenspannung unterstützt die Annahme, dass das elastische Deformationsverhalten einer Fluidgrenzfläche massgeblich von der Grenzflächenspannung beeinflusst wird. Der Einfluss der Grenzflächenspannung wird jedoch alleine mit dem Kapillardruck ∆ p k0 nicht hinreichend beschrieben (sonst GG2 = 0). Die für DRIVANIL-Tropfen mit x ≈ 300 µm ermittelten GG2-Werte zeigen im Vergleich mit den beschriebenen Ergebnissen für Tropfen mit x ≈ 500 µm den Einfluss der Tropfengrösse: GG2 ist für kleinere Tropfen grösser. Damit verändert sich GG2 als Funktion von x in die gleiche Richtung wie GG1 (GG1 = ∆pk0 , ∆pk0 ~ x-1). Die Grenzflächenviskosität ηG ist für Tropfen mit x ≈ 300 µ m grösser als für Tropfen mit x ≈ 500 µm. Für beide Tropfengrössen liegen die ηG-Werte von DRIVANIL-Tropfen in der Grössenordnung der ηG-Werte für die anderen in dieser Arbeit untersuchten Tropfensysteme. Wie für emulgatorhaltige Tropfen (Emulgator L123 und Emulgator P) ist für DRIVANIL-Tropfen die Übereinstimmung der Kurvenverläufe aus Modell und Experiment für den Deformationsversuch gut. Die Übertragung der Variablen für den Relaxationsversuch zeigt jedoch weniger gute Übereinstimmung. η GrelWerte für DRIVANIL-Tropfen mit x ≈ 300 µm zeigt Tabelle 5.21 auf Seite 148. Die Abbildungen 5.57 bis 5.59 zeigen die Kurvenverläufe A/A0 (t) (aus Modell und Experiment).
1 Einführung
- 148 -
1.03
Deformation
3 Pa
A/A0
1.02
1.01
1.00
0.01
0.10
10.00
1.00
t/s
1.03
Relaxation
3 Pa
A/A0
1.02
1.01
1.00
0.01
0.10
1.00
10.00
t/s
Abb. 5.57:
A/A0(t) von DRIVANIL-Tropfen (x ≈ 500 µm, ηd = 1 Pas) in Silikonöl (η k ≈ 10.5 Pas); Punktsymbole: Experiment; Linie: Berechnung nach Modellgleichung (5.32) (Deformation) bzw. (5.34) (Relaxation) mit den in Tabelle 5.18 angeführten GG2 - und ηGWerten
1 Einführung
- 149 -
A/A0
1.10 1.09
11 Pa
1.08
14 Pa
1.07
20 Pa
1.06
25 Pa
Deformation
1.05 1.04 1.03 1.02 1.01 1.00
0.01
0.10
10.00
1.00 t/s
1.10 Relaxation 1.08
14 Pa 20 Pa
1.06
A/A0
11 Pa
25 Pa 1.04 1.02 1.00
0.01
Abb. 5.58:
0.10
t/s
1.00
10.00
A/A0(t) von DRIVANIL-Tropfen (x ≈ 300 µm, ηd = 1 Pas) in Silikonöl (ηk ≈ 10.5 Pas); Punktsymbole: Experiment; Linie: Berechnung nach Modellgleichung (5.32) (Def.) bzw. (5.34) (Relaxation) mit den in Tabelle 5.18 angeführten GG2- und ηG-Werten
1 Einführung
- 150 -
1.10
Relaxation
11 Pa
1.08
14 Pa
25 Pa
20 Pa
A/A0
1.06
25 Pa
20 Pa 1.04
14 Pa 1.02 11 Pa
1.00
0.01
0.10
1.00
10.00
t/s
Abb. 5.59:
Instationäre Relaxation A/A0(t) von DRIVANIL-Tropfen (x ≈ 300 µm, ηd = 1 Pas) in Silikonöl (η k ≈ 10.5 Pas); Punktsymbole: Experiment; Linie: Berechnung nach Modellgleichung (5.34) mit den in Tabelle 5.18 angeführten GG2- und ηG-Werten; gestrichelte Linie: Berechnung nach Modellgleichung (5.34) mit den in Tabelle 5.21 angeführten GG2- und ηGrel-Werten
Tab. 5.21:
Approximation von ηG aus dem Relaxationsverlauf für DRIVANILTropfen (x ≈ 300 µm) in Silikonöl (ηk = 10.5 Pas) τ/
Pa 11 14 20 25
ηGrel
/ Pas 25 44 45 65
Die Ergebnisse zeigen, dass mit dem erstellten Modell Deformationsversuch und Relaxationsversuch getrennt gut zu beschreiben sind. Dabei stimmen dann die Parameter G G2 und ηG nicht exakt überein. Bei reiner Wirkung des Kapillardrucks wäre dies nicht sinnvoll, da aber die Grenzfläche ihre eigene Physik besitzt, muss davon ausgegangen werden, dass deren Deformationsund Relaxationsverhalten unterschiedlich ist (zum Bsp. "Eigenstrukturverhalten" der Grenzfläche).
1 Einführung 5.3
- 151 Emulsionen formfixierter Teilchen
Abbildung 5.60 zeigt ein typisches Bild von denaturierten Proteinteilchen, welche im Kegel/Platte-Spalt eines Rotationsrheometers in der stationären Scherströmung "hergestellt" wurden. Die Fixierung der Teilchen erfolgte durch eine der Scherung überlagerte Temperaturerhöhung bis oberhalb der Denaturierungstemperatur der Proteinlösung. Abbildung 5.60 zeigt sowohl kugelförmige als auch ellipsoidal geformte Partikelformen. Aufgrund ihres geringeren Deformationswiderstandes sind die grösseren Teilchen stärker deformiert. Nachdem im Laborversuch die Fixierung deformierter Emulsionsteilchen gelungen war, wurde ein kontinuierlicher Apparat zur "Fixierung deformierter Teilchenstrukturen" im Technikumsmassstab konzeptioniert. Die Beschreibung dieses "Rohrapparates" erfolgte bereits in Kapitel 4.3.2.
100 µm Abb. 5.60:
Proteinteilchen in Silikonöl (ηk ≈ 60 Pas)
Im Rohrapparat wurden auf Basis von Emulsionssystemen (cV = 6 Vol%) mit kristallisierender disperser Phase "formfixierte Emulsionen" erzeugt (Beschreibung des Stoffsystems und der Prozessführung in Kapitel 4.3). Die Abbildungen 5.61 bis 5.64 zeigen "Emulsionen", welche im Rohrapparat erzeugt wurden. Die Prozessparameter und Materialeigenschaften der Emulsionsphasen sind in den Abbildungslegenden angegeben.
1 Einführung
- 152 -
100 µm
Abb. 5.61:
A
100 µm
B
Teilchen "formfixierter Laurinsäure-in-Glukosesirup-Emulsionen" (vgl. Tabelle 4.4 in Kapitel 4.3.1, c V = 6 Vol%); Materialeigenschaften und Prozessparameter bei Kristallisationstemperatur (41 °C): ηk = 0.103 Pas, ηd /ηk = 0.083, σ = 0.01 N/m; A: τ = τ r = 22 Pa, τ a « τ r; B: τ = τ r = 111 Pa, τ a « τ r
100 µm
Abb. 5.62:
"Zusammenschnitt" unregelmässig geformter Partikeln in der "formfixierten Laurinsäure-in-Glukosesirup-Emulsion B" (vgl. Abb. 5.51); Materialeigenschaften und Prozessparameter bei Kristallisationstemperatur (41 °C): ηk = 0.103 Pas, ηd/ηk = 0.083, σ = 0.01 N/m; τ = τ r = 111 Pa, τ a « τ r
Die in Abbildung 5.61 dargestellten Teilchen sind ellipsoidaler Form. Bei Zunahme der die Teilchendeformation bewirkenden Schubspannung τ = τr sind die deformierten Teilchen (Ellipsoide) zunehmend schlank geformt. Es werden auch vermehrt unregelmässig geformte Teilchen beobachtet (vgl. Abbildung 5.62). Als "spitze" Ellipsoide oder nadelförmig sind die Teilchen zu beschreiben, welche bei Erhöhung der Viskosität der kontinuierlichen Phase "fixiert" wurden. Abbildung 5.63 zeigt die Teilchen der Rohemulsion, Abbildung 5.64 die "formfixierten" Teilchen.
1 Einführung
- 153 -
500 µm
C Abb. 5.63:
Suspensionsteilchen vor der "Formfixierung" (Bezug: Abbildung 5.64)
500 µm
D Abb. 5.64:
Teilchen "formfixierter Laurinsäure-in-Glukosesirup-Emulsionen" (vgl. Tabelle 4.4 in Kapitel 4.3.1, cV = 1.1 Vol%); Materialeigenschaften und Prozessparameter bei Kristallisationstemperatur (41 °C): ηk = 0.613 Pas, ηd /ηk = 0.014, σ = 0.01 N/m; (D:) τ = τ r = 250 Pa, τ a « τ r
1 Einführung
- 154 -
Mit den in Abbildung 5.61 gezeigten "formfixierten Emulsionen" A und B wurden stationäre Scherversuche durchgeführt. Abbildung 5.64 zeigt die im CouetteSpalt des Rotationsrheometers RFS ΙΙ (vgl. Kapitel 4.1) aufgenommenen Viskositätsfunktionen η(γ˙ ). η(γ˙ ) wurde jeweils aus 3 Messungen gemittelt, wobei die Standardabweichungen für jede Schergeschwindigkeit im Bereich der Symbolgrössen liegen. Im untersuchten Schergeschwindigkeitsbereich von 2 s-1 < ~ ˙γ < ~ 50 s-1 (vgl. Abb. 5.65) liegt die Viskositätsfunktion von "Emulsion" A gegenüber der Viskositätsfunktion von "Emulsion" B zu höheren Viskositäten verschoben. Da die stoffliche Zusammensetzung der beiden "Emulsionen" sowie die Teilchengrössenverteilung identisch ist, kann das unterschiedliche Viskositätsverhalten nur auf unterschiedliche Teilchenstrukturen (vgl. Abb. 5.61) zurückgeführt werden. "Emulsion" B weist schlankere Teilchen als "Emulsion" A auf. Schlankere Teilchen setzen der Umströmung (im rheometrischen Scherspalt) mit kontinuierlicher Phase einen geringeren Fliesswiderstand als weniger schlanke Teilchen entgegen. Folglich resultiert für "Emulsion B" (im stationären Scherversuch) im Vergleich zu "Emulsion" A eine Viskositätserniedrigung.
0.45
0.40
η / Pas
0.35
0.30
"formfixierte Emulsion" A
(Fixierung bei τ = 22 Pa) 0.25
"formfixierte Emulsion" B (Fixierung bei τ = 111 Pa)
0.20 1
10
100
γ« / s −1
Abb. 5.65:
Viskositätsfunktion der "formfixierten Laurinsäure-in-GlukosesirupEmulsionen" A und B (vgl. Abbildung 5.51) (RFS ΙΙ, 25 °C, Couette-Geometrie)
1 Einführung 6
- 155 SCHLUSSDISKUSSION
Mit Hilfe der in dieser Arbeit aufgebauten "opto-rheometrischen" Untersuchungswerkzeugen konnte das Deformations- und Zerteilungsverhalten von Einzeltropfen in der (uniaxialen) stationären und instationären ("Anlaufströmung", "Relaxationsströmung") Scherströmung messtechnisch erfasst werden. Für die in Kapitel 4.2.1 beschriebenen "Strömungsapparate" mit Kegel/Platte-Geometrie zeigte sich, dass eine Beeinflussung des Deformationsund Zerteilungsverhaltens der Tropfen durch die Scherspaltwände nicht ausgeschlossen werden konnte. Mit der daraufhin konzipierten Bandscherapparatur (Beschreibung in Kapitel 4.2.1) konnte davon ausgegangen werden, das Deformations- und Zerteilungsverhalten von Fluidtropfen in der Scherströmung, welche zwischen zwei parallelen Bändern ausgebildet wird, ungestört von Randeinflüssen beobachten zu können. Dazu musste "lediglich" der Abstand zwischen den scherspaltbegrenzenden Wänden an die Tropfengrösse angepasst werden. Mittels Bandscherapparatur wurde das Deformations- und Zerteilungsverhalten von Einzeltropfen in der stationären und instationären ("Anlaufströmung", "Relaxationsströmung") Scherströmung experimentell quantifiziert. Die Adaption der Bandscherapparatur an ein Inversmikroskop erlaubte die Untersuchung von Tropfen im Mikrometermassstab. Die Untersuchungsergebnisse mit NEWTONschen Fluiden (disperses, kontinuierliches Fluid) haben gezeigt, dass die Deformation von Tropfen durch "Fluidumströmung" (in der Scherströmung) nicht alleine von der "makroskopischen" Schubspannung abhängt. Die "makroskopische" Schubspannung bezeichnet die Schubspannung, welche sich aus dem Produkt der Schergeschwindigkeit im Scherspalt und der Viskosität des "Umströmungsfluids" (kontinuierliche Phase) ergibt. Im Deformationsexperiment wurde beobachtet, dass aus der Veränderung der Viskosität des "Umströmungsfluids" bei gleich grosser aufgeprägter "Umströmungsschubspannung" unterschiedlich stark ausgeprägtes Deformationsverhalten der Tropfen resultiert. In niedrig viskoser Umgebung deformieren die Tropfen stärker. Folglich sind die "mikroskopischen" Spannungen , welche der Tropfen an seiner Grenzfläche als Deformationsursache erfährt, nicht ausser Betracht zu lassen. In Kapitel 5.1.2 konnte durch Berechnungsbeispiele für lokale Schub- und Normalspannungen (an der Grenzfläche stationär deformierter Tropfen) gezeigt werden, dass die von der Umströmung des Tropfens auf dessen Grenzfläche lokal übertragenen Normalspannungen (neben den lokal übertragenen Schubspannungen) das Tropfendeformationsverhalten massgeblich beeinflussen. Bei Erhöhung der Viskosität des Tropfenfluids wurde unter Konstanthaltung des Viskositätsverhältnisses von disperser (Tropfenfluid) zu kontinuierlicher Phase bei gleicher makroskopischer Beanspruchungsschubspannung eine stärkere stationäre Deformation detektiert. Gleiche "Umströmungsschubspannung" führt im höher viskosen Tropfen zu geringerer "charakteristischer" innerer Strömungsgeschwindigkeit, welche sich somit weniger stark tropfenformstabilisierend auswirken kann.
1 Einführung
- 156 -
Weitere in dieser Arbeit durchgeführte Deformationsexperimente zeigten für "zerteilungsunkritische" Beanspruchungen von Tropfen den erwartbaren Einfluss der Grenzflächenspannung auf das Deformationsverhalten. Wie in Abbildung 5.7 (Kapitel 5.1.2) dargestellt ist, führen niedrige Grenzflächenspannungen zu verstärkter stationärer Deformation. Dabei konnte insbesondere < 2·10-3 N/m) ein erheblicher im Bereich kleiner Grenzflächenspannungen (σ ~ Einfluss der Grenzflächenspannung auf die stationäre Deformation festgestellt werden. Ein wesentlicher Teil der experimentellen Untersuchungen in dieser Arbeit bestand in der Quantifizierung des zeitabhängigen Deformationsverhaltens in der instationären Scherströmung. Dabei wurden die "Anlaufströmung" und die "Relaxationsströmung" in die Untersuchungen einbezogen. Bei instationären Versuchsführungen konnte der in Abbildung 5.30 (Kapitel 5.1.3) schematisch dargestellte Zusammenhang zwischen dem "Zeitbedarf" eines Tropfens zur Ausbildung stationärer Deformationszustände und zur Rückdeformation (zur Kugel) bestätigt werden: Rückdeformationsvorgänge laufen schneller ab. Für verschiedene Stoffsysteme "dispers/kontinuierlich" konnte neben asymptotisch auf einen Grenzwert zulaufenden "Deformationskurven" ein elastisches Überschwingen der Grenzfläche über den Wert der stationären Deformation hinaus beobachtet werden. In Kapitel 5.2 wurde ein Modell zur Beschreibung des zeitabhängigen Deformationsverhaltens von Tropfen in instationären Scherströmungen ("Anlaufströmung", "Relaxationsströmung") vorgestellt. Nach Überprüfung verschiedener Ansätze erfolgte die Aufstellung eines "rheologisch-mechanischen Analogiemodells" , welches nach Kopplung mit der Scherenergiebilanz das experimentell ermittelte Deformationsverhalten gut annähern lässt. Das Ersatzschaltbild des "rheologisch-mechanischen Analogiemodells" für das Deformationsverhalten disperser Körper (Tropfen) in Fluidströmungen zeigt Abbildung 5.49 (Kapitel 5.2.2). Das Modell wurde auf Basis der Einführung neuer grenzflächenrheologischer Parameter aufgestellt. Die Definition eines Grenzflächenelastizitätsmoduls und einer Grenzflächenviskosität erfolgte in Analogie zu den "kontinuumsrheologischen" Grössen Elastizität bzw. Schubmodul und Viskosität (Modellierung mit den rheologischen Grundkörpern Feder (Schubmodul) und Dämpfer (Viskosität)). Die Überprüfung verschiedener Modellansätze zeigte, dass mit dem Kapillardruck das elastische Deformationsverhalten der Grenzfläche nicht vollständig beschrieben werden kann. Weitere elastische Mechanismen, wie zum Bsp. "MARANGONI-Elastizitäten" (Elastizität aufgrund von Konzentrationsgradienten in der Grenzfläche), beeinflussen das Tropfendeformationsverhalten. Damit wurde der Grenzflächenelastizitätsmodul als zusammengesetzte Grösse aus dem Kapillardruck, welcher den Einfluss der Grenzflächenspannung auf das elastische Deformationsverhalten der Tropfengrenzfläche beschreibt, und einer weiteren "Grenzflächeneinzelelastizität" eingeführt. Grenzflächenelastizitätswerte und Grenzflächenviskositätswerte konnten durch Anpassung der aufgestellten Modellgleichungen an experimentelle Ergebnisse für die in dieser Arbeit untersuchten Stoffsysteme "dispers/kontinuierlich" berechnet werden. Für gleichartig aufgebaute Grenzflächen resultierten konstante Grenzflächenelastizitäts- und Grenz-
1 Einführung
- 157 -
flächenviskositätswerte, so dass diese Grössen als Stoffsystemkonstanten einzustufen sind. Es zeigte sich jedoch, dass die Grenzflächenelastizität tropfengrössenabhängig ist. Sie nimmt mit kleiner werdendem Tropfendurchmesser zu. Für den Anteil, welcher mit dem Kapillardruck beschrieben wird, ist die Tropfengrössenabhängigkeit mit der LAPLACE-Gleichung quantifizierbar (proportional (Tropfendurchmesser)-1). Für Grenzflächen mit adsorbierten grenzflächenaktiven Molekülen konnte das experimentell ermittelte Deformationsverhalten mit dem erstellten Modell getrennt für die Deformationsversuchführung ("Anlaufströmung") und die Relaxationsversuchsführung ("Relaxationsströmung") gut beschrieben werden. Folglich wirkt sich das unterschiedliche Deformationsverhalten der kontinuierlichen Phase (vgl. Abbildung 5.30 in Kapitel 5.1.3) in der "Anlaufströmung" (Deformation nimmt proportional zur Zeit zu) und in der "Relaxationsströmung" (konstante Deformation) auch auf die Grenzflächenphysik des Tropfens aus. Liegt ein emulgatorhaltiger "Grenzflächenfilm" vor, so wird die "Eigenträgheit" der Grenzfläche in der "Reaktion" auf die Fluidumströmung erhöht. Es muss also von einem "Eigenstrukturverhalten" der Grenzfläche ausgegangen werden. In Kapitel 5.1.4 wurden Beobachtungen zum Tropfendeformationsverhalten bei "zerteilungskritischen" Beanspruchungsschubspannungen beschrieben. Von den Ergebnissen zur "instationären Versuchsführung mit Zerteilung " ist eines der beobachteten Phänomene hervorzuheben: Der Mechanismus der Zerteilung von Tropfen mit "überkritischer" Grösse bei der Relaxation. Abbildung 5.47 (Kapitel 5.1.4) zeigt ein solches Zerteilungsverhalten anhand von Deformationsbildern. Das eigentliche Phänomen ist bereits aus der Literatur bekannt und wurde von RUMSCHEIDT/MASON [24] beschrieben. Neu ist der hier ermittelte Einfluss der vorausgehenden Deformation, welche "überkritisches" Ausmass erreichen muss, um bei der Relaxation eine Zerteilung des Tropfens zu bewirken. Die Deformationszeiten sind entsprechend zu wählen. Derselbe Tropfen kann nach den gesammelten Erfahrungen auch durch länger andauernde Deformation zerteilt werden. Die Zeit bis zur Zerteilung ist jedoch beim "kombinierten Zerteilungsmechanismus" (kritische Deformation mit Relaxation) erheblich kürzer. Unter Berücksichtigung dieses Einflusses lassen sich bekannte Phänomene aus der Emulgiertechnologie zum Teil interpretieren. Dazu gehört insbesondere die höhere Effizienz eines Emulgierprozesses mit kurzen Verweilzeiten im Dispergierspalt (kein Erreichen stationärer Deformationszustände) bzgl. kleinerer resultierender mittlerer Teilchendurchmesser bei Mehrfachpassage durch einen Rotor/Stator-Dispergierspalt. Folglich ist die erhöhte Emulgiereffizienz nicht nur in einer besseren Stabilisierung des "Emulgierergebnisses" (vgl. Kap. 2.1.3) durch emulgatorkinetische Vorgänge begründet. Sie ist darüber hinaus auf den Mechanismus der Tropfenzerteilung zurückzuführen. Sind die Deformationszeiten im Dispergierspalt "unterkritisch" kann ein hinreichend "stark" deformierter Tropfen nach Austritt aus dem Dispergierströmungsfeld zerteilen (bei der Rückdeformation). Umsetzungsorientierte Schritte (in Richtung Produktentwicklung) wurden in dieser Arbeit im Hinblick auf die Ausnutzung der Deformierbarkeit disperser Fluidteilchen zur Erzeugung neuartig strukturierter disperser Stoffsysteme unternommen. Es erfolgte der Aufbau einer Prozessapparatur zur "Fixierung" deformierter Emulsionstropfen. Die erzielten Emulsionsstrukturen zeigen die Abbildungen 5.60 bis 5.64 (in Kapitel 5.3). Eine Auswahl der erzeugten "form-
1 Einführung
- 158 -
fixierten Emulsionen" wurde rheologisch untersucht. Die Resultate bestätigten die erwartete Beeinflussbarkeit des Viskositätsverhaltens durch die Deformation der Emulsionsteilchen. Stärker deformierte Emulsionsteilchen führten zu erniedrigten Viskositätswerten.
1 Einführung 7
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